Wenn die Firma sich der Software anpassen muss
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Wenn die Firma sich der Software anpassen muss
BLICK 03 - 2007 Wenn die Firma sich der Software anpassen muss Wirtschaftsinformatiker sind in Sachen Electronic Commerce aktiv thema D 32 a war dieser Existenzgründer, der seine Firma im Internet präsentieren wollte. Er wusste schon genau, wie seine Startseite aussehen sollte: Mit dem Textverarbeitungsprogramm Word hatte er sich die einzelnen Bausteine zurechtgebastelt, ausgedruckt und fein säuberlich auf einem Blatt Papier angeordnet. Wie er seine Idee aber in einen real existierenden Webauftritt umsetzen sollte, davon hatte er nicht die leiseste Vorstellung. Christian Fuchs half dem Mann weiter. Der Doktorand am Lehrstuhl für BWL und Wirtschaftsinformatik der Uni Würzburg arbeitet im Meck mit, dem Mainfränkischen Electronic-CommerceKompetenzzentrum. Schon seit 1998 gibt es diese Institution. „Damals standen in der Zeitung jeden Tag Sensationsmeldungen über die Entwicklung des Internet“, blickt Lehrstuhlinhaber Rainer Thome zurück. „Die Bundesregierung befürchtete, dass kleine und mittlere Firmen mit dieser Entwicklung nicht Schritt halten und Wettbewerbsnachteile bekommen könnten. Darum startete man im Wirtschaftsministerium ein Förderprojekt, das Netzwerk Elektronischer Geschäftsverkehr.“ Darin sind bundesweit 25 regionale Kompetenzzentren vertreten, und eines davon ist das Meck, getragen von der Industrie- und Handelskammer Würzburg-Schweinfurt, koordiniert durch Meck-Projektleiter Oliver Freitag in Kooperation mit der Handwerkskammer für Unterfranken sowie mit Thomes Lehrstuhl. Nicht nur ratlosen Firmengründern hilft Christian Fuchs im Auftrag des Meck. Zu seinen Angeboten für mittelständische Unternehmen gehört zum Beispiel auch ein kostenloser WebsiteCheck: Stimmt das Layout, passt die Navigation? Steht im Impressum alles drin, was rechtlich gesehen nötig ist? „Ein wichtiger Punkt ist die Optimierung der Seite für Suchmaschinen“, sagt Fuchs. Denn viele Geschäftsleute wollen wissen, wie sie auf den Treffer- listen von Google & Co. möglichst weit vorne landen. „Die nötigen Verbesserungen machen wir nicht selbst, denn unsere Aufgabe ist nur die neutrale Beratung“, so der Doktorand. Wohl aber geben die Meck-Mitarbeiter ihren Kunden Empfehlungslisten mit Spezialisten an die Hand, die die jeweiligen Mängel professionell beheben können. Ob der Kunde den Rat der Wissenschaftler annimmt „Wenn ich mich als Mann von der EDV ausgebe und um das Passwort bitte, kriege ich es in aller Regel“ und wen er für die Umsetzung engagiert, bleibt ihm selbst überlassen. Informieren, beraten, schulen. Das tun die Leute vom Meck bei Einzelgesprächen, Seminaren und Informationsveranstaltungen. Weil sie nicht alle Spezialgebiete selbst abdecken können, haben sie Partner aus der mainfränkischen Wirtschaft gewonnen. Zum Beispiel die bitbone AG, die Rechtsanwälte Cornea-Franz, die rockenstein AG und die Firma NG-Marketing. Sie alle stellen kostenfrei Referenten für Beratertage und Info-Veranstaltungen zur Verfügung. Allein im Oktober und November stehen zehn Termine auf dem Programm. Dabei erfahren die Teilnehmer etwa, welche Vorteile das Internet einem Handwerksbetrieb bietet. Am 25. Oktober geht es zur IT-Messe Systems nach München, und dort wird gleich noch eine geführte Tour angeboten. Ihr Thema: „Betriebswirtschaftliche Software für Kleinstbetriebe“. Auch kleine Firmen sind von Hackern bedroht Fast zehn Jahre lang ist das Meck inzwischen aktiv. Wegen der dynamischen Entwicklung im Internet und in Sachen betrieblicher Software konnte es nicht ausbleiben, dass die Firmen heute vor neuen, anderen Problemen stehen. Darum hat das bundesweite Netzwerk Mitte 2006 vier Begleitprojekte ins Leben gerufen. Zwei davon sind am Lehrstuhl von Thome angesiedelt – „ein toller Erfolg für uns und die Universität“, freut sich der Professor. Um die Projekte kümmern sich zwei seiner Doktoranden: Andreas Gabriel ist in Sachen Informationssicherheit unterwegs – kein unwichtiges Gebiet, schließlich sind auch kleinere Firmen zunehmend von Viren, Würmern und Hackern bedroht. Sebastian Klüpfel konzentriert sich auf das Enterprise Resource Planning (ERP). Darunter versteht man betriebswirtschaftliche Software, die alle Anwendungsbereiche in einem Unternehmen abdeckt, von der Auftragsverwaltung über Lohn und Gehalt bis hin zur Materialwirtschaft. „65 Prozent der Handwerksbetriebe besitzen kein ERP-System, ebenso wie rund ein Drittel der kleineren Unternehmen“, weiß Klüpfel aus einer Erhebung. Da werden Rechnungen umständlich mit Word gedruckt, da sind wichtige Unternehmenszahlen nicht verfügbar, da kommt es zu Fehlern in der Auftragsabwicklung. Mit einer Spezialsoftware dagegen könnte das Geschäft wesentlich reibungsloser laufen. Aber: „Wenn eine kleine Firma sich eine solche Software anschaffen will, stößt sie auf einen Markt mit Hunderten von Anbietern und steht dann meist völlig ratlos da“, sagt Thome. Auch diesem Kundenkreis wollen die Leute vom Meck Orientierung verschaffen – mit Info-Veranstaltungen, Leitfäden und der Präsentation besonders guter Praxisbeispiele. Dabei haben sie häufig Überzeugungsarbeit zu leisten – und die Firmeninhaber müssen oft umdenken. „Viele Handwerker zum Beispiel führen ihre Firma wie eh und je, so wie es der Seniorchef schon gemacht hat. Die fragen uns dann, welche Software ihre Art der Geschäftsabwicklung am Besten unterstützt. Oft lautet die Antwort, dass es für sie keine Lösung gibt, dass sie stattdessen gewisse Abläufe ändern, an die Software anpassen müssen.“ Dabei sei auf die neutralen Empfehlungen seines Teams absolut Verlass, betont Thome. Er selbst forscht seit mehr als 30 Jahren über die Auswahl und Einführung betriebswirtschaftlicher Software; seine erste große Studie über Software-Konzepte datiert auf das Jahr 1976. Unter seiner Regie wurden Lösungen entwickelt, die heute weltweit im Einsatz sind – bei Mittelständlern wie bei großen Unternehmen, unter anderem bei Bayer, BASF, Kodak oder auch bei der Stadt Nürnberg. Die Kooperation mit der Wirtschaft bringt auch die Wissenschaft voran „Meine Mitarbeiter sind Experten darin, nachprüfbar herauszufinden, welches ERP für welches Unternehmen das Beste ist. Dazu informieren sie sich ständig über den Markt, testen und entwickeln aber auch selbst verschiedene Lösungen“, so der Würzburger Wirtschaftsinformatiker. Zu diesem Zweck sind auf den Rechnern an seinem Lehrstuhl diverse Modellfirmen etabliert, an denen sich unterschiedliche Software-Systeme erproben lassen. Davon profitieren auch die Studierenden, die an diesen virtuellen Unternehmen geschult werden. Letzten Endes kommt die Kooperation mit den Unternehmen auch der Wissenschaft zu Gute: Bei der Arbeit vor Ort lernen Thomes Mitarbeiter, wo genau es hakt in Sachen Electronic Commerce. Dadurch können sie im Sinne eines wissenschaftlichen Forschungsansatzes die Probleme beschreiben und Lösungsmethoden entwickeln. Alle Meck-Mitarbeiter – Fuchs, Klüpfel und Gabriel – lassen diese Arbeit in ihre Dissertationen einfließen. Fehlt noch der Dritte im Bund, der thema BLICK 03 - 2007 Die drei vom Meck (von links): Sebastian Klüpfel, Christian Fuchs und Andreas Gabriel. Foto Robert Emmerich Mann für die Informationssicherheit: Andreas Gabriel. Er spielt oft den Hacker, sucht in Firmen-Netzwerken nach Schwachpunkten – und findet immer welche. Viele lassen sich im Laufe eines Tages beheben, manche sind gravierender. Ein wichtiger Punkt bei seiner Arbeit ist es, die Mitarbeiter für die Problematik zu sensibilisieren und sie entsprechend zu schulen. Er bringt ihnen zum Beispiel bei, wie sie mit Spam-Mails umgehen müssen und dass firmeninterne Passwörter geheim zu halten sind – was nicht für Jeden selbstverständlich ist: „Wenn ich etwa bei einem jungen, noch unerfahrenen Mitarbeiter anrufe, mich als Mann von der EDV ausgebe und ihn unter einem Vorwand um die Preisgabe seines Passwortes bitte, dann kriege ich das in aller Regel auch.“ Gabriel informiert und schult bundesweit, in Mainfranken genauso wie in Magdeburg oder Dinkelsbühl. Vier Häuser betreut er besonders intensiv: Babcock Noell in Würzburg, IBCoS in Schweinfurt, das Landratsamt Haßberge und das Caritas-Krankenhaus in Bad Mergentheim. Sie alle dokumentieren die Verbesserungsprozesse, die sie gemeinsam mit dem Würzburger Doktoranden vollziehen, einige streben eine Zertifizierung nach ISO 27001 an. Derzeit befindet sich das Meck in seiner vierten Förderperiode. Ende 2008 läuft die Finanzierung durch das Bundes- ministerium für Wirtschaft und Technologie aus. Wie es dann weitergeht? Das steht noch in den Sternen, und nun sind es einmal die vier Würzburger Wirtschaftsinformatiker, die ratlos erscheinen. Thomes Bilanz: „Es ist auf jeden Fall eine positive Sache für Unterfranken und für alle Beteiligten. Die Unternehmen regen sich durch unsere Aktivitäten gegenseitig an. Und auch wir möchten weiterhin den Stand der Forschung in die Firmen tragen und dort Erkenntnisse für unsere Arbeit gewinnen.“ Robert Emmerich Meck-Termine Drei kostenlose Info-Veranstaltungen bietet das Mainfränkische Electronic-Commerce-Kompetenzzentrum Meck im November an der IHK in Würzburg an: • Brennpunkt IT-Sicherheit: Risiken, Strategien, Konzepte. Donnerstag, 8. November • RFID – eine Zukunftstechnologie für den Mittelstand. Dienstag, 13. November • Die professionelle Website! Von der Anfahrtsskizze über OnlineShops bis hin zum Zahlungsverkehr. Dienstag, 20. November Mehr Informationen und Anmeldung über www.meck-online.de 33