Juni 2011
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Juni 2011
€ 3,80 (Ö) € 4,80 (D) sfr 9,00 s u m s i n i m Fe für alle! das feministische monatsmagazin. juni 2011 Fast zehn Prozent unserer Abonnent_innen sind männlich. Join the Press|ure Group! Jetzt l l an.schläge abonnieren. Schnupperabo (3 Hefte): 10 / 12* Euro Jahresabo (10 Hefte): 35 (ermäßigt 29) / 45* Euro Unterstützungsabo (10 Hefte): 43 / 53* Euro * gültig für Europa, weitere Auslandspreise auf Anfrage Infos und Bestellungen unter [email protected] oder auf www.anschlaege.at an.schläge Nr. 06/11, 25. Jahrgang, € 3,80 (Ö) € 4,80 (D) sfr 9,00 , ISSN 1993-3002, P.b.b. Erscheinungsort Wien, Verlagspostamt 1010 Wien, envoi à taxe réduite, GZ 02Z031419 M Feminist Press|ure Lesen junge Feminist_innen noch Zeitung? Mein Busch gehört mir! Der Trend zur Intimrasur entwickelt haarsträubende Auswüchse Tanja Ostojić Interview: Die Künstlerin über „Naked Life“ und Anti-Roma-Rassismus Plus: Kurz-Kritik >> Ägypten >> Joanna Russ >> Geburtshilfe & Groschenromane >> Poly Styrene >> lesbisches Camping in Ungarn >> und vieles mehr Eine Stadt, die Lernen und Freizeit verbindet. Wien ist voll dabei. 05. 21. 2011 mai august Frauen im KreuzFeuer. Jenny Matthews verlängert bis 21. aug. 11 Platz 501, 6952 Hittisau T +43 (0) 5513 6209-30 [email protected] www.frauenmuseum.at frauenmuseum hittisau Alle kampfbereit – außer Deutschland Gaddafi: Wir schießen Urlaubsflieger ab Libyen: Freude über Luftangriff Betrug srekor d: Deutsche AKW: die sichersten auf der Welt Nach den Landtagswa hlen: Deutschland strahlt grün SO WIRD BEI HARTZ IV ABG EZOC KT! a: Speerwerferin in Kub dgranate Training mit der Han Israel: Einzige Demokratie im Nahen Osten en hwer im Komm Linke Gewalt sc Sarrazin-Debatte: Deutsche arbeiten demografisch an ihrem Verschwinden Wenn die Umgebung passt, dann macht Lernen richtig Spaß. Mit Beginn des Schuljahres 2014/15 wird am Hauptbahnhof ein Bildungscampus für 0- bis 14-Jährige auf 20.000 m² für 1.100 Kinder aus Kindergartengruppen, einer Ganztagsvolksschule und einer Ganztagshauptschule eröffnet. Sie werden alle Infrastruktur- und Freizeitangebote gemeinsam nutzen. Mehr Infos unter: www.bildungscampus.wien.at 2011 m.at espressofil rollen.wechsel ju n g e W e lt Jetzt am Kiosk. Die Tageszeitung G e g r ü n d e t 19 47 · Fre itag, 18. März 2011 · N r . 65 · 1 , 3 0 E u ro · PV S t A 110 02 · E n t ge l t b e za h l t Neuer Tarif Etappensieg für die GDL: Lokführer schließen Rahmenvertrag im privaten Schienengüterverke hr 2 Gewagte Theorie Israelische Piraterie: Keine glaubwürdigen Indizien für iranischen Waffenschmuggel in den Gazastrei fen 6 Freiheit für Bradley Mann Angebliche Datenweitergabe an Wiki leaks: Einem Nachrichte nanalysten der USArmee wird der Prozeß ge macht, weil er Kriegsverbr echen ent hüllt hat. Schwerpunkt zum Tag der politischen Gefangenen Seite 3 Vorsichtige Pause China will Atomstromproduk tion massiv ausbauen. Mit Blick auf Japan Zulassung neuer Meiler ausgesetzt 9 ing www.jungewelt.de Revolutionärer Akt Von preußischen Truppen belagert: Vor 140 Jahren rief die Bevölkeru ng von Paris die Kommune aus 10 Merkels AKW sind »sicher« Japan: Situation verschärft sich Leerformeln und schöne Worte – ein parlamentaris cher Offenbarungseid der Nordrhein-Westfalen will Kanzlerin. heute den Bundesrat einsch alten. Von Peter Wolter P lattheiten, Allgemein plätze und immer wieder: »Unsere Kernkraftwerke sind sicher« – viel mehr als Leerforme ln und einen Schwall schöner Worte hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am gestrigen Donnerstag im Bundestag in ihrer Regierungserklärung zur Atompolitik nicht anzubieten . Trotz des Nachbohrens der Opposition vermochte sie den Widerspru ch nicht zu klären, warum dann acht dieser »weltweit sichersten« Kraftwerk e vorläufig abgeschaltet werden sollen. Keine Rede davon, die Laufzeitve rlängerung für Atomkraftwerke zurückzun ehmen, keine Rede davon, die in den 70er Jahren konzipierten Atommeiler für alle Zeiten stillzulege n. Ein derart argumentationsfreier Auftritt ist wohl nur damit zu erklären, der besorgten Öffentlichkeit mit Blick auf die bevorstehenden Landtagsw ahlen einen Kurswechsel vorzugaukeln. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel warf Merkel in der Debatte Zwei Drittel aller Deutschen halten Merkels vor, noch zur Zeit der schwarz-ro Schwenk in der Atompolit ten ik für ein Wahlkampfmanöver Regierungskoalition den Weiterbe- aktor-Katastrophe trieb der ältesten Kraftwerk in der japanischen Entscheidu e erzwun- Stadt Fukushima ngen geben.« gen zu haben. Sie habe »nicht länger verantTagesspiegel schon am heutigen sich damals, wortbar«, Nicht nur von den Oppositio Freisagte der Fraktionschef als er selbst Bundesum ns- tag Nägel mit Köpfen der bänken im Bundestag weltminist machen und in aus, sondern den Bundesrat gewesen sei, für den Weiterbetr er Grünen, Jürgen Trittin. Sein Kollege auch einen Entschließungsvon namhaften Staatsrech ieb von der Linksparte tlern antrag einbringen von Biblis A und Neckarwes i, Gregor Gysi, for- wurde , der zur Rücknahme kritisiert, daß die Bundesreg theim I derte: »Der 11. März 2011 muß das rung eingesetzt. »Sie haben ie- der Laufzeitverlängerung mich schrift- Ende des nicht führen soll. das Recht habe, nuklearen Zeitalters eingedas vom Da weder die lich dazu aufgefordert, die Parteien der Berliner Parlament beschlossene Laufzeiten leitete haben.« Gesetz zur Regierung dieser beiden Atomkraft skoalition noch Laufzeitverlängerung einfach werke zu verUnterstützung erhielt Merkel außer position eine Mehrheit die der Oplängern!« Und im vergangen aus0 30/53 www.jungewelt.de/abo/3wochenabo.php 63 55-50 Kraft zu setzen. en Herbst den Reihen • Abotelefon: in der LänderDer frühere Präsident der Regierungskoalition. habe Merkel dann die kammer haben, dürfte es des Bundesverfassungsge Laufzeitver- »Die Unionsfrak wohl beim richts Hans- Austausch längerung mit den Energieko tion steht geschlos- Jürgen von Argumenten bleiben. nzernen sen hinter dem, Papier bezeichnete diese Ent- NRW, so kündigte ausgehandelt: »Sie persönlich was die Kanzlerin scheidung Landesumweltmihaben vorgetragen hat«, am Donnerstag als nicht Sicherheit gegen Geld versicherte deren verfassung nister Johannes Remmel getauscht«, Vorsitzend (Grüne) laut skonform. er Volker Kauder. Und sagte Gabriel. »Ohne Tagesspiegel an, werde Ihre Kumpa- seine Kollegin SPD-Chef Gabriel forderte dann einen von der FDP, Brigitte eine formellen Gesetzentw nei mit der Atomwirtschaft Entscheidung durch den wären sie Homburger, urf einbringen. Bundestag. Ziel sei der versprach: »Mit uns wird längst vom Netz.« endgültige Ausstieg aus Die von SPD und Grünen es keinen Sicherheitsrabatt, gestellte der Atomkraft Das Restrisiko sei nach aber auch Landesregierung . der Re- kein hektisches Nordrhein-WestfaÜberbordwerfen aller lens will nach Angaben des Berliner u Siehe Seiten 7 und 8 Name Bitte schicken Sie mir oder folgender Person die Tageszeitung junge Welt für drei Wochen kostenlos. Das Testabo endet automatisch. Straße/Nr. Ja, ich bin damit einverstanden, daß Sie mich zwecks einer Leserbefragung zur Qualität der Zeitung, der Zustellung und zur Fortführung des Abonnements telefonisch kontaktieren. (jW garantiert, daß die Daten ausschließlich zur Kundenbetreuung genutzt werden.) Frau Herr Vorname PLZ/Ort Telefon E-Mail Datum Unterschrift Die Belieferung soll ab Montag, den beginnen. Coupon einsenden an: Verlag 8. Mai GmbH, Torstraße 6, 10119 Berlin, oder faxen an die 0 30/53 63 55-44 AP ... oder gleich hier im Probeabo TOBIAS SCHWARZ / REUTERS . bis 26 t s u Aug Streit um »Stuttgart 21« gefährdet Zukunftsfähigkeit Deutschlands Tokio/Berlin. Mit allen Mitteln kämpft das japanische Militär gegen Kernschmelzen im Katastrophen-AKW Fukushima . Mit Wasserabwürfen aus der Luft und Spritzkanonen am Boden versuchen die Soldaten, den havarierten Reaktor 3 zu kühlen. Ob das große Atom-Desaster noch verhindert werden kann, entscheide t sich nach Einschätzung der deutschen Gesellschaft für Strahlensc hutz vermutlich bis Samstag: Wenn die Kühlversuche an Block 4 des havarierten Atomkraftwerks scheiterten, komme es zur Katastroph e. Hier liegen die Kernbrenn stäbe außerhalb der stählernen Schutzhüll e offen in einem Abklingbe cken. Die Situation der Flüchtling e in Japan verschärft sich derweil. Vor allem im Nordosten kämpfen die Menschen gegen bittere Kälte. Benzin und Nahrungsmittel werden immer knapper. Die Zahl der offiziell registrierten Todesopfe r stieg auf knapp 6 000. (dpa/jW) u Siehe Seite 7 an.schläge Charité: ver.di will Druck erhöhen Berlin. Bei den Tarifverha ndlungen in der Berliner Charité ist es am Donnerstag nicht zu einer Einigung gekommen. Nach Angaben der Gewerkschaft ver.di hat das Management des Unikliniku ms kein akzeptables Angebot vorgelegt. Am Dienstag waren 2 000 Beschäftigte in einen ganztägige n Warnstreik getreten. Die Bezahlung der Mitarbeiter liege derzeit 14 Prozent Politik 06 >>> an.riss politik 08 >>> Das war es wert Eine Ex-Praktikantin klagte erfolgreich auf Lohnnachzahlung 10 >>> „Sie ist schon in der Parallelgesellschaft“ Staatssekretär für Integration Sebastian Kurz denkt immer nur an das eine 12 >>> Der Kampf wird zäher Die Euphorie der Aktivistinnen in Ägypten wurde gedämpft 14 >>> an.riss international Thema: Feministische Medien 16 >>> feminist press|ure Round-Table-Gespräch: Lesen junge Feminist_innen noch Zeitung? 22 >>> New Girls im „Old Boys Network“ Frauen schlagen sich im Internet mit den gleichen Problemen wie in der Offline-Welt herum 24 >>> an.sprüche Ohne Hand in der Hose: Feministinnen in journalistischen Brotjobs Gesellschaft 26 >>> an.riss arbeit wissenschaft 28 >>> 30 >>> Mit dem Notebook zur Geburt Interview: Ursula Walch ist Hebamme und schreibt erotische Romane 31 >>> Kemping Urlaubsempfehlung: ein lesbischer Campingplatz in Südungarn „Es herrscht Aufbruchstimmung“ Interview: Sabine Seidler übernimmt ab Herbst das Rektorat der TU Wien Kultur 32 >>> an.riss kultur 34 >>> Vergnügt verwegen Nachruf auf Joanna Russ, die queere Sci-Fi-Geschichte geschrieben hat 35 >>> Gegen Sexualisierung anquietschen Nachruf auf die Vorreiterin der Riot-Grrrl-Bewegung Poly Styrene von X-Ray Spex Heiße Kartoffeln auffangen Interview: Mit „Naked Life“ macht Tanja Ostojić Anti-Roma-Rassismus zum Thema 11 28 33 neuland 05 11 an.sage: Mein Busch gehört mir! 37 zeitausgleich 06 26 sprechblase: Sager des Monats 41 heimspiel 06 29 plusminus: Male shit & male hit 44 lebenslauf 07 33 an.frage: Alliierte Minderheiten 47 lesbennest 15 37 medienmix: Kulturrisse, queerpoint.de, 50 bonustrack: vera kropf 40 Gamer Girls Radio Kolumnen Rubriken Rubriken 36 >>> an.lesen: Hilal Sezgin u.a., Irmtraut Karlsson, Ulrike Draesner, Elisabeth Fraller, George Langnas, Nadja Bucher, Anja Nordmann, Sibel Susann Teoman an.klang: Sarah Hakenberg, Corinna Hesse und Antje Hinz an.sehen: „Die Lugners“ an.künden: Termine & Tipps 38 katzenpost zappho des monats 43 46 41 42 43 Juni 2011 an.schläge l 03 editorial Auch dieses Jahr beteiligten sich die an.schläge am Wiener Töchtertag (s. Seite 27). Die Redaktion war voller Mädchen und es war laut und lustig. Die zehn Schülerinnen übten sich in journalistischer Arbeit und recherchierten zu den – frei gewählten – Themen „Männerberufe“ und Schönheitsoperationen. Ergebnisse ihrer Recherchen: Frauen können alles, lediglich die Berufswahl „Forstarbeit“ sei möglicherweise nicht optimal – doch auch hierzu gab es geteilte Meinungen. Auch die Straßenumfragen zur Schönheitschirurgie ergaben Erfreuliches: „Frau sorgt sich unnötigerweise viel zu sehr um ihr Aussehen“, so die Bilanz der Mädchen. Nicht so erfreulich war, dass wir in der Mai-Ausgabe ein falsches Foto bei einem Termintipp hatten. Wie konnte das passieren: Auf S. 45 ist über einer Gustav-Konzertankündigung Clara Luzia zu sehen! Clara Luzia war nun immerhin ein Jahr lang die Autorin unserer Musik-Kolumne „bonustrack“. Wir bitten vielmals um Verzeihung. Den bonustrack bespielt ab dieser Ausgabe Vera Kropf von „Luise Pop“. Danke, Clara Luzia, und welcome, Vera Kropf! Die Redaktion an.schläge werden gefördert von: Feminist Superheroines Die in Russland geborene Schriftstellerin und Aktivistin Emma Goldman (1869-1940) war eine feministische Anarchistin und wurde nach ihrer Immigration in die USA zunächst v.a. durch ihre Reden über selbstbestimmte Geburtenkontrolle und reproduktive Rechte bekannt. In der von ihr herausgegebenen Zeitschrift „Mother Earth“ rief sie zur Befreiung und Gleichstellung von Frauen und zum Widerstand gegen staatliche Repression auf. Ihre emanzipatorischen Ansichten wurden gleich mit drei Gefängnisaufenthalten in den USA bestraft. Nichtsdestotrotz gab sie ihre Visionen nicht auf und leistete Zeit ihres Lebens durch den Kampf gegen das Patriarchat und für Emanzipation, Freiheit, Frauenrechte und Gleichstellung einen wichtigen Beitrag zum Zusammenwachsen von Feminismus und Anarchismus. Auf ihrem Grabstein ist zu lesen „Liberty will not descend to a people, a people must raise themselves to Liberity.“ isaga Illustration: Lina Walde impressum Herausgeberinnen und Verlegerinnen: CheckArt, Verein für feministische Medien und Politik. A-1030 Wien, Untere Weißgerberstr. 41, T. 01/920 16 76, E-Mail: [email protected], [email protected], www.anschlaege.at l Koordinierende Redakteurinnen: Sylvia Köchl, [email protected], T.01/920 16 76, Lea Susemichel, [email protected], T. 01/920 16 78 Buchhaltung, Abos: Svenja Häfner, [email protected], [email protected] l Termine, Tipps: Anita Weidhofer, [email protected] l Inserate: Michèle Thoma, [email protected] l Redaktion: Bettina Enzenhofer/be, Andrea Heinz/han, Sylvia Köchl/sylk, Silke Pixner/pix, Fiona Sara Schmidt/fis, Lea Susemichel/les, Irmi Wutscher/trude, Vina Yun/viyu l Praktikum: Isabelle Garde l Texte: Kendra Eckhorst, Christiane Erharter, Dagmar Fink, Denice Fredriksson, Isabelle Garde/isaga, Svenja Häfner/svh, Beate Hammond, Renate Hausbichler, Regina Himmelbauer, Gabi Horak, Leonie Kapfer/leka, Nadine Kegele, Birge Krondorfer, Vera Kropf, Alice Ludvig, Katharina Ludwig, Bärbel Mende-Danneberg, Gabi Migdalek, Juliane Schumacher, Jenny Unger, Anita Weidhofer/atina l Layoutkonzept & Layout: Lisa Bolyos l Coverillustration: Bianca Tschaikner l Cartoons & Illustrationen: Paula Bolyos, Nadine Kappacher, Lisa Max, Bianca Tschaikner, Lina Walde l Fotos: an.schläge-Archiv, Adnan Al-Rajehi, Carolina Frank, Esra, girls-day.de, Helgi Hall, Sylvia Köchl/SylK, mutternacht.de, Gaby Osman, Andrew Phelps, Jan Ramroth, Barbara Rapp, Stadtkino-Filmverleih, TU Wien l Homepage: Mirjam Bromundt, www.anschlaege.at l Druck: H.R.G. Druckerei © an.schläge: Titel, Vorspann und Zwischentitel von der Redaktion. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen nicht der Auffassung der Redaktion entsprechen. Kürzungen vorbehalten. l ISSN 1993-3002 04 l an.schläge Juni 2011 an.sage Mein Busch gehört mir! Ein Kommentar von Andrea Heinz „Ganz im geheimen wird wieder entworfen, was eine Frau ist […]. Es müssen die Haare zwanzigmal gebürstet werden, die Füße gesalbt und die Zehennägel lackiert werden, es müssen die Haare von den Beinen und unter den Achseln entfernt werden, die Dusche wird an- und ausgemacht, ein Körperpuder wolkt im Badezimmer, es wird in den Spiegel gesehen […].“ Das biologische Geschlecht maximal dem erwünschten sozialen anzupassen, war schon zu den Zeiten, als Ingeborg Bachmann ihren Roman „Malina“ schrieb, vor allem eines: harte Arbeit. Ständig muss nachgebessert und renoviert werden, und 40 Jahre später sind die Anforderungen an den Körper sogar noch gestiegen: Auch an intimen Stellen möge er sich bitte nicht so gebärden, wie es ihm passt. Da sei der Brazilian Hollywood Cut vor! Der Trend zur Intimrasur entwickelt buchstäblich haarsträubende Auswüchse: Schwimmerin Franziska van Almsick verkündet öffentlich, sie fände Körperbehaarung grundsätzlich unhygienisch. Was sie von Kopfbehaarung und diversen anderen Körperfunktionen hält, konnte nicht eruiert werden. Victoria Beckham jedenfalls kann sie verstehen. Beckham fordert, Intimrasur solle für Frauen ab 18 Jahren Pflicht sein (so gelesen im „Zeit“-Artikel „Schönheit unter der Gürtellinie“). Man könnte solche Entwicklungen natürlich einfach ganz gelassen nehmen. Soll doch eine jede mit ihrem Busch machen, was sie will. Nicht nur mein Bauch, mein ganzer Körper gehört mir – oder? Wirft man einen Blick auf die erstaunlich zahlreichen Internet-Selbsthilfe-Seiten zum Thema, so scheint es ja durchaus, als könnte die Sache zur spaßigen Obsession werden. Hingebungsvoll wird da über Nassrasur, Babypuder und Pickelchen, schwarze Stoppeln unter der Haut und deren Vermeidung referiert. Denn, so der Tenor: Haare sind eklig und wir „schließlich keine Orang Utans“. Eine Tatsache. Außerdem ist es so „geiler, sauberer, leckerer … ich mach das jetzt seit vier Jahren und bereue keinen Tag“. Ein bisschen anders sieht das Politikwissenschaftlerin und Philosophin Regula Stämpfli. Sie schrieb bereits 2008 in der „Emma“: „Kindermösen an erwachsenen Frauen sind also nicht einfach chic, hip, Mode, bequem, geil, lockeres Schönheitshandeln, sondern sie sind die am eigenen Körper vollzogene herrschende politische Philosophie. Die entblößenden Kindermösen erwachsener Frauen sind unreflektierte Kopien globalisierter und anatomisierter, enterotisierter und entweiblichter (Waren)Körperhandlungen.“ Zum pädophilen Aspekt kommt für Stämpfli ein zunehmender Verlust an Individualität: „Zwischen den Beinen sehen dann alle gleich aus, und die Intimoperationen sind nur noch ein weiterer Schritt in eine ähnliche Richtung. Der Mensch wird uniform“, zitiert sie die „Zeit“. Denn auch die Genitalien werden zunehmend normiert, und eine OP scheint für immer mehr Frauen der einzige Weg zu sein, dieser Norm zu entsprechen. Der Horrorgeschichten von misslungenen Intimoperationen gibt es genug, man kann es sich ausmalen. Doch auch harmlosere Auswirkungen des neuen, haarlosen Schönheitsideals geben zu denken. Im soeben erschienenen Buch „Living Dolls: Warum junge Frauen heute lieber schön als schlau sein wollen“ von Natasha Walter werden junge Studentinnen der Uni Cambridge mit der Aussage zitiert, sie würden niemals im Leben mit einem Mann schlafen, wenn sie sich nicht zuvor die Schamhaare rasiert hätten. Schließlich wissen sie, „was die Männer gesehen haben und was sie erwarten“. In der „Zeit“ berichten Sexualpädagogen von 13-Jährigen, die sich nicht mehr ins Schwimmbad trauen und heulend über ihre Schambehaarung zu Hause verkriechen. Natürlich kann man Intimrasur mit Sex-positivem Feminismus und gesteigertem körperlichen und sexuellen Selbstbewusstsein in Verbindung bringen. Schließlich haben sich auch Feministinnen der zweiten Frauenbewegung zum Zwecke der Selbstuntersuchung rasiert. Doch irgendwie sieht das hier nicht danach aus. Der Grundsatz, dass ein/e jede/r selbst über seinen/ihren Körper entscheiden kann und darf, der soll und muss immer gelten. Aber wir sollten uns hüten, eine neue Körpernorm und einen völlig unbegründeten Zwang einzuführen, unter dem (wiederum völlig unnötig) Menschen leiden. Der eigene Körper ist kein Feind, den es ohne Unterlass zu bekämpfen gilt. Und mein Busch gehört verdammt noch mal mir! l Juni 2011 an.schläge l 05 an.riss politik Tschad oder Haiti versuchten Hindernisse wie „Zu wenig Hebammen und Ärzte“ zu überwinden. Das Bündnis „Mutternacht“ fordert die deutsche Bundesregierung dazu auf, mit Investitionen die Gesundheitssysteme in den Ländern des Südens zu stärken und sich für den Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheit für alle einzusetzen. trude www.one.org, www.mutternacht.de europäischer protesttag Umfassende Teilhabe Foto: www.mutternacht.de hebammentag Ein einziger Hürdenlauf Weltweit sterben jährlich 350.000 Frauen während der Schwangerschaft oder bei der Geburt ihres Kindes. 99 Prozent davon in sogenannten Entwicklungsländern. Vor allem für Frauen in Afrika südlich der Sahara ist es oft lebensgefährlich, ein Kind zu gebären: Eine von 31 kommt dabei ums Leben. Zum Vergleich: In Deutschland ist es nur eine von 11.100 Frauen. Mit einem Hürdenlauf am 5. Mai, dem internationalen Hebammentag, vor dem Brandenburger Tor in Berlin machten Entwicklungsorganisationen auf den dringenden Handlungsbedarf für sichere Geburten aufmerksam. Sportlerinnen mit „falschen“ Schwangerschaftsbäuchen und T-Shirts aus Der 5. Mai ist der europäische Protesttag für die Gleichstellung behinderter Menschen und Anlass für zahlreiche Behindertenorganisationen, auf noch immer fehlende Gleichstellung hinzuweisen. So hat etwa in Deutschland das Forum behinderter Juristinnen und Juristen den Entwurf für ein neues Gesetz vorgestellt. Bisher sind in den deutschen Gesetzen lediglich medizinische Leistungen und das Recht für behinderte Menschen, am Arbeitsleben teilzuhaben, festgeschrieben. Das JuristInnen-Forum möchte aber mehr: „Behinderte Menschen müssen auch in einem Verein Sport oder Musik machen dürfen, sie sollen auch Ehrenämter ausfüllen dürfen, und sie müssen ihre Familie versorgen können“, so Forumssprecher Horst Frehe auf einer Pressekonferenz. Ein umfassendes Recht auf soziale Teilhabe soll diese Forderungen erfüllen. Auch in Wien nutzte die Behindertensprecherin der Grünen, Helene Jarmer, den 5. Mai, um auf fehlende Gleichstellung behinderter Menschen hinzuweisen: Da persönliche Assistenz nicht in ganz Österreich finanziert wird, können Menschen mit Behinderung ihren Wohnort nicht frei wählen. Und Personen mit Lernschwierigkeiten werden noch immer in geschützten Werkstätten beschäftigt – ohne eigene Sozialversicherung und Pensionsanspruch. Das widerspricht der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung, so Jarmer. trude www.bizeps.or.at; Gesetzesentwurf zum Download: www.isl-ev.de/de/aktuelles/nachrichten/772forum-behinderter-juristinnen-und-juristen-stellt-gesetz-zur-sozialen-teilhabe-vor „Durchaus beklagenswert, dass der wahre Playboy immer seltener angetroffen wird.“ Ein Autor der „Zeit“ bedauert anlässlich des Todes von Gunter Sachs den Niedergang der Lebemänner. Der gute alte Playboy, für den „kein Drink zu hart und keine Frau zu leicht war“, hat „beklagenswerterweise“ ausgedient. Keine Cabriolet-Spritztouren mehr durch die „Ferienlager der Reichen und Schönen“, kein „Glamour“, „Champagner“ und „Zigarettenrauch“. Und auch kein böses Wort in der „Zeit“ über das damit verbundene Machotum, das Frauen den Status eines Accessoires zukommen ließ. leka 06 l an.schläge Juni 2011 plus Male shit (-) Male hit (+) Matriarchale Zustände an der Uni Linz. Klagen andernorts Unternehmen und Universitäten über einen geringen Frauenanteil in Führungspositionen, kann es sich die Uni Linz offenbar leisten, „im Sinne des Gender Mainstreaming“ besonders Männer aufzufordern, sich für einen leitenden Posten im Bereich Personalentwicklung zu bewerben. Die Realität an der Uni Linz sieht aber leider anders aus: Von insgesamt 118 Professuren sind 103 männlich. Selbst bei den Studierenden sind Frauen unterrepräsentiert. leka Über einen neuen Mann in Führungsposition kann sich aber in Japan gefreut werden. Dort gewann erstmals ein offen schwuler Politiker bei einer Bezirkswahl. Taiga Ishikawa heißt der Glückliche, der fortan im Bezirk Toshima (Tokyo) das Sagen hat. Die erste lesbische Politikerin hat Japan schon seit 2003 mit Kanako Otsuji, die 2005 ihre langjährige Partnerin Maki Kimura heiratete. Ishikawa will gezielt LGBT-Jugendliche in Schulen unterstützen und sich für die Rechte homosexueller Paare einsetzen. We like! leka an.frage repression I Soli-Aufruf für Angezeigte nach Demo Alliierte Minderheiten Demos einkesseln, Personalien aufnehmen und anschließend die Menschen mit empfindlichen Geldstrafen belegen. Ein System, das bei österreichischen Demos – gegen Abschiebungen, rechte Männerbünde oder den Tierschutzprozess – Schule zu machen scheint. Betroffene haben nun ein Flugblatt veröffentlicht, um diese Vorgehensweise publik zu machen und Geld für die Bezahlung der Anzeigen zu sammeln. Die Verfasser_innen hatten am 19. Jänner an einer spontanen Demo gegen eine Abschiebung vor der Rossauer Kaserne in Wien teilgenommen. Eine Augenzeugin berichtet: „Da gab es dann einen Polizei-Kessel, in den auch ein paar Unbeteiligte geraten sind, nämlich drei Schüler aus dem nahegelegenen Lycee, die trotz Intervention mehrerer Demonstrant_innen den Kessel im Gegensatz zu anderen nicht verlassen durften. Von den drei Schülern waren übrigens zwei schwarz.“ 56 Demo-Teilnehmer_innen erhielten im März Anzeigen und müssen Strafen zwischen 70 und 100 Euro zahlen. Unter den insgesamt 46 am 19. Jänner Abgeschobenen befand sich auch eine 27-jährige Frau, die in Österreich zur Sexarbeit gezwungen worden war. Nach Jahren der Ausbeutung hatte sie es gewagt, sich an die Polizei zu wenden. Obwohl ein Verfahren über ein humanitäres Bleiberecht im Laufen war, wurde sie nach Nigeria abgeschoben. trude Die Initiative Minderheiten feierte im April 20-jähriges Jubiläum. Die NGO engagiert sich für ein breites Spektrum von Minderheiten in Österreich – gesetzlich anerkannte Volksgruppen, Migrant_innen, Asylwerber_innen und Flüchtlinge, Juden und Jüdinnen, Lesben, Schwule und Transgender Personen sowie Menschen mit Behinderung. Helga Pankratz, langjährige lesbische Aktivistin, u.a. als Obfrau der HOSI (Homosexuelle Initiative) Wien, seit 2002 Vorstandsmitglied der Initiative Minderheiten, sprach mit Isabelle Garde über die Notwendigkeit von Allianzenbildungen. Betroffene können sich melden unter [email protected] ; Spenden an Kto.-Nr.: 3100 2204 383, Erste Bank, BLZ 20111, Empfänger_in: SOS Mitmensch, Verwendungszweck: abschub_strafen familienpolitik „Fortpflanzungsverbot“ von Lesben In seinem jüngsten Urteil vom 22. März hat der Oberste Gerichtshof das in Österreich herrschende „Fortpflanzungsverbot“ von Lesben als verfassungswidrig erklärt und an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, dieses aufzuheben. Mit der eingetragenen PartnerInnenschaft wurde lesbischen Paaren die medizinisch unterstützte Fortpflanzung dezidiert verboten. Sie kann sogar mit Geldstrafen von bis zu 36.000 Euro oder zwei Wochen Haft sanktioniert werden. Auch die Fremd- und die Stiefkind-Adoption sind in diesem Gesetz ausdrücklich verboten. trude www.rklambda.at repression II Vorläufiger Freispruch im Tierschutzprozess Am 2. Mai hat der Tierschutzprozess mit einem Knalleffekt geendet: Freispruch aller Verdächtigen in allen Punkten. Merkmale einer kriminellen Organisation konnten in dem über 13 Monate laufenden Monsterprozess nicht nachgewiesen werden. 13 TierschützerInnen waren u.a. nach Paragraf 278a, dem sogenannten Mafia-Paragrafen, angeklagt gewesen, eine kriminelle Organisation gebildet zu haben. Davor waren mehrere Tierschutzorganisationen monatelang überwacht und abgehört worden – sogar verdeckte Ermittlerinnen sind eingeschleust worden. Das Urteil wurde von ProzessbeobachterInnen vor dem Gericht und den Angeklagten mit großer Erleichterung aufgenommen. Das Aufatmen hielt aber nicht lange an: Der Staatsanwalt kündigte bereits einen Tag nach dem Urteil Berufung an, der Monsterprozess könnte in eine weitere Runde gehen. trude Live Ticker von der Urteilsverkündung u.a. auf derstandard.at oder noe.orf.at/stories/513247/, Prozesstage und Hintergründe nachzulesen auf www.tierschutzprozess.at Treffen bei einem so großen Zusammenschluss unterschiedlichster Gruppen nicht sehr heterogene Interessen aufeinander, die z. B. auch Probleme mit Sexismus, Homophobie und Rassismus innerhalb der Organisation verursachen können? Und warum macht es Sinn, eine strategische Allianz einzugehen? Selbstverständlich gibt es bei jeder neuen Begegnung zwischen Mitgliedern unterschiedlicher gesellschaftlich marginalisierter Gruppen immer wieder etwas Neues zu lernen. Das ist ja das Bereichernde, Lebendige und Wertvolle daran. Aber im Prinzip sind lauter Vertreter_innen von Vereinen dabei, die von vornherein bereit sind, einen Zusammenhang von Rassismus, Sexismus und Homophobie zu sehen. Was innerhalb der Initiative Minderheiten aber besonders gut zum Ausdruck kommt, sind häufig nicht die „Abgrenzungen“ zwischen Gruppenzugehörigkeiten, sondern die Mehrfachzugehörigkeiten, die Intersektionalitäten: Es sind eben nicht alle Lesben „weiße“, deutschsprachige Österreicherinnen, so wenig wie alle Jüd_innen, Kärntner Slowen_innen oder Roma automatisch heterosexuell sind. Es macht Sinn, sich als gemeinsamer größerer Chor Gehör zu verschaffen anstatt als vereinzelte Stimmen kleinerer Gesellschaftsgruppen. Es macht Sinn, Allianzen zu bilden gegen Verhetzungen und eine „divide et impera“-Politik, anstatt sich gegeneinander aufhetzen und auseinanderdividieren zu lassen. Was war deine Motivation, bei der Initiative Minderheiten mitzuarbeiten? Mein erster intensiver Kontakt war beim Symposium der Initiative Minderheiten im Dezember 1994. Ich hielt dort aus lesbischer Perspektive ein Impulsreferat im Workshop „Randgruppenidentität als persönliches und politisches Konstrukt“. Da habe ich Feuer gefangen und den Kontakt – vor allem über die Zeitschrift der Initiative Minderheiten „Stimme von und für Minderheiten“ – als etwas sehr Wertvolles aufrechterhalten. Kannst du nach 20 Jahren aus lesbischer Perspektive eine Bilanz ziehen? Lesbische Frauen beziehungsweise queer-feministische Perspektiven sind im Laufe der Jahre innerhalb der Initiative Minderheiten zunehmend stark vertreten. Ich bin mittlerweile eine von vielen Lesben, die in dieser Organisation mitarbeiten – und dabei deutliche Spuren hinterlassen. www.initiative.minderheiten.at Juni 2011 an.schläge l 07 klage praktikum Das war es wert Job durch Praktikum? Diese Hoffnung von AbsolventInnen erfüllt sich meistens nicht. Die Mehrheit werkt qualifiziert für ein Taschengeld, vor allem Frauen oft auch völlig unbezahlt. Eine Übersetzerin hat Katharina Ludwig erzählt, wie sie erfolgreich auf Lohnnachzahlung klagte. * Name von der Redaktion geändert Quellen: Boris Schmidt/Heidemarie Hecht: Generation Praktikum 2011: Praktika nach Studienabschluss: Zwischen Fairness und Ausbeutung, 2011 Statistik Austria: Eintritt junger Menschen in den Arbeitsmarkt. Modul der Arbeitskräfteerhebung 2009, korrigierte Fassung vom Februar 2011 Anna Schopf/Paul Ringler: Arbeit ohne Wert? Strukturmerkmale der PraktikantInnen-Beschäftigung im Hochschulkontext in Österreich. Eine quantitative Studie. Wien: Plattform Generation Praktikum, 2007 08 l an.schläge Juni 2011 Die 200 Euro sind Magdalena Wagner* schon aufgestoßen. „Ich hatte mein Studium abgeschlossen, ich hatte eine tolle Ausbildung. Aber ich wusste auch, dass es noch schlimmer geht.“ Keine Mittagspause zum Beispiel oder gar keine Bezahlung. Wie viele andere StudienabsolventInnen auch, hoffte Magdalena Wagner durch ein Praktikum den Einstieg in den Beruf zu schaffen und dabei neue praktische Kenntnisse und nötige Kontakte zu bekommen. Deswegen leistete sie qualifizierte Arbeit für ein Taschengeld. Doch schon bald merkte sie, dass sie nur noch reguläre Arbeit verrichtete – ohne Lerneffekt und ohne Chance, von der Firma übernommen zu werden. Man müsse aufpassen bei diesem Satz „Ich kann mich glücklich schätzen, weil es geht noch schlimmer“, sagt sie heute. Wagner klagte und bekam vom Arbeitsgericht Potsdam in erster Instanz 11.350 Euro Lohnnachzahlung zugesprochen. Die Anerkennung ihrer Arbeit war ihr den Aufwand wert. Qualifiziert zuarbeiten. Nach dem Abschluss ihres Übersetzungsstudiums in Österreich will Wagner in die Synchronisationsbranche. Auf eine vielversprechende Ausschreibung hin entschließt sie sich Ende 2008 für ein Praktikum bei einer kleinen Firma in Potsdam-Babelsberg. Dauer: sechs Monate, Vergütung: 200 Euro pro Monat, kein Urlaub. Als sie nachfragt, wird ihr zuerst gesagt, Urlaub gibt es nicht. Erst als sie nochmals die Buchhalterin anspricht und auf ihren zwei Tagen Urlaubsanspruch besteht, kommen diese in den Vertrag. Dann geht es schnell. In der ersten Woche wird ihr das Projektmanagement für Arbeitsrechte lassen sich nicht aus dem Hut zaubern, sondern müssen erkämpft werden. Motiv der MayDay-Parade Wien 2011 „Gossip Girl“, eine US-Serie über die Highschool-Elite Manhattans, die Wagner selbst gerne guckt, zugeteilt. Und sie übernimmt auch die Rohübersetzung Englisch-Deutsch. „Offiziell war mein Kollege der Hauptansprechpartner, aber das meiste habe ich übernommen.“ Sie arbeitet in der Büroorganisation, bereitet Sprachaufnahmen vor und begleitet die Aufnahmen. Am Anfang fragt sie noch viel nach, aber schleichend vollzieht sich ein Übergang zur regulären Mitarbeit und zur Übernahme von Verantwortung. Schnell kommen die ersten Überstunden. Bald fühlt sich Wagner wie eine richtige Mitarbeiterin, eingeteilt und überarbeitet. Der Ausbildungsaspekt ihres Praktikums gerät immer mehr in den Hintergrund, der Arbeitsaspekt tritt in den Vordergrund. Entscheidend für die spätere Klage, denn PraktikantInnen dürfen nicht regulär in den Betriebsablauf eingeteilt werden, sondern sollten zusätzlich mitlaufen. Wagner fühlt sich in einer undefinierten Position: „Man musste immer super arbeiten und sein Projekt irgendwie gut durchbringen, aber sobald es darum ging, dass man irgendwelche Rechte einfordert, war man nur die Praktikantin. Das war die Masche meiner Chefin.“ Ein Dilemma, in dem die Mehrheit der PraktikantInnen mit Studienabschluss stecken dürfte: Boris Schmidt und Heidemarie Hecht haben für eine im Mai publizierte, gemeinsame Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes, der Freien Universität Berlin und der HansBöckler-Stiftung 674 AbsolventInnen an vier deutschen Universitäten befragt. 81 Prozent der Befragten gaben an, dass sie in ihrem Praktikum vollwertige Arbeit geleistet haben, bei 75 Prozent war die Arbeit fest in den Betriebsablauf eingeplant. Davor hatten die Befragten durchschnittlich bereits vier Praktika absolviert. Gut die Hälfte hoffte auf einen Job durch das Praktikum, aber nur bei 17 Prozent trat dieser sogenannte „Klebeeffekt“ tatsächlich ein. Für Schmidt und Hecht alles Hinweise darauf, dass postgraduelle Praktika zum Teil reguläre Beschäftigung ersetzen. Denn auch diese „Testphase“ zwischen ArbeitgeberIn und ArbeitnehmerIn sollte eigentlich in eine bezahlte Probezeit fallen. Magdalena Wagner ist im Zwiespalt, keine Fehler mehr machen zu dürfen, obwohl sie kein vollwertiges Teammitglied ist. Während sie Verantwortung für die ihr aufgetragenen Projekte übernehmen muss, bekommt sie immer wieder zu hören, dass sie ja nur zuarbeite. „Die Chefin hat immer wieder betont: Ihr seid ja nur die Praktikanten. Eure Arbeit ist nicht wirklich etwas klage praktikum wert.“ Ein falsches „Du“ gegenüber einer Kundin führt zum Eklat. „Das war der Knackpunkt. Ich habe gemerkt, mit welcher Respektlosigkeit ich behandelt werde.“ Prekär einsteigen. Nach ca. drei Monaten wird klar, dass Wagners Hoffnung auf Anstellung vergebens ist. Ein Ex-Praktikant wird eingestellt und noch eine Praktikantin beschäftigt. Damit gibt es in der Firma mehr PraktikantInnen als Festangestellte. „Zu dieser Zeit bauten sie gerade ein neues Aufnahmestudio, das unbedingt finanziert werden musste“, erzählt Wagner. „Da hat man sich einfach mal vier, fünf Praktikanten geholt, die alle für 200 Euro gearbeitet haben. So wurde extrem viel eingespart.“ AbsolventInnen-Praktika werden laut der Studie von Schmidt/Hecht durchschnittlich mit 550 Euro im Monat bezahlt, 40 Prozent der Praktika sind unbezahlt. Zur Finanzierung braucht es tika überwiegt der Frauenanteil mit 78 Prozent deutlich. Anna Schopf und Paul Ringler von der österreichischen Plattform „Generation Praktikum“ kamen 2007 in einer Studie mit 460 Personen zu dem Ergebnis, dass Frauen bedingt durch ihre Berufsfelder häufiger während und nach ihrem Studium in atypisch geprägten Branchen arbeiten, die wiederum einen hohen Anteil an PraktikantInnen beschäftigen. „Hier kann ein prekärer Einstieg in den Arbeitsmarkt mittels Praktikum konstatiert werden“, schreiben sie. Glaubt man einer ganz aktuellen Studie1, ist die viel zitierte „Generation Praktikum“ nur ein Mythos. Mehr als 80 Prozent aller Uni- und FH-AbsolventInnen seien bereits ein halbes Jahr nach Studienabschluss erwerbstätig. Dass die Lage etwa bei den Geistesund Sozialwissenschaften anders aussieht, wird aber auch hier eingeräumt. Was die Studie außerdem zeigt: Die Bei unbezahlten Praktika überwiegt der Frauenanteil mit 78 Prozent deutlich. dann andere Quellen: Bei 56 Prozent der Befragten sind das die Eltern, 43 Prozent leben von Ersparnissen, und 22 Prozent sind während des Praktikums auf Sozialleistungen angewiesen. Auch die Unterstützung durch PartnerInnen spielt eine wachsende Rolle. Die Frage, wer als Praktikantin in diese neue Form der Abhängigkeit kommt, hängt allerdings stark von der Studienrichtung bzw. der Branche ab und damit vom allgemeinen Gender-Bias am Arbeitsmarkt, wie Schmidt/Hecht feststellten. Während in „Kunst und Kultur“ zwei Drittel der Praktika unbezahlt sind und in „Gesundheit und Soziales“ fast genauso viele, sind Industrie-Praktika immer vergütet. Dazu kommt, dass ausgebildete TechnikerInnen und IngenieurInnen im Gegensatz zu Geistes- und SozialwissenschaftlerInnen wesentlich seltener überhaupt noch ein Praktikum für den Berufseinstieg machen. Statistik Austria stellte für das Jahr 2009 fest, dass der Männeranteil bei Praktika, die über der Geringfügigkeitsgrenze bezahlt werden, 54 Prozent beträgt. Wird ein Praktikum schlechter bezahlt, sind Frauen schon wesentlich stärker vertreten, und bei unbezahlten Prak- Gehaltsunterschiede von Männern und Frauen sind bereits beim Berufseinstieg enorm. So verdienen Absolventinnen in der ersten Beschäftigung rund 500 Euro bzw. 20 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Nach fünf Jahren ist die Schere dann noch weiter offen. Klagen und schätzen. Als Magdalena Wagners Unzufriedenheit wächst, unterhält sie sich – anfangs noch vorsichtig – mit ihren KollegInnen. „Zuerst hat man nur ein Gefühl, dass irgendwas nicht stimmt, und dann merkt man, dass jeder ausgenützt wird.“ Wagner erwägt zu klagen. Über eine Gewerkschaft, der sie am Anfang des Praktikums beigetreten ist, ist sie rechtsschutzversichert. Dann zögert sie doch, weil sie fürchtet, ein EU-Stipendium in der Höhe von 500 Euro, mit dem sie ihr Leben in dieser Zeit finanziert, möglicherweise zurückzahlen zu müssen. Erst 2010, also ein Jahr nach ihrer Arbeit in Potsdam-Babelsberg, kommt das Thema wieder auf, die Einschätzung eines Anwalts macht ihr Mut, also probiert sie es einfach. „Ich habe riskiert, dass es für mich beruflich nach hinten losgeht“, erzählt sie, „aber das war mir die Sache einfach wert.“ Wagner muss genau ihre Aufgaben dokumentieren und ZeugInnen finden. Durch die zeitliche Verzögerung von einem Jahr ist es gar nicht einfach, alles zu rekonstruieren. Dass sie auch von zu Hause noch gearbeitet hat, hilft in diesem Fall; sie kann auf Nachrichten zurückgreifen, die über ihr privates E-Mail-Konto liefen. Das Verfahren bis zum Urteil aber zieht sich. „Es liegen solche Zeiträume dazwischen: ein Monat Berufungsfrist, ein Monat Einreichfrist, dann wird eine Fristverlängerung beantragt. Dann wird noch mal aufgeschoben, und bis es tatsächlich bearbeitet wird, das dauert. Da darf man nicht auf das Geld angewiesen sein.“ Es bräuchte politische Regelungen, aber mit der Klage möchte sie auch das Selbstbewusstsein anderer PraktikantInnen stärken. „Leider weiß ich, dass wenn ich ein Praktikum abbreche, zehn andere darauf warten, es zu machen. Mein Beweggrund war, zu zeigen, dass es so trotzdem nicht weitergeht und man sich wehren muss. Das können sich nicht alle gefallen lassen.“ Auch in ihrer heutigen freiberuflichen Arbeit für andere Synchronstudios sieht sich Wagner immer vor der schwierigen Aufgabe, den Wert ihrer Arbeit zu schätzen. „Wie weit kann man gehen? Man hat immer diese Angst, keine Aufträge mehr zu bekommen, weil man zu viel verlangt. Es fehlt das Selbstbewusstsein, dass man sagt: Ich weiß, was ich alles kann. Deswegen stapelt man tief und schmälert seine Kompetenzen. Das ist ein Kreislauf. Ich habe bei dieser Firma richtig gut gearbeitet, aber daran habe ich während des Praktikums zu zweifeln begonnen. Schön, wenn man es noch mal bestätigt bekommt.“ Ende 2010 dann das Urteil in 1. Instanz: Weil sie als ausgebildete Übersetzerin für die Rohübersetzung qualifiziert gearbeitet hat und fest in den Arbeitsplan eingeteilt war, werden ihr 11.350 Euro Lohnnachzahlung zugesprochen. Ihre Chefin hat Berufung eingelegt, das Verfahren beginnt diesen Juni. Mit einer Entscheidung rechnet Wagner nicht vor Ende 2011, aber auch eine ihrer Mitpraktikantinnen wird jetzt klagen. l Katharina Ludwig lebt als freie Journalistin in Berlin. 1 Die Mitte Mai präsentierte Studie zur Arbeitssituation von Universitäts- und FH-AbsolventInnen wurde vom Internationalen Zentrum für Hochschulforschung Kassel im Auftrag des Wissenschafts- und Forschungsministeriums und unter Mitwirkung des Instituts für Soziologie der Uni Klagenfurt erstellt. Zum selben Schluss kam auch eine vom Bundesministerium für Bildung und Forschung in Deutschland in Auftrag gegebene Studie, in der die Bedeutung von Praktika für den Berufseinstieg von Universitäts- und FHAbsolventInnen untersucht wurde. Juni 2011 an.schläge l 09 övp „Sie ist schon in der Parallelgesellschaft“ Mit Sebastian Kurz wurde ein Mann Staatssekretär für Integration, der bisher vor allem durch Sexismus aufgefallen ist und ansonsten immer nur an das eine denkt: MigrantInnen müssen Deutsch lernen. Von Sylvia Köchl Über Sebastian Kurz ist in den wenigen Wochen seit seiner Bestellung zum Staatssekretär für Integration schon viel geschrieben worden. Er sei ein Beispiel für den „zunehmend verzweifelten Versuch etablierter Parteien, junge Wähler zu erreichen“ („Falter“) und „eine Verarschung all jener, die in diesem Bereich tätig sind“ („Der Standard“). Und der „Chef-Integrator“ wisse nicht, dass er ein „Schwabo“ ist („biber“). Fakt ist, Kurz ist 24 Jahre alt, Jus-Student, seit vier Jahren Obmann der Jungen ÖVP, ab Herbst 2010 ein paar Monate lang Gemeinderat in Wien – und vor allem aufgewachsen und zur Schule gegangen im Wiener ArbeiterInnen-Bezirk Meidling. Aus dieser Tatsache nämlich erwächst die Expertise, die er für seinen neuen Job mitbringt, wie er nicht müde wird zu betonen. An seinem Gymnasium hatte er so viele MitschülerInnen mit Migrationshintergrund, dass er jetzt ganz genau sagen kann, wie „Integration“1 funktioniert: mit Deutsch. Und nur mit Deutsch. 1 Wir schreiben „Integration“ in Anführungszeichen, um zu verdeutlichen, dass dieser Begriff in Österreich dermaßen politisch aufgeladen ist, dass er nicht mehr neutral verwendet werden kann: Es sind damit immer nur MigrantInnen gemeint, es sind mit ihm stets Forderungen, Drohungen und Sanktionen verbunden, und er wird vielerorts als rein rassistisches Schlagwort verwendet. Links: www.peregrina.at www.maiz.at 10 l an.schläge Juni 2011 Die „ältere Dame“. Aber nicht bei allen: Ein Beispiel, das Kurz noch in fast jedem Interview gebracht hat, ist das der „älteren Dame“, die wahlweise gerade erst nach Österreich gekommen ist oder schon lange hier lebt und die – in Kurzscher Manier äußerst höflich formuliert – „noch nicht oder nur sehr schlecht Deutsch spricht und das vielleicht auch nicht mehr lernen möchte“. Bei dieser Dame also „wird Integration wahrscheinlich nicht mehr funktionieren“ bzw. „wird es schwierig sein, Anknüpfungspunkte zu finden“ bzw. „wird MigrantInnen-Streik am 1. März in Wien, Foto: SylK es schwierig sein, sie abzuholen und zu integrieren“. Weil: „Sie ist meist schon in der Parallelgesellschaft.“ Diese ominöse „Parallelgesellschaft“ mal zu suchen und zu kucken, was dort denn so los ist, wenn all die älteren Damen beieinandersitzen und partout nicht auf Deutsch plaudern wollen, ist dem Staatssekretär also zu mühsam, deshalb setzt er auf die Jugend, bei der „man noch gewinnen kann“. Nur was? Wählerstimmen etwa? Damit hatte Sebastian Kurz bis dato kein Glück. Vor der letzten Gemeinderatswahl in Wien 2010 versagte der von ihm angeführte „Schwarz-ist-geil“Wahlkampf der Jungen ÖVP gründlich, die ÖVP Wien fuhr eines der schlechtesten Ergebnisse ihrer Geschichte ein. Mit Sprüchen wie „Schwarz macht Wien geil“, Posing vor dem „Geil-oMobil“, umrankt von leicht geschürzten Jung-ÖVPlerinnen, zog Kurz durch die Clubs, in denen dann Gummibärchen in Form von Brustwarzen verteilt wurden. Eine Kampagne, die Kurz selbst übrigens als „eine der schlechteren“ („Kurier“) bezeichnet, während er die 24-Stunden-U-Bahn-Kampagne für „eine der besseren“ hält – damals warb die Junge ÖVP Wien mit einer halbnackten Frau neben einem „24 h Verkehr am Wochenende“-Schild. Dialog geht anders. Die Tatsache, dass das Staatssekretariat für Integration im Innenressort angesiedelt wurde und damit in die Nähe von „Sicherheitsproblemen“ rückt, ist ein Hauptpunkt der Kritik, u.a. auch von „Peregrina – Bildungs-, Beratungs- und Therapiezentrum für Immigrantinnen“. Obfrau Gamze Ongan und ihr Team erklären auf Anfrage der an.schläge: „Die Anbindung an das Innenministerium ist in der Tat absurd. Man stelle sich vor, das Staatssekretariat wäre im Verteidigungsministerium angesiedelt – viel Unterschied wäre das nicht.“ Während täglich die Fremdengesetze verschärft und auch der Migrationsdiskurs, also die Art, wie über Migration und Migrantinnen gesprochen wird, immer schärfer werde, könne ein eingerichtetes Staatssekretariat daneben nichts bewirken, so Peregrina. In einem Interview kündigte Sebastian Kurz an, er beabsichtige, das Staatssekretariat als Plattform zu nutzen für alle, die in dem Bereich tätig sind, und er führe auch bereits viele Gespräche mit NGOs. Klingt das nicht vielversprechend? Nicht wirklich, meinen Gamze Ongan und das Peregrina-Team, die langjährige Erfahrung mit diversen ÖVP-InnenministerInnen haben: „Schon Günther Platter hat im Rahmen der sogenannten Integrationsplattform diverse NGOs, auch Peregrina, eingeladen, schriftlich sowie am runden Tisch Forderungen kundzutun. Dieser Einladung sind wir auch gefolgt und haben über die rechtliche sowie soziale Situation zugewanderter Frauen berichtet und Lösungsansätze präsentiert", berichtet das Peregrina-Team. "Nichts davon ist in das Schlussdokument eingeflossen. Platters Nachfolgerin Maria Fekter hat erneut NGOs, auch Peregrina, eingeladen – diesmal im Rahmen des ,Nationalen Aktionsplans Integration‘. In einem offenen Brief haben wir und andere dargestellt, warum wir diesmal der Einladung nicht folgen werden. Zeitgleich startete nämlich dieselbe Ministerin in einem Zeitungsinterview einen Pauschalangriff gegen MigrantInnen-NGOs und kündigte weitere Verschärfungen des Fremdenrechts an. Die Einladung zum ,Dialog‘ mussten wir in diesem Fall dann ablehnen.“ Problemfrei mit Deutsch? Die völlige Versteifung des neuen Staatssekretärs auf das Deutschlernen als Allheilmittel für sämtliche Probleme in der Einwanderungsgesellschaft Österreich ist der zweite große Kritikpunkt vieler. „Der bereits angekündigte Schwerpunkt ,Deutsch lernen‘ deutet darauf hin“, analysiert Peregrina, „dass die Mehrsprachigkeit weiterhin ausgeblendet wird. Außerdem schwingt da immer mit, dass ,die ja gar nicht Deutsch lernen wollen und dass man sie dazu zwingen muss‘. Als ob die Migranten und Migrantinnen keine Probleme mehr hätten, wenn sie erst mal Deutsch sprechen würden.“ Das verdeutlichte auch Kim Carrington von „maiz – autonomes Zentrum von & für Migrantinnen“ im an.schläge-Schwerpunkt „Deutsch-Diktat“ (03/2010), der aus Anlass des erwähnten „Nationalen Aktionsplans für Integration“ erschien. „Wer oder wie viele in der österreichischen Politik haben überhaupt einen differenzierten Blick für die Leistungen und Bedürfnisse von Zuwanderinnen?“ (Gamze Ongan, Peregrina) Es gehe daher weniger um ein Mehr an Kommunikation, so Peregrina, als vielmehr um deren Ernsthaftigkeit. Auf die Frage, ob von Kurz angesichts seiner Vorgeschichte zu erwarten sei, dass er mit den Leistungen, Bedürfnissen oder Problemen migrantischer Frauen etwas anfangen kann, antwortet Peregrina mit einer Gegenfrage: „Wer oder wie viele in der österreichischen Politik haben überhaupt einen differenzierten Blick für die Leistungen und Bedürfnisse von Zuwanderinnen? Zuletzt, als sich eine ÖVP-Ministerin des Themas annahm, hatte sie nichts Besseres zu tun, als den Begriff ,traditionsbedingte Gewalt gegen Frauen‘ einzuführen, um somit einen Diskurs loszutreten, der alle Frauen aus bestimmten Herkunftsländern zu Opfern und sämtliche männliche Angehörige gewisser Communitys zu Tätern gemacht hat. Also warum sollten wir vom jetzigen Staatssekretär ein fundiertes Wissen über die rechtliche, soziale, finanzielle und psychische Situation der Migrantinnen erwarten?“ Sie schrieb: „Was nützt mir die Sprache, wenn sie mich nicht vor Diskriminierung und Rassismus schützt?“ Während die SPÖ in ihrer Panik, von der ÖVP bei diesem Thema überholt worden zu sein, angekündigt hat, in der nächsten von ihr geführten Regierung werde es gleich ein eigenes Migrationsministerium geben, gehen die Forderungen von Gamze Ongan und Peregrina in eine andere Richtung: „Was Österreich braucht, ist eher ein Staatssekretariat für Chancengleichheit oder gar ein Staatssekretariat für Demokratisierung – nicht nur für Migranten und Migrantinnen, sondern auch für andere minorisierte Gruppen. Aber das wäre natürlich ein offizielles Eingeständnis, dass es daran mangelt.“ l neuland entdeckungen im alltag Beate Hammond schwarz und royal Prinzessin müsste man sein. So wie Kate, pardon Catherine Middleton, seit Ende April Ihre königliche Hoheit die Herzogin von Cambridge. Ein wunderschöner Titel, wenn auch ihr Alltag dem Prinzessinnenklischee wenig zu entsprechen scheint. Einkaufen im Supermarkt, dann Kochen für den Gatten, denn angeblich machen die Hoheiten den gesamten Haushalt selber. In ihrer Abschlussarbeit im Fach Kunstgeschichte untersuchte Kate fotografische Darstellungen bei Lewis Carroll, dem Autor von „Alice in Wunderland“. Ihr eigener Alltag scheint weniger paradiesisch zu sein. Schon bald steht die nächste sogenannte Märchenhochzeit an, diesmal für die Ex-Schwimmerin Charlene Wittstock und Fürst Albert von Monaco, der sich bereits zu zwei unehelichen Kindern, einem Sohn und einer Tochter, bekannt hat. Sein Sohn Alexandre stammt übrigens aus einer Liaison mit einer togoischen Flugbegleiterin. Ganz offiziell eine Prinzessin ist Angela Brown, eine Modedesignerin afro-panamesischer Herkunft. Ihre Durchlaucht Prinzessin Angela (so ihr offizieller Titel) traf ihren zukünftigen Mann, Prinz Maximilian von Liechtenstein, auf einer Party in New York. Im Jahr 2000 wurde geheiratet, ein Jahr später kam der gemeinsame Sohn Alois zur Welt. Auch Verwandte der britischen Royals haben schwarze Ehepartner. James Lascelles, ein Nachfahre Königs George V. und Cousin Königin Elizabeths, heiratete 1999 die nigerianische Schauspielerin Joy Elias-Rilwan. Die vier Kinder aus der Ehe von Stephanie Prinzessin von Preußen mit dem Tanzanier Amadi Mbaraki Bao belegen in der Thronfolge des britischen Königshauses die Plätze 373-376, noch vor Prinz Ernst August von Hannover (Platz 395). Und dann ist da schließlich noch die Sudanesin Mary Nyanut Machar, die sich im Jahr 2000 in Nairobi mit Georg Graf Habsburg, einem entfernten Verwandten Otto Habsburgs aus einer Nebenlinie der ehemaligen kaiserlichen Familie vermählte. Vom Prinzessinnenleben scheinen also wirklich alle träumen zu dürfen. Beate Hammond macht ihre Entdeckungen in Wien. Juni 2011 an.schläge l 11 ägypten Der Kampf wird zäher Gedämpfte Euphorie bei den Aktivistinnen in Ägypten: Das Fest zum 8. März endete in Gewalt, im April schoss die Armee auf DemonstrantInnen, die reformierte Verfassung ist sexistisch. Hinter das neue Selbstverständnis, das viele Frauen errungen haben, gibt es dennoch kein Zurück mehr. Eine Reportage von Juliane Schumacher. Alia gehört zu den radikalsten AktivistInnen ihrer Gruppe. Als das Militär am 9. April zu schießen begann, stand sie vor den Soldaten und schrie gegen sie an. Foto: Gaby Osman Am Anfang war alles ein großes Volksfest. Der Tahrir-Platz, ein großer, unübersichtlicher Platz im Zentrum Kairos, war über Wochen hinweg der Ort, an dem um die Zukunft Ägypten gekämpft wurde. Seit Präsident Hosni Mubarak am 11. Februar zurücktrat, ist das der Ort, an dem um die weitere Zukunft Ägyptens gerungen wird – und für Feiern aller Art. Am 8. März waren es die Frauen, die feierten, und ihr Fest passte zur allgemeinen Stimmung der Euphorie über die erfolgreiche Revolution. Und zugleich kann der Verlauf dieses Frauentags als Beispiel dienen, wie die Revolution die Situation der Frau seither verändert hat und welche Probleme sich daraus ergeben. „Das gab es noch nie.“ „Fantastisch!“, ruft am Frauentag Leila Emam, eine junge Frau mit offenem Haar und Sonnenbrille, und deutet auf die zahlreichen Männer, die zwischen den Frauen stehen, mit ihnen gemeinsam Plakate halten. „Ich freu mich sehr, dass so viele Männer gekommen sind! Sie demonstrieren mit uns zusammen! Das gab es noch nie!“ Um sie drängen sich an die tausend Frauen und Männer, manche 12 l an.schläge Juni 2011 halten Transparente, singen, skandieren Parolen. Busse und Taxis schieben sich hupend durch die Menge, Kinder malen den Menschen die ägyptische Flagge auf die Haut. „Während der Proteste ist ein neues Bewusstsein in den Menschen gewachsen“, sagt Emam. Doch nicht alle Männer – und Frauen – auf dem Platz unterstützen die Forderungen, die auf den Plakaten stehen. Insbesondere die Forderung, die Verfassung so zu verändern, dass auch Frauen fürs Präsidentenamt kandidieren können, ruft Unmut hervor – nicht nur bei Männern, die sich gegen die Demonstrant_innen stellen, sondern auch bei umstehenden Frauen. „Das sind keine Ägypterinnen!“, heißt es zum Beispiel, „die sind von Ausländerinnen angestachelt!“ „Die wollen die Revolutionsbewegung spalten“, kritisieren andere. „Männer und Frauen müssen jetzt zusammenarbeiten, wir sollten keine solchen Trennungen aufmachen.“ Um Partikularinteressen könne man sich kümmern, wenn die Demokratie aufgebaut sei. Zeitweise sind Slogans wie „Nicht jetzt, nicht jetzt!“ zu hören. Am späten Nachmittag kippt die Stimmung: Die Diskussionen werden zunehmend lauter, schließlich gewalttätig, diejenigen, die versuchen, die aufgebrachte Stimmung zu beruhigen, scheitern. Es kommt zu Handgreiflichkeiten und sexuellen Übergriffen, Frauen und ihre Unterstützer werden ins Gesicht geschlagen, müssen fliehen. Das ausgelassene Fest zum Frauentag endet in Chaos und Gewalt. Die Frauen und Männer, die den Tag organisiert und miterlebt haben, sind schockiert. Einen solchen Widerstand hätten sie nicht erwartet. Schließlich habe man wochenlang zusammen gekämpft, nebeneinander. „Ich schäme mich dafür, dass das in unserem neuen Ägypten passiert ist“, sagt der Aktivist Ahmed Madiya. „Total verändert.“ Der Frauentag markiert einen Wandel in Ägypten: Genau bis zum 8. März reicht die Zeit der ersten Euphorie. Einen Tag später räumt das jetzt herrschende Militär gewaltsam das Protestcamp auf dem Tahrir-Platz, nimmt über 200 Protestierende fest und foltert Männer und Frauen brutal. Ein Schock für die junge Protestbewegung. Während auf offizieller Ebene die juristische Aufarbeitung des alten Regimes vorangeht, zwar keine großen Erfolge ägypten zu vermelden sind, was Frauenrechte angeht, große NGOs aber dennoch von den neuen finanziellen Bedingungen schwärmen, macht sich in der jungen Demokratiebewegung die Erkenntnis breit, dass der Alltag im neuen Ägypten nicht so rosig sein wird, wie es zunächst schien – sondern dass jetzt ein zäher und gefährlicher Kampf gegen die Alleinherrschaft des Militärs beginnt. Der Kampf um „Partikularinteressen“ tritt in den Hintergrund. Spätestens seit die Armee am 9. April scharf auf Protestierende schoss, empfinden viele Aktivistinnen es als ihre vorrangige Aufgabe, die Revolution zu verteidigen. Nein, mit Frauenrechten habe sie nicht viel am Hut, sagt Alia, eine junge Aktivistin, die breites amerikanisches Englisch spricht und deren Nase mehrere Piercings zieren. „Das Platz waren für alle, die dabei waren, eine Erfahrung, die sie nachhaltig geprägt hat. Es war die Erfahrung, dass ein anderes Zusammenleben möglich ist: vollkommen gleichberechtigt, solidarisch, sei es zwischen Mann und Frau, Religiösen und Nicht-Religiösen, arm und reich. „Die Revolution hat alles verändert für uns Frauen“, sagt Fatima. „Davor waren wir als Frauen einfach nicht da, wir wurden nicht wahrgenommen, oft hatte ich das Gefühl gegen eine Wand zu sprechen, gar kein Mensch zu sein.“ Jetzt, erzählt sie, begegne man ihr mit Achtung, mit Respekt, sie habe das Gefühl, ernst genommen zu werden. „Wir waren fast die Hälfte auf dem Platz. Wir waren wer, wir waren wichtig.“ Hinter diese Erfahrung gibt es kein Zurück, auch nicht, was Fatimas privates Leben angeht. „Ich habe mich Der Frauentag markiert einen Wandel in Ägypten: Genau bis zum 8. März reicht die Zeit der ersten Euphorie. Thema interessiert mich nicht. Wir kämpfen alle zusammen!“ Und doch gehört sie zu genau jenen Frauen, die das Bild der Frau während der Proteste nachhaltig verändert haben – sie ist eine der radikalsten AktivistInnen ihrer Gruppe, führt wie viele andere Frauen oft die Sprechchöre an, und als das Militär am 9. April zu schießen begann, stand sie vor den Soldaten und schrie gegen sie an. Oder Fatima, die als Lehrerin an einer internationalen Schule arbeitet und, anders als Alia, zwar nicht religiös ist, aber dennoch Kopftuch trägt. Sie war zweimal verheiratet, ist zweimal geschieden, während der Revolution hatte sie mit einem Aktivisten eine Beziehung und hat mit ihm für drei Monate auch unverheiratet zusammengelebt, Sex gehabt. Mit ihren Eltern, bei denen sie noch lebt, ist sie seit der Revolution zerstritten, sie hat den Entschluss gefasst, sich jetzt eine eigene Wohnung zu suchen, allein zu leben. Was für die beiden gilt, gilt für viele der jungen Aktivistinnen: Frauenrechte, Gleichberechtigung, das sind zwar keine Themen, über die gesprochen wird – aber Themen, um die praktisch gekämpft wird. Die 18 Tage auf dem total verändert“, sagt sie. „Komplett. Ich war auch früher schon relativ unabhängig. Jetzt aber fühle ich mich frei, vollkommen frei. Ich mache, ich bekomme, was ich will. Ich habe solche heftigen Sachen erlebt und überlebt, ich lasse mir von niemandem mehr etwas sagen.“ Sexismus und Gewalt. Für viele der jungen ÄgypterInnen beginnt nun der Kampf um die kulturellen Errungenschaften, um den Alltag nach der Revolution. Und der ist von einer allgemeinen Rebellion gegen die herrschenden Rollenmuster geprägt. Die jungen Männer lassen sich die Haare wachsen, Männer und Frauen stechen sich Ohrringe und Piercings, auf dem Platz sind viele Pärchen zusammengekommen, die jetzt unverheiratet zusammenleben. Die Szene, in der dies passiert, ist klein und, wie so oft, auf das Zentrum der großen Städte konzentriert, aber ihre Strahlkraft ist groß. Und die allgemeine Offenheit gegenüber neuen, veränderten Rollenmustern bietet die Chance, auch für Frauen vieles zum Besseren zu ändern. Auf offizieller Ebene hingegen ist die Bilanz drei Monate nach der Revolu- tion ernüchternd, um nicht zu sagen, entmutigend. In der Kommission, die die neue Verfassung ausgearbeitet hat – genau genommen nur die alte reformiert hat – saßen ausschließlich Männer. „Und die neue Verfassung ist sehr sexistisch“, sagte Caroline Brac vom Mediterranean Women’s Fund. „Zum Beispiel legt sie fest, dass der Präsident mit einer ägyptischen Frau verheiratet sein muss. Somit ist es verfassungsgemäß verboten, dass eine Frau Präsidentin werden kann!“ Gesetze, die formell eine Besserstellung der Frauen bedeuten würden, wurden bisher keine beschlossen. Als im April für viele Distrikte neue Gouverneure ernannt wurden, war keine einzige Frau dabei – eine Tatsache, die das Egyptian Center for Women’s Research (ECHR) scharf kritisierte. Und auch in einem anderen Bereich sehen viele AktivistInnen, die sich mit Frauenrechten beschäftigen, keinen Fortschritt: bei der häuslichen, aber auch der staatlichen Gewalt gegen Frauen. Die Frauen unter den Protestierenden, die am 9. März von der Armee festgenommen wurden, wurden nicht nur geschlagen und mit Elektroschocks gequält. „Wir saßen nackt vor den Soldaten, in einem Raum, dessen Türen und Fenster offenstanden, und wurden von Kameras gefilmt“, erzählt Salwa Hosseini Gouda, eine junge Aktivistin. „Die Soldaten klagten uns wegen Prostitution an. Und wenn eine von uns sagte, ich bin doch noch Jungfrau, kam ein Mann, den wir nicht kannten und ‚checkte‘ das.“ Die Vorfälle erregten auch international Aufmerksamkeit, Human Rights Watch und Amnesty International verurteilten diese „Jungfräulichkeitstests“. Doch zu einer Verurteilung der Verantwortlichen oder zu einer Aufarbeitung der Vorfälle kam es nicht. Und ein weiterer Fakt macht Aktivist_innen, ob sie zu Frauenrechten arbeiten oder nicht, Sorgen. Für September sind Parlamentswahlen angesetzt. Bis dahin kann noch vieles geschehen. Gewinnt jedoch tatsächlich, wie bisherige Prognosen vorhersagen, die radikal-islamische Muslimbrüderschaft einen Großteil der Stimmen, sieht es für eine Verbesserung der Lage der Frauen in Ägypten nicht gut aus. l Juliane Schumacher lebt als freie Journalistin in Berlin und Kairo. Juni 2011 an.schläge l 13 an.riss international jemen II Die Frauenecke am Taghier-Platz Demo in Sanaa/Jemen nach sexistischen Äußerungen des Präsidenten Foto: Adnan Al-Rajehi/Yemen Times jemen I Das Bild einer Frau Neben zahlreichen anderen Ländern brodelt es auch im Jemen ganz gewaltig. Auslöser der Proteste war die Verhaftung der Journalistin, Ökonomin und Frauenrechtsaktivistin Tawakul Karman im Jänner. Die Folge war der Aufstand v.a. tausender Männer, die – sensationell für die äußerst patriarchalisch geprägte jemenitische Gesellschaft – Karmans Bild vor sich her trugen. Nach einer Woche kam Karman wieder frei und führt seither die Protestbewegung an. Tawakul Karman organisiert seit vier Jahren die wöchentliche Dienstagsdemo vor dem Gebäude der Regierung Ali Saleh in der Hauptstadt Sanaa. Manchmal stand sie sogar ganz allein dort. Mehrmals musste sie deswegen ins Gefängnis, erhielt Morddrohungen, überlebte einen Anschlag und lehnte – als der Regierung offenbar nichts mehr anderes einfiel, um sie zum Schweigen zu bringen – ein hohes Amt samt Geldgeschenken ab. Karman hatte sich inhaltlich zunächst v.a. für Medienfreiheit eingesetzt und ist Gründerin der NGO „Journalistinnen ohne Ketten“. Später engagierte sie sich auch für Menschen- und Frauenrechte. So gingen ihre politischen Tätigkeiten auch mit der Entscheidung einher, den Niqab, ein Kleidungsstück, das nur die Augen der Trägerin freilässt, abzulegen und nur noch ein Kopftuch zu tragen. Denn das Gesicht einer Aktivistin müsse sichtbar sein, so Tawakul Karman. Die große Beteiligung junger, gut ausgebildeter jemenitischer Frauen an den gegenwärtigen Protesten ist sicher auch ihr Verdienst. Diese Frauen haben genug davon, in der Öffentlichkeit keinerlei Rolle spielen zu dürfen. Einzig Tawakul Karmans Mitgliedschaft in der größten Oppositionspartei Al-Islah ist für einige aus der Protestbewegung Anlass zur Kritik, da sich innerhalb der Partei auch Islamisten befänden, die die Bewegung für sich nutzen wollten. Karman erklärte, das sei nur eine von mehreren Strömungen, denen sie innerparteilich etwas entgegensetzen wolle. Auf Facebook gibt es jedenfalls schon eine Gruppe, die „Tawakul Karman for President“ fordert. sylk www.frauensicht.ch, www.womenpress.net (Website der „Journalistinnen ohne Ketten“) 14 l an.schläge Juni 2011 Als die Proteste in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa begannen, bildete sich eine ständig wachsende Gruppe von Menschen, die Tag und Nacht auf dem Taghier-Platz campierten. Als Nadia Al-Sakkaf, Chefredakteurin der „Yemen Times“, vor ein paar Monaten dort recherchieren wollte, wurde sie am Eingang des Platzes von zwei Männern mit dem Ruf „Eine Frau kommt – macht Platz!“ in eine Ecke geleitet, die mit Tüchern abgetrennt war: die Frauenecke. Erst als sie sagte, sie sei als Journalistin gekommen, erhielt sie Zugang zum gesamten Platz. Inzwischen hat sich einiges geändert, so Al-Sakkaf. Die Frauenecke sei viel größer geworden, weil immer mehr Frauen am Widerstand beteiligt sind, und sie wirke nicht mehr isolierend. Die Frauen seien jetzt überall am Taghier-Platz zu finden, sie backen und kochen, um die Protestierenden zu ernähren, und bringen Kindern Freiheitslieder bei, sie halten aber auch Reden und geben Auskünfte in Rechtsfragen. Als Präsident Ali Saleh Mitte April gegenüber der Presse anzüglich fragte, was die Frauen auf dem Taghier-Platz eigentlich machen, wenn sie zwischen all den Männern auf der Straße schlafen, erntete er eine Demonstration tausender wütender Frauen, die für Stunden durch die Stadt marschierten und ihm die Botschaft überbrachten, dass das Maß nun voll sei. „Wir bleiben, bis er geht“, skandierten sie. sylk http://womenwithoutborders-save.blogspot.com festung europa Flucht aus Libyen Seit Beginn der Aufstände in Nordafrika und besonders seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs Ende Februar in Libyen wird in den europäischen Medien immer wieder von dramatischen Situationen berichtet, in die Flüchtlinge auf dem Seeweg nach Europa geraten – zuletzt von 61 Menschen, die auf einem Boot ums Leben gekommen sind, weil ihnen die Nato jede Hilfe verweigert haben soll. Italiens Premierminister Silvio Berlusconi war nicht der einzige, der aus dem Leid der etwa 22.000 Flüchtlinge, die es bisher nach Lampedusa geschafft haben, politisches Kapital schlug. In der ganzen EU brachen Streitereien über eine „gerechte Verteilung“ dieser Menschen aus. Dabei wird meist vergessen, dass es nur die wenigsten Flüchtlinge bis Europa schaffen: Seit Mitte Februar sind mehr als 440.000 Menschen aus Libyen in die Nachbarländer, etwa die Hälfte davon nach Tunesien, geflohen. Die meisten sind tunesische oder ägyptische MigrantInnen, viele waren jedoch auch aus Asien oder dem südlichen Afrika auf Arbeitssuche nach Libyen zugewandert. Besonders prekär ist die Lage für AsylwerberInnen aus Krisenregionen wie dem Irak, Somalia, Sudan, Äthiopien oder Palästina. Da sie nicht abgeschoben werden können, verweigert Tunesien ihnen die Einreise. Als jedoch Berlusconi Anfang April mit der tunesischen Übergangsregierung in Verhandlungen trat und 300 Millionen Euro an Finanzhilfe sowie sechs Patrouillenboote anbot, wenn dafür die Überfahrt von Bootsflüchtlingen stärker bekämpft wird, reagierte die tunesische Zivilbevölkerung empört. Es wurde u.a. gefordert, das Rücknahmeabkommen, das die Diktatur von Ben Ali 1998 mit Italien geschlossen hatte, aufzuheben. Am 20. Juni, am Internationalen Tag des Flüchtlings, wird von einer europaweiten Initiative zum „European Umbrella March“ aufgerufen. Mit aufgespannten Schirmen soll für den Schutz von Flüchtlingen und Vertriebenen in der EU eingetreten werden. sylk asyl aktuell 1/2011 (Zeitschrift der „asylkoordination österreich“, www.asyl.at) European Umbrella March, 20. Juni, 11 Uhr, Treffpunkt Freyung 1, 1010 Wien an.riss international cahvio Neues Kapitel im Kampf gegen Gewalt usa Anti-Choice America Anfang Mai wurde bei einem Treffen der AußenministerInnen der 47 Mitgliedsstaaten des Europarates in Istanbul eine bahnbrechende Konvention gegen Gewalt an Frauen verabschiedet, die die bisherigen zahnlosen Empfehlungen ablöst. Die Konvention zur Verhütung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (CAHVIO) ist für die Unterzeichnerstaaten rechtlich bindend, bisher haben aber erst 13 Staaten, darunter auch die Türkei, unterschrieben. Mit der Ratifizierung der Konvention in den nationalen Parlamenten verpflichten sich die Staaten, Telefon-Hotlines, Frauenhäuser, Beratungsstellen und weitere Infrastruktur einzurichten. Auch Öffentlichkeits- und Sensibilisierungsmaßnahmen sind vorgesehen. Sogar verfassungsrechtlich hat die Konvention Folgen: Die Gleichheit von Mann und Frau muss festgeschrieben, eventuelle diskriminierende Vorschriften müssen abgeschafft werden. Eine neu zu schaffende internationale ExpertInnengruppe soll die Umsetzung überwachen. In Europa erleben durchschnittlich 20 bis 25 Prozent der Frauen im Laufe ihres Lebens Gewalt oder sexuelle Gewalt, in der Türkei sogar fast die Hälfte. Die Untätigkeit der Regierung war daher schon lange im Fokus der Kritik der türkischen Frauenbewegung, auch das Treffen wurde von Demonstrationen feministischer Organisationen begleitet, die eine konsequente Umsetzung von Gewaltschutzmaßnahmen forderten. Da Österreich mit seinen Gewaltschutzgesetzen international als Vorbild gilt, spielte es auch eine wichtige Rolle auf dem Weg zu dieser Konvention. Namentlich Rosa Logar, Mitgründerin des ersten Frauenhauses in Österreich, hat dazu beigetragen. sylk Der Machtgewinn der Republikanischen Partei bei den Parlamentswahlen im letzten November hat der Anti-Choice-Bewegung in den USA erheblichen Aufwind beschert. Durch die neu gewonnene Mehrheit im „House of Representatives“ konnten die RepublikanerInnen zahlreiche Anti-Choice-Gesetze verabschieden. Darunter fällt auch der „No Taxpayer Funding of Abortion Act (H.R.3)“. Diese in den USA höchst umstrittene Gesetzesnovelle wurde Anfang Mai im Parlament mehrheitlich bestätigt. Der H.R.3 untersagt jegliche Finanzierung von Schwangerschaftsabbrüchen aus Staatsgeldern. Angesichts der vorgesehenen strengen Auflagen dürften dann selbst Abbrüche nach Vergewaltigungen oder Inzest nicht mehr finanziert werden. Betroffen wären v.a. sozial schlecht situierte Frauen, die auf die staatliche Krankenversorgung Medicaid angewiesen sind. Dies beklagt auch Silvia Henriquez, Direktorin des „National Latina Institute for Reproductive Health“: „Eine freie Entscheidung wird diesen Frauen unmöglich gemacht.“ Im Gegensatz zum schon bestehenden HydeAmendment, das die staatlichen Ausgaben für Abbrüche stark einschränkt, würde der H.R.3 auch die private Vorsorge, über Hintertüren, nahezu unmöglich machen. Der Gesetzesvorschlag wird nun dem Senat überreicht, dort dürfte er aber dank der demokratischen Mehrheit scheitern. Sollte er jedoch auch hier bestätigt werden, kündigte Präsident Obama an, ein Veto einzulegen. leka www.reproductiverights.org, www.prochoiceamerica.org http://diestandard.at, http://conventions.coe.int/Treaty/EN/Treaties/HTML/DomesticViolence.htm medienmix Diskutieren Ermöglicht Queerness die Auflösung von Identität oder ist sie nur ein Konzept, das nichts mit der Praxis zu tun hat? Die aktuellen Kulturrisse (Zeitschrift für radikaldemokratische Kulturpolitik) definieren „queer“ und fragen, wie sich Aktivismus und Theoriebildung zueinander verhalten und wie Queer Theory, Disability- und GenderStudies sich heute im akademischen Feld positionieren. Außerdem: sexualpolitische Debatten im zentral- und osteuropäischen Raum und eine Reflexion über die Figur des Monsters. Verkaufsstellen und Bestellung auf kulturrisse.at. fis Chatten Seit März können sich Frauen auf queerpoint.de kennenlernen und verabreden. Das Dating-Portal ist übersichtlich und will so auch Nutzerinnen ansprechen, die bisher nicht im Internet auf Partnerinnensuche gegangen sind. Ob große Liebe, Flirt oder Kontakte für Freizeit-Aktivitäten – die Plattform bietet verschiedene Filter- und Suchfunktionen sowie ganz klassisch die Möglichkeit, sich im Profil zu präsentieren. Chat, Eventkalender und Forum runden das Angebot ab. Die Anmeldung ist kostenlos, die Premium-Mitgliedschaft kostet maximal vier Euro pro Monat. fis Spielen „Come for the boobs, stay for the brains“ ist das Motto des Gamer Girls Radio. Der Podcast richtet sich an Fans von Video- und Computerspielen. Informationen über Neuentwicklungen haben genauso ihren Platz wie Analysen und aktuelle Nachrichten. Fast täglich servieren Gingir und Cori zur Mittagspause im einstündigen Talkshowformat gut gelaunt Informationen für Nerds. Blog-Beiträge und weitere Infos finden sich auf gamergirlsradio.com, die einzelnen Folgen lassen sich zum Beispiel über blogtalkradio.com/gamergirlsradio streamen. fis Juni 2011 an.schläge l 15 Feminist Press|ure* Die AUF, Österreichs älteste feministische Zeitschrift, stellt nach 36 Jahren ihr Erscheinen ein (vgl. an.schläge 05/11). Sind feministische Medien in der Krise? Oder sind es nur die Zeitschriften und Magazine, weil die jungen Feministinnen längst auf Blogs und andere Onlinemedien umgestiegen sind? In einem Round-Table-Gespräch diskutieren Medienmacherinnen über Onlineund Offline-Aktivismus, neue Generationen und die Frage, warum feministische Medienarbeit weiterhin wichtig ist. Illustrationen: Bianca Tschaikner 16 l an.schläge Juni 2011 thema: feministische medien Gabi Horak: Die „AUF. Eine Frauenzeitschrift“ muss nach 36 Jahren aufhören. Eva Geber, du hast versucht, Nachfolgerinnen zu finden. Wie ist der aktuelle Stand? Eva Geber: Es wird keine Übernahme geben. Als klar wurde, dass die „AUF“ eingestellt wird, haben sich zwar sehr viele gemeldet und das Angebot gemacht, mitzuhelfen. Aber das reicht nicht, es geht um eine verantwortliche Übernahme. Und die klappt nicht, da haben wir uns ja schon sehr lange drum bemüht. Und da sind wir gleich bei der politischen Debatte. Die Arbeits- oder Studiensituationen sind heute ganz anders, viele Frauen leben in prekären Verhältnissen. Und wenn ständig das Damokles-Schwert der Existenzfrage über dir schwebt, ist es schwer, sich in so ein Projekt richtig reinzuschmeißen. Lea Susemichel: Es gibt ja in diesem Zusammenhang immer den Konflikt zwischen einem Engagement aus Überzeugung und Leidenschaft und der Selbstausbeutung, die praktisch in allen feministischen Projekten stattfindet. Wie wichtig ist es für euch, dass ihr von feministischer Medienarbeit auch leben könnt? L. Susemichel: Rosa, du bist Mitbetreiberin des Projekts „Grassrootsfeminism“ (www.grassrootsfeminism.net), das feministische Medien in Europa dokumentiert. Wie ist das Verhältnis zwischen professionellen- und „Die Arbeits- oder Studiensituationen sind heute ganz anders, viele Frauen leben in prekären Verhältnissen. Und wenn ständig das Damokles-Schwert der Existenzfrage über dir schwebt, ist es schwer, sich in so ein Projekt richtig reinzuschmeißen.“ (Eva Geber) „Liebhaberinnen“-Medien? Und gibt es eine Verlagerung von Print- zu OnlineMedien? Rosa Reitsamer: Der Forschungsfokus sind feministische „Graswurzel“Medien, und die sind – wie soziale Bewegungen generell – selten bezahlt. Da sind viele Fanzine-Produzentinnen dabei, aber auch Bloggerinnen oder Frauen, die digitale Archive führen. Bei den feministischen Magazinen ist Österreich wirklich eine Ausnahme, „Feministische Medien sind ein klassisches Mittelschichtsphänomen. Neue Technologien haben noch nie in der Geschichte soziale Ungleichheiten minimiert.“ (Rosa Reitsamer) Ina Freudenschuß: Bei „dieStandard. at“ werden wir alle bezahlt, und wenn man eine bestimmte Stundenanzahl dort arbeitet, kann man auch davon leben. Bei Arbeiten, mit denen man sich selbst identifiziert, ist das mit der Selbstausbeutung trotzdem immer so eine Sache, weil wir das alle mit Herzblut machen. Wir betrachten es durchaus als Privileg, für diese Arbeit bezahlt zu werden. Leonie Kapfer: Ich studiere und arbeite daneben als Kellnerin. Ich blogge aus Leidenschaft. Die primäre Motivation ist daher nicht, damit Geld zu verdienen, aber langfristig stellt sich natürlich die Frage, ob ich das neben einer Vollzeitarbeit noch machen kann. Allerdings stellt sich für mich die Frage, ob es daneben weiterhin auch eine kritische Begleitung des politischen Geschehens gibt, wie das eben z.B. feministische Magazine leisten. Ich bin mir nicht sicher, ob Blogs das ersetzen können. wir haben hier eine sehr hohe Zahl an feministischen Printmedien. Auch in Großbritannien hat es in den 1970er und 80er Jahren eine starke Tradition gegeben, dann aber mussten sehr viele Zeitschriften eingestellt werden, und nur die wenigsten sind auf Blogs umgestiegen. Erst 1999 bis 2001 gab es einen Anstieg von feministischen Blogs oder Mailinglisten, ein weiterer Höhepunkt war 2005. Ich glaube, es ist eine jüngere Generation von Frauen, die diese neuen Medien- und Kommunikationstechnologien nutzt. I. Freudenschuß: Ich finde es erstaunlich, wie groß die Bereitschaft ist, solche feministischen Blogs zu betreiben und sich unbezahlt zu engagieren! L. Susemichel: Leonie, war das eine bewusste Entscheidung, ins Netz vorzudringen – angesichts der männlichen Dominanz, die es auch dort gibt? Oder war es einfach eine Ressourcen-Frage? L. Kapfer: Die Frage nach einem Print-Magazin hat sich wegen fehlender Ressourcen gar nicht gestellt. Aber es war dennoch auch eine bewusste Entscheidung für eine Gegenbewegung mit einem Empowerment-Gedanken. Durch Blogs erhalten viele Frauen die Möglichkeit, überhaupt zu publizieren und sich zu engagieren. Und ein weiterer wichtiger Vorteil eines Blogs ist, dass internationale Vernetzung möglich ist. I. Freudenschuß: Diese Vernetzung ist natürlich brillant, Stichwort digitaler Feminismus, da passiert im Sinne einer Kollektivbildung schon einiges. Denken wir z.B. an die Michael-Moore-Kampagne „#Mooreandme“, bei der Feministinnen über Twitter Michael Moore zur Rede gestellt haben, warum er Julian Assange verteidigt hat. L. Kapfer: Gerade bei Kampagnen gegen Sexismus gibt es den großen Vorteil, dass sie im Netz ganz unmittelbar passieren können. Ich kann ganz schnell auf Dinge reagieren. R. Reitsamer: Ich bin bezüglich neuer Medien oder neuer Kommunikationstechnologien nicht ganz so optimistisch, weil sich einfach die Zugangsfrage stellt: der Zugang zum Internet, zu Computern, zum nötigen Wissen und zu Bildung. Feministische Medien sind ein * Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums er an.schläge fand 2008 das mehrtägige Symposium „Feminist Press|ure“ zum Thema feministische Medien statt. Begleitend ist auch ein Buch erschienen: Lea Susemichel, Saskia Rudigier, Gabi Horak (Hg.innen): Feministische Medien. Öffentlichkeiten jenseits des Malestreams; Ulrike Helmer Verlag 2008, 19,90 Euro Juni 2011 an.schläge l 17 thema: feministische medien klassisches Mittelschichtsphänomen. Neue Technologien haben noch nie in der Geschichte soziale Ungleichhei- E. Geber: Einen Blog zu betreiben ist sicher leichter, das spart Zeit und Geld. In der „AUF“ haben wir uns durch „Durch Blogs erhalten viele Frauen die Möglichkeit, überhaupt zu publizieren und sich zu engagieren.“ (Leonie Kapfer) ten minimiert. Und es stellt sich auch die Frage der Vernetzung über diese Kommunikationstechnologien. Unsere Forschung zeigte uns Vernetzungen in unterschiedlichen Stärken. Und ein interessantes Phänomen gibt es dabei vor allem bei den Blogs im deutschsprachigen Raum: Sie haben sehr viele Links zu anderen feministischen Medien. In den Interviews hat sich dann aber herausgestellt, dass es dennoch nur mit bestimmten Gruppen auch mehr Kontakt im Alltag gibt und da quasi einen „Offline-Aktivismus“ stattfindet, den es ohne das Internet auch gegeben hätte. Das relativiert für mich dieses positive Potenzial der neuen Medien- und Kommunikationstechnologien. L. Susemichel: Aber dass Medienpartizipation elitär ist, das trifft nicht nur auf die neuen Medien zu, sondern insbesondere auch auf Magazine und Zeitschriften … L. Kapfer: Und zur Frage der sozialen Ungleichheit aufseiten der KonsumentInnen: Das Internet ermöglicht es, viele verschiedene Medien zu konsumieren. Die wenigsten können sich jeden Tag fünf Zeitungen leisten, die „Emma“ kostet fast zehn Euro. 18 l an.schläge Juni 2011 E-Mails viele Sitzungen erspart, aber es ist gleichzeitig auch eine Crux. Die politische Diskussion fehlt dann. Und nicht alles, was eine Zeitschrift enthält, kann mit dem Internet abgedeckt werden. Wenn ich heute eine Zeitung gekauft hätte, wäre zwar über den Tod Osama bin Ladens noch nichts drinnen gewesen, aber ich hätte den einen oder anderen Essay darin gelesen. Das ist ja eine große Gefahr, dass man nur noch mitverfolgt, was einen interessiert, und nichts mehr vom sonstigen Weltgeschehen mitbekommt. Eine Freundin von mir, die sich nur im Netz informiert, hat es tatsächlich geschafft, weder von der royalen Hochzeit noch von der Papst-Seligsprechung etwas mitzubekommen … G. Horak: Die Medientheorie geht ja längst davon aus, dass ein Medium das andere nicht ersetzen kann. Die Diskussion gibt es ja immer wieder: Als der Fernseher kam, dachte man auch erst, die Kinos verschwinden usw. Zur Frage, ob das Internet etwas zur Demokratisierung beiträgt: Frauen betreiben zwar zwei Drittel der deutschsprachigen Blogs, sie bloggen aber zu höchst privaten Themen, die gar nicht die Öffentlichkeit suchen. Männer hingegen kommentieren sofort das Weltgeschehen und wetteifern darin, verlinkt zu werden oder auf die TopBlog-Listen zu kommen. Da setzt sofort eine Hierarchisierung ein – das Internet spiegelt also auch nur die gesellschaftliche Realität wider. Gleichzeitig denke ich, dass der digitale Feminismus auch viel ermöglicht. Global gesehen ist das eine große Masse an Frauen, die sich so konzertieren – das möchte ich schon anerkennen. Aber natürlich braucht es zusätzlich die Verankerung in einer politischen Szene, das Erarbeiten von Forderungen, mit denen dann das Netz gefüttert wird. L. Kapfer: Dieser reale Austausch findet ja statt, etwa beim Gender Camp, wo sich die Blog-Szene ins reale Leben überträgt. Aber ich glaube schon, dass ich mit Blogs vernetzter bin, als ich es ohne wäre. Für mich hat das Netz für meine feministische Tätigkeit eine zentrale Rolle gespielt. G. Horak: Wir haben jetzt zwei Feststellungen getroffen: Die eine ist, dass es eine junge Generation gibt, die mit „Frauen betreiben zwar zwei Drittel der deutschsprachigen Blogs, sie bloggen aber zu höchst privaten Themen. Männer hingegen kommentieren sofort das Weltgeschehen und wetteifern darin, verlinkt zu werden oder auf die Top-Blog-Listen zu kommen.“ (Ina Freudenschuß) I. Freudenschuß: Ich war vor kurzem auf der re:publica (Anm.: eine Konferenz über Blogs, soziale Medien und die digitale Gesellschaft), wo es große Einigkeit darüber gab, dass die Bildung von sogenannten Echo-Kammern problematisch ist. Viele nehmen nur mehr das wahr, was sie persönlich interessiert oder betrifft. Deshalb sind Tageszeitungen mit Qualitätsjournalismus weiterhin wichtig. dem Netz aufgewachsen ist und dessen Vorteile nutzt. Andererseits kann das Netz andere Medien nicht ersetzen und soll sie auch nicht ersetzen. Da stellt sich aber die Frage, ob es künftig noch Frauen geben wird, die auch die Zeitschriften übernehmen, nicht nur die Blogs. I. Freudenschuß: Die Erfolgsgeschichte des „Missy Magazine“ stimmt in dieser thema: feministische medien Hinsicht ja optimistisch: eine neue feministische Zeitschrift, die sich mitten in der Wirtschaftskrise gegründet hat und sich etablieren konnte. L. Susemichel: Am Beispiel „Missy Magazine“ zeigt sich aber, dass die Generationenfrage auch mit neuen relativ privilegierten Redakteurinnen. Das macht auch etwas mit der Zeitung, mit den Inhalten, wenn die Frauen woanders herkommen – und vielleicht auch woanders hinwollen. Viele Praktikantinnen kommen heute nicht mehr primär als Feministinnen zu uns, die sich in einem feministischen Projekt engagieren „So verständlich der Wunsch auch ist, dass Feministinnen über Generationen und Differenzen hinweg Allianzen bilden: Ist es nicht problematisch, wenn manifeste Meinungsverschiedenheiten zwischen Feministinnen nicht mehr thematisiert werden?“ (Lea Susemichel) inhaltlichen Positionierungen zu tun hat und nicht nur mit neuen medialen Formen. L. Kapfer: Leute in meinem Alter sind sehr auf diese Pop-Ästhetik à la „Neon“ festgelegt. Diesen Stil haben andere feministische Medien kaum aufgegriffen, und auch thematisch hat das „Missy Magazine“ Popkultur und Feminismus vereint. Das kommt wahnsinnig gut an. G. Horak: Es braucht viele Voraussetzungen für eine gelungene Generationenübergabe in einem Medium, nicht nur finanzielle. Die vorangegangene Generation muss auch loslassen können, aber das ist nicht so einfach, denn das heißt auch, zu akzeptieren, dass das Projekt vielleicht in eine andere Richtung geht. Es geht auch darum, Macht herzugeben, und darum, neue Positionen zu akzeptieren. Meiner Erfahrung nach ist es weniger ein Generationenproblem, sondern eine Frage von: Wo komme ich her? Inzwischen sind bei den an.schlägen fast ausschließlich Akademikerinnen und Studentinnen als Praktikantinnen aktiv. Das war bei der Gründung anders: Die Macherinnen kamen aus der Frauenbewegung und beruflich aus ganz unterschiedlichen Bereichen. Inzwischen sind die an.schläge auch insofern homogen – und das ist für uns seit vielen Jahren Thema – , dass wir sehr wohl wissen, dass wir ein Weißes Projekt sind mit wollen, sondern sie wollen vor allem auch journalistisch arbeiten. Da sind die an.schläge quasi die Lehrredaktion, und irgendwann dann landen sie dann bei anderen Medien – wir haben unsere Frauen schon überall! R. Reitsamer: Das finde ich sehr interessant, dass bei den an.schlägen ein Homogenisierungsprozess hinsichtlich Herkunft stattfindet. Beispielsweise in Italien gibt es viele feministische Blogs, für die – ähnlich wie etwa für „migrazine.at“ in Österreich – Intersektionalität ein zentraler Ansatz ist. Die extrem viel Wert darauf legen, dass sie ganz viele unterschiedliche Perspektiven in ihren Blogs drinnen haben. Sie sagen dezidiert: Wir sind feministisch, antisexistisch, antifaschistisch, wir sind gegen jede Art von Homophobie. Das ist eine sehr differenzierte feministische Perspektive. Und wenn ich die an.schläge lese, ist da durchaus auch ein sehr breites Themenspektrum vertreten … L. Susemichel: Von den inhaltlichen Ansprüchen her trifft das auch für die an.schläge zu. Aber personell ist es eben sehr homogen. Die Tendenz zu dieser Homogenisierung erklärt sich meiner Meinung nach aber auch dadurch, dass grundsätzlich eine Akademisierung von Feminismus stattgefunden hat. Feminismus findet zunehmend vor allem an der Uni statt bzw. als Wissenschaft. Und die meisten jungen Frauen werden heute an der Uni zum ersten Mal mit feministischen Inhalten konfrontiert und nicht über den Aktivismus, d.h. die neuen Frauen kommen dann auch über ihr Studium zum Feminismus. L. Kapfer: Aber bei den an.schlägen gibt es doch zumindest kein Generationenproblem, oder? Es kommen doch immer wieder Junge nach … L. Susemichel: Bei den an.schlägen war der Generationenwechsel nie so drastisch. Es gab nie eine, die über Jahrzehnte dabei war, sondern immer schon eine große Fluktuation auch unter den angestellten Redakteurinnen, was natürlich mit der schlechten Bezahlung zusammenhängt, von der keine lange leben kann. Dafür war dann aber auch kaum jemals eine große Zäsur notwendig, sondern das Heft hat sich kontinuierlich verändert, und es war nie so wie bei der „Emma“, dass eine Zeitung vor allem mit einer Person verknüpft ist. In der letzten „Emma“-Ausgabe gab es übrigens ein „Gespräch der Generationen“, für das es viel Kritik aus der feministischen Szene gab. „Emma“ trifft die „Mädchen“ – u.a. die Missy-Macherinnen – und heraus kommt dabei, kurz gesagt, dass der Konflikt nur ein großes, medial erzeugtes Missverständnis ist. So gibt es bezüglich Sexarbeit und Juni 2011 an.schläge l 19 thema: feministische medien Pornografie überhaupt keine unterschiedlichen Positionen, sondern nur unterschiedliche Definitionen, und über das Thema Kopftuch und Rassismus wurde erst gar nicht gesprochen. So verständlich der Wunsch auch ist, dass Feministinnen über Generationen und Differenzen hinweg Allianzen bilden: Ist es nicht problematisch, wenn manifeste Meinungsverschiedenheiten zwischen Feministinnen nicht mehr thematisiert werden und Kritik an bestimmten Haltungen nicht mehr formuliert wird? würde mich deshalb gar nicht als „junge Feministin“ bezeichnen, und ich kenne auch ganz viele in meinem Alter, die das auch nicht tun würden. Die sagen: Wir sind Feministinnen, und wir haben unterschiedliche Standpunkte. Und sie übernehmen von der alten Bewegung 20 l an.schläge Juni 2011 G. Horak: Das Problem an Schwarzer ist, dass sie als „die“ Feministin rezipiert wird, die die ganze Bewegung repräsentiert. Das ist das eigentlich Problematische. E. Geber: Wir müssen eben aufpassen, dass es nicht nur eine Galionsfrau gibt, sondern viele. Aber es gibt immer noch diese gefährliche und zu allen Zeiten angewendete Strategie, die darin besteht, den Frauen weiszumachen, sie hätten ihre Ziele doch erreicht und es gäbe keine Diskriminierung mehr. Das hat schon nach der Einführung des Frauenwahlrechts begonnen: „Jetzt habt ihr bekommen, was ihr wolltet, jetzt könnt ihr aufhören ...“ R. Reitsamer: Ich hab dieses Interview durchaus anregend gefunden und war positiv überrascht davon, dass es möglich ist, dass unterschiedliche Generationen von Feministinnen sich an einen Tisch setzen können, ohne sich zu zerraufen. Die Generation der jüngeren Feministinnen nimmt für sich in Anspruch, einen neuen, eben diesen „Alpha-Mädchen-Feminismus“ zu vertreten. Bei den Interviews, die wir mit diesen Feministinnen gemacht haben, kommt dann immer schon im ersten Satz, dass sie sich von einem älteren Feminismus abgrenzen – und sie tun dies oft auf eine widerliche Art und Weise. Das sind dann die verstaubten, alten, hässlichen, grantigen, männerhassenden, lila-Latzhosen-tragenden Lesben, mit denen man nichts zu tun haben will. Weil unser Feminismus macht ja jetzt Spaß, und der ist sexy und lustig und toll. Ich glaube, radikale Gesellschaftskritik kann sehr sexy sein, aber nicht in einem patriarchalen Sinne. Ich denke, das ist wirklich eine postfeministische Strategie, wie junge Feministinnen dazu beitragen, Feminismus als soziale Bewegung zu demontieren. Das fügt sich wunderbar ein in eine neoliberale Politik. L. Kapfer: Das kann man so nicht sagen. Natürlich gibt es die jungen Feministinnen, die du da beschrieben hast, aber das ist auf keinen Fall die breite Masse. Das ist genau die Verallgemeinerung und das Bild, das uns von außen aufgedrückt wird: Es gibt die jungen und die alten Feministinnen. Es gibt aber sehr viele junge Feministinnen, die auch nicht so sind. Ich E. Geber: Dass das keine Generationenfrage ist, zeigt sich z.B. auch daran, dass bei Alice Schwarzers Vorträgen in Wien der Saal voll war mit ganz jungen Frauen, die ganz begeistert waren. R. Reitsamer: Ich glaube, die gesellschaftliche Erwartungshaltung an jüngere Frauen, sich vom Feminismus zu distanzieren, steht vor dem Hintergrund dieser neoliberalen Politik, die Feminismen und Antirassismen eine brutale Absage erteilt. Die feministische Terminologie der Selbstermächtigung und Wahlfreiheit wird aufgenommen von dieser Politik, um sie gegen die jungen Frauen zu kehren, um ihnen zu suggerieren: Ihr seid gleichberechtigt, ihr habt alles erreicht. Was in der Realität natürlich nicht so ist. Ich denke, dass die Absage an Feminismus als Bewegung unter neoliberalen Verhältnissen noch mal eine ganz neue Ausformung bekommen hat. Aber man weiß ja nicht, was noch kommt … L. Kapfer: Und suggeriert wird Frauen dabei auch: Wenn es nicht so läuft, wie es soll, dann seid ihr selber schuld, dann liegt das an individuellem Versagen. Aber genau dagegen richten sich auch junge Feministinnen. sehr viel, haben aber in manchen Fragen eben eigene Positionen. Aber auch die sind keine homogene Masse, es gibt da viele Positionen, die ich auch nicht unterschreiben würde. I. Freudenschuß: Dass diese Einpassung von feministischen Werten in eine neoliberale Gesellschaft eine Gefahr ist, gegen die wir uns wehren müssen, dem pflichte ich absolut bei. Aber ich habe das Gefühl, dass Feministinnen sich thema: feministische medien wehren! Es gibt sehr viel feministische Kritik am kapitalistischen System, und es gibt starke linke feministische Positionen. Die Frage der Rezeption ist aber E. Geber: Einen Generationenkonflikt in dem Sinne gab es bei der „AUF“ überhaupt nicht. Es haben immer sehr viele junge Frauen mitgearbeitet, die konnten „Das Problem an Schwarzer ist, dass sie als ‚die’ Feministin rezipiert wird, die die ganze Bewegung repräsentiert. Das ist das eigentlich Problematische.“ (Gabi Horak) natürlich wieder eine andere, in die Medien kommt nur, was innerhalb des bestehenden Systems verhandelbar ist. In Bezug auf Alice Schwarzer und die „Emma“: Ich schätze die „Emma“ sehr, weil sie so eine feministische Illustrierte ist. Man hat wirklich viel zu Lesen für die zehn Euro … Und bei aller Kritik an Alice Schwarzer muss man sich schon die Frage stellen: Was wäre denn, wenn Schwarzer nicht wäre? Es würde für die Feminismen im deutschsprachigen Raum vermutlich auch nicht allzu gut aussehen, weil es sonst keine Person gibt, die diese Rolle der Generalfeministin noch einnehmen könnte – und wollte. Schwarzer ist eine Medienfeministin, die zu jedem Thema was zu sagen hat und das auch sehr eloquent tut. Das hat wieder mit der schon angesprochenen Akademisierung zu tun, dass viele Feministinnen sich auf ihren kleinen Bereich spezialisiert haben und die anderen Bereiche jenen Feministinnen überlassen wollen, die dort die größere Expertise haben. L. Susemichel: Aber sich bspw. gegen Gewalt gegen Frauen auszusprechen oder zu fordern, dass die Gehaltsschere geschlossen werden muss etc. – das können alle anderen Feministinnen auch. Und Schwarzer sagt eben auch einige schlimme Sachen. Muss ich also etwa ihre Aussagen zur „Islamisierung“ unwidersprochen in Kauf nehmen, nur weil sie immer wieder auch wichtige feministische Kritik einbringt? auch immer sofort alles übernehmen, und das ist auch immer wieder geschehen. Und ich habe immer sehr gerne – am liebsten sogar – mit den ganz jungen Frauen gearbeitet. L. Kapfer: Die jungen Feministinnen sind auf jeden Fall da, würde ich sagen! l Ina Freudenschuß ist Ressortleiterin von „diestandard.at“ (http://diestandard.at). Eva Geber war 35 Jahre lang Redakteurin der „AUF. Eine Frauenzeitschrift“. Gabi Horak ist seit 1998 Mitarbeiterin und Weggefährtin der an.schläge. Leonie Kapfer bloggt für das Mädchenblog (http://maedchenblog.blogsport.de) sowie das European ProChoice-Network (http:// europeanprochoicenetwork.wordpress. com) . Rosa Reitsamer hat zum Thema feministische Medienproduktion in Europa geforscht und ist Mitbetreiberin von „grassroots feminism“ (www.grassrootsfeminism.net/cms). Lea Susemichel ist koordinierende Redakteurin der an.schläge. I. Freudenschuß: Ich will diese Aussagen überhaupt nicht verteidigen. Wir sollten uns nur die Frage stellen, wie wir mit der Partikularisierung umgehen, die eben auch im Feminismus stattgefunden hat. Juni 2011 an.schläge l 21 thema: feministische medien New Girls im „Old Boys Network“ Eine reine Männerdomäne ist das Internet schon lange nicht mehr. Frauen sind im Netz nur schlechter vernetzt und müssen sich dort mit den gleichen Problemen wie in der Offline-Welt rumschlagen. Von Leonie Kapfer ion: rat lust Il „Girls can Blog“ – mit diesem Slogan wandte sich die Autorin Annina Luzie Schmid 2010 bloggend an die Öffentlichkeit. Ihr erklärtes Ziel: Die Vernetzung zwischen den einzelnen Bloggerinnen voranzutreiben und deren Tätigkeiten sichtbar zu machen. Damit spricht sie ein heikles Thema an, denn Frauen betreiben zwar zwei Drittel der deutschsprachigen Blogs2, in Medien und Blog-Rankings dominieren jedoch mehrheitlich reine Männerblogs. Kaum verwunderlich also, dass die Top10-Liste der deutschen Blog-Charts seit jeher ohne Frau auskommt. Bia aikn sch T nca er 1 1 http://girlsblogtoo. blogspot.com/ 2 Klaus Schönberger: Doing Gender, kulturelles Kapital und Praktiken des Bloggens 3 www.obn.org 22 l an.schläge Juni 2011 Seximus 2.0. Warum ist das so? „Kompetenz wird im Internet immer noch mit Männlichkeit gleichgesetzt“, sagt die langjährige Internetaktivistin Susanne Klinger. Das Netz ist entgegen der Annahme vieler Optimist_innen kein sexismusfreier Raum geworden, die Stereotypen und Machtverhältnisse der Offline-Welt wirken auch im WWW. „Das Medium des 21. Jahrhunderts reproduziert das Geschlechterverhältnis des 18. Jahrhunderts: Im Internet kocht und häkelt die Frau, das große Wort führt der Mann“, musste Klinger feststellen. Öffentlichkeit = Mann, und Privat = Frau bleibt auch im Netz der Status quo. Denn Fakt ist, dass sogenannte „harte“ Themen, wie Politik, Technik oder Wirtschaft, eher von Männern verhandelt werden. Frauen führen ihre Blogs häufig als eine Art Tagebuch. Während diese intimen Notizen oft gar nicht für die große weite Welt bestimmt sind, wollen Männer mit ihren Kommentaren hingegen gezielt die breite Öffentlichkeit erreichen. Ein weiteres Problem ist die raue Diskussionskultur im Internet. Das Netz ist weitgehend anonym, und Handlungen bleiben in aller Regel ungeahndet – Rahmenbedingungen, die Beleidigungen und Hetze natürlich erleichtern. Vor allem Frauen, die sich von den erwarteten Rollenbildern entfernen oder offen feministische Aussagen tätigen, müssen im Netz mit üblen Beschimpfungen rechnen. Auch als eine Gruppe engagierter Bloggerinnen vor gut einem Jahr die bis dato männlich dominierte Bloggerkonferenz re:publica eroberte und ein von der weiblichen Netzwelt lang ersehntes Panel über Frauen im Netz auf die Beine stellte, musste man auf Hasstiraden im Live-Stream nicht lange warten. „Jetzt sprechen 10 Brüste über Feminismus“, war dabei noch ein „Das Medium des 21. Jahrhunderts reproduziert das Geschlechterverhältnis des 18. Jahrhunderts: Im Internet kocht und häkelt die Frau, das große Wort führt der Mann.“ (Susanne Klinger) Im Fall der Technik-Bloggerin Kathy Sierra ging der Online-Terror so weit, dass sie beschloss, ihren Web-Blog zu schließen und ganz aus der Öffentlichkeit zu verschwinden. Unbekannte hatten zuvor Bilder von Sierras sowie ihre private Adresse auf mehreren Foren gepostet, darunter der Aufruf, die „langweilige Schlampe“ zu vergewaltigen. vergleichsweise milder Auswuchs des Sexismus 2.0. New Girls Network! Frauen im Netz gibt es aber nicht erst seit den letzten Jahren, auch wenn die mediale Aufmerksamkeit dank der klugen Netzwerkarbeit der OnlineAktivistinnen stetig wächst. Bereits 1997 wurde in Berlin mit dem „Old Boys Network“3 die erste internationale Allianz bekennender Cyberfeministin- thema: feministische medien nen gegründet. Seither hat sich viel getan. Neben bekannten feministischen Blogs wie Mädchenmannschaft4 oder Mädchenblog5 entscheiden sich immer mehr Frauen auch ganz bewusst dafür, „harte“ Themen zu behandeln. So entstand zum Beispiel der Technik-Blog „Side Glace“6 oder der politische Blog von Anne Roth „annalist“7. Es etablieren sich zudem immer mehr OnlinePlattformen, um weibliche Netz-Arbeit aus ihrem Schattendasein zu führen und Vernetzung voranzutreiben. So zum Beispiel das transnationale Projekt „grassroots feminism“8 oder die eben erst gegründete feministische Initiative „Frau Lila“9. Frau Lila will „Frauen ermutigen, sich zu Wort zu melden, politisch zu handeln, sich zu vernetzen, für ihre Rechte und Stimmen zu kämpfen“. Auch die Facebook-Gruppe „Girls On Web Society“, die bereits 500 Mitglieder zählt, hat starken Vernetzungscharakter. Der Wikipedia? Doch nicht nur die Blogosphäre kann von „post-gender“Zeiten nur träumen. Auch Wikipedia spiegelt klassische Geschlechterverhältnisse wider. 85 Prozent der Beiträge werden dort von Männern verfasst. Nur zehn bis 15 Prozent der Autor_innen sind weiblich.10 Ein untragbarer Zustand, findet auch Wikimedia-Geschäfts- g führerin Sue Gardner: „Uns mangelt es dramatisch an Frauen. Das müssen wir ändern, wenn wir unseren Job gut machen wollen.“ Ein entscheidender Faktor dabei sei, so Gardner, dass zur Verfassung eines Beitrages sehr viel Selbstüberzeugung gehört – und diese sein nun mal ein Phänomen männlicher Sozialisation. „Immerhin muss man glauben, etwas zu wissen, das es wert ist, mit anderen geteilt zu werden.“ Erste Initiativen, um dies zu ändern, wurden bereits gestartet, wie zum Beispiel die Mailingliste „Gendergap – Increasing female participation in Wikimedia projects“11. Dort wird nach Strategien gesucht, wie die Zahl an partizipierenden Frauen gesteigert werden könnte. Eine Erhöhung des Frauenanteils alleine wird aber nicht reichen, um die Wikipedia gendergerechter zu machen und damit zu verhindern, dass Wissensproduktion auch im Netz männlich bleibt. Denn Frauen, die für die Online-Enzyklopädie geschrieben haben, berichteten immer wieder von sexistischen Übergriffen oder davon, dass ihre Beiträge als „irrelevant“ eingestuft wurden. Die miese Frauenquote bei Wikipedia demonstriert, dass das Internet nicht fernab von gesellschaftlicher Realität funktioniert. Dieselbe Diskriminierung, Mit dem niedlichen Begriff „Trollkommentar“ wird im Fachjargon ein hasserfüllh tes und aggressives Posting bezeichnet. Jede Feministin mit Internetzugang kennt solche Kommentare, denn Web-Artikel mit feministischen Themen oder Statements provozieren nahezu immer diskriminierende Antworten, nicht selten werden Autorinnen dabei auch persönlich beleidigt oder sogar bedroht. Viele feministische Medien und Blogs verzichten deswegen inzwischen oft völlig auf die Kommentarfunktion, bringen so aber auch die eigene Community um die Möglichkeit, Themen online zu diskutieren. Mit hatr.org gibt es nun eine Lösung für dieses Problem. Unter der Überschrift „Das Letzte“ sammelt und veröffentlicht die Website Trollkommentare – und befreit damit .or r t a die Frauen auch sonst an politischer Partizipation hindert, gibt es auch online und wird auch hier nicht per Mausklick abschaffbar sein. Vielmehr muss der Netz-Aktivismus auch zur Überwindung von Sexismen im „Real-life“ beitragen. Dass dies möglich ist, zeigt etwa die Seite „Hollaback Berlin!“12. Dort wird Menschen eine Plattform gegeben, damit sie sich im Alltag erlebte sexistische und sexualisierte Belästigungen im Netz von der Seele schreiben und kollektiv Verteidigungsstrategien entwickeln können. An coolen Seiten von Feminist_innen mangelt es im WWW also wahrlich nicht – sie müssen nur entdeckt werden. l Leonie Kapfer bloggt selbst seit drei Jahren für das Mädchenblog (http:// maedchenblog.blogsport.de) sowie das European ProChoice-Network (http://europeanprochoicenetwork.wordpress.com). andere Seiten davon. Die Idee entstand beim Gendercamp 2010, Anfang April 2011 ging die Seite online. Wie beim US-amerikanischen Vorbildprojekt „Monetizing The Hate“ (http://dooce.com/hate) ist es das erklärte Ziel, die Hasstiraden zu Geld für die eigene Sache zu machen. „Auf hatr.org soll Werbung geschaltet werden. Wir wollen die Trolle schließlich nicht einfach nur vorführen, sondern eiskalt monetarisieren“, ist auf der Website zu lesen. Die Einnahmen würden verwendet, um queer-feministische Projekte zu unterstützen, die sich gegen sexistische, rassistische, homophobe und transphobe Diskriminierung richten, so Leah Bretz, eine der Betreiberinnen von hatr.org, in einem Interview mit „jetzt.de“. Seit April melden sich immer mehr Blogs und Projekte an, um ihre Postings zu spenden – und die ersten Werbeschaltungen gibt es auch schon. les 4 http://maedchenmannschaft.net 5 http://maedchenblog. blogsport.de 6 http://sideglance.melanchol-ie.de/ 7 http://annalist.noblogs.org 8 www.grassrootsfeminism. net/cms 9 http://fraulila.de 10 www.zeit.de/digital/ internet/2011-02/internetfrauen-maenner? 11 https://lists.wikimedia. org/mailman/listinfo/gendergap 12 http://berlin.ihollaback. org/ Juni 2011 an.schläge l 23 an.sprüche Ohne Hand in der Hose Illustrationen: Bianca Tschaikner Mit der Arbeit in feministischen Medien lässt sich nur in seltenen Glücksfällen genug Geld zum Leben verdienen. Vier an.schläge-Redakteurinnen berichten, wie es ihnen als Feministinnen in ihren früheren oder aktuellen journalistischen Brotjobs geht. FM4 ist ein Radiosender, Teil des ORF und als solcher einer öffentlichrechtlichen Struktur und dem ORF-Gesetz verpflichtet. Das unterscheidet uns von einem Medium wie den an.schlägen, die Objektivität in klassischer Sicht als männerzentriert kritisieren. Es unterscheidet uns aber auch von vielen Tageszeitungen, die sich die Objektivität wohl auf die Fahnen schreiben, deren Blattlinie sich aber durchaus niederschlagen kann und darf. Wir dagegen bleiben idealerweise neutral und ausgewogen. (Queer) feministische Themen haben bei FM4 innerhalb dieser Ausgewogenheit aber gut Platz und sind gerne gesehen. Und bei FM4 ist es im Gegensatz zu den anderen Mainstream-Medien, die ich kenne, nicht nur erlaubt, sondern explizit erwünscht, in Beiträgen und Moderationen zu gendern. Bloß: Radiosprache funktioniert anders als geschriebene Sprache. Das, was uns im Schriftbild zur Verfügung steht, um zu verdeutlichen, dass wir jetzt beide Geschlechter, wie etwa mit dem Binnen-I, kennzeichnen wollen oder mehrere Geschlechter, wie mit * oder _, meinen, lässt sich schlecht hörbar machen. Wie lässt sich das also erreichen? Anfangs hab ich gerne Binnen-Is geschrieben, aber konsequent nur die weibliche Form gesprochen. Hübsch nach der Theorie, dass sich Männer diesmal eben „mitgemeint“ fühlen dürfen. In der Praxis kommt es allerdings häufig als „nur Frauen“ an. Das ist nicht immer förderlich. Ich könnte also einfach beides nehmen. Aber Sätze wie „Schülerinnen und Schüler besprechen mit Lehrerinnen und Lehrern die Situation von Asylwerberinnen und Asylwerbern“ sind tödlich für das Hörverständnis. Abgesehen davon, dass bei der im Radio gebotenen Kürze ein Beitrag dann nur aus wenigen Sätzen bestehen würde. In letzter Zeit experimentiere ich mit einer sprachlichen Verdeutlichung des Abstands, circa „Schüler – absetzen – innen“ ausgesprochen. Es ist ein Drüberstolperer beim Hören, wie der Unterstrich und Abstand beim Lesen. SprachpolizistInnen finden es unschön und inkorrekt, wie das Binnen-I. Also vielleicht die konsequenteste Übersetzung der geschlechterneutralen Sprache ins Gesprochene. Ich kann mich trotzdem nicht für eine Form entscheiden und wähle je nach Thema, Komplexität des Inhalts und Zielgruppe. So viel Ausgewogenheit muss sein! Irmi Wutscher 24 l an.schläge Juni 2011 Ich arbeite bei einer Tageszeitung, und ich arbeite dort sehr gerne. Ich habe kein Problem mit meinen Kollegen, ganz im Gegenteil. Manchmal habe ich aber ein Problem mit meinen Lesern – wohl gemerkt mit einem sehr, sehr kleinen Teil meiner Leser. Unlängst riet mir da ein besonders charmanter Poster, ich möge mir doch einen anderen Job suchen. Das wäre im Sinne aller Beteiligten, schrieb er und wollte damit vermutlich deutlich machen, dass ich halt einfach keine Ahnung hätte. Es ist ein wahrlich überwältigendes Gefühl, von einem Unbekannten dermaßen persönlich angegangen zu werden, denn: wie „wehrt“ man sich gegen einen Nicknamen? Eigentlich sollte die Posting-Funktion den LeserInnen die Möglichkeit geben, sich über den Inhalt der Texte auszutauschen. Manchmal macht es aber wohl einfach mehr Spaß, sich über die AutorInnen auszutauschen. Während hier zur Abwechslung einmal meine Kompetenz (oder wohl eher mein Intellekt) angezweifelt wurde, wird normalerweise lieber über mein Aussehen spekuliert: „Sie möchte ich gerne einmal sehen.“ Wer Heidi Klum attestiert, sie sehe verhärmt aus (und das tut sie in manchen Situationen), der muss wohl automatisch unansehnlich und von Neid zerfressen sein. Überhaupt: Besonders schreibwütig werden die Poster (und hier speziell Männer) immer noch, wenn es um das böse F-Wort geht. Muss eine Art Schlüsselreiz sein. Angriffe gehen da schon einmal unter die Gürtellinie. Ich würde mir hier einfach ein bisschen mehr Respekt im Umgang mit anderen Menschen wünschen. Offenbar lassen die Anonymität und/oder Distanz im Netz schnell einmal vergessen, dass sich hinter den Buchstaben und Fotos ein Mensch verbirgt. Wer Kritik übt, muss bisweilen persönlich werden. Das ist nicht das Problem. Das Problem ist, wenn Kritik grundlos persönlich, verletzend und respektlos wird. Die Gesprächskultur im Netz erinnert da manchmal an jene im Straßenverkehr: Manche Orte scheinen Grauzonen zu sein. Andrea Heinz thema: feministische medien Ich dachte ehrlich nie, dass es mich als Journalistin irgendwann zum Fernsehen verschlagen würde. Nicht, nachdem meine ersten Erfahrungen in diesem Bereich mich fast dazu gebracht haben, auf den Journalismus zu pfeifen und Deutsch- und Geschichtelehrerin zu werden. Diese zwei Monate Praktikum im tiefsten Niederösterreich haben gerade als Feministin viel von mir gefordert, denn ich wurde dort weder als Frau noch als Journalistin ernst genommen. Nicht nur einmal ist es mir passiert, dass männliche Kollegen bei Redaktionskonferenzen mit Themen beim Chefredakteur ankamen, von denen es noch am Vortag mir gegenüber geheißen hatte, dass sie kompletter Blödsinn wären. Am Anfang habe ich mir das noch gefallen lassen, aber als ich dann aufgestanden bin und genau das kritisiert habe, wurden sie vorsichtiger. Was aber nicht bedeutete, dass ich fortan mit Respekt behandelt wurde, denn ich hatte mir vielleicht als Journalistin einen Funken Achtung eingefahren, aber das Hauptmanko, dass ich kein Mann war, blieb. Denn eigentlich wurde man dort nur ernst genommen, wenn man den ganzen Tag die Hand in der Hose hatte (und nein, ich meine das nicht metaphorisch!). Unvergesslich: Der stellvertretende Chefredakteur, der es keine Minute ohne Kontrolle aushielt, ob eh noch alles am richtigen Platz ist … Seit Jänner diesen Jahres habe ich gelernt, dass es auch ohne Hand in der Hose geht. Ich arbeite in einer TV-Produktionsfirma, in der meine Ideen und vor allem ich als weibliche Person, ernst genommen werden. In dieser Firma arbeiten zu 90 Prozent Frauen, und das schlägt sich deutlich nieder. Der Umgang ist respektvoll, und auch wenn ich dort noch nicht jeden Vorschlag, der mir als Feministin am Herz liegt, durchsetzen kann, habe ich das Gefühl, nicht gegen Betonwände zu rennen. Aufgrund der Zielgruppe der Sendung (60 plus) bekomme ich zwar öfter zu hören, dass unser Publikum für manche Inhalte noch nicht reif sei, aber ich werde ermutigt, weiter in diese Richtung zu denken und Schritt für Schritt daran zu arbeiten, dessen Weltbild zu erweitern. Auch wenn ich manchmal ungeduldig werde: Eigentlich eine schöne Aufgabe! Silke Pixner Das Medienmachen habe ich in den 1990er Jahren in einer linken gemischten Basisgruppe an der Uni Wien begonnen. Obwohl wir alle unheimlich (selbst-)kritisch und kompromisslos (pro-)feministisch waren, fiel uns erst nach und nach auf, dass es in der Zeitschrift gewisse Schräglagen gab: Die Männer beanspruchten schlicht bedeutend mehr Platz als die Frauen. Hatten sie mehr und Wichtigeres zu sagen, oder woher kam dieses übermäßige Selbstvertrauen, das sie Seite für Seite mit ihren Erkenntnissen füllen ließ? Zu dieser Zeit fand ich auf einem Flohmarkt ein kleines Buch von 1981: „Das höchste Glück auf Erden. Frauen in linken Organisationen“, herausgegeben von Ulla Jelpke. Nach der Lektüre kam ich mir vor, als wäre ich in einem Hamsterrad der Geschichte gefangen – genauso wie die vielen Feministinnen vor mir, die sich mit dem Chauvinismus linker Männer herumgeschlagen hatten, und wohl auch wie die nach mir, denn es schien, als hätten sich bestenfalls Nuancen, nicht aber das grundlegende Problem geändert. Wenn die Frauen der Gruppe die feministischen Themen nicht immer wieder hineintragen, bleiben sie draußen, auch wenn das Mäntelchen „Profeminismus“ von linken Männern noch so gern getragen wird – allerdings nur solange es kein Karrierehindernis darstellt. „Hurra, wir haben einen neuen Hauptwiderspruch“, titelten wir Redaktionsfrauen dann schließlich am Höhepunkt der Streitereien, um darauf hinzuweisen, dass es in der Linken immer neue Gründe gibt, um den Kampf gegen Sexismus hintanzustellen. Meine erste Arbeitsstelle als Redakteurin und Journalistin bekam ich danach bei einer linken Wochenzeitung. Auch hier die bekannte Schieflage: Die Frauen waren für die „Frauenthemen“ zuständig, nicht nur als Autorinnen. Auch wir Redakteurinnen mussten uns entscheiden, entweder ständig eine feministische Perspektive bei den Sitzungen einzubringen oder damit zu leben, dass sie nicht berücksichtigt werden würde. Einmal jährlich gab’s dann die 8.-März-Ausgabe. Löblich, dennoch musste durchgesetzt werden, dass diese Ausgabe für die Redakteure nicht zusätzliche Freizeit und für die Redakteurinnen Überstunden bedeutete. Feministische Überstunden aber sind in gemischten linken Medien garantiert. Hoffentlich nicht lebenslänglich. Sylvia Köchl Juni 2011 an.schläge l 25 zeitausgleich arbeitsfragen in allen lebenslagen rektorinnen Von null auf 19 Prozent Da waren es schon – vier! Gab es noch vor einem Jahr keine einzige Frau an der Spitze einer österreichischen Universität, so wird ab Herbst der Anteil von Rektorinnen bei 19 Prozent liegen. Dann übernehmen nämlich drei Frauen Rektorate: Eva Blimlinger an der Akademie der bildenden Künste (Wien), Sabine Seidler an der Technischen Universität Wien (siehe auch Interview auf S. 30) und Christa Neuper an der Universität Graz. Sonja Hammerschmid, Rektorin an der Veterinärmedizinischen Universität Wien, amtiert bereits seit Herbst 2010. Anlässlich Seidlers Bestellung betonte Judith Schwentner, Frauensprecherin der Grünen, dass es die Universität Wien seit ihrer Gründung vor 646 Jahren noch immer nicht geschafft hat, eine Frau an die Spitze zu wählen. Und außer der Uni Wien gäbe es dann noch weitere 16 Unis, an denen die Gläserne Decke endlich durchbrochen werden muss! be www.diestandard.at, www.derstandard.at Text: Bärbel Mende-Danneberg, Illustration: Nadine Kappacher Alt und schiarch salzburg Frauenheilkunde in Männerhand So ein schönes Licht! So ein laues Lüftchen! Da sitze ich nun in der Frühlingssonne und starre vor mich hin. Erstarre. Ich passe nicht in die liebliche Landschaft. Der Bauch zu dick. Der Busen zu klein. Das Gesicht zu faltig. Die Haare zu grau. Frühling heißt Jugend. Zukunft. Hoffnung. Ich bin ein Auslaufmodell. Also kein Model, kein graziles Schilfrohr, das sich anmutig im Wind wiegt und bewundernde Blicke auf sich zieht. Ich bin eine Herbstzeitlose, die weiß, dass der Winter kommen wird. Was haben alte Frauen mit ihren eingekerbten Lebensspuren im Gesicht und am Körper auch schon im Frühling verloren! Sie stören das Bild makelloser Unversehrtheit und erinnern unerbittlich an die graue Zukunft. Wir sind enttäuscht, wenn die Schönwetter-Prognose dann doch nicht stimmt und die versprochene Zusatzpension am Finanzmarkt verspekuliert wurde. Sagen Wirtschaftsforscher einen Aufschwung voraus und die Aktien steigen so schnell wie Belastungspakete und Armut, fühlen wir uns um unsere Zukunft betrogen. Wer will schon wissen, wie schiarch das alles ist, was da kommt an Hunger, Umweltkatastrophen, Untergangsszenarien, Elend und Krankheit. Mit unseren Zukunftsvisionen schauen wir ziemlich alt aus. Alte Frauen sind die Faust aufs Auge für jeden Wellness-Manager und der Stoff, aus dem sich die Honorarnoten der Schönheitschirurgen zusammensetzen. Auf Messers Schneide: Fett weg, Falten weg, Busen fester, Haare blonder, Lippen größer, Hirn und Bankkonto kleiner. Auf Messers Schneide das Morgen: Menschen aus Fleisch und Blut, Dicke, Dünne, Schwarze, Kranke, Alte, Schiarche passen schon nicht mehr dort hinein. Die Krankenkassen basteln bereits daran, dass nur mehr genormte Einheitsmenschen versicherungswürdig sind. Doch dann: Frühling! Heraus zum 1. Mai, hinein in die Walpurgisnacht! Dicke, Dünne, Alte, Junge erkennen sich und die Welt, in der sie leben wollen. Schwingen Fahne und Doppelaxt, singen, tanzen und zeigen dem Zeitgeist den Stinkefinger. Und ich bin verliebt. Mit 68! Die besten Qualifikationen mitzubringen reicht in Österreich anscheinend nicht aus, um als Frau in eine Führungsposition aufzusteigen. Dies beweist einmal mehr das Chaos um die Neubesetzung des Gynäkologie-Primariats am Landeskrankenhaus Salzburg. Sara Yvonne Brucker, Expertin für endoskopische Gynäkologie und Dozentin am Universitätsklinikum, wurde von einer Kommission mittels Auswahlverfahrens an die erste Stelle für die Nachfolge gereiht. Doch: „Die Berufungsgespräche wurden von massiven Interventionen überschattet“, so die Klinikleitung in einer Aussendung. Die 36-Jährige sei zu unerfahren, so sinngemäß Peter Husslein, Vorstand der Wiener Uniklinik für Frauenheilkunde. In anderen Stellungnahmen wiederum wurde der Verdacht geäußert, sie sei aufgrund ihres Geschlechts bevorzugt worden. Brucker wurden die Vorwürfe zu bunt, sie nahm nun eine Professur in Tübingen an. Bereits im Vorjahr gelangte die österreichische Gynäkologie in die Schlagzeilen, da es in manchen Bundesländern kaum Gynäkologinnen mit Kassenverträgen gibt. Die Frauenheilkunde ist also weiterhin fest in Männerhand. atina Bärbel Mende-Danneberg, Journalistin und Autorin, nicht fett und schiarch, aber mit 68 schon in die Jahre gekommen. 26 l an.schläge Juni 2011 www.diestandard.at, www.derstandard.at, www.diepresse.at studien Unbezahlte Arbeit bleibt weiblich Noch immer übernehmen Frauen den Großteil an unbezahlter Arbeit, dies zeigen aktuelle Berichte der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE). Alle zwei Jahre veröffentlicht die OECD einen Überblick bestimmter Sozialindikatoren ihrer Mitgliedsländer, diesmal gibt es ein eigenes Sonderkapitel zu unbezahlter Arbeit. Diese wird, wenig überraschend, meistens von Frauen geleistet, wobei nationale Unterschiede auffallen. Im OECD-Schnitt verrichten Frauen täglich 2,5 Stunden mehr unbezahlte Arbeit als Männer. Besonders hoch ist diese Differenz in Indien, Mexiko und der Türkei (4 bis 5 Stunden), am niedrigsten in Nordeuropa (1 Stunde), was laut OECD am jeweiligen Vollbeschäftigungsgrad der Geschlechter liegt: Ist in einem Land die Vollbeschäftigung von Frauen hoch, so leisten Männer eher ihren Anteil an unbezahlten Arbeiten. Allerdings kommt es auch auf die Art der Tätigkeit an: Kochen, Spülen und Kinderbetreuung werden durchschnittlich doppelt so oft von Frauen übernommen, an.riss arbeit wissenschaft Putzen dreimal so häufig. Einzig bei „Umbau & Reparatur“ führen die Männer. Laut EIGE-Bericht kümmern sich in den meisten Mitgliedstaaten der EU vorwiegend Frauen um Kinder und Senior_innen und reduzieren dafür öfter als Männer ihre (bezahlte) Arbeitszeit. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, gibt es allerdings auch mehr Geschlechtergerechtigkeit in Sachen Kindererziehung – Karenzmodelle für beide Elternteile wie in Schweden, Dänemark und Finnland tragen dazu bei, wie EIGE feststellt. be besser bezahlt, doch auch dort kann der Gender Wage Gap nachgewiesen werden. Auch der ethnische Hintergrund spielt eine Rolle: Hispanische Frauen haben insgesamt die niedrigsten Einkommen, Asiatinnen die höchsten. Verglichen wurden jeweils Vollzeitbeschäftigte. Der Fact Sheet kann auf der Homepage des IWPR heruntergeladen werden. be www.iwpr.org www.diestandard.at, www.oecd.org, www.eige.europa.eu pille Neue Studien zu „Yasmin“ Zwei medizinische Studien aus Großbritannien und den USA weisen auf ein erhöhtes Risiko von Blutgerinnseln bei der Einnahme des hormonellen Verhütungsmittels „Yasmin/YAZ“ aus dem Hause Bayer hin. Demnach sei das Risiko eines Gerinnsels beim Wirkstoff Drospirenon, einem künstlichen Gestagen-Hormon, im Vergleich zu älteren Substanzen bis zu dreimal höher, insgesamt aber dennoch als gering einzustufen. Bayer, dessen Umsätze seit einigen Todesfällen von jungen Frauen, die mit der Einnahme der 2000 eingeführten Pille in Verbindung stehen könnten, stark eingebrochen sind, zweifelt die Methodik der Studien an. In den USA liegen mehrere tausend Klagen gegen den Konzern sowie gegen Merck (wegen des Verhütungsrings „NuvaRing“) vor. Die Studien zu Drospirenon aus den vergangenen Jahren zeigten widersprüchliche Ergebnisse. So soll die neueste Generation der hormonellen Verhütung zu weniger Gewichtszunahme führen als die traditionellen Wirkstoffe und geringere Hormondosen enthalten. Allerdings stehen sie in der Kritik, als harmlose LifestyleMedikamente ohne Risiken vermarktet zu werden (siehe auch an.schläge Juli/ August 2010). fis www.derstandard.at, www.welt.de gender wage gap Her mit den Fakten! Ja, Frauen verdienen durchschnittlich weniger als Männer. Nein, das hat nichts mit verzerrten Statistiken zu tun. Und ja, selbst innerhalb einer bestimmten Berufsgruppe schneiden Frauen schlechter ab. Ein kurzer, informativer Fact Sheet wurde nun vom „Institute for Women’s Policy Research“ (IWPR) veröffentlicht. Tatsache ist: In den USA fallen die mittleren Einkommen von Frauen fast immer geringer aus als die von Männern. Dabei ist es egal, ob dies eine Berufsgruppe betrifft, die großteils von Frauen ausgeübt wird (z.B. Sekretär_innen, Lehrer_innen), und auch egal, ob es um die Top 10 der für Frauen bestbezahlten Berufe geht (z.B. Ärzt_innen, Anwält_innen) – Frauen haben immer das finanzielle Nachsehen. Berufe, die vorwiegend von Männern ausgeübt werden, sind zwar Auch in Deutschland gibt es einen Girls Day. Foto: www.girls-day.de berufswahl „Heute Tochter, morgen Chefin!“ Am 28. April fand der 10. Wiener Töchtertag statt, der Mädchen unter dem Motto „Heute Tochter, morgen Chefin!“ neue Berufsperspektiven eröffnen soll. Organisiert von der Frauenabteilung der Stadt Wien und mit Beteiligung von 170 Wiener Betrieben (zum Töchtertag bei den an.schlägen siehe Editorial) haben heuer rund 3.000 Mädchen zwischen elf und 16 Jahren teilgenommen. Seit 2002, als der erste Töchtertag mit damals 200 teilnehmenden Mädchen stattgefunden hat, haben sich einige Trends bereits positiv verändert. Die Zahl jener Mädchen, die einen „klassischen“ und schlecht bezahlten Lehrberuf wie Friseurin, Verkäuferin oder Einzelhandelskauffrau wählen, hat sich während dieses Zeitraums in Wien immerhin von 58 auf 48 Prozent verringert. Im Ranking der beliebtesten Lehrberufe legten technische Berufe zu, und auch der Anteil weiblicher Studierender an der TU Wien ist gestiegen. Die Frauenabteilung hat zudem erhoben, dass viele Töchtertag-Teilnehmerinnen inzwischen tatsächlich handwerkliche oder technische Ausbildungen begonnen oder bereits beendet haben, was auch daran liegt, dass sich die Einstellungspolitik der beteiligten Betriebe ebenfalls verändert hat. Im Juni erscheint ein Jubiläumsbuch zur bisherigen Geschichte des Wiener Töchtertags. sylk www.toechtertag.at Calls Frauensommeruniversität (Linz), kurzes Abstract bis 15.6., [email protected], www.frauenuni.net „From Cyborg to Facebook: Technological dreams and feminist critiques“ (Brüssel), Abstract bis 15.6., [email protected], www.sophia.be/index.php/nl/announcements/view/1398 „Geschlechterverhältnisse in autoritären Regimen“: Femina Politica. Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft, Abstract bis 30.6., [email protected], [email protected], www.femina-politica.de/pdf/CFP_1_2012.pdf „Hard Science? Sex, Science and Technology“, 5th Annual Brighton and Sussex Sexualities Network Conference (Brighton), Proposal bis 20.7., [email protected], www.it.bton.ac.uk/bssn/conf2011/ Juni 2011 an.schläge l 27 geburtshilfe & groschenromane Mit dem Notebook zur Geburt Ursula Walch ist Hebamme. Aber das ist nur ihr Brotberuf. Denn auch wenn sie diesen Job gerne macht, ist ihre wahre Leidenschaft das Schreiben von erotischen Romanen. Silke Pixner hat mit ihr über den emanzipatorischen Charakter ihrer Arbeit gesprochen. Ursula Walch kann überall und immer schreiben. Auch wenn sie gerade eine Geburt betreut, nutzt sie jede freie Sekunde, um auf ihrem Notebook weiter an ihren erotischen Romanen zu arbeiten. Die auf Wasser- und Hausgeburten spezialisierte Hebamme hat aber nicht nur eine blühende Phantasie, sie hat auch selbst schon so einiges erlebt, das Stoff für einen Roman bieten würde. Die Mutter von vier Kindern lebte von 1994 bis 2005 auf Teneriffa, wo sie nicht nur als Geburtshelferin Karriere machte, sondern auch ihre Leidenschaft fürs Schreiben entdeckte. 2005 kam Ursula Walch nach Österreich zurück, um als Teamleiterin den Lehrplan des Studienganges Hebamme an der FH Graz zu erarbeiten. Außerdem referiert sie zum Thema Geburtshilfe auf internationalen Kongressen und engagiert sich bei humanitären Projekten unter anderem in der Westsahara, wo sie in Flüchtlingslagern Hebammen-Trainings gibt. an.schläge: Sie arbeiten als Hebamme und Veröffentlichungen von Ursula Walch: 2004 erschien „Das Schwert des Sarazenen“, 2005 „Das Amulett des Sarazenen“, div. Artikel in Fachzeitschriften, ab 2007 drei erotische Romane unter dem Pseudonym Tanja Albers: „Unter dem Jademond“, „Die Mondperle“, „Die Lotusblume“; erotische Kurzgeschichten im deutschitalienischen Kulturmagazin „living culture“; zwei Bücher in Arbeit: „Zwölf Geburten“ und „Tagomago“. 28 l an.schläge Juni 2011 sind gleichzeitig Autorin erotischer Bücher. Zwei Tätigkeiten, die auf den ersten Blick nicht hundertprozentig zusammenpassen. Wie sind Sie zum Schreiben gekommen? Ursula Walch: In meinen langen Nachtdiensten im Insel-Krankenhaus von La Palma und den dort permanent laufenden „Novelas Rosas“ musste ich mir etwas überlegen, um nicht ganz zu verdummen. Ich dachte an eine Dissertation zum Thema: „Linguistische Phänomene auf La Palma“. Daraus wurden 1.200, zunächst handgeschriebene, Seiten eines historischen Romans, der auch schon ziemlich erotisch war. Warum ausgerechnet erotische Romane? Es macht mir einfach großen Spaß, und ich provoziere ganz gerne. Man kann außerdem herrlich alle möglichen Themen hineinpacken: Kulturelles, Reisebeschreibungen, Gesellschaftspolitisches und -kritisches, Sitten, Komik etc. Inwiefern schreiben Sie Ihren Büchern emanzipatorisches Potenzial zu? Sind Ihre Bücher feministische Literatur? Mein neuestes Buch mit dem Arbeitstitel „Zwölf Geburten“ ist ein doku-biografisches Werk über außergewöhnliche Hausgeburten und zeigt eine emanzipierte Hebamme und Kämpferin für die mindestens sechs Sexszenen zu mindestens sechs Seiten detailliertest zu beschreiben, dazwischen noch erotisches Geplänkel. In Ihren Sexszenen sind die Frauen teilweise sehr unterwürfig. Werden z.B. oft „genommen“ etc. Welche Rollen haben die Frauen in Ihren Büchern, also speziell bei den Sexszenen? Emanzipierte Frauen lösen bei den Männern Angst aus. Ich habe das immer wieder selbst festgestellt. Es ist schwer, adäquate Partner zu finden. Ich glaube einfach, dass die meisten Frauen da mitspielen und sich unterwürfiger geben, Ich habe mit der Bezeichnung Trivialliteratur kein Problem, denke aber, dass ich den Spagat zwischen niveauvoller Literatur und Trivialliteratur geschafft habe, und mich – zumindest stilmäßig – nie unter der Gürtellinie bewege. Frauen. Meine historischen Romane zeigen eine Heldin, die für die damalige Zeit emanzipiert war – innerhalb ihrer Möglichkeiten. Ich kämpfe für Frauenrechte, speziell was die Selbstbestimmung der Frau bei Schwangerschaft und Geburt angeht. Meine erotischen Bücher hingegen waren Auftragsarbeiten, die haben kaum emanzipatorisches Potenzial. Die Exposés waren vom Verlag vorgegeben. Welche Vorgaben waren das? Das wird ganz explizit festgelegt. Bei diesen drei Büchern war die Vorgabe, als sie sind. Eine wirklich emanzipierte Frau muss nicht auch noch darüber lesen, sondern mag vielleicht gerade das gegenteilige Klischee. Das kann für die Phantasie sehr anregend sein. Und ein Spiel. In der Realität sollen sie aber die Rolle übernehmen, die ihnen Spaß macht. Ich sehe Sex als Spiel, das aufhört, wenn es keinen Spaß mehr macht. Bücher mit explizit erotischen Szenen werden schnell als Trivialliteratur eingestuft. Wie würden Sie selbst Ihre eigenen Bücher einordnen? Ich habe mit der Bezeichnung Trivi- leben mit kindern alliteratur kein Problem, denke aber, dass ich den Spagat zwischen niveauvoller Literatur und Trivialliteratur geschafft habe und mich – zumindest stilmäßig – nie unter der Gürtellinie bewege. Schreiben Sie für eine spezielle Zielgruppe? Nein. Wer nur eine Wichsvorlage sucht, wird die Bücher ohnehin nicht kaufen. Ich will niveauvoll die Fantasie anregen und bewirken, dass die LeserInnen mehr Spaß am Sex haben – ein frommer Wunsch, denn 70 Prozent der Frauen haben keinen Orgasmus beim Sex mit ihren Partnern! Aber der Orgasmus ist nicht sein Job! Können Sie Ihre eigenen Bücher genussvoll lesen? Ja, sehr, da kommt manch lustvolle Erinnerung hoch. Was sagt Ihre Familie, Ihr Freundeskreis zu Ihrer Tätigkeit als Autorin? Waren die Reaktionen von Anfang an positiv? Nein, vor allem meine Kinder hatten und haben ein Problem damit. Auch ein Grund, warum ich die Bücher unter Pseudonym publiziert habe, obwohl mir das im Nachhinein leidtut. Ich stehe voll zu dem, was ich schreibe. Wenn Sie sich entscheiden müssten zwischen Ihrem Job als Hebamme und Ihrem Job als Autorin, welcher liegt Ihnen mehr am Herzen? Könnte ich vom Schreiben leben, würde ich ohne zu zögern hier den Schwerpunkt setzen. Ich habe ungemein viel Phantasie und Lust, alles zu Papier zu bringen, aber nicht die Zeit, denn die wunderbare Aufgabe einer HausgeburtsHebamme wird durch die mittelalterlichen Inquisitionsmethoden des geburtshilflichen Establishments ad absurdum geführt. Wie verbinden Sie Ihre beiden Berufe miteinander? Ich habe mein Notebook bei jeder Geburt mit, und wenn es die Umstände erlauben, ziehe ich mich zurück und schreibe. Das mag auf den ersten Blick vielleicht egoistisch klingen, hat aber einen nicht zu unterschätzenden Vorteil: Ich habe immer viel Zeit für jede Geburt, denn es macht mir nichts aus, die Nacht „durchzuschreiben“. Und Geduld ist – neben dem wachsamen Auge – das oberste Gebot einer guten Geburtshelferin. Haben Hebammen einen offeneren Zugang zur Sexualität? Ich denke schon. Dadurch, dass wir so nahe dran sind, bilden wir bei der Geburt genügend eigenes Oxytozin, das Liebeshormon, das uns Hebammen den aufregendsten Sex beschert, wenn wir nach Hause kommen. Sie haben Ihre jüngste Tochter fast ganz alleine in einem Pool in La Palma geboren. Ein emanzipatorischer Akt? Es war ein natürlicher, nicht ein emanzipatorischer Akt – back to the roots. Alle meine Geburten waren selbstbestimmte Geburten, doch ich musste niemandem etwas beweisen – das würde ich unter einem emanzipatorischen Akt in diesem Zusammenhang verstehen. Was wollen Sie den Frauen mitgeben, deren Schwangerschaft und Geburt Sie begleiten? Inwiefern ist ihre Tätigkeit als Hebamme auch eine feministische? Ich will den Frauen vermitteln, dass sie selbst für alles verantwortlich sind, auch für die Fremdbestimmung, wenn sie eine solche zulassen. Und dass eine selbstbestimmte Geburt das Erfüllendste ist, was wir Frauen in der heutigen Zeit erleben können. Ich stärke die Frauen durch meine Arbeit in ihrem Selbstbewusstsein. l heim spiel Alice Ludvig „Dein Kind braucht einen Vater“ Die Alleinerzieherin wird im Allgemeinen mit einer prekären, mangelhaften und irgendwie unvollständigen Situation assoziiert. Besonders wenn die Kinder noch sehr jung sind, kommt dann noch die Vermutung einer schlimmen Trennungsgeschichte mit schrecklichen Folgen für die (bemitleidenswerten) Übriggebliebenen hinzu. Mittlerweile kenne ich einige Frauen, die wie ich solch einer „gescheiterter Familie“ angehören. Und – oh Wunder! – wir leben alle die unterschiedlichsten Lebensformen und Patchwork-Situationen mit sehr unterschiedlichen Betreuungsformen und zusätzlich noch den unterschiedlichsten Time-Sharing-Modellen zu den Ex-Partnern. Ein Unterschied zu „traditionellen“ Familienmodellen ist vielleicht, dass wir im Durchschnitt früher und mit viel mehr Stunden berufstätig sind und uns vielleicht auch öfter in der Öffentlichkeit blicken lassen; zumindest wenn die Kinder beim Vater und, wie in meinem Fall, bei den Großeltern sind. Einen Satz haben wir alle schon mindestens einmal gehört: „Dein Kind braucht einen Vater.“ Der Satz verunsichert mich und versaut mir die Stimmung. Der Satz wirkt als psychologisierende Populärmeinung, die ich kaum widerlegen kann. Vielleicht stimmt er ja. Bei mir hat er jedenfalls Nachhall. Vielleicht meinen seine SagerInnen den „sozialen“ Vater, aber ab wann sind der Onkel, der Großvater oder der alte Schulfreund genug sozialer Vater? Das können anscheinend nur die Populärmeinungen bestimmen, und damit bin ich in der Defensive. Wahrscheinlich wird mein Sohn diesen Satz über seinen (persönlichen) Mangelzustand bald auch zu hören bekommen. Dann werde ich erklären, dass sein Vater ein Freund von mir ist, der in Brasilien lebt und von dem ich gar nicht will, dass er hier mit uns lebt. Vielleicht fahren wir ihn auch mal besuchen, die „Stimmen“ wird es jedenfalls nicht beruhigen. Wir selbst können unser Leben nur so leben, wie es für uns passt und uns gefällt. Basta. Ich übe mich weiterhin in dieser Einstellung. Und sobald ich dazu hundertprozentig stehen kann, wird sich wohl auch mein kleiner Sohn nicht verunsichern lassen. Alice Ludvig ist Alleinerzieherin eines mittlerweile 21 Monate alten Sohnes namens Benedict. Die beiden leben in Wien. Juni 2011 an.schläge l 29 technische universität „Es herrscht Aufbruchstimmung“ Mit Sabine Seidler übernimmt ab Herbst eine Frau das Rektorat der Technischen Universität Wien. Für sie ein ganz logischer Karriereschritt, wie sie Irmi Wutscher erzählte. So viel sich bei der Gleichstellung von Frauen in den letzten Jahren getan hat, bei der Berufswahl verhalten sich Mädchen (aber auch Jungen) immer noch sehr gendertypisch. Das gilt auch für die Universitäten: Hier wählen Frauen eher geisteswissenschaftliche, Männer eher technische Studienrichtungen. So sind drei Viertel der Studierenden an der Technischen Universität Wien männlich, unter den Lehrenden beträgt der Männeranteil sogar 92 Prozent. Eine Frau, die es als Technikerin an die Spitze geschafft hat, ist Sabine Seidler, die ab Herbst das Rektorat der TU Wien übernehmen wird. Die WerkstoffTechnikerin aus Deutschland hatte ab 1996 als erste Frau eine ordentliche Professur an der TU, seit 2007 war sie Vizerektorin für Forschung. an.schläge: Seit Anfang März stehen Sie als zukünftige TU-Rektorin fest. Ich habe mir die Artikel und Postings dazu durchgelesen, überall fand ich den Aufschrei: „Eine Quotenfrau!“ Warum kommt immer dieser Vorwurf, und wie begegnen Sie ihm? Sabine Seidler: Die Bezeichnung „Quotenfrau“ ist für mich eine Diskriminierung von Frauen, die durch Leistungen Positionen erlangen, die möglicherweise für den einen oder anderen ungewöhnlich sind. Insgesamt finde ich es schade, dass man sich als Frau ständig mit dem Thema Quote auseinandersetzen muss. Ich würde mir wünschen, dass wir, genau wie Männer, die in Spitzenpositionen gelangen, ausschließlich nach unseren Qualifikationen beurteilt werden. Als eine Art Pionierin an der TU: Gab es besondere Hindernisse, die Sie zu überwinden hatten? Ich habe mich selber nie als Pionierin gesehen. Dass es Hindernisse gibt, habe ich erst in den letzten Wochen gelernt. Vorher ist mir das nie bewusst gewesen, 30 l an.schläge Juni 2011 Foto: TU Wien und ich hätte Ihnen vor sechs Monaten noch Stein und Bein geschworen, auf der TU gibt es so etwas nicht, auf der TU haben wir einen rationalen Zugang zum Thema Frauen. Ich habe wirklich erst in den letzten Wochen gelernt, dass diesen rationalen Zugang offensichtlich doch nicht alle haben. Es sind Argumentationen gekommen über eine Rektorin in den Gremien wie der Rektorenkonferenz zum Beispiel, ob es gelingen wird, dass man sich als Frau überhaupt durchsetzen kann. Solche Dinge. An der Uni gibt es ja eine verpflichtende Frauenquote im Gegensatz zur Privatwirtschaft. Eine Kollegin von Women in Technology (WIT) sagte in einem Interview, eine Frauenförderung ohne Struktureinbindung verstärke wieder Geschlechterstereotypen, da sie Frauen als förderbedürftig darstellt. Was ist Ihre Meinung dazu? Ich habe ein Problem damit, weil die gesamte Thematik Frauenförderung letztendlich impliziert, dass Frauen Defizite haben. Eigentlich müsste das Umfeld gefördert werden, wir Frauen haben keine Defizite! Die Quote an sich ist ein politisches Instrument, von dem ich nicht sehr viel halte, von dem ich aber durchaus weiß, dass es eine beschleunigende Wirkung haben kann. Schon alleine deshalb, weil man sich über die Quote mit dieser Thematik auseinandersetzt. Die Diskussion ist bei uns eine sehr intensive. Der Frauen- anteil auf der TU ist deutlich unterhalb dessen, was die Quote von uns verlangt. Jede Besetzung einer Kommission ist letztendlich auch eine Auseinandersetzung mit der Tatsache: Es sind nicht genügend Frauen da. Und darüber nachzudenken und sich Wege zu überlegen, wie man diese Situation ändern kann, ist natürlich schon wichtig, damit sich überhaupt etwas ändert. Sie sind die erste Rektorin einer technischen Universität in Österreich. Wird sich an der TU mit Ihrer Rektorinnenschaft etwas ändern? Na das hoffe ich doch (lacht). Es wird sicher so bleiben, dass die TU Wien sich als Forschungsinstitution versteht. Ich bin eine andere Persönlichkeit als der jetzige Rektor, und ich gehe davon aus, dass das sehr wohl auch Änderungen in der Kommunikation usw. bewirken wird. Jeder, der das Haus ein bisschen kennt, bemerkt zurzeit eine Form von Aufbruchstimmung, die fantastisch ist. Die Erwartungshaltung ist immens groß, und ich hoffe, dass ich sie zumindest in Ansätzen erfüllen kann! l urlaub Kemping Bei Irene und José auf dem lesbischen Campingplatz in Südungarn ist es schön. Eine Urlaubsempfehlung von Jenny Unger Im Sommer des letzten Jahres bin ich das erste Mal rausgeflogen. Und wo bin ich hingeflogen? Nirgends natürlich. Denn das Fliegen ist schlecht und mit Hündchen geht es gar nicht. Wandern hingegen geht immer. Zelt, Schlafsack, Isomatte, Wasserflasche, Hundefutter. Aber wohin? Google und die Stichwörter „frauen campen ungarn“ ergeben: „Viele Frauen und Girls aus Ungarn suchen einen Lebenspartner. Wie finde ich ein Girl aus Ungarn?“ Das ist wohl nicht das Richtige. Noch mal. „lesben ungarn camping“. Und nein, oh, wirklich: Konnys Lesbenseiten gibt es noch. Die gute alte Konny hat mich schon durch mein Coming-out gebracht und jetzt das: „Campingplatz für Schwule und Lesben: Dieser Campingplatz für Schwule und Lesben wird von einem deutsch-holländischen Lesbenpaar betrieben. www.campingazurlepke.hu.“ Nix wie hin, oder? Ja, aber erst noch ein wenig rumschüchtern. Nicht anrufen wollen und sich nicht fragen trauen, ob es Platz gibt, weil das Ungarisch nicht mehr gut genug ist. Die Exfreundin ansudern, dass sie anrufen soll. Die macht das und dann: nix wie hin. Himmelblauer Schmetterling. www.campingazurlepke.hu. „hu“ steht für Ungarn. Camping für camping, obwohl auf Ungarisch eher kemping richtig wäre. Azur bedeutet azur (die Farbe!) und lepke ist der Schmetterling. Was soll ich mir unter einem himmelblauen Schmetterling vorstellen? Nichts erstmal. Am Telefon (ich trau mich dann doch noch) wird ausgemacht, dass ich in Barcs abgeholt werde. Das ist in Südungarn, gleich an der kroatischen Grenze. Fünf Zugstunden von Wien. Ohne umsteigen. Der ÖBB-Mann kennt den Ort nicht. Ich komme trotzdem in Barcs an, um von einem Landrover und zwei Frauen abgeholt zu werden. Wir erkennen uns sofort. Karohemden hier und da. Der Haarschnitt. Ein gute halbe Stunde Fahrtzeit nach Görgeteg. Da ist der Campingplatz. Schön. Ich hab das Zelt dabei, aber das Gäst_innenzimmer ist im Moment frei, und ich hab nichts gegen ein Bett, und der Hund freut sich auch über das Unter-dem-Bett sein. Weiß der Teufel, warum. Ich mag den Ort („ursprünglich“ sagen sie). Ich mag das Haus (quadratisch ungarisch). Ich mag den Platz (natürlich, überschaubar, grasig). Ich mag Irene und José. Die Deutsche und die Niederländerin. Die sich das schwierige Ungarn ausgesucht haben für ihr Aussteigen. In dieser Woche ist nicht viel los bei ihnen. Sie haben Zeit, sich rührend um mich zu kümmern und laden mich am ersten Abend ins Dorfgasthaus ein. Am nächsten Tag ziehe ich meine Wanderschuhe an und streune durch die Gegend: sandiger Boden, lustige Pflanzen, Schildkröten mitten auf dem Weg. Der Hund bellt. Kennt er nicht. Viel Wasser und Sumpf. Ich spaziere im sandigen Bachbett. Ich pflücke mein Unterwegsessen von Bäumen. Und als ich aus dem Wald rauskomme, bekommen der Hund und ich Wasser und Brot von Kindern. Vor einem Haus. Honnan jössz? Woher kommst du? Az erdöböl. Aus dem Wald. Wirklich? Nein. Ich komme aus Österreich. Wir sind … (es folgen sieben, acht Namen) … cigányok vagyunk. Wo ist deine Familie? Ich bin allein. Wie schön. Allein bin ich hier zwar. Aber Irene und José spielen Familie für mich. Ich bin ihnen zu lange unterwegs. Sie machen sich verhalten Sorgen und freuen sich, dass ich am Abend wieder da bin. Sie spendieren mir ein Eis auf der Wiese hinter dem Haus. Und dann ziehen sie sich zurück. Sehen, dass ich allein sein will und dass ich müde bin. Am nächsten Morgen frühstücken sie mit mir. Erzählen, wie sie hierher gekommen sind. Wie es ist, die Stadt zu verlassen. Wie es ist, ohne Szene zu leben. Wie es ist, in Ungarn zu sein. Wie es ist, einen lesbischen Campingplatz zu haben. Wie schön es ist, und wie schön sie ihr Leben hier finden. Schön finde ich es auch. Überhaupt dann, wenn ich sehe, wie die eine die andere anstupst und „ein bisschen arrangieren“ sagt und damit meint, dass die Butter für mich ausgepackt werden soll und der Käse doch auch geschnitten auf den Tisch kommen kann. Dabei ist mir das doch egal. Ich freu mich, hier zu sein. Und jetzt kommt der nächste Sommer und ich freu mich, bald wieder dort zu sein. l Jenny Unger hat einen Hund namens Rakete und schläft gerne im Zelt. Juni 2011 an.schläge l 31 an.riss kultur ausstellung Ergründung inklusive Wie formieren sich Richtlinien? Wer befolgt sie und warum? Wer schreibt sie fest? Mit „My Life, My Rules“, einer Installation aus Affichen, Zeichnungen, Malereien und anderen Medien, präsentieren die beiden Künstler_ innen Iris Andraschek und Hubert Lobnig ihre Antworten auf diese Fragen nach tradierten oder neuen sozialen Übereinkünften. Ort dieser künstlerischen Gemeinschaftsarbeit ist der Kunstraum Weikendorf – ein zur Ausstellungshalle umgestaltetes altes Zeughaus der Gemeinde. Dank der gläsernen Seitenfassade des Gebäudes sind die wechselnden künstlerischen Interventionen durchgehend öffentlich sichtbar. Das Angebot sonntäglicher Begehungen von 15 bis 17.00 Uhr bietet Interessierten nun zusätzlich die Möglichkeit, zu ergründen, inwiefern die aufgestellten Regeln und die damit aufgeworfenen Fragestellungen für die eigene Person Relevanz besitzen und warum. svh Iris Andraschek und Hubert Lobnig: MY LIFE, MY RULES. Du sollst nicht rauchen! Du sollst nicht links parken! Bis 16.9., Kunstraum Weikendorf, 2253 Weikendorf, Rathausplatz 1. Täglich von 0 – 24.00. Shuttlebus von Wien nach Weikendorf. Anmeldung und Infos: 02742/9005 16273 lesbenfrühling Selbstbestimmung an der Ostsee „Stein des Anstoßes“ wollen die Künstlerinnen Christa Biedermann, Heike Stephanie Aßmann, Gabriele Fehlig, Julia Fehlig, Luise Fehlig, Astrid Glenk, Monja Gräff, Ange Hehsling, Selma Hindriks, Kayenta, puma lichtblau (sic!) und Eva Schimek sein. Anstößiges ausstellen werden sie auf dem Lesbenfrühlingstreffen 2011 in Rostock – u.a. Malerei, Videokunst, Fotografie, Druckgrafiken, Installationen und Skulpturen. Motto des heuer in Rostock stattfindenden Frühlingstreffens ist „Rund um die Ostsee“, und entsprechend fordern die Künstlerinnen „das Recht auf selbstbestimmtes Leben für Frauen/Lesben in allen Ländern, insbesondere in Osteuropa und den Skandinavischen Ländern“. han Lesbenfrühlingstreffen Rostock, 10.-13.6., mehr Infos unter www.lesbenfruehling.de/rostock2011. Vernissage der Ausstellung: 11.6., 13.30, 18051 Rostock, Uni-Campus, Ulmenstraße 69/1. Etage ausstellung Kollektive Bilder und Re-Inszenierung Wie wichtig die Auseinandersetzung mit ZeitzeugInnen ist, wird besonders jetzt deutlich, wo ihre Zahl ständig abnimmt. Die Künstler_innen Johanna Tinzl und Stefan Flunger fragen in der Ausstellung „Sonst weiß ich über die Mauer nicht viel zu sagen, außer dass sie uns gut eingeschlossen hat“ nach den Bedingungen, die es ermöglichen oder vielmehr verunmöglichen, dass (Kunst-)Institutionen an einem Ort ZeitzeugInnengeschichten haben und an einem anderen nicht. Sie beschäftigen sich mit Verdrängungspraktiken und fehlender Aufarbeitung, arbeiten mit Überlebenden der KZs, offenen Fragen und Bildern des kollektiven Gedächtnisses. Ihre Auseinandersetzung damit übersetzen und re-inszenieren sie so weit, bis sie zu neuen Verhandlungen damit führt. Die Ausstellung wurde im Rahmen des von Orange 94.0, dem Freien Radio Wien, initiierten Erinnerungsprojektes „Fathomizing Memory“ realisiert. han Sonst weiß ich über die Mauer nicht viel zu sagen, außer dass sie uns gut eingeschlossen hat. Bis 20.6., Mo. und Sa., 15-19.00. 1010 Wien, Museumsquartier, Haupthof 32 l an.schläge Juni 2011 Maja Vukoje, Glove, 2010, Acryl, Glitter, Klebeband auf Leinwand, 40 x 30 cm. Ausstellungsansicht Salzburger Kunstverein 2011, Foto: Andrew Phelps, © Salzburger Kunstverein ausstellung Karibischer Karneval in Neu-Belgrad Maja Vukoje arbeitet mit Kämmen, Spachteln, Schablonen, fließender Farbe, gesprayten Elementen und Applikationen realer Gegenstände. Auf der Suche nach einer archetypischen Fassung individueller Erfahrungen verarbeitet sie in ihren Bildern unterschiedliche kulturelle Kontexte – da bevölkern dann z.B. Darstellungen von kollektiven Ritualen, Gesten und Momenten der Transformation bühnenartige Vorstadt-Szenerien aus NeuBelgrad. Vukoje verfügt selbst über Migrationserfahrung und untersucht auf Recherche-Reisen, beispielsweise zum karibischen Karneval in Tobago, heterogene kulturelle Phänomene. Themen ihrer großformatigen Malereien sind Postkolonialismus, Gender und Populärkultur. han Maja Vukoje. Bis 10.7., Salzburger Kunstverein/Künstlerhaus, 5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 3. Dialogführung mit den ARTgenossen: 7.6., 19.00. Kunstgespräch mit Maja Vukoje: 9. 6., 19.00. www.salzburger-kunstverein.at installation Schnee von gestern? Die Zeitung von gestern, das ist bekannt, ist Schnee von gestern. In die Zeitung von gestern wird Fisch eingewickelt, ansonsten taugt sie nur zum Altpapier. Von dem, was in diesen alten Zeitungen geschrieben stand, erzählt die russische Künstlerin Anastasia Khoroshilova in der Installation „Starie Novosti“ (Alte Nachrichten), die im Rahmen der 54. Biennale di Venezia zu sehen ist. Neun Foto-Lichtboxen zeigen nahezu lebensgroßen Porträts von Müttern, die ihre Kinder bei dem Terroranschlag auf die Schule in Beslan (Russland, 2004) verloren haben und damals selber Geiseln waren. Auf- und zuklappbare flügelaltarartige Objekte zeigen simultan auf Fernsehmonitoren Nachrichtenmitschnitte des Geiseldramas, das damals die Welt schockierte und heute nahezu vergessen ist. Khoroshilova verweist so kritisch auf das extrem begrenzte Vermögen an echtem Mitleid, das unsere hochtechnologisierte Informationsgesellschaft ob der ständig ansteigenden Frequenz an Schreckensmeldungen noch aufzubringen vermag. han lebenslauf auch feministinnen altern Starie Novosti/Alte Nachrichten. 2.6.-27.11., Biblioteca Zenobiana del Temanza Centro Studi e Documentazione della Cultura Armena Corte Zappa, 30123 Venezia, Dorsoduro 1602, 10-18.00, T: +39 041 522 422 5 Christine Erharter bühne Märchenhaft Der Spielraum für eine Frauenrolle im Märchen ist normalerweise sehr begrenzt: entweder gut wie die Fee oder die (meist tote) Frau Mama oder abgrundtief böse wie Hexe und Stiefmutter. In „neunmalschön“, dem Märchenprojekt mit Gesang von Babett Arens, dürfen die Frauen mehr sein als nur gut oder böse. Neun Schauspielschülerinnen untersuchen bekannte und weniger bekannte Märchen auf ihre Alltagstauglichkeit in der Gegenwart: Baubo, die griechische Göttin der Obszönität, zieht die Fäden in einem wilden Mix aus Grimmschen, mexikanischen, indianischen, dänischen und Inuit-Märchen. Mit dabei sind u.a. Aschenputtel, Schneewittchen, Rotkäppchen, der Froschkönig oder Hänsel und Gretel, aber auch die Affenfrau aus einem indianischen Märchen und Coyote Dick aus Mexiko. han neunmalschön. 9.-18.6., Mi-Sa, 20.30. Kosmostheater, 1070 Wien, Siebensterngasse 42, T.: 01 523 12 26, www.kosmostheater.at Dies & Das Die US-amerikanische Schriftstellerin Jennifer Egan erhält den diesjährigen Pulitzer-Preis. Die Auszeichnung zählt zu den wichtigsten Literaturpreisen der Welt. Das fünfte Werk Egans, der noch nicht auf Deutsch erschienene Roman „A Visit from the Goon Squad“, erhielt zuvor bereits den Preis der US-LiteraturkritikerInnen. Herzlichen Glückwunsch! Am 4. Juni wird der österreichischen Künstlerin Barbara Rapp in Düsseldorf der Kaiserswerther Kunstpreis 2011 verliehen. Wir gratulieren! Die Darstellung von technischen, naturwissenschaftlichen oder handwerklichen Berufen stand beim diesjährigen LILITH-Fotowettbewerb im Zentrum. Die Kärntner Frauenreferentin Beate Prettner überreichte den Siegerinnen Kerstin Hinteregger, Silvana Klammer und Melissa Petschenig sowie Lena Florian, Susanne Springer und Sabrina Silly den Mädchenförderpreis. Gratulation! Ausschreibung: „schreiben zwischen den kulturen“ 2011: Literaturwettbewerb zur Förderung der Literatur von AutorInnen, die aus einer anderen Muttersprache als der deutschen kommen und in deutscher Sprache schreiben. Einsendeschluss: Prosa, Lyrik, Drama: 10. Mai 2011; Schulprojekte, Jugendtexte: 30. Juni 2011. Einsendungen an: Exil, Kennwort „exil-literaturpreise“, Stiftgasse 8, 1070 Wien. verein. [email protected]. Details unter www.zentrumexil.at „Es liegt ein Grauschleier über meinem Kopf …“ Im Sommer 2002 machte ich gemeinsam mit einem Innsbrucker Freund eine Radiosendung mit dem Titel „Charm Free Adolescence“. Es ging um Punk und New Wave, und wir haben auch Fehlfarben gespielt. Im selben Sommer ließ ich meinen aktuellen Reisepass ausstellen. Vor mir lagen internationale Reisen sowie ein mehrjähriger Auslandseinsatz in der norwegischen Kulturlandschaft, die außerhalb der EU liegt. Der Pass musste also passen. Wenn ich mir das Foto heute anschaue, ist definitiv ein Älterwerden festzustellen, aber ich erkenne mich wieder und kann mich auf dem Foto immer noch gut leiden. Doch viele Leute reißen sich ja regelrecht darum, einen Blick auf das Passfoto anderer zu werfen, um es dann zu kommentieren: „Da schaust du ja gaaanz anders aus! So jung!“ „Hast du da gefärbte Augenbrauen?“ „Du schaust so brav aus.“ Das liegt wohl an dem Heiligenschein, den ich auf dem Foto eindeutig habe. Die Haare waren damals kurz und die Farbe ging nach Jahren des Tönens und Färbens wieder Richtung „Natur“. Seit damals hab ich die Haare überhaupt nicht mehr gefärbt, und aus grauen Highlights wird mehr und mehr eine graue Grundfarbe, der Heiligenschein wurde in den letzten neun Jahren zum Grauschleier. Auch das wird natürlich kommentiert: „Du hast ja schon ganz schön viele graue Haare!“ Oder auch ganz unverblümt: „Du schaust einfach älter aus. Warum färbst du dir denn die Haare nicht?“ Es ist ein bisschen wie mit der Achselhaardebatte: Wenn sie büschelweise sprießen, verstört es die Leute. Daher halte ich es jetzt genau wie eine gute Freundin: Übers Haare färben mach ich mir erst wieder mit vierzig Gedanken. Bis dahin sind die unter den Achseln sicher auch grau, und dann zahlt es sich richtig aus. Christine Erharter geht zu einem Friseur, der ihr die Haare nicht schneiden würde, wenn sie gefärbt wären. Juni 2011 an.schläge l 33 sci-fi Vergnügt verwegen Am 29. April starb Joanna Russ im Alter von 74 Jahren. Dagmar Fink vermisst die Pionier_in der queeren Science Fiction jedoch schon länger, denn Russ hat in den letzten Jahren nicht mehr viel veröffentlicht. Ein Nachruf. Joanna Russ begann in den späten 1950er Jahren, Science Fiction (SF) zu veröffentlichen, ihre erste feministische Figur schuf sie zwischen 1967 und 1970 mit „Alyx“ (Picnic on Paradise, The Adventures of Alyx). Alyx ist klug, intelligent, hart, abgebrüht und sinnlich. Sie ist außerdem Agentin, Mörderin und nicht hübsch. Alyx zu erschaffen, beschreibt Russ selbst als Durchbruch. Es ging nicht nur darum, eine Figur zu kreieren, die den vorherrschenden Stereotypen in der SF etwas entgegensetzt, sondern zuallererst darum, die eigene Vorstellungskraft von weiblichen Figuren aus den Fesseln eben jener Stereotype zu befreien. Russ’ Erzählungen und Romane sind für die queer-feministische Strömung wie auch für die New Wave in der SF von zentraler Bedeutung. Die New Wave, zu der Russ gerechnet wird, verstand SF weniger als „Science“ denn als „Speculative Fiction“. So ging es auch nicht so sehr darum, den Weltraum zu explorieren, sondern vielmehr den „inner space“ – also Charaktere und Gesellschaftsstrukturen. 1 „The Image of Women in Science Fiction“; in: Susan Koppelman Cornillon (Hg. in): Images of Women in Fiction: Feminist Perspectives.“ . 1972, S. 79-94 (dt. „Das Frauenbild in der Science Fiction“; in: Barbara Holland-Cunz (Hg. in): „Feministische Utopien – Aufbruch in die postpatriarchale Gesellschaft“. 1986, S. 13-29. 2 Joanna Russ, „Das Frauenbild in der Science Fiction“, S. 24f. 34 l an.schläge Juni 2011 Kosmische Vororte. Tatsächlich bleiben die Spekulationen über Geschlecht, Geschlechterverhältnisse, Sexualität, soziale Beziehungen und generative wie gesellschaftliche Reproduktion in der SF jedoch weit hinter Spekulationen über Technologieentwicklungen zurück. Vielmehr werden, so Russ in „The Image of Women in Science Fiction“1, vorwiegend intergalaktische Vororte, d.h. Geschlechterverhältnisse, wie sie für „weiße“ Mittelklasse-Vororte in den USA charakteristisch sind bzw. waren, beschrieben. Neben Geschichten über richtige Kerle und deren kosmische Rivalitäten und Eroberungen gebe es dann noch Erzählungen, in denen Gleichsein bedeute, das gleiche zu tun: Sowohl weibliche als auch männliche Figuren gehen kompetent ihrer Arbeit nach. Sich eine Gesellschaft vorzustellen, in der Geschlecht keine Rolle spielt, werde damit aber vermieden:„Das ist die ganze Schwierigkeit der Science Fiction, der echten Kreativität: Wie entkommt man den traditionellen Gegebenheiten, die nicht mehr sind als traditionelle Zwangsjacken.“2 Weltweites Menschsein. Das mit Sicherheit meist gelesene und besprochene Werk von Joanna Russ ist zugleich auch mein Lieblingsroman von ihr: „The Female Man“ von 1975. Die vier Protagonist_innen haben den gleichen Genotyp, leben jedoch in unterschiedlichen Welten und sind entsprechend auch unterschiedliche Personen. Jeannine und Joanna leben in zwei verschiedenen Varianten der gegenwärtigen USA (also der siebziger Jahre), in denen patriarchale Strukturen wahlweise unangefochten vorherrschen bzw. (noch) wenig erfolgreich von der Zweiten Frauenbewegung bekämpft werden. Janet lebt im utopischen Whileaway, einer Welt, in der nur Weiblichkeiten friedlich und harmonisch miteinander leben. Jael schließlich kommt aus einer nahen Zukunft, in der Männer und Frauen in getrennten Ländern leben und sich gegenseitig bekriegen. Jael von Jeannine, Janet und Joanna zu trennen, ist ein Kunstgriff des Romans, denn die vier Jots gehören zusammen, bilden aber dennoch kein Ganzes. Vielmehr stellt jede eine Möglichkeit des Lebens als „weiblicher Mensch“ in einer spezifischen Gesellschaft dar bzw. die Unmöglichkeit, in der zeitgenössischen Gesellschaft ein „weiblicher Mensch“ zu sein. Fasziniert hat mich weniger die Schilderung des lesbischen Utopia auf Whileaway als vielmehr die Darstellung der kriegerischen und aggressiven Jael. Während es (1975) unmöglich erscheint, weibliche Figuren zu denken, die geschäftsmäßig morden, sexuell aggressiv sind, penetrieren, ohne Männer auskommen, sich selbst genug sind, beschreibt Russ nicht nur guten lesbischen Sex (den hat Janet), sondern auch eine Frauenfigur, die eine Männerfigur fickt. In Russ‘ ausgiebiger Schilderung einer Sexszene wird kein verwundbarer weiblicher Körper penetriert, eine aggressive Amazone spielt mit ihrem niedlichen Lustobjekt, ihre Vagina schluckt dessen Schwanz, während sie – als besondere Zugabe – den Anus ihres Geliebten mit dem Finger penetriert. Das habe ich vermisst und werde ich nun weiterhin schmerzlich vermissen: diese beharrliche, wütende, ironische Arbeit an Geschlechterstereotypen, deren analytisch brillante, scharfzüngige Herausarbeitung sowie die vergnügt verwegene, kühne Erweiterung dessen, was wir uns überhaupt an weiblichen Figuren und anderen Geschlechterrepräsentationen vorstellen können. Das konsequente Denken der Verwobenheit von Geschlecht, Sexualität, Klasse und Rassisierung und das Insistieren auf der zentralen politischen Bedeutung von intimen, erotischen und Reproduktionsverhältnissen wird mir fehlen. l Dagmar Fink ist Literatur- und Kulturwissenschafter_in mit Arbeitsschwerpunkten auf Queer Theory, Cyborg-Konzepte, queere Populärkulturen u.v.m. Außerdem Übersetzer_in im queer_feministischen Kollektiv „gender et alia“ (http://genderetalia.sil.at). Die Langfassung dieses Artikels inkl. einer ausführlichen Bibliografie gibt es auf www. anschlaege.at poly styrene Gegen Sexualisierung anquietschen Poly Styrene, die Sängerin von X-Ray Spex, war ihrer Zeit voraus: ein Punk unter Punx und Vorreiterin der Riot-Grrrl-Bewegung. Von Kendra Eckhorst Ihre Stimme war eine Waffe, erinnern sich einige ihrer ZeitgenossInnen. Schrill, kreischend und zugleich melodisch. Sie nistete sich im Kopf ein und gab der Band X-Ray Spex ihren unverwechselbaren Sound. Poly Styrene, die Frau mit und hinter dieser Stimme, verstarb im April an Brustkrebs. Mit 53 Jahren. Als Punk-Ikone, Neon-Queen oder feministische Avantgardistin wird die Sängerin tituliert, die 1978 mit ihrer Band das legendäre Album „Germ Free Adolescents“ herausbrachte. Hits wie „Oh Bondage Up Yours“ oder „Identity“ gehören heute zu den Punk-Klassikern. Gegen Plastikwelten, Rollenklischees und identitäre Fesseln quietschte sie an – einer Alarm-Sirene nicht unähnlich. Und eroberte sich so ihren Platz in der Punkszene der 1970er Jahre. „Das kann ich auch.“ Als Marianne Joan Elliot-Said kam sie 1957 in Südostengland als Tochter einer Britin und eines Somaliers zur Welt. In Interviews erinnert sie sich, dass sie schon mit fünf Jahren Protestsongs schrieb, weil sie Fleisch essen sollte. Mit 15 ging sie nach London und wollte Opernsängerin werden. Zum Glück kam alles anders, und sie landete bei einem schlecht besuchten Konzert der Sex Pistols. „Das kann ich auch“, sollen ihre paradigmatischen Gedanken gewesen sein. Sie setzte eine Anzeige in ein Musikmagazin und suchte „young punx who want to stick together“. X-Ray Spex war geboren, eine Punkband mit Sängerin, Saxofon und ohne Nieten und Lederjacken. Dafür mit einer legendären Zahnspange, die jahrelang aus dem Mund von Poly Styrene blitzte, hellblauen Strickjacken und rosa Söckchen. Ein nettes Mädchen von nebenan, das dieses Bild mit den ersten Tönen jedoch zerstörte. Nicht rotzig abwehrend mit erhobenem Mittelfinger, eher überzogen, gefährlich süß und dadaistisch, wie die Songtexte von „I am a cliché“ oder „Art-I-Ficial“ zeigen. Glatte und künstliche Welten, wie vom Fließband, kamen zum Vorschein, die ihrem Künstlerinnennamen, in Anlehnung an Polystyren, einem Kunst- und Schaumstoff, alle Ehre machten. Mit ihrer Stimme kratzte sie an den Fassaden, schmirgelte die Plastikbilder ab. Rollenerwartungen wie Sexyness erteilte sie eine Abfuhr und hätte sich lieber die Haare abrasiert, als dieses zweifelhafte Kompliment zu bekommen. In einem ihrer letzten Interviews, das sie dem „Missy Magazine“ gab, stellte sie aber auch nüchtern fest: „Wir waren mit X-Ray Spex Ende des 1970er genau an der Schnittstelle, eine der letzten Bands, die sich ein nicht sexualisiertes Image noch erlauben konnten. Nach uns kamen dann schon Acts wie Madonna.“ „Überlass nicht Kylie Minogue das Feld.“ Trotzdem oder deswegen stiegen X-Ray Spex schnell zu Sternen im britischen Punkhimmel auf, leuchteten auch in den USA und spielten im legendären New Yorker Punk-Club CBGBs. Schon 1979 löste die Band sich auf. Styrene spielte daraufhin das Soloalbum „Translucence“ ein und schloss sich der Hare-Krishna-Bewegung an, verließ diese aber aufgrund der dortigen Frauenfeindlichkeit wieder. Im Jahre 1995 gab es eine erste Wiedervereinigung der Band, zu der wohl eine Krankenschwester Anlass gab. Mit den Worten „Geh raus hier. Überlass nicht Kylie Minogue das Feld“, schob sie Styrene aus der Klinik, in der sie wegen angeblicher Persönlichkeitsstörungen behandelt wurde. Das zweite Album „Conscious Consumer“, das erst 2005 erschien, konnte nicht an den Erfolg des Debüts anknüpfen. Eine Platte, die im Zuge der Riot Grrrl-Bewegung erneute Popularität und Vorbildstatus genoss. Für Kathleen Hannah von „Bikini Kill“ und „LeTigre“ war Styrene die Sängerin, die den Weg ebnete. Auch Beth Ditto von „Gossip“ führt sie als musikalischen Einfluss an, der ihr zum Selbstvertrauen verhalf, sie selbst zu sein. Nach ihrem letzten Auftritt 2008 mit X-Ray Spex widmete sich Poly Styrene einer erneuten Soloplatte namens „Generation Indigo“, die im März diesen Jahres erschienen ist. Poppiger kommen die Songs daher, wenden sich aber immer noch, wie in „Kitsch“, gegen starre und sexualisierte Bilder von Frauen. Bis zum Schluss kritisierte sie diese Zurschaustellung, auch noch im Hospiz, wo sie weiterhin Interviews gab. Am Abend des 25. April schied sie aus dem Leben. Ihre Stimme bleibt uns auf den Tonträgern jedoch erhalten. l Juni 2011 an.schläge l 35 tanja ostojić Heiße Kartoffeln auffangen Mit „Naked Life“ macht Tanja Ostojić Anti-Roma-Rassismus zum Thema. Am Tag nach ihrer Lecture Performance im Wiener Tanzquartier traf Lisa Bolyos die Künstlerin zum Interview. Notwendigkeit, dass Künstler_innen dafür mit anderen Disziplinen arbeiten – mit Aktivist_innen, Theoretiker_innen, Philosoph_innen; das ist meiner Ansicht nach der einzige Weg, mit Kunst politisch zu intervenieren. Gleichzeitig ist es problematisch, zu erwarten, dass Kunst komplexe politische Probleme lösen kann. So als könnten Politiker_innen Künstler_innen heiße Kartoffeln zuwerfen und erwarten, dass die sie auffangen. Wir müssen also einerseits sehen, wie Kunst politisch instrumentalisiert wird, und andererseits, was wirklich involvierte Kunst alles schaffen kann. Foto: Carolina Frank Kurz vor der österreichischen EURatspräsidentschaft 2006 löste Tanja Ostojić mit ihrer Arbeit „After Courbet“ hochmoralische Entrüstung aus. „Kanzler stoppt Porno-Plakate“ und: „Wien wieder sexfrei“, titelte damals die mehr porno- als kunstaffine „Kronenzeitung“, als nach einem medialen Protestschrei Ostojićs Selbstporträt mit EU-Unterhose von den Billboards in der Wiener Innenstadt entfernt wurde (vgl. Interview von Kerstin Kellermann in an.schläge 02/2006). Zurzeit arbeitet Ostojić an einem Recherche- und Performanceprojekt zu Anti-Roma-Rassismus, das sie unter anderem auf der Biennale in Venedig zeigen wird. an.schläge: Kann Kunst ein Instrument Naked Life Performance im Roma Pavillon, Biennale Venedig: 2. Juni 2011, 16.45 http://www.callthewitness.net/ Testimonies/NakedLife2 36 l an.schläge Juni 2011 politischer Intervention sein? Tanja Ostojić: Definitiv. Aber das heißt nicht, dass dieses Instrument immer erfolgreich ist. Kunst kann bestimmten gesellschaftlichen Themen nicht ausweichen, und es ist eine unabdingbare In deiner Arbeit ist viel von antimuslimischem Rassismus und EU-Grenzpolitiken die Rede. Das sind Themen, die auf der Agenda von politischem Aktivismus in Europa ganz oben stehen. Wie schaffst du die Verbindung zur Bewegung? Ich bin selbst nicht Teil einer Bewegung, aber ich bin sehr interessiert daran, mit welchen Strategien Aktivist_innen hantieren. Ich kommuniziere mit ihnen über Facebook, wir tauschen Informationen aus, und wenn es eine Möglichkeit gibt, versuch ich mich dranzuhängen und etwas zu produzieren. Gerade arbeite ich zum Beispiel an einer Videoarbeit zum 44-tägigen Hungerstreik der Sans Papiers in Griechenland. Die Aktivist_innen haben mich von Streikbeginn an voll unterstützt, mir Informationen gegeben, und wenn es klappt, werden wir das Video auf allen Ebenen gemeinsam produzieren: was Entscheidungen betrifft, Story, Interviews, Schnitt, die gesamte Produktion. Politische Aktivist_innen haben oft den Eindruck, dass Wissenschaft und Kunst versuchen, ihnen ihr Wissen abzusaugen, um es für die eigenen Produktionen, die eigene Karriere zu verwenden. Das ist immer eine Frage der Verantwortung gegenüber anderen Personen. Wenn ich dich interviewe, bin ich verantwortlich dafür, etwas zu produzieren, was dir auch gefällt und dich repräsentiert. Dennoch bleibt das Problem bestehen, dass ich deine Bilder besitze. Oft ist es unmöglich, die Videoproduktion gemeinsam mit den Protagonist_innen zu machen, weil ich sie zum Beispiel im Abschiebegefängnis getroffen habe – ich kann nicht die vollen Namen veröffentlichen, kann keine Rückfragen stellen. Bei dem aktuellen Projekt in Griechenland ist das einfacher, da arbeiten wir wirklich zusammen. Anders zum Beispiel bei „XPONA – exchange in post nation“, das wir 2005 in Leipzig verwirklicht haben: Wir haben versucht, modellhaft eine Alternativ-Ökonomie umzusetzen, die Personen ohne Aufenthaltstitel einbinden würde, Pensionist_innen und Leute, die von der konventionellen Wirtschaft nicht beachtet werden. Die linke Szene war uns gegenüber eher feindlich eingestellt, einer Kunst gegenüber, die ja tatsächlich oft nur ein weiteres Feld hegemonialer kapitalistischer Ausbeutung ist. Und viele Künstler_innen spielen da mit, versuchen Informationen abzusaugen, um sie dann als Spektakel zu verwenden. Findest du es einfach, dich im Kunstfeld als Feministin zu positionieren, oder gibt es da viel Widerstand? Natürlich gibt’s da Widerstand. Dem Feminismus geht es wie dem Anarchismus – uns würde man lieber vermeiden. Feminismus befindet sich in ständiger Konfrontation mit den Machtstrukturen und den dominanten konsumistischen, rassistischen, nationalistischen und patriarchalen Werten einer Gesellschaft, er versucht die Verhältnisse neu zu beleuchten, sichtbar zu machen und zu subvertieren – darum ist es natürlich klüger, sich nicht damit zu etikettieren. Ich versuche, meine Arbeit mit ihrem spezifischen Auftrag zu präsentieren, das feministische Labelling kann dann mit theoretischen Texten einhergehen oder mit einem Zeitungsinterview. Ich verstehe mich als Feministin, aber ich verkaufe mich nicht als feministische Künstlerin – und ich habe auch keine Galerie, die das machen würde. Ich denke, es gibt sowieso zu wenige Orte, die daran interessiert wären, uns unter solchen Vorzeichen zu engagieren. Um gleich weiter zum nächsten großen Begriff zu gehen: Ein Teil deiner Arbeit wurde unter dem Titel „Integration impossible?“ präsentiert. In Österreich, wo die Integrationsdebatte so sehr Teil von rassistischen Strategien der Medien und der Politik geworden ist, tendieren Antirassistinnen dazu, das sogenannte „I-Wort“ zu vermeiden. Von welcher „Integration“ sprichst du? Der Begriff Integration ist seit mehr als einem Jahrzehnt Bestandteil politischer Agenden, das ist nichts Neues, was vor drei Jahren mal eben so aufgetaucht ist. Ich arbeite seit 2002 an diesen Projekten, und ich habe darin Länder wie Deutschland, Österreich, Dänemark und Holland untersucht. Mir ist bewusst, dass sich die Agenda verändert hat und voll von Missinterpretationen ist: Wenn Integration gesagt wird, wird Assimilation gemeint. Trotzdem, ich habe die Arbeit 2002 so genannt und kann den Titel jetzt nicht ändern. Aber da steht ein Fragezeichen, und ich verwende den Begriff nicht, um rassistische Agenden zu stärken, sondern um sie im Gegenteil infrage zu stellen und zu kritisieren. Nach deiner Lecture am Freitag im Tanzquartier war das Publikum erpicht darauf, „die Roma-Frage“ zu besprechen – im Sinne davon, was Roma wollen (sollen), was sie brauchen, was sie nicht dürfen usw. Ich habe mich gefragt, warum niemand die meines Erachtens viel relevantere Frage nach Anti-Roma-Rassimus stellt und danach, wie wir ihn bekämpfen können. Ich habe auch den Eindruck gehabt, dass ich eine ganze Menge wichtiger Fragen aufgeworfen habe, in erster Linie die nach einem europaweiten Anti- Roma-Rassismus, und das Publikum hat sich nur auf jene Inhalte bezogen, die in den letzten beiden präsentierten Arbeiten vorkamen. Ich habe diese LecturePerformance mit Diskussion danach zum ersten Mal gemacht, und ich war überrascht über den Fokus des Publikums. Zusätzlich war das Format des Festivals nicht geeignet für lange, komplexe Diskussionen. Trotzdem bin ich überzeugt davon, dass die Leute nach meiner Performance „Naked Life“ über Anti-Roma-Rassismus reflektieren, denn das ist ja das zentrale Thema. Hast du das Gefühl, dass du als Künstlerin bestimmte Dinge mitveränderst? Gibt es manchmal Reaktionen, die dich dazu veranlassen zu denken, ja, da habe ich interveniert, und das war offensichtlich ein Erfolg? Es wäre ja naiv zu meinen, dass ein paar künstlerische Interventionen, Installationen, Diskussionen und Performances so etwas wie eine tief verwurzelte rassistische Praxis gegen Roma auf den verschiedensten Ebenen in Europa, sei es EU oder nicht, ändern können. Das dauert ewig … Aber ich versuche, Leute mit bestimmten Informationen zu konfrontieren, und das ist definitiv möglich. Dieses Jahr wird im 2. Roma-Pavillon im UNESCOGebäude bei der Biennale in Venedig eine Ausstellung namens „Call the Witness“ laufen, und darin performe ich eine neue Version von „Naked Life“. Formal wird es dieselbe Arbeit sein – ich ziehe nach jedem vorgelesenen Fall von rassistischer Praxis ein Kleidungsstück aus. Diesmal werde ich aber die aktuellsten Fälle von Rassismus gegen Roma in Frankreich, Ungarn und Serbien verwenden. Und es wird eine Menge anderer Beiträge zu dem Thema geben. Das halte ich für ungemein wichtig, um eine gemeinsame Basis zu bilden. Eine einzelne Arbeit würde es nie schaffen, die Stimme laut genug zu erheben. l lesbennest the fabulous life of a queer femme in action denice Luxury Problems „Isn’t it hard when you’re spoiled rotten? Got another luxury problem.“ It is 7 o’clock in the morning on May 1, 2011. I’m sitting in my beautiful kitchen rambling to my perfect lover about how sad I am because I’ve just realised that I don’t want to become a successful performer that everybody adores. Since stardom has always been my only plan, I don’t have a plan B – and I feel lost. And besides: „They didn't really like me, they were just being polite.“ The reason for my self-pity was a fantastic evening where I had the honour of performing in front of a fantastic audience with hundreds of people screaming and dancing in front of the stage. „Being a star is such a pain …“ Oh boo hoo, Denice, you poor thing. And then I start feeling bad. I shouldn’t complain. I am being ungrateful. Etc etc. I am ridiculously good at that. Self-punishment. If I get a compliment for looking gorgeous I automatically have to start hating myself for being too fat. Somebody tells me I write funny and good things, I have to feel bad about all those real writers out there. Not scams like me. If I feel happy for having such great friends, I have to start thinking about all those poor lonely souls out there who have NOBODY to talk to. And then I feel horrible and think that I don’t deserve it all, I don’t appreciate it enough. When I feel so in love that I’m about to explode, I have to think about women stuck in abusive relationships. And it goes on and on like that. Happy Pappy one moment – crushed and depressed the next. I can pretty much say that I have everything that I ever wished for and that, in my opinion, I am probably the luckiest person in the world. It’s a nightmare! For the first time in my life I have enough money saved to go on a cheesy holiday in the sun for a week this summer, but the mere thought of being able to choose any destination (in Europe) that I want, is making me feel dizzy and unworthy. So yesterday I decided that I will not go anywhere. I will stay in the city and work instead. As a punishment. But you should all have a great summer! You really deserve it! Denice always automatically hears the band Lunachicks in her head when she feels sorry for herself for having such a great life. Juni 2011 an.schläge l 37 an.lesen „Deutschland schafft mich ab“ Das „Manifest der Vielen“ ist die richtige Antwort auf den neuen antimuslimischen Rassismus in Deutschland, findet Lea Susemichel. Rassistische Äußerungen von PolitikerInnen und Personen des öffentlichen Lebens sind auch in Deutschland durchaus nichts Unübliches. Doch der Diskurs um das „Migrationsproblem“ hat mit dem Erscheinen von Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ eine neue Qualität erreicht. Weil nur die migrantische Unterschicht Kinder gebäre, drohe der deutschen Nation der Niedergang, so die mit kruden Vererbungstheorien untermauerte Kernthese des Buches, das es auf sämtliche Bestseller-Listen geschafft hat und dem Autor bereits Millionen einbrachte. Mit dem Sammelband „Manifest der Vielen. Deutschland erfindet sich neu“ ist nun eine Antwort darauf erschienen. Die Kapitalisierung rassistischer Ressentiments ist nicht der einzige Vorwurf, den die 29 AutorInnen Sarrazin darin machen. Die Herausgeberin Hilal Sezgin macht den SPD-Politiker vor allem für eines verantwortlich: dafür dass sie, die in Frankfurt geborene Journalistin und Schriftstellerin, unversehens zur „muslimischen Migrantin“ wurde. Die sich nun nicht mehr mit postmoderner Philosophie beschäftigen darf, sondern stattdessen ständig aufgefordert wird, sich von familiärer Gewalt und Terrorismus zu distanzieren. „Aus dem Nichts heraus nehmen mich Menschen zu frauenfeindlichen Versen im Koran und zum Kopftuch ins Kreuzverhör“, heißt es in ihrem Beitrag „Deutschland schafft mich ab“. Eine Erfahrung, die sie mit vielen anderen AutorInnen des Buches teilt. Egal ob diese aus Delmenhorst stammen oder mit dem Begriff Heimat in erster Linie die A 42 in Duisburg verbinden, die „Muslimisierung“ (Katajun Amirpur) macht seit der Dauerrede von der „Islamisierung“ vor ihnen allen nicht halt. Das absurdeste Resultat dieser Entwicklung besteht für die meisten darin, 38 l an.schläge Juni 2011 dass sie sich nun in der entwürdigenden Lage wiederfinden, immer wieder einen banalen Gemeinplatz wiederholen zu müssen: „Wir sind viele, und wir sind verschieden.“ Doch in einem Land, wo vierzig Prozent der Bevölkerung glauben, dass Muslime intolerant und gewalttätig seien, bleibt für eine Schauspielerin mit türkischem Namen eben nur die Rolle der unterdrückten Tochter, wie Ferdos Forudastan berichtet: „Wie oft ich im Film schon von zu Hause abgehauen bin, hab ich aufgehört zu zählen.“ Und wenn man Ekrem Senol heißt, muss man sich eben auch im richtigen Leben die Frage gefallen lassen, ob man selbst denn zwangsverheiratet sei. Senol, der Gründer von „MiGAZINE“, erinnert angesichts solcher Erlebnisse daran, dass „das Grundgesetz das Schutzgesetz der BürgerInnen vor dem Staat ist – und nicht umgekehrt.“ Doch die Verfassungstreue von MuslimInnen wird systematisch in Zweifel gezogen, und es wird nicht stattdessen diskutiert, inwieweit bei den gegenwärtigen Debatten noch der Gleichheitsgrundsatz geachtet wird. Sondern nur darüber, ob Sarrazins Recht auf Meinungsfreiheit und freie Rede bedroht ist. Dessen Selbstinszenierung als mutiger Tabubrecher, der sich traut, unbequeme Wahrheiten gegen den politisch korrekten Zeitgeist endlich auszusprechen, analysiert Imran Ayata als „erprobtes Stilmittel für Skandalisierung“. In Verbindung mit einem bis in kleinste Detail geplanten Mediencoup habe das Sarrazin zu maximaler Aufmerksamkeit verholfen. Dass ihm Feministinnen wie Alice Schwarzer inhaltlich dabei assistierten und Necla Kelek seine Buchvorstellung begleitete, war dem Erfolg sicher nicht abträglich, so Ayata. Aber es ist längst nicht mehr nur die Last des Patriarchats, die der Islam den Deutschen abgenommen hat. Wie Naika Foroutan schreibt, sind auch Antisemitismus und Homophobie inzwischen zu originären und exklusiven Problemen der Muslime gemacht worden. Von Rassismus hingegen spräche man in Deutschland nur äußerst ungern. Rassismus ernst zu nehmen statt immer nur „die Ängste der Menschen“, fordert jedoch auch Navid Kermani in seinem Text zum Minarettverbot in der Schweiz. Denn keiner spräche jemals von den Ängsten jener, die den Anfeindungen und Diffamierungen ausgesetzt sind. Auch wenn die verschiedenen Positionen hinsichtlich der Radikalität ihrer Forderungen durchaus stark variieren, lautet der programmatische Aufruf des Buches: Gutmenschen bleiben gegen „die Schlechtmeinenden“, denn „Linkssein ist eine großartige Tradition“ (Feridun Zaimoglu). Und auch die Rede von Toleranz sei „keineswegs ‚ein verlogener Kuschelsound‘, sondern eine zivilisatorische Errungenschaft“ (Ilija Trojanow). l Hilal Sezgin (Hgin): Manifest der Vielen. Deutschland erfindet sich neu Blumenbar Verlag 2011, 12,90 Euro an.lesen DIY-Geschichte l Das Konzept „Grabe, wo du stehst“ mit seinen „Barfuß“ForscherInnen kommt aus Schweden und gibt seit den 1970er Jahren auch hierzulande eine brauchbare Vorlage für die sogenannte „Geschichte von unten“. Irmtraut Karlsson legte nun mit „Frauen graben, wo sie stehen“ ein tolles Handbuch vor, das die blinden Geschlechterflecken des schwedischen Ausgangsmodells aufzeigt, das zwar Arbeiter ermächtigen will, ihre eigene Geschichte zu erforschen – aber eben nur die Arbeiter. Gerda Lerner und ihre Postulate für eine Frauengeschichtsforschung sind Leitgedanken, und die an mehreren Orten Österreichs seit Mitte der 1990er Jahre stattfindenden Frauenspaziergänge sind praktischer Ausgangspunkt für die Anleitung, die Karlsson gibt: Es gilt einerseits, sich auf die männlich dominierte Wissenschaft nicht einfach zu verlassen und z.B. Quellen neu zu interpretieren, andererseits ist es wichtig, Methoden und Möglichkeiten der historischen Recherche quasi zu vergesellschaften und das bisher von den „Barfuß“-Forscherinnen zusammengetragene Wissen weiterzugeben. Was diesem Buch hervorragend gelingt! Sylvia Köchl Irmtraut Karlsson: Frauen graben, wo sie stehen. Frauengeschichte von unten. Gendermainstreaming in der Praxis ÖGB-Verlag 2010, 9,90 Euro Grenzüberschreitend l Hier ist alles ein bisschen extrem: Es gibt einen Mann, der so dick ist, dass er nur mehr mit einem Kran aus der Wohnung gebracht werden kann. Eine Frau, die eine Woche lang durchgehend laufen will – und das auf einem Laufband in einem Glaskubus. Es gibt Rosa, die sich über Nacht in einen Käfer verwandelt hat und so zum Medienstar wird. Und noch 14 weitere Geschichten, die mit Menschen, Tieren und Beziehungen zu tun haben. Ulrike Draesner, die für ihr literarisches Werk schon oft ausgezeichnet wurde, liefert mit ihrem neuen Erzählband eine unterhaltsame Sammlung von Figuren, die auf unterschiedliche Art Grenzen überschreiten. Der letzte, ausschlaggebende Schritt – selbst wenn er in den Tod führt – ist schnell getan. Eine Empfehlung für Menschen, die kurz mal zwischendurch etwas lesen wollen. Und für Menschen mit mehr Muße auch: Die einzelnen Geschichten können nämlich auch – paarweise – in einen Zusammenhang gebracht werden. Da tun sich dann ganz neue Perspektiven auf. Bettina Enzenhofer Ulrike Draesner: Richtig liegen. Geschichten in Paaren. Luchterhand 2011, 18,99 Euro Heiße Tränen l Mignon, 1903 als Tochter einer jüdisch-orthodoxen Familie in Ostgalizien geboren, übersiedelt 1914 mit ihren Eltern nach Wien, wo sie im 2. Bezirk eine Wohnung finden. 1928 heiratet sie Leon Langnas, mit dem sie zwei Kinder bekommt. Hier beginnt die eigentliche Geschichte Mignons, die „lange Straße heißer Tränen“, wie sie es selbst formuliert. Angesichts des erstarkenden Antisemitismus legen sie und ihr Mann alles daran, eine Ausreisemöglichkeit zu bekommen. Während Mignons Schwestern, ihrem Mann und ihren Kindern die Flucht gelingt, erhalten ihre betagten Eltern kein Visum. Mignon, hin- und hergerissen, entscheidet sich dafür, bei ihren Eltern zu bleiben. Während um sie herum die Menschen ins KZ verschleppt werden, entgehen sie nur mit großem Glück der Deportation. Es gelingt Mignon, eine Stelle als Krankenschwester in einem jüdischen Altersheim zu bekommen. So lebt sie während des Krieges offen als Jüdin in Wien und kümmert sich um die alleingelassenen, kranken und zermürbten Menschen, denen die Flucht verwehrt geblieben ist. Nach Kriegsende, in einem Displaced Persons Camp, wird sie notieren: „In meiner Umgebung gibt es keine Mutter, der die Kinder + der Mann am Leben blieben, und kein Kind gibt es in meiner Nähe, dessen Eltern ruhig – normal auf ihren Betten gestorben sind.“ Ihre Erfahrungen und Gefühle hält Mignon in ihrem Tagebuch und in Briefen an Angehörige im Ausland fest – darauf basiert das vorliegende Buch. Darüber hinaus liefert es aber auch das Porträt einer Frau zwischen Tradition und Moderne, zwischen der althergebrachten Rolle als Tochter, Ehefrau und Mutter und dem „neuen“ Typ Frau, die (auch im Angesicht der faschistischen Gewalt) mutig eigene Entscheidungen trifft. Gabi Migdalek Zahlen, bitte! l Rosa ist eine „selbstbestimmte Putzfrau“ mit Hang zu „Fatalismus und Liebe zur Stille“. Nadja Buchers unaufregende, aber beobachtungsstarke Heldin ist eine, die mit ihren Ausführungen zum ökologischen Fußabdruck ein ganz schön schlechtes Gewissen einjagt. Da bleiben Pralinés im Halse stecken, weil die Billigschokolade LandarbeiterInnen ausbeutet, und trotz Kontostand in den Miesen überlegt man plötzlich, in unerschwingliche Waldviertler zu investieren. Mit bissigem Humor beschreibt Bucher die tägliche Routine der (real wohl leider deutlich überdurchschnittlich gut bezahlten) Putzfrau Rosa und ihre diversen Kundschaften, in deren Haushalten sie eine Umweltsünde nach der anderen aufdeckt. Dann gerät sie an Hatschek, bei dem sie beinahe selbst zur Sünderin wird. Was dem Roman die kleine Krimi-Komponente geben soll, ist allerdings nur mäßig aufregend. Spannend aber ist, dass Bucher ganz nonchalant Zahlen, Daten, Fakten über die Umwelt, und was wir so alles mit ihr zu tun haben, präsentiert, die richtig unbequem sind. Ebenso eindrücklich sind die Kapitel, die der eigentlichen Heldin des Romans gelten, Ludmilla, Rosas großes Vorbild in Sachen Berufsentscheidung. Der Showdown selbst wirkt ein wenig, als Elisabeth Fraller, George Langnas. (Hg.): Mignon. Tagebücher und Briefe einer jüdischen Krankenschwester in Wien 1938–1949. Studienverlag 2010, 29,90 Euro Juni 2011 an.schläge l 39 an.lesen hätte jemand einen Notausgang aus dem Roman gesucht und gefunden. Was aber wiederum durch die gegenderte Sprache wettgemacht wird. Insgesamt also danke, Bucher! Nadine Kegele Nadja Bucher: Rosa gegen den Dreck der Welt Milena 2011 16,90 Euro Die Privatisierung des Politischen l Wie ist das Verhältnis bonustrack: Vera Kropf von jungen Frauen zur Kategorie Geschlecht? Was für eine Rolle nimmt Feminismus in ihrem Alltag ein? Neben einer Darstellung von Modernisierungsprozessen, einem Einblick in Theorien über „Alltag“, einem Überblick zu Frauenbewegung und Genderdiskursen, ist die Methode der gerichteten Gruppendiskussion unter deutschen Studentinnen Material der sozialwissenschaftlich empirischen Studie. Untersucht wird, ob die Auseinandersetzung mit Geschlecht eine Normalisierung in der Alltagsbewältigung erfahren hat und wie die nicht bewussten und nicht intentionalen Haltungen/Handlungen durch den Feminismus beeinflusst sind. Aus den im Buch mehrdimensional interpretierten Ergebnissen lässt sich kursorisch folgern, dass strukturelle Grenzen der selbstverständlich gewordenen Emanzipation entgegenstehen, was sich dilemmatisch auswirkt; die jungen Frauen wollen keine Opfer sein und lösen die Probleme je individuell (nicht). Die geschlechterpolitischen Bedingungen werden privatisiert. Relevant für Sozialforschung und – trotz des homogenen Settings – für Genderpraxen. Und: Feministische Theoriebildung müsste das Private und Politische in Alltagsdiskursen neu reflektieren und konkretisieren. Birge Krondorfer Anja Nordmann: Alltäglicher Feminismus. Geschlecht als soziale Erfahrung und reflexive Kategorie. Ulrike Helmer 2011, 30,80 Euro Beverly Hills am Bosporus l „Ich will nicht in die Türkei ziehen, das ist doch ein Dritte-Welt-Land!“ Lara, 16 Jahre alt und mit einer großen Klappe gesegnet, ist sauer. Weil ihr Vater einen neuen Job angenommen hat, soll die ganze Familie von Bonn nach Istanbul umsiedeln. Dass Lara der vierten Generation türkischer Migrant_innen in Deutschland angehört, tut wenig zur Sache – schließlich ist ihr Türkisch richtig mies, und im Land ihrer Vorfahren war sie zuletzt, als sie fünf war. Bald heißt es also Abschied nehmen von den besten Freundinnen und von ihrer Leibspeise Kassler, Sauerkraut & Kartoffelpü- a i n a m o g E n Tusse „Nur dann darfst Du am Ende Deines Lebens Deine Vision erfüllt sehen, wenn Du sagen kannst, Du hast Deinen Dämon in der Welt zum Ausdruck gebracht. Das ist Dein kategorischer Imperativ: Handle, wie Dir Dein Dämon vorschreibt.“ (Egomania, Insel ohne Hoffnungen, BRD 1986, R: Christoph Schlingensief) Wenn ich in den letzten Jahren eines gelernt habe, ist es, dass in der Musik die Musik erst an zweiter Stelle kommt. Viel wichtiger ist das Image, also das Ego und sein Spiegelbild. Ein ‚cooler‘ Dämon ist die halbe Miete. Aber die Egomanie hat ihren Preis: Wer sich auf eine Bühne stellt, muss mit den Kommentaren derjenigen leben, die unten stehen und reden. Früher war ich empfindlicher, doch mittlerweile ist die Hornhaut gewachsen. Die Frage ist nicht, ob es gefällt, sondern wem – und wem nicht. Das Ziel kann nur sein, die ‚richtigen‘ Leute zu beeindrucken, zu langweilen oder abzustoßen, sich nicht auf vermeintlichen Lorbeeren auszuruhen, sondern immer schön reiben an der Welt. ree. Doch schnell ist das trotzige Teen-Girl von den vielen aufregenden Facetten der Metropole am Bosporus überzeugt ... Im Grunde ist Sibel Susann Teomans Jugendroman eine klassische Prinzessinnen-Story: Lara tanzt Ballett und begeistert sich für Fashion, Make-up und Shoppen, der Nachbarsjunge Noyan ist das Mathe-Genie und Nachkomme eines verarmten Adelsgeschlechts, während Konkurrent Osman, der eitle Spross einer Familie aus der Upper Class, den eifersüchtigen türkischen Macho gibt. Natürlich darf auch der Showdown zwischen „good guy“ und „bad guy“ nicht fehlen. Am interessantesten wird es aber, wenn Teoman die Rückmigration thematisiert und dabei auch Klassenwidersprüche anspricht – eine Seltenheit in der deutschsprachigen (Jugend-)Literatur. Während Laras Familie in Deutschland die biedere Mittelschicht repräsentierte, steigt sie in der Türkei die Klassenleiter weiter hinauf: hier teure Privatschule, dort elitäre Ballettausbildung, dazwischen mal ein exklusiver Schiurlaub. Beverly Hills 90210 lässt grüßen! Vina Yun Sibel Susann Teoman: Ausgerechnet Istanbul Planet Girl 2010, 13,40 Euro Negative Imagearbeit nach Oscar Wilde: „In der Auswahl seiner Feinde kann man nicht sorgfältig genug sein.“ Doch auch Komplimente sind ein trügerisches Vergnügen. Alle halten sich gegenseitig Spiegel vor, und es besteht die Gefahr, sich auf der Suche nach dem Ausgang aus diesem Spiegelkabinett den Kopf anzuschlagen. Und genau dieser Schmerz, den Kritik auslösen kann, ist dann der einzig rote Faden, der aus dem Labyrinth der Eitelkeiten herauszuführen vermag. Doch zum Glück gibt es sie, die offensichtlichen Klischees und das Amüsement darüber, wie schnell die Schubladen aufgehen: Wenn etwa die Musik einer Band, die mehrheitlich aus Menschen nicht-männlichen Geschlechts besteht, als „Tussen-Indie“ bezeichnet wird. Wohlan, ich beschwöre Dich, Dämon der Tussen, gib mir Kraft und führe mich zum Sieg! Ähnlich gelagert ein euphorischer Kommentar auf You-Tube: „Das ist doch Andreas Spechtl. Und die Tuss hat seine Klampfe! Geiler Song.“ Danke, das finden wir auch. Liebe Grüße von der Tussenband. Vera Kropf ist seit 2006 Sängerin und Gitarristin bei Luise Pop und fährt ständig zwischen Berlin und Wien hin und her. Illustration: Lina Walde, http://evaundeva.blogspot.com 40 l an.schläge Juni 2011 an.klang Süßsaure Geschichten Wie Länder klingen und Fleischhauer sich vergnügen, hat sich Regina Himmelbauer angehört. Sarah Hakenberg Der Fleischhauerball handelt – wer hätte das bei dem Titel gedacht – von Liebe, zumindest wenn man den einführenden Worten der Kabarettistin Sarah Hakenberg glauben darf. Die „bitterbösen Lieder und süßsauren Geschichten“, so der Untertitel der CD (Eichborn), haben aber eigentlich keinen gemeinsamen Nenner: In „Klick oder stirb!“ versucht ein Paar, sich gegenseitig zu überzeugen, dass der/die andere eigentlich nur eine Projektion ist. Das „Schlaflied“ beginnt stimmungsvoll mit einer süßlich singenden Säge, aber wenn der Refrain „mit singender Säge zersägen erwäge“ endet, keimt der Verdacht auf, dass das wohl kein harmloses Einschlafliedchen für den Geliebten ist, der da vor ihr gefesselt in ihrem Bett liegt. Oder die Übersetzung eines Songtexts von Lady Gaga, „Monster“: Sämtliche Silbenwiederholungen werden da mit übertragen und – von der studierten Germanistin – auch ironisch analysiert. Die „literarische Kabarettistin“, so die Eigenbezeichnung, erweist sich auch im spontanen Eingehen aufs Publikum als schlagfertig – und die Selbstironie kommt dabei nicht zu kurz … Die Kulturjournalistinnen Corinna Hesse und Antje Hinz bringen in ihrem Silberfuchs-Verlag die verdienterweise mehrfach ausgezeichnete Hörbuch-Reihe Länder hören heraus. Gemeinsam ist diesen Produktionen sowohl ein politisch-historischer als auch ein kultureller Überblick, illustriert mit einem umfangreichen Booklet. Nach zahlreichen Beiträgen zu asiatischen und europäischen Ländern ist nun eine CD erschienen, die nicht einem Land, sondern einer überaus heterogenen Gruppe gewidmet ist: den Sinti und Roma. Anja Tuckermann hat Geschichte und Geschichten zusammengetragen, dazu auch Musik, die häufig so gar nicht dem Klischee der „Zigeunermusik“, wie sie vor allem im 19. und frühen 20. Jahrhundert in die klassische Musik Eingang fand, entspricht. Man erfährt einiges Überraschendes, wie z.B., dass die bekannten Märchen „Schneewittchen“, „Aschenputtel“ und „Frau Holle“ ihren Ursprung in Roma-Erzählungen haben sollen, oder es wird der Einfluss ihrer Musik auf den spanischen Flamenco dargestellt. Wie aus den einst geschätzten ExpertInnen für Handwerk und Pferdehaltung die verachteten „ZigeunerInnen“ werden konnten, wird ebenso beleuchtet wie deren heutige soziale Situation. Künstlerinnen und Künstler sind auch akustisch vertreten, wobei Frauen mit der Sängerin Ezma Redzepova, der Dichterin Papusza oder der Regisseurin Laura Halilovic prominent vertreten sind. Ein eigenes Kapitel ist der Familie Stojka gewidmet: Ceija Stojka, die als eine der wenigen ihrer Familie die NSVerfolgungen überlebt hat, brach auch mit der oralen Tradition ihrer Gemeinschaft und brachte ihre Autobiografie zu Papier. Ein informativer Streifzug durch Geschichte und Kultur – aber mehr noch macht diese herausragende Produktion bewusst, wie wenig wir über diejenigen wissen, die zumeist nur in Diskussionen um Bettelverbote vorkommen. Die zweite Neuerscheinung handelt von Italien. Das ist vergleichsweise kein so unbekanntes Terrain, aber auch hier beeindruckt, wie Corinna Hesse auf knapp 80 Minuten die politische Geschichte umreißt und zentrale kulturelle Ereignisse exemplarisch hervorhebt. Musik spielt wieder eine wichtige Rolle, und zwar nicht nur als Anreicherung der Beiträge. So sind der Geige, den Komponisten um 1600 sowie der italienischen Oper jeweils eigene Kapitel gewidmet. Mit wenigen, aber treffenden Worten wird da die musikalische Seele der Szene aus Orfeos Gang in die Unterwelt geschildert. Aber auch die aktuelle politische Lage wird nicht ausgespart. Der passende Titel des Kapitels zu diesem Thema: „Lust am Untergang oder Wie man aufersteht – Italien heute“. l Links: www.sarah-hakenberg.de www.silberfuchs-verlag.de Juni 2011 an.schläge l 41 an.sehen Protect Me From What I Want* Anorexie und Demütigung bis zum Zusammenbruch – die Reality Soap „Die Lugners“ hält rücksichtslos die Kamera drauf. Von Beate Hausbichler Foto: Jan Ramroth Nach der Trennung der Wiener D-Promis Christine Lugner und Richard Lugner wurde im ATVQuoten-Bringer „Die Lugners“ eine Rolle frei. Lugner machte sich mit Castings auf die Suche nach einer, die sich in der Reality Soap niedermachen lässt: von einer Stimme aus dem Off, vom 78-jährigen Ex-Baumeister samt Sippe und von Society-JournalistInnen. Auch für die Witze, wie sie selbst in alkoholgetränkter Bierzelt-Laune erst zu fortgeschrittener Stunde zu hören sind, musste ein konkretes Zielobjekt her. Und es gab Interessentinnen, gar nicht wenige sogar. Ein feministisches Drama erster Güte. Keine Frage. Das Mitgefühl für die bisherigen Lugner-Begleiterinnen kann sich in Grenzen halten. Mehr oder weniger wussten sie dem Greis auf dumme Sprüche Konter zu geben oder schlugen zumindest ein wenig Kapital aus der medialen Aufmerksamkeit. Dieses steht natürlich in keinem Verhältnis zu den Gewinnen, die ATV und Richard Lugner mit den unappetitlichen Andeutungen auf die vermeintlichen 42 l an.schläge Juni 2011 sexuellen Aktivitäten zwischen dem 78-Jährigen und einer beträchtlich jüngeren Frau einfahren. Früher oder später verabschiedeten sich die Frauen von den Lugners. Die 21-jährige Anastasia Sokol allerdings gibt nun schon seit Ende 2009 die Lugner-Freundin. Sie geht mit Lugner auf Reisen, teilt sich mit ihm ein Zimmer und muss sich von der Kamera-affinen Verwandtschaft sowie in schäbigen „Star“-Magazinen wie der letzte Dreck behandeln lassen. Für all das bekommt die junge Frau natürlich etwas: Schönheits-Operationen im Gesicht, an der Brust, ein Ganzkörper-Waxing, dabei muss sie sich halt ein bisschen zwischen die Beine filmen lassen – ist doch ein fairer Tausch! Also selber schuld? Sicher nicht. Zwar ist es nicht die beste Idee, sich für so etwas herzugeben, aber gibt das JournalistInnen, SendungsmacherInnen oder den „Familienmitgliedern“ das Recht, einen Menschen in jeder erdenklichen Hinsicht zu demütigen? Die junge Frau ist mittlerweile magersüchtig, und ihr fehlt auch psychisch offenkundig die Kraft, diesem Umgang mit ihr irgendetwas entgegenzusetzen. Dennoch scheint niemand diese Steigerungsstufe im Sumpf der Reality Soaps wahrzunehmen. Vom „UnterschichtsFernsehen“ distanzieren sich BildungsbürgerInnen, während den KonsumentInnen (die bestimmt in allen sozialen Schichten zu finden sind) eine neue Dramaturgie geboten wird: Zur Spekulation über das Verhältnis der jungen Frau zum alten Mann kommt nun auch noch die Frage, wie lange es wohl noch bis zum totalen Zusammenbruch der Anastasia Sokol dauert. Ob der schon völlig dem Reality-Taumel erlegene Richard Lugner noch auf die Reihe bekommt, was vor seiner Nase passiert, ist nicht gewiss. Ohne Zweifel weiß aber ATV um die tragische neue Erzählung seines kalkulierten TV-Produkts, ebenso wie die JournalistInnen, die gierig die schlechte Verfassung von Sokol kommentieren. Es braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, wie sich das bei einer 21-Jährigen verhält, die mit Medien keine Erfahrung hat, ihre TV-Beziehungen mit persönlichen verwechselt und noch dazu an Anorexie leidet. Doch wenn Anastasia Sokols körperliche wie psychische Kräfte schwinden, wird weder Richard Lugner noch ATV dafür die Verantwortung übernehmen. Der Sender will die Lugner-Besetzung schließlich als Familie verstanden wissen und ließ kürzlich zum Ausstieg des designierten LugnerSchwiegersohns verlauten, dass sich „ATV in die familiären Angelegenheiten der Familie Lugner nicht einmischt“. Wenn es für eine gefährlich wird, sollte Einmischung aber selbstverständlich sein. Natürlich auch in Familien – und bei einer Reality-Soap allemal. Es wäre höchste Zeit. l Beate Hausbichler ist Redakteurin von diestandard.at und passionierte feministische TV-Kritikerin. * Jenny Holzer an.künden Redaktionsschluss Termine 07-08/11 07.06.2011 [email protected] fest musik 1.6., 21.00, München Candy Club: Sweets and Beats for queers and friends, mit Men + Electrosexual & Ms Sunday Luv Kranhalle München, 81373 München, Hansastraße 39, wwwcandyclub.at 10.6., 21.00, Linz The Su’sis – The Sisters you wanna Swing with, Konzert mit Live-Übertragung auf Radio Fro 105,0 MHz Stadtwerkstatt Linz, 4040 Linz/Urfahr, Kirchengasse 4, www.stwst.at, www. myspace.com/the.su.sis 11.6., 20.00, Salzburg „Die Flüchtlinge feiern, wir feier mit“ – Fest zum internationalen Flüchtlingstag, mit Agidibo, African Drummers and Singers, Color Line, Fire Dance Trio, freier Eintritt ARGEkultur Salzburg, 5020 Salzburg, Ulrike-Gschwandtner-Straße 5, 0662/ 848 784, www.argekultur.at 15.6–17.7., Wien Jazz Fest Wien – mit Marianne Faithful, Cesaria Evora, Betty LaVette, Lisa Minelli Verein Jazz Fest Wien, 1080 Wien, Lammgasse 12/8, T. 01/ 712 42 24, www.viennajazz.org 18.6., 19.00, Graz 20 Jahre FrauenStadtSpaziergang – Jubiläumsfeier, Stadtspaziergang um 17.00 palaverconnected, 8020 Graz, Griesgasse 8, www.frauenservice.at 25.6., 20.00, Wien Julia Malischnig & Band: City of Dreams, Tickets: € 18 Sargfabrik – Verein für integrative Lebensgestaltung, 1140 Wien, Goldschlagstraße 169, T. 01/ 988 98 111, www.sargfabrik.at film 1.6., 19–24.00, Wien „Safe european home?“ Filmnacht zum Thema „Roma-Sein im heutigen Europa“, Eintritt frei Architekturzentrum, 1070 Wien, Museumsplatz 1, T. 01/ 52231 15, www.azw.at 2.–12.6., Wien „identities“ – queer film festival, das lesbischwule Filmfestival in Wien diverse Veranstaltungsorte, Infos und Programm unter www.festival.identities.at 16.–18.6., Innsbruck Filmfest Rejected „Drei Tage im Zeichen unerhörten Kinos“ Bäckerei, 6020 Innsbruck, Dreiheiligengasse 21a, Infos und Programm unter www.filmfest-rejected.com 19.6., 12.15, Wien „Miral“ (FR/Israel/Italien/Indien 2010) (englische OmU), Regie: Julian Schnabel, Karten: € 12.50/ 7 (mit/ ohne Frühstück), Reservierung für Filmfrühstück erbeten! Votivkino, 1090 Wien, Währinger Straße 12, T. 01/ 317 53 71, www.votivkino.at 20.6., 14.00, Wien Barfuß auf Nacktschnecken (FR 2010), mit Diane Kruger, Ludivine Sagnier, Fabienne Bertraud u.a. Gartenbaukino, 1010 Wien, Parkring 12, T. 01/5122 354, www.gartenbaukino.at div. Termine, Österreich „POLL“ (D/Ö/Estland), Regie u. Drehbuch: Chris Kraus, mit Paula Beer, Edgar Selgee, Tambet Tuisk, Jeanette Hain, Richy Müller, www.poll-derfilm.de div. Termine, Österreich KABOOM (FR/USA 2010), ein Film von Andrea Sperling und Gregg Araki, mit Harley Bennet, Thomas Decker, James Duval u.a. bühne 3.–4.6., 20.30, Wien Doris Uhlich: „Wer bin ich in 30 Jahren, was tanze ich, wie performe ich, und was denke ich?“ Tanzquartier Wien, Halle G, 1070 Wien, Museumsplatz 1, T. 01/ 581 35 91, www.tqw.at bis 4.6., 20.30, Wien „The Puzzled Wife“ (Das Mädchen aus der verlorenen Form) – Tanzstück, Gastspiel Teatro Barocco, Text u. Re- gie: Bernd R. Bienert, TänzerInnen: Martina Haager, Kira von Zierotin, Karl Schreiner KosmosTheater, 1070 Wien, Siebensterngasse 42, T. 01/ 523 12 26, www.kosmostheater.at Teilnahmegebühr: € 50, Anmeldung bis 2.6. an [email protected] Adolf-Czettel-Bildungszentrum der AKH, 1040 Wien, Theresianumgasse 16-18, www.politischebildung.at 9.–11.,15.–18.6., 20.30, Wien neunmalschön – ein Märchenprojekt mit Gesang, Tickets: € 16/ erm. 10 KosmosTheater, 1070 Wien, Siebensterngasse 42, T. 01/ 523 12 26, www.kosmostheater.at vortrag diskussion 15.6., 19.30, Wien Eva D.: „Delikatessen“ Kabarett, Tickets: € 16 Theater am Spittelberg, 1070 Wien, Spittelberggasse 10, T. 01/ 526 13 85, www.theateramspittelberg.at 15.–19.6., 19 u. 21.00, Wien Moment – Die Rückkehr der Spielmächtigen, Improvisationstheater Festival, Tickets: € 10/ erm. 8 TAG – Theater an der Gumpendorferstraße, 1060 Wien, Gumpendorferstr. 67, T. 01/586 52 22, www.dastag.at bis 19.6., Wien Wiener Festwochen, Musik und Schauspiel div. Veranstaltungsorte, Programm und Infos unter T. 01/ 589 22 22, www.festwochen.at 1.–2., 7., 11.–12., 15., 17., 24.6., Wien PUNK ROCK – Österreichische Erstaufführung, von Simon Stephens Volkstheater Haupthaus, 1070 Wien, Neustiftgasse 1, T. 01/ 52 1110, www.volkstheater.at 15.7.–7.8., Gars am Kamp OpenAir Festspiele Gars 2011, „Carmen“ von Georges Bizet Burgruine, 3571 Gars am Kamp, am Schlossberg, Info und Kartenreservierung unter T. 01/319 39 39 , www.openair.at seminar workshop 7., 21., 28.6., 15–18.00, Wien Jobwerkstatt – Hilfe und Beratung für Mädchen u. junge Frauen bis 21 zum Thema Bewerbung, Aufnahmetest, Assessment-Center Sprungbrett, 1150 Wien, Pilgerimgasse 22-24/1/1, T. 01/ 789 45 45 (Mo-Mi 13–17.00, Do 9–19.00) 9. u. 10.6., 9–17.00, Wien Social Justice – Training, mit Leah Carola Czollek u. Heike Weinbach, 7.6., 19.00, Wien „Leben, lachen, lieben, kämpfen“ Die antimilitaristischen und feministischen Frauenwiderstandscamps 1983–1993, Vortrag u. Diskussion mit Christiane Leidinger Stichwort – Archiv der Frauen- und Lesbenbewegung, 1040 Wien, Gusshausstraße 20/ 1A+B, T. 01/ 812 98 86, www.stichwort.or.at 8.6., 19.00, Wien Zeitzeuginnengespräch mit Ceija Stoika: Schriftstellerin, Malerin, Musikerin, in Kooperation mit GEDENKDIENST Depot, 1070 Wien, Breite Gasse 3, T. 0699/ 13 53 77 10, www.depot.or.at 15.6., 19.00, Wien „Nachbarschaften herstellen Feminismen diskutieren“, mit Heide Studer, Doris Damyanovic u. Gabriele Habinger, in Kooperation mit dem Verband feministischer Wissenschaftlerinnen Depot, 1070 Wien, Breite Gasse 3, T. 0699/ 13 53 77 10, www.depot.or.at 15.6., 22.00, Wien Wer MACHT die KUNST? – Diskussion über das Kunstwerk zwischen Ästhetik und Aktie, mit Bertran Conrad-Eybesfeld, Andrea Jungmann, Christian Meyer, Elisabeth von Samsonow u.a. Moderation: Thomas Miessgang, freier Eintritt Rote Bar, 1070 Wien, Neustiftgasse 1, T. 01/ 52 1110, www.volkstheater.at 16.6., 18.00, Wien Frauen in der Wirtschaft. Podiumsdiskussion mit Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek, Judith Havasi und Silvia Hruska-Frank, Moderation: Alexandra Weiss Republikanischer Club – Neues Österreich, 1010 Wien, Rockhgasse 1, Cafe Hebenstreit, www.repclub.at 17.6., Wien Symposium: Das Exil von Frauen aus historischer Perspektive und in der Gegenwart Institut für Österreichkunde, 1010 Wien, Hanuschgasse 3, Stiege 1/5, www.univie.ac.at/iwk jeden ersten Montag im Monat, 19.00, Linz Frauen-Kultur-Café: „Diskuthek“ – eine Diplomarbeit aus dem Feministischen Grundstudium (Rosa Mayreder College) wird vorgestellt, anschließend Diskussion Autonomes FRAUENzentrum Linz, Starhembergstraße 10/ 2. Stock, Ecke Mozartstraße, T. 0732 602200 ausstellung 2.6–27.11, Venezia Starie Novostie/ Alte Nachrichten Biblioteca Zenobiana del Temanza Centro Studi e Documentatione della Cultura Armena Corte Zappa, 30123 Venezia, Dorsoduro 1602, 10–18.00, T. 0039 41 522 422 5 bis 9.6., Wien „Spring Thing“ – Verkaufsausstellung mit Werken von sechs jungen KünstlerInnen Lisabird´s Art Collective, 1010 Wien, Dorotheergasse 22/12, Mi 11–19.00, Do 14–24.00 (art club night), Sa u. So 11–19.00 11.6, 13.30, Rostock Vernissage der Ausstellung im Rahmen des Lesbenfrühlingtreffens Rostock 18051 Rostock, Uni-Campus, Ulmenstr. 69 www.lesbenfrueling.de/rostock2011 bis 18.6., Wien ReCoCo: Life under Representational Regimes Kunsthalle Exnergasse, WUK, 1090 Wien, Währinger Straße 59, Di–Fr 13–18.00, Sa 11–14.00, T. 01/ 4012142, www.wuk.at bis 20.6., Wien „Sonst weiß ich über die Mauer nicht viel zu sagen, außer dass sie uns gut eingeschlossen hat“ Museumsquartier Haupthof, 1070 Wien, Museumsplatz 1, Mo u. Sa 15–19.00, T. 01/ 5235, www.mqw.at 23.6–14.7., Salzburg „Unendlich frei“ – Theater- u. Tanzfestival, Eintritt frei div. Orte, Salzburg, Programm und Infos unter www.sommerszene.net bis 10.7., Salzburg Maja Vukoje Salzburger Kunstverein/Künstlerhaus, 5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 3, Di–So: 12–19.00, www.salzburger-kunstverein.at bis 10.7., Linz Friedl vom Gröller: Filme und Foto- Juni 2011 an.schläge l 43 an.künden Wien nach Weikendorf, Infos und Anmeldung unter 02742/ 900 516 273 aktivitäten 6.6., 17.6., 27.6., 17.00, Wien Queer-feministische Vernetzungstreffen zur Vorbereitung der „QueerFem Vernetzungswoche 2011“, die im Sept. in St. Pölten stattfinden wird. Akademie der Bildenden Künste, 1010 Wien, Schillerplatz 3 in der Dez3ntr4le (ehemaliges ÖH-Büro), Kontakt: [email protected], Infos: http://planlos.blogsport.eu/ 2011/01/27/“vernetz2@“-queer-feministisches-vernetzungsprojekt/ WM-Quali-Spiel Island–Estland, Foto: Helgi Hall Gender & kick it … Seit 1991 erst gibt es die Frauenfußball-WM, am 26.6. ist es wieder so weit – Anpfiff für die WM in Deutschland. Zahlreiche Events begleiten die Spiele. Gemeinsam fernsehen, Wetten abschließen und grölen kann man z.B. im Lesbenverein Intervention in Hamburg. Vorträge, Veranstaltungen und eine Ausstellung zur Geschichte des Frauenfußballs gibt es z.B. bei „Gender Kicks 2011“. 28.6., 18.00: USA–Nordkorea, 30.6., 20.45: Deutschland–Nigeria, Intervention e.V., 20357 Hamburg, Glashüttenstr. 2 ab 26.6., „Gender Kicks“, Heinrich-Böll-Stiftung, 10117 Berlin, Schumannstr. 8, zahlreiche Veranstaltungen, von 4.–28.7. Ausstellung „Verlacht Verboten Gefeiert“, www.boell.de/genderkicks Offizielle Website: de.fifa.com/womansworldcup grafien, Eintritt: € 6.50/ erm. 4.50 Lentos Kunstmuseum, 4020 Linz, Ernst-Koref-Promenade 1, Di–So 10–18.00, Do 10–21.00, T. 0732/ 7070 3600 bis 23.6., Berlin-Neukölln „Frauen in der internationalen Arbeiterbewegung“ Bilderreihe, Eintritt frei Galerie Olga Benario, 12043 BerlinNeukölln, Richardstraße 104, T. (0049) 680 59 387, www.galerie-olga-benario.de bis 24.6., Wien „Die Welt der Andrea Ochsenhofer“, Eintritt frei KosmosTheater, 1070 Wien, Siebensterngasse 42, tägl. 18–20.30, T 01/ 523 12 26, www.kosmostheater.at bis 30.6., Wien FESTE.KÄMPFE. 100 Jahre Frauentag. Bild-, Ton- und Filmdokumente zur wechselvollen Geschichte des Frauentags Österreichisches Museum für Volkskunde, 1080 Wien, Laudongasse 15–19, Di–So 10–17.00, Montag geschlossen außer an Feiertagen, T. 01/ 406 89 05, www.volkskundemuseum.at 44 l an.schläge Juni 2011 bis 7.8., Bremen Zilla Leutenegger: More than this, Zeichnungen, Objekte, Videoinstallationen werden zu raumgreifenden Installationen Weserburg I, Museum für moderne Kunst, 28199 Bremen, Teerhof 20, Di, Mi, Fr 10–18.00, Do 10–21.00, Sa u. So 11–18.00, T. (0049) 421/ 59839 70, www.weserburg.at bis 15.11., Wien „MODELLS – das perfekte Profil“, eine LED Installation von Nicole Pruckermayer und Elisabeth Schimana an der Außenfassade des Hotels „Altes Kloster“ und der „Insight Turm“ erlauben einen Blick hinter die Systematiken der „Google- Suchmaschinerie“ Kulturfabrik Hainburg, 2410 Hainburg/ Donau, Kulturplatz 1/ Donaulände 33, Insight Turm: 9–18.00, www.insight-turm.ima.or.at bis 16.9., 0–24.00, Weikersdorf Iris Andraschek und Hubert Lobnig: MY LIFE, MY RULES. Du sollst nicht rauchen! Du sollst nicht links parken! – Installation aus Affichen, Malereien, Zeichnungen Kunstraum Weikendorf, 2253 Weikendorf, Rathausplatz 1, Shuttlebus von 10.–13.6., Rostock Lesbenfrühlingstreffen – Workshops, Podiumsdiskussionen, Kunstausstellung, Musik 18051 Rostock, div. Veranstaltungsorte, Infos und Programm unter www.lesbenfrueling.de/rostock2011 16.–19.6., Wien Internationale Tagung der ÖDA in Kooperation mit der arge region kultur, mit Workshops, Diskussionen, Lesungen und Musik Ö.D.A. - Österreichische DialektautorInnen/Archive, 1060 Wien, Gumpendorferstraße 13/15, T. 01/ 586 12 49, www.oeda.at 21.6., 11–14.00, Wien „Über Geld spricht man“ – Info und Aktionen zur Lohnschere Museumsplatz, 1010 Wien, www.uebergeldsprichtman.blogspot.com 21.6., 18.00, Wien Letzter Info-Abend für die CoachingWoche in Finnland für Frauen im Aufbruch: 31. Juli bis 5. August 2011. Restaurant Mill, 1060 Wien, Millergasse 32, Anm. zum Infoabend: [email protected], Infos: www.diereiter.at Foto: Esra Zimmer 28 Auf engstem Raum mussten 12- bis 14-jährige Mädchen 1942 bis 1944 im Zimmer 28 des Mädchenheims im KZ Theresienstadt ein Dasein in Angst fristen, die meisten kamen in Vernichtungslager, nur wenige überlebten. Kuratorin Hannelore Brenner-Wonschick hat gemeinsam mit zehn Überlebenden des Zimmers 28 Erinnerungen und Dokumente für eine Ausstellung und ein Buch gesammelt. Bis 30.6., „Die Mädchen von Zimmer 28, L410, in Theresienstadt“, Esra, 1020 Wien, Tempelgasse 5, Mo, Mi, Do 8.30–11.30 u. 15–19.00, Di, Fr 8–14.00, Eintritt frei, Lichtbildausweis erforderlich. beratung 3.5., 19 – 21.00, Wien QUEER*FAMILY – begleitende Selbsthilfegruppe für lesbische, schwule, bisexuelle Eltern bzw. Familien mit gleichgeschlechtlichen PartnerInnen Beratungsstelle COURAGE, 1060 Wien, Windmühlgasse 15/17, T. 01/ 585 69 66 (Di–Fr 15–20.00), www.courage-beratung.at 16.6, 19.00, Hamburg Dialog der Generationen zum Thema „Coming Out – aber wo?“ Erzählcafé für Lesben jeden Alters Lesbenverein Intervention, 20357 Hamburg, Glashüttenstraße 2, T: 040245002, [email protected], www.intervention-hamburg.de jeden Montag, 17–19.00, Wien „Treff für junge Lesben und solche, die es werden wollen“ div. Termine, Wien Tanzkurse und Tanzabende für Frauen – Resis.danse, Frauentanzclub div. Veranstaltungsorte, Infos unter www.resisdanse.at diverse Termine, Schweiz Wen-Do – Selbstverteidigung und Selbstbehauptung von Frauen, für Mädchen und Frauen Infos und aktuelles Kursangebot unter www.wendo.ch jeden 2. u. 4. Freitag, 17.00 ARGE Dicke Weiber Treffen – Feministische Initiative dicker Frauen gegen Gewichtsdiskriminierung und Schlankheitsterror – für Vielfalt und positive Selbstbilder, Infos: argedickweiber.wordpress.com, [email protected] FZ-Beisl, 1090 Wien, Währingerstraße 59/ Ecke Prechtlgasse jeden Do u. Fr, 18–24.00, Wien Feministische Kneipe, für Frauen, Lesben, Transpersonen, Intersexpersonen Frauencafé, 1080 Wien, Langegasse 11, www.frauencafe.at jeden Donnerstag, ab 18.00, Graz Offener Abend im „feel free“ der „RosaLila PantherInnen“ feel free – steirisches Schwulen- und Lesbenzentrum, 8020 Graz, Annenstraße 26, T. 0316/ 36 66 01, www.homo.at Foto: RiFilme/StadtkinoFilmverleih Eins, zwei, drei … Passend zum Start der Frauenfußball-WM Ende Juni läuft am 10.6. der Doku-Film „Hana, dul, sed ...“ in den österreichischen Kinos an. Brigitte Weich erzählt darin die Geschichte von vier jungen Nordkoreanerinnen, die erfolgreich für das nationale Frauenfußballteam spielten – allen ideologischen Anfeindungen im Ausland zum Trotz. Als sich das Team nicht für die Olympischen Spiele in Athen qualifizieren konnte, wurden die vier entlassen und schlugen andere Wege ein. Ab 10.6., „Hana, dul, sed ...“ (A 2009), Regie u. Drehbuch: Brigitte Weich, www.hanadulsed.com an.künden Orange 94.0 MHz, Live Stream: http://o94.at, wöchentlich Di, 18–19.00, Wien Weibertalk – Sendung des Autonomen FrauenLesbenZentrums Innsbruck Orange 94.0 MHz, Live Stream: http://o94.at, jeden 2. Di Di, 20–21.00, Deutschland Mrs. Pepsteins Welt – FeminismusAllüren, und Musik, Musik, Musik Radio Blau 99.2 MHz (Leipzig), www.mrspepstein.de, alle 4 Wochen Di, 21–22.00, Wien female:pressure – Feministisches Magazin zu Musik- und Clubkultur Orange 94.0 MHz, Live Stream: http://o94.at, jeden 2. Di Antifee 2011 Emanzipatorische Praxen nicht nur theoretisch behandeln, sondern auch aktiv umsetzen und feiern – bereits zum 5. Mal wird heuer beim Antifee Festival in Göttingen lautstark Gesellschaftskritik geleistet. Workshops, Vorträge und Diskussionen zu „‚Isamkritik‘ als rassistischer Ersatzdiskurs?!“ oder „Sexismus und Fußball“ erhitzen die Gemüter – auf der Bühne heizen dann zusätzlich feministische Bands und Künstler_innen, wie Les Trucs, Scream Club, respect my first u.v.m. ein. 10.6. ab 17.00 u. 11.6 ab 14.00, Campus Uni Göttingen, 37073 Göttingen, www.antifee.de Rosa Lila Villa, 1060 Wien, Linke Wienzeile 102, T. 01/ 586 810, www.villa.at radio fixtermine laufend, an verschiedenen Orten in Vorarlberg FEMAIL-Sprechtage, kostenlose u. vertrauliche Information u. Beratung zu Themen wie Beihilfen, Karenz, Wiedereinstieg, Bildung, Gesundheit, Trennung u. Pension, Sprechtage in allen Regionen mit Claudia Bernard u. Sevinç Kapaklı – Termine unter T. 05522/31002, www.femail.at Mo 18–19.00, Wien Khorschid Khanum – Die persischsprachige Frauensendung Orange 94.0 MHz, Live Stream: http://o94.at, jeden 1. Mo Mo 19–20.00, Oberösterreich 52 Radiominuten – Sendung von FIFTITU%, Vernetzungsstelle für Frauen in Kunst und Kultur in OÖ Radio FRO, 105.0 MHz (Linz), Live Stream: http://fro.at, jeden 4. Mo laufend, Berlin kostenlose Rechtsinformation, psychosoziale Beratung, Arbeitslosenberatung und mehr FRIEDA Frauenzentrum e.V., 10247 Berlin, Proskauer Str. 7 (Vorderhaus), T. (0049) 030/422 42 76, www.frieda-frauenzentrum.de Mo 18–19.00, Kärnten Frauenstimmen – Glas zena Radio Agora 105.5 MHz (Dobrac), Live Stream: www.agora.at, wöchentlich Di, 13–14.00, Wien Globale Dialoge – Women on Air Mi 18–18.30, Salzburg Frauenzimmer – Plattform für eine frauenspezifische Information Radiofabrik 107.5 MHz (Salzburg Stadt), Live Stream: www.radiofabrik.at, wöchentlich Mi 18–19.00, Wien Bauch, Bein, Po – Die Sendung für die ganze Frau Orange 94.0 MHz, Live Stream: http://o94.at, jeden 2. Mi Do 18–19.00, Wien Transgender Radio Orange 94.0 MHz (in Kooperation Radio ALEX, Berlin), Live Stream: http://o94.at, jeden 1. und 3. Do Fr 18–19.00, Wien Radio UFF – Sendung des Unabhängigen FrauenForums Orange 94.0 MHz, Live Stream: http://o94.at, jeden 1. Fr Fr 19–20.00, Oberösterreich SPACEfemFM Frauenradio Radio FRO 105.0 MHz (Linz), Live Stream: http://fro.at, jeden 1., 3. u. 4. Fr Sa 12–13.00, Deutschland Rainbow City – Radio für Lesben und Schwule 97.2 MHz (Berlin), Live Stream: www.radiorainbowcity.de, wöchentlich get the partys started Im Juni wird im WUK ordentlich gefeiert – und zwar feministisch und queer. Die Clubs Homoriental und H.A.P.P.Y bereiten der Regenbogenparade am 16.5. einen gebührenden Abschluss. Nur sechs Tage später geht’s weiter mit „5 Jahre inter-culture-club“ – Konzert und Party von und für die Initiative Minderheiten. Live geben Stefanie Sourial, Ms.Bouron, Bulut und Crazy Bitch in a Cave den Ton an. Später legen Ina Freudenschuß und Yasmine auf. 18.6. ab 21.00: homoriental.wordpress.com, 22.6. ab 20.30: www.initiative.minderheiten.at, WUK – Werkstätten- und Kulturhaus, 1090 Wien, Währinger Straße 59, T. 01/ 40 121 42 So, 19–20.00, Tirol Weibertalk – Sendung des Autonomen FrauenLesbenZentrums Innsbruck FREIRAD 105.9 MHz (Innsbruck), Live Stream: www.freirad.at, jeden 1. So Sa 19–20.00, Steiermark Bertas Bücherstunde – Das feministische Literaturmagazin Radio Helsinki 92.6 MHz (Graz), Live Stream: www.helsinki.at, jeden 4. Sa So 17–18.00, Steiermark Genderfrequenz – Sozialpolitisch, feministisch, unbeugsam Radio Helsinki, 92.6 MHz (Graz), Live Stream: www.helsinki.at, jeden 2. So Frauenbild Der ausschließlich Künstlerinnen vorbehaltene Kaiserswerther Kunstpreis 2011 geht an die österreichische Malerin und Lyrikerin Barbara Rapp. Ihre Ausstellung „Frauenbild zu entsorgen“ umfasst Miniaturwandobjekte genauso wie großformatige Bilder, die das Frauenbild in Medien und Öffentlichkeit verhandeln. Collagenartige Werke zeigen provokant und grotesk den aktuellen Schönheitswahn. Foto: © Barbara Rapp 4.6., ab 19.30 Preisverleihung, 5.6., 12–18.00 Ausstellung, „Gesellschaft Freunde der Künste“ S-thetic Clinic, 40489 Düsseldorf, Kaiserswerther Markt 25-27, www.barbara-rapp.com Juni 2011 an.schläge l 45 Vorschau auf die Juli/August-Ausgabe: In den Ring steigen zappho des monats Alle reden über Frauenfußball. Wir über Frauenboxen. an.schläge gibt’s in folgenden Buchhandlungen: Fachbuchhandlung ÖGB 1010 Kuppitsch 1010 Morawa 1010 Winter 1010 Frick International 1010 tiempo 1010 Facultas 1010 Lhotzkys Literaturbuffet 1020 Südwind 1070 Tabak Trafik Brosenbauch 1070 Riedl 1080 Löwenherz 1090 Südwind 1090 Infoladen Infomaden 1110 Infoladen Treibsand 4040 Kulturverein Waschaecht 4600 Rupertusbuchhandlung 5020 Wagnersche Buchhdlg. 6020 Amazone-Zentrum 6900 Berta – Bücher & Produkte 8020 KiG! Kultur_in_Graz 8020 Hacek-Bücherei 9020 an.schlägetv auf O TO webstrK www.okeam: to.tv Rathausstr. 21 Schottengasse 4 Wollzeile 11 Rathausstr. 18 Schulerstr. 1-3 Johannesgasse 16 Universitätsstr. 7 Taborstraße 28 Mariahilferstr. 8 Kaiserstr. 96 Alser Str. 39 Berggasse 8 Schwarzspanierstr. 15 Wielandgasse 2-4 Rudolfstr. 17 Dragonenstr. 22 Dreifaltigkeitsgasse 12 Museumstr. 4 Brockmanngasse 15 Siebenundvierzigerg.27 Feuerbachgasse 25 Paulitschgasse 5/7 und auch in vielen Städten in Deutschland. Vollständige Liste der Verkaufsstellen auf: an.schläge-Abopreise: Schnupperabo (3 Hefte): 10/12* Euro Jahresabo (10 Hefte): 35/ermäßigt 29/45* Euro Unterstützungsabo (10 Hefte): 43/53* Euro * Gültig für Europa, weitere Auslandspreise auf Anfrage. Weitere Infos unter [email protected] oder auf www.anschlaege.at. www.anschlaege.at www.myspace.com/an.schlaege www.facebook.com/anschlaege FRAUENHOTEL artemisia BERLIN Zimmer zum Wohlfühlen in Citylage. Ab 39,- Euro. Brandenburgische Str. 18, 10707 Berlin, T 0049 -30 8738905 [email protected], 46 l an.schläge Juni 2011 www.frauenhotel-berlin.de Eine Stadt, die Lernen und Freizeit verbindet. Wien ist voll dabei. 05. 21. 2011 mai august Frauen im KreuzFeuer. Jenny Matthews verlängert bis 21. aug. 11 Platz 501, 6952 Hittisau T +43 (0) 5513 6209-30 [email protected] www.frauenmuseum.at frauenmuseum hittisau Alle kampfbereit – außer Deutschland Gaddafi: Wir schießen Urlaubsflieger ab Libyen: Freude über Luftangriff Betrug srekor d: Deutsche AKW: die sichersten auf der Welt Nach den Landtagswa hlen: Deutschland strahlt grün SO WIRD BEI HARTZ IV ABG EZOC KT! a: Speerwerferin in Kub dgranate Training mit der Han Israel: Einzige Demokratie im Nahen Osten en hwer im Komm Linke Gewalt sc Sarrazin-Debatte: Deutsche arbeiten demografisch an ihrem Verschwinden Wenn die Umgebung passt, dann macht Lernen richtig Spaß. Mit Beginn des Schuljahres 2014/15 wird am Hauptbahnhof ein Bildungscampus für 0- bis 14-Jährige auf 20.000 m² für 1.100 Kinder aus Kindergartengruppen, einer Ganztagsvolksschule und einer Ganztagshauptschule eröffnet. Sie werden alle Infrastruktur- und Freizeitangebote gemeinsam nutzen. 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Mit Blick auf Japan Zulassung neuer Meiler ausgesetzt 9 ing www.jungewelt.de Revolutionärer Akt Von preußischen Truppen belagert: Vor 140 Jahren rief die Bevölkeru ng von Paris die Kommune aus 10 Merkels AKW sind »sicher« Japan: Situation verschärft sich Leerformeln und schöne Worte – ein parlamentaris cher Offenbarungseid der Nordrhein-Westfalen will Kanzlerin. heute den Bundesrat einsch alten. Von Peter Wolter P lattheiten, Allgemein plätze und immer wieder: »Unsere Kernkraftwerke sind sicher« – viel mehr als Leerforme ln und einen Schwall schöner Worte hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am gestrigen Donnerstag im Bundestag in ihrer Regierungserklärung zur Atompolitik nicht anzubieten . Trotz des Nachbohrens der Opposition vermochte sie den Widerspru ch nicht zu klären, warum dann acht dieser »weltweit sichersten« Kraftwerk e vorläufig abgeschaltet werden sollen. Keine Rede davon, die Laufzeitve rlängerung für Atomkraftwerke zurückzun ehmen, keine Rede davon, die in den 70er Jahren konzipierten Atommeiler für alle Zeiten stillzulege n. Ein derart argumentationsfreier Auftritt ist wohl nur damit zu erklären, der besorgten Öffentlichkeit mit Blick auf die bevorstehenden Landtagsw ahlen einen Kurswechsel vorzugaukeln. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel warf Merkel in der Debatte Zwei Drittel aller Deutschen halten Merkels vor, noch zur Zeit der schwarz-ro Schwenk in der Atompolit ten ik für ein Wahlkampfmanöver Regierungskoalition den Weiterbe- aktor-Katastrophe trieb der ältesten Kraftwerk in der japanischen Entscheidu e erzwun- Stadt Fukushima ngen geben.« gen zu haben. Sie habe »nicht länger verantTagesspiegel schon am heutigen sich damals, wortbar«, Nicht nur von den Oppositio Freisagte der Fraktionschef als er selbst Bundesum ns- tag Nägel mit Köpfen der bänken im Bundestag weltminist machen und in aus, sondern den Bundesrat gewesen sei, für den Weiterbetr er Grünen, Jürgen Trittin. Sein Kollege auch einen Entschließungsvon namhaften Staatsrech ieb von der Linksparte tlern antrag einbringen von Biblis A und Neckarwes i, Gregor Gysi, for- wurde , der zur Rücknahme kritisiert, daß die Bundesreg theim I derte: »Der 11. März 2011 muß das rung eingesetzt. »Sie haben ie- der Laufzeitverlängerung mich schrift- Ende des nicht führen soll. das Recht habe, nuklearen Zeitalters eingedas vom Da weder die lich dazu aufgefordert, die Parteien der Berliner Parlament beschlossene Laufzeiten leitete haben.« Gesetz zur Regierung dieser beiden Atomkraft skoalition noch Laufzeitverlängerung einfach werke zu verUnterstützung erhielt Merkel außer position eine Mehrheit die der Oplängern!« Und im vergangen aus0 30/53 www.jungewelt.de/abo/3wochenabo.php 63 55-50 Kraft zu setzen. en Herbst den Reihen • Abotelefon: in der LänderDer frühere Präsident der Regierungskoalition. habe Merkel dann die kammer haben, dürfte es des Bundesverfassungsge Laufzeitver- »Die Unionsfrak wohl beim richts Hans- Austausch längerung mit den Energieko tion steht geschlos- Jürgen von Argumenten bleiben. nzernen sen hinter dem, Papier bezeichnete diese Ent- NRW, so kündigte ausgehandelt: »Sie persönlich was die Kanzlerin scheidung Landesumweltmihaben vorgetragen hat«, am Donnerstag als nicht Sicherheit gegen Geld versicherte deren verfassung nister Johannes Remmel getauscht«, Vorsitzend (Grüne) laut skonform. er Volker Kauder. Und sagte Gabriel. »Ohne Tagesspiegel an, werde Ihre Kumpa- seine Kollegin SPD-Chef Gabriel forderte dann einen von der FDP, Brigitte eine formellen Gesetzentw nei mit der Atomwirtschaft Entscheidung durch den wären sie Homburger, urf einbringen. Bundestag. Ziel sei der versprach: »Mit uns wird längst vom Netz.« endgültige Ausstieg aus Die von SPD und Grünen es keinen Sicherheitsrabatt, gestellte der Atomkraft Das Restrisiko sei nach aber auch Landesregierung . der Re- kein hektisches Nordrhein-WestfaÜberbordwerfen aller lens will nach Angaben des Berliner u Siehe Seiten 7 und 8 Name Bitte schicken Sie mir oder folgender Person die Tageszeitung junge Welt für drei Wochen kostenlos. Das Testabo endet automatisch. Straße/Nr. Ja, ich bin damit einverstanden, daß Sie mich zwecks einer Leserbefragung zur Qualität der Zeitung, der Zustellung und zur Fortführung des Abonnements telefonisch kontaktieren. (jW garantiert, daß die Daten ausschließlich zur Kundenbetreuung genutzt werden.) Frau Herr Vorname PLZ/Ort Telefon E-Mail Datum Unterschrift Die Belieferung soll ab Montag, den beginnen. Coupon einsenden an: Verlag 8. Mai GmbH, Torstraße 6, 10119 Berlin, oder faxen an die 0 30/53 63 55-44 AP ... oder gleich hier im Probeabo TOBIAS SCHWARZ / REUTERS . bis 26 t s u Aug Streit um »Stuttgart 21« gefährdet Zukunftsfähigkeit Deutschlands Tokio/Berlin. Mit allen Mitteln kämpft das japanische Militär gegen Kernschmelzen im Katastrophen-AKW Fukushima . Mit Wasserabwürfen aus der Luft und Spritzkanonen am Boden versuchen die Soldaten, den havarierten Reaktor 3 zu kühlen. Ob das große Atom-Desaster noch verhindert werden kann, entscheide t sich nach Einschätzung der deutschen Gesellschaft für Strahlensc hutz vermutlich bis Samstag: Wenn die Kühlversuche an Block 4 des havarierten Atomkraftwerks scheiterten, komme es zur Katastroph e. Hier liegen die Kernbrenn stäbe außerhalb der stählernen Schutzhüll e offen in einem Abklingbe cken. Die Situation der Flüchtling e in Japan verschärft sich derweil. Vor allem im Nordosten kämpfen die Menschen gegen bittere Kälte. Benzin und Nahrungsmittel werden immer knapper. Die Zahl der offiziell registrierten Todesopfe r stieg auf knapp 6 000. (dpa/jW) u Siehe Seite 7 an.schläge Charité: ver.di will Druck erhöhen Berlin. Bei den Tarifverha ndlungen in der Berliner Charité ist es am Donnerstag nicht zu einer Einigung gekommen. Nach Angaben der Gewerkschaft ver.di hat das Management des Unikliniku ms kein akzeptables Angebot vorgelegt. Am Dienstag waren 2 000 Beschäftigte in einen ganztägige n Warnstreik getreten. Die Bezahlung der Mitarbeiter liege derzeit 14 Prozent € 3,80 (Ö) € 4,80 (D) sfr 9,00 s u m s i n i m Fe für alle! das feministische monatsmagazin. juni 2011 Fast zehn Prozent unserer Abonnent_innen sind männlich. Join the Press|ure Group! Jetzt l l an.schläge abonnieren. Schnupperabo (3 Hefte): 10 / 12* Euro Jahresabo (10 Hefte): 35 (ermäßigt 29) / 45* Euro Unterstützungsabo (10 Hefte): 43 / 53* Euro * gültig für Europa, weitere Auslandspreise auf Anfrage Infos und Bestellungen unter [email protected] oder auf www.anschlaege.at an.schläge Nr. 06/11, 25. Jahrgang, € 3,80 (Ö) € 4,80 (D) sfr 9,00 , ISSN 1993-3002, P.b.b. Erscheinungsort Wien, Verlagspostamt 1010 Wien, envoi à taxe réduite, GZ 02Z031419 M Feminist Press|ure Lesen junge Feminist_innen noch Zeitung? Mein Busch gehört mir! Der Trend zur Intimrasur entwickelt haarsträubende Auswüchse Tanja Ostojić Interview: Die Künstlerin über „Naked Life“ und Anti-Roma-Rassismus Plus: Kurz-Kritik >> Ägypten >> Joanna Russ >> Geburtshilfe & Groschenromane >> Poly Styrene >> lesbisches Camping in Ungarn >> und vieles mehr