Juni 2011

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Juni 2011
€ 3,80 (Ö) € 4,80 (D) sfr 9,00
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Fe
für alle!
das feministische monatsmagazin. juni 2011
Fast zehn Prozent unserer Abonnent_innen sind männlich.
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an.schläge Nr. 06/11, 25. Jahrgang, € 3,80 (Ö) € 4,80 (D) sfr 9,00 , ISSN 1993-3002, P.b.b. Erscheinungsort Wien, Verlagspostamt 1010 Wien, envoi à taxe réduite, GZ 02Z031419 M
Feminist Press|ure Lesen junge Feminist_innen noch Zeitung? Mein Busch gehört mir! Der Trend zur Intimrasur entwickelt haarsträubende Auswüchse Tanja Ostojić Interview: Die Künstlerin über „Naked Life“ und Anti-Roma-Rassismus Plus: Kurz-Kritik >> Ägypten >> Joanna Russ >> Geburtshilfe & Groschenromane >>
Poly Styrene >> lesbisches Camping in Ungarn >> und vieles mehr
Eine Stadt, die Lernen und Freizeit verbindet.
Wien ist voll dabei.
05.
21.
2011
mai
august
Frauen im KreuzFeuer.
Jenny Matthews
verlängert bis 21. aug. 11
Platz 501, 6952 Hittisau T +43 (0) 5513 6209-30
[email protected] www.frauenmuseum.at
frauenmuseum
hittisau
Alle kampfbereit –
außer Deutschland
Gaddafi: Wir schießen
Urlaubsflieger ab
Libyen:
Freude über
Luftangriff
Betrug srekor d:
Deutsche AKW:
die sichersten
auf der Welt
Nach den Landtagswa
hlen:
Deutschland strahlt
grün
SO WIRD
BEI HARTZ IV
ABG EZOC KT!
a:
Speerwerferin in Kub
dgranate
Training mit der Han
Israel: Einzige Demokratie im Nahen Osten
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hwer im Komm
Linke Gewalt sc
Sarrazin-Debatte:
Deutsche arbeiten
demografisch
an ihrem
Verschwinden
Wenn die Umgebung passt, dann macht Lernen richtig Spaß. Mit Beginn
des Schuljahres 2014/15 wird am Hauptbahnhof ein Bildungscampus für
0- bis 14-Jährige auf 20.000 m² für 1.100 Kinder aus Kindergartengruppen,
einer Ganztagsvolksschule und einer Ganztagshauptschule eröffnet. Sie
werden alle Infrastruktur- und Freizeitangebote gemeinsam nutzen. Mehr
Infos unter: www.bildungscampus.wien.at
2011
m.at
espressofil
rollen.wechsel
ju n g e W e lt
Jetzt am
Kiosk.
Die Tageszeitung
G e g r ü n d e t 19 47 · Fre
itag, 18. März 2011
· N r . 65 · 1 , 3 0 E u ro ·
PV S t A 110 02 · E n t ge
l t b e za h l t
Neuer Tarif
Etappensieg für die GDL:
Lokführer
schließen Rahmenvertrag
im privaten Schienengüterverke
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2
Gewagte Theorie
Israelische Piraterie: Keine
glaubwürdigen Indizien für iranischen
Waffenschmuggel in den Gazastrei
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Freiheit für Bradley Mann
Angebliche Datenweitergabe
an Wiki­
leaks: Einem Nachrichte
nanalysten
der US­Armee wird der
Prozeß ge­
macht, weil er Kriegsverbr
echen ent­
hüllt hat. Schwerpunkt zum
Tag der
politischen Gefangenen
Seite 3
Vorsichtige Pause
China will Atomstromproduk
tion massiv ausbauen. Mit Blick auf
Japan
Zulassung neuer Meiler
ausgesetzt
9
ing
www.jungewelt.de
Revolutionärer Akt
Von preußischen Truppen
belagert: Vor
140 Jahren rief die Bevölkeru
ng
von Paris die Kommune
aus
10
Merkels AKW sind »sicher«
Japan: Situation
verschärft sich
Leerformeln und schöne
Worte – ein parlamentaris
cher Offenbarungseid der
Nordrhein-Westfalen will
Kanzlerin.
heute den Bundesrat einsch
alten. Von Peter Wolter
P
lattheiten, Allgemein
plätze
und immer wieder: »Unsere
Kernkraftwerke sind sicher«
–
viel mehr als Leerforme
ln und einen
Schwall schöner Worte hatte
Bundeskanzlerin Angela Merkel
(CDU) am
gestrigen Donnerstag im
Bundestag
in ihrer Regierungserklärung
zur
Atompolitik nicht anzubieten
. Trotz
des Nachbohrens der Opposition
vermochte sie den Widerspru
ch nicht zu
klären, warum dann acht
dieser »weltweit sichersten« Kraftwerk
e vorläufig
abgeschaltet werden sollen.
Keine Rede davon, die Laufzeitve
rlängerung
für Atomkraftwerke zurückzun
ehmen, keine Rede davon,
die in den
70er Jahren konzipierten
Atommeiler
für alle Zeiten stillzulege
n. Ein derart
argumentationsfreier Auftritt
ist wohl
nur damit zu erklären, der
besorgten
Öffentlichkeit mit Blick
auf die bevorstehenden Landtagsw
ahlen einen
Kurswechsel vorzugaukeln.
Der SPD-Vorsitzende
Sigmar
Gabriel warf Merkel in
der Debatte Zwei Drittel
aller Deutschen halten Merkels
vor, noch zur Zeit der schwarz-ro
Schwenk in der Atompolit
ten
ik für ein Wahlkampfmanöver
Regierungskoalition den
Weiterbe- aktor-Katastrophe
trieb der ältesten Kraftwerk
in der japanischen Entscheidu
e erzwun- Stadt Fukushima
ngen geben.«
gen zu haben. Sie habe
»nicht länger verantTagesspiegel schon am heutigen
sich damals, wortbar«,
Nicht nur von den Oppositio
Freisagte der Fraktionschef
als er selbst Bundesum
ns- tag Nägel mit Köpfen
der bänken im Bundestag
weltminist
machen und in
aus, sondern den Bundesrat
gewesen sei, für den Weiterbetr er Grünen, Jürgen Trittin. Sein Kollege auch
einen Entschließungsvon namhaften Staatsrech
ieb von der Linksparte
tlern antrag einbringen
von Biblis A und Neckarwes
i, Gregor Gysi, for- wurde
, der zur Rücknahme
kritisiert, daß die Bundesreg
theim I derte: »Der 11.
März 2011 muß das rung
eingesetzt. »Sie haben
ie- der Laufzeitverlängerung
mich schrift- Ende des
nicht
führen soll.
das
Recht
habe,
nuklearen Zeitalters eingedas vom Da weder die
lich dazu aufgefordert, die
Parteien der Berliner
Parlament beschlossene
Laufzeiten leitete haben.«
Gesetz zur Regierung
dieser beiden Atomkraft
skoalition noch
Laufzeitverlängerung einfach
werke zu verUnterstützung erhielt Merkel
außer position eine Mehrheit die der Oplängern!« Und im vergangen
aus0 30/53
www.jungewelt.de/abo/3wochenabo.php
63 55-50
Kraft zu setzen.
en Herbst den Reihen • Abotelefon:
in der LänderDer frühere Präsident
der Regierungskoalition.
habe Merkel dann die
kammer haben, dürfte es
des Bundesverfassungsge
Laufzeitver- »Die Unionsfrak
wohl beim
richts Hans- Austausch
längerung mit den Energieko
tion steht geschlos- Jürgen
von Argumenten bleiben.
nzernen sen hinter dem,
Papier bezeichnete diese
Ent- NRW, so kündigte
ausgehandelt: »Sie persönlich
was die Kanzlerin scheidung
Landesumweltmihaben vorgetragen hat«,
am Donnerstag als nicht
Sicherheit gegen Geld
versicherte deren verfassung
nister Johannes Remmel
getauscht«, Vorsitzend
(Grüne) laut
skonform.
er Volker Kauder. Und
sagte Gabriel. »Ohne
Tagesspiegel an, werde
Ihre Kumpa- seine Kollegin
SPD-Chef Gabriel forderte
dann einen
von der FDP, Brigitte
eine formellen Gesetzentw
nei mit der Atomwirtschaft
Entscheidung durch den
wären sie Homburger,
urf einbringen.
Bundestag. Ziel sei der
versprach: »Mit uns wird
längst vom Netz.«
endgültige Ausstieg aus
Die von SPD und Grünen
es keinen Sicherheitsrabatt,
gestellte der Atomkraft
Das Restrisiko sei nach
aber auch Landesregierung
.
der Re- kein hektisches
Nordrhein-WestfaÜberbordwerfen aller
lens will nach Angaben
des Berliner u Siehe Seiten
7 und 8
Name
Bitte schicken Sie mir oder folgender Person
die Tageszeitung junge Welt für drei Wochen
kostenlos. Das Testabo endet automatisch.
Straße/Nr.
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Frau
Herr
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AP
... oder gleich hier im Probeabo
TOBIAS SCHWARZ
/ REUTERS
.
bis 26
t
s
u
Aug
Streit um
»Stuttgart 21«
gefährdet
Zukunftsfähigkeit
Deutschlands
Tokio/Berlin. Mit allen Mitteln
kämpft das japanische Militär
gegen Kernschmelzen im
Katastrophen-AKW Fukushima
. Mit
Wasserabwürfen aus der
Luft und
Spritzkanonen am Boden
versuchen die Soldaten, den havarierten
Reaktor 3 zu kühlen. Ob
das große
Atom-Desaster noch verhindert
werden kann, entscheide
t sich
nach Einschätzung der deutschen
Gesellschaft für Strahlensc
hutz
vermutlich bis Samstag:
Wenn
die Kühlversuche an Block
4 des
havarierten Atomkraftwerks
scheiterten, komme es zur Katastroph
e.
Hier liegen die Kernbrenn
stäbe außerhalb der stählernen Schutzhüll
e
offen in einem Abklingbe
cken.
Die Situation der Flüchtling
e in
Japan verschärft sich derweil.
Vor
allem im Nordosten kämpfen
die
Menschen gegen bittere
Kälte.
Benzin und Nahrungsmittel
werden immer knapper. Die
Zahl der
offiziell registrierten Todesopfe
r
stieg auf knapp 6 000.
(dpa/jW)
u Siehe Seite 7
an.schläge
Charité: ver.di will
Druck erhöhen
Berlin. Bei den Tarifverha
ndlungen
in der Berliner Charité ist
es am
Donnerstag nicht zu einer
Einigung gekommen. Nach Angaben
der Gewerkschaft ver.di
hat das
Management des Unikliniku
ms
kein akzeptables Angebot
vorgelegt. Am Dienstag waren
2 000
Beschäftigte in einen ganztägige
n
Warnstreik getreten. Die
Bezahlung der Mitarbeiter liege
derzeit
14 Prozent
Politik
06 >>> an.riss politik
08 >>>
Das war es wert
Eine Ex-Praktikantin klagte erfolgreich auf Lohnnachzahlung
10 >>>
„Sie ist schon in der Parallelgesellschaft“
Staatssekretär für Integration Sebastian Kurz denkt immer nur an das eine
12 >>>
Der Kampf wird zäher
Die Euphorie der Aktivistinnen in Ägypten wurde gedämpft
14 >>>
an.riss international
Thema: Feministische Medien
16 >>> feminist press|ure
Round-Table-Gespräch: Lesen junge Feminist_innen noch Zeitung?
22 >>> New Girls im „Old Boys Network“
Frauen schlagen sich im Internet mit den gleichen Problemen wie in der Offline-Welt herum
24 >>>
an.sprüche
Ohne Hand in der Hose: Feministinnen in journalistischen Brotjobs
Gesellschaft
26 >>>
an.riss arbeit wissenschaft
28 >>>
30 >>>
Mit dem Notebook zur Geburt
Interview: Ursula Walch ist Hebamme und schreibt erotische Romane
31 >>>
Kemping
Urlaubsempfehlung: ein lesbischer Campingplatz in Südungarn
„Es herrscht Aufbruchstimmung“
Interview: Sabine Seidler übernimmt ab Herbst das Rektorat der TU Wien Kultur
32 >>>
an.riss kultur
34 >>>
Vergnügt verwegen
Nachruf auf Joanna Russ, die queere Sci-Fi-Geschichte geschrieben hat
35 >>>
Gegen Sexualisierung anquietschen
Nachruf auf die Vorreiterin der Riot-Grrrl-Bewegung Poly Styrene von X-Ray Spex
Heiße Kartoffeln auffangen
Interview: Mit „Naked Life“ macht Tanja Ostojić Anti-Roma-Rassismus zum Thema
11
28
33
neuland
05
11
an.sage: Mein Busch gehört mir!
37
zeitausgleich
06
26
sprechblase: Sager des Monats
41
heimspiel
06
29
plusminus: Male shit & male hit
44
lebenslauf
07
33
an.frage: Alliierte Minderheiten
47
lesbennest
15
37
medienmix: Kulturrisse, queerpoint.de,
50
bonustrack: vera kropf
40
Gamer Girls Radio
Kolumnen
Rubriken
Rubriken
36 >>>
an.lesen: Hilal Sezgin u.a., Irmtraut Karlsson,
Ulrike Draesner, Elisabeth Fraller, George Langnas,
Nadja Bucher, Anja Nordmann, Sibel Susann Teoman
an.klang: Sarah Hakenberg, Corinna Hesse und
Antje Hinz
an.sehen: „Die Lugners“
an.künden: Termine & Tipps
38
katzenpost
zappho des monats
43
46
41
42
43
Juni 2011 an.schläge l 03
editorial
Auch dieses Jahr beteiligten sich die an.schläge am
Wiener Töchtertag (s. Seite 27). Die Redaktion war voller
Mädchen und es war laut und lustig. Die zehn Schülerinnen
übten sich in journalistischer Arbeit und recherchierten
zu den – frei gewählten – Themen „Männerberufe“ und
Schönheitsoperationen. Ergebnisse ihrer Recherchen:
Frauen können alles, lediglich die Berufswahl „Forstarbeit“ sei möglicherweise nicht optimal – doch auch hierzu
gab es geteilte Meinungen. Auch die Straßenumfragen zur
Schönheitschirurgie ergaben Erfreuliches: „Frau sorgt sich
unnötigerweise viel zu sehr um ihr Aussehen“, so die Bilanz
der Mädchen.
Nicht so erfreulich war, dass wir in der Mai-Ausgabe ein
falsches Foto bei einem Termintipp hatten. Wie konnte das
passieren: Auf S. 45 ist über einer Gustav-Konzertankündigung Clara Luzia zu sehen! Clara Luzia war nun immerhin
ein Jahr lang die Autorin unserer Musik-Kolumne „bonustrack“. Wir bitten vielmals um Verzeihung. Den bonustrack
bespielt ab dieser Ausgabe Vera Kropf von „Luise Pop“.
Danke, Clara Luzia, und welcome, Vera Kropf!
Die Redaktion
an.schläge werden gefördert von:
Feminist Superheroines
Die in Russland geborene Schriftstellerin und Aktivistin Emma Goldman (1869-1940) war eine feministische Anarchistin und wurde nach
ihrer Immigration in die USA zunächst v.a. durch ihre Reden über
selbstbestimmte Geburtenkontrolle und reproduktive Rechte bekannt. In der von ihr herausgegebenen Zeitschrift „Mother Earth“
rief sie zur Befreiung und Gleichstellung von Frauen und zum Widerstand gegen staatliche Repression auf. Ihre emanzipatorischen
Ansichten wurden gleich mit drei Gefängnisaufenthalten in den USA
bestraft. Nichtsdestotrotz gab sie ihre Visionen nicht auf und leistete
Zeit ihres Lebens durch den Kampf gegen das Patriarchat und für
Emanzipation, Freiheit, Frauenrechte und Gleichstellung einen wichtigen Beitrag zum Zusammenwachsen von Feminismus und Anarchismus. Auf ihrem Grabstein ist zu lesen „Liberty will not descend to a
people, a people must raise themselves to Liberity.“ isaga
Illustration: Lina Walde
impressum
Herausgeberinnen und Verlegerinnen: CheckArt, Verein für feministische Medien und Politik. A-1030 Wien, Untere Weißgerberstr. 41, T. 01/920 16 76, E-Mail: [email protected],
[email protected], www.anschlaege.at l Koordinierende Redakteurinnen: Sylvia Köchl, [email protected], T.01/920 16 76, Lea Susemichel, [email protected], T. 01/920 16 78
Buchhaltung, Abos: Svenja Häfner, [email protected], [email protected] l Termine, Tipps: Anita Weidhofer, [email protected] l Inserate: Michèle Thoma, [email protected] l
Redaktion: Bettina Enzenhofer/be, Andrea Heinz/han, Sylvia Köchl/sylk, Silke Pixner/pix, Fiona Sara Schmidt/fis, Lea Susemichel/les, Irmi Wutscher/trude, Vina Yun/viyu l Praktikum: Isabelle
Garde l Texte: Kendra Eckhorst, Christiane Erharter, Dagmar Fink, Denice Fredriksson, Isabelle Garde/isaga, Svenja Häfner/svh, Beate Hammond, Renate Hausbichler, Regina Himmelbauer, Gabi Horak, Leonie Kapfer/leka, Nadine Kegele, Birge Krondorfer, Vera Kropf, Alice Ludvig, Katharina Ludwig, Bärbel Mende-Danneberg, Gabi Migdalek, Juliane Schumacher,
Jenny Unger, Anita Weidhofer/atina l Layoutkonzept & Layout: Lisa Bolyos l Coverillustration: Bianca Tschaikner l Cartoons & Illustrationen: Paula Bolyos, Nadine Kappacher, Lisa Max, Bianca Tschaikner,
Lina Walde l Fotos: an.schläge-Archiv, Adnan Al-Rajehi, Carolina Frank, Esra, girls-day.de, Helgi Hall, Sylvia Köchl/SylK, mutternacht.de, Gaby Osman, Andrew Phelps, Jan Ramroth, Barbara
Rapp, Stadtkino-Filmverleih, TU Wien l Homepage: Mirjam Bromundt, www.anschlaege.at l Druck: H.R.G. Druckerei © an.schläge: Titel, Vorspann und Zwischentitel von der Redaktion. Namentlich
gekennzeichnete Beiträge müssen nicht der Auffassung der Redaktion entsprechen. Kürzungen vorbehalten. l ISSN 1993-3002
04 l an.schläge Juni 2011
an.sage
Mein Busch gehört mir!
Ein Kommentar von Andrea Heinz
„Ganz im
geheimen wird
wieder entworfen, was eine
Frau ist […]. Es
müssen die Haare zwanzigmal
gebürstet werden, die Füße
gesalbt und die
Zehennägel
lackiert werden, es müssen die Haare von den Beinen und
unter den Achseln entfernt werden, die Dusche wird an- und
ausgemacht, ein Körperpuder wolkt im Badezimmer, es wird
in den Spiegel gesehen […].“ Das biologische Geschlecht
maximal dem erwünschten sozialen anzupassen, war schon zu
den Zeiten, als Ingeborg Bachmann ihren Roman „Malina“
schrieb, vor allem eines: harte Arbeit. Ständig muss nachgebessert und renoviert werden, und 40 Jahre später sind die
Anforderungen an den Körper sogar noch gestiegen: Auch an
intimen Stellen möge er sich bitte nicht so gebärden, wie es
ihm passt. Da sei der Brazilian Hollywood Cut vor!
Der Trend zur Intimrasur entwickelt buchstäblich haarsträubende Auswüchse: Schwimmerin Franziska van Almsick
verkündet öffentlich, sie fände Körperbehaarung grundsätzlich unhygienisch. Was sie von Kopfbehaarung und diversen
anderen Körperfunktionen hält, konnte nicht eruiert werden.
Victoria Beckham jedenfalls kann sie verstehen. Beckham
fordert, Intimrasur solle für Frauen ab 18 Jahren Pflicht sein
(so gelesen im „Zeit“-Artikel „Schönheit unter der Gürtellinie“).
Man könnte solche Entwicklungen natürlich einfach ganz
gelassen nehmen. Soll doch eine jede mit ihrem Busch machen, was sie will. Nicht nur mein Bauch, mein ganzer Körper
gehört mir – oder? Wirft man einen Blick auf die erstaunlich
zahlreichen Internet-Selbsthilfe-Seiten zum Thema, so scheint
es ja durchaus, als könnte die Sache zur spaßigen Obsession
werden. Hingebungsvoll wird da über Nassrasur, Babypuder
und Pickelchen, schwarze Stoppeln unter der Haut und deren
Vermeidung referiert. Denn, so der Tenor: Haare sind eklig
und wir „schließlich keine Orang Utans“. Eine Tatsache.
Außerdem ist es so „geiler, sauberer, leckerer … ich mach das
jetzt seit vier Jahren und bereue keinen Tag“.
Ein bisschen anders sieht das Politikwissenschaftlerin und
Philosophin Regula Stämpfli. Sie schrieb bereits 2008 in
der „Emma“: „Kindermösen an erwachsenen Frauen sind
also nicht einfach chic, hip, Mode, bequem, geil, lockeres
Schönheitshandeln, sondern sie sind die am eigenen Körper
vollzogene herrschende politische Philosophie. Die entblößenden Kindermösen erwachsener Frauen sind unreflektierte
Kopien globalisierter und anatomisierter, enterotisierter und
entweiblichter (Waren)Körperhandlungen.“
Zum pädophilen Aspekt kommt für Stämpfli ein zunehmender Verlust an Individualität: „Zwischen den Beinen sehen
dann alle gleich aus, und die Intimoperationen sind nur noch
ein weiterer Schritt in eine ähnliche Richtung. Der Mensch
wird uniform“, zitiert sie die „Zeit“. Denn auch die Genitalien werden zunehmend normiert, und eine OP scheint für
immer mehr Frauen der einzige Weg zu sein, dieser Norm zu
entsprechen.
Der Horrorgeschichten von misslungenen Intimoperationen
gibt es genug, man kann es sich ausmalen. Doch auch harmlosere Auswirkungen des neuen, haarlosen Schönheitsideals
geben zu denken. Im soeben erschienenen Buch „Living
Dolls: Warum junge Frauen heute lieber schön als schlau sein
wollen“ von Natasha Walter werden junge Studentinnen der
Uni Cambridge mit der Aussage zitiert, sie würden niemals
im Leben mit einem Mann schlafen, wenn sie sich nicht zuvor
die Schamhaare rasiert hätten. Schließlich wissen sie, „was
die Männer gesehen haben und was sie erwarten“. In der
„Zeit“ berichten Sexualpädagogen von 13-Jährigen, die sich
nicht mehr ins Schwimmbad trauen und heulend über ihre
Schambehaarung zu Hause verkriechen.
Natürlich kann man Intimrasur mit Sex-positivem Feminismus und gesteigertem körperlichen und sexuellen Selbstbewusstsein in Verbindung bringen. Schließlich haben sich auch
Feministinnen der zweiten Frauenbewegung zum Zwecke der
Selbstuntersuchung rasiert. Doch irgendwie sieht das hier
nicht danach aus.
Der Grundsatz, dass ein/e jede/r selbst über seinen/ihren
Körper entscheiden kann und darf, der soll und muss immer
gelten. Aber wir sollten uns hüten, eine neue Körpernorm und
einen völlig unbegründeten Zwang einzuführen, unter dem
(wiederum völlig unnötig) Menschen leiden. Der eigene Körper ist kein Feind, den es ohne Unterlass zu bekämpfen gilt.
Und mein Busch gehört verdammt noch mal mir! l
Juni 2011 an.schläge l 05
an.riss politik
Tschad oder Haiti versuchten Hindernisse wie „Zu wenig Hebammen und
Ärzte“ zu überwinden. Das Bündnis „Mutternacht“ fordert die deutsche
Bundesregierung dazu auf, mit Investitionen die Gesundheitssysteme in den
Ländern des Südens zu stärken und sich für den Zugang zu sexueller und
reproduktiver Gesundheit für alle einzusetzen. trude
www.one.org, www.mutternacht.de
europäischer protesttag
Umfassende Teilhabe
Foto: www.mutternacht.de
hebammentag
Ein einziger Hürdenlauf
Weltweit sterben jährlich 350.000 Frauen während der Schwangerschaft
oder bei der Geburt ihres Kindes. 99 Prozent davon in sogenannten Entwicklungsländern. Vor allem für Frauen in Afrika südlich der Sahara ist es
oft lebensgefährlich, ein Kind zu gebären: Eine von 31 kommt dabei ums
Leben. Zum Vergleich: In Deutschland ist es nur eine von 11.100 Frauen.
Mit einem Hürdenlauf am 5. Mai, dem internationalen Hebammentag, vor
dem Brandenburger Tor in Berlin machten Entwicklungsorganisationen auf
den dringenden Handlungsbedarf für sichere Geburten aufmerksam. Sportlerinnen mit „falschen“ Schwangerschaftsbäuchen und T-Shirts aus
Der 5. Mai ist der europäische Protesttag für die Gleichstellung behinderter Menschen und Anlass für zahlreiche Behindertenorganisationen,
auf noch immer fehlende Gleichstellung hinzuweisen. So hat etwa in
Deutschland das Forum behinderter Juristinnen und Juristen den Entwurf
für ein neues Gesetz vorgestellt. Bisher sind in den deutschen Gesetzen
lediglich medizinische Leistungen und das Recht für behinderte Menschen,
am Arbeitsleben teilzuhaben, festgeschrieben. Das JuristInnen-Forum
möchte aber mehr: „Behinderte Menschen müssen auch in einem Verein
Sport oder Musik machen dürfen, sie sollen auch Ehrenämter ausfüllen
dürfen, und sie müssen ihre Familie versorgen können“, so Forumssprecher Horst Frehe auf einer Pressekonferenz. Ein umfassendes Recht auf
soziale Teilhabe soll diese Forderungen erfüllen. Auch in Wien nutzte die
Behindertensprecherin der Grünen, Helene Jarmer, den 5. Mai, um auf
fehlende Gleichstellung behinderter Menschen hinzuweisen: Da persönliche Assistenz nicht in ganz Österreich finanziert wird, können Menschen
mit Behinderung ihren Wohnort nicht frei wählen. Und Personen mit
Lernschwierigkeiten werden noch immer in geschützten Werkstätten
beschäftigt – ohne eigene Sozialversicherung und Pensionsanspruch. Das
widerspricht der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung, so Jarmer. trude
www.bizeps.or.at; Gesetzesentwurf zum Download: www.isl-ev.de/de/aktuelles/nachrichten/772forum-behinderter-juristinnen-und-juristen-stellt-gesetz-zur-sozialen-teilhabe-vor
„Durchaus
beklagenswert,
dass der wahre
Playboy immer
seltener angetroffen
wird.“
Ein Autor der „Zeit“ bedauert anlässlich
des Todes von Gunter Sachs den Niedergang
der Lebemänner. Der gute alte Playboy, für
den „kein Drink zu hart und keine Frau zu
leicht war“, hat „beklagenswerterweise“
ausgedient. Keine Cabriolet-Spritztouren
mehr durch die „Ferienlager der Reichen
und Schönen“, kein „Glamour“, „Champagner“ und „Zigarettenrauch“. Und auch kein
böses Wort in der „Zeit“ über das damit verbundene Machotum, das Frauen den Status
eines Accessoires zukommen ließ. leka
06 l an.schläge Juni 2011
plus
Male shit (-)
Male hit (+)
Matriarchale Zustände an der Uni Linz.
Klagen andernorts Unternehmen und Universitäten über einen geringen Frauenanteil in
Führungspositionen, kann es sich die Uni Linz
offenbar leisten, „im Sinne des Gender Mainstreaming“ besonders Männer aufzufordern,
sich für einen leitenden Posten im Bereich
Personalentwicklung zu bewerben. Die Realität an der Uni Linz sieht aber leider anders
aus: Von insgesamt 118 Professuren sind 103
männlich. Selbst bei den Studierenden sind
Frauen unterrepräsentiert. leka
Über einen neuen Mann in Führungsposition
kann sich aber in Japan gefreut werden. Dort
gewann erstmals ein offen schwuler Politiker
bei einer Bezirkswahl. Taiga Ishikawa heißt
der Glückliche, der fortan im Bezirk Toshima
(Tokyo) das Sagen hat. Die erste lesbische Politikerin hat Japan schon seit 2003 mit Kanako Otsuji, die 2005 ihre langjährige Partnerin
Maki Kimura heiratete. Ishikawa will gezielt
LGBT-Jugendliche in Schulen unterstützen
und sich für die Rechte homosexueller Paare
einsetzen. We like! leka
an.frage
repression I
Soli-Aufruf für Angezeigte nach Demo
Alliierte Minderheiten
Demos einkesseln, Personalien aufnehmen und anschließend die Menschen
mit empfindlichen Geldstrafen belegen. Ein System, das bei österreichischen Demos – gegen Abschiebungen, rechte Männerbünde oder den Tierschutzprozess – Schule zu machen scheint. Betroffene haben nun ein Flugblatt veröffentlicht, um diese Vorgehensweise publik zu machen und Geld
für die Bezahlung der Anzeigen zu sammeln. Die Verfasser_innen hatten
am 19. Jänner an einer spontanen Demo gegen eine Abschiebung vor der
Rossauer Kaserne in Wien teilgenommen. Eine Augenzeugin berichtet:
„Da gab es dann einen Polizei-Kessel, in den auch ein paar Unbeteiligte
geraten sind, nämlich drei Schüler aus dem nahegelegenen Lycee, die
trotz Intervention mehrerer Demonstrant_innen den Kessel im Gegensatz
zu anderen nicht verlassen durften. Von den drei Schülern waren übrigens
zwei schwarz.“ 56 Demo-Teilnehmer_innen erhielten im März Anzeigen
und müssen Strafen zwischen 70 und 100 Euro zahlen. Unter den insgesamt 46 am 19. Jänner Abgeschobenen befand sich auch eine 27-jährige
Frau, die in Österreich zur Sexarbeit gezwungen worden war. Nach Jahren
der Ausbeutung hatte sie es gewagt, sich an die Polizei zu wenden. Obwohl
ein Verfahren über ein humanitäres Bleiberecht im Laufen war, wurde sie
nach Nigeria abgeschoben. trude
Die Initiative Minderheiten feierte im April 20-jähriges
Jubiläum. Die NGO engagiert sich für ein breites Spektrum von Minderheiten in Österreich – gesetzlich anerkannte Volksgruppen, Migrant_innen, Asylwerber_innen
und Flüchtlinge, Juden und Jüdinnen, Lesben, Schwule
und Transgender Personen sowie Menschen mit Behinderung. Helga Pankratz, langjährige lesbische Aktivistin,
u.a. als Obfrau der HOSI (Homosexuelle Initiative) Wien,
seit 2002 Vorstandsmitglied der Initiative Minderheiten,
sprach mit Isabelle Garde über die Notwendigkeit von
Allianzenbildungen.
Betroffene können sich melden unter [email protected] ; Spenden an Kto.-Nr.: 3100
2204 383, Erste Bank, BLZ 20111, Empfänger_in: SOS Mitmensch, Verwendungszweck:
abschub_strafen
familienpolitik
„Fortpflanzungsverbot“ von Lesben
In seinem jüngsten Urteil vom 22. März hat der Oberste Gerichtshof das
in Österreich herrschende „Fortpflanzungsverbot“ von Lesben als verfassungswidrig erklärt und an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt,
dieses aufzuheben. Mit der eingetragenen PartnerInnenschaft wurde
lesbischen Paaren die medizinisch unterstützte Fortpflanzung dezidiert
verboten. Sie kann sogar mit Geldstrafen von bis zu 36.000 Euro oder
zwei Wochen Haft sanktioniert werden. Auch die Fremd- und die Stiefkind-Adoption sind in diesem Gesetz ausdrücklich verboten. trude
www.rklambda.at
repression II
Vorläufiger Freispruch im Tierschutzprozess
Am 2. Mai hat der Tierschutzprozess mit einem Knalleffekt geendet: Freispruch aller Verdächtigen in allen Punkten. Merkmale einer kriminellen
Organisation konnten in dem über 13 Monate laufenden Monsterprozess
nicht nachgewiesen werden. 13 TierschützerInnen waren u.a. nach Paragraf 278a, dem sogenannten Mafia-Paragrafen, angeklagt gewesen, eine
kriminelle Organisation gebildet zu haben. Davor waren mehrere Tierschutzorganisationen monatelang überwacht und abgehört worden – sogar
verdeckte Ermittlerinnen sind eingeschleust worden.
Das Urteil wurde von ProzessbeobachterInnen vor dem Gericht und den
Angeklagten mit großer Erleichterung aufgenommen. Das Aufatmen hielt
aber nicht lange an: Der Staatsanwalt kündigte bereits einen Tag nach
dem Urteil Berufung an, der Monsterprozess könnte in eine weitere Runde
gehen. trude
Live Ticker von der Urteilsverkündung u.a. auf derstandard.at oder noe.orf.at/stories/513247/,
Prozesstage und Hintergründe nachzulesen auf www.tierschutzprozess.at
Treffen bei einem so großen Zusammenschluss unterschiedlichster
Gruppen nicht sehr heterogene Interessen aufeinander, die z. B.
auch Probleme mit Sexismus, Homophobie und Rassismus innerhalb der Organisation verursachen können? Und warum macht es
Sinn, eine strategische Allianz einzugehen?
Selbstverständlich gibt es bei jeder neuen Begegnung zwischen Mitgliedern unterschiedlicher gesellschaftlich marginalisierter Gruppen
immer wieder etwas Neues zu lernen. Das ist ja das Bereichernde,
Lebendige und Wertvolle daran. Aber im Prinzip sind lauter Vertreter_innen von Vereinen dabei, die von vornherein bereit sind, einen
Zusammenhang von Rassismus, Sexismus und Homophobie zu sehen.
Was innerhalb der Initiative Minderheiten aber besonders gut zum
Ausdruck kommt, sind häufig nicht die „Abgrenzungen“ zwischen
Gruppenzugehörigkeiten, sondern die Mehrfachzugehörigkeiten,
die Intersektionalitäten: Es sind eben nicht alle Lesben „weiße“,
deutschsprachige Österreicherinnen, so wenig wie alle Jüd_innen,
Kärntner Slowen_innen oder Roma automatisch heterosexuell sind. Es
macht Sinn, sich als gemeinsamer größerer Chor Gehör zu verschaffen
anstatt als vereinzelte Stimmen kleinerer Gesellschaftsgruppen. Es
macht Sinn, Allianzen zu bilden gegen Verhetzungen und eine „divide
et impera“-Politik, anstatt sich gegeneinander aufhetzen und auseinanderdividieren zu lassen.
Was war deine Motivation, bei der Initiative Minderheiten
mitzuarbeiten?
Mein erster intensiver Kontakt war beim Symposium der Initiative
Minderheiten im Dezember 1994. Ich hielt dort aus lesbischer Perspektive ein Impulsreferat im Workshop „Randgruppenidentität als
persönliches und politisches Konstrukt“. Da habe ich Feuer gefangen
und den Kontakt – vor allem über die Zeitschrift der Initiative Minderheiten „Stimme von und für Minderheiten“ – als etwas sehr Wertvolles aufrechterhalten.
Kannst du nach 20 Jahren aus lesbischer Perspektive eine Bilanz
ziehen?
Lesbische Frauen beziehungsweise queer-feministische Perspektiven
sind im Laufe der Jahre innerhalb der Initiative Minderheiten zunehmend stark vertreten. Ich bin mittlerweile eine von vielen Lesben,
die in dieser Organisation mitarbeiten – und dabei deutliche Spuren
hinterlassen.
www.initiative.minderheiten.at
Juni 2011 an.schläge l 07
klage praktikum
Das war es wert
Job durch Praktikum? Diese Hoffnung von AbsolventInnen
erfüllt sich meistens nicht. Die Mehrheit werkt qualifiziert für
ein Taschengeld, vor allem Frauen oft auch völlig unbezahlt.
Eine Übersetzerin hat Katharina Ludwig erzählt, wie sie
erfolgreich auf Lohnnachzahlung klagte.
* Name von der Redaktion
geändert
Quellen:
Boris Schmidt/Heidemarie
Hecht: Generation Praktikum 2011: Praktika nach
Studienabschluss: Zwischen
Fairness und Ausbeutung,
2011
Statistik Austria: Eintritt
junger Menschen in den
Arbeitsmarkt. Modul der
Arbeitskräfteerhebung 2009,
korrigierte Fassung vom
Februar 2011
Anna Schopf/Paul Ringler:
Arbeit ohne Wert? Strukturmerkmale der PraktikantInnen-Beschäftigung im Hochschulkontext in Österreich.
Eine quantitative Studie.
Wien: Plattform Generation
Praktikum, 2007
08 l an.schläge Juni 2011
Die 200 Euro sind Magdalena Wagner*
schon aufgestoßen. „Ich hatte mein Studium abgeschlossen, ich hatte eine tolle
Ausbildung. Aber ich wusste auch, dass
es noch schlimmer geht.“ Keine Mittagspause zum Beispiel oder gar keine
Bezahlung. Wie viele andere StudienabsolventInnen auch, hoffte Magdalena
Wagner durch ein Praktikum den Einstieg in den Beruf zu schaffen und dabei
neue praktische Kenntnisse und nötige
Kontakte zu bekommen. Deswegen
leistete sie qualifizierte Arbeit für ein
Taschengeld. Doch schon bald merkte
sie, dass sie nur noch reguläre Arbeit
verrichtete – ohne Lerneffekt und ohne
Chance, von der Firma übernommen
zu werden. Man müsse aufpassen bei
diesem Satz „Ich kann mich glücklich
schätzen, weil es geht noch schlimmer“,
sagt sie heute.
Wagner klagte und bekam vom Arbeitsgericht Potsdam in erster Instanz
11.350 Euro Lohnnachzahlung zugesprochen. Die Anerkennung ihrer Arbeit
war ihr den Aufwand wert.
Qualifiziert zuarbeiten. Nach dem
Abschluss ihres Übersetzungsstudiums in Österreich will Wagner in die
Synchronisationsbranche. Auf eine
vielversprechende Ausschreibung hin
entschließt sie sich Ende 2008 für ein
Praktikum bei einer kleinen Firma
in Potsdam-Babelsberg. Dauer: sechs
Monate, Vergütung: 200 Euro pro
Monat, kein Urlaub. Als sie nachfragt,
wird ihr zuerst gesagt, Urlaub gibt
es nicht. Erst als sie nochmals die
Buchhalterin anspricht und auf ihren
zwei Tagen Urlaubsanspruch besteht,
kommen diese in den Vertrag. Dann
geht es schnell. In der ersten Woche
wird ihr das Projektmanagement für
Arbeitsrechte lassen sich nicht aus dem Hut zaubern, sondern müssen erkämpft werden.
Motiv der MayDay-Parade Wien 2011
„Gossip Girl“, eine US-Serie über die
Highschool-Elite Manhattans, die Wagner selbst gerne guckt, zugeteilt. Und
sie übernimmt auch die Rohübersetzung
Englisch-Deutsch. „Offiziell war mein
Kollege der Hauptansprechpartner, aber
das meiste habe ich übernommen.“
Sie arbeitet in der Büroorganisation,
bereitet Sprachaufnahmen vor und
begleitet die Aufnahmen. Am Anfang
fragt sie noch viel nach, aber schleichend vollzieht sich ein Übergang zur
regulären Mitarbeit und zur Übernahme
von Verantwortung. Schnell kommen
die ersten Überstunden. Bald fühlt sich
Wagner wie eine richtige Mitarbeiterin,
eingeteilt und überarbeitet. Der Ausbildungsaspekt ihres Praktikums gerät
immer mehr in den Hintergrund, der
Arbeitsaspekt tritt in den Vordergrund.
Entscheidend für die spätere Klage,
denn PraktikantInnen dürfen nicht
regulär in den Betriebsablauf eingeteilt werden, sondern sollten zusätzlich
mitlaufen. Wagner fühlt sich in einer
undefinierten Position: „Man musste
immer super arbeiten und sein Projekt
irgendwie gut durchbringen, aber sobald
es darum ging, dass man irgendwelche Rechte einfordert, war man nur
die Praktikantin. Das war die Masche
meiner Chefin.“
Ein Dilemma, in dem die Mehrheit der
PraktikantInnen mit Studienabschluss
stecken dürfte: Boris Schmidt und
Heidemarie Hecht haben für eine im
Mai publizierte, gemeinsame Studie des
Deutschen Gewerkschaftsbundes, der
Freien Universität Berlin und der HansBöckler-Stiftung 674 AbsolventInnen
an vier deutschen Universitäten befragt.
81 Prozent der Befragten gaben an,
dass sie in ihrem Praktikum vollwertige
Arbeit geleistet haben, bei 75 Prozent
war die Arbeit fest in den Betriebsablauf eingeplant. Davor hatten die
Befragten durchschnittlich bereits vier
Praktika absolviert. Gut die Hälfte hoffte auf einen Job durch das Praktikum,
aber nur bei 17 Prozent trat dieser sogenannte „Klebeeffekt“ tatsächlich ein.
Für Schmidt und Hecht alles Hinweise
darauf, dass postgraduelle Praktika zum
Teil reguläre Beschäftigung ersetzen.
Denn auch diese „Testphase“ zwischen
ArbeitgeberIn und ArbeitnehmerIn sollte eigentlich in eine bezahlte Probezeit
fallen.
Magdalena Wagner ist im Zwiespalt,
keine Fehler mehr machen zu dürfen,
obwohl sie kein vollwertiges Teammitglied ist. Während sie Verantwortung
für die ihr aufgetragenen Projekte
übernehmen muss, bekommt sie immer
wieder zu hören, dass sie ja nur zuarbeite. „Die Chefin hat immer wieder
betont: Ihr seid ja nur die Praktikanten.
Eure Arbeit ist nicht wirklich etwas
klage praktikum
wert.“ Ein falsches „Du“ gegenüber
einer Kundin führt zum Eklat. „Das war
der Knackpunkt. Ich habe gemerkt, mit
welcher Respektlosigkeit ich behandelt
werde.“
Prekär einsteigen. Nach ca. drei Monaten wird klar, dass Wagners Hoffnung auf Anstellung vergebens ist. Ein
Ex-Praktikant wird eingestellt und noch
eine Praktikantin beschäftigt. Damit
gibt es in der Firma mehr PraktikantInnen als Festangestellte. „Zu dieser Zeit
bauten sie gerade ein neues Aufnahmestudio, das unbedingt finanziert werden
musste“, erzählt Wagner. „Da hat man
sich einfach mal vier, fünf Praktikanten
geholt, die alle für 200 Euro gearbeitet
haben. So wurde extrem viel eingespart.“ AbsolventInnen-Praktika werden laut der Studie von Schmidt/Hecht
durchschnittlich mit 550 Euro im Monat
bezahlt, 40 Prozent der Praktika sind
unbezahlt. Zur Finanzierung braucht es
tika überwiegt der Frauenanteil mit
78 Prozent deutlich. Anna Schopf und
Paul Ringler von der österreichischen
Plattform „Generation Praktikum“
kamen 2007 in einer Studie mit 460
Personen zu dem Ergebnis, dass Frauen
bedingt durch ihre Berufsfelder häufiger
während und nach ihrem Studium in
atypisch geprägten Branchen arbeiten,
die wiederum einen hohen Anteil an
PraktikantInnen beschäftigen. „Hier
kann ein prekärer Einstieg in den Arbeitsmarkt mittels Praktikum konstatiert werden“, schreiben sie.
Glaubt man einer ganz aktuellen
Studie1, ist die viel zitierte „Generation
Praktikum“ nur ein Mythos. Mehr als
80 Prozent aller Uni- und FH-AbsolventInnen seien bereits ein halbes Jahr
nach Studienabschluss erwerbstätig.
Dass die Lage etwa bei den Geistesund Sozialwissenschaften anders aussieht, wird aber auch hier eingeräumt.
Was die Studie außerdem zeigt: Die
Bei unbezahlten Praktika überwiegt der
Frauenanteil mit 78 Prozent deutlich.
dann andere Quellen: Bei 56 Prozent
der Befragten sind das die Eltern, 43
Prozent leben von Ersparnissen, und 22
Prozent sind während des Praktikums
auf Sozialleistungen angewiesen. Auch
die Unterstützung durch PartnerInnen
spielt eine wachsende Rolle. Die Frage,
wer als Praktikantin in diese neue
Form der Abhängigkeit kommt, hängt
allerdings stark von der Studienrichtung
bzw. der Branche ab und damit vom
allgemeinen Gender-Bias am Arbeitsmarkt, wie Schmidt/Hecht feststellten.
Während in „Kunst und Kultur“ zwei
Drittel der Praktika unbezahlt sind
und in „Gesundheit und Soziales“ fast
genauso viele, sind Industrie-Praktika
immer vergütet. Dazu kommt, dass ausgebildete TechnikerInnen und IngenieurInnen im Gegensatz zu Geistes- und
SozialwissenschaftlerInnen wesentlich
seltener überhaupt noch ein Praktikum
für den Berufseinstieg machen. Statistik
Austria stellte für das Jahr 2009 fest,
dass der Männeranteil bei Praktika,
die über der Geringfügigkeitsgrenze
bezahlt werden, 54 Prozent beträgt.
Wird ein Praktikum schlechter bezahlt,
sind Frauen schon wesentlich stärker
vertreten, und bei unbezahlten Prak-
Gehaltsunterschiede von Männern und
Frauen sind bereits beim Berufseinstieg
enorm. So verdienen Absolventinnen
in der ersten Beschäftigung rund 500
Euro bzw. 20 Prozent weniger als ihre
männlichen Kollegen. Nach fünf Jahren
ist die Schere dann noch weiter offen.
Klagen und schätzen. Als Magdalena
Wagners Unzufriedenheit wächst, unterhält sie sich – anfangs noch vorsichtig – mit ihren KollegInnen. „Zuerst
hat man nur ein Gefühl, dass irgendwas
nicht stimmt, und dann merkt man, dass
jeder ausgenützt wird.“ Wagner erwägt
zu klagen. Über eine Gewerkschaft, der
sie am Anfang des Praktikums beigetreten ist, ist sie rechtsschutzversichert.
Dann zögert sie doch, weil sie fürchtet, ein EU-Stipendium in der Höhe
von 500 Euro, mit dem sie ihr Leben
in dieser Zeit finanziert, möglicherweise zurückzahlen zu müssen. Erst
2010, also ein Jahr nach ihrer Arbeit
in Potsdam-Babelsberg, kommt das
Thema wieder auf, die Einschätzung
eines Anwalts macht ihr Mut, also probiert sie es einfach. „Ich habe riskiert,
dass es für mich beruflich nach hinten
losgeht“, erzählt sie, „aber das war mir
die Sache einfach wert.“ Wagner muss
genau ihre Aufgaben dokumentieren
und ZeugInnen finden. Durch die zeitliche Verzögerung von einem Jahr ist es
gar nicht einfach, alles zu rekonstruieren. Dass sie auch von zu Hause noch
gearbeitet hat, hilft in diesem Fall; sie
kann auf Nachrichten zurückgreifen, die
über ihr privates E-Mail-Konto liefen.
Das Verfahren bis zum Urteil aber
zieht sich. „Es liegen solche Zeiträume
dazwischen: ein Monat Berufungsfrist,
ein Monat Einreichfrist, dann wird eine
Fristverlängerung beantragt. Dann wird
noch mal aufgeschoben, und bis es tatsächlich bearbeitet wird, das dauert. Da
darf man nicht auf das Geld angewiesen
sein.“
Es bräuchte politische Regelungen,
aber mit der Klage möchte sie auch das
Selbstbewusstsein anderer PraktikantInnen stärken. „Leider weiß ich, dass
wenn ich ein Praktikum abbreche, zehn
andere darauf warten, es zu machen.
Mein Beweggrund war, zu zeigen, dass
es so trotzdem nicht weitergeht und
man sich wehren muss. Das können
sich nicht alle gefallen lassen.“ Auch
in ihrer heutigen freiberuflichen Arbeit
für andere Synchronstudios sieht sich
Wagner immer vor der schwierigen Aufgabe, den Wert ihrer Arbeit zu schätzen. „Wie weit kann man gehen? Man
hat immer diese Angst, keine Aufträge
mehr zu bekommen, weil man zu viel
verlangt. Es fehlt das Selbstbewusstsein, dass man sagt: Ich weiß, was ich
alles kann. Deswegen stapelt man tief
und schmälert seine Kompetenzen. Das
ist ein Kreislauf. Ich habe bei dieser
Firma richtig gut gearbeitet, aber daran
habe ich während des Praktikums zu
zweifeln begonnen. Schön, wenn man
es noch mal bestätigt bekommt.“ Ende
2010 dann das Urteil in 1. Instanz:
Weil sie als ausgebildete Übersetzerin
für die Rohübersetzung qualifiziert gearbeitet hat und fest in den Arbeitsplan
eingeteilt war, werden ihr 11.350 Euro
Lohnnachzahlung zugesprochen. Ihre
Chefin hat Berufung eingelegt, das Verfahren beginnt diesen Juni. Mit einer
Entscheidung rechnet Wagner nicht vor
Ende 2011, aber auch eine ihrer Mitpraktikantinnen wird jetzt klagen. l
Katharina Ludwig lebt als freie Journalistin in Berlin.
1 Die Mitte Mai präsentierte Studie zur Arbeitssituation von Universitäts- und
FH-AbsolventInnen
wurde vom Internationalen
Zentrum für Hochschulforschung Kassel im Auftrag
des Wissenschafts- und
Forschungsministeriums und
unter Mitwirkung des Instituts für Soziologie der Uni
Klagenfurt erstellt. Zum selben Schluss kam auch eine
vom Bundesministerium
für Bildung und Forschung
in Deutschland in Auftrag
gegebene Studie, in der die
Bedeutung von Praktika
für den Berufseinstieg
von Universitäts- und FHAbsolventInnen untersucht
wurde.
Juni 2011 an.schläge l 09
övp
„Sie ist schon in der
Parallelgesellschaft“
Mit Sebastian Kurz wurde ein Mann
Staatssekretär für Integration, der bisher
vor allem durch Sexismus aufgefallen ist
und ansonsten immer nur an das eine denkt:
MigrantInnen müssen Deutsch lernen.
Von Sylvia Köchl
Über Sebastian Kurz ist in den wenigen
Wochen seit seiner Bestellung zum
Staatssekretär für Integration schon
viel geschrieben worden. Er sei ein
Beispiel für den „zunehmend verzweifelten Versuch etablierter Parteien,
junge Wähler zu erreichen“ („Falter“)
und „eine Verarschung all jener, die
in diesem Bereich tätig sind“ („Der
Standard“). Und der „Chef-Integrator“
wisse nicht, dass er ein „Schwabo“ ist
(„biber“). Fakt ist, Kurz ist 24 Jahre
alt, Jus-Student, seit vier Jahren Obmann der Jungen ÖVP, ab Herbst 2010
ein paar Monate lang Gemeinderat in
Wien – und vor allem aufgewachsen
und zur Schule gegangen im Wiener
ArbeiterInnen-Bezirk Meidling. Aus
dieser Tatsache nämlich erwächst die
Expertise, die er für seinen neuen Job
mitbringt, wie er nicht müde wird zu
betonen. An seinem Gymnasium hatte
er so viele MitschülerInnen mit Migrationshintergrund, dass er jetzt ganz
genau sagen kann, wie „Integration“1
funktioniert: mit Deutsch. Und nur mit
Deutsch.
1 Wir schreiben „Integration“ in Anführungszeichen,
um zu verdeutlichen, dass
dieser Begriff in Österreich
dermaßen politisch aufgeladen ist, dass er nicht mehr
neutral verwendet werden
kann: Es sind damit immer
nur MigrantInnen gemeint,
es sind mit ihm stets Forderungen, Drohungen und
Sanktionen verbunden, und
er wird vielerorts als rein
rassistisches Schlagwort
verwendet.
Links:
www.peregrina.at
www.maiz.at
10 l an.schläge Juni 2011
Die „ältere Dame“. Aber nicht bei
allen: Ein Beispiel, das Kurz noch in
fast jedem Interview gebracht hat, ist
das der „älteren Dame“, die wahlweise
gerade erst nach Österreich gekommen
ist oder schon lange hier lebt und die
– in Kurzscher Manier äußerst höflich
formuliert – „noch nicht oder nur sehr
schlecht Deutsch spricht und das vielleicht auch nicht mehr lernen möchte“.
Bei dieser Dame also „wird Integration
wahrscheinlich nicht mehr funktionieren“ bzw. „wird es schwierig sein, Anknüpfungspunkte zu finden“ bzw. „wird
MigrantInnen-Streik am 1. März in Wien, Foto: SylK
es schwierig sein, sie abzuholen und
zu integrieren“. Weil: „Sie ist meist
schon in der Parallelgesellschaft.“
Diese ominöse „Parallelgesellschaft“
mal zu suchen und zu kucken, was dort
denn so los ist, wenn all die älteren
Damen beieinandersitzen und partout
nicht auf Deutsch plaudern wollen, ist
dem Staatssekretär also zu mühsam,
deshalb setzt er auf die Jugend, bei der
„man noch gewinnen kann“. Nur was?
Wählerstimmen etwa?
Damit hatte Sebastian Kurz bis dato
kein Glück. Vor der letzten Gemeinderatswahl in Wien 2010 versagte der
von ihm angeführte „Schwarz-ist-geil“Wahlkampf der Jungen ÖVP gründlich,
die ÖVP Wien fuhr eines der schlechtesten Ergebnisse ihrer Geschichte ein.
Mit Sprüchen wie „Schwarz macht
Wien geil“, Posing vor dem „Geil-oMobil“, umrankt von leicht geschürzten
Jung-ÖVPlerinnen, zog Kurz durch die
Clubs, in denen dann Gummibärchen in
Form von Brustwarzen verteilt wurden. Eine Kampagne, die Kurz selbst
übrigens als „eine der schlechteren“
(„Kurier“) bezeichnet, während er
die 24-Stunden-U-Bahn-Kampagne
für „eine der besseren“ hält – damals
warb die Junge ÖVP Wien mit einer
halbnackten Frau neben einem „24 h
Verkehr am Wochenende“-Schild.
Dialog geht anders. Die Tatsache, dass
das Staatssekretariat für Integration
im Innenressort angesiedelt wurde und
damit in die Nähe von „Sicherheitsproblemen“ rückt, ist ein Hauptpunkt
der Kritik, u.a. auch von „Peregrina
– Bildungs-, Beratungs- und Therapiezentrum für Immigrantinnen“. Obfrau
Gamze Ongan und ihr Team erklären auf
Anfrage der an.schläge: „Die Anbindung
an das Innenministerium ist in der Tat
absurd. Man stelle sich vor, das Staatssekretariat wäre im Verteidigungsministerium angesiedelt – viel Unterschied
wäre das nicht.“ Während täglich die
Fremdengesetze verschärft und auch der
Migrationsdiskurs, also die Art, wie über
Migration und Migrantinnen gesprochen
wird, immer schärfer werde, könne ein
eingerichtetes Staatssekretariat daneben
nichts bewirken, so Peregrina.
In einem Interview kündigte Sebastian
Kurz an, er beabsichtige, das Staatssekretariat als Plattform zu nutzen für
alle, die in dem Bereich tätig sind, und
er führe auch bereits viele Gespräche
mit NGOs. Klingt das nicht vielversprechend? Nicht wirklich, meinen
Gamze Ongan und das Peregrina-Team,
die langjährige Erfahrung mit diversen ÖVP-InnenministerInnen haben:
„Schon Günther Platter hat im Rahmen
der sogenannten Integrationsplattform
diverse NGOs, auch Peregrina, eingeladen, schriftlich sowie am runden
Tisch Forderungen kundzutun. Dieser
Einladung sind wir auch gefolgt und
haben über die rechtliche sowie soziale
Situation zugewanderter Frauen berichtet und Lösungsansätze präsentiert",
berichtet das Peregrina-Team. "Nichts
davon ist in das Schlussdokument
eingeflossen. Platters Nachfolgerin
Maria Fekter hat erneut NGOs, auch
Peregrina, eingeladen – diesmal im
Rahmen des ,Nationalen Aktionsplans
Integration‘. In einem offenen Brief haben wir und andere dargestellt, warum
wir diesmal der Einladung nicht folgen
werden. Zeitgleich startete nämlich
dieselbe Ministerin in einem Zeitungsinterview einen Pauschalangriff gegen
MigrantInnen-NGOs und kündigte weitere Verschärfungen des Fremdenrechts
an. Die Einladung zum ,Dialog‘ mussten
wir in diesem Fall dann ablehnen.“
Problemfrei mit Deutsch? Die völlige
Versteifung des neuen Staatssekretärs
auf das Deutschlernen als Allheilmittel
für sämtliche Probleme in der Einwanderungsgesellschaft Österreich ist
der zweite große Kritikpunkt vieler.
„Der bereits angekündigte Schwerpunkt ,Deutsch lernen‘ deutet darauf
hin“, analysiert Peregrina, „dass die
Mehrsprachigkeit weiterhin ausgeblendet wird. Außerdem schwingt da immer
mit, dass ,die ja gar nicht Deutsch
lernen wollen und dass man sie dazu
zwingen muss‘. Als ob die Migranten
und Migrantinnen keine Probleme
mehr hätten, wenn sie erst mal Deutsch
sprechen würden.“
Das verdeutlichte auch Kim Carrington
von „maiz – autonomes Zentrum von &
für Migrantinnen“ im an.schläge-Schwerpunkt „Deutsch-Diktat“ (03/2010), der
aus Anlass des erwähnten „Nationalen
Aktionsplans für Integration“ erschien.
„Wer oder wie viele in der österreichischen
Politik haben überhaupt einen differenzierten
Blick für die Leistungen und Bedürfnisse von
Zuwanderinnen?“ (Gamze Ongan, Peregrina)
Es gehe daher weniger um ein Mehr
an Kommunikation, so Peregrina, als
vielmehr um deren Ernsthaftigkeit.
Auf die Frage, ob von Kurz angesichts
seiner Vorgeschichte zu erwarten sei,
dass er mit den Leistungen, Bedürfnissen oder Problemen migrantischer
Frauen etwas anfangen kann, antwortet
Peregrina mit einer Gegenfrage: „Wer
oder wie viele in der österreichischen
Politik haben überhaupt einen differenzierten Blick für die Leistungen
und Bedürfnisse von Zuwanderinnen?
Zuletzt, als sich eine ÖVP-Ministerin
des Themas annahm, hatte sie nichts
Besseres zu tun, als den Begriff ,traditionsbedingte Gewalt gegen Frauen‘
einzuführen, um somit einen Diskurs
loszutreten, der alle Frauen aus bestimmten Herkunftsländern zu Opfern
und sämtliche männliche Angehörige
gewisser Communitys zu Tätern gemacht hat. Also warum sollten wir vom
jetzigen Staatssekretär ein fundiertes
Wissen über die rechtliche, soziale,
finanzielle und psychische Situation der
Migrantinnen erwarten?“
Sie schrieb: „Was nützt mir die Sprache, wenn sie mich nicht vor Diskriminierung und Rassismus schützt?“
Während die SPÖ in ihrer Panik, von
der ÖVP bei diesem Thema überholt
worden zu sein, angekündigt hat, in der
nächsten von ihr geführten Regierung
werde es gleich ein eigenes Migrationsministerium geben, gehen die Forderungen von Gamze Ongan und Peregrina in
eine andere Richtung: „Was Österreich
braucht, ist eher ein Staatssekretariat
für Chancengleichheit oder gar ein
Staatssekretariat für Demokratisierung – nicht nur für Migranten und
Migrantinnen, sondern auch für andere
minorisierte Gruppen. Aber das wäre
natürlich ein offizielles Eingeständnis,
dass es daran mangelt.“ l
neuland
entdeckungen im alltag
Beate Hammond
schwarz und royal
Prinzessin müsste man sein. So wie Kate, pardon Catherine
Middleton, seit Ende April Ihre königliche Hoheit die Herzogin von Cambridge. Ein wunderschöner Titel, wenn auch
ihr Alltag dem Prinzessinnenklischee wenig zu entsprechen
scheint. Einkaufen im Supermarkt, dann Kochen für den
Gatten, denn angeblich machen die Hoheiten den gesamten
Haushalt selber. In ihrer Abschlussarbeit im Fach Kunstgeschichte untersuchte Kate fotografische Darstellungen bei
Lewis Carroll, dem Autor von „Alice in Wunderland“. Ihr
eigener Alltag scheint weniger paradiesisch zu sein.
Schon bald steht die nächste sogenannte Märchenhochzeit
an, diesmal für die Ex-Schwimmerin Charlene Wittstock
und Fürst Albert von Monaco, der sich bereits zu zwei
unehelichen Kindern, einem Sohn und einer Tochter, bekannt hat. Sein Sohn Alexandre stammt übrigens aus einer
Liaison mit einer togoischen Flugbegleiterin.
Ganz offiziell eine Prinzessin ist Angela Brown, eine Modedesignerin afro-panamesischer Herkunft. Ihre Durchlaucht Prinzessin Angela (so ihr offizieller Titel) traf ihren
zukünftigen Mann, Prinz Maximilian von Liechtenstein, auf
einer Party in New York. Im Jahr 2000 wurde geheiratet,
ein Jahr später kam der gemeinsame Sohn Alois zur Welt.
Auch Verwandte der britischen Royals haben schwarze
Ehepartner. James Lascelles, ein Nachfahre Königs George
V. und Cousin Königin Elizabeths, heiratete 1999 die nigerianische Schauspielerin Joy Elias-Rilwan. Die vier Kinder
aus der Ehe von Stephanie Prinzessin von Preußen mit dem
Tanzanier Amadi Mbaraki Bao belegen in der Thronfolge
des britischen Königshauses die Plätze 373-376, noch vor
Prinz Ernst August von Hannover (Platz 395).
Und dann ist da schließlich noch die Sudanesin Mary
Nyanut Machar, die sich im Jahr 2000 in Nairobi mit Georg
Graf Habsburg, einem entfernten Verwandten Otto Habsburgs aus einer Nebenlinie der ehemaligen kaiserlichen
Familie vermählte. Vom Prinzessinnenleben scheinen also
wirklich alle träumen zu dürfen.
Beate Hammond macht ihre Entdeckungen in Wien.
Juni 2011 an.schläge l 11
ägypten
Der Kampf wird zäher
Gedämpfte Euphorie bei den Aktivistinnen in
Ägypten: Das Fest zum 8. März endete in Gewalt,
im April schoss die Armee auf DemonstrantInnen,
die reformierte Verfassung ist sexistisch.
Hinter das neue Selbstverständnis, das viele
Frauen errungen haben, gibt es dennoch kein
Zurück mehr.
Eine Reportage von Juliane Schumacher.
Alia gehört zu den radikalsten AktivistInnen ihrer Gruppe. Als das Militär am 9. April zu schießen begann,
stand sie vor den Soldaten und schrie gegen sie an. Foto: Gaby Osman
Am Anfang war alles ein großes
Volksfest. Der Tahrir-Platz, ein großer,
unübersichtlicher Platz im Zentrum
Kairos, war über Wochen hinweg der
Ort, an dem um die Zukunft Ägypten
gekämpft wurde. Seit Präsident Hosni
Mubarak am 11. Februar zurücktrat,
ist das der Ort, an dem um die weitere
Zukunft Ägyptens gerungen wird – und
für Feiern aller Art. Am 8. März waren
es die Frauen, die feierten, und ihr Fest
passte zur allgemeinen Stimmung der
Euphorie über die erfolgreiche Revolution. Und zugleich kann der Verlauf
dieses Frauentags als Beispiel dienen,
wie die Revolution die Situation der
Frau seither verändert hat und welche
Probleme sich daraus ergeben.
„Das gab es noch nie.“ „Fantastisch!“,
ruft am Frauentag Leila Emam, eine
junge Frau mit offenem Haar und Sonnenbrille, und deutet auf die zahlreichen Männer, die zwischen den Frauen
stehen, mit ihnen gemeinsam Plakate
halten. „Ich freu mich sehr, dass so viele Männer gekommen sind! Sie demonstrieren mit uns zusammen! Das gab es
noch nie!“ Um sie drängen sich an die
tausend Frauen und Männer, manche
12 l an.schläge Juni 2011
halten Transparente, singen, skandieren
Parolen. Busse und Taxis schieben sich
hupend durch die Menge, Kinder malen
den Menschen die ägyptische Flagge
auf die Haut. „Während der Proteste ist
ein neues Bewusstsein in den Menschen
gewachsen“, sagt Emam.
Doch nicht alle Männer – und Frauen – auf dem Platz unterstützen die
Forderungen, die auf den Plakaten
stehen. Insbesondere die Forderung, die
Verfassung so zu verändern, dass auch
Frauen fürs Präsidentenamt kandidieren können, ruft Unmut hervor – nicht
nur bei Männern, die sich gegen die
Demonstrant_innen stellen, sondern
auch bei umstehenden Frauen. „Das
sind keine Ägypterinnen!“, heißt es zum
Beispiel, „die sind von Ausländerinnen
angestachelt!“ „Die wollen die Revolutionsbewegung spalten“, kritisieren
andere. „Männer und Frauen müssen
jetzt zusammenarbeiten, wir sollten
keine solchen Trennungen aufmachen.“
Um Partikularinteressen könne man sich
kümmern, wenn die Demokratie aufgebaut sei. Zeitweise sind Slogans wie
„Nicht jetzt, nicht jetzt!“ zu hören.
Am späten Nachmittag kippt die
Stimmung: Die Diskussionen werden
zunehmend lauter, schließlich gewalttätig, diejenigen, die versuchen, die
aufgebrachte Stimmung zu beruhigen,
scheitern. Es kommt zu Handgreiflichkeiten und sexuellen Übergriffen,
Frauen und ihre Unterstützer werden
ins Gesicht geschlagen, müssen fliehen.
Das ausgelassene Fest zum Frauentag
endet in Chaos und Gewalt. Die Frauen
und Männer, die den Tag organisiert und
miterlebt haben, sind schockiert. Einen
solchen Widerstand hätten sie nicht erwartet. Schließlich habe man wochenlang zusammen gekämpft, nebeneinander. „Ich schäme mich dafür, dass das in
unserem neuen Ägypten passiert ist“,
sagt der Aktivist Ahmed Madiya.
„Total verändert.“ Der Frauentag markiert einen Wandel in Ägypten: Genau
bis zum 8. März reicht die Zeit der ersten Euphorie. Einen Tag später räumt
das jetzt herrschende Militär gewaltsam
das Protestcamp auf dem Tahrir-Platz,
nimmt über 200 Protestierende fest und
foltert Männer und Frauen brutal. Ein
Schock für die junge Protestbewegung.
Während auf offizieller Ebene die juristische Aufarbeitung des alten Regimes
vorangeht, zwar keine großen Erfolge
ägypten
zu vermelden sind, was Frauenrechte
angeht, große NGOs aber dennoch von
den neuen finanziellen Bedingungen
schwärmen, macht sich in der jungen
Demokratiebewegung die Erkenntnis
breit, dass der Alltag im neuen Ägypten
nicht so rosig sein wird, wie es zunächst
schien – sondern dass jetzt ein zäher
und gefährlicher Kampf gegen die Alleinherrschaft des Militärs beginnt. Der
Kampf um „Partikularinteressen“ tritt
in den Hintergrund.
Spätestens seit die Armee am 9. April
scharf auf Protestierende schoss, empfinden viele Aktivistinnen es als ihre
vorrangige Aufgabe, die Revolution zu
verteidigen. Nein, mit Frauenrechten
habe sie nicht viel am Hut, sagt Alia,
eine junge Aktivistin, die breites amerikanisches Englisch spricht und deren
Nase mehrere Piercings zieren. „Das
Platz waren für alle, die dabei waren,
eine Erfahrung, die sie nachhaltig
geprägt hat. Es war die Erfahrung, dass
ein anderes Zusammenleben möglich
ist: vollkommen gleichberechtigt,
solidarisch, sei es zwischen Mann und
Frau, Religiösen und Nicht-Religiösen,
arm und reich. „Die Revolution hat alles
verändert für uns Frauen“, sagt Fatima.
„Davor waren wir als Frauen einfach
nicht da, wir wurden nicht wahrgenommen, oft hatte ich das Gefühl gegen eine
Wand zu sprechen, gar kein Mensch
zu sein.“ Jetzt, erzählt sie, begegne
man ihr mit Achtung, mit Respekt, sie
habe das Gefühl, ernst genommen zu
werden. „Wir waren fast die Hälfte auf
dem Platz. Wir waren wer, wir waren
wichtig.“ Hinter diese Erfahrung gibt
es kein Zurück, auch nicht, was Fatimas
privates Leben angeht. „Ich habe mich
Der Frauentag markiert einen Wandel in
Ägypten: Genau bis zum 8. März reicht die
Zeit der ersten Euphorie.
Thema interessiert mich nicht. Wir
kämpfen alle zusammen!“ Und doch
gehört sie zu genau jenen Frauen, die
das Bild der Frau während der Proteste
nachhaltig verändert haben – sie ist
eine der radikalsten AktivistInnen ihrer
Gruppe, führt wie viele andere Frauen
oft die Sprechchöre an, und als das
Militär am 9. April zu schießen begann,
stand sie vor den Soldaten und schrie
gegen sie an. Oder Fatima, die als Lehrerin an einer internationalen Schule
arbeitet und, anders als Alia, zwar nicht
religiös ist, aber dennoch Kopftuch
trägt. Sie war zweimal verheiratet, ist
zweimal geschieden, während der Revolution hatte sie mit einem Aktivisten
eine Beziehung und hat mit ihm für drei
Monate auch unverheiratet zusammengelebt, Sex gehabt. Mit ihren Eltern, bei
denen sie noch lebt, ist sie seit der Revolution zerstritten, sie hat den Entschluss
gefasst, sich jetzt eine eigene Wohnung
zu suchen, allein zu leben.
Was für die beiden gilt, gilt für viele
der jungen Aktivistinnen: Frauenrechte, Gleichberechtigung, das sind zwar
keine Themen, über die gesprochen
wird – aber Themen, um die praktisch
gekämpft wird. Die 18 Tage auf dem
total verändert“, sagt sie. „Komplett.
Ich war auch früher schon relativ
unabhängig. Jetzt aber fühle ich mich
frei, vollkommen frei. Ich mache, ich
bekomme, was ich will. Ich habe solche
heftigen Sachen erlebt und überlebt, ich
lasse mir von niemandem mehr etwas
sagen.“
Sexismus und Gewalt. Für viele der jungen ÄgypterInnen beginnt nun der Kampf
um die kulturellen Errungenschaften,
um den Alltag nach der Revolution. Und
der ist von einer allgemeinen Rebellion
gegen die herrschenden Rollenmuster
geprägt. Die jungen Männer lassen sich
die Haare wachsen, Männer und Frauen
stechen sich Ohrringe und Piercings, auf
dem Platz sind viele Pärchen zusammengekommen, die jetzt unverheiratet
zusammenleben. Die Szene, in der dies
passiert, ist klein und, wie so oft, auf das
Zentrum der großen Städte konzentriert,
aber ihre Strahlkraft ist groß. Und die
allgemeine Offenheit gegenüber neuen,
veränderten Rollenmustern bietet die
Chance, auch für Frauen vieles zum
Besseren zu ändern.
Auf offizieller Ebene hingegen ist die
Bilanz drei Monate nach der Revolu-
tion ernüchternd, um nicht zu sagen,
entmutigend. In der Kommission, die
die neue Verfassung ausgearbeitet
hat – genau genommen nur die alte
reformiert hat – saßen ausschließlich
Männer. „Und die neue Verfassung ist
sehr sexistisch“, sagte Caroline Brac
vom Mediterranean Women’s Fund.
„Zum Beispiel legt sie fest, dass der
Präsident mit einer ägyptischen Frau
verheiratet sein muss. Somit ist es
verfassungsgemäß verboten, dass eine
Frau Präsidentin werden kann!“ Gesetze, die formell eine Besserstellung der
Frauen bedeuten würden, wurden bisher
keine beschlossen. Als im April für viele
Distrikte neue Gouverneure ernannt
wurden, war keine einzige Frau dabei –
eine Tatsache, die das Egyptian Center
for Women’s Research (ECHR) scharf
kritisierte. Und auch in einem anderen
Bereich sehen viele AktivistInnen, die
sich mit Frauenrechten beschäftigen,
keinen Fortschritt: bei der häuslichen,
aber auch der staatlichen Gewalt gegen
Frauen. Die Frauen unter den Protestierenden, die am 9. März von der Armee
festgenommen wurden, wurden nicht
nur geschlagen und mit Elektroschocks
gequält. „Wir saßen nackt vor den
Soldaten, in einem Raum, dessen Türen
und Fenster offenstanden, und wurden
von Kameras gefilmt“, erzählt Salwa
Hosseini Gouda, eine junge Aktivistin. „Die Soldaten klagten uns wegen
Prostitution an. Und wenn eine von uns
sagte, ich bin doch noch Jungfrau, kam
ein Mann, den wir nicht kannten und
‚checkte‘ das.“ Die Vorfälle erregten
auch international Aufmerksamkeit,
Human Rights Watch und Amnesty
International verurteilten diese
„Jungfräulichkeitstests“. Doch zu einer
Verurteilung der Verantwortlichen oder
zu einer Aufarbeitung der Vorfälle kam
es nicht. Und ein weiterer Fakt macht
Aktivist_innen, ob sie zu Frauenrechten arbeiten oder nicht, Sorgen. Für
September sind Parlamentswahlen
angesetzt. Bis dahin kann noch vieles
geschehen. Gewinnt jedoch tatsächlich,
wie bisherige Prognosen vorhersagen,
die radikal-islamische Muslimbrüderschaft einen Großteil der Stimmen,
sieht es für eine Verbesserung der Lage
der Frauen in Ägypten nicht gut aus. l
Juliane Schumacher lebt als freie Journalistin in Berlin und Kairo.
Juni 2011 an.schläge l 13
an.riss international
jemen II
Die Frauenecke am Taghier-Platz
Demo in Sanaa/Jemen nach sexistischen Äußerungen des Präsidenten
Foto: Adnan Al-Rajehi/Yemen Times
jemen I
Das Bild einer Frau
Neben zahlreichen anderen Ländern brodelt es auch im Jemen ganz gewaltig. Auslöser der Proteste war die Verhaftung der Journalistin, Ökonomin
und Frauenrechtsaktivistin Tawakul Karman im Jänner. Die Folge war der
Aufstand v.a. tausender Männer, die – sensationell für die äußerst patriarchalisch geprägte jemenitische Gesellschaft – Karmans Bild vor sich her
trugen. Nach einer Woche kam Karman wieder frei und führt seither die
Protestbewegung an.
Tawakul Karman organisiert seit vier Jahren die wöchentliche Dienstagsdemo vor dem Gebäude der Regierung Ali Saleh in der Hauptstadt Sanaa.
Manchmal stand sie sogar ganz allein dort. Mehrmals musste sie deswegen
ins Gefängnis, erhielt Morddrohungen, überlebte einen Anschlag und lehnte – als der Regierung offenbar nichts mehr anderes einfiel, um sie zum
Schweigen zu bringen – ein hohes Amt samt Geldgeschenken ab. Karman
hatte sich inhaltlich zunächst v.a. für Medienfreiheit eingesetzt und ist
Gründerin der NGO „Journalistinnen ohne Ketten“. Später engagierte
sie sich auch für Menschen- und Frauenrechte. So gingen ihre politischen
Tätigkeiten auch mit der Entscheidung einher, den Niqab, ein Kleidungsstück, das nur die Augen der Trägerin freilässt, abzulegen und nur noch
ein Kopftuch zu tragen. Denn das Gesicht einer Aktivistin müsse sichtbar
sein, so Tawakul Karman. Die große Beteiligung junger, gut ausgebildeter
jemenitischer Frauen an den gegenwärtigen Protesten ist sicher auch ihr
Verdienst. Diese Frauen haben genug davon, in der Öffentlichkeit keinerlei
Rolle spielen zu dürfen.
Einzig Tawakul Karmans Mitgliedschaft in der größten Oppositionspartei
Al-Islah ist für einige aus der Protestbewegung Anlass zur Kritik, da sich
innerhalb der Partei auch Islamisten befänden, die die Bewegung für sich
nutzen wollten. Karman erklärte, das sei nur eine von mehreren Strömungen, denen sie innerparteilich etwas entgegensetzen wolle. Auf Facebook
gibt es jedenfalls schon eine Gruppe, die „Tawakul Karman for President“
fordert. sylk
www.frauensicht.ch, www.womenpress.net (Website der „Journalistinnen ohne Ketten“)
14 l an.schläge Juni 2011
Als die Proteste in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa begannen,
bildete sich eine ständig wachsende Gruppe von Menschen, die Tag
und Nacht auf dem Taghier-Platz campierten. Als Nadia Al-Sakkaf, Chefredakteurin der „Yemen Times“, vor ein paar Monaten
dort recherchieren wollte, wurde sie am Eingang des Platzes von
zwei Männern mit dem Ruf „Eine Frau kommt – macht Platz!“ in
eine Ecke geleitet, die mit Tüchern abgetrennt war: die Frauenecke. Erst als sie sagte, sie sei als Journalistin gekommen, erhielt sie Zugang zum gesamten Platz. Inzwischen hat sich einiges
geändert, so Al-Sakkaf. Die Frauenecke sei viel größer geworden,
weil immer mehr Frauen am Widerstand beteiligt sind, und sie
wirke nicht mehr isolierend. Die Frauen seien jetzt überall am
Taghier-Platz zu finden, sie backen und kochen, um die Protestierenden zu ernähren, und bringen Kindern Freiheitslieder bei, sie
halten aber auch Reden und geben Auskünfte in Rechtsfragen. Als
Präsident Ali Saleh Mitte April gegenüber der Presse anzüglich
fragte, was die Frauen auf dem Taghier-Platz eigentlich machen,
wenn sie zwischen all den Männern auf der Straße schlafen, erntete er
eine Demonstration tausender wütender Frauen, die für Stunden durch die
Stadt marschierten und ihm die Botschaft überbrachten, dass das Maß nun
voll sei. „Wir bleiben, bis er geht“, skandierten sie. sylk
http://womenwithoutborders-save.blogspot.com
festung europa
Flucht aus Libyen
Seit Beginn der Aufstände in Nordafrika und besonders seit dem Ausbruch
des Bürgerkriegs Ende Februar in Libyen wird in den europäischen Medien
immer wieder von dramatischen Situationen berichtet, in die Flüchtlinge auf
dem Seeweg nach Europa geraten – zuletzt von 61 Menschen, die auf einem
Boot ums Leben gekommen sind, weil ihnen die Nato jede Hilfe verweigert
haben soll. Italiens Premierminister Silvio Berlusconi war nicht der einzige,
der aus dem Leid der etwa 22.000 Flüchtlinge, die es bisher nach Lampedusa
geschafft haben, politisches Kapital schlug. In der ganzen EU brachen Streitereien über eine „gerechte Verteilung“ dieser Menschen aus. Dabei wird meist
vergessen, dass es nur die wenigsten Flüchtlinge bis Europa schaffen: Seit
Mitte Februar sind mehr als 440.000 Menschen aus Libyen in die Nachbarländer, etwa die Hälfte davon nach Tunesien, geflohen. Die meisten sind tunesische oder ägyptische MigrantInnen, viele waren jedoch auch aus Asien oder
dem südlichen Afrika auf Arbeitssuche nach Libyen zugewandert. Besonders
prekär ist die Lage für AsylwerberInnen aus Krisenregionen wie dem Irak,
Somalia, Sudan, Äthiopien oder Palästina. Da sie nicht abgeschoben werden
können, verweigert Tunesien ihnen die Einreise. Als jedoch Berlusconi Anfang
April mit der tunesischen Übergangsregierung in Verhandlungen trat und 300
Millionen Euro an Finanzhilfe sowie sechs Patrouillenboote anbot, wenn dafür
die Überfahrt von Bootsflüchtlingen stärker bekämpft wird, reagierte die
tunesische Zivilbevölkerung empört. Es wurde u.a. gefordert, das Rücknahmeabkommen, das die Diktatur von Ben Ali 1998 mit Italien geschlossen hatte,
aufzuheben. Am 20. Juni, am Internationalen Tag des Flüchtlings, wird von
einer europaweiten Initiative zum „European Umbrella March“ aufgerufen.
Mit aufgespannten Schirmen soll für den Schutz von Flüchtlingen und Vertriebenen in der EU eingetreten werden. sylk
asyl aktuell 1/2011 (Zeitschrift der „asylkoordination österreich“, www.asyl.at)
European Umbrella March, 20. Juni, 11 Uhr, Treffpunkt Freyung 1, 1010 Wien
an.riss international
cahvio
Neues Kapitel im Kampf gegen Gewalt
usa
Anti-Choice America
Anfang Mai wurde bei einem Treffen der AußenministerInnen der 47
Mitgliedsstaaten des Europarates in Istanbul eine bahnbrechende Konvention gegen Gewalt an Frauen verabschiedet, die die bisherigen zahnlosen
Empfehlungen ablöst. Die Konvention zur Verhütung von Gewalt gegen
Frauen und häuslicher Gewalt (CAHVIO) ist für die Unterzeichnerstaaten
rechtlich bindend, bisher haben aber erst 13 Staaten, darunter auch die
Türkei, unterschrieben. Mit der Ratifizierung der Konvention in den nationalen Parlamenten verpflichten sich die Staaten, Telefon-Hotlines,
Frauenhäuser, Beratungsstellen und weitere Infrastruktur einzurichten.
Auch Öffentlichkeits- und Sensibilisierungsmaßnahmen sind vorgesehen.
Sogar verfassungsrechtlich hat die Konvention Folgen: Die Gleichheit von
Mann und Frau muss festgeschrieben, eventuelle diskriminierende Vorschriften müssen abgeschafft werden. Eine neu zu schaffende internationale ExpertInnengruppe soll die Umsetzung überwachen. In Europa erleben
durchschnittlich 20 bis 25 Prozent der Frauen im Laufe ihres Lebens
Gewalt oder sexuelle Gewalt, in der Türkei sogar fast die Hälfte.
Die Untätigkeit der Regierung war daher schon lange im Fokus der Kritik
der türkischen Frauenbewegung, auch das Treffen wurde von Demonstrationen feministischer Organisationen begleitet, die eine konsequente
Umsetzung von Gewaltschutzmaßnahmen forderten. Da Österreich mit
seinen Gewaltschutzgesetzen international als Vorbild gilt, spielte es
auch eine wichtige Rolle auf dem Weg zu dieser Konvention. Namentlich
Rosa Logar, Mitgründerin des ersten Frauenhauses in Österreich, hat dazu
beigetragen. sylk
Der Machtgewinn der Republikanischen Partei bei den Parlamentswahlen im letzten November hat der Anti-Choice-Bewegung in den USA
erheblichen Aufwind beschert. Durch die neu gewonnene Mehrheit im
„House of Representatives“ konnten die RepublikanerInnen zahlreiche
Anti-Choice-Gesetze verabschieden. Darunter fällt auch der „No Taxpayer
Funding of Abortion Act (H.R.3)“. Diese in den USA höchst umstrittene
Gesetzesnovelle wurde Anfang Mai im Parlament mehrheitlich bestätigt.
Der H.R.3 untersagt jegliche Finanzierung von Schwangerschaftsabbrüchen aus Staatsgeldern. Angesichts der vorgesehenen strengen Auflagen
dürften dann selbst Abbrüche nach Vergewaltigungen oder Inzest nicht
mehr finanziert werden. Betroffen wären v.a. sozial schlecht situierte
Frauen, die auf die staatliche Krankenversorgung Medicaid angewiesen
sind. Dies beklagt auch Silvia Henriquez, Direktorin des „National Latina
Institute for Reproductive Health“: „Eine freie Entscheidung wird diesen
Frauen unmöglich gemacht.“ Im Gegensatz zum schon bestehenden HydeAmendment, das die staatlichen Ausgaben für Abbrüche stark einschränkt,
würde der H.R.3 auch die private Vorsorge, über Hintertüren, nahezu
unmöglich machen. Der Gesetzesvorschlag wird nun dem Senat überreicht,
dort dürfte er aber dank der demokratischen Mehrheit scheitern. Sollte er
jedoch auch hier bestätigt werden, kündigte Präsident Obama an, ein Veto
einzulegen. leka
www.reproductiverights.org, www.prochoiceamerica.org
http://diestandard.at, http://conventions.coe.int/Treaty/EN/Treaties/HTML/DomesticViolence.htm
medienmix
Diskutieren
Ermöglicht Queerness die Auflösung von Identität oder ist sie nur ein Konzept, das nichts mit
der Praxis zu tun hat? Die aktuellen Kulturrisse
(Zeitschrift für radikaldemokratische Kulturpolitik) definieren „queer“ und fragen, wie sich
Aktivismus und Theoriebildung zueinander verhalten und wie Queer Theory, Disability- und GenderStudies sich heute im akademischen Feld
positionieren. Außerdem: sexualpolitische Debatten im zentral- und osteuropäischen Raum und
eine Reflexion über die Figur des Monsters. Verkaufsstellen und Bestellung auf kulturrisse.at. fis
Chatten
Seit März können sich Frauen auf queerpoint.de
kennenlernen und verabreden. Das Dating-Portal
ist übersichtlich und will so auch Nutzerinnen ansprechen, die bisher nicht im Internet auf Partnerinnensuche gegangen sind. Ob große Liebe, Flirt
oder Kontakte für Freizeit-Aktivitäten – die Plattform bietet verschiedene Filter- und Suchfunktionen sowie ganz klassisch die Möglichkeit, sich im
Profil zu präsentieren. Chat, Eventkalender und
Forum runden das Angebot ab. Die Anmeldung
ist kostenlos, die Premium-Mitgliedschaft kostet
maximal vier Euro pro Monat. fis
Spielen
„Come for the boobs, stay for the brains“ ist das
Motto des Gamer Girls Radio. Der Podcast richtet sich an Fans von Video- und Computerspielen.
Informationen über Neuentwicklungen haben
genauso ihren Platz wie Analysen und aktuelle
Nachrichten. Fast täglich servieren Gingir und
Cori zur Mittagspause im einstündigen Talkshowformat gut gelaunt Informationen für Nerds.
Blog-Beiträge und weitere Infos finden sich auf
gamergirlsradio.com, die einzelnen Folgen lassen
sich zum Beispiel über blogtalkradio.com/gamergirlsradio streamen. fis
Juni 2011 an.schläge l 15
Feminist
Press|ure*
Die AUF, Österreichs älteste feministische Zeitschrift, stellt nach 36 Jahren
ihr Erscheinen ein (vgl. an.schläge 05/11). Sind feministische Medien in der
Krise? Oder sind es nur die Zeitschriften und Magazine, weil die jungen
Feministinnen längst auf Blogs und andere Onlinemedien umgestiegen sind?
In einem Round-Table-Gespräch diskutieren Medienmacherinnen über Onlineund Offline-Aktivismus, neue Generationen und die Frage, warum feministische
Medienarbeit weiterhin wichtig ist.
Illustrationen: Bianca Tschaikner
16 l an.schläge Juni 2011
thema: feministische medien
Gabi Horak: Die „AUF. Eine Frauenzeitschrift“ muss nach 36 Jahren
aufhören. Eva Geber, du hast versucht,
Nachfolgerinnen zu finden. Wie ist der
aktuelle Stand?
Eva Geber: Es wird keine Übernahme
geben. Als klar wurde, dass die „AUF“
eingestellt wird, haben sich zwar
sehr viele gemeldet und das Angebot
gemacht, mitzuhelfen. Aber das reicht
nicht, es geht um eine verantwortliche
Übernahme. Und die klappt nicht, da
haben wir uns ja schon sehr lange drum
bemüht. Und da sind wir gleich bei der
politischen Debatte. Die Arbeits- oder
Studiensituationen sind heute ganz
anders, viele Frauen leben in prekären
Verhältnissen. Und wenn ständig das
Damokles-Schwert der Existenzfrage
über dir schwebt, ist es schwer, sich in
so ein Projekt richtig reinzuschmeißen.
Lea Susemichel: Es gibt ja in diesem
Zusammenhang immer den Konflikt zwischen einem Engagement aus Überzeugung und Leidenschaft und der Selbstausbeutung, die praktisch in allen feministischen Projekten stattfindet. Wie
wichtig ist es für euch, dass ihr von feministischer Medienarbeit auch leben könnt?
L. Susemichel: Rosa, du bist Mitbetreiberin des Projekts „Grassrootsfeminism“ (www.grassrootsfeminism.net),
das feministische Medien in Europa
dokumentiert. Wie ist das Verhältnis zwischen professionellen- und
„Die Arbeits- oder Studiensituationen sind
heute ganz anders, viele Frauen leben in
prekären Verhältnissen. Und wenn ständig das
Damokles-Schwert der Existenzfrage über dir
schwebt, ist es schwer, sich in so ein Projekt
richtig reinzuschmeißen.“ (Eva Geber)
„Liebhaberinnen“-Medien? Und gibt es
eine Verlagerung von Print- zu OnlineMedien?
Rosa Reitsamer: Der Forschungsfokus
sind feministische „Graswurzel“Medien, und die sind – wie soziale
Bewegungen generell – selten bezahlt.
Da sind viele Fanzine-Produzentinnen
dabei, aber auch Bloggerinnen oder
Frauen, die digitale Archive führen.
Bei den feministischen Magazinen ist
Österreich wirklich eine Ausnahme,
„Feministische Medien sind ein klassisches
Mittelschichtsphänomen. Neue Technologien
haben noch nie in der Geschichte soziale
Ungleichheiten minimiert.“ (Rosa Reitsamer)
Ina Freudenschuß: Bei „dieStandard.
at“ werden wir alle bezahlt, und wenn
man eine bestimmte Stundenanzahl
dort arbeitet, kann man auch davon
leben. Bei Arbeiten, mit denen man
sich selbst identifiziert, ist das mit der
Selbstausbeutung trotzdem immer
so eine Sache, weil wir das alle mit
Herzblut machen. Wir betrachten es
durchaus als Privileg, für diese Arbeit
bezahlt zu werden.
Leonie Kapfer: Ich studiere und arbeite
daneben als Kellnerin. Ich blogge aus
Leidenschaft. Die primäre Motivation
ist daher nicht, damit Geld zu verdienen, aber langfristig stellt sich natürlich die Frage, ob ich das neben einer
Vollzeitarbeit noch machen kann.
Allerdings stellt sich für mich die Frage,
ob es daneben weiterhin auch eine kritische Begleitung des politischen Geschehens gibt, wie das eben z.B. feministische Magazine leisten. Ich bin mir nicht
sicher, ob Blogs das ersetzen können.
wir haben hier eine sehr hohe Zahl an
feministischen Printmedien. Auch in
Großbritannien hat es in den 1970er
und 80er Jahren eine starke Tradition gegeben, dann aber mussten sehr
viele Zeitschriften eingestellt werden,
und nur die wenigsten sind auf Blogs
umgestiegen. Erst 1999 bis 2001 gab
es einen Anstieg von feministischen
Blogs oder Mailinglisten, ein weiterer
Höhepunkt war 2005. Ich glaube, es ist
eine jüngere Generation von Frauen,
die diese neuen Medien- und Kommunikationstechnologien nutzt.
I. Freudenschuß: Ich finde es erstaunlich, wie groß die Bereitschaft ist,
solche feministischen Blogs zu betreiben
und sich unbezahlt zu engagieren!
L. Susemichel: Leonie, war das eine
bewusste Entscheidung, ins Netz vorzudringen – angesichts der männlichen
Dominanz, die es auch dort gibt? Oder
war es einfach eine Ressourcen-Frage?
L. Kapfer: Die Frage nach einem
Print-Magazin hat sich wegen fehlender
Ressourcen gar nicht gestellt. Aber es
war dennoch auch eine bewusste Entscheidung für eine Gegenbewegung mit
einem Empowerment-Gedanken. Durch
Blogs erhalten viele Frauen die Möglichkeit, überhaupt zu publizieren und
sich zu engagieren. Und ein weiterer
wichtiger Vorteil eines Blogs ist, dass
internationale Vernetzung möglich ist.
I. Freudenschuß: Diese Vernetzung ist
natürlich brillant, Stichwort digitaler
Feminismus, da passiert im Sinne einer
Kollektivbildung schon einiges. Denken
wir z.B. an die Michael-Moore-Kampagne „#Mooreandme“, bei der Feministinnen über Twitter Michael Moore zur
Rede gestellt haben, warum er Julian
Assange verteidigt hat.
L. Kapfer: Gerade bei Kampagnen
gegen Sexismus gibt es den großen Vorteil, dass sie im Netz ganz unmittelbar
passieren können. Ich kann ganz schnell
auf Dinge reagieren.
R. Reitsamer: Ich bin bezüglich neuer
Medien oder neuer Kommunikationstechnologien nicht ganz so optimistisch,
weil sich einfach die Zugangsfrage
stellt: der Zugang zum Internet, zu
Computern, zum nötigen Wissen und zu
Bildung. Feministische Medien sind ein
* Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums er an.schläge
fand 2008 das mehrtägige
Symposium „Feminist
Press|ure“ zum Thema
feministische Medien statt.
Begleitend ist auch ein Buch
erschienen: Lea Susemichel,
Saskia Rudigier, Gabi Horak
(Hg.innen): Feministische
Medien. Öffentlichkeiten
jenseits des Malestreams;
Ulrike Helmer Verlag 2008,
19,90 Euro
Juni 2011 an.schläge l 17
thema: feministische medien
klassisches Mittelschichtsphänomen.
Neue Technologien haben noch nie in
der Geschichte soziale Ungleichhei-
E. Geber: Einen Blog zu betreiben ist
sicher leichter, das spart Zeit und Geld.
In der „AUF“ haben wir uns durch
„Durch Blogs erhalten viele Frauen die
Möglichkeit, überhaupt zu publizieren und
sich zu engagieren.“ (Leonie Kapfer)
ten minimiert. Und es stellt sich auch
die Frage der Vernetzung über diese
Kommunikationstechnologien. Unsere
Forschung zeigte uns Vernetzungen in
unterschiedlichen Stärken. Und ein
interessantes Phänomen gibt es dabei
vor allem bei den Blogs im deutschsprachigen Raum: Sie haben
sehr viele Links zu anderen
feministischen Medien. In
den Interviews hat sich dann
aber herausgestellt, dass es
dennoch nur mit bestimmten
Gruppen auch mehr Kontakt im
Alltag gibt und da quasi einen
„Offline-Aktivismus“ stattfindet, den es ohne das
Internet auch gegeben
hätte. Das relativiert
für mich dieses positive Potenzial der
neuen Medien- und
Kommunikationstechnologien.
L. Susemichel:
Aber dass Medienpartizipation elitär
ist, das trifft nicht
nur auf die neuen
Medien zu, sondern
insbesondere auch
auf Magazine und
Zeitschriften …
L. Kapfer: Und zur
Frage der sozialen
Ungleichheit aufseiten der KonsumentInnen: Das Internet ermöglicht es,
viele verschiedene
Medien zu konsumieren. Die wenigsten können
sich jeden Tag
fünf Zeitungen
leisten, die
„Emma“ kostet
fast zehn Euro.
18 l an.schläge Juni 2011
E-Mails viele Sitzungen erspart, aber
es ist gleichzeitig auch eine Crux. Die
politische Diskussion fehlt dann. Und
nicht alles, was eine Zeitschrift enthält, kann mit dem Internet abgedeckt
werden. Wenn ich heute eine Zeitung
gekauft hätte, wäre zwar über den Tod
Osama bin Ladens noch nichts drinnen
gewesen, aber ich hätte den einen oder
anderen Essay darin gelesen. Das ist ja
eine große Gefahr, dass man nur noch
mitverfolgt, was einen interessiert, und
nichts mehr vom sonstigen Weltgeschehen mitbekommt. Eine Freundin von
mir, die sich nur im Netz informiert,
hat es tatsächlich geschafft, weder
von der royalen Hochzeit noch von der
Papst-Seligsprechung etwas mitzubekommen …
G. Horak: Die Medientheorie geht ja
längst davon aus, dass ein Medium das
andere nicht ersetzen kann. Die Diskussion gibt es ja immer wieder: Als der
Fernseher kam, dachte man auch erst,
die Kinos verschwinden usw.
Zur Frage, ob das Internet etwas zur
Demokratisierung beiträgt: Frauen betreiben zwar zwei Drittel der
deutschsprachigen Blogs, sie bloggen
aber zu höchst privaten Themen, die gar
nicht die Öffentlichkeit suchen. Männer
hingegen kommentieren sofort das
Weltgeschehen und wetteifern darin,
verlinkt zu werden oder auf die TopBlog-Listen zu kommen. Da setzt sofort
eine Hierarchisierung ein – das Internet
spiegelt also auch nur die gesellschaftliche Realität wider.
Gleichzeitig denke ich, dass der digitale
Feminismus auch viel ermöglicht. Global gesehen ist das eine große Masse an
Frauen, die sich so konzertieren – das
möchte ich schon anerkennen. Aber
natürlich braucht es zusätzlich die Verankerung in einer politischen Szene, das
Erarbeiten von Forderungen, mit denen
dann das Netz gefüttert wird.
L. Kapfer: Dieser reale Austausch
findet ja statt, etwa beim Gender Camp,
wo sich die Blog-Szene ins reale Leben
überträgt. Aber ich glaube schon, dass
ich mit Blogs vernetzter bin, als ich
es ohne wäre. Für mich hat das Netz
für meine feministische Tätigkeit eine
zentrale Rolle gespielt.
G. Horak: Wir haben jetzt zwei Feststellungen getroffen: Die eine ist, dass
es eine junge Generation gibt, die mit
„Frauen betreiben zwar zwei Drittel der
deutschsprachigen Blogs, sie bloggen aber
zu höchst privaten Themen. Männer hingegen
kommentieren sofort das Weltgeschehen
und wetteifern darin, verlinkt zu werden
oder auf die Top-Blog-Listen zu kommen.“
(Ina Freudenschuß)
I. Freudenschuß: Ich war vor kurzem
auf der re:publica (Anm.: eine Konferenz über Blogs, soziale Medien und
die digitale Gesellschaft), wo es große
Einigkeit darüber gab, dass die Bildung
von sogenannten Echo-Kammern problematisch ist. Viele nehmen nur mehr
das wahr, was sie persönlich interessiert
oder betrifft. Deshalb sind Tageszeitungen mit Qualitätsjournalismus weiterhin
wichtig.
dem Netz aufgewachsen ist und dessen
Vorteile nutzt. Andererseits kann das
Netz andere Medien nicht ersetzen
und soll sie auch nicht ersetzen. Da
stellt sich aber die Frage, ob es künftig
noch Frauen geben wird, die auch die
Zeitschriften übernehmen, nicht nur die
Blogs.
I. Freudenschuß: Die Erfolgsgeschichte
des „Missy Magazine“ stimmt in dieser
thema: feministische medien
Hinsicht ja optimistisch: eine neue feministische Zeitschrift, die sich mitten in
der Wirtschaftskrise gegründet hat und
sich etablieren konnte.
L. Susemichel: Am Beispiel „Missy
Magazine“ zeigt sich aber, dass die
Generationenfrage auch mit neuen
relativ privilegierten Redakteurinnen.
Das macht auch etwas mit der Zeitung,
mit den Inhalten, wenn die Frauen woanders herkommen – und vielleicht auch
woanders hinwollen. Viele Praktikantinnen kommen heute nicht mehr primär
als Feministinnen zu uns, die sich in einem feministischen Projekt engagieren
„So verständlich der Wunsch auch ist, dass
Feministinnen über Generationen und
Differenzen hinweg Allianzen bilden: Ist
es nicht problematisch, wenn manifeste
Meinungsverschiedenheiten
zwischen
Feministinnen nicht mehr thematisiert
werden?“ (Lea Susemichel)
inhaltlichen Positionierungen zu tun
hat und nicht nur mit neuen medialen
Formen.
L. Kapfer: Leute in meinem Alter
sind sehr auf diese Pop-Ästhetik à la
„Neon“ festgelegt. Diesen Stil haben
andere feministische Medien kaum
aufgegriffen, und auch thematisch hat
das „Missy Magazine“ Popkultur und
Feminismus vereint. Das kommt wahnsinnig gut an.
G. Horak: Es braucht viele Voraussetzungen für eine gelungene Generationenübergabe in einem Medium, nicht
nur finanzielle. Die vorangegangene
Generation muss auch loslassen können,
aber das ist nicht so einfach, denn das
heißt auch, zu akzeptieren, dass das
Projekt vielleicht in eine andere Richtung geht. Es geht auch darum, Macht
herzugeben, und darum, neue Positionen zu akzeptieren. Meiner Erfahrung
nach ist es weniger ein Generationenproblem, sondern eine Frage von: Wo
komme ich her?
Inzwischen sind bei den an.schlägen fast
ausschließlich Akademikerinnen und
Studentinnen als Praktikantinnen aktiv.
Das war bei der Gründung anders: Die
Macherinnen kamen aus der Frauenbewegung und beruflich aus ganz unterschiedlichen Bereichen. Inzwischen
sind die an.schläge auch insofern homogen
– und das ist für uns seit vielen Jahren
Thema – , dass wir sehr wohl wissen,
dass wir ein Weißes Projekt sind mit
wollen, sondern sie wollen vor allem
auch journalistisch arbeiten. Da sind
die an.schläge quasi die Lehrredaktion,
und irgendwann dann landen sie dann
bei anderen Medien – wir haben unsere
Frauen schon überall!
R. Reitsamer: Das finde ich sehr
interessant, dass bei den an.schlägen ein
Homogenisierungsprozess hinsichtlich
Herkunft stattfindet. Beispielsweise in
Italien gibt es viele feministische Blogs,
für die – ähnlich wie etwa für „migrazine.at“ in Österreich – Intersektionalität
ein zentraler Ansatz ist. Die extrem
viel Wert darauf legen, dass sie ganz
viele unterschiedliche Perspektiven in
ihren Blogs drinnen haben. Sie sagen
dezidiert: Wir sind feministisch, antisexistisch, antifaschistisch, wir sind gegen
jede Art von Homophobie. Das ist eine
sehr differenzierte feministische Perspektive. Und wenn ich die an.schläge lese,
ist da durchaus auch ein sehr breites
Themenspektrum vertreten …
L. Susemichel: Von den inhaltlichen
Ansprüchen her trifft das auch für die
an.schläge zu. Aber personell ist es eben
sehr homogen. Die Tendenz zu dieser
Homogenisierung erklärt sich meiner
Meinung nach aber auch dadurch, dass
grundsätzlich eine Akademisierung von
Feminismus stattgefunden hat. Feminismus findet zunehmend vor allem an
der Uni statt bzw. als Wissenschaft.
Und die meisten jungen Frauen werden
heute an der Uni zum ersten Mal
mit feministischen
Inhalten konfrontiert
und nicht über den
Aktivismus, d.h.
die neuen Frauen
kommen dann auch
über ihr Studium zum
Feminismus.
L. Kapfer: Aber bei
den an.schlägen gibt
es doch zumindest
kein Generationenproblem, oder?
Es kommen doch
immer wieder Junge nach …
L. Susemichel:
Bei den an.schlägen
war der Generationenwechsel
nie so drastisch.
Es gab nie eine,
die über Jahrzehnte dabei
war, sondern
immer schon eine
große Fluktuation auch unter
den angestellten
Redakteurinnen,
was natürlich mit
der schlechten
Bezahlung zusammenhängt, von der
keine lange leben
kann. Dafür war
dann aber auch
kaum jemals eine
große Zäsur notwendig, sondern
das Heft hat
sich kontinuierlich verändert,
und es war nie
so wie bei der
„Emma“, dass eine
Zeitung vor allem mit einer Person
verknüpft ist.
In der letzten „Emma“-Ausgabe gab es
übrigens ein „Gespräch der Generationen“, für das es viel Kritik aus der feministischen Szene gab. „Emma“ trifft
die „Mädchen“ – u.a. die Missy-Macherinnen – und heraus kommt dabei, kurz
gesagt, dass der Konflikt nur ein großes,
medial erzeugtes Missverständnis ist.
So gibt es bezüglich Sexarbeit und
Juni 2011 an.schläge l 19
thema: feministische medien
Pornografie überhaupt keine unterschiedlichen Positionen, sondern nur
unterschiedliche Definitionen, und über
das Thema Kopftuch und Rassismus
wurde erst gar nicht gesprochen. So
verständlich der Wunsch auch ist, dass
Feministinnen über Generationen und
Differenzen hinweg Allianzen bilden: Ist
es nicht problematisch, wenn manifeste
Meinungsverschiedenheiten zwischen
Feministinnen nicht mehr thematisiert
werden und Kritik an bestimmten Haltungen nicht mehr formuliert wird?
würde mich deshalb gar nicht als „junge
Feministin“ bezeichnen, und ich kenne
auch ganz viele in meinem Alter, die
das auch nicht tun würden. Die sagen:
Wir sind Feministinnen, und wir haben
unterschiedliche Standpunkte. Und sie
übernehmen von der alten Bewegung
20 l an.schläge Juni 2011
G. Horak: Das Problem an Schwarzer ist, dass sie als „die“ Feministin
rezipiert wird, die die ganze Bewegung
repräsentiert. Das ist das eigentlich
Problematische.
E. Geber: Wir müssen eben aufpassen,
dass es nicht nur eine Galionsfrau gibt,
sondern viele.
Aber es gibt immer noch diese gefährliche und zu allen Zeiten angewendete
Strategie, die darin besteht, den
Frauen weiszumachen, sie hätten ihre
Ziele doch erreicht und es gäbe keine
Diskriminierung mehr. Das hat schon
nach der Einführung des Frauenwahlrechts begonnen: „Jetzt habt ihr
bekommen, was ihr wolltet, jetzt könnt
ihr aufhören ...“
R. Reitsamer: Ich hab dieses Interview durchaus anregend gefunden und
war positiv überrascht davon, dass
es möglich ist, dass unterschiedliche
Generationen von Feministinnen sich
an einen Tisch setzen können, ohne
sich zu zerraufen. Die Generation der
jüngeren Feministinnen nimmt für sich
in Anspruch, einen neuen, eben diesen
„Alpha-Mädchen-Feminismus“ zu vertreten. Bei den Interviews, die wir
mit diesen Feministinnen gemacht
haben, kommt dann immer schon
im ersten Satz, dass sie sich von
einem älteren Feminismus abgrenzen – und sie tun dies oft auf
eine widerliche Art und Weise.
Das sind dann die verstaubten,
alten, hässlichen, grantigen,
männerhassenden, lila-Latzhosen-tragenden Lesben, mit
denen man nichts zu tun haben
will. Weil unser Feminismus
macht ja jetzt Spaß, und der ist
sexy und lustig und toll. Ich glaube, radikale Gesellschaftskritik
kann sehr sexy sein, aber nicht in
einem patriarchalen Sinne. Ich denke, das ist wirklich eine postfeministische Strategie, wie junge Feministinnen
dazu beitragen, Feminismus als soziale
Bewegung zu demontieren.
Das fügt sich wunderbar ein in eine neoliberale Politik.
L. Kapfer: Das kann man so nicht
sagen. Natürlich gibt es die jungen
Feministinnen, die du da beschrieben
hast, aber das ist auf keinen Fall die
breite Masse. Das ist genau die Verallgemeinerung und das Bild, das uns
von außen aufgedrückt wird: Es gibt
die jungen und die alten Feministinnen.
Es gibt aber sehr viele junge Feministinnen, die auch nicht so sind. Ich
E. Geber: Dass das keine Generationenfrage ist, zeigt sich z.B. auch daran,
dass bei Alice Schwarzers Vorträgen in
Wien der Saal voll war mit ganz jungen
Frauen, die ganz begeistert waren.
R. Reitsamer: Ich glaube, die gesellschaftliche Erwartungshaltung an
jüngere Frauen, sich vom Feminismus
zu distanzieren, steht vor dem Hintergrund dieser neoliberalen Politik, die
Feminismen und Antirassismen eine
brutale Absage erteilt. Die feministische Terminologie der Selbstermächtigung und Wahlfreiheit wird aufgenommen von dieser Politik, um sie
gegen die jungen Frauen zu kehren, um
ihnen zu suggerieren: Ihr seid gleichberechtigt, ihr habt alles erreicht. Was
in der Realität natürlich nicht so ist.
Ich denke, dass die Absage an Feminismus als Bewegung unter neoliberalen
Verhältnissen noch mal eine ganz neue
Ausformung bekommen hat. Aber man
weiß ja nicht, was noch kommt …
L. Kapfer: Und suggeriert wird Frauen
dabei auch: Wenn es nicht so läuft, wie
es soll, dann seid ihr selber schuld, dann
liegt das an individuellem Versagen.
Aber genau dagegen richten sich auch
junge Feministinnen.
sehr viel, haben aber in manchen Fragen eben eigene Positionen. Aber auch
die sind keine homogene Masse, es gibt
da viele Positionen, die ich auch nicht
unterschreiben würde.
I. Freudenschuß: Dass diese Einpassung von feministischen Werten in eine
neoliberale Gesellschaft eine Gefahr ist,
gegen die wir uns wehren müssen, dem
pflichte ich absolut bei. Aber ich habe
das Gefühl, dass Feministinnen sich
thema: feministische medien
wehren! Es gibt sehr viel feministische
Kritik am kapitalistischen System, und
es gibt starke linke feministische Positionen. Die Frage der Rezeption ist aber
E. Geber: Einen Generationenkonflikt in
dem Sinne gab es bei der „AUF“ überhaupt nicht. Es haben immer sehr viele
junge Frauen mitgearbeitet, die konnten
„Das Problem an Schwarzer ist, dass sie als
‚die’ Feministin rezipiert wird, die die ganze
Bewegung repräsentiert. Das ist das eigentlich Problematische.“ (Gabi Horak)
natürlich wieder eine andere, in die
Medien kommt nur, was innerhalb des
bestehenden Systems verhandelbar ist.
In Bezug auf Alice Schwarzer und die
„Emma“: Ich schätze die „Emma“
sehr, weil sie so eine feministische
Illustrierte ist. Man hat wirklich viel
zu Lesen für die zehn Euro … Und bei
aller Kritik an Alice Schwarzer muss
man sich schon die Frage stellen: Was
wäre denn, wenn Schwarzer nicht
wäre? Es würde für die Feminismen
im deutschsprachigen Raum vermutlich auch nicht allzu gut aussehen,
weil es sonst keine Person gibt, die
diese Rolle der Generalfeministin
noch einnehmen könnte – und wollte.
Schwarzer ist eine Medienfeministin,
die zu jedem Thema was zu sagen hat
und das auch sehr eloquent tut. Das
hat wieder mit der schon angesprochenen Akademisierung zu tun, dass viele
Feministinnen sich auf ihren kleinen
Bereich spezialisiert haben und die
anderen Bereiche jenen Feministinnen
überlassen wollen, die dort die größere Expertise haben.
L. Susemichel: Aber sich bspw. gegen
Gewalt gegen Frauen auszusprechen
oder zu fordern, dass die Gehaltsschere
geschlossen werden muss etc. – das
können alle anderen Feministinnen
auch. Und Schwarzer sagt eben auch
einige schlimme Sachen. Muss ich also
etwa ihre Aussagen zur „Islamisierung“
unwidersprochen in Kauf nehmen, nur
weil sie immer wieder auch wichtige
feministische Kritik einbringt?
auch immer sofort alles übernehmen,
und das ist auch immer wieder geschehen. Und ich habe immer sehr gerne –
am liebsten sogar – mit den ganz jungen
Frauen gearbeitet.
L. Kapfer: Die jungen Feministinnen sind
auf jeden Fall da, würde ich sagen! l
Ina Freudenschuß ist Ressortleiterin von
„diestandard.at“ (http://diestandard.at).
Eva Geber war 35 Jahre lang Redakteurin
der „AUF. Eine Frauenzeitschrift“.
Gabi Horak ist seit 1998 Mitarbeiterin und
Weggefährtin der an.schläge.
Leonie Kapfer bloggt für das Mädchenblog
(http://maedchenblog.blogsport.de) sowie
das European ProChoice-Network (http://
europeanprochoicenetwork.wordpress.
com) .
Rosa Reitsamer hat zum Thema feministische Medienproduktion in Europa
geforscht und ist Mitbetreiberin von
„grassroots feminism“ (www.grassrootsfeminism.net/cms).
Lea Susemichel ist koordinierende Redakteurin der an.schläge.
I. Freudenschuß: Ich will diese
Aussagen überhaupt nicht verteidigen.
Wir sollten uns nur die Frage stellen,
wie wir mit der Partikularisierung
umgehen, die eben auch im Feminismus
stattgefunden hat.
Juni 2011 an.schläge l 21
thema: feministische medien
New Girls
im „Old Boys Network“
Eine reine Männerdomäne ist das Internet schon lange nicht mehr.
Frauen sind im Netz nur schlechter vernetzt und müssen sich dort mit den
gleichen Problemen wie in der Offline-Welt rumschlagen.
Von Leonie Kapfer
ion:
rat
lust
Il
„Girls can Blog“ – mit diesem Slogan
wandte sich die Autorin Annina Luzie
Schmid 2010 bloggend an die Öffentlichkeit. Ihr erklärtes Ziel: Die
Vernetzung zwischen den einzelnen
Bloggerinnen voranzutreiben und deren
Tätigkeiten sichtbar zu machen.
Damit spricht sie ein heikles Thema
an, denn Frauen betreiben zwar zwei
Drittel der deutschsprachigen Blogs2, in
Medien und Blog-Rankings dominieren
jedoch mehrheitlich reine Männerblogs.
Kaum verwunderlich also, dass die Top10-Liste der deutschen Blog-Charts seit
jeher ohne Frau auskommt.
Bia
aikn
sch
T
nca
er
1
1 http://girlsblogtoo.
blogspot.com/
2 Klaus Schönberger: Doing
Gender, kulturelles Kapital
und Praktiken des Bloggens
3 www.obn.org
22 l an.schläge Juni 2011
Seximus 2.0. Warum ist das so?
„Kompetenz wird im Internet immer
noch mit Männlichkeit gleichgesetzt“,
sagt die langjährige Internetaktivistin
Susanne Klinger. Das Netz ist entgegen
der Annahme vieler Optimist_innen
kein sexismusfreier Raum geworden,
die Stereotypen und Machtverhältnisse
der Offline-Welt wirken auch im WWW.
„Das Medium des 21. Jahrhunderts
reproduziert das Geschlechterverhältnis des 18. Jahrhunderts: Im Internet
kocht und häkelt die Frau, das große
Wort führt der Mann“, musste Klinger
feststellen. Öffentlichkeit = Mann, und
Privat = Frau bleibt auch im Netz der
Status quo.
Denn Fakt ist, dass sogenannte „harte“
Themen, wie Politik, Technik oder
Wirtschaft, eher von Männern verhandelt
werden. Frauen führen ihre Blogs häufig
als eine Art Tagebuch. Während diese intimen Notizen oft gar nicht für die große
weite Welt bestimmt sind, wollen Männer
mit ihren Kommentaren hingegen gezielt
die breite Öffentlichkeit erreichen.
Ein weiteres Problem ist die raue
Diskussionskultur im Internet. Das Netz
ist weitgehend anonym, und Handlungen
bleiben in aller Regel ungeahndet – Rahmenbedingungen, die Beleidigungen und
Hetze natürlich erleichtern. Vor allem
Frauen, die sich von den erwarteten Rollenbildern entfernen oder offen feministische Aussagen tätigen, müssen im Netz
mit üblen Beschimpfungen rechnen.
Auch als eine Gruppe engagierter
Bloggerinnen vor gut einem Jahr die
bis dato männlich dominierte Bloggerkonferenz re:publica eroberte und
ein von der weiblichen Netzwelt lang
ersehntes Panel über Frauen im Netz
auf die Beine stellte, musste man auf
Hasstiraden im Live-Stream nicht lange
warten. „Jetzt sprechen 10 Brüste
über Feminismus“, war dabei noch ein
„Das Medium des 21. Jahrhunderts reproduziert das Geschlechterverhältnis des
18. Jahrhunderts: Im Internet kocht und
häkelt die Frau, das große Wort führt der
Mann.“ (Susanne Klinger)
Im Fall der Technik-Bloggerin Kathy
Sierra ging der Online-Terror so weit,
dass sie beschloss, ihren Web-Blog
zu schließen und ganz aus der Öffentlichkeit zu verschwinden. Unbekannte
hatten zuvor Bilder von Sierras sowie
ihre private Adresse auf mehreren
Foren gepostet, darunter der Aufruf, die
„langweilige Schlampe“ zu vergewaltigen.
vergleichsweise milder Auswuchs des
Sexismus 2.0. New Girls Network!
Frauen im Netz gibt es aber nicht erst
seit den letzten Jahren, auch wenn
die mediale Aufmerksamkeit dank der
klugen Netzwerkarbeit der OnlineAktivistinnen stetig wächst. Bereits
1997 wurde in Berlin mit dem „Old
Boys Network“3 die erste internationale
Allianz bekennender Cyberfeministin-
thema: feministische medien
nen gegründet. Seither hat sich viel
getan. Neben bekannten feministischen
Blogs wie Mädchenmannschaft4 oder
Mädchenblog5 entscheiden sich immer
mehr Frauen auch ganz bewusst dafür,
„harte“ Themen zu behandeln. So
entstand zum Beispiel der Technik-Blog
„Side Glace“6 oder der politische Blog
von Anne Roth „annalist“7. Es etablieren sich zudem immer mehr OnlinePlattformen, um weibliche Netz-Arbeit
aus ihrem Schattendasein zu führen und
Vernetzung voranzutreiben. So zum
Beispiel das transnationale Projekt
„grassroots feminism“8 oder die eben
erst gegründete feministische Initiative
„Frau Lila“9.
Frau Lila will „Frauen ermutigen, sich
zu Wort zu melden, politisch zu handeln, sich zu vernetzen, für ihre Rechte
und Stimmen zu kämpfen“. Auch die
Facebook-Gruppe „Girls On Web Society“, die bereits 500 Mitglieder zählt,
hat starken Vernetzungscharakter.
Der Wikipedia? Doch nicht nur die
Blogosphäre kann von „post-gender“Zeiten nur träumen. Auch Wikipedia
spiegelt klassische Geschlechterverhältnisse wider. 85 Prozent der Beiträge
werden dort von Männern verfasst. Nur
zehn bis 15 Prozent der Autor_innen
sind weiblich.10 Ein untragbarer Zustand, findet auch Wikimedia-Geschäfts-
g
führerin Sue Gardner: „Uns mangelt
es dramatisch an Frauen. Das müssen
wir ändern, wenn wir unseren Job gut
machen wollen.“ Ein entscheidender
Faktor dabei sei, so Gardner, dass zur
Verfassung eines Beitrages sehr viel
Selbstüberzeugung gehört – und diese
sein nun mal ein Phänomen männlicher
Sozialisation. „Immerhin muss man
glauben, etwas zu wissen, das es wert
ist, mit anderen geteilt zu werden.“
Erste Initiativen, um dies zu ändern,
wurden bereits gestartet, wie zum
Beispiel die Mailingliste „Gendergap – Increasing female participation
in Wikimedia projects“11. Dort wird
nach Strategien gesucht, wie die Zahl
an partizipierenden Frauen gesteigert
werden könnte.
Eine Erhöhung des Frauenanteils
alleine wird aber nicht reichen, um die
Wikipedia gendergerechter zu machen
und damit zu verhindern, dass Wissensproduktion auch im Netz männlich bleibt. Denn Frauen, die für die
Online-Enzyklopädie geschrieben haben,
berichteten immer wieder von sexistischen Übergriffen oder davon, dass ihre
Beiträge als „irrelevant“ eingestuft
wurden.
Die miese Frauenquote bei Wikipedia
demonstriert, dass das Internet nicht
fernab von gesellschaftlicher Realität
funktioniert. Dieselbe Diskriminierung,
Mit dem niedlichen Begriff
„Trollkommentar“ wird im
Fachjargon ein hasserfüllh
tes und aggressives Posting
bezeichnet. Jede Feministin
mit Internetzugang kennt solche
Kommentare, denn Web-Artikel
mit feministischen Themen oder Statements
provozieren nahezu immer diskriminierende Antworten, nicht selten werden Autorinnen dabei
auch persönlich beleidigt oder sogar bedroht.
Viele feministische Medien und Blogs verzichten deswegen inzwischen oft völlig auf die Kommentarfunktion, bringen so aber auch die eigene
Community um die Möglichkeit, Themen online
zu diskutieren. Mit hatr.org gibt es nun eine Lösung für dieses Problem. Unter der Überschrift
„Das Letzte“ sammelt und veröffentlicht die
Website Trollkommentare – und befreit damit
.or
r
t
a
die Frauen auch sonst an politischer
Partizipation hindert, gibt es auch online und wird auch hier nicht per Mausklick abschaffbar sein. Vielmehr muss
der Netz-Aktivismus auch zur Überwindung von Sexismen im „Real-life“
beitragen. Dass dies möglich ist, zeigt
etwa die Seite „Hollaback Berlin!“12.
Dort wird Menschen eine Plattform gegeben, damit sie sich im Alltag erlebte
sexistische und sexualisierte Belästigungen im Netz von der Seele schreiben
und kollektiv Verteidigungsstrategien
entwickeln können.
An coolen Seiten von Feminist_innen
mangelt es im WWW also wahrlich nicht
– sie müssen nur entdeckt werden. l
Leonie Kapfer bloggt selbst seit drei
Jahren für das Mädchenblog (http://
maedchenblog.blogsport.de) sowie das
European ProChoice-Network (http://europeanprochoicenetwork.wordpress.com).
andere Seiten davon. Die Idee entstand beim
Gendercamp 2010, Anfang April 2011 ging die
Seite online. Wie beim US-amerikanischen Vorbildprojekt „Monetizing The Hate“ (http://dooce.com/hate) ist es das erklärte Ziel, die Hasstiraden zu Geld für die eigene Sache zu machen.
„Auf hatr.org soll Werbung geschaltet werden.
Wir wollen die Trolle schließlich nicht einfach
nur vorführen, sondern eiskalt monetarisieren“,
ist auf der Website zu lesen. Die Einnahmen
würden verwendet, um queer-feministische
Projekte zu unterstützen, die sich gegen sexistische, rassistische, homophobe und transphobe
Diskriminierung richten, so Leah Bretz, eine der
Betreiberinnen von hatr.org, in einem Interview
mit „jetzt.de“.
Seit April melden sich immer mehr Blogs und Projekte an, um ihre Postings zu spenden – und die
ersten Werbeschaltungen gibt es auch schon. les
4 http://maedchenmannschaft.net
5 http://maedchenblog.
blogsport.de
6 http://sideglance.melanchol-ie.de/
7 http://annalist.noblogs.org
8 www.grassrootsfeminism.
net/cms
9 http://fraulila.de
10 www.zeit.de/digital/
internet/2011-02/internetfrauen-maenner?
11 https://lists.wikimedia.
org/mailman/listinfo/gendergap
12 http://berlin.ihollaback.
org/
Juni 2011 an.schläge l 23
an.sprüche
Ohne Hand in der Hose
Illustrationen: Bianca Tschaikner
Mit der Arbeit in feministischen Medien lässt sich nur in seltenen Glücksfällen
genug Geld zum Leben verdienen.
Vier an.schläge-Redakteurinnen berichten, wie es ihnen als Feministinnen in ihren
früheren oder aktuellen journalistischen Brotjobs geht.
FM4 ist ein Radiosender, Teil des ORF und als solcher einer öffentlichrechtlichen Struktur und dem ORF-Gesetz verpflichtet. Das unterscheidet
uns von einem Medium wie den an.schlägen, die Objektivität in klassischer
Sicht als männerzentriert kritisieren. Es unterscheidet uns aber auch
von vielen Tageszeitungen, die sich die Objektivität wohl auf die Fahnen
schreiben, deren Blattlinie sich aber durchaus niederschlagen kann und
darf. Wir dagegen bleiben idealerweise neutral und ausgewogen. (Queer)
feministische Themen haben bei FM4 innerhalb dieser Ausgewogenheit
aber gut Platz und sind gerne gesehen.
Und bei FM4 ist es im Gegensatz zu den anderen Mainstream-Medien,
die ich kenne, nicht nur erlaubt, sondern explizit erwünscht, in Beiträgen
und Moderationen zu gendern. Bloß: Radiosprache funktioniert anders
als geschriebene Sprache. Das, was uns im Schriftbild zur Verfügung
steht, um zu verdeutlichen, dass wir jetzt beide Geschlechter, wie etwa
mit dem Binnen-I, kennzeichnen wollen oder mehrere Geschlechter, wie
mit * oder _, meinen, lässt sich schlecht hörbar machen. Wie lässt sich
das also erreichen?
Anfangs hab ich gerne Binnen-Is geschrieben, aber konsequent nur die
weibliche Form gesprochen. Hübsch nach der Theorie, dass sich Männer diesmal eben „mitgemeint“ fühlen dürfen. In der Praxis kommt es
allerdings häufig als „nur Frauen“ an. Das ist nicht immer förderlich.
Ich könnte also einfach beides nehmen. Aber Sätze wie „Schülerinnen
und Schüler besprechen mit Lehrerinnen und Lehrern die Situation von
Asylwerberinnen und Asylwerbern“ sind tödlich für das Hörverständnis.
Abgesehen davon, dass bei der im Radio gebotenen Kürze ein Beitrag
dann nur aus wenigen Sätzen bestehen würde. In letzter Zeit experimentiere ich mit einer sprachlichen Verdeutlichung des Abstands, circa
„Schüler – absetzen – innen“ ausgesprochen. Es ist ein Drüberstolperer
beim Hören, wie der Unterstrich und Abstand beim Lesen. SprachpolizistInnen finden es unschön und inkorrekt, wie das Binnen-I. Also vielleicht
die konsequenteste Übersetzung der geschlechterneutralen Sprache ins
Gesprochene. Ich kann mich trotzdem nicht für eine Form entscheiden
und wähle je nach Thema, Komplexität des Inhalts und Zielgruppe. So
viel Ausgewogenheit muss sein! Irmi Wutscher
24 l an.schläge Juni 2011
Ich arbeite bei einer Tageszeitung, und ich arbeite dort sehr gerne. Ich
habe kein Problem mit meinen Kollegen, ganz im Gegenteil. Manchmal
habe ich aber ein Problem mit meinen Lesern – wohl gemerkt mit einem
sehr, sehr kleinen Teil meiner Leser. Unlängst riet mir da ein besonders
charmanter Poster, ich möge mir doch einen anderen Job suchen. Das
wäre im Sinne aller Beteiligten, schrieb er und wollte damit vermutlich
deutlich machen, dass ich halt einfach keine Ahnung hätte. Es ist ein
wahrlich überwältigendes Gefühl, von einem Unbekannten dermaßen persönlich angegangen zu werden, denn: wie „wehrt“ man sich gegen einen
Nicknamen?
Eigentlich sollte die Posting-Funktion den LeserInnen die Möglichkeit
geben, sich über den Inhalt der Texte auszutauschen. Manchmal macht es
aber wohl einfach mehr Spaß, sich über die AutorInnen auszutauschen.
Während hier zur Abwechslung einmal meine Kompetenz (oder wohl eher
mein Intellekt) angezweifelt wurde, wird normalerweise lieber über mein
Aussehen spekuliert: „Sie möchte ich gerne einmal sehen.“ Wer Heidi
Klum attestiert, sie sehe verhärmt aus (und das tut sie in manchen Situationen), der muss wohl automatisch unansehnlich und von Neid zerfressen
sein. Überhaupt: Besonders schreibwütig werden die Poster (und hier
speziell Männer) immer noch, wenn es um das böse F-Wort geht. Muss
eine Art Schlüsselreiz sein. Angriffe gehen da schon einmal unter die Gürtellinie. Ich würde mir hier einfach ein bisschen mehr Respekt im Umgang
mit anderen Menschen wünschen. Offenbar lassen die Anonymität und/oder
Distanz im Netz schnell einmal vergessen, dass sich hinter den Buchstaben
und Fotos ein Mensch verbirgt. Wer Kritik übt, muss bisweilen persönlich
werden. Das ist nicht das Problem. Das Problem ist, wenn Kritik grundlos
persönlich, verletzend und respektlos wird. Die Gesprächskultur im Netz
erinnert da manchmal an jene im Straßenverkehr: Manche Orte scheinen
Grauzonen zu sein. Andrea Heinz
thema: feministische medien
Ich dachte ehrlich nie, dass es mich als Journalistin irgendwann zum
Fernsehen verschlagen würde. Nicht, nachdem meine ersten Erfahrungen
in diesem Bereich mich fast dazu gebracht haben, auf den Journalismus
zu pfeifen und Deutsch- und Geschichtelehrerin zu werden. Diese zwei
Monate Praktikum im tiefsten Niederösterreich haben gerade als Feministin viel von mir gefordert, denn ich wurde dort weder als Frau noch
als Journalistin ernst genommen. Nicht nur einmal ist es mir passiert,
dass männliche Kollegen bei Redaktionskonferenzen mit Themen beim
Chefredakteur ankamen, von denen es noch am Vortag mir gegenüber
geheißen hatte, dass sie kompletter Blödsinn wären. Am Anfang habe
ich mir das noch gefallen lassen, aber als ich dann aufgestanden bin
und genau das kritisiert habe, wurden sie vorsichtiger. Was aber nicht
bedeutete, dass ich fortan mit Respekt behandelt wurde, denn ich hatte
mir vielleicht als Journalistin einen Funken Achtung eingefahren, aber
das Hauptmanko, dass ich kein Mann war, blieb.
Denn eigentlich wurde man dort nur ernst genommen, wenn man den
ganzen Tag die Hand in der Hose hatte (und nein, ich meine das nicht
metaphorisch!). Unvergesslich: Der stellvertretende Chefredakteur, der
es keine Minute ohne Kontrolle aushielt, ob eh noch alles am richtigen
Platz ist …
Seit Jänner diesen Jahres habe ich gelernt, dass es auch ohne Hand in
der Hose geht. Ich arbeite in einer TV-Produktionsfirma, in der meine
Ideen und vor allem ich als weibliche Person, ernst genommen werden.
In dieser Firma arbeiten zu 90 Prozent Frauen, und das schlägt sich
deutlich nieder. Der Umgang ist respektvoll, und auch wenn ich dort noch
nicht jeden Vorschlag, der mir als Feministin am Herz liegt, durchsetzen
kann, habe ich das Gefühl, nicht gegen Betonwände zu rennen. Aufgrund
der Zielgruppe der Sendung (60 plus) bekomme ich zwar öfter zu hören,
dass unser Publikum für manche Inhalte noch nicht reif sei, aber ich werde ermutigt, weiter in diese Richtung zu denken und Schritt für Schritt
daran zu arbeiten, dessen Weltbild zu erweitern. Auch wenn ich manchmal ungeduldig werde: Eigentlich eine schöne Aufgabe! Silke Pixner
Das Medienmachen habe ich in den 1990er Jahren in einer linken
gemischten Basisgruppe an der Uni Wien begonnen. Obwohl wir alle
unheimlich (selbst-)kritisch und kompromisslos (pro-)feministisch waren,
fiel uns erst nach und nach auf, dass es in der Zeitschrift gewisse Schräglagen gab: Die Männer beanspruchten schlicht bedeutend mehr Platz als die
Frauen. Hatten sie mehr und Wichtigeres zu sagen, oder woher kam dieses
übermäßige Selbstvertrauen, das sie Seite für Seite mit ihren Erkenntnissen füllen ließ?
Zu dieser Zeit fand ich auf einem Flohmarkt ein kleines Buch von 1981:
„Das höchste Glück auf Erden. Frauen in linken Organisationen“, herausgegeben von Ulla Jelpke. Nach der Lektüre kam ich mir vor, als wäre ich
in einem Hamsterrad der Geschichte gefangen – genauso wie die vielen
Feministinnen vor mir, die sich mit dem Chauvinismus linker Männer
herumgeschlagen hatten, und wohl auch wie die nach mir, denn es schien,
als hätten sich bestenfalls Nuancen, nicht aber das grundlegende Problem
geändert. Wenn die Frauen der Gruppe die feministischen Themen nicht
immer wieder hineintragen, bleiben sie draußen, auch wenn das Mäntelchen „Profeminismus“ von linken Männern noch so gern getragen wird
– allerdings nur solange es kein Karrierehindernis darstellt. „Hurra, wir
haben einen neuen Hauptwiderspruch“, titelten wir Redaktionsfrauen dann
schließlich am Höhepunkt der Streitereien, um darauf hinzuweisen, dass
es in der Linken immer neue Gründe gibt, um den Kampf gegen Sexismus
hintanzustellen.
Meine erste Arbeitsstelle als Redakteurin und Journalistin bekam ich
danach bei einer linken Wochenzeitung. Auch hier die bekannte Schieflage: Die Frauen waren für die „Frauenthemen“ zuständig, nicht nur als
Autorinnen. Auch wir Redakteurinnen mussten uns entscheiden, entweder
ständig eine feministische Perspektive bei den Sitzungen einzubringen
oder damit zu leben, dass sie nicht berücksichtigt werden würde. Einmal
jährlich gab’s dann die 8.-März-Ausgabe. Löblich, dennoch musste durchgesetzt werden, dass diese Ausgabe für die Redakteure nicht zusätzliche
Freizeit und für die Redakteurinnen Überstunden bedeutete. Feministische
Überstunden aber sind in gemischten linken Medien garantiert. Hoffentlich
nicht lebenslänglich. Sylvia Köchl
Juni 2011 an.schläge l 25
zeitausgleich
arbeitsfragen in allen
lebenslagen
rektorinnen
Von null auf 19 Prozent
Da waren es schon – vier! Gab es noch vor einem Jahr keine einzige Frau
an der Spitze einer österreichischen Universität, so wird ab Herbst der
Anteil von Rektorinnen bei 19 Prozent liegen. Dann übernehmen nämlich
drei Frauen Rektorate: Eva Blimlinger an der Akademie der bildenden
Künste (Wien), Sabine Seidler an der Technischen Universität Wien (siehe
auch Interview auf S. 30) und Christa Neuper an der Universität Graz.
Sonja Hammerschmid, Rektorin an der Veterinärmedizinischen Universität
Wien, amtiert bereits seit Herbst 2010. Anlässlich Seidlers Bestellung
betonte Judith Schwentner, Frauensprecherin der Grünen, dass es die
Universität Wien seit ihrer Gründung vor 646 Jahren noch immer nicht
geschafft hat, eine Frau an die Spitze zu wählen. Und außer der Uni Wien
gäbe es dann noch weitere 16 Unis, an denen die Gläserne Decke endlich
durchbrochen werden muss! be
www.diestandard.at, www.derstandard.at
Text: Bärbel Mende-Danneberg, Illustration: Nadine Kappacher
Alt und schiarch
salzburg
Frauenheilkunde in Männerhand
So ein schönes Licht! So ein laues Lüftchen! Da sitze ich nun in der
Frühlingssonne und starre vor mich hin. Erstarre. Ich passe nicht in
die liebliche Landschaft. Der Bauch zu dick. Der Busen zu klein. Das
Gesicht zu faltig. Die Haare zu grau.
Frühling heißt Jugend. Zukunft. Hoffnung. Ich bin ein Auslaufmodell.
Also kein Model, kein graziles Schilfrohr, das sich anmutig im Wind
wiegt und bewundernde Blicke auf sich zieht. Ich bin eine Herbstzeitlose, die weiß, dass der Winter kommen wird.
Was haben alte Frauen mit ihren eingekerbten Lebensspuren im Gesicht
und am Körper auch schon im Frühling verloren! Sie stören das Bild
makelloser Unversehrtheit und erinnern unerbittlich an die graue
Zukunft.
Wir sind enttäuscht, wenn die Schönwetter-Prognose dann doch nicht
stimmt und die versprochene Zusatzpension am Finanzmarkt verspekuliert wurde. Sagen Wirtschaftsforscher einen Aufschwung voraus
und die Aktien steigen so schnell wie Belastungspakete und Armut,
fühlen wir uns um unsere Zukunft betrogen. Wer will schon wissen, wie
schiarch das alles ist, was da kommt an Hunger, Umweltkatastrophen,
Untergangsszenarien, Elend und Krankheit. Mit unseren Zukunftsvisionen schauen wir ziemlich alt aus.
Alte Frauen sind die Faust aufs Auge für jeden Wellness-Manager und
der Stoff, aus dem sich die Honorarnoten der Schönheitschirurgen
zusammensetzen. Auf Messers Schneide: Fett weg, Falten weg, Busen
fester, Haare blonder, Lippen größer, Hirn und Bankkonto kleiner. Auf
Messers Schneide das Morgen: Menschen aus Fleisch und Blut, Dicke,
Dünne, Schwarze, Kranke, Alte, Schiarche passen schon nicht mehr
dort hinein. Die Krankenkassen basteln bereits daran, dass nur mehr
genormte Einheitsmenschen versicherungswürdig sind.
Doch dann: Frühling! Heraus zum 1. Mai, hinein in die Walpurgisnacht!
Dicke, Dünne, Alte, Junge erkennen sich und die Welt, in der sie leben
wollen. Schwingen Fahne und Doppelaxt, singen, tanzen und zeigen
dem Zeitgeist den Stinkefinger.
Und ich bin verliebt. Mit 68!
Die besten Qualifikationen mitzubringen reicht in Österreich anscheinend
nicht aus, um als Frau in eine Führungsposition aufzusteigen. Dies beweist
einmal mehr das Chaos um die Neubesetzung des Gynäkologie-Primariats
am Landeskrankenhaus Salzburg. Sara Yvonne Brucker, Expertin für endoskopische Gynäkologie und Dozentin am Universitätsklinikum, wurde von
einer Kommission mittels Auswahlverfahrens an die erste Stelle für die
Nachfolge gereiht. Doch: „Die Berufungsgespräche wurden von massiven
Interventionen überschattet“, so die Klinikleitung in einer Aussendung.
Die 36-Jährige sei zu unerfahren, so sinngemäß Peter Husslein, Vorstand
der Wiener Uniklinik für Frauenheilkunde. In anderen Stellungnahmen
wiederum wurde der Verdacht geäußert, sie sei aufgrund ihres Geschlechts
bevorzugt worden. Brucker wurden die Vorwürfe zu bunt, sie nahm nun
eine Professur in Tübingen an. Bereits im Vorjahr gelangte die österreichische Gynäkologie in die Schlagzeilen, da es in manchen Bundesländern
kaum Gynäkologinnen mit Kassenverträgen gibt. Die Frauenheilkunde ist
also weiterhin fest in Männerhand. atina
Bärbel Mende-Danneberg, Journalistin und Autorin, nicht fett und schiarch,
aber mit 68 schon in die Jahre gekommen.
26 l an.schläge Juni 2011
www.diestandard.at, www.derstandard.at, www.diepresse.at
studien
Unbezahlte Arbeit bleibt weiblich
Noch immer übernehmen Frauen den Großteil an unbezahlter Arbeit, dies
zeigen aktuelle Berichte der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE). Alle zwei Jahre veröffentlicht die OECD einen
Überblick bestimmter Sozialindikatoren ihrer Mitgliedsländer, diesmal
gibt es ein eigenes Sonderkapitel zu unbezahlter Arbeit. Diese wird, wenig
überraschend, meistens von Frauen geleistet, wobei nationale Unterschiede
auffallen. Im OECD-Schnitt verrichten Frauen täglich 2,5 Stunden mehr
unbezahlte Arbeit als Männer. Besonders hoch ist diese Differenz in Indien,
Mexiko und der Türkei (4 bis 5 Stunden), am niedrigsten in Nordeuropa
(1 Stunde), was laut OECD am jeweiligen Vollbeschäftigungsgrad der Geschlechter liegt: Ist in einem Land die Vollbeschäftigung von Frauen hoch,
so leisten Männer eher ihren Anteil an unbezahlten Arbeiten. Allerdings
kommt es auch auf die Art der Tätigkeit an: Kochen, Spülen und Kinderbetreuung werden durchschnittlich doppelt so oft von Frauen übernommen,
an.riss arbeit wissenschaft
Putzen dreimal so häufig. Einzig bei „Umbau & Reparatur“ führen die
Männer. Laut EIGE-Bericht kümmern sich in den meisten Mitgliedstaaten
der EU vorwiegend Frauen um Kinder und Senior_innen und reduzieren
dafür öfter als Männer ihre (bezahlte) Arbeitszeit. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, gibt es allerdings auch mehr Geschlechtergerechtigkeit
in Sachen Kindererziehung – Karenzmodelle für beide Elternteile wie in
Schweden, Dänemark und Finnland tragen dazu bei, wie EIGE feststellt. be
besser bezahlt, doch auch dort kann der Gender Wage Gap nachgewiesen
werden. Auch der ethnische Hintergrund spielt eine Rolle: Hispanische
Frauen haben insgesamt die niedrigsten Einkommen, Asiatinnen die höchsten. Verglichen wurden jeweils Vollzeitbeschäftigte. Der Fact Sheet kann
auf der Homepage des IWPR heruntergeladen werden. be
www.iwpr.org
www.diestandard.at, www.oecd.org, www.eige.europa.eu
pille
Neue Studien zu „Yasmin“
Zwei medizinische Studien aus Großbritannien und den USA weisen auf
ein erhöhtes Risiko von Blutgerinnseln bei der Einnahme des hormonellen
Verhütungsmittels „Yasmin/YAZ“ aus dem Hause Bayer hin. Demnach sei
das Risiko eines Gerinnsels beim Wirkstoff Drospirenon, einem künstlichen
Gestagen-Hormon, im Vergleich zu älteren Substanzen bis zu dreimal
höher, insgesamt aber dennoch als gering einzustufen. Bayer, dessen
Umsätze seit einigen Todesfällen von jungen Frauen, die mit der Einnahme
der 2000 eingeführten Pille in Verbindung stehen könnten, stark eingebrochen sind, zweifelt die Methodik der Studien an. In den USA liegen
mehrere tausend Klagen gegen den Konzern sowie gegen Merck (wegen
des Verhütungsrings „NuvaRing“) vor. Die Studien zu Drospirenon aus
den vergangenen Jahren zeigten widersprüchliche Ergebnisse. So soll die
neueste Generation der hormonellen Verhütung zu weniger Gewichtszunahme führen als die traditionellen Wirkstoffe und geringere Hormondosen enthalten. Allerdings stehen sie in der Kritik, als harmlose LifestyleMedikamente ohne Risiken vermarktet zu werden (siehe auch an.schläge Juli/
August 2010). fis
www.derstandard.at, www.welt.de
gender wage gap
Her mit den Fakten!
Ja, Frauen verdienen durchschnittlich weniger als Männer. Nein, das hat
nichts mit verzerrten Statistiken zu tun. Und ja, selbst innerhalb einer
bestimmten Berufsgruppe schneiden Frauen schlechter ab. Ein kurzer,
informativer Fact Sheet wurde nun vom „Institute for Women’s Policy
Research“ (IWPR) veröffentlicht. Tatsache ist: In den USA fallen die
mittleren Einkommen von Frauen fast immer geringer aus als die von Männern. Dabei ist es egal, ob dies eine Berufsgruppe betrifft, die großteils
von Frauen ausgeübt wird (z.B. Sekretär_innen, Lehrer_innen), und auch
egal, ob es um die Top 10 der für Frauen bestbezahlten Berufe geht (z.B.
Ärzt_innen, Anwält_innen) – Frauen haben immer das finanzielle Nachsehen. Berufe, die vorwiegend von Männern ausgeübt werden, sind zwar
Auch in Deutschland gibt es einen Girls Day. Foto: www.girls-day.de
berufswahl
„Heute Tochter, morgen Chefin!“
Am 28. April fand der 10. Wiener Töchtertag statt, der Mädchen unter
dem Motto „Heute Tochter, morgen Chefin!“ neue Berufsperspektiven
eröffnen soll. Organisiert von der Frauenabteilung der Stadt Wien und mit
Beteiligung von 170 Wiener Betrieben (zum Töchtertag bei den an.schlägen
siehe Editorial) haben heuer rund 3.000 Mädchen zwischen elf und 16
Jahren teilgenommen. Seit 2002, als der erste Töchtertag mit damals
200 teilnehmenden Mädchen stattgefunden hat, haben sich einige Trends
bereits positiv verändert. Die Zahl jener Mädchen, die einen „klassischen“
und schlecht bezahlten Lehrberuf wie Friseurin, Verkäuferin oder Einzelhandelskauffrau wählen, hat sich während dieses Zeitraums in Wien
immerhin von 58 auf 48 Prozent verringert. Im Ranking der beliebtesten
Lehrberufe legten technische Berufe zu, und auch der Anteil weiblicher
Studierender an der TU Wien ist gestiegen. Die Frauenabteilung hat zudem erhoben, dass viele Töchtertag-Teilnehmerinnen inzwischen tatsächlich handwerkliche oder technische Ausbildungen begonnen oder bereits
beendet haben, was auch daran liegt, dass sich die Einstellungspolitik der
beteiligten Betriebe ebenfalls verändert hat. Im Juni erscheint ein Jubiläumsbuch zur bisherigen Geschichte des Wiener Töchtertags. sylk
www.toechtertag.at
Calls
 Frauensommeruniversität (Linz), kurzes Abstract bis 15.6., [email protected], www.frauenuni.net
 „From Cyborg to Facebook: Technological dreams and feminist critiques“ (Brüssel), Abstract bis 15.6.,
[email protected], www.sophia.be/index.php/nl/announcements/view/1398
 „Geschlechterverhältnisse in autoritären Regimen“: Femina Politica. Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft, Abstract bis 30.6.,
[email protected], [email protected], www.femina-politica.de/pdf/CFP_1_2012.pdf
 „Hard Science? Sex, Science and Technology“, 5th Annual Brighton and Sussex Sexualities Network Conference (Brighton), Proposal bis 20.7.,
[email protected], www.it.bton.ac.uk/bssn/conf2011/
Juni 2011 an.schläge l 27
geburtshilfe & groschenromane
Mit dem Notebook
zur Geburt
Ursula Walch ist Hebamme. Aber das ist nur ihr Brotberuf.
Denn auch wenn sie diesen Job gerne macht,
ist ihre wahre Leidenschaft
das Schreiben von erotischen Romanen.
Silke Pixner hat mit ihr über den
emanzipatorischen Charakter ihrer Arbeit gesprochen.
Ursula Walch kann überall und immer
schreiben. Auch wenn sie gerade eine
Geburt betreut, nutzt sie jede freie
Sekunde, um auf ihrem Notebook weiter
an ihren erotischen Romanen zu arbeiten. Die auf Wasser- und Hausgeburten
spezialisierte Hebamme hat aber nicht
nur eine blühende Phantasie, sie hat
auch selbst schon so einiges erlebt, das
Stoff für einen Roman bieten würde.
Die Mutter von vier Kindern lebte von
1994 bis 2005 auf Teneriffa, wo sie
nicht nur als Geburtshelferin Karriere
machte, sondern auch ihre Leidenschaft
fürs Schreiben entdeckte. 2005 kam Ursula Walch nach Österreich zurück, um
als Teamleiterin den Lehrplan des Studienganges Hebamme an der FH Graz
zu erarbeiten. Außerdem referiert sie
zum Thema Geburtshilfe auf internationalen Kongressen und engagiert sich bei
humanitären Projekten unter anderem
in der Westsahara, wo sie in Flüchtlingslagern Hebammen-Trainings gibt.
an.schläge: Sie arbeiten als Hebamme und
Veröffentlichungen von
Ursula Walch:
2004 erschien „Das
Schwert des Sarazenen“,
2005 „Das Amulett des
Sarazenen“, div. Artikel in
Fachzeitschriften, ab 2007
drei erotische Romane
unter dem Pseudonym Tanja
Albers: „Unter dem Jademond“, „Die Mondperle“,
„Die Lotusblume“; erotische
Kurzgeschichten im deutschitalienischen Kulturmagazin
„living culture“; zwei Bücher
in Arbeit: „Zwölf Geburten“
und „Tagomago“.
28 l an.schläge Juni 2011
sind gleichzeitig Autorin erotischer
Bücher. Zwei Tätigkeiten, die auf den
ersten Blick nicht hundertprozentig
zusammenpassen. Wie sind Sie zum
Schreiben gekommen?
Ursula Walch: In meinen langen
Nachtdiensten im Insel-Krankenhaus
von La Palma und den dort permanent
laufenden „Novelas Rosas“ musste ich
mir etwas überlegen, um nicht ganz
zu verdummen. Ich dachte an eine
Dissertation zum Thema: „Linguistische
Phänomene auf La Palma“. Daraus
wurden 1.200, zunächst handgeschriebene, Seiten eines historischen Romans,
der auch schon ziemlich erotisch war.
Warum ausgerechnet erotische Romane?
Es macht mir einfach großen Spaß, und
ich provoziere ganz gerne. Man kann
außerdem herrlich alle möglichen Themen hineinpacken: Kulturelles, Reisebeschreibungen, Gesellschaftspolitisches
und -kritisches, Sitten, Komik etc.
Inwiefern schreiben Sie Ihren Büchern emanzipatorisches Potenzial
zu? Sind Ihre Bücher feministische
Literatur?
Mein neuestes Buch mit dem Arbeitstitel „Zwölf Geburten“ ist ein doku-biografisches Werk über außergewöhnliche
Hausgeburten und zeigt eine emanzipierte Hebamme und Kämpferin für die
mindestens sechs Sexszenen zu mindestens sechs Seiten detailliertest zu
beschreiben, dazwischen noch erotisches Geplänkel.
In Ihren Sexszenen sind die Frauen
teilweise sehr unterwürfig. Werden
z.B. oft „genommen“ etc. Welche
Rollen haben die Frauen in Ihren
Büchern, also speziell bei den Sexszenen?
Emanzipierte Frauen lösen bei den
Männern Angst aus. Ich habe das immer
wieder selbst festgestellt. Es ist schwer,
adäquate Partner zu finden. Ich glaube
einfach, dass die meisten Frauen da mitspielen und sich unterwürfiger geben,
Ich habe mit der Bezeichnung Trivialliteratur
kein Problem, denke aber, dass ich den Spagat zwischen niveauvoller Literatur und Trivialliteratur geschafft habe, und mich – zumindest
stilmäßig – nie unter der Gürtellinie bewege.
Frauen. Meine historischen Romane
zeigen eine Heldin, die für die damalige
Zeit emanzipiert war – innerhalb ihrer
Möglichkeiten.
Ich kämpfe für Frauenrechte, speziell
was die Selbstbestimmung der Frau bei
Schwangerschaft und Geburt angeht.
Meine erotischen Bücher hingegen
waren Auftragsarbeiten, die haben
kaum emanzipatorisches Potenzial. Die
Exposés waren vom Verlag vorgegeben.
Welche Vorgaben waren das?
Das wird ganz explizit festgelegt. Bei
diesen drei Büchern war die Vorgabe,
als sie sind. Eine wirklich emanzipierte
Frau muss nicht auch noch darüber
lesen, sondern mag vielleicht gerade
das gegenteilige Klischee. Das kann für
die Phantasie sehr anregend sein. Und
ein Spiel. In der Realität sollen sie aber
die Rolle übernehmen, die ihnen Spaß
macht. Ich sehe Sex als Spiel, das aufhört, wenn es keinen Spaß mehr macht.
Bücher mit explizit erotischen Szenen
werden schnell als Trivialliteratur
eingestuft. Wie würden Sie selbst Ihre
eigenen Bücher einordnen?
Ich habe mit der Bezeichnung Trivi-
leben mit kindern
alliteratur kein Problem, denke
aber, dass ich den Spagat zwischen
niveauvoller Literatur und Trivialliteratur geschafft habe und mich –
zumindest stilmäßig – nie unter der
Gürtellinie bewege.
Schreiben Sie für eine spezielle
Zielgruppe?
Nein. Wer nur eine Wichsvorlage
sucht, wird die Bücher ohnehin
nicht kaufen.
Ich will niveauvoll die Fantasie
anregen und bewirken, dass die
LeserInnen mehr Spaß am Sex
haben – ein frommer Wunsch, denn
70 Prozent der Frauen haben keinen Orgasmus beim Sex mit ihren
Partnern! Aber der Orgasmus ist
nicht sein Job!
Können Sie Ihre eigenen Bücher
genussvoll lesen?
Ja, sehr, da kommt manch lustvolle
Erinnerung hoch.
Was sagt Ihre Familie, Ihr Freundeskreis zu Ihrer Tätigkeit als
Autorin? Waren die Reaktionen
von Anfang an positiv?
Nein, vor allem meine Kinder hatten und haben ein Problem damit.
Auch ein Grund, warum ich die
Bücher unter Pseudonym publiziert
habe, obwohl mir das im Nachhinein leidtut. Ich stehe voll zu dem,
was ich schreibe.
Wenn Sie sich entscheiden
müssten zwischen Ihrem Job
als Hebamme und Ihrem Job als
Autorin, welcher liegt Ihnen mehr
am Herzen?
Könnte ich vom Schreiben leben,
würde ich ohne zu zögern hier
den Schwerpunkt setzen. Ich habe
ungemein viel Phantasie und Lust,
alles zu Papier zu bringen, aber
nicht die Zeit, denn die wunderbare Aufgabe einer HausgeburtsHebamme wird durch die mittelalterlichen Inquisitionsmethoden des
geburtshilflichen Establishments ad
absurdum geführt.
Wie verbinden Sie Ihre beiden
Berufe miteinander?
Ich habe mein Notebook bei
jeder Geburt mit, und wenn es die
Umstände erlauben, ziehe ich mich
zurück und schreibe. Das mag auf
den ersten Blick vielleicht egoistisch klingen, hat aber einen nicht
zu unterschätzenden Vorteil: Ich
habe immer viel Zeit für jede Geburt, denn es macht mir nichts aus,
die Nacht „durchzuschreiben“. Und
Geduld ist – neben dem wachsamen
Auge – das oberste Gebot einer
guten Geburtshelferin.
Haben Hebammen einen offeneren Zugang zur Sexualität?
Ich denke schon. Dadurch, dass
wir so nahe dran sind, bilden wir
bei der Geburt genügend eigenes
Oxytozin, das Liebeshormon, das
uns Hebammen den aufregendsten
Sex beschert, wenn wir nach Hause
kommen.
Sie haben Ihre jüngste Tochter
fast ganz alleine in einem Pool in
La Palma geboren. Ein emanzipatorischer Akt?
Es war ein natürlicher, nicht ein
emanzipatorischer Akt – back to
the roots. Alle meine Geburten
waren selbstbestimmte Geburten,
doch ich musste niemandem etwas
beweisen – das würde ich unter
einem emanzipatorischen Akt in
diesem Zusammenhang verstehen.
Was wollen Sie den Frauen mitgeben, deren Schwangerschaft und
Geburt Sie begleiten? Inwiefern
ist ihre Tätigkeit als Hebamme
auch eine feministische?
Ich will den Frauen vermitteln,
dass sie selbst für alles verantwortlich sind, auch für die Fremdbestimmung, wenn sie eine solche
zulassen. Und dass eine selbstbestimmte Geburt das Erfüllendste
ist, was wir Frauen in der heutigen
Zeit erleben können. Ich stärke
die Frauen durch meine Arbeit in
ihrem Selbstbewusstsein. l
heim
spiel
Alice Ludvig
„Dein Kind braucht
einen Vater“
Die Alleinerzieherin wird im Allgemeinen mit einer prekären,
mangelhaften und irgendwie unvollständigen Situation assoziiert. Besonders wenn die Kinder noch sehr jung sind, kommt
dann noch die Vermutung einer schlimmen Trennungsgeschichte
mit schrecklichen Folgen für die (bemitleidenswerten) Übriggebliebenen hinzu. Mittlerweile kenne ich einige Frauen, die
wie ich solch einer „gescheiterter Familie“ angehören. Und
– oh Wunder! – wir leben alle die unterschiedlichsten Lebensformen und Patchwork-Situationen mit sehr unterschiedlichen
Betreuungsformen und zusätzlich noch den unterschiedlichsten
Time-Sharing-Modellen zu den Ex-Partnern.
Ein Unterschied zu „traditionellen“ Familienmodellen ist
vielleicht, dass wir im Durchschnitt früher und mit viel mehr
Stunden berufstätig sind und uns vielleicht auch öfter in der
Öffentlichkeit blicken lassen; zumindest wenn die Kinder beim
Vater und, wie in meinem Fall, bei den Großeltern sind.
Einen Satz haben wir alle schon mindestens einmal gehört:
„Dein Kind braucht einen Vater.“ Der Satz verunsichert mich
und versaut mir die Stimmung. Der Satz wirkt als psychologisierende Populärmeinung, die ich kaum widerlegen kann.
Vielleicht stimmt er ja. Bei mir hat er jedenfalls Nachhall.
Vielleicht meinen seine SagerInnen den „sozialen“ Vater, aber
ab wann sind der Onkel, der Großvater oder der alte Schulfreund genug sozialer Vater? Das können anscheinend nur die
Populärmeinungen bestimmen, und damit bin ich in der Defensive. Wahrscheinlich wird mein Sohn diesen Satz über seinen
(persönlichen) Mangelzustand bald auch zu hören bekommen.
Dann werde ich erklären, dass sein Vater ein Freund von mir
ist, der in Brasilien lebt und von dem ich gar nicht will, dass er
hier mit uns lebt. Vielleicht fahren wir ihn auch mal besuchen,
die „Stimmen“ wird es jedenfalls nicht beruhigen. Wir selbst
können unser Leben nur so leben, wie es für uns passt und uns
gefällt. Basta. Ich übe mich weiterhin in dieser Einstellung.
Und sobald ich dazu hundertprozentig stehen kann, wird sich
wohl auch mein kleiner Sohn nicht verunsichern lassen.
Alice Ludvig ist Alleinerzieherin eines mittlerweile 21 Monate alten
Sohnes namens Benedict. Die beiden leben in Wien.
Juni 2011 an.schläge l 29
technische universität
„Es herrscht Aufbruchstimmung“
Mit Sabine Seidler übernimmt ab Herbst
eine Frau das Rektorat der Technischen Universität Wien.
Für sie ein ganz logischer Karriereschritt,
wie sie Irmi Wutscher erzählte.
So viel sich bei der Gleichstellung von
Frauen in den letzten Jahren getan hat,
bei der Berufswahl verhalten sich Mädchen (aber auch Jungen) immer noch
sehr gendertypisch. Das gilt auch für die
Universitäten: Hier wählen Frauen eher
geisteswissenschaftliche, Männer eher
technische Studienrichtungen. So sind
drei Viertel der Studierenden an der
Technischen Universität Wien männlich,
unter den Lehrenden beträgt der Männeranteil sogar 92 Prozent.
Eine Frau, die es als Technikerin an die
Spitze geschafft hat, ist Sabine Seidler,
die ab Herbst das Rektorat der TU
Wien übernehmen wird. Die WerkstoffTechnikerin aus Deutschland hatte ab
1996 als erste Frau eine ordentliche
Professur an der TU, seit 2007 war sie
Vizerektorin für Forschung.
an.schläge: Seit Anfang März stehen Sie
als zukünftige TU-Rektorin fest. Ich
habe mir die Artikel und Postings
dazu durchgelesen, überall fand ich
den Aufschrei: „Eine Quotenfrau!“
Warum kommt immer dieser Vorwurf,
und wie begegnen Sie ihm?
Sabine Seidler: Die Bezeichnung
„Quotenfrau“ ist für mich eine Diskriminierung von Frauen, die durch
Leistungen Positionen erlangen, die
möglicherweise für den einen oder
anderen ungewöhnlich sind. Insgesamt
finde ich es schade, dass man sich als
Frau ständig mit dem Thema Quote
auseinandersetzen muss. Ich würde mir
wünschen, dass wir, genau wie Männer,
die in Spitzenpositionen gelangen, ausschließlich nach unseren Qualifikationen
beurteilt werden.
Als eine Art Pionierin an der TU: Gab
es besondere Hindernisse, die Sie zu
überwinden hatten?
Ich habe mich selber nie als Pionierin
gesehen. Dass es Hindernisse gibt, habe
ich erst in den letzten Wochen gelernt.
Vorher ist mir das nie bewusst gewesen,
30 l an.schläge Juni 2011
Foto: TU Wien
und ich hätte Ihnen vor sechs Monaten
noch Stein und Bein geschworen, auf
der TU gibt es so etwas nicht, auf der
TU haben wir einen rationalen Zugang
zum Thema Frauen. Ich habe wirklich
erst in den letzten Wochen gelernt, dass
diesen rationalen Zugang offensichtlich
doch nicht alle haben. Es sind Argumentationen gekommen über eine Rektorin
in den Gremien wie der Rektorenkonferenz zum Beispiel, ob es gelingen
wird, dass man sich als Frau überhaupt
durchsetzen kann. Solche Dinge.
An der Uni gibt es ja eine verpflichtende Frauenquote im Gegensatz zur
Privatwirtschaft. Eine Kollegin von
Women in Technology (WIT) sagte in
einem Interview, eine Frauenförderung ohne Struktureinbindung verstärke wieder Geschlechterstereotypen, da sie Frauen als förderbedürftig
darstellt. Was ist Ihre Meinung dazu?
Ich habe ein Problem damit, weil die
gesamte Thematik Frauenförderung
letztendlich impliziert, dass Frauen
Defizite haben. Eigentlich müsste das
Umfeld gefördert werden, wir Frauen
haben keine Defizite! Die Quote an
sich ist ein politisches Instrument, von
dem ich nicht sehr viel halte, von dem
ich aber durchaus weiß, dass es eine
beschleunigende Wirkung haben kann.
Schon alleine deshalb, weil man sich
über die Quote mit dieser Thematik
auseinandersetzt. Die Diskussion ist bei
uns eine sehr intensive. Der Frauen-
anteil auf der TU ist deutlich unterhalb
dessen, was die Quote von uns verlangt.
Jede Besetzung einer Kommission ist
letztendlich auch eine Auseinandersetzung mit der Tatsache: Es sind nicht
genügend Frauen da. Und darüber nachzudenken und sich Wege zu überlegen,
wie man diese Situation ändern kann,
ist natürlich schon wichtig, damit sich
überhaupt etwas ändert.
Sie sind die erste Rektorin einer
technischen Universität in Österreich.
Wird sich an der TU mit Ihrer
Rektorinnenschaft etwas ändern?
Na das hoffe ich doch (lacht). Es wird
sicher so bleiben, dass die TU Wien sich
als Forschungsinstitution versteht. Ich
bin eine andere Persönlichkeit als der
jetzige Rektor, und ich gehe davon aus,
dass das sehr wohl auch Änderungen in
der Kommunikation usw. bewirken wird.
Jeder, der das Haus ein bisschen kennt,
bemerkt zurzeit eine Form von Aufbruchstimmung, die fantastisch ist. Die
Erwartungshaltung ist immens groß,
und ich hoffe, dass ich sie zumindest in
Ansätzen erfüllen kann! l
urlaub
Kemping
Bei Irene und José auf dem lesbischen Campingplatz
in Südungarn ist es schön.
Eine Urlaubsempfehlung von Jenny Unger
Im Sommer des letzten Jahres bin ich
das erste Mal rausgeflogen. Und wo bin
ich hingeflogen? Nirgends natürlich.
Denn das Fliegen ist schlecht und mit
Hündchen geht es gar nicht. Wandern
hingegen geht immer. Zelt, Schlafsack,
Isomatte, Wasserflasche, Hundefutter.
Aber wohin? Google und die Stichwörter „frauen campen ungarn“ ergeben:
„Viele Frauen und Girls aus Ungarn
suchen einen Lebenspartner. Wie finde
ich ein Girl aus Ungarn?“ Das ist wohl
nicht das Richtige. Noch mal. „lesben
ungarn camping“. Und nein, oh, wirklich: Konnys Lesbenseiten gibt es noch.
Die gute alte Konny hat mich schon
durch mein Coming-out gebracht und
jetzt das: „Campingplatz für Schwule
und Lesben: Dieser Campingplatz für
Schwule und Lesben wird von einem
deutsch-holländischen Lesbenpaar
betrieben. www.campingazurlepke.hu.“
Nix wie hin, oder? Ja, aber erst noch
ein wenig rumschüchtern. Nicht anrufen
wollen und sich nicht fragen trauen, ob
es Platz gibt, weil das Ungarisch nicht
mehr gut genug ist. Die Exfreundin ansudern, dass sie anrufen soll. Die macht
das und dann: nix wie hin.
Himmelblauer Schmetterling.
www.campingazurlepke.hu. „hu“ steht
für Ungarn. Camping für camping,
obwohl auf Ungarisch eher kemping
richtig wäre. Azur bedeutet azur (die
Farbe!) und lepke ist der Schmetterling.
Was soll ich mir unter einem himmelblauen Schmetterling vorstellen? Nichts
erstmal. Am Telefon (ich trau mich
dann doch noch) wird ausgemacht, dass
ich in Barcs abgeholt werde. Das ist in
Südungarn, gleich an der kroatischen
Grenze. Fünf Zugstunden von Wien.
Ohne umsteigen. Der ÖBB-Mann kennt
den Ort nicht.
Ich komme trotzdem in Barcs an, um
von einem Landrover und zwei Frauen
abgeholt zu werden. Wir erkennen uns
sofort. Karohemden hier und da. Der
Haarschnitt. Ein gute halbe Stunde
Fahrtzeit nach Görgeteg. Da ist der
Campingplatz. Schön. Ich hab das Zelt
dabei, aber das Gäst_innenzimmer ist
im Moment frei, und ich hab nichts
gegen ein Bett, und der Hund freut sich
auch über das Unter-dem-Bett sein.
Weiß der Teufel, warum. Ich mag den
Ort („ursprünglich“ sagen sie). Ich
mag das Haus (quadratisch ungarisch).
Ich mag den Platz (natürlich, überschaubar, grasig). Ich mag Irene und
José. Die Deutsche und die Niederländerin. Die sich das schwierige Ungarn
ausgesucht haben für ihr Aussteigen.
In dieser Woche ist nicht viel los bei
ihnen. Sie haben Zeit, sich rührend
um mich zu kümmern und laden mich
am ersten Abend ins Dorfgasthaus
ein. Am nächsten Tag ziehe ich meine
Wanderschuhe an und streune durch
die Gegend: sandiger Boden, lustige
Pflanzen, Schildkröten mitten auf dem
Weg. Der Hund bellt. Kennt er nicht.
Viel Wasser und Sumpf. Ich spaziere
im sandigen Bachbett. Ich pflücke mein
Unterwegsessen von Bäumen. Und als
ich aus dem Wald rauskomme, bekommen der Hund und ich Wasser und Brot
von Kindern. Vor einem Haus. Honnan
jössz? Woher kommst du? Az erdöböl.
Aus dem Wald. Wirklich? Nein. Ich
komme aus Österreich. Wir sind … (es
folgen sieben, acht Namen) … cigányok
vagyunk. Wo ist deine Familie? Ich bin
allein.
Wie schön. Allein bin ich hier zwar.
Aber Irene und José spielen Familie für
mich. Ich bin ihnen zu lange unterwegs.
Sie machen sich verhalten Sorgen und
freuen sich, dass ich am Abend wieder
da bin. Sie spendieren mir ein Eis auf
der Wiese hinter dem Haus. Und dann
ziehen sie sich zurück. Sehen, dass
ich allein sein will und dass ich müde
bin. Am nächsten Morgen frühstücken
sie mit mir. Erzählen, wie sie hierher
gekommen sind. Wie es ist, die Stadt zu
verlassen. Wie es ist, ohne Szene zu leben. Wie es ist, in Ungarn zu sein. Wie
es ist, einen lesbischen Campingplatz zu
haben. Wie schön es ist, und wie schön
sie ihr Leben hier finden. Schön finde
ich es auch. Überhaupt dann, wenn ich
sehe, wie die eine die andere anstupst
und „ein bisschen arrangieren“ sagt
und damit meint, dass die Butter für
mich ausgepackt werden soll und der
Käse doch auch geschnitten auf den
Tisch kommen kann. Dabei ist mir das
doch egal. Ich freu mich, hier zu sein.
Und jetzt kommt der nächste Sommer
und ich freu mich, bald wieder dort zu
sein. l
Jenny Unger hat einen Hund namens
Rakete und schläft gerne im Zelt.
Juni 2011 an.schläge l 31
an.riss kultur
ausstellung
Ergründung inklusive
Wie formieren sich Richtlinien? Wer befolgt sie und warum? Wer schreibt
sie fest? Mit „My Life, My Rules“, einer Installation aus Affichen, Zeichnungen, Malereien und anderen Medien, präsentieren die beiden Künstler_
innen Iris Andraschek und Hubert Lobnig ihre Antworten auf diese Fragen
nach tradierten oder neuen sozialen Übereinkünften. Ort dieser künstlerischen Gemeinschaftsarbeit ist der Kunstraum Weikendorf – ein zur
Ausstellungshalle umgestaltetes altes Zeughaus der Gemeinde. Dank der
gläsernen Seitenfassade des Gebäudes sind die wechselnden künstlerischen
Interventionen durchgehend öffentlich sichtbar. Das Angebot sonntäglicher
Begehungen von 15 bis 17.00 Uhr bietet Interessierten nun zusätzlich
die Möglichkeit, zu ergründen, inwiefern die aufgestellten Regeln und
die damit aufgeworfenen Fragestellungen für die eigene Person Relevanz
besitzen und warum. svh
Iris Andraschek und Hubert Lobnig: MY LIFE, MY RULES. Du sollst nicht rauchen! Du sollst
nicht links parken! Bis 16.9., Kunstraum Weikendorf, 2253 Weikendorf, Rathausplatz 1. Täglich
von 0 – 24.00. Shuttlebus von Wien nach Weikendorf. Anmeldung und Infos: 02742/9005
16273
lesbenfrühling
Selbstbestimmung an der Ostsee
„Stein des Anstoßes“ wollen die Künstlerinnen Christa Biedermann, Heike
Stephanie Aßmann, Gabriele Fehlig, Julia Fehlig, Luise Fehlig, Astrid
Glenk, Monja Gräff, Ange Hehsling, Selma Hindriks, Kayenta, puma lichtblau (sic!) und Eva Schimek sein. Anstößiges ausstellen werden sie auf
dem Lesbenfrühlingstreffen 2011 in Rostock – u.a. Malerei, Videokunst,
Fotografie, Druckgrafiken, Installationen und Skulpturen. Motto des heuer
in Rostock stattfindenden Frühlingstreffens ist „Rund um die Ostsee“, und
entsprechend fordern die Künstlerinnen „das Recht auf selbstbestimmtes
Leben für Frauen/Lesben in allen Ländern, insbesondere in Osteuropa und
den Skandinavischen Ländern“. han
Lesbenfrühlingstreffen Rostock, 10.-13.6., mehr Infos unter www.lesbenfruehling.de/rostock2011. Vernissage der Ausstellung: 11.6., 13.30, 18051 Rostock, Uni-Campus, Ulmenstraße
69/1. Etage
ausstellung
Kollektive Bilder und Re-Inszenierung
Wie wichtig die Auseinandersetzung mit ZeitzeugInnen ist, wird besonders
jetzt deutlich, wo ihre Zahl ständig abnimmt. Die Künstler_innen Johanna
Tinzl und Stefan Flunger fragen in der Ausstellung „Sonst weiß ich über
die Mauer nicht viel zu sagen, außer dass sie uns gut eingeschlossen hat“
nach den Bedingungen, die es ermöglichen oder vielmehr verunmöglichen,
dass (Kunst-)Institutionen an einem Ort ZeitzeugInnengeschichten haben
und an einem anderen nicht. Sie beschäftigen sich mit Verdrängungspraktiken und fehlender Aufarbeitung, arbeiten mit Überlebenden der KZs,
offenen Fragen und Bildern des kollektiven Gedächtnisses. Ihre Auseinandersetzung damit übersetzen und re-inszenieren sie so weit, bis sie zu
neuen Verhandlungen damit führt. Die Ausstellung wurde im Rahmen des
von Orange 94.0, dem Freien Radio Wien, initiierten Erinnerungsprojektes
„Fathomizing Memory“ realisiert. han
Sonst weiß ich über die Mauer nicht viel zu sagen, außer dass sie uns gut eingeschlossen hat. Bis
20.6., Mo. und Sa., 15-19.00. 1010 Wien, Museumsquartier, Haupthof
32 l an.schläge Juni 2011
Maja Vukoje, Glove, 2010, Acryl, Glitter, Klebeband auf Leinwand, 40 x 30 cm. Ausstellungsansicht Salzburger Kunstverein 2011, Foto: Andrew Phelps, © Salzburger Kunstverein
ausstellung
Karibischer Karneval in Neu-Belgrad
Maja Vukoje arbeitet mit Kämmen, Spachteln, Schablonen, fließender
Farbe, gesprayten Elementen und Applikationen realer Gegenstände. Auf
der Suche nach einer archetypischen Fassung individueller Erfahrungen
verarbeitet sie in ihren Bildern unterschiedliche kulturelle Kontexte – da
bevölkern dann z.B. Darstellungen von kollektiven Ritualen, Gesten und
Momenten der Transformation bühnenartige Vorstadt-Szenerien aus NeuBelgrad. Vukoje verfügt selbst über Migrationserfahrung und untersucht
auf Recherche-Reisen, beispielsweise zum karibischen Karneval in Tobago,
heterogene kulturelle Phänomene. Themen ihrer großformatigen Malereien sind Postkolonialismus, Gender und Populärkultur. han
Maja Vukoje. Bis 10.7., Salzburger Kunstverein/Künstlerhaus, 5020 Salzburg, Hellbrunner
Straße 3. Dialogführung mit den ARTgenossen: 7.6., 19.00. Kunstgespräch mit Maja Vukoje: 9.
6., 19.00. www.salzburger-kunstverein.at
installation
Schnee von gestern?
Die Zeitung von gestern, das ist bekannt, ist Schnee von gestern. In die
Zeitung von gestern wird Fisch eingewickelt, ansonsten taugt sie nur zum
Altpapier. Von dem, was in diesen alten Zeitungen geschrieben stand,
erzählt die russische Künstlerin Anastasia Khoroshilova in der Installation
„Starie Novosti“ (Alte Nachrichten), die im Rahmen der 54. Biennale
di Venezia zu sehen ist. Neun Foto-Lichtboxen zeigen nahezu lebensgroßen Porträts von Müttern, die ihre Kinder bei dem Terroranschlag auf
die Schule in Beslan (Russland, 2004) verloren haben und damals selber
Geiseln waren. Auf- und zuklappbare flügelaltarartige Objekte zeigen
simultan auf Fernsehmonitoren Nachrichtenmitschnitte des Geiseldramas,
das damals die Welt schockierte und heute nahezu vergessen ist. Khoroshilova verweist so kritisch auf das extrem begrenzte Vermögen an echtem
Mitleid, das unsere hochtechnologisierte Informationsgesellschaft ob der
ständig ansteigenden Frequenz an Schreckensmeldungen noch aufzubringen vermag. han
lebenslauf
auch feministinnen altern
Starie Novosti/Alte Nachrichten. 2.6.-27.11., Biblioteca Zenobiana del Temanza
Centro Studi e Documentazione della Cultura Armena Corte Zappa, 30123 Venezia, Dorsoduro
1602, 10-18.00, T: +39 041 522 422 5
Christine Erharter
bühne
Märchenhaft
Der Spielraum für eine Frauenrolle im Märchen ist normalerweise sehr
begrenzt: entweder gut wie die Fee oder die (meist tote) Frau Mama oder
abgrundtief böse wie Hexe und Stiefmutter. In „neunmalschön“, dem Märchenprojekt mit Gesang von Babett Arens, dürfen die Frauen mehr sein als
nur gut oder böse. Neun Schauspielschülerinnen untersuchen bekannte und
weniger bekannte Märchen auf ihre Alltagstauglichkeit in der Gegenwart:
Baubo, die griechische Göttin der Obszönität, zieht die Fäden in einem
wilden Mix aus Grimmschen, mexikanischen, indianischen, dänischen und
Inuit-Märchen. Mit dabei sind u.a. Aschenputtel, Schneewittchen, Rotkäppchen, der Froschkönig oder Hänsel und Gretel, aber auch die Affenfrau aus einem indianischen Märchen und Coyote Dick aus Mexiko. han
neunmalschön. 9.-18.6., Mi-Sa, 20.30. Kosmostheater, 1070 Wien, Siebensterngasse 42, T.: 01
523 12 26, www.kosmostheater.at
Dies & Das
 Die US-amerikanische Schriftstellerin Jennifer Egan erhält den
diesjährigen Pulitzer-Preis. Die Auszeichnung zählt zu den wichtigsten
Literaturpreisen der Welt. Das fünfte Werk Egans, der noch nicht auf
Deutsch erschienene Roman „A Visit from the Goon Squad“, erhielt
zuvor bereits den Preis der US-LiteraturkritikerInnen. Herzlichen
Glückwunsch!
 Am 4. Juni wird der österreichischen Künstlerin Barbara Rapp in
Düsseldorf der Kaiserswerther Kunstpreis 2011 verliehen. Wir gratulieren!
 Die Darstellung von technischen, naturwissenschaftlichen oder handwerklichen Berufen stand beim diesjährigen LILITH-Fotowettbewerb
im Zentrum. Die Kärntner Frauenreferentin Beate Prettner überreichte
den Siegerinnen Kerstin Hinteregger, Silvana Klammer und Melissa
Petschenig sowie Lena Florian, Susanne Springer und Sabrina Silly
den Mädchenförderpreis. Gratulation!
 Ausschreibung: „schreiben zwischen den kulturen“ 2011: Literaturwettbewerb zur Förderung der Literatur von AutorInnen, die aus einer
anderen Muttersprache als der deutschen kommen und in deutscher
Sprache schreiben. Einsendeschluss: Prosa, Lyrik, Drama: 10. Mai
2011; Schulprojekte, Jugendtexte: 30. Juni 2011. Einsendungen an:
Exil, Kennwort „exil-literaturpreise“, Stiftgasse 8, 1070 Wien. verein.
[email protected]. Details unter www.zentrumexil.at
„Es liegt ein
Grauschleier
über meinem
Kopf …“
Im Sommer 2002 machte ich gemeinsam mit einem Innsbrucker Freund eine Radiosendung mit dem Titel „Charm Free
Adolescence“. Es ging um Punk und New Wave, und wir haben
auch Fehlfarben gespielt. Im selben Sommer ließ ich meinen
aktuellen Reisepass ausstellen. Vor mir lagen internationale
Reisen sowie ein mehrjähriger Auslandseinsatz in der norwegischen Kulturlandschaft, die außerhalb der EU liegt. Der Pass
musste also passen. Wenn ich mir das Foto heute anschaue, ist
definitiv ein Älterwerden festzustellen, aber ich erkenne mich
wieder und kann mich auf dem Foto immer noch gut leiden.
Doch viele Leute reißen sich ja regelrecht darum, einen Blick
auf das Passfoto anderer zu werfen, um es dann zu kommentieren: „Da schaust du ja gaaanz anders aus! So jung!“ „Hast du
da gefärbte Augenbrauen?“ „Du schaust so brav aus.“ Das liegt
wohl an dem Heiligenschein, den ich auf dem Foto eindeutig
habe. Die Haare waren damals kurz und die Farbe ging nach
Jahren des Tönens und Färbens wieder Richtung „Natur“. Seit
damals hab ich die Haare überhaupt nicht mehr gefärbt, und
aus grauen Highlights wird mehr und mehr eine graue Grundfarbe, der Heiligenschein wurde in den letzten neun Jahren zum
Grauschleier. Auch das wird natürlich kommentiert: „Du hast ja
schon ganz schön viele graue Haare!“ Oder auch ganz unverblümt: „Du schaust einfach älter aus. Warum färbst du dir denn
die Haare nicht?“ Es ist ein bisschen wie mit der Achselhaardebatte: Wenn sie büschelweise sprießen, verstört es die Leute.
Daher halte ich es jetzt genau wie eine gute Freundin: Übers
Haare färben mach ich mir erst wieder mit vierzig Gedanken.
Bis dahin sind die unter den Achseln sicher auch grau, und dann
zahlt es sich richtig aus.
Christine Erharter geht zu einem Friseur, der ihr die Haare nicht
schneiden würde, wenn sie gefärbt wären.
Juni 2011 an.schläge l 33
sci-fi
Vergnügt verwegen
Am 29. April starb Joanna Russ im Alter von 74 Jahren. Dagmar Fink vermisst die
Pionier_in der queeren Science Fiction jedoch schon länger, denn Russ hat in den letzten
Jahren nicht mehr viel veröffentlicht. Ein Nachruf.
Joanna Russ begann in den späten
1950er Jahren, Science Fiction (SF)
zu veröffentlichen, ihre erste feministische Figur schuf sie zwischen 1967 und
1970 mit „Alyx“ (Picnic on Paradise,
The Adventures of Alyx). Alyx ist klug,
intelligent, hart, abgebrüht und sinnlich.
Sie ist außerdem Agentin, Mörderin
und nicht hübsch. Alyx zu erschaffen,
beschreibt Russ selbst als Durchbruch.
Es ging nicht nur darum, eine Figur
zu kreieren, die den vorherrschenden
Stereotypen in der SF etwas entgegensetzt, sondern zuallererst darum, die
eigene Vorstellungskraft von weiblichen
Figuren aus den Fesseln eben jener
Stereotype zu befreien.
Russ’ Erzählungen und Romane sind für
die queer-feministische Strömung wie
auch für die New Wave in der SF von
zentraler Bedeutung. Die New Wave,
zu der Russ gerechnet wird, verstand
SF weniger als „Science“ denn als
„Speculative Fiction“. So ging es auch
nicht so sehr darum, den Weltraum
zu explorieren, sondern vielmehr den
„inner space“ – also Charaktere und
Gesellschaftsstrukturen.
1 „The Image of Women in
Science Fiction“; in: Susan
Koppelman Cornillon (Hg.
in): Images of Women in
Fiction: Feminist Perspectives.“ . 1972, S. 79-94
(dt. „Das Frauenbild in
der Science Fiction“; in:
Barbara Holland-Cunz (Hg.
in): „Feministische Utopien
– Aufbruch in die postpatriarchale Gesellschaft“. 1986,
S. 13-29.
2 Joanna Russ, „Das
Frauenbild in der Science
Fiction“, S. 24f.
34 l an.schläge Juni 2011
Kosmische Vororte. Tatsächlich bleiben
die Spekulationen über Geschlecht,
Geschlechterverhältnisse, Sexualität,
soziale Beziehungen und generative wie
gesellschaftliche Reproduktion in der
SF jedoch weit hinter Spekulationen
über Technologieentwicklungen zurück.
Vielmehr werden, so Russ in „The
Image of Women in Science Fiction“1,
vorwiegend intergalaktische Vororte,
d.h. Geschlechterverhältnisse, wie sie
für „weiße“ Mittelklasse-Vororte in den
USA charakteristisch sind bzw. waren,
beschrieben. Neben Geschichten über
richtige Kerle und deren kosmische Rivalitäten und Eroberungen gebe es dann
noch Erzählungen, in denen Gleichsein
bedeute, das gleiche zu tun: Sowohl
weibliche als auch männliche Figuren
gehen kompetent ihrer Arbeit nach.
Sich eine Gesellschaft vorzustellen, in
der Geschlecht keine Rolle spielt, werde
damit aber vermieden:„Das ist die ganze Schwierigkeit der Science Fiction,
der echten Kreativität: Wie entkommt
man den traditionellen Gegebenheiten,
die nicht mehr sind als traditionelle
Zwangsjacken.“2
Weltweites Menschsein. Das mit Sicherheit meist gelesene und besprochene Werk von Joanna Russ ist zugleich
auch mein Lieblingsroman von ihr:
„The Female Man“ von 1975. Die vier
Protagonist_innen haben den gleichen
Genotyp, leben jedoch in unterschiedlichen Welten und sind entsprechend auch
unterschiedliche Personen. Jeannine
und Joanna leben in zwei verschiedenen Varianten der gegenwärtigen USA
(also der siebziger Jahre), in denen
patriarchale Strukturen wahlweise
unangefochten vorherrschen bzw. (noch)
wenig erfolgreich von der Zweiten
Frauenbewegung bekämpft werden.
Janet lebt im utopischen Whileaway,
einer Welt, in der nur Weiblichkeiten
friedlich und harmonisch miteinander
leben. Jael schließlich kommt aus einer
nahen Zukunft, in der Männer und
Frauen in getrennten Ländern leben und
sich gegenseitig bekriegen. Jael von
Jeannine, Janet und Joanna zu trennen,
ist ein Kunstgriff des Romans, denn die
vier Jots gehören zusammen, bilden
aber dennoch kein Ganzes. Vielmehr
stellt jede eine Möglichkeit des Lebens
als „weiblicher Mensch“ in einer
spezifischen Gesellschaft dar bzw. die
Unmöglichkeit, in der zeitgenössischen
Gesellschaft ein „weiblicher Mensch“
zu sein. Fasziniert hat mich weniger die
Schilderung des lesbischen Utopia auf
Whileaway als vielmehr die Darstellung der kriegerischen und aggressiven
Jael. Während es (1975) unmöglich
erscheint, weibliche Figuren zu denken,
die geschäftsmäßig morden, sexuell aggressiv sind, penetrieren, ohne Männer
auskommen, sich selbst genug sind, beschreibt Russ nicht nur guten lesbischen
Sex (den hat Janet), sondern auch eine
Frauenfigur, die eine Männerfigur fickt.
In Russ‘ ausgiebiger Schilderung einer
Sexszene wird kein verwundbarer weiblicher Körper penetriert, eine aggressive Amazone spielt mit ihrem niedlichen
Lustobjekt, ihre Vagina schluckt dessen
Schwanz, während sie – als besondere
Zugabe – den Anus ihres Geliebten mit
dem Finger penetriert.
Das habe ich vermisst und werde ich
nun weiterhin schmerzlich vermissen:
diese beharrliche, wütende, ironische
Arbeit an Geschlechterstereotypen,
deren analytisch brillante, scharfzüngige Herausarbeitung sowie die vergnügt
verwegene, kühne Erweiterung dessen,
was wir uns überhaupt an weiblichen
Figuren und anderen Geschlechterrepräsentationen vorstellen können. Das
konsequente Denken der Verwobenheit
von Geschlecht, Sexualität, Klasse und
Rassisierung und das Insistieren auf der
zentralen politischen Bedeutung von
intimen, erotischen und Reproduktionsverhältnissen wird mir fehlen. l
Dagmar Fink ist Literatur- und Kulturwissenschafter_in mit Arbeitsschwerpunkten
auf Queer Theory, Cyborg-Konzepte,
queere Populärkulturen u.v.m. Außerdem
Übersetzer_in im queer_feministischen
Kollektiv „gender et alia“ (http://genderetalia.sil.at).
Die Langfassung dieses Artikels inkl. einer
ausführlichen Bibliografie gibt es auf www.
anschlaege.at
poly styrene
Gegen Sexualisierung
anquietschen
Poly Styrene, die Sängerin von X-Ray Spex, war ihrer Zeit
voraus: ein Punk unter Punx
und Vorreiterin der Riot-Grrrl-Bewegung.
Von Kendra Eckhorst
Ihre Stimme war eine Waffe, erinnern
sich einige ihrer ZeitgenossInnen.
Schrill, kreischend und zugleich melodisch. Sie nistete sich im Kopf ein und
gab der Band X-Ray Spex ihren unverwechselbaren Sound. Poly Styrene,
die Frau mit und hinter dieser Stimme,
verstarb im April an Brustkrebs. Mit 53
Jahren.
Als Punk-Ikone, Neon-Queen oder feministische Avantgardistin wird die Sängerin tituliert, die 1978 mit ihrer Band
das legendäre Album „Germ Free Adolescents“ herausbrachte. Hits wie „Oh
Bondage Up Yours“ oder „Identity“
gehören heute zu den Punk-Klassikern.
Gegen Plastikwelten, Rollenklischees
und identitäre Fesseln quietschte sie an
– einer Alarm-Sirene nicht unähnlich.
Und eroberte sich so ihren Platz in der
Punkszene der 1970er Jahre.
„Das kann ich auch.“ Als Marianne
Joan Elliot-Said kam sie 1957 in Südostengland als Tochter einer Britin und
eines Somaliers zur Welt. In Interviews
erinnert sie sich, dass sie schon mit
fünf Jahren Protestsongs schrieb, weil
sie Fleisch essen sollte. Mit 15 ging sie
nach London und wollte Opernsängerin
werden. Zum Glück kam alles anders,
und sie landete bei einem schlecht besuchten Konzert der Sex Pistols. „Das
kann ich auch“, sollen ihre paradigmatischen Gedanken gewesen sein. Sie
setzte eine Anzeige in ein Musikmagazin und suchte „young punx who want to
stick together“.
X-Ray Spex war geboren, eine Punkband mit Sängerin, Saxofon und ohne
Nieten und Lederjacken. Dafür mit
einer legendären Zahnspange, die jahrelang aus dem Mund von Poly Styrene
blitzte, hellblauen Strickjacken und
rosa Söckchen. Ein nettes Mädchen von
nebenan, das dieses Bild mit den ersten
Tönen jedoch zerstörte. Nicht rotzig
abwehrend mit erhobenem Mittelfinger,
eher überzogen, gefährlich süß und
dadaistisch, wie die Songtexte von „I
am a cliché“ oder „Art-I-Ficial“ zeigen.
Glatte und künstliche Welten, wie vom
Fließband, kamen zum Vorschein, die
ihrem Künstlerinnennamen, in Anlehnung an Polystyren, einem Kunst- und
Schaumstoff, alle Ehre machten.
Mit ihrer Stimme kratzte sie an den
Fassaden, schmirgelte die Plastikbilder
ab. Rollenerwartungen wie Sexyness
erteilte sie eine Abfuhr und hätte sich
lieber die Haare abrasiert, als dieses
zweifelhafte Kompliment zu bekommen. In einem ihrer letzten Interviews,
das sie dem „Missy Magazine“ gab,
stellte sie aber auch nüchtern fest:
„Wir waren mit X-Ray Spex Ende des
1970er genau an der Schnittstelle, eine
der letzten Bands, die sich ein nicht
sexualisiertes Image noch erlauben
konnten. Nach uns kamen dann schon
Acts wie Madonna.“
„Überlass nicht Kylie Minogue das
Feld.“ Trotzdem oder deswegen stiegen
X-Ray Spex schnell zu Sternen im
britischen Punkhimmel auf, leuchteten
auch in den USA und spielten im legendären New Yorker Punk-Club CBGBs.
Schon 1979 löste die Band sich auf.
Styrene spielte daraufhin das Soloalbum „Translucence“ ein und schloss
sich der Hare-Krishna-Bewegung
an, verließ diese aber aufgrund der
dortigen Frauenfeindlichkeit wieder. Im
Jahre 1995 gab es eine erste Wiedervereinigung der Band, zu der wohl eine
Krankenschwester Anlass gab. Mit den
Worten „Geh raus hier. Überlass nicht
Kylie Minogue das Feld“, schob sie
Styrene aus der Klinik, in der sie wegen
angeblicher Persönlichkeitsstörungen
behandelt wurde.
Das zweite Album „Conscious Consumer“, das erst 2005 erschien, konnte
nicht an den Erfolg des Debüts anknüpfen. Eine Platte, die im Zuge der Riot
Grrrl-Bewegung erneute Popularität
und Vorbildstatus genoss. Für Kathleen
Hannah von „Bikini Kill“ und „LeTigre“ war Styrene die Sängerin, die den
Weg ebnete. Auch Beth Ditto von „Gossip“ führt sie als musikalischen Einfluss
an, der ihr zum Selbstvertrauen verhalf,
sie selbst zu sein.
Nach ihrem letzten Auftritt 2008 mit
X-Ray Spex widmete sich Poly Styrene einer erneuten Soloplatte namens
„Generation Indigo“, die im März
diesen Jahres erschienen ist. Poppiger
kommen die Songs daher, wenden sich
aber immer noch, wie in „Kitsch“,
gegen starre und sexualisierte Bilder
von Frauen. Bis zum Schluss kritisierte
sie diese Zurschaustellung, auch noch
im Hospiz, wo sie weiterhin Interviews
gab. Am Abend des 25. April schied sie
aus dem Leben. Ihre Stimme bleibt uns
auf den Tonträgern jedoch erhalten. l
Juni 2011 an.schläge l 35
tanja ostojić
Heiße Kartoffeln auffangen
Mit „Naked Life“ macht Tanja Ostojić Anti-Roma-Rassismus
zum Thema. Am Tag nach ihrer Lecture Performance im Wiener
Tanzquartier traf Lisa Bolyos die Künstlerin zum Interview.
Notwendigkeit, dass Künstler_innen
dafür mit anderen Disziplinen arbeiten
– mit Aktivist_innen, Theoretiker_innen, Philosoph_innen; das ist meiner
Ansicht nach der einzige Weg, mit
Kunst politisch zu intervenieren.
Gleichzeitig ist es problematisch, zu
erwarten, dass Kunst komplexe politische
Probleme lösen kann. So als könnten Politiker_innen Künstler_innen heiße Kartoffeln zuwerfen und erwarten, dass die
sie auffangen. Wir müssen also einerseits
sehen, wie Kunst politisch instrumentalisiert wird, und andererseits, was wirklich
involvierte Kunst alles schaffen kann.
Foto: Carolina Frank
Kurz vor der österreichischen EURatspräsidentschaft 2006 löste Tanja
Ostojić mit ihrer Arbeit „After Courbet“
hochmoralische Entrüstung aus. „Kanzler stoppt Porno-Plakate“ und: „Wien
wieder sexfrei“, titelte damals die mehr
porno- als kunstaffine „Kronenzeitung“,
als nach einem medialen Protestschrei
Ostojićs Selbstporträt mit EU-Unterhose von den Billboards in der Wiener
Innenstadt entfernt wurde (vgl. Interview von Kerstin Kellermann in an.schläge
02/2006). Zurzeit arbeitet Ostojić an
einem Recherche- und Performanceprojekt zu Anti-Roma-Rassismus, das
sie unter anderem auf der Biennale in
Venedig zeigen wird.
an.schläge: Kann Kunst ein Instrument
Naked Life Performance im
Roma Pavillon, Biennale
Venedig: 2. Juni 2011,
16.45
http://www.callthewitness.net/
Testimonies/NakedLife2
36 l an.schläge Juni 2011
politischer Intervention sein?
Tanja Ostojić: Definitiv. Aber das heißt
nicht, dass dieses Instrument immer
erfolgreich ist. Kunst kann bestimmten
gesellschaftlichen Themen nicht ausweichen, und es ist eine unabdingbare
In deiner Arbeit ist viel von antimuslimischem Rassismus und EU-Grenzpolitiken die Rede. Das sind Themen,
die auf der Agenda von politischem
Aktivismus in Europa ganz oben stehen. Wie schaffst du die Verbindung
zur Bewegung?
Ich bin selbst nicht Teil einer Bewegung, aber ich bin sehr interessiert
daran, mit welchen Strategien Aktivist_innen hantieren. Ich kommuniziere
mit ihnen über Facebook, wir tauschen
Informationen aus, und wenn es eine
Möglichkeit gibt, versuch ich mich
dranzuhängen und etwas zu produzieren. Gerade arbeite ich zum Beispiel an
einer Videoarbeit zum 44-tägigen Hungerstreik der Sans Papiers in Griechenland. Die Aktivist_innen haben mich von
Streikbeginn an voll unterstützt, mir
Informationen gegeben, und wenn es
klappt, werden wir das Video auf allen
Ebenen gemeinsam produzieren: was
Entscheidungen betrifft, Story, Interviews, Schnitt, die gesamte Produktion.
Politische Aktivist_innen haben oft
den Eindruck, dass Wissenschaft und
Kunst versuchen, ihnen ihr Wissen
abzusaugen, um es für die eigenen
Produktionen, die eigene Karriere zu
verwenden.
Das ist immer eine Frage der Verantwortung gegenüber anderen Personen. Wenn ich dich interviewe, bin
ich verantwortlich dafür, etwas zu
produzieren, was dir auch gefällt und
dich repräsentiert. Dennoch bleibt
das Problem bestehen, dass ich deine
Bilder besitze. Oft ist es unmöglich, die
Videoproduktion gemeinsam mit den
Protagonist_innen zu machen, weil ich
sie zum Beispiel im Abschiebegefängnis
getroffen habe – ich kann nicht die vollen Namen veröffentlichen, kann keine
Rückfragen stellen. Bei dem aktuellen
Projekt in Griechenland ist das einfacher, da arbeiten wir wirklich zusammen. Anders zum Beispiel bei „XPONA
– exchange in post nation“, das wir
2005 in Leipzig verwirklicht haben:
Wir haben versucht, modellhaft eine
Alternativ-Ökonomie umzusetzen, die
Personen ohne Aufenthaltstitel einbinden würde, Pensionist_innen und Leute,
die von der konventionellen Wirtschaft
nicht beachtet werden. Die linke Szene
war uns gegenüber eher feindlich
eingestellt, einer Kunst gegenüber, die
ja tatsächlich oft nur ein weiteres Feld
hegemonialer kapitalistischer Ausbeutung ist. Und viele Künstler_innen
spielen da mit, versuchen Informationen
abzusaugen, um sie dann als Spektakel
zu verwenden.
Findest du es einfach, dich im Kunstfeld als Feministin zu positionieren,
oder gibt es da viel Widerstand?
Natürlich gibt’s da Widerstand. Dem
Feminismus geht es wie dem Anarchismus – uns würde man lieber vermeiden.
Feminismus befindet sich in ständiger
Konfrontation mit den Machtstrukturen
und den dominanten konsumistischen,
rassistischen, nationalistischen und
patriarchalen Werten einer Gesellschaft, er versucht die Verhältnisse neu
zu beleuchten, sichtbar zu machen und
zu subvertieren – darum ist es natürlich
klüger, sich nicht damit zu etikettieren.
Ich versuche, meine Arbeit mit ihrem
spezifischen Auftrag zu präsentieren,
das feministische Labelling kann dann
mit theoretischen Texten einhergehen
oder mit einem Zeitungsinterview. Ich
verstehe mich als Feministin, aber ich
verkaufe mich nicht als feministische
Künstlerin – und ich habe auch keine
Galerie, die das machen würde. Ich
denke, es gibt sowieso zu wenige Orte,
die daran interessiert wären, uns unter
solchen Vorzeichen zu engagieren.
Um gleich weiter zum nächsten
großen Begriff zu gehen: Ein Teil
deiner Arbeit wurde unter dem Titel
„Integration impossible?“ präsentiert.
In Österreich, wo die Integrationsdebatte so sehr Teil von rassistischen
Strategien der Medien und der Politik
geworden ist, tendieren Antirassistinnen dazu, das sogenannte „I-Wort“
zu vermeiden. Von welcher „Integration“ sprichst du?
Der Begriff Integration ist seit mehr als
einem Jahrzehnt Bestandteil politischer
Agenden, das ist nichts Neues, was vor
drei Jahren mal eben so aufgetaucht
ist. Ich arbeite seit 2002 an diesen
Projekten, und ich habe darin Länder
wie Deutschland, Österreich, Dänemark
und Holland untersucht. Mir ist bewusst,
dass sich die Agenda verändert hat und
voll von Missinterpretationen ist: Wenn
Integration gesagt wird, wird Assimilation gemeint. Trotzdem, ich habe die
Arbeit 2002 so genannt und kann den
Titel jetzt nicht ändern. Aber da steht
ein Fragezeichen, und ich verwende den
Begriff nicht, um rassistische Agenden
zu stärken, sondern um sie im Gegenteil
infrage zu stellen und zu kritisieren.
Nach deiner Lecture am Freitag
im Tanzquartier war das Publikum
erpicht darauf, „die Roma-Frage“ zu
besprechen – im Sinne davon, was
Roma wollen (sollen), was sie brauchen, was sie nicht dürfen usw. Ich
habe mich gefragt, warum niemand
die meines Erachtens viel relevantere
Frage nach Anti-Roma-Rassimus stellt
und danach, wie wir ihn bekämpfen
können.
Ich habe auch den Eindruck gehabt,
dass ich eine ganze Menge wichtiger
Fragen aufgeworfen habe, in erster Linie die nach einem europaweiten Anti-
Roma-Rassismus, und das Publikum hat
sich nur auf jene Inhalte bezogen, die in
den letzten beiden präsentierten Arbeiten vorkamen. Ich habe diese LecturePerformance mit Diskussion danach
zum ersten Mal gemacht, und ich war
überrascht über den Fokus des Publikums. Zusätzlich war das Format des
Festivals nicht geeignet für lange, komplexe Diskussionen. Trotzdem bin ich
überzeugt davon, dass die Leute nach
meiner Performance „Naked Life“ über
Anti-Roma-Rassismus reflektieren, denn
das ist ja das zentrale Thema.
Hast du das Gefühl, dass du als Künstlerin bestimmte Dinge mitveränderst?
Gibt es manchmal Reaktionen, die
dich dazu veranlassen zu denken, ja,
da habe ich interveniert, und das war
offensichtlich ein Erfolg?
Es wäre ja naiv zu meinen, dass ein
paar künstlerische Interventionen,
Installationen, Diskussionen und
Performances so etwas wie eine tief
verwurzelte rassistische Praxis gegen
Roma auf den verschiedensten Ebenen
in Europa, sei es EU oder nicht, ändern
können. Das dauert ewig … Aber
ich versuche, Leute mit bestimmten
Informationen zu konfrontieren, und
das ist definitiv möglich. Dieses Jahr
wird im 2. Roma-Pavillon im UNESCOGebäude bei der Biennale in Venedig
eine Ausstellung namens „Call the
Witness“ laufen, und darin performe ich
eine neue Version von „Naked Life“.
Formal wird es dieselbe Arbeit sein –
ich ziehe nach jedem vorgelesenen Fall
von rassistischer Praxis ein Kleidungsstück aus. Diesmal werde ich aber die
aktuellsten Fälle von Rassismus gegen
Roma in Frankreich, Ungarn und Serbien verwenden. Und es wird eine Menge
anderer Beiträge zu dem Thema geben.
Das halte ich für ungemein wichtig, um
eine gemeinsame Basis zu bilden. Eine
einzelne Arbeit würde es nie schaffen,
die Stimme laut genug zu erheben. l
lesbennest
the fabulous life
of a queer femme in action
denice
Luxury Problems
„Isn’t it hard when you’re spoiled rotten? Got another luxury problem.“ It is 7 o’clock in the morning on May 1, 2011. I’m sitting
in my beautiful kitchen rambling to my perfect lover about how
sad I am because I’ve just realised that I don’t want to become
a successful performer that everybody adores. Since stardom
has always been my only plan, I don’t have a plan B – and I feel
lost. And besides: „They didn't really like me, they were just
being polite.“ The reason for my self-pity was a fantastic evening
where I had the honour of performing in front of a fantastic
audience with hundreds of people screaming and dancing in front
of the stage. „Being a star is such a pain …“ Oh boo hoo, Denice,
you poor thing. And then I start feeling bad. I shouldn’t complain.
I am being ungrateful. Etc etc. I am ridiculously good at that.
Self-punishment. If I get a compliment for looking gorgeous
I automatically have to start hating myself for being too fat.
Somebody tells me I write funny and good things, I have to feel
bad about all those real writers out there. Not scams like me. If
I feel happy for having such great friends, I have to start thinking
about all those poor lonely souls out there who have NOBODY to
talk to. And then I feel horrible and think that I don’t deserve it
all, I don’t appreciate it enough. When I feel so in love that I’m
about to explode, I have to think about women stuck in abusive
relationships. And it goes on and on like that. Happy Pappy one
moment – crushed and depressed the next. I can pretty much
say that I have everything that I ever wished for and that, in my
opinion, I am probably the luckiest person in the world. It’s a
nightmare!
For the first time in my life I have enough money saved to go on
a cheesy holiday in the sun for a week this summer, but the mere
thought of being able to choose any destination (in Europe) that
I want, is making me feel dizzy and unworthy. So yesterday I
decided that I will not go anywhere. I will stay in the city and
work instead. As a punishment. But you should all have a great
summer! You really deserve it!
Denice always automatically hears the band Lunachicks in her head
when she feels sorry for herself for having such a great life.
Juni 2011 an.schläge l 37
an.lesen
„Deutschland
schafft mich ab“
Das „Manifest der Vielen“ ist die richtige Antwort auf den neuen
antimuslimischen Rassismus in Deutschland, findet Lea Susemichel.
Rassistische Äußerungen von PolitikerInnen und Personen des öffentlichen
Lebens sind auch in Deutschland durchaus nichts Unübliches. Doch der Diskurs
um das „Migrationsproblem“ hat mit
dem Erscheinen von Thilo Sarrazins
Buch „Deutschland schafft sich ab“
eine neue Qualität erreicht. Weil nur
die migrantische Unterschicht Kinder
gebäre, drohe der deutschen Nation der
Niedergang, so die mit kruden Vererbungstheorien untermauerte Kernthese des Buches, das es auf sämtliche
Bestseller-Listen geschafft hat und dem
Autor bereits Millionen einbrachte.
Mit dem Sammelband „Manifest der
Vielen. Deutschland erfindet sich neu“
ist nun eine Antwort darauf erschienen.
Die Kapitalisierung rassistischer Ressentiments ist nicht der einzige Vorwurf,
den die 29 AutorInnen Sarrazin darin
machen. Die Herausgeberin Hilal Sezgin macht den SPD-Politiker vor allem
für eines verantwortlich: dafür dass sie,
die in Frankfurt geborene Journalistin
und Schriftstellerin, unversehens zur
„muslimischen Migrantin“ wurde. Die
sich nun nicht mehr mit postmoderner
Philosophie beschäftigen darf, sondern
stattdessen ständig aufgefordert wird,
sich von familiärer Gewalt und Terrorismus zu distanzieren. „Aus dem
Nichts heraus nehmen mich Menschen
zu frauenfeindlichen Versen im Koran
und zum Kopftuch ins Kreuzverhör“,
heißt es in ihrem Beitrag „Deutschland
schafft mich ab“.
Eine Erfahrung, die sie mit vielen anderen AutorInnen des Buches teilt. Egal
ob diese aus Delmenhorst stammen oder
mit dem Begriff Heimat in erster Linie
die A 42 in Duisburg verbinden, die
„Muslimisierung“ (Katajun Amirpur)
macht seit der Dauerrede von der „Islamisierung“ vor ihnen allen nicht halt.
Das absurdeste Resultat dieser Entwicklung besteht für die meisten darin,
38 l an.schläge Juni 2011
dass sie sich nun in der entwürdigenden
Lage wiederfinden, immer wieder einen
banalen Gemeinplatz wiederholen zu
müssen: „Wir sind viele, und wir sind
verschieden.“ Doch in einem Land,
wo vierzig Prozent der Bevölkerung
glauben, dass Muslime intolerant und
gewalttätig seien, bleibt für eine Schauspielerin mit türkischem Namen eben
nur die Rolle der unterdrückten Tochter,
wie Ferdos Forudastan berichtet: „Wie
oft ich im Film schon von zu Hause
abgehauen bin, hab ich aufgehört zu
zählen.“ Und wenn man Ekrem Senol
heißt, muss man sich eben auch im richtigen Leben die Frage gefallen lassen,
ob man selbst denn zwangsverheiratet
sei. Senol, der Gründer von „MiGAZINE“, erinnert angesichts solcher Erlebnisse daran, dass „das Grundgesetz das
Schutzgesetz der BürgerInnen vor dem
Staat ist – und nicht umgekehrt.“ Doch
die Verfassungstreue von MuslimInnen
wird systematisch in Zweifel gezogen,
und es wird nicht stattdessen diskutiert, inwieweit bei den gegenwärtigen
Debatten noch der Gleichheitsgrundsatz
geachtet wird. Sondern nur darüber, ob
Sarrazins Recht auf Meinungsfreiheit
und freie Rede bedroht ist.
Dessen Selbstinszenierung als mutiger
Tabubrecher, der sich traut, unbequeme
Wahrheiten gegen den politisch korrekten Zeitgeist endlich auszusprechen,
analysiert Imran Ayata als „erprobtes
Stilmittel für Skandalisierung“. In
Verbindung mit einem bis in kleinste
Detail geplanten Mediencoup habe das
Sarrazin zu maximaler Aufmerksamkeit
verholfen. Dass ihm Feministinnen wie
Alice Schwarzer inhaltlich dabei assistierten und Necla Kelek seine Buchvorstellung begleitete, war dem Erfolg
sicher nicht abträglich, so Ayata.
Aber es ist längst nicht mehr nur die
Last des Patriarchats, die der Islam den
Deutschen abgenommen hat. Wie Naika
Foroutan schreibt, sind auch Antisemitismus und Homophobie inzwischen
zu originären und exklusiven Problemen der Muslime gemacht worden.
Von Rassismus hingegen spräche man
in Deutschland nur äußerst ungern.
Rassismus ernst zu nehmen statt
immer nur „die Ängste der Menschen“,
fordert jedoch auch Navid Kermani in
seinem Text zum Minarettverbot in der
Schweiz. Denn keiner spräche jemals
von den Ängsten jener, die den Anfeindungen und Diffamierungen ausgesetzt
sind.
Auch wenn die verschiedenen Positionen hinsichtlich der Radikalität ihrer
Forderungen durchaus stark variieren,
lautet der programmatische Aufruf
des Buches: Gutmenschen bleiben
gegen „die Schlechtmeinenden“, denn
„Linkssein ist eine großartige Tradition“ (Feridun Zaimoglu). Und auch die
Rede von Toleranz sei „keineswegs ‚ein
verlogener Kuschelsound‘, sondern eine
zivilisatorische Errungenschaft“ (Ilija
Trojanow). l
Hilal Sezgin (Hgin): Manifest der Vielen.
Deutschland erfindet sich neu
Blumenbar Verlag 2011, 12,90 Euro
an.lesen
DIY-Geschichte l Das
Konzept „Grabe, wo du
stehst“ mit seinen „Barfuß“ForscherInnen kommt aus
Schweden und gibt seit den
1970er Jahren auch hierzulande eine brauchbare
Vorlage für die sogenannte
„Geschichte von unten“.
Irmtraut Karlsson legte nun mit „Frauen graben,
wo sie stehen“ ein tolles Handbuch vor, das die
blinden Geschlechterflecken des schwedischen
Ausgangsmodells aufzeigt, das zwar Arbeiter
ermächtigen will, ihre eigene Geschichte zu
erforschen – aber eben nur die Arbeiter. Gerda
Lerner und ihre Postulate für eine Frauengeschichtsforschung sind Leitgedanken, und die
an mehreren Orten Österreichs seit Mitte der
1990er Jahre stattfindenden Frauenspaziergänge sind praktischer Ausgangspunkt für die
Anleitung, die Karlsson gibt: Es gilt einerseits,
sich auf die männlich dominierte Wissenschaft
nicht einfach zu verlassen und z.B. Quellen neu
zu interpretieren, andererseits ist es wichtig,
Methoden und Möglichkeiten der historischen
Recherche quasi zu vergesellschaften und das
bisher von den „Barfuß“-Forscherinnen zusammengetragene Wissen weiterzugeben. Was
diesem Buch hervorragend gelingt! Sylvia Köchl
Irmtraut Karlsson: Frauen graben, wo sie
stehen. Frauengeschichte von unten. Gendermainstreaming in der Praxis
ÖGB-Verlag 2010, 9,90 Euro
Grenzüberschreitend l Hier
ist alles ein bisschen extrem:
Es gibt einen Mann, der so
dick ist, dass er nur mehr mit
einem Kran aus der Wohnung
gebracht werden kann. Eine
Frau, die eine Woche lang
durchgehend laufen will – und
das auf einem Laufband in
einem Glaskubus. Es gibt Rosa, die sich über
Nacht in einen Käfer verwandelt hat und so zum
Medienstar wird. Und noch 14 weitere Geschichten, die mit Menschen, Tieren und Beziehungen
zu tun haben.
Ulrike Draesner, die für ihr literarisches Werk
schon oft ausgezeichnet wurde, liefert mit ihrem
neuen Erzählband eine unterhaltsame Sammlung
von Figuren, die auf unterschiedliche Art Grenzen überschreiten. Der letzte, ausschlaggebende
Schritt – selbst wenn er in den Tod führt – ist
schnell getan. Eine Empfehlung für Menschen,
die kurz mal zwischendurch etwas lesen wollen.
Und für Menschen mit mehr Muße auch: Die
einzelnen Geschichten können nämlich auch –
paarweise – in einen Zusammenhang gebracht
werden. Da tun sich dann ganz neue Perspektiven auf. Bettina Enzenhofer
Ulrike Draesner: Richtig liegen. Geschichten
in Paaren.
Luchterhand 2011, 18,99 Euro
Heiße Tränen l Mignon,
1903 als Tochter einer
jüdisch-orthodoxen Familie
in Ostgalizien geboren,
übersiedelt 1914 mit
ihren Eltern nach Wien,
wo sie im 2. Bezirk eine
Wohnung finden. 1928
heiratet sie Leon Langnas, mit dem sie zwei Kinder bekommt. Hier
beginnt die eigentliche Geschichte Mignons,
die „lange Straße heißer Tränen“, wie sie es
selbst formuliert. Angesichts des erstarkenden
Antisemitismus legen sie und ihr Mann alles
daran, eine Ausreisemöglichkeit zu bekommen.
Während Mignons Schwestern, ihrem Mann und
ihren Kindern die Flucht gelingt, erhalten ihre
betagten Eltern kein Visum. Mignon, hin- und
hergerissen, entscheidet sich dafür, bei ihren
Eltern zu bleiben. Während um sie herum die
Menschen ins KZ verschleppt werden, entgehen
sie nur mit großem Glück der Deportation. Es
gelingt Mignon, eine Stelle als Krankenschwester in einem jüdischen Altersheim zu bekommen. So lebt sie während des Krieges offen als
Jüdin in Wien und kümmert sich um die alleingelassenen, kranken und zermürbten Menschen,
denen die Flucht verwehrt geblieben ist. Nach
Kriegsende, in einem Displaced Persons Camp,
wird sie notieren: „In meiner Umgebung gibt
es keine Mutter, der die Kinder + der Mann am
Leben blieben, und kein Kind gibt es in meiner
Nähe, dessen Eltern ruhig – normal auf ihren
Betten gestorben sind.“
Ihre Erfahrungen und Gefühle hält Mignon in
ihrem Tagebuch und in Briefen an Angehörige
im Ausland fest – darauf basiert das vorliegende
Buch. Darüber hinaus liefert es aber auch das
Porträt einer Frau zwischen Tradition und Moderne, zwischen der althergebrachten Rolle als
Tochter, Ehefrau und Mutter und dem „neuen“
Typ Frau, die (auch im Angesicht der faschistischen Gewalt) mutig eigene Entscheidungen
trifft. Gabi Migdalek
Zahlen, bitte! l Rosa ist
eine „selbstbestimmte
Putzfrau“ mit Hang zu
„Fatalismus und Liebe zur
Stille“. Nadja Buchers
unaufregende, aber beobachtungsstarke Heldin ist
eine, die mit ihren Ausführungen zum ökologischen
Fußabdruck ein ganz schön schlechtes Gewissen
einjagt. Da bleiben Pralinés im Halse stecken,
weil die Billigschokolade LandarbeiterInnen
ausbeutet, und trotz Kontostand in den Miesen
überlegt man plötzlich, in unerschwingliche
Waldviertler zu investieren. Mit bissigem Humor
beschreibt Bucher die tägliche Routine der
(real wohl leider deutlich überdurchschnittlich
gut bezahlten) Putzfrau Rosa und ihre diversen
Kundschaften, in deren Haushalten sie eine
Umweltsünde nach der anderen aufdeckt. Dann
gerät sie an Hatschek, bei dem sie beinahe selbst
zur Sünderin wird. Was dem Roman die kleine
Krimi-Komponente geben soll, ist allerdings nur
mäßig aufregend. Spannend aber ist, dass Bucher ganz nonchalant Zahlen, Daten, Fakten über
die Umwelt, und was wir so alles mit ihr zu tun
haben, präsentiert, die richtig unbequem sind.
Ebenso eindrücklich sind die Kapitel, die der eigentlichen Heldin des Romans gelten, Ludmilla,
Rosas großes Vorbild in Sachen Berufsentscheidung. Der Showdown selbst wirkt ein wenig, als
Elisabeth Fraller, George Langnas. (Hg.): Mignon. Tagebücher und Briefe einer jüdischen
Krankenschwester in Wien 1938–1949.
Studienverlag 2010, 29,90 Euro
Juni 2011 an.schläge l 39
an.lesen
hätte jemand einen Notausgang aus dem Roman
gesucht und gefunden. Was aber wiederum durch
die gegenderte Sprache wettgemacht wird.
Insgesamt also danke, Bucher! Nadine Kegele
Nadja Bucher: Rosa gegen den Dreck der Welt
Milena 2011 16,90 Euro
Die Privatisierung des Politischen l Wie ist das Verhältnis
bonustrack: Vera Kropf
von jungen Frauen zur Kategorie Geschlecht? Was für eine
Rolle nimmt Feminismus in
ihrem Alltag ein? Neben einer
Darstellung von Modernisierungsprozessen, einem Einblick
in Theorien über „Alltag“, einem Überblick zu
Frauenbewegung und Genderdiskursen, ist die
Methode der gerichteten Gruppendiskussion unter deutschen Studentinnen Material der sozialwissenschaftlich empirischen Studie. Untersucht
wird, ob die Auseinandersetzung mit Geschlecht
eine Normalisierung in der Alltagsbewältigung
erfahren hat und wie die nicht bewussten und
nicht intentionalen Haltungen/Handlungen
durch den Feminismus beeinflusst sind. Aus
den im Buch mehrdimensional interpretierten
Ergebnissen lässt sich kursorisch folgern, dass
strukturelle Grenzen der selbstverständlich
gewordenen Emanzipation entgegenstehen, was
sich dilemmatisch auswirkt; die jungen Frauen
wollen keine Opfer sein und lösen die Probleme
je individuell (nicht). Die geschlechterpolitischen
Bedingungen werden privatisiert.
Relevant für Sozialforschung und – trotz des
homogenen Settings – für Genderpraxen. Und:
Feministische Theoriebildung müsste das Private
und Politische in Alltagsdiskursen neu reflektieren und konkretisieren. Birge Krondorfer
Anja Nordmann: Alltäglicher Feminismus.
Geschlecht als soziale Erfahrung und reflexive
Kategorie.
Ulrike Helmer 2011, 30,80 Euro
Beverly Hills am Bosporus l
„Ich will nicht in die Türkei
ziehen, das ist doch ein
Dritte-Welt-Land!“ Lara,
16 Jahre alt und mit einer
großen Klappe gesegnet, ist
sauer. Weil ihr Vater einen
neuen Job angenommen hat,
soll die ganze Familie von
Bonn nach Istanbul umsiedeln. Dass Lara der
vierten Generation türkischer Migrant_innen
in Deutschland angehört, tut wenig zur Sache
– schließlich ist ihr Türkisch richtig mies, und
im Land ihrer Vorfahren war sie zuletzt, als sie
fünf war. Bald heißt es also Abschied nehmen
von den besten Freundinnen und von ihrer
Leibspeise Kassler, Sauerkraut & Kartoffelpü-
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i
n
a
m
o
g
E
n
Tusse
„Nur dann darfst Du am Ende Deines Lebens Deine Vision erfüllt
sehen, wenn Du sagen kannst, Du hast Deinen Dämon in der Welt
zum Ausdruck gebracht. Das ist Dein kategorischer Imperativ:
Handle, wie Dir Dein Dämon vorschreibt.“ (Egomania, Insel
ohne Hoffnungen, BRD 1986, R: Christoph Schlingensief)
Wenn ich in den letzten Jahren eines gelernt habe, ist es, dass in
der Musik die Musik erst an zweiter Stelle kommt. Viel wichtiger
ist das Image, also das Ego und sein Spiegelbild. Ein ‚cooler‘ Dämon
ist die halbe Miete. Aber die Egomanie hat ihren Preis:
Wer sich auf eine Bühne stellt, muss mit den Kommentaren derjenigen leben, die unten stehen und reden.
Früher war ich empfindlicher, doch mittlerweile ist die
Hornhaut gewachsen. Die Frage ist nicht, ob es gefällt,
sondern wem – und wem nicht. Das Ziel kann nur sein,
die ‚richtigen‘ Leute zu beeindrucken, zu langweilen oder
abzustoßen, sich nicht auf vermeintlichen Lorbeeren auszuruhen, sondern immer schön reiben an der Welt.
ree. Doch schnell ist das trotzige Teen-Girl von
den vielen aufregenden Facetten der Metropole
am Bosporus überzeugt ... Im Grunde ist Sibel
Susann Teomans Jugendroman eine klassische
Prinzessinnen-Story: Lara tanzt Ballett und begeistert sich für Fashion, Make-up und Shoppen,
der Nachbarsjunge Noyan ist das Mathe-Genie
und Nachkomme eines verarmten Adelsgeschlechts, während Konkurrent Osman, der eitle
Spross einer Familie aus der Upper Class, den
eifersüchtigen türkischen Macho gibt. Natürlich
darf auch der Showdown zwischen „good guy“
und „bad guy“ nicht fehlen. Am interessantesten
wird es aber, wenn Teoman die Rückmigration
thematisiert und dabei auch Klassenwidersprüche anspricht – eine Seltenheit in der deutschsprachigen (Jugend-)Literatur. Während Laras
Familie in Deutschland die biedere Mittelschicht
repräsentierte, steigt sie in der Türkei die Klassenleiter weiter hinauf: hier teure Privatschule,
dort elitäre Ballettausbildung, dazwischen mal
ein exklusiver Schiurlaub. Beverly Hills 90210
lässt grüßen! Vina Yun
Sibel Susann Teoman: Ausgerechnet Istanbul
Planet Girl 2010, 13,40 Euro
Negative Imagearbeit nach Oscar Wilde: „In der Auswahl seiner
Feinde kann man nicht sorgfältig genug sein.“ Doch auch
Komplimente sind ein trügerisches Vergnügen. Alle halten
sich gegenseitig Spiegel vor, und es besteht die Gefahr, sich
auf der Suche nach dem Ausgang aus diesem Spiegelkabinett den Kopf anzuschlagen. Und genau dieser Schmerz,
den Kritik auslösen kann, ist dann der einzig rote Faden, der
aus dem Labyrinth der Eitelkeiten herauszuführen vermag.
Doch zum Glück gibt es sie, die offensichtlichen Klischees und
das Amüsement darüber, wie schnell die Schubladen aufgehen:
Wenn etwa die Musik einer Band, die mehrheitlich aus Menschen nicht-männlichen Geschlechts besteht, als „Tussen-Indie“
bezeichnet wird. Wohlan, ich beschwöre Dich, Dämon der Tussen, gib mir Kraft und führe mich zum Sieg! Ähnlich gelagert ein
euphorischer Kommentar auf You-Tube: „Das ist doch Andreas
Spechtl. Und die Tuss hat seine Klampfe! Geiler Song.“ Danke,
das finden wir auch. Liebe Grüße von der Tussenband.
Vera Kropf ist seit 2006 Sängerin und Gitarristin bei Luise Pop und fährt ständig zwischen Berlin und Wien hin und her.
Illustration: Lina Walde, http://evaundeva.blogspot.com
40 l an.schläge Juni 2011
an.klang
Süßsaure Geschichten
Wie Länder klingen
und Fleischhauer sich vergnügen,
hat sich Regina Himmelbauer
angehört.
Sarah Hakenberg
Der Fleischhauerball handelt – wer
hätte das bei dem Titel gedacht – von
Liebe, zumindest wenn man den einführenden Worten der Kabarettistin Sarah
Hakenberg glauben darf. Die „bitterbösen Lieder und süßsauren Geschichten“, so der Untertitel der CD (Eichborn), haben aber eigentlich keinen
gemeinsamen Nenner: In „Klick oder
stirb!“ versucht ein Paar, sich gegenseitig zu überzeugen, dass der/die andere
eigentlich nur eine Projektion ist. Das
„Schlaflied“ beginnt stimmungsvoll
mit einer süßlich singenden Säge, aber
wenn der Refrain „mit singender Säge
zersägen erwäge“ endet, keimt der Verdacht auf, dass das wohl kein harmloses
Einschlafliedchen für den Geliebten ist,
der da vor ihr gefesselt in ihrem Bett
liegt. Oder die Übersetzung eines Songtexts von Lady Gaga, „Monster“: Sämtliche Silbenwiederholungen werden da
mit übertragen und – von der studierten
Germanistin – auch ironisch analysiert.
Die „literarische Kabarettistin“, so die
Eigenbezeichnung, erweist sich auch
im spontanen Eingehen aufs Publikum
als schlagfertig – und die Selbstironie
kommt dabei nicht zu kurz …
Die Kulturjournalistinnen Corinna
Hesse und Antje Hinz bringen in
ihrem Silberfuchs-Verlag die verdienterweise mehrfach ausgezeichnete
Hörbuch-Reihe Länder hören heraus.
Gemeinsam ist diesen Produktionen sowohl ein politisch-historischer als auch
ein kultureller Überblick, illustriert mit
einem umfangreichen Booklet. Nach
zahlreichen Beiträgen zu asiatischen
und europäischen Ländern ist nun
eine CD erschienen, die nicht einem
Land, sondern einer überaus heterogenen Gruppe gewidmet ist: den Sinti
und Roma. Anja Tuckermann hat
Geschichte und Geschichten zusammengetragen, dazu auch Musik, die häufig
so gar nicht dem Klischee der „Zigeunermusik“, wie sie vor allem im 19. und
frühen 20. Jahrhundert in die klassische Musik Eingang fand, entspricht.
Man erfährt einiges Überraschendes,
wie z.B., dass die bekannten Märchen
„Schneewittchen“, „Aschenputtel“
und „Frau Holle“ ihren Ursprung in
Roma-Erzählungen haben sollen, oder
es wird der Einfluss ihrer Musik auf den
spanischen Flamenco dargestellt. Wie
aus den einst geschätzten ExpertInnen
für Handwerk und Pferdehaltung die
verachteten „ZigeunerInnen“ werden konnten, wird ebenso beleuchtet
wie deren heutige soziale Situation.
Künstlerinnen und Künstler sind auch
akustisch vertreten, wobei Frauen mit
der Sängerin Ezma Redzepova, der
Dichterin Papusza oder der Regisseurin
Laura Halilovic prominent vertreten
sind. Ein eigenes Kapitel ist der Familie
Stojka gewidmet: Ceija Stojka, die als
eine der wenigen ihrer Familie die NSVerfolgungen überlebt hat, brach auch
mit der oralen Tradition ihrer Gemeinschaft und brachte ihre Autobiografie zu
Papier. Ein informativer Streifzug durch
Geschichte und Kultur – aber mehr noch
macht diese herausragende Produktion
bewusst, wie wenig wir über diejenigen
wissen, die zumeist nur in Diskussionen
um Bettelverbote vorkommen.
Die zweite Neuerscheinung handelt
von Italien. Das ist vergleichsweise
kein so unbekanntes Terrain, aber auch
hier beeindruckt, wie Corinna Hesse
auf knapp 80 Minuten die politische
Geschichte umreißt und zentrale
kulturelle Ereignisse exemplarisch
hervorhebt. Musik spielt wieder eine
wichtige Rolle, und zwar nicht nur als
Anreicherung der Beiträge. So sind der
Geige, den Komponisten um 1600 sowie
der italienischen Oper jeweils eigene
Kapitel gewidmet. Mit wenigen, aber
treffenden Worten wird da die musikalische Seele der Szene aus Orfeos
Gang in die Unterwelt geschildert. Aber
auch die aktuelle politische Lage wird
nicht ausgespart. Der passende Titel des
Kapitels zu diesem Thema: „Lust am
Untergang oder Wie man aufersteht –
Italien heute“. l
Links:
www.sarah-hakenberg.de
www.silberfuchs-verlag.de
Juni 2011 an.schläge l 41
an.sehen
Protect Me From What I Want*
Anorexie und Demütigung bis zum
Zusammenbruch – die Reality Soap
„Die Lugners“ hält rücksichtslos
die Kamera drauf.
Von Beate Hausbichler
Foto: Jan Ramroth
Nach der Trennung der Wiener
D-Promis Christine Lugner und
Richard Lugner wurde im ATVQuoten-Bringer „Die Lugners“
eine Rolle frei. Lugner machte
sich mit Castings auf die Suche
nach einer, die sich in der Reality
Soap niedermachen lässt: von einer
Stimme aus dem Off, vom 78-jährigen Ex-Baumeister samt Sippe und
von Society-JournalistInnen. Auch
für die Witze, wie sie selbst in
alkoholgetränkter Bierzelt-Laune
erst zu fortgeschrittener Stunde zu
hören sind, musste ein konkretes
Zielobjekt her. Und es gab Interessentinnen, gar nicht wenige sogar.
Ein feministisches Drama erster
Güte. Keine Frage.
Das Mitgefühl für die bisherigen
Lugner-Begleiterinnen kann sich
in Grenzen halten. Mehr oder
weniger wussten sie dem Greis auf
dumme Sprüche Konter zu geben
oder schlugen zumindest ein wenig
Kapital aus der medialen Aufmerksamkeit. Dieses steht natürlich in
keinem Verhältnis zu den Gewinnen, die ATV und Richard Lugner
mit den unappetitlichen Andeutungen auf die vermeintlichen
42 l an.schläge Juni 2011
sexuellen Aktivitäten zwischen dem
78-Jährigen und einer beträchtlich
jüngeren Frau einfahren.
Früher oder später verabschiedeten
sich die Frauen von den Lugners.
Die 21-jährige Anastasia Sokol
allerdings gibt nun schon seit
Ende 2009 die Lugner-Freundin.
Sie geht mit Lugner auf Reisen,
teilt sich mit ihm ein Zimmer und
muss sich von der Kamera-affinen
Verwandtschaft sowie in schäbigen
„Star“-Magazinen wie der letzte
Dreck behandeln lassen. Für all das
bekommt die junge Frau natürlich
etwas: Schönheits-Operationen
im Gesicht, an der Brust, ein
Ganzkörper-Waxing, dabei muss sie
sich halt ein bisschen zwischen die
Beine filmen lassen – ist doch ein
fairer Tausch! Also selber schuld?
Sicher nicht. Zwar ist es nicht
die beste Idee, sich für so etwas
herzugeben, aber gibt das JournalistInnen, SendungsmacherInnen
oder den „Familienmitgliedern“
das Recht, einen Menschen in jeder
erdenklichen Hinsicht zu demütigen?
Die junge Frau ist mittlerweile
magersüchtig, und ihr fehlt auch
psychisch offenkundig die Kraft,
diesem Umgang mit ihr irgendetwas
entgegenzusetzen. Dennoch scheint
niemand diese Steigerungsstufe im
Sumpf der Reality Soaps wahrzunehmen. Vom „UnterschichtsFernsehen“ distanzieren sich
BildungsbürgerInnen, während den
KonsumentInnen (die bestimmt in
allen sozialen Schichten zu finden sind) eine neue Dramaturgie
geboten wird: Zur Spekulation über
das Verhältnis der jungen Frau zum
alten Mann kommt nun auch noch
die Frage, wie lange es wohl noch
bis zum totalen Zusammenbruch der
Anastasia Sokol dauert.
Ob der schon völlig dem Reality-Taumel erlegene Richard Lugner noch
auf die Reihe bekommt, was vor seiner Nase passiert, ist nicht gewiss.
Ohne Zweifel weiß aber ATV um
die tragische neue Erzählung seines
kalkulierten TV-Produkts, ebenso
wie die JournalistInnen, die gierig
die schlechte Verfassung von Sokol
kommentieren.
Es braucht nicht viel Phantasie, um
sich vorzustellen, wie sich das bei
einer 21-Jährigen verhält, die mit
Medien keine Erfahrung hat, ihre
TV-Beziehungen mit persönlichen
verwechselt und noch dazu an Anorexie leidet. Doch wenn Anastasia
Sokols körperliche wie psychische
Kräfte schwinden, wird weder
Richard Lugner noch ATV dafür die
Verantwortung übernehmen. Der
Sender will die Lugner-Besetzung
schließlich als Familie verstanden wissen und ließ kürzlich zum
Ausstieg des designierten LugnerSchwiegersohns verlauten, dass sich
„ATV in die familiären Angelegenheiten der Familie Lugner nicht
einmischt“.
Wenn es für eine gefährlich wird,
sollte Einmischung aber selbstverständlich sein. Natürlich auch in Familien – und bei einer Reality-Soap
allemal. Es wäre höchste Zeit. l
Beate Hausbichler ist Redakteurin
von diestandard.at und passionierte
feministische TV-Kritikerin.
* Jenny Holzer
an.künden
Redaktionsschluss Termine 07-08/11
07.06.2011 [email protected]
fest
musik
1.6., 21.00, München
Candy Club: Sweets and Beats for
queers and friends, mit Men +
Electrosexual & Ms Sunday Luv
Kranhalle München, 81373 München,
Hansastraße 39, wwwcandyclub.at
10.6., 21.00, Linz
The Su’sis – The Sisters you wanna
Swing with, Konzert mit Live-Übertragung auf Radio Fro 105,0 MHz
Stadtwerkstatt Linz, 4040 Linz/Urfahr,
Kirchengasse 4, www.stwst.at, www.
myspace.com/the.su.sis
11.6., 20.00, Salzburg
„Die Flüchtlinge feiern, wir feier mit“ –
Fest zum internationalen Flüchtlingstag, mit Agidibo, African Drummers
and Singers, Color Line, Fire Dance
Trio, freier Eintritt
ARGEkultur Salzburg, 5020 Salzburg,
Ulrike-Gschwandtner-Straße 5,
0662/ 848 784, www.argekultur.at
15.6–17.7., Wien
Jazz Fest Wien – mit Marianne
Faithful, Cesaria Evora, Betty LaVette,
Lisa Minelli
Verein Jazz Fest Wien, 1080 Wien,
Lammgasse 12/8, T. 01/ 712 42 24,
www.viennajazz.org
18.6., 19.00, Graz
20 Jahre FrauenStadtSpaziergang – Jubiläumsfeier, Stadtspaziergang um 17.00
palaverconnected, 8020 Graz,
Griesgasse 8, www.frauenservice.at
25.6., 20.00, Wien
Julia Malischnig & Band: City of
Dreams, Tickets: € 18
Sargfabrik – Verein für integrative
Lebensgestaltung, 1140 Wien, Goldschlagstraße 169, T. 01/ 988 98 111,
www.sargfabrik.at
film
1.6., 19–24.00, Wien
„Safe european home?“ Filmnacht
zum Thema „Roma-Sein im heutigen
Europa“, Eintritt frei
Architekturzentrum, 1070 Wien,
Museumsplatz 1, T. 01/ 52231 15,
www.azw.at
2.–12.6., Wien
„identities“ – queer film festival, das
lesbischwule Filmfestival in Wien
diverse Veranstaltungsorte, Infos und
Programm unter
www.festival.identities.at
16.–18.6., Innsbruck
Filmfest Rejected „Drei Tage im
Zeichen unerhörten Kinos“
Bäckerei, 6020 Innsbruck, Dreiheiligengasse 21a, Infos und Programm
unter www.filmfest-rejected.com
19.6., 12.15, Wien
„Miral“ (FR/Israel/Italien/Indien
2010) (englische OmU), Regie: Julian
Schnabel, Karten: € 12.50/ 7 (mit/
ohne Frühstück), Reservierung für
Filmfrühstück erbeten!
Votivkino, 1090 Wien,
Währinger Straße 12, T. 01/ 317
53 71,
www.votivkino.at
20.6., 14.00, Wien
Barfuß auf Nacktschnecken (FR
2010), mit Diane Kruger, Ludivine
Sagnier, Fabienne Bertraud u.a.
Gartenbaukino, 1010 Wien, Parkring
12, T. 01/5122 354,
www.gartenbaukino.at
div. Termine, Österreich
„POLL“ (D/Ö/Estland), Regie u. Drehbuch: Chris Kraus, mit Paula Beer,
Edgar Selgee, Tambet Tuisk, Jeanette
Hain, Richy Müller,
www.poll-derfilm.de
div. Termine, Österreich
KABOOM (FR/USA 2010), ein Film
von Andrea Sperling und Gregg Araki,
mit Harley Bennet, Thomas Decker,
James Duval u.a.
bühne
3.–4.6., 20.30, Wien
Doris Uhlich: „Wer bin ich in 30
Jahren, was tanze ich, wie performe
ich, und was denke ich?“
Tanzquartier Wien, Halle G, 1070
Wien, Museumsplatz 1, T. 01/ 581 35
91, www.tqw.at
bis 4.6., 20.30, Wien
„The Puzzled Wife“ (Das Mädchen
aus der verlorenen Form) – Tanzstück,
Gastspiel Teatro Barocco, Text u. Re-
gie: Bernd R. Bienert, TänzerInnen:
Martina Haager, Kira von Zierotin,
Karl Schreiner
KosmosTheater, 1070 Wien, Siebensterngasse 42, T. 01/ 523 12 26,
www.kosmostheater.at
Teilnahmegebühr: € 50, Anmeldung
bis 2.6. an
[email protected]
Adolf-Czettel-Bildungszentrum der
AKH, 1040 Wien, Theresianumgasse
16-18, www.politischebildung.at
9.–11.,15.–18.6., 20.30, Wien
neunmalschön – ein Märchenprojekt
mit Gesang, Tickets: € 16/ erm. 10
KosmosTheater, 1070 Wien, Siebensterngasse 42, T. 01/ 523 12 26,
www.kosmostheater.at
vortrag
diskussion
15.6., 19.30, Wien
Eva D.: „Delikatessen“ Kabarett,
Tickets: € 16
Theater am Spittelberg, 1070 Wien,
Spittelberggasse 10, T. 01/ 526 13 85,
www.theateramspittelberg.at
15.–19.6., 19 u. 21.00, Wien
Moment – Die Rückkehr der Spielmächtigen, Improvisationstheater
Festival, Tickets: € 10/ erm. 8
TAG – Theater an der Gumpendorferstraße, 1060 Wien, Gumpendorferstr.
67, T. 01/586 52 22, www.dastag.at
bis 19.6., Wien
Wiener Festwochen, Musik und
Schauspiel
div. Veranstaltungsorte, Programm
und Infos unter T. 01/ 589 22 22,
www.festwochen.at
1.–2., 7., 11.–12., 15., 17., 24.6., Wien
PUNK ROCK – Österreichische Erstaufführung, von Simon Stephens
Volkstheater Haupthaus, 1070 Wien,
Neustiftgasse 1, T. 01/ 52 1110,
www.volkstheater.at
15.7.–7.8., Gars am Kamp
OpenAir Festspiele Gars 2011, „Carmen“ von Georges Bizet
Burgruine, 3571 Gars am Kamp, am
Schlossberg, Info und Kartenreservierung unter T. 01/319 39 39 ,
www.openair.at
seminar
workshop
7., 21., 28.6., 15–18.00, Wien
Jobwerkstatt – Hilfe und Beratung für
Mädchen u. junge Frauen bis 21 zum
Thema Bewerbung, Aufnahmetest,
Assessment-Center
Sprungbrett, 1150 Wien, Pilgerimgasse 22-24/1/1, T. 01/ 789 45 45
(Mo-Mi 13–17.00, Do 9–19.00)
9. u. 10.6., 9–17.00, Wien
Social Justice – Training, mit Leah
Carola Czollek u. Heike Weinbach,
7.6., 19.00, Wien
„Leben, lachen, lieben, kämpfen“ Die
antimilitaristischen und feministischen
Frauenwiderstandscamps 1983–1993,
Vortrag u. Diskussion mit Christiane
Leidinger
Stichwort – Archiv der Frauen- und
Lesbenbewegung, 1040 Wien, Gusshausstraße 20/ 1A+B, T. 01/ 812 98 86,
www.stichwort.or.at
8.6., 19.00, Wien
Zeitzeuginnengespräch mit Ceija
Stoika: Schriftstellerin, Malerin,
Musikerin, in Kooperation mit GEDENKDIENST
Depot, 1070 Wien, Breite Gasse 3, T.
0699/ 13 53 77 10, www.depot.or.at
15.6., 19.00, Wien
„Nachbarschaften herstellen Feminismen diskutieren“, mit Heide Studer,
Doris Damyanovic u. Gabriele Habinger, in Kooperation mit dem Verband
feministischer Wissenschaftlerinnen
Depot, 1070 Wien, Breite Gasse 3, T.
0699/ 13 53 77 10, www.depot.or.at
15.6., 22.00, Wien
Wer MACHT die KUNST? – Diskussion über das Kunstwerk zwischen
Ästhetik und Aktie, mit Bertran
Conrad-Eybesfeld, Andrea Jungmann,
Christian Meyer, Elisabeth von
Samsonow u.a. Moderation: Thomas
Miessgang, freier Eintritt
Rote Bar, 1070 Wien, Neustiftgasse 1,
T. 01/ 52 1110, www.volkstheater.at
16.6., 18.00, Wien
Frauen in der Wirtschaft. Podiumsdiskussion mit Frauenministerin Gabriele
Heinisch-Hosek, Judith Havasi und
Silvia Hruska-Frank, Moderation:
Alexandra Weiss
Republikanischer Club – Neues Österreich, 1010 Wien, Rockhgasse 1, Cafe
Hebenstreit, www.repclub.at
17.6., Wien
Symposium: Das Exil von Frauen aus
historischer Perspektive und in der
Gegenwart
Institut für Österreichkunde, 1010
Wien, Hanuschgasse 3, Stiege 1/5,
www.univie.ac.at/iwk
jeden ersten Montag im Monat,
19.00, Linz
Frauen-Kultur-Café: „Diskuthek“ –
eine Diplomarbeit aus dem Feministischen Grundstudium (Rosa Mayreder
College) wird vorgestellt,
anschließend Diskussion
Autonomes FRAUENzentrum Linz,
Starhembergstraße 10/ 2. Stock, Ecke
Mozartstraße, T. 0732 602200
ausstellung
2.6–27.11, Venezia
Starie Novostie/ Alte Nachrichten
Biblioteca Zenobiana del Temanza
Centro Studi e Documentatione della
Cultura Armena Corte Zappa, 30123
Venezia, Dorsoduro 1602, 10–18.00,
T. 0039 41 522 422 5
bis 9.6., Wien
„Spring Thing“ – Verkaufsausstellung mit Werken von sechs jungen
KünstlerInnen
Lisabird´s Art Collective, 1010 Wien,
Dorotheergasse 22/12, Mi 11–19.00,
Do 14–24.00 (art club night), Sa u. So
11–19.00
11.6, 13.30, Rostock
Vernissage der Ausstellung im Rahmen
des Lesbenfrühlingtreffens Rostock
18051 Rostock, Uni-Campus, Ulmenstr. 69
www.lesbenfrueling.de/rostock2011
bis 18.6., Wien
ReCoCo: Life under Representational
Regimes
Kunsthalle Exnergasse, WUK, 1090
Wien, Währinger Straße 59, Di–Fr
13–18.00, Sa 11–14.00,
T. 01/ 4012142, www.wuk.at
bis 20.6., Wien
„Sonst weiß ich über die Mauer nicht
viel zu sagen, außer dass sie uns gut
eingeschlossen hat“
Museumsquartier Haupthof, 1070
Wien, Museumsplatz 1, Mo u. Sa
15–19.00, T. 01/ 5235, www.mqw.at
23.6–14.7., Salzburg
„Unendlich frei“ – Theater- u.
Tanzfestival, Eintritt frei
div. Orte, Salzburg, Programm und
Infos unter www.sommerszene.net
bis 10.7., Salzburg
Maja Vukoje
Salzburger Kunstverein/Künstlerhaus,
5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 3,
Di–So: 12–19.00,
www.salzburger-kunstverein.at
bis 10.7., Linz
Friedl vom Gröller: Filme und Foto-
Juni 2011 an.schläge l 43
an.künden
Wien nach Weikendorf,
Infos und Anmeldung unter 02742/
900 516 273
aktivitäten
6.6., 17.6., 27.6., 17.00, Wien
Queer-feministische Vernetzungstreffen zur Vorbereitung der „QueerFem
Vernetzungswoche 2011“, die im Sept.
in St. Pölten stattfinden wird.
Akademie der Bildenden Künste,
1010 Wien, Schillerplatz 3 in der
Dez3ntr4le (ehemaliges ÖH-Büro),
Kontakt: [email protected],
Infos: http://planlos.blogsport.eu/
2011/01/27/“vernetz2@“-queer-feministisches-vernetzungsprojekt/
WM-Quali-Spiel Island–Estland, Foto: Helgi Hall
Gender & kick it …
Seit 1991 erst gibt es die Frauenfußball-WM, am
26.6. ist es wieder so weit – Anpfiff für die WM in
Deutschland. Zahlreiche Events begleiten die Spiele.
Gemeinsam fernsehen, Wetten abschließen und grölen
kann man z.B. im Lesbenverein Intervention in Hamburg. Vorträge, Veranstaltungen und eine Ausstellung
zur Geschichte des Frauenfußballs gibt es z.B. bei
„Gender Kicks 2011“.
28.6., 18.00: USA–Nordkorea, 30.6., 20.45: Deutschland–Nigeria, Intervention e.V., 20357 Hamburg,
Glashüttenstr. 2
ab 26.6., „Gender Kicks“, Heinrich-Böll-Stiftung,
10117 Berlin, Schumannstr. 8, zahlreiche Veranstaltungen, von 4.–28.7. Ausstellung „Verlacht Verboten
Gefeiert“, www.boell.de/genderkicks
Offizielle Website: de.fifa.com/womansworldcup
grafien, Eintritt: € 6.50/ erm. 4.50
Lentos Kunstmuseum, 4020 Linz,
Ernst-Koref-Promenade 1, Di–So
10–18.00, Do 10–21.00, T. 0732/
7070 3600
bis 23.6., Berlin-Neukölln
„Frauen in der internationalen Arbeiterbewegung“ Bilderreihe, Eintritt
frei
Galerie Olga Benario, 12043 BerlinNeukölln, Richardstraße 104,
T. (0049) 680 59 387,
www.galerie-olga-benario.de
bis 24.6., Wien
„Die Welt der Andrea Ochsenhofer“,
Eintritt frei
KosmosTheater, 1070 Wien,
Siebensterngasse 42, tägl. 18–20.30,
T 01/ 523 12 26,
www.kosmostheater.at
bis 30.6., Wien
FESTE.KÄMPFE. 100 Jahre Frauentag. Bild-, Ton- und Filmdokumente
zur wechselvollen Geschichte des
Frauentags
Österreichisches Museum für Volkskunde, 1080 Wien, Laudongasse
15–19, Di–So 10–17.00, Montag
geschlossen außer an Feiertagen,
T. 01/ 406 89 05,
www.volkskundemuseum.at
44 l an.schläge Juni 2011
bis 7.8., Bremen
Zilla Leutenegger: More than this,
Zeichnungen, Objekte, Videoinstallationen werden zu raumgreifenden
Installationen
Weserburg I, Museum für moderne
Kunst, 28199 Bremen, Teerhof 20, Di,
Mi, Fr 10–18.00, Do 10–21.00, Sa u.
So 11–18.00, T. (0049) 421/ 59839
70, www.weserburg.at
bis 15.11., Wien
„MODELLS – das perfekte Profil“,
eine LED Installation von Nicole
Pruckermayer und Elisabeth Schimana an der Außenfassade des Hotels
„Altes Kloster“ und der „Insight
Turm“ erlauben einen Blick hinter die
Systematiken der „Google- Suchmaschinerie“
Kulturfabrik Hainburg, 2410 Hainburg/
Donau, Kulturplatz 1/
Donaulände 33, Insight Turm: 9–18.00,
www.insight-turm.ima.or.at
bis 16.9., 0–24.00, Weikersdorf
Iris Andraschek und Hubert Lobnig:
MY LIFE, MY RULES. Du sollst nicht
rauchen! Du sollst nicht links parken!
– Installation aus Affichen, Malereien,
Zeichnungen
Kunstraum Weikendorf, 2253 Weikendorf, Rathausplatz 1, Shuttlebus von
10.–13.6., Rostock
Lesbenfrühlingstreffen – Workshops,
Podiumsdiskussionen, Kunstausstellung, Musik
18051 Rostock,
div. Veranstaltungsorte, Infos und
Programm unter
www.lesbenfrueling.de/rostock2011
16.–19.6., Wien
Internationale Tagung der ÖDA in
Kooperation mit der arge region
kultur, mit Workshops, Diskussionen,
Lesungen und Musik
Ö.D.A. - Österreichische DialektautorInnen/Archive, 1060 Wien, Gumpendorferstraße 13/15, T. 01/ 586 12 49,
www.oeda.at
21.6., 11–14.00, Wien
„Über Geld spricht man“ – Info und
Aktionen zur Lohnschere
Museumsplatz, 1010 Wien,
www.uebergeldsprichtman.blogspot.com
21.6., 18.00, Wien
Letzter Info-Abend für die CoachingWoche in Finnland für Frauen im
Aufbruch: 31. Juli bis 5. August 2011.
Restaurant Mill, 1060 Wien, Millergasse 32, Anm. zum Infoabend:
[email protected],
Infos: www.diereiter.at
Foto: Esra
Zimmer 28
Auf engstem Raum mussten 12- bis 14-jährige Mädchen 1942 bis 1944 im Zimmer 28 des Mädchenheims
im KZ Theresienstadt ein Dasein in Angst fristen,
die meisten kamen in Vernichtungslager, nur wenige
überlebten. Kuratorin Hannelore Brenner-Wonschick
hat gemeinsam mit zehn Überlebenden des Zimmers
28 Erinnerungen und Dokumente für eine Ausstellung
und ein Buch gesammelt.
Bis 30.6., „Die Mädchen von Zimmer 28, L410, in
Theresienstadt“, Esra, 1020 Wien, Tempelgasse 5,
Mo, Mi, Do 8.30–11.30 u. 15–19.00, Di, Fr 8–14.00,
Eintritt frei, Lichtbildausweis erforderlich.
beratung
3.5., 19 – 21.00, Wien
QUEER*FAMILY – begleitende
Selbsthilfegruppe für lesbische, schwule, bisexuelle Eltern bzw. Familien mit
gleichgeschlechtlichen PartnerInnen
Beratungsstelle COURAGE, 1060
Wien, Windmühlgasse 15/17,
T. 01/ 585 69 66 (Di–Fr 15–20.00),
www.courage-beratung.at
16.6, 19.00, Hamburg
Dialog der Generationen zum Thema
„Coming Out – aber wo?“ Erzählcafé
für Lesben jeden Alters
Lesbenverein Intervention, 20357
Hamburg, Glashüttenstraße 2, T: 040245002, [email protected], www.intervention-hamburg.de
jeden Montag, 17–19.00, Wien
„Treff für junge Lesben und solche, die
es werden wollen“
div. Termine, Wien
Tanzkurse und Tanzabende für Frauen
– Resis.danse, Frauentanzclub
div. Veranstaltungsorte, Infos unter
www.resisdanse.at
diverse Termine, Schweiz
Wen-Do – Selbstverteidigung und
Selbstbehauptung von Frauen, für
Mädchen und Frauen
Infos und aktuelles Kursangebot unter
www.wendo.ch
jeden 2. u. 4. Freitag, 17.00
ARGE Dicke Weiber Treffen – Feministische Initiative dicker Frauen
gegen Gewichtsdiskriminierung und
Schlankheitsterror – für Vielfalt und
positive Selbstbilder,
Infos: argedickweiber.wordpress.com,
[email protected]
FZ-Beisl, 1090 Wien, Währingerstraße 59/ Ecke Prechtlgasse
jeden Do u. Fr, 18–24.00, Wien
Feministische Kneipe, für Frauen, Lesben, Transpersonen, Intersexpersonen
Frauencafé, 1080 Wien, Langegasse 11,
www.frauencafe.at
jeden Donnerstag, ab 18.00, Graz
Offener Abend im „feel free“ der
„RosaLila PantherInnen“
feel free – steirisches Schwulen- und
Lesbenzentrum, 8020 Graz,
Annenstraße 26, T. 0316/ 36 66 01,
www.homo.at
Foto: RiFilme/StadtkinoFilmverleih
Eins, zwei, drei …
Passend zum Start der Frauenfußball-WM Ende Juni
läuft am 10.6. der Doku-Film „Hana, dul, sed ...“ in
den österreichischen Kinos an. Brigitte Weich erzählt
darin die Geschichte von vier jungen Nordkoreanerinnen, die erfolgreich für das nationale Frauenfußballteam spielten – allen ideologischen Anfeindungen
im Ausland zum Trotz. Als sich das Team nicht für die
Olympischen Spiele in Athen qualifizieren konnte, wurden die vier entlassen und schlugen andere Wege ein.
Ab 10.6., „Hana, dul, sed ...“ (A 2009), Regie u.
Drehbuch: Brigitte Weich, www.hanadulsed.com
an.künden
Orange 94.0 MHz, Live Stream:
http://o94.at, wöchentlich
Di, 18–19.00, Wien
Weibertalk – Sendung des Autonomen
FrauenLesbenZentrums Innsbruck
Orange 94.0 MHz, Live Stream:
http://o94.at, jeden 2. Di
Di, 20–21.00, Deutschland
Mrs. Pepsteins Welt – FeminismusAllüren, und Musik, Musik, Musik
Radio Blau 99.2 MHz (Leipzig),
www.mrspepstein.de, alle 4 Wochen
Di, 21–22.00, Wien
female:pressure – Feministisches
Magazin zu Musik- und Clubkultur
Orange 94.0 MHz, Live Stream:
http://o94.at, jeden 2. Di
Antifee 2011
Emanzipatorische Praxen nicht nur theoretisch behandeln, sondern auch aktiv umsetzen und feiern – bereits
zum 5. Mal wird heuer beim Antifee Festival in Göttingen lautstark Gesellschaftskritik geleistet. Workshops,
Vorträge und Diskussionen zu „‚Isamkritik‘ als rassistischer Ersatzdiskurs?!“ oder „Sexismus und Fußball“
erhitzen die Gemüter – auf der Bühne heizen dann
zusätzlich feministische Bands und Künstler_innen, wie
Les Trucs, Scream Club, respect my first u.v.m. ein.
10.6. ab 17.00 u. 11.6 ab 14.00, Campus Uni Göttingen, 37073 Göttingen, www.antifee.de
Rosa Lila Villa, 1060 Wien, Linke
Wienzeile 102, T. 01/ 586 810,
www.villa.at
radio
fixtermine
laufend, an verschiedenen Orten in
Vorarlberg
FEMAIL-Sprechtage, kostenlose u.
vertrauliche Information u. Beratung
zu Themen wie Beihilfen, Karenz,
Wiedereinstieg, Bildung, Gesundheit,
Trennung u. Pension, Sprechtage in
allen Regionen mit Claudia Bernard u.
Sevinç Kapaklı – Termine unter
T. 05522/31002,
www.femail.at
Mo 18–19.00, Wien
Khorschid Khanum – Die persischsprachige Frauensendung
Orange 94.0 MHz, Live Stream:
http://o94.at, jeden 1. Mo
Mo 19–20.00, Oberösterreich
52 Radiominuten – Sendung von FIFTITU%, Vernetzungsstelle für Frauen
in Kunst und Kultur in OÖ
Radio FRO, 105.0 MHz (Linz), Live
Stream: http://fro.at, jeden 4. Mo
laufend, Berlin
kostenlose Rechtsinformation, psychosoziale Beratung, Arbeitslosenberatung und mehr
FRIEDA Frauenzentrum e.V., 10247
Berlin, Proskauer Str. 7 (Vorderhaus),
T. (0049) 030/422 42 76,
www.frieda-frauenzentrum.de
Mo 18–19.00, Kärnten
Frauenstimmen – Glas zena
Radio Agora 105.5 MHz (Dobrac),
Live Stream:
www.agora.at, wöchentlich
Di, 13–14.00, Wien
Globale Dialoge – Women on Air
Mi 18–18.30, Salzburg
Frauenzimmer – Plattform für eine
frauenspezifische Information
Radiofabrik 107.5 MHz (Salzburg
Stadt), Live Stream:
www.radiofabrik.at, wöchentlich
Mi 18–19.00, Wien
Bauch, Bein, Po – Die Sendung für die
ganze Frau
Orange 94.0 MHz, Live Stream:
http://o94.at, jeden 2. Mi
Do 18–19.00, Wien
Transgender Radio
Orange 94.0 MHz (in Kooperation
Radio ALEX, Berlin), Live Stream:
http://o94.at, jeden 1. und 3. Do
Fr 18–19.00, Wien
Radio UFF – Sendung des Unabhängigen FrauenForums
Orange 94.0 MHz, Live Stream:
http://o94.at, jeden 1. Fr
Fr 19–20.00, Oberösterreich
SPACEfemFM Frauenradio
Radio FRO 105.0 MHz (Linz), Live
Stream: http://fro.at, jeden 1., 3. u. 4. Fr
Sa 12–13.00, Deutschland
Rainbow City – Radio für Lesben und
Schwule
97.2 MHz (Berlin), Live Stream:
www.radiorainbowcity.de, wöchentlich
get the partys started
Im Juni wird im WUK ordentlich gefeiert – und zwar
feministisch und queer. Die Clubs Homoriental und
H.A.P.P.Y bereiten der Regenbogenparade am 16.5.
einen gebührenden Abschluss. Nur sechs Tage später
geht’s weiter mit „5 Jahre inter-culture-club“ – Konzert und Party von und für die Initiative Minderheiten.
Live geben Stefanie Sourial, Ms.Bouron, Bulut und
Crazy Bitch in a Cave den Ton an. Später legen Ina
Freudenschuß und Yasmine auf.
18.6. ab 21.00: homoriental.wordpress.com, 22.6.
ab 20.30: www.initiative.minderheiten.at, WUK –
Werkstätten- und Kulturhaus, 1090 Wien, Währinger
Straße 59, T. 01/ 40 121 42
So, 19–20.00, Tirol
Weibertalk – Sendung des Autonomen
FrauenLesbenZentrums Innsbruck
FREIRAD 105.9 MHz (Innsbruck),
Live Stream: www.freirad.at, jeden
1. So
Sa 19–20.00, Steiermark
Bertas Bücherstunde – Das feministische Literaturmagazin
Radio Helsinki 92.6 MHz (Graz), Live
Stream: www.helsinki.at, jeden 4. Sa
So 17–18.00, Steiermark
Genderfrequenz – Sozialpolitisch,
feministisch, unbeugsam
Radio Helsinki, 92.6 MHz (Graz), Live
Stream: www.helsinki.at, jeden 2. So
Frauenbild
Der ausschließlich Künstlerinnen vorbehaltene Kaiserswerther
Kunstpreis 2011 geht an die österreichische Malerin und Lyrikerin
Barbara Rapp. Ihre Ausstellung „Frauenbild zu entsorgen“ umfasst
Miniaturwandobjekte genauso wie großformatige Bilder, die das
Frauenbild in Medien und Öffentlichkeit verhandeln. Collagenartige
Werke zeigen provokant und grotesk den aktuellen Schönheitswahn.
Foto: © Barbara Rapp
4.6., ab 19.30 Preisverleihung, 5.6., 12–18.00 Ausstellung, „Gesellschaft Freunde der Künste“ S-thetic Clinic, 40489 Düsseldorf, Kaiserswerther Markt 25-27, www.barbara-rapp.com
Juni 2011 an.schläge l 45
Vorschau auf die Juli/August-Ausgabe:
In den Ring steigen
zappho des monats
Alle reden über Frauenfußball. Wir über Frauenboxen.
an.schläge gibt’s in folgenden Buchhandlungen:
Fachbuchhandlung ÖGB
1010
Kuppitsch
1010
Morawa 1010
Winter
1010
Frick International
1010
tiempo
1010
Facultas
1010
Lhotzkys Literaturbuffet 1020
Südwind
1070
Tabak Trafik Brosenbauch 1070
Riedl
1080
Löwenherz
1090
Südwind
1090
Infoladen Infomaden
1110
Infoladen Treibsand
4040
Kulturverein Waschaecht 4600
Rupertusbuchhandlung
5020
Wagnersche Buchhdlg.
6020
Amazone-Zentrum
6900
Berta – Bücher & Produkte 8020
KiG! Kultur_in_Graz
8020
Hacek-Bücherei
9020
an.schlägetv
auf O
TO
webstrK
www.okeam:
to.tv
Rathausstr. 21
Schottengasse 4
Wollzeile 11
Rathausstr. 18
Schulerstr. 1-3
Johannesgasse 16
Universitätsstr. 7
Taborstraße 28
Mariahilferstr. 8
Kaiserstr. 96
Alser Str. 39
Berggasse 8
Schwarzspanierstr. 15
Wielandgasse 2-4
Rudolfstr. 17
Dragonenstr. 22
Dreifaltigkeitsgasse 12
Museumstr. 4
Brockmanngasse 15
Siebenundvierzigerg.27
Feuerbachgasse 25
Paulitschgasse 5/7
und auch in vielen Städten in Deutschland.
Vollständige Liste der Verkaufsstellen auf:
an.schläge-Abopreise:
Schnupperabo (3 Hefte): 10/12* Euro
Jahresabo (10 Hefte): 35/ermäßigt 29/45* Euro
Unterstützungsabo (10 Hefte): 43/53* Euro
* Gültig für Europa, weitere Auslandspreise auf Anfrage.
Weitere Infos unter [email protected] oder auf
www.anschlaege.at.
www.anschlaege.at
www.myspace.com/an.schlaege
www.facebook.com/anschlaege
FRAUENHOTEL
artemisia
BERLIN
Zimmer zum Wohlfühlen in Citylage. Ab 39,- Euro.
Brandenburgische Str. 18, 10707 Berlin, T 0049 -30 8738905
[email protected],
46 l an.schläge Juni 2011
www.frauenhotel-berlin.de
Eine Stadt, die Lernen und Freizeit verbindet.
Wien ist voll dabei.
05.
21.
2011
mai
august
Frauen im KreuzFeuer.
Jenny Matthews
verlängert bis 21. aug. 11
Platz 501, 6952 Hittisau T +43 (0) 5513 6209-30
[email protected] www.frauenmuseum.at
frauenmuseum
hittisau
Alle kampfbereit –
außer Deutschland
Gaddafi: Wir schießen
Urlaubsflieger ab
Libyen:
Freude über
Luftangriff
Betrug srekor d:
Deutsche AKW:
die sichersten
auf der Welt
Nach den Landtagswa
hlen:
Deutschland strahlt
grün
SO WIRD
BEI HARTZ IV
ABG EZOC KT!
a:
Speerwerferin in Kub
dgranate
Training mit der Han
Israel: Einzige Demokratie im Nahen Osten
en
hwer im Komm
Linke Gewalt sc
Sarrazin-Debatte:
Deutsche arbeiten
demografisch
an ihrem
Verschwinden
Wenn die Umgebung passt, dann macht Lernen richtig Spaß. Mit Beginn
des Schuljahres 2014/15 wird am Hauptbahnhof ein Bildungscampus für
0- bis 14-Jährige auf 20.000 m² für 1.100 Kinder aus Kindergartengruppen,
einer Ganztagsvolksschule und einer Ganztagshauptschule eröffnet. Sie
werden alle Infrastruktur- und Freizeitangebote gemeinsam nutzen. Mehr
Infos unter: www.bildungscampus.wien.at
2011
m.at
espressofil
rollen.wechsel
ju n g e W e lt
Jetzt am
Kiosk.
Die Tageszeitung
G e g r ü n d e t 19 47 · Fre
itag, 18. März 2011
· N r . 65 · 1 , 3 0 E u ro ·
PV S t A 110 02 · E n t ge
l t b e za h l t
Neuer Tarif
Etappensieg für die GDL:
Lokführer
schließen Rahmenvertrag
im privaten Schienengüterverke
hr
2
Gewagte Theorie
Israelische Piraterie: Keine
glaubwürdigen Indizien für iranischen
Waffenschmuggel in den Gazastrei
fen
6
Freiheit für Bradley Mann
Angebliche Datenweitergabe
an Wiki­
leaks: Einem Nachrichte
nanalysten
der US­Armee wird der
Prozeß ge­
macht, weil er Kriegsverbr
echen ent­
hüllt hat. Schwerpunkt zum
Tag der
politischen Gefangenen
Seite 3
Vorsichtige Pause
China will Atomstromproduk
tion massiv ausbauen. Mit Blick auf
Japan
Zulassung neuer Meiler
ausgesetzt
9
ing
www.jungewelt.de
Revolutionärer Akt
Von preußischen Truppen
belagert: Vor
140 Jahren rief die Bevölkeru
ng
von Paris die Kommune
aus
10
Merkels AKW sind »sicher«
Japan: Situation
verschärft sich
Leerformeln und schöne
Worte – ein parlamentaris
cher Offenbarungseid der
Nordrhein-Westfalen will
Kanzlerin.
heute den Bundesrat einsch
alten. Von Peter Wolter
P
lattheiten, Allgemein
plätze
und immer wieder: »Unsere
Kernkraftwerke sind sicher«
–
viel mehr als Leerforme
ln und einen
Schwall schöner Worte hatte
Bundeskanzlerin Angela Merkel
(CDU) am
gestrigen Donnerstag im
Bundestag
in ihrer Regierungserklärung
zur
Atompolitik nicht anzubieten
. Trotz
des Nachbohrens der Opposition
vermochte sie den Widerspru
ch nicht zu
klären, warum dann acht
dieser »weltweit sichersten« Kraftwerk
e vorläufig
abgeschaltet werden sollen.
Keine Rede davon, die Laufzeitve
rlängerung
für Atomkraftwerke zurückzun
ehmen, keine Rede davon,
die in den
70er Jahren konzipierten
Atommeiler
für alle Zeiten stillzulege
n. Ein derart
argumentationsfreier Auftritt
ist wohl
nur damit zu erklären, der
besorgten
Öffentlichkeit mit Blick
auf die bevorstehenden Landtagsw
ahlen einen
Kurswechsel vorzugaukeln.
Der SPD-Vorsitzende
Sigmar
Gabriel warf Merkel in
der Debatte Zwei Drittel
aller Deutschen halten Merkels
vor, noch zur Zeit der schwarz-ro
Schwenk in der Atompolit
ten
ik für ein Wahlkampfmanöver
Regierungskoalition den
Weiterbe- aktor-Katastrophe
trieb der ältesten Kraftwerk
in der japanischen Entscheidu
e erzwun- Stadt Fukushima
ngen geben.«
gen zu haben. Sie habe
»nicht länger verantTagesspiegel schon am heutigen
sich damals, wortbar«,
Nicht nur von den Oppositio
Freisagte der Fraktionschef
als er selbst Bundesum
ns- tag Nägel mit Köpfen
der bänken im Bundestag
weltminist
machen und in
aus, sondern den Bundesrat
gewesen sei, für den Weiterbetr er Grünen, Jürgen Trittin. Sein Kollege auch
einen Entschließungsvon namhaften Staatsrech
ieb von der Linksparte
tlern antrag einbringen
von Biblis A und Neckarwes
i, Gregor Gysi, for- wurde
, der zur Rücknahme
kritisiert, daß die Bundesreg
theim I derte: »Der 11.
März 2011 muß das rung
eingesetzt. »Sie haben
ie- der Laufzeitverlängerung
mich schrift- Ende des
nicht
führen soll.
das
Recht
habe,
nuklearen Zeitalters eingedas vom Da weder die
lich dazu aufgefordert, die
Parteien der Berliner
Parlament beschlossene
Laufzeiten leitete haben.«
Gesetz zur Regierung
dieser beiden Atomkraft
skoalition noch
Laufzeitverlängerung einfach
werke zu verUnterstützung erhielt Merkel
außer position eine Mehrheit die der Oplängern!« Und im vergangen
aus0 30/53
www.jungewelt.de/abo/3wochenabo.php
63 55-50
Kraft zu setzen.
en Herbst den Reihen • Abotelefon:
in der LänderDer frühere Präsident
der Regierungskoalition.
habe Merkel dann die
kammer haben, dürfte es
des Bundesverfassungsge
Laufzeitver- »Die Unionsfrak
wohl beim
richts Hans- Austausch
längerung mit den Energieko
tion steht geschlos- Jürgen
von Argumenten bleiben.
nzernen sen hinter dem,
Papier bezeichnete diese
Ent- NRW, so kündigte
ausgehandelt: »Sie persönlich
was die Kanzlerin scheidung
Landesumweltmihaben vorgetragen hat«,
am Donnerstag als nicht
Sicherheit gegen Geld
versicherte deren verfassung
nister Johannes Remmel
getauscht«, Vorsitzend
(Grüne) laut
skonform.
er Volker Kauder. Und
sagte Gabriel. »Ohne
Tagesspiegel an, werde
Ihre Kumpa- seine Kollegin
SPD-Chef Gabriel forderte
dann einen
von der FDP, Brigitte
eine formellen Gesetzentw
nei mit der Atomwirtschaft
Entscheidung durch den
wären sie Homburger,
urf einbringen.
Bundestag. Ziel sei der
versprach: »Mit uns wird
längst vom Netz.«
endgültige Ausstieg aus
Die von SPD und Grünen
es keinen Sicherheitsrabatt,
gestellte der Atomkraft
Das Restrisiko sei nach
aber auch Landesregierung
.
der Re- kein hektisches
Nordrhein-WestfaÜberbordwerfen aller
lens will nach Angaben
des Berliner u Siehe Seiten
7 und 8
Name
Bitte schicken Sie mir oder folgender Person
die Tageszeitung junge Welt für drei Wochen
kostenlos. Das Testabo endet automatisch.
Straße/Nr.
Ja, ich bin damit einverstanden, daß Sie mich zwecks einer
Leserbefragung zur Qualität der Zeitung, der Zustellung und
zur Fortführung des Abonnements telefonisch kontaktieren.
(jW garantiert, daß die Daten ausschließlich zur Kundenbetreuung genutzt werden.)
Frau
Herr
Vorname
PLZ/Ort
Telefon
E-Mail
Datum
Unterschrift
Die Belieferung soll ab Montag, den
beginnen.
Coupon einsenden an: Verlag 8. Mai GmbH, Torstraße 6, 10119 Berlin, oder faxen an die 0 30/53 63 55-44
AP
... oder gleich hier im Probeabo
TOBIAS SCHWARZ
/ REUTERS
.
bis 26
t
s
u
Aug
Streit um
»Stuttgart 21«
gefährdet
Zukunftsfähigkeit
Deutschlands
Tokio/Berlin. Mit allen Mitteln
kämpft das japanische Militär
gegen Kernschmelzen im
Katastrophen-AKW Fukushima
. Mit
Wasserabwürfen aus der
Luft und
Spritzkanonen am Boden
versuchen die Soldaten, den havarierten
Reaktor 3 zu kühlen. Ob
das große
Atom-Desaster noch verhindert
werden kann, entscheide
t sich
nach Einschätzung der deutschen
Gesellschaft für Strahlensc
hutz
vermutlich bis Samstag:
Wenn
die Kühlversuche an Block
4 des
havarierten Atomkraftwerks
scheiterten, komme es zur Katastroph
e.
Hier liegen die Kernbrenn
stäbe außerhalb der stählernen Schutzhüll
e
offen in einem Abklingbe
cken.
Die Situation der Flüchtling
e in
Japan verschärft sich derweil.
Vor
allem im Nordosten kämpfen
die
Menschen gegen bittere
Kälte.
Benzin und Nahrungsmittel
werden immer knapper. Die
Zahl der
offiziell registrierten Todesopfe
r
stieg auf knapp 6 000.
(dpa/jW)
u Siehe Seite 7
an.schläge
Charité: ver.di will
Druck erhöhen
Berlin. Bei den Tarifverha
ndlungen
in der Berliner Charité ist
es am
Donnerstag nicht zu einer
Einigung gekommen. Nach Angaben
der Gewerkschaft ver.di
hat das
Management des Unikliniku
ms
kein akzeptables Angebot
vorgelegt. Am Dienstag waren
2 000
Beschäftigte in einen ganztägige
n
Warnstreik getreten. Die
Bezahlung der Mitarbeiter liege
derzeit
14 Prozent
€ 3,80 (Ö) € 4,80 (D) sfr 9,00
s
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