Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie"
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Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie"
Bericht des Expertenbeirates Tourismusstrategie Österreich Tourismus auf dem Weg in die Zukunft Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft 1010 Wien │ Stubenring 1 │ www.bmwfw.gv.at www.bmwfw.gv.at Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Österreich Tourismus auf dem Weg in die Zukunft Martin Lohmann Harald Pechlaner Egon Smeral (Koordination) Karl Wöber Wien, Mai 2015 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Inhalt 1 Einleitung 1 2 Zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten im internationalen und österreichischen Tourismus bis 2020 5 2.1 2.1.1 2.1.2 2.2 2.2.1 2.2.2 3 4 5 Makroökonomische Rahmenbedingungen 5 Die kurzfristige Dimension Die mittelfristige Dimension 5 7 Die touristische Situation in Österreich 11 Die nationale Entwicklung Internationaler Vergleich 11 18 2.3 Mögliche Wachstumspfade für den österreichischen Tourismus 21 2.4 Zusammenfassung, Schlussfolgerungen und Maßnahmen 24 Destinationen auf dem Vormarsch 30 3.1 Einleitung 30 3.2 Hauptentwicklungstendenzen der letzten Jahre 30 3.3 Wohin geht der Weg? 35 3.4 Fazit 37 Informationstechnologische Werkzeuge im Tourismus – Messung von Angebot und Nachfrage 39 4.1 Informationstechnologische Entwicklung des Tourismus im Zeitraum 2010-2014 39 4.2 Das Informations- und Buchungsverhalten von Reisenden im Zeitalter elektronischer Medien 40 4.3 Bedeutung und Entwicklung der Vertriebskanäle 42 4.4 Die Macht der Online Travel Agencies (OTAs) 44 4.5 Ökonomische Betrachtung des elektronischen Distributionssektors 47 4.6 Handlungsempfehlungen 49 Trends in der deutschen Tourismusnachfrage für Österreich 5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.2.5 Bisherige Entwicklungstendenzen der Tourismusnachfrage für Österreich am deutschen Markt Die aktuelle Situation der Nachfrage für Österreich in Deutschland Trends im Segment Urlaubsreisen Trends im Segment Kurzurlaubsreisen Nachfragestruktur (soziodemografisch/psychografisch) Zukünftige Entwicklungstendenzen der Tourismusnachfrage am deutschen Markt Allgemeine Entwicklung der Determinanten der touristischen Nachfrage Präferenzen der Nachfrage im Hinblick auf Urlaub in Österreich (Interessentenpotential für Österreich) Trends Urlaubsreisen Zukunft Kurzurlaubsreisen Zukunft Nachfragestruktur (soziodemografisch/psychografisch) I 51 51 51 52 60 62 64 65 67 69 70 71 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" 5.3 Fazit 72 Literatur 75 Mitglieder des Expertenbeirates 79 Anhang: Prognosemodell 83 Abbildungen Abbildung 1: Entwicklung der internationalen Touristenankünfte weltweit und in Europa Abbildung 2: Realer Aufwand je Übernachtung, 2000-2014 7 14 Abbildung 3: Entwicklung der Aufenthaltsdauer von in- und ausländischen Gästen in Österreich 15 Abbildung 4: Österreichs Einnahmenmarktanteil am internationalen europäischen Tourismus 20 Abbildung 5: Entwicklung des realen Export-Marktanteils Österreichs in der EU-15 (1990-2020) 22 Abbildung 6: Förderung der Vernetzungsqualität 33 Abbildung 7: Trends bei den Urlaubsreisearten 58 Abbildung 8: Ziele von Kurzurlaubsreisen 2014 im In- und Ausland (Marktanteile in %) 61 Abbildung 9: Altersstruktur bei Urlaubsreisen nach Österreich, 2005 und 2014 62 Abbildung 10: Potentialentwicklung für Winterurlaub im Schnee, 2001-2015 69 Übersichten Übersicht 1: Wirtschaftswachstum nach Ländergruppen Übersicht 2: Übernachtungen und Umsätze im österreichischen Tourismus, 2000-2014 13 Übersicht 3: Übernachtungen in Österreich nach Entfernung der Herkunftsmärkte, 2005-2014 16 Übersicht 4: Nächtigungsentwicklung in den österreichischen Bundesländern, 2000-2014 17 Übersicht 5: Nächtigungsentwicklung in Österreichs Landeshauptstädten, 2000-2014 18 Übersicht 6: Nominelle Tourismusexporte – Marktanteil an der EU-28 19 Übersicht 7: Entwicklung des österreichischen Einnahmenmarktanteils im internationalen europäischen Tourismus nach Quartalen, 2000-2014 21 Marktanteile der Vertriebskanäle in Europa 2013 in % der Nächtigungen in 25 verschiedenen Ländern 43 Wie nehmen Hoteliers in der Schweiz die Online-Buchungsplattformen wahr? 46 Übersicht 8: Übersicht 9: II 8 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Übersicht 10: Wirtschaftliche Bedeutung der elektronischen Distributionssysteme in Österreich 48 Übersicht 11: Urlaubsreisen und Kurzurlaubsreisen: Nachfragevolumen Österreich (Ankünfte) aus Deutschland (2014) 52 Übersicht 12: Eckzahlen der Urlaubsreisen-Nachfrage 2008-2014 53 Übersicht 13: Urlaubsreisen der Deutschen nach Österreich (1985-2014) 53 Übersicht 14: Stellenwert der Urlaubsreisen der Deutschen nach Österreich (2004 und 2014) 54 Übersicht 15: Ausgaben für Urlaubsreisen nach Österreich (2004 bis 2014) 55 Übersicht 16: Ziele von Urlaubsreisen im Sommer und Winter 56 Übersicht 17: Urlaubsreisen der Deutschen nach Österreich im Winter und Sommer 57 Übersicht 18: Dauer von Urlaubsreisen nach Österreich (2010 und 2014) 57 Übersicht 19: Ziele nach Urlaubsreisearten 59 Übersicht 20: Urlaubsreisearten in Österreich 59 Übersicht 21: Marktdimensionen Kurzurlaubsreisen aus Deutschland 60 Übersicht 22: Trendabschätzung – Urlaubsreisevolumen 2025 66 Übersicht 23: Kurzurlaubsreisen, Projektion bis 2025 67 III Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" 1 Einleitung1) Die weltwirtschaftlichen Turbulenzen gemeinsam mit den herrschenden wirtschafts- und geldpolitischen Instabilitäten im internationalen Umfeld, der Klimawandel sowie die massiven Strukturveränderungen im Konsumverhalten stellen für den österreichischen Tourismus immer größer werdende Herausforderungen dar. Die Verlangsamung des mittelfristigen Wirtschaftswachstums, die hohe Arbeitslosigkeit sowie die zunehmenden wirtschaftlichen Unsicherheiten generieren Zukunftsängste und verschlechtern zusätzlich die Rahmenbedingungen für befriedigende touristische Wachstumsraten. Ein weiteres Hindernis für die Realisierung von stärkerem Wachstum im österreichischen Tourismus stellt die Kapitalknappheit sowie die Eigenkapitalschwäche der Betriebe dar, wodurch Investitionen zur Festigung der Wettbewerbsposition erschwert werden. Obwohl sich in Europa eine leichte Besserung der gesamtwirtschaftlichen Situation abzeichnet, ist die Lage als labil einzuschätzen, wobei die Gefahren, wieder in eine Rezession zu schlittern, nicht unerheblich sind. Die wirtschaftliche Entwicklung im Jahr 2014 blieb verhalten (um +1,0%), auch in den Jahren 2015 und 2016 wird sich das Wirtschaftswachstum nicht spürbar beschleunigen. Obwohl der Entschuldungsprozess anhält, belastet die noch immer hohe Verschuldung der privaten Haushalte die Konjunkturentwicklung erheblich. Trotz günstiger Finanzierungsbedingungen kommen die Investitionen nicht in Schwung, da die Unternehmen keine nachhaltigen Nachfrageperspektiven wahrnehmen können. Eine weitere Abnahme der Inflationserwartungen und/oder ein Nachlassen des Investitionsvertrauens kann im Euro-Raum eine Rezession mit Deflation auslösen. Für den Euro-Raum ist es nicht ausgeschlossen, dass die abwärts gerichteten Kräfte durch den Reformstau sowie durch eine eventuelle Euro-Vertrauenskrise ("Grexit") an Gewicht gewinnen und erneut einen Abschwung auslösen könnten. Das Konjunkturbild für Kontinentaleuropa ist äußerst kritisch zu beurteilen, zumal sich die Wirtschaftsleistung im Zeitraum 2008/2014 nur im Kriechtempo entwickelt hatte; es fehlt die Zuversicht, die Schwung für die Zukunft erbringen könnte (OECD, 2014; EC, 2015). Der in letzter Zeit aufkommende Optimismus in Bezug auf die konjunkturelle Entwicklung im EuroRaum ist zum Teil auch institutionell getragen, zumal die EZB für die geplante expansive Geldpolitik ("Quantitative Easing") auch verbale Unterstützung benötigt. Im Rahmen des Programms sollen Staatsanleihen im Wert von etwas über 1 Bio. Euro angekauft werden. Damit verspricht man sich eine Ankurbelung der Investitionstätigkeit und eine Verhinderung der Deflation. Experten sind jedoch der Ansicht, dass diese Geldschwemme eher zu Bilanzverkürzungen führen und auch weitgehend wirkungslos sein dürfte, da dieses geldpolitische Manöver an keine Investitionsprogramme gebunden ist. Der durch die expansive Geldpolitik der EZB ausgelöste Anstieg der Aktienkurse dürfte eher 1) An dieser Stelle richten wir für die wertvolle Unterstützung bei der Textbearbeitung und der Tabellenerstellung ein herzliches Dankeschön an Frau Mag. Susanne Markytan. 1 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Spekulationen auslösen, wobei stark negativ wirkende Rückwirkungen nicht ausgeschlossen werden können. Der österreichische Tourismus ist mit einem starken Strukturwandel konfrontiert: In diesem Zusammenhang müssen die Entwicklungsdiskrepanzen zwischen Städten und tourismusintensiven ländlichen Gebieten betont werden, wobei der Wachstumsvorsprung der städtischen Gebiete – bedingt durch ihre Vorteile im Angebotsbereich, in der Infrastruktur, der leichteren Erreichbarkeit und der wachsenden Urbanisierung – immer ausgeprägter wird. Weiters veränderten sich die saisonalen Wettbewerbsvorteile. So zeigen Analysen deutlich, dass eines der Flaggschiffe des österreichischen Tourismus – die Wintersaison – trotz der weiterhin hohen Spezialisierung in der Bedeutung abnimmt, wogegen Sommer und Frühjahr Erholungstendenzen verzeichnen können. Das Nachlassen im Wintersportbereich kann zum Teil auf das Demografieproblem (steigender Anteil älterer Bevölkerungsgruppen), den Klimawandel (kürzere Winter, Schneemangel) und das stagnierende Interesse jüngerer Personen am Wintersport bzw. die zunehmende Vielfalt an anderen Aktivitätsmöglichkeiten zurückgeführt werden. Es muss auch bereits wiederholt hervorgehoben werden, dass sich die Tourismusangebote – vor allem der tourismusintensiven ländlichen Regionen – an Kundenschichten mit nur geringer Nachfragedynamik richten und auf den relevanten Märkten eine hohe Preiskonkurrenz vorherrscht. Auch stellt sich weiters die Frage, ob man die gegebenen Wachstumsmöglichkeiten aufgreifen und ein "ReEngineering" des Angebots durchführen will. Dabei geht es um die Schaffung "postmoderner" Strukturen in Form von durch den Konsumenten beliebig kombinierbaren Erlebniskomponenten mit hohem Erinnerungswert. Diese Angebotsformen haben einen hohen Differenzierungsgrad und tragen damit zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit bei. Der Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftszweig der österreichischen Volkswirtschaft. Die Tourismuswirtschaft erzielte im Jahr 2014 direkte und indirekte Wertschöpfungseffekte in der Höhe von 25,4 Mrd. Euro, das entspricht einem BIP-Anteil von etwa 7¾%. Die hohe Wertschöpfungskraft macht die österreichische Tourismuswirtschaft nicht nur zu einem maßgeblichen Beschäftigungsgenerator, sondern begünstigt auch als "Querschnittsmaterie" viele Berufszweige und jüngere Personen in ländlichen Gebieten mit Standortnachteilen. Gegenwärtig beschäftigt der Tourismus nach Einrechnung der direkten und indirekten Effekte rund knapp 350.000 Personen (Basis: Vollzeitäquivalente – VZÄ), das sind etwa 9½% der Gesamtbeschäftigung in Österreich (Erwerbstätige in VZÄ). Aufgrund der hohen Bedeutung der Tourismuswirtschaft in Österreich und der Notwendigkeit zur Setzung von Maßnahmen zur Optimierung der touristischen Entwicklung hat der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft 2010 einen Expertenbeirat "Tourismusstrategie" ins Leben gerufen. Hauptaufgaben des Expertenbeirats sind die Aufbereitung tourismuspolitisch relevanter Entscheidungsgrundlagen im Rahmen eines Berichts bzw. touristische Probleme, Entwicklungstrends, Wachstumschancen und Herausforderung aufzuzeigen sowie entsprechende Maßnahmen vorzuschlagen. Diesem Beirat gehören Wissenschaftler bzw. Tourismusexperten aus Deutschland (1), 2 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Italien (1) und Österreich (2) an (zu den einzelnen Personen siehe den Abschnitt "Mitglieder des Expertenbeirats"). Der vorliegende 5. Bericht des Expertenbeirats konzentriert sich in erster Linie auf die potentiellen touristischen Entwicklungsmöglichkeiten auf Basis der gegenwärtigen strukturellen Gegebenheiten und der bevorstehenden Veränderungen der Rahmenbedingungen. Auf Wunsch der tourismusstrategischen Steuerungsgruppe werden in Sonderkapiteln die Perspektiven von Destinationen und Organisationen, IT-Entwicklungstrends sowie die Trends in der deutschen Tourismusnachfrage für Österreich analysiert. Der vorliegende Bericht des Expertenbeirats wurde am 12. Mai 2015 abgeschlossen. 3 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" 2 2.1 Zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten im internationalen und österreichischen Tourismus bis 2020 Makroökonomische Rahmenbedingungen 2.1.1 Die kurzfristige Dimension Die Weltwirtschaft ist seit Mitte 2014 auf einem mäßigen Expansionskurs, wobei das Wachstum durch eine Abschwächung des Welthandels im I. Quartal 2015 gedämpft wurde (Schiman, 2015b). Wegen der Energieverbilligung ist die Inflationsrate in vielen Industrieländern rückläufig. Im EuroRaum gaben die kurzfristigen Geldmarktzinssätze weiter nach und befanden sich zeitweilig auf einem neuen Tiefststand. Die langfristigen Zinssätze erreichten ebenfalls einen neuen Tiefstwert und spiegelten damit das schwache Wachstum und die drohende Deflationsgefahr sowie die Erwartungen bezüglich des Ankaufs von Staatsanleihen durch die EZB wider (Glocker, 2015). Die Aktienkurse im Euro-Raum zogen weiter an. Der Euro wertete sowohl nominell-effektiv als auch bilateral gegenüber dem Dollar erneut ab. Das reale Bruttoinlandsprodukt der USA nahm in der zweiten Jahreshälfte 2014 weiterhin zu, im Jahresdurchschnitt 2014 wurde ein Wachstum von 2,4% erzielt. Der Aufschwung in den USA wurde jedoch zu Jahresbeginn 2015 durch die kräftige Dollar-Aufwertung gebremst. Die Zunahme des privaten Konsums und der Investitionen schwächten sich ab. Der Rohölpreisverfall drückte die Inflationsrate in den USA erstmals seit der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise unter 0%. Realeinkommenseffekte und die weitere Besserung der Arbeitsmarktsituation sprechen für eine weitere rasche Steigerung des privaten Konsums. Die japanische Wirtschaft kehrte nach dem durch die Mehrwertsteueranhebung ausgelösten Rückgang im ll. und lll. Quartal 2014 auf einen mäßigen Expansionskurs zurück. In den großen Schwellenländern waren die Grundtendenzen zum Jahresende weiterhin recht unterschiedlich: Während die Expansion in China und Indien – gemessen an früheren Raten – weiterhin gedämpft war, ist diese in Brasilien kraftlos geblieben; Russland steuert in eine Rezession (Glocker, 2015). Die Konjunktur hatte im Euro-Raum im IV. Quartal 2014 etwas mehr Schwung als in den Quartalen davor: Das stärkste Wachstum verzeichneten unter den großen Volkswirtschaften Deutschland und Spanien, hingegen stieg die Wirtschaftsleistung in Frankreich nur geringfügig. In Italien stagnierte das reale BIP nach einem seit Ende 2011 anhaltenden Rückgang. Griechenland verzeichnete erstmals seit drei Quartalen wieder ein deutliches Minus; die Konjunkturschwäche könnte laut vorlaufenden Indikatoren auch noch 2015 anhalten. Zu Beginn 2015 ist das Stimmungsbild in der EU getrübt: Die restriktive Fiskalpolitik dämpft die Binnennachfrage. Die äußert sich auch in der Entwicklung der Kerninflation, die eine Abwärtstendenz zeigt (Schiman, 2015b); eine breite Erholung der Industrieproduktion zeigte sich in den letzten 5 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Monaten nur in Osteuropa. Insgesamt signalisieren die Stimmungsindikatoren für die EU und auch den Euro-Raum eine Fortsetzung der mäßigen Expansion an. Die von der Europäischen Kommission ermittelten Vertrauensindikatoren zeigen eine geringe Aufhellung des Wirtschaftsklimas im EuroRaum an, wobei die positive Entwicklung hauptsächlich von den Unternehmen getragen wurde, wogegen sich der Vertrauensindex der privaten Haushalte verhalten entwickelte. Die Zahl der Arbeitslosen war zu Jahresbeginn 2015 niedriger als ein Jahr zuvor. Dazu trug in erster Linie die Entwicklung in Deutschland, Spanien und einigen kleineren EU-Ländern bei. Dagegen zeigte die Arbeitslosigkeit vor allem in Italien, aber auch in Frankreich weiter steigende Tendenz. Die Arbeitslosenquote war im Euro-Raum mit saisonbereinigt 11,2% um 0,6 Prozentpunkte niedriger als im Jänner 2014 (Glocker, 2015). In Österreich wuchs das BIP im Jahr 2014 nach einer vorläufigen Einschätzung gegenüber dem Vorjahr real nur mäßig. Entgegen der Entwicklung im Euro-Raum und in Deutschland verschlechterte sich die Konjunktur in Österreich in der zweiten Jahreshälfte, wobei die Schwäche des privaten Konsums sowie die anhaltende Investitionszurückhaltung der Unternehmen das Ergebnis dämpften. Die Ausfuhren nahmen zwar zu, der Anstieg fiel wegen des ungünstigen Exportklimas jedoch nur mäßig aus. Die Importnachfrage nahm infolge der inländischen Nachfrageschwäche in der zweiten Jahreshälfte 2014 deutlich ab. Trotz der suboptimalen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stiegen die internationalen Touristenankünfte 2014 mit +4,7% ähnlich stark an wie im Jahr davor (UNWTO, 2015). Damit reisten 1,14 Mrd. Touristen grenzüberschreitend, was gegenüber 2013 einen absoluten Zuwachs um 51 Mio. an internationalen Touristenankünften bedeutete. Für Europa beliefen sich die relevanten Vergleichszahlen auf 566 Mio. (2013) bzw. 588 Mio. (2014: +3,9%; UNWTO, 2015; vgl. Abbildung 1). Von den im Welttourismus wichtigen Länderblöcken expandierten die internationalen Touristenankünfte am stärksten in Amerika (+7,4%) und Asien (+5,4%; inklusive pazifischem Raum). Alle anderen Weltregionen wuchsen weniger kräftig als der globale Durchschnitt, wobei die Zuwächse in Afrika (+2,3%) und Europa (+3,9%) deutlich schwächer ausfielen. Das Europäische Wachstum ging vor allem auf die kräftige Expansion in Süd- und im mediterranen Europa (+7%) sowie in Nordeuropa (+7%) zurück; Westeuropa wuchs mit +2% nur relativ schwach. Zentral- und Osteuropa verzeichneten dagegen eine Stagnation der internationalen Ankünfte und waren damit die einzigen Welt-Subregionen, die keine Expansion realisieren konnten. 6 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Abbildung 1: Entwicklung der internationalen Touristenankünfte weltweit und in Europa 1.200 1.100 1.000 Welt Mio Ankünfte. 900 800 700 600 Europa 500 400 300 200 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Quelle: UNWTO. 2.1.2 Die mittelfristige Dimension Das mittelfristige Wachstumspotential der Tourismusnachfrage von Wirtschaftsräumen oder einzelnen Quellmärkten hängt auf Basis von Ausgaben für Auslands- und Inlandsreisen entscheidend von den möglichen gesamtwirtschaftlichen Zuwachsraten ab (Smeral, 2012a,b). Unter den hochentwickelten Wirtschaftsräumen wird die Wirtschaft der USA im Prognosezeitraum 2014/2020 mit 2,8% pro Jahr am stärksten wachsen (Übersicht 1; Schiman, 2015a; OECD, 2014). In den USA haben sich die Banken rascher erholt als im Euro-Raum, die Schulden der privaten Haushalte wurden zügig abgebaut. Dieser relativ rasche Abbau der Privatschulden wurde auch durch eine vergleichsweise schuldnerfreundliche Insolvenzgesetzgebung erleichtert bzw. begünstigt. Im Prognosezeitraum wird die Fiskalpolitik der USA gemessen an der Neuverschuldung weiterhin expansiv bleiben. Aufgrund der relativ hohen BIP-Wachstumsrate geht die Staatsschuldenquote sogar etwas zurück, wird jedoch 2020 noch immer rund 120% des BIP betragen. Für den Euro-Raum wird erwartet, dass mittelfristig die Nachfrageschwäche nicht behoben werden kann. Auch hat die Nachfrageschwäche mittlerweile die Inflation stark verlangsamt. Diese Entwicklung erschwert den Schuldenabbau, weil die in Schuldverschreibungen verbrieften Geldströme nicht an Änderungen des Geldwertes angepasst, sondern im Hinblick auf die erwartete Inflationsrate fixiert werden (Schiman, 2015a). Sind die Inflationserwartungen nun höher als die tatsächliche Inflation, vergrößert sich der Realwert der Schulden, so dass ihr Abbau eine steigende Konsum- und Investitionseinschränkung zur Folge hat. Durch die Abnahme der Inflation erhöhen sich die Realzinssätze, wodurch die Opportunitätskosten von Investitionsprojekten ansteigen und so deren Rentabilität sinkt. Die Verlangsamung der Inflation führt weiters zu einer steigenden Arbeitslosigkeit, 7 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" da die Nominallöhne nach unten nicht flexibel sind, wodurch sich die Reallöhne nicht vollständig an die gesunkene Arbeitskräftenachfrage anpassen können. Übersicht 1: Wirtschaftswachstum nach Ländergruppen Durchschnittliche jährliche Veränderung in % Ø 2004/2009 Ø 2009/2014 Ø 2014/2020 +3,8 +3,9 +3,7 Industrieländer USA +0,9 +0,9 +1,7 +2,2 +2,1 +2,8 Japan EU Euro-Raum -0,3 +0,9 +0,8 +1,5 +1,0 +0,7 +1,0 +1,6 +1,3 Deutschland Österreich Frankreich +0,6 +1,3 +0,7 +2,0 +1,3 +1,0 +1,3 +1,3 +1,0 Italien Spanien Großbritannien -0,4 +1,6 +0,7 –0,4 -0,4 +1,8 +0,7 +1,7 +1,9 +3,6 +3,6 +3,9 +2,1 +2,7 +2,8 +2,9 +2,4 +2,5 +11,2 +8,6 +4,8 +8,5 +6,4 +3,6 +6,4 +6,2 +4,4 +3,7 +2,3 +3,0 Weltproduktion (BIP) 1) MOEL-52) Brasilien Russland China Indien Afrika Lateinamerika Quelle: Oxford Economic Forecasting, WIFO, eigene Berechnungen. Tschechien, Ungarn. 1) 29 OECD-Länder. 2) Polen, Slowakei, Slowenien, Die Konjunktur wird zusätzlich durch Liquiditätsbeschränkungen gedämpft, die durch eine Verschärfung der Fiskalregeln zustande gekommen sind. D.h., in den nächsten Jahren ist eine expansive Budgetpolitik nicht zu erwarten: Die neue Defizitregel der Euro-Länder schreibt vor, dass das um die Konjunktur- und Sondereffekte bereinigte Budgetdefizit eines Landes höchsten 0,5% des BIP betragen darf (Schiman, 2015a). Weiters müssen die Schuldenquoten stetig abgebaut werden, auch die Stagnation der Erwerbsbevölkerung wird das Wachstumspotential dämpfen. Im Prognosezeitraum bis 2020 wird die durchschnittliche reale Wachstumsrate des BIP im Euro-Raum etwa 1¼% betragen, so dass auch die Arbeitslosigkeit nicht signifikant gesenkt werden kann, die sich in vielen Ländern zu verfestigen droht. Die Arbeitslosigkeit wird im Durchschnitt des Prognosezeitraums nur knapp unter 11% sinken, nach rund 11% im Zeitraum davor. Die Inflationsrate beträgt im Durchschnitt 1,1% pro Jahr und liegt damit deutlich unter dem 2%-Ziel der EZB. Die im März 2015 eingeleitete "Geldschwemme" wird nur geringe realwirtschaftliche Effekte haben, da die Liquiditäts- 8 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" zuflüsse eher zu Bilanzverkürzungen verwendet werden, und gekoppelte Investitionsprogramme nicht geplant sind. Die deutsche Wirtschaft wird, im Gegensatz zur Periode davor, mittelfristig mit 1,3% pro Jahr im Vergleich zum Euro-Raum nur etwa durchschnittlich expandieren. Deutschland produziert deutlich mehr Waren und Dienstleistungen als im Inland verbraucht werden, wodurch im Laufe der Jahre der Leistungsbilanzüberschuss merkbar zunahm. Studien zeigten, dass eventuelle Qualitätsvorteile keinen hinreichenden Erklärungsgrund für diese hervorragende Wettbewerbsposition darstellen, vielmehr sind es Lohnzurückhaltungen, die diese Stellung begünstigten (Vandenbussche, 2014). Seit der Euro-Einführung stagnierten die Lohnstückkosten, wogegen diese in Frankreich um durchschnittlich 2% pro Jahr anstiegen. In den nächsten Jahren werden sich die Löhne in Deutschland (auch bedingt durch die Einführung eines Mindestlohnes im Jahr 2015) wohl etwas stärker erhöhen als in den Konkurrenzländern, jedoch wird der Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands weiterhin hoch bleiben, da eine Währungsaufwertung nicht möglich ist. Wegen des Rückganges der Nachfrage aus den Schwellenländern fehlt dem deutschen Export trotz der Euro-Schwäche die Dynamik, wobei durch die Unterbewertung der deutschen Exporte die Nachfrage nach den Exporten aus den anderen Euro-Ländern schwach ist. Insgesamt betrachtet dämpft der Währungsverbund in der gegenwärtigen Wachstumsphase die wirtschaftliche Dynamik, zumal eine Korrektur der Ungleichgewichte nur durch interne Auf-und Abwertungen über Realeinkommensanpassungen möglich erscheint. So gesehen müssten die Gläubigerländer über Realeinkommenserhöhungen aufwerten und die Schuldnerländer über Realeinkommenssenkungen abwerten. Bei den zu erwartenden politischen Wiederständen gegen solche Vorgangsweisen steht damit der Euro-Verbund vor einer Zerreißprobe. In Italien wird das reale BIP auch 2015 zurückgehen. Ab 2016 ist nur mit einer schwachen Entwicklung der Wirtschaftsleistung zu rechnen. Im Prognosezeitraum erzielt damit Italien mit +0,7% pro Jahr das geringste Wachstum von den größeren europäischen Volkswirtschaften. Die mangelnde ordnungspolitische Qualität bildet ein erhebliches Wachstumshindernis für Italien und beeinträchtigt damit die Innovations- und Investitionskraft erheblich. Seit der Existenz des Euro-Verbunds wuchs Österreich rascher als der Euro-Raum (+½ Prozentpunkt pro Jahr; Breuss, 2013), im Prognosezeitraum bis 2020 ist das aber nicht mehr gegeben. In den Jahren 2014 bis 2016 expandierte Österreich im Vergleich zum Euro-Raum unterdurchschnittlich, erst 2017 wird die Wachstumsrate Deutschlands und des Euro-Raumes wieder erreicht (Baumgartner, Kaniovski und Pitlik, 2015). Im Durchschnitt des gesamten Prognosezeitraumes dürfte das durchschnittliche jährliche BIP-Wachstum Österreichs mit etwa 1¼% jenes des Euro-Raums nicht übersteigen: Die Ursachen des Verlusts des "Österreich-Bonus" liegen zum Teil darin, dass die strukturellen Vorteile Österreichs in Bezug auf die Handelsbeziehungen mit dem ehemaligen "Osteuropa" nicht mehr gegeben oder deutlich geringer geworden sind. 9 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Weiters wachstumshemmend ist die Reformträgheit, wobei insbesondere die Bereiche • Ausgabenseite des Budgets, • öffentliche Verwaltung, • Föderalismus, • Pensionen, • Gesundheit • sowie Ausbildung in allen Stufen hervorgehoben werden müssen. Aufgrund des mäßigen Wachstums der österreichischen Wirtschaft kann die Arbeitslosenquote nicht gesenkt werden. Im Durchschnitt des Prognosezeitraumes wird sie auf etwas über 9% ansteigen und damit die Arbeitslosenquote im Zeitraum davor um durchschnittlich etwa 2 Prozentpunkte übersteigen (Baumgartner, Kaniovski und Pitlik, 2015). Auch die Staatsschuld kann nicht deutlich gesenkt werden und wird 2020 noch immer rund vier Fünftel des BIP betragen. Die Kaufkraft der Arbeitnehmer wird in den nächsten Jahren nicht ansteigen: Im Prognosezeitraum ist zu erwarten, dass die Lohn- und Gehaltssumme pro Kopf real stagnieren wird, nachdem diese in der Periode davor um durchschnittlich ½% pro Jahr zurückgegangen ist (Baumgartner, Kaniovski und Pitlik, 2015). In Europa verzeichnen nur die MOEL-5-Länder (Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn) befriedigende Wachstumsraten: Diese können nach durchschnittlich 2,1% pro Jahr im Zeitraum 2009/2014 im Prognosezeitraum bis 2020 eine Beschleunigung der mittelfristigen Dynamik auf knapp 3% pro Jahr erwarten und damit ein Wirtschaftswachstum in ähnlicher Größenordnung wie die USA erzielen. Die rasante Expansion der chinesischen Wirtschaft in der Vergangenheit brachte massive Umweltbelastungen sowie steigende Fehlallokationen mit sich. Dies wird in Zukunft das BIP-Wachstum Chinas weiterhin dämpfen, wobei mittelfristig zusätzlich auch die Abnahme der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter eine Rolle spielt. Obwohl sich das Wirtschaftswachstum in China abschwächen wird, ist die Wachstumsrate weltweit noch immer die höchste: Nach durchschnittlich 8,5% jährlichem Wachstum in der Periode 2009/2014, wird für die Prognoseperiode bis 2020 nur mehr eine um etwa 2 Prozentpunkte niedrigere durchschnittliche jährliche Wachstumsrate erwartet. Weitere reale Aufwertungen des Yuan dämpfen die Exportentwicklung. Die reale Aufwertung ist zum Teil auch durch deutliche Lohnsteigerungen verursacht, die zu einer Stärkung der Mittelschicht und zu einer Belebung der Binnennachfrage führten. Insgesamt gesehen befindet sich die chinesische Wirtschaft in einer Übergangsphase von einem export- zu einem binnen-alimentierten Wachstum. Die zukünftige Entwicklung Indiens ist im Gegensatz zu China durch ein relativ kräftiges Wachstum der Erwerbsbevölkerung und eine relativ geringe Produktivitätssteigerung gekennzeichnet. Mit 6¼% pro Jahr im Zeitraum 2014/2020 expandiert die Wirtschaft jedoch nur etwas schwächer als in der Periode davor. Die Inflation bleibt mit etwas über 6% weiterhin hoch, der Leistungsbilanzsaldo bleibt 10 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" negativ. Die Erwartungen an die neue Regierung bezüglich Handelserleichterungen und Bürokratieabbau wurden bis jetzt nicht erfüllt (Schiman, 2015a). Nach dem Auslaufen der positiven Mehrwertsteuereffekte wird das Wachstum in Japan, nach einer Stagnation 2014, im Jahr 2015 mit nur knapp +1% mäßig ausfallen. Im Durchschnitt des Prognosezeitraums bis 2020 wird das Wirtschaftswachstum mit nur etwa durchschnittlich 1% pro Jahr relativ schwach bleiben und gegenüber der Periode 2009/2014 (1,5% pro Jahr) zurück bleiben. Weiters werden die demografischen Probleme allmählich tragend: Der Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter beträgt weiterhin etwa 1% pro Jahr. Die Brutto-Staatsschuld wird im Durchschnitt des Prognosezeitraums – ähnlich wie in der Periode davor – deutlich über 200% liegen. In Russland hat sich die Konjunktur 2013 abgekühlt (+1,3%; OECD, 2014). Das Wachstum hat sich 2014 weiterhin verlangsamt, 2015 wird eine Rezession erwartet. Danach soll das Wachstum wieder anziehen: Bis 2020 wird mit einem Wirtschaftswachstum von durchschnittlich 2,5% pro Jahr gerechnet. Ein wichtiger Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung in Russland ist der Ölpreis: Um ein ausgeglichenes Budget zu ermöglichen, müsste Rohöl etwa 115 US-Dollar je Barrel kosten (NIESR, 2013). Sollte der Ölpreis länger signifikant unter dieser Grenze liegen, würde dies das Budgetdefizit mehr oder weniger deutlich erhöhen. Neben den bei weitem noch zu niedrigen Ölpreisen gehen weitere negative Auswirkungen von den Finanzierungserschwernissen aufgrund der Wirtschaftssanktionen aus. Dies könnte dann Refinanzierungsprobleme oder sogar Zahlungsverweigerungen durch den russischen Staat auslösen. 2.2 Die touristische Situation in Österreich 2.2.1 Die nationale Entwicklung Die quantitative Entwicklung erbrachte im Jahr 2014 zum Teil Rekordwerte: So erreichten die Touristenankünfte ein Volumen von 37,5 Mio. (+1,9%), wodurch neuerlich eine historische Höchstmarke realisiert wurde. Die Nächtigungszahlen des Jahres 2014 blieben mit 131,8 Mio. (–0,6%) nur sehr knapp unter dem Rekordjahr 2013 (132,8 Mio., +1,2%). Die Entwicklung der realen Tourismuseinnahmen konnte jedoch mit quantitativen Steigerungen nicht mithalten. Die nominellen Einnahmen aus dem internationalen Reiseverkehr (Tourismusexporte) zeigten 2014 (+1,1%) zwar eine leichte Steigerung, real sanken sie jedoch um –1,3%. Die Einnahmen im Binnenreiseverkehr stiegen nominell um 1,1%, real sanken sie jedoch um –1,7% (Übersicht 2). Grundsätzlich muss hervorgehoben werden, dass das internationale touristische Wachstum sowie die Entwicklung des Österreich-Tourismus nicht isoliert von der weltwirtschaftlichen Entwicklung gesehen werden dürfen. Hier muss berücksichtigt werden, dass sich das Wachstum der Weltwirtschaft mittelfristig verlangsamt hat, wodurch sich die Rahmenbedingungen für die Entwicklung des internationalen Tourismus deutlich verschlechterten. Als Konsequenz kamen signifikante 11 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Rückgänge der touristischen Einkommenselastizitäten 2) zur Wirkung (Gunter und Smeral, 2014). Anders ausgedrückt schlugen sich Einkommenssteigerungen in geringerem Ausmaß als in den Perioden davor in Steigerungen der Tourismusnachfrage nieder. Ursachen hierfür waren die ansteigenden wirtschaftlichen Unsicherheiten seit der letzten globalen Finanz- und Wirtschaftskrise (im Prinzip seit 2007): Es kam zu Urlaubsverzichten, Einsparungen durch Senkung der Aufenthaltsdauer oder durch die Wahl billigerer Unterkünfte, weiters wurden Urlaubsbudgets zum Teil oder auch zur Gänze zur Finanzierung notwendiger Konsumgüter sowie eines erhöhten "Vorsichtssparens" verwendet. Die spezifischen Rahmenbedingungen für die Entwicklung des österreichischen Tourismus waren damit denkbar ungünstig (BMWFW, 2015): Einerseits war die österreichische Tourismuswirtschaft damit konfrontiert, das durch "Kaufzurückhaltung" geprägte labile Konsumklima sowie die von der zögerlichen, schwunglosen und fragilen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ausgehenden negativen Impulse zu bewältigen und in Geschäftserfolge umzumünzen. Andererseits hatten die Unternehmen 2014 zusätzlich die wetterbedingten Nachteile (Schneemangel im Winter und hohe Zahl an Regentagen im Sommer) zu verkraften. In einer längerfristigen Betrachtung muss jedoch auch berücksichtigt werden, dass die gesamten realen Tourismusumsätze seit 2000 sowie die realen Umsätze im internationalen Reiseverkehr in etwa stagnieren. Etwas kritischer ist jedoch die Entwicklung des realen Aufwands je Nacht zu beurteilen. Diese Kennziffer drückt die Entwicklung der qualitativen Zusammensetzung der Nachfrage pro Übernachtung aus. Das bedeutet: Wählt der Gast im Zeitverlauf qualitativ höherwertige Unterkünfte, entscheidet er sich für bessere Restaurants, sucht exklusivere Shops auf oder bevorzugt höherwertigere Sport- und Kulturangebote, so wird diese Kennziffer ansteigen. Ein Rückgang dieser Kennziffer ist zu verzeichnen, wenn sich die qualitative Zusammensetzung der Nachfrage je Nacht vermindert bzw. im Zeitverlauf weniger anspruchsvolle Angebote nachgefragt werden. 2) Die touristische Einkommenselastizität wird hier näherungsweise mit folgender Beziehung gleichgesetzt: Touristische Einkommenselastizität = %-Veränderung Tourismunachfrage/%-Veränderung Realeinkommen. Bei einer Elastizität von 0,5 würde z.B. eine Realeinkommenssteigerung um 1% einen Anstieg der Tourismusnachfrage um 0,5% bewirken. 12 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Übersicht 2: Übernachtungen und Umsätze im österreichischen Tourismus, 2000-2014 Übernachtungen Umsätze Binnenreiseverkehr Inländer Ausländer Insgesamt Internat. Reiseverkehr Nominell Real (Preise 2010) Nominell 3.727 4.060 4.233 4.207 4.355 4.483 4.742 4.971 5.134 5.382 5.374 5.442 5.621 5.680 5.681 5.742 4.930 5.237 5.317 5.148 5.203 5.200 5.361 5.477 5.467 5.565 5.517 5.446 5.416 5.341 5.195 5.106 11.501 12.201 12.791 13.198 13.528 13.897 14.700 15.144 15.485 16.513 15.375 15.704 16.186 16.662 17.145 17.336 In 1.000 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 30.309 31.153 31.442 31.013 31.619 31.329 31.501 32.130 33.008 33.879 34.443 35.024 35.297 35.964 35.755 35.668 1) Real (Preise 2010) Gesamtreiseverkehr Nominell Real (Preise 2010) 14.837 15.373 15.746 15.864 15.901 15.885 16.366 16.531 16.463 16.997 15.648 15.703 15.510 15.629 15.694 15.496 15.228 16.261 17.024 17.405 17.883 18.380 19.442 20.115 20.619 21.895 20.749 21.146 21.807 22.342 22.826 23.078 19.767 20.610 21.063 21.012 21.104 21.085 21.726 22.008 21.930 22.562 21.164 21.149 20.925 20.970 20.889 20.601 +3,6 +2,4 +0,8 +0,2 –0,1 +3,0 +1,0 –0,4 +3,2 –7,9 +0,4 –1,2 +0,8 +0,4 –1,3 +6,8 +4,7 +2,2 +2,8 +2,8 +5,8 +3,5 +2,5 +6,2 –5,2 +1,9 +3,1 +2,5 +2,2 +1,1 +4,3 +2,2 –0,2 +0,4 –0,1 +3,0 +1,3 –0,4 +2,9 –6,2 –0,1 –1,1 +0,2 –0,4 –1,4 Mio. Euro 82.424 82.534 83.669 85.792 86.348 85.922 87.741 87.274 88.443 92.840 89.864 89.857 90.706 95.052 96.874 96.233 112.733 113.686 115.111 116.804 117.967 117.251 119.242 119.403 121.451 126.719 124.307 124.881 126.003 131.016 132.629 131.901 Veränderung gegen das Vorjahr in % 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 +2,8 +0,9 –1,4 +2,0 –0,9 +0,5 +2,0 +2,7 +2,6 +1,7 +1,7 +0,8 +1,9 –0,6 –0,2 +0,1 +1,4 +2,5 +0,6 –0,5 +2,1 –0,5 +1,3 +5,0 –3,2 –0,0 +0,9 +4,8 +1,9 –0,7 Quelle: Statistik Austria, OeNB. +0,8 +1,3 +1,5 +1,0 –0,6 +1,7 +0,1 +1,7 +4,3 –1,9 +0,5 +0,9 +4,0 +1,2 –0,5 1) +8,9 +4,3 –0,6 +3,5 +2,9 +5,8 +4,8 +3,3 +4,8 –0,1 +1,3 +3,3 +1,0 +0,0 +1,1 +6,2 +1,5 –3,2 +1,1 –0,1 +3,1 +2,2 –0,2 +1,8 –0,9 –1,3 –0,6 –1,4 –2,7 –1,7 +6,1 +4,8 +3,2 +2,5 +2,7 +5,8 +3,0 +2,3 +6,6 –6,9 +2,1 +3,1 +2,9 +2,9 +1,1 Einschließlich internationaler Personentransport. Im Zeitraum 2000/2008 sank der reale Aufwand je Nächtigung nur leicht (um insgesamt knapp 2%), seither ist er aber relativ stark zurückgegangen (2008/2014: insgesamt –12,3%; Abbildung 2). Diese Tatsache lässt sich zum Teil auf eine generelle qualitative Verminderung der realisierten touristischen Nachfrage zurückführen. Dies mag teilweise damit zusammenhängen, dass die Nachfragestrukturen in vermehrtem Ausmaß massentouristische Züge annahmen bzw. immer mehr "Verbilligungstendenzen" durchschlugen. Dabei wirkten sich bei preisunelastischer Nachfrage kostengünstigere Packages sowie der Preis-/Qualitätsdruck durch die Transparenz des Internet aus, wobei die ständig wachsende Zahl der Internetnutzer einen weiteren preis-/qualitätsdämpfenden strukturellen Faktor darstellt. 13 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Realer Umsatz je Übernachtung in Euro (Pr. 2010) Abbildung 2: Realer Aufwand je Übernachtung, 2000-2014 190 181,3 183,0 180 179,9 178,9 179,8 182,2 184,3 180,6 178,0 170,3 169,4 170 166,1 160,1 160 157,5 156,2 150 140 130 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Quelle: Statistik Austria, OeNB. Betrachtet man die Entwicklungstendenzen seit dem Jahr 2000, fällt zusätzlich auf, dass die Tourismusnachfrage deutlich hinter der gesamtwirtschaftlichen Dynamik zurück blieb: So wuchs das österreichische reale BIP im Zeitraum 2000/2014 um durchschnittlich 1,4% pro Jahr, wogegen die preisbereinigten Tourismusumsätze stagnierten. Wegen des bereits sehr hohen Niveaus der Tourismuswertschöpfung in Österreich mag dies tolerierbar erscheinen, jedoch erzeugt ein längeres Nachhinken eines Sektors hinter der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung einen wachsenden Kosten- und Gewinndruck, der sich negativ auf die Investitionskraft der Betriebe auswirkt. Eventuell fehlende Investitionen könnten in der Folge die Wettbewerbsfähigkeit erodieren, Marktanteilsverluste entstehen. Ein Vergleich der realen Umsatzentwicklung mit der verständlicher kommunizierbaren Nächtigungsentwicklung lässt die Beurteilung der Entwicklungstendenzen günstiger ausfallen (vgl. Übersicht 2). Seit 2000 konnte auf Basis der Übernachtungen eine Nachfragesteigerung von 1,1% pro Jahr und 2014 ein Nächtigungsvolumen von 131,9 Mio. erzielt werden. Dieses war zwar etwas niedriger (–0,5%) als 2013, überstieg jedoch den historischen Höchstwert von 1992 immer noch um 1,1%. Die Messung des Tourismus mithilfe quantitativer Größen wie Ankünften oder Nächtigungen kann aber nur Teilausschnitte der Tourismuswirtschaft erfassen, da hier im Gegensatz zur Messung in Umsatzgrößen Faktoren wie Qualität, Preise oder Nebenausgaben unberücksichtigt bleiben. Dieses Vorgehen führt zu einer verzerrten Darstellung bzw. Unterschätzung des Tourismus in seiner ökonomischen Bedeutung, weil die wirtschaftliche Größenordnung der Tourismusnachfrage und ihre Entwicklung nicht vollständig erfasst werden können. Hier muss jedoch betont werden, dass in vielen Fällen Umsatzgrößen nicht verfügbar sind, so dass eben auf Ankünfte und/oder Nächtigungen als alleinige Messgrößen zurückgegriffen werden muss. 14 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Weiters sind die Ziele der Messung des Tourismus von Bedeutung: So sind für die wirtschaftliche Beurteilung des Tourismus oder seines Einflusses auf die Regional- oder Gesamtwirtschaft nur monetäre Größen relevant, während im Hinblick auf die Evaluierung der Effektivität des Marketings quantitative Maßzahlen wie Nächtigungen oder Ankünfte ebenfalls aussagekräftig sind. In Bezug auf die Aufenthaltsdauer von in- und ausländischen Gästen ergab das Jahr 2014 einen weiteren Rückgang um 2,4%, wobei sich die Dynamik gegenüber dem langfristigen Trend seit 2000 (durchschnittlich –1,5% pro Jahr) relativ kräftig erhöht hat (Abbildung 3). Dieses Reiseverhalten passt zu den Erkenntnissen der Tourismusforschung, die kurz zusammen gefasst besagen, dass in Zeiten mit relativ hohen wirtschaftlichen Unsicherheiten Einsparungen relativ oft bei der Aufenthaltsdauer vorgenommen werden. Abbildung 3: Entwicklung der Aufenthaltsdauer von in- und ausländischen Gästen in Österreich 5,4 5,2 5,0 Zahl der Übernachtungen 4,8 Ausländische Gäste 4,6 4,4 4,2 4,0 3,8 Inländische Gäste 3,6 3,4 3,2 3,0 2,8 Quelle: Statistik Austria, , eigene Berechnungen. Die Nächtigungsentwicklung nach der Herkunft zeigt, dass im Kalenderjahr 2014 die Nachfrage der inländischen Touristen leicht um 0,2% zurückging, jene der ausländischen Gäste dagegen etwas stärker (–0,7%; Übersicht 3). Von den für Österreich wichtigen Herkunftsmärkten nahmen die Übernachtungszahlen aus China (+17,9%), den USA (+9,1%), Polen (+7,0%), der Slowakei (+6,2%), Kroatien (+6,1%), Spanien (+6,0%) und der Tschechischen Republik (+3,1%) relativ kräftig zu, etwas mäßiger entwickelte sich die Nachfrage aus Slowenien (+1,9%), Ungarn (+1,8%), Belgien und Luxemburg (+1,7%), der Schweiz (+1,4%) und Rumänien (+1,1%). Die Nächtigungen von Gästen aus Großbritannien, Italien, Schweden sowie Dänemark stagnierten 2014 mehr oder weniger am Vorjahresniveau. Am niederländischen und französischen Markt waren mit –1,4% bzw. –1,8% leicht rückläufige 15 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Tendenzen zu verzeichnen, kräftiger fielen die Nächtigungseinbußen bei Touristen aus Deutschland (–2,6%) – Österreichs wichtigstem Herkunftsland –, Japan (–3,4%) und vor allem Russland (–7,9%) aus. Übersicht 3: Übernachtungen in Österreich nach Entfernung der Herkunftsmärkte, 2005-2014 2005 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Veränderung gegen das Vorjahr in % Insgesamt (In- und Ausland) 2005/2011 2011/2014 ø Jährliche Veränd. in % +1,7 +4,3 –1,9 +0,5 +0,9 +4,0 +1,2 –0,5 +0,9 +1,5 Inland und benachbarte Herkunftsmärkte 1) Inland +0,9 +3,1 +1,3 +1,4 +2,2 +2,3 –0,1 +0,3 +1,9 +0,8 +0,5 +2,6 +1,7 +1,7 +0,8 +1,9 –0,6 –0,2 +1,9 +0,3 Deutschland gesamt +0,1 +4,1 –2,6 –1,4 –1,6 +4,7 +2,5 –2,6 –1,2 +1,5 +1,9 Bayern +0,2 +3,5 –0,3 –0,6 +2,3 +3,6 +1,8 +0,4 +0,1 Schweiz –1,4 –3,8 +2,2 +4,3 +12,6 +6,6 +0,4 +1,4 +3,3 +2,8 Italien +2,1 –2,5 +1,2 +0,2 –0,2 –3,2 –4,8 –0,0 –0,6 –2,7 +8,6 +27,9 +9,9 +0,9 +5,4 +2,2 +1,2 +3,1 +10,6 +2,2 +12,7 +8,7 –8,7 +0,7 +5,8 +1,6 –0,1 +1,8 +3,6 +1,1 Tschechien Ungarn Slowakei Slowenien Nicht benachbarte Herkunftsmärkte Übriges Deutschland +5,5 +31,6 +9,1 +9,6 +7,4 +5,2 +6,0 +6,2 +13,6 +5,8 +11,0 +13,6 +1,2 +2,2 +11,9 +5,6 +7,7 +1,9 +6,5 +5,0 +2,3 +5,3 –4,4 –0,3 –0,2 +5,4 +2,3 –1,2 +0,2 +2,1 +0,0 +4,3 –3,2 –1,7 –2,7 +5,0 +2,6 –3,4 –1,6 +1,3 Baden-Württemberg +0,4 +2,8 +0,3 –0,0 +1,4 +4,2 +3,4 –0,9 +0,0 +2,2 Nordrhein-Westfalen +4,1 +4,6 –7,0 –1,9 –4,5 +7,5 +0,3 –7,9 –3,3 –0,2 Mitteldeutschland2) –0,3 +2,3 –1,0 –4,0 –4,3 +2,9 +5,5 –4,1 –2,0 +1,4 Norddeutschland3) –1,1 +6,3 –5,2 –1,3 –7,3 +7,2 +4,0 –3,6 –2,7 +2,4 Ostdeutschland4) Berlin –1,2 +6,5 –2,8 –0,7 +1,1 +3,5 +0,9 –0,0 +0,8 +1,4 –12,7 +3,8 –0,5 –0,2 –2,2 +4,2 +1,8 +0,3 –1,4 +2,1 Niederlande +2,7 +5,2 –1,2 –4,0 –1,9 +5,5 –2,7 –1,4 +0,4 +0,4 Großbritannien +5,2 –0,3 –16,7 –0,3 –4,6 +2,5 +5,2 +0,6 –2,4 +2,7 Belgien und Luxemburg +5,1 +3,3 –1,4 –2,0 +4,3 +0,4 +1,6 +1,7 +1,4 +1,2 Frankreich –4,1 +1,9 +0,3 +2,7 +2,7 –0,9 –0,6 –1,8 +1,6 –1,1 Dänemark +12,9 +5,4 –1,4 +0,9 –3,3 –1,2 +0,1 –0,8 +4,0 –0,6 Polen +7,2 +34,0 –0,2 +2,7 +6,7 –2,6 +1,1 +7,0 +10,8 +1,8 USA –2,0 –17,8 –7,4 +11,9 –3,2 +6,9 +6,3 +9,1 –2,4 +7,4 . +40,6 –12,4 +23,3 +25,6 +18,9 +9,5 –7,9 +19,0 +6,2 +570,3 +41,3 –6,4 –2,2 +3,7 –2,6 –3,4 +1,1 +24,4 –1,7 +5,0 +19,1 –18,5 +9,4 –1,1 +5,3 +2,5 –0,7 +1,2 +2,4 Russland Rumänien5) Schweden Spanien +12,9 +4,8 –13,2 +8,0 +11,3 –4,5 –5,2 +6,0 +2,7 –1,3 Kroatien +5,2 +15,2 –8,7 –9,4 –5,0 +0,2 –6,0 +6,1 +1,9 +0,0 Japan +6,6 –10,3 –0,5 +1,3 +6,2 +16,1 –1,2 –3,4 –4,2 +3,4 China +4,8 –3,5 –6,0 +20,4 +38,2 +37,0 +14,3 +17,9 +6,8 +22,7 Übriges Ausland +0,5 +10,2 –8,9 +7,1 +10,0 +13,6 +6,6 +5,1 +5,7 +8,4 Ausland insgesamt +2,1 +5,0 –3,2 –0,0 +0,9 +4,8 +1,9 –0,7 +0,6 +2,0 1) 2) 3) Quelle: Statistik Austria. Einschließlich benachbartes Deutschland (Bayern). Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland. Nieder4) sachsen, Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein. Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg, Mecklenburg-Vor5) pommern. 2005: Schätzung. In einer mittelfristigen Betrachtung des Zeitraumes 2005/2011 stiegen die Übernachtungen aus dem Inland und den benachbarten Herkunftsmärkten (durchschnittlich +1,9% pro Jahr) deutlich an, wogegen die Nachfrage aus den nicht benachbarten Herkunftsmärkten stagnierte (+0,2% jährlich). Dagegen ergab sich für die Folgeperiode von 2011 bis 2014 eine – wenn auch nur äußerst mäßige – 16 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Tendenz zur Internationalisierung: So expandierten die Übernachtungen aus den nicht benachbarten Herkunftsmärkten mit durchschnittlich +2,1% pro Jahr deutlich stärker als die Nachfrage von österreichischen Gästen und Touristen aus den benachbarten Herkunftsmärkten (+0,8% pro Jahr). Insgesamt ist jedoch für das Ziel, den Anschluss an den internationalen Wachstumstrend zu wahren und die Steigerungsraten spürbar zu beschleunigen, das Gewicht der "Nahmärkte" mit 45% als deutlich zu hoch zu bewerten. Regional – insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung in den einzelnen Bundesländern – zeigten sich erhebliche Unterschiede. Am stärksten stiegen die Nächtigungen 2014 in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland (Übersicht 4). Die Steiermark konnte geringfügig zulegen, in den anderen Bundesländern sank die Nächtigungsnachfrage. Dabei fällt auf, dass sich der Nächtigungsrückgang vor allem auf die tourismusintensiven Bundesländer konzentriert (Oberösterreich bildet hier eine Ausnahme) bzw. ein Ost-West-Gefälle entstanden ist. Übersicht 4: Burgenland Nächtigungsentwicklung in den österreichischen Bundesländern, 2000-2014 Kärnten NiederOberösterreich österreich Salzburg Steiermark Tirol Vorarlberg Wien Österreich Veränderung gegen das Vorjahr in % 2000 +3,8 –1,8 +1,1 –0,8 –0,5 +0,7 +2,3 +0,9 +2,0 +0,8 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 +0,0 +1,4 +0,1 –3,3 +6,3 +1,4 +4,8 +4,0 +2,1 +1,5 +0,8 +0,2 –2,9 +2,1 +1,4 +2,7 +0,9 –4,3 –1,3 –3,4 +4,0 +1,3 –1,6 –3,7 +1,2 +1,7 –0,9 –3,3 –1,5 –3,7 +3,5 +3,6 +0,3 +4,0 +4,3 +3,1 –1,3 +0,5 +3,2 +0,7 –3,0 +2,9 –1,3 –1,5 +0,4 –0,3 –0,1 +1,3 +1,6 +3,3 –1,2 –1,8 +3,4 +3,9 –2,2 –1,2 +2,8 +2,2 –0,2 +0,9 +2,9 +2,0 +0,7 +4,7 –3,3 +0,6 +0,3 +5,4 +2,2 –1,2 +2,7 +1,3 +1,1 –4,0 +2,1 +0,0 +3,1 +5,3 +0,8 +1,1 +1,8 +1,7 +1,3 +0,9 +1,3 +2,5 +0,9 –1,2 +2,0 –1,5 +0,2 +4,8 –1,9 –0,5 –0,2 +3,8 +1,7 –1,6 +1,0 +0,8 +0,5 –0,3 –0,1 –2,1 +2,6 +4,4 –1,7 +0,1 –2,4 +6,6 +3,0 –3,8 –0,4 –0,6 +4,2 +6,2 +3,9 +6,7 +3,3 +6,0 –3,8 +10,3 +5,0 +7,6 +3,7 +6,3 +1,3 +1,5 +1,0 –0,6 +1,7 +0,1 +1,7 +4,3 –1,9 +0,5 +0,9 +4,0 +1,2 –0,5 Quelle: Statistik Austria. Deutliche Wachstumsdifferenzen zeigten sich auch in Bezug auf die touristische Entwicklung in den Landeshauptstädten und den ländlichen Gebieten (Übersicht 5). Während in Wien die Nächtigungen 2014 mit +6,3% kräftig expandierten, war in Gesamtösterreich, ohne Berücksichtigung der Landeshauptstädte, ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen (–1,6%). In den Landeshauptstädten (ohne Wien) nahmen 2014 die Übernachtungen gegenüber dem Vorjahr um insgesamt 5,2% zu. In St. Pölten sank die Nächtigungsnachfrage um 2,0%, Linz verzeichnete eine Stagnation. Alle anderen Landeshauptstädte konnten mehr oder weniger deutliche Zuwächse verbuchen. 17 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Übersicht 5: Eisenstadt Nächtigungsentwicklung in Österreichs Landeshauptstädten, 2000-2014 Klagenfurt Sankt Pölten Linz Salzburg Graz Innsbruck Bregenz Wien Landeshauptst. insgesamt Österreich o. Landeshauptst. Veränderung gegen das Vorjahr in % 2000 +2,0 +2,5 +3,4 +2,3 +3,2 +5,0 +4,3 +13,3 +2,0 +2,8 +0,5 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 +10,8 –7,0 –3,0 –8,3 +17,4 +6,4 +14,1 –6,6 +10,2 –3,0 –0,8 –12,8 –2,5 +17,0 +2,5 –1,7 +3,6 –1,8 +4,8 +1,7 –6,5 +11,3 –7,1 +9,1 +6,1 –4,7 +1,0 +1,8 –2,5 +6,9 +4,1 +3,1 +6,9 +8,5 +8,8 +0,2 +5,7 +6,2 +4,1 +4,3 –7,1 –2,0 +0,6 –0,7 +0,8 +10,9 +6,1 –0,3 –1,4 –0,2 +9,5 –6,2 +7,1 +6,9 –2,3 +0,0 +2,2 –0,8 +3,0 +7,1 +2,3 +18,4 –3,5 –2,2 –2,2 +6,4 +4,6 +8,4 +2,7 +3,2 –0,2 +10,3 +21,8 –13,7 +1,5 +1,3 +5,6 +2,2 –1,0 +4,6 +10,2 +3,9 +4,3 +4,5 –1,7 –2,6 –2,2 +4,6 +2,9 +0,6 +4,9 +2,5 –9,9 +13,4 +0,6 +7,5 –0,1 +3,5 +0,3 +2,9 +2,8 +4,4 –1,0 +2,4 +16,2 –5,7 –0,6 +1,7 +3,1 +1,5 +3,1 +2,3 –0,4 –0,6 +4,2 +6,2 +3,9 +6,7 +3,3 +6,0 –3,8 +10,4 +5,0 +7,6 +3,7 +6,3 –0,0 –0,2 +4,2 +4,8 +3,6 +7,0 +2,4 +3,9 –3,3 +8,7 +4,9 +7,0 +2,9 +5,2 +1,4 +1,6 +0,9 –1,1 +1,5 –0,8 +1,6 +4,4 –1,7 –0,7 +0,3 +3,5 +1,0 –1,6 Quelle: Statistik Austria. In einem langfristigen Vergleich zeigte sich eine starke Verschiebung zugunsten der Städte, vor allem Wiens. Ursachen hierfür sind strukturell bedingte Vorteile der Städte, die vor allem im Angebotsbereich, in der leichteren Erreichbarkeit, der Infrastruktur sowie in der wachsenden Urbanisierung liegen (Smeral, 2014). Diese Vorteile von Städten schlugen insbesondere seit 2003 deutlich durch und sind nicht nur auf Österreich beschränkt, sondern auch international gegeben. Seit 2003 stiegen die Nächtigungen in Wien mit +5% pro Jahr deutlich stärker als in den anderen Landeshauptstädten (+2,9% pro Jahr) und etwa neunmal so stark wie im Bundesdurchschnitt ohne die Landeshauptstädte (2003/2014: +0,6% pro Jahr). Nach Saisonen differenziert verzeichnete – anders als in den drei Jahren davor – die Wintersaison 2013/2014 wegen des Schneemangels einen Rückgang (–1,6%), die Nächtigungen in der Sommersaison 2014 stiegen mit +1,1% leicht an. Eine ähnliche Entwicklungsstruktur zeigte sich auch auf Basis der Umsätze (nominell: –0,6% Winter und +1,7% Sommer; rea:l –2,8% Winter und –1,1% Sommer). 2.2.2 Internationaler Vergleich Im internationalen Vergleich verlor Österreich 2014 – gemessen an den nominellen Tourismusexporten der EU-15 – weiterhin Marktanteile (Abbildung 4). Während im Zeitraum 2000/2009 noch ein leichter Ausbau möglich war, mussten seither Einbußen in Kauf genommen werden. Bezogen auf den internationalen Tourismus in der EU-28 erreichte Österreich 2014 einen Marktanteil von 4,90% (Übersicht 6). Auch auf dieser Berechnungsbasis waren gegenüber 2013 Verluste von 3,5% zu verzeichnen. 18 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Übersicht 6: Nominelle Tourismusexporte – Marktanteil an der EU-28 2000 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 in % EU 28 EU 15 Belgien-Luxemburg Bulgarien Dänemark Deutschland Estland Finnland Frankreich Griechenland Großbritannien Irland Italien Kroatien Lettland Litauen Malta Niederlande Österreich Polen Portugal Rumänien Schweden Slowakei Slowenien Spanien Tschechien Ungarn Zypern 100,0 90,15 3,71 0,54 1,82 9,27 0,25 0,70 16,37 4,54 10,82 1,30 13,70 1,38 0,07 0,20 0,39 3,59 4,86 2,84 2,61 0,18 2,00 0,21 0,48 14,85 1,48 1,87 0,67 100,0 89,68 4,50 0,82 1,66 9,81 0,33 0,73 14,81 4,49 10,29 1,61 11,90 2,51 0,12 0,31 0,34 3,52 5,40 2,12 2,59 0,36 2,24 0,41 0,61 16,10 1,63 1,38 0,57 100,0 89,51 4,27 0,80 1,62 10,15 0,31 0,73 14,35 4,44 10,73 1,66 11,81 2,44 0,15 0,32 0,32 3,51 5,13 2,22 2,60 0,40 2,68 0,47 0,60 15,83 1,82 1,31 0,54 100,0 88,67 4,06 0,96 1,59 9,78 0,28 0,77 14,68 4,21 10,47 1,64 11,55 2,50 0,18 0,31 0,36 3,61 5,06 2,86 2,76 0,43 2,86 0,55 0,62 15,64 1,87 1,28 0,53 100,0 87,74 4,12 1,06 1,59 10,09 0,30 0,82 14,46 4,40 9,16 1,61 11,67 2,76 0,20 0,31 0,37 3,37 5,43 2,96 2,77 0,50 2,60 0,68 0,68 15,66 1,97 1,51 0,51 2013/2014 2000/ 2014 in %Pkt. Ø VÄ in % in % 100,0 88,08 4,66 1,09 1,68 10,12 0,32 0,81 14,45 4,28 8,87 1,45 11,77 2,58 0,21 0,28 0,36 3,62 5,63 2,61 2,83 0,36 2,37 0,68 0,73 15,55 2,03 1,65 0,47 100,0 87,89 4,83 1,08 1,71 10,27 0,32 0,90 13,81 3,71 9,61 1,21 11,42 2,45 0,19 0,29 0,43 3,82 5,52 2,84 2,97 0,34 2,57 0,66 0,76 15,51 2,12 1,59 0,46 100,0 88,13 4,71 1,04 1,72 10,20 0,33 1,00 14,46 3,88 9,20 1,10 11,34 2,41 0,20 0,34 0,46 3,76 5,20 2,79 2,98 0,37 2,75 0,64 0,72 15,80 2,01 1,47 0,50 100,0 88,17 4,80 1,02 1,71 10,36 0,33 1,05 14,54 3,60 9,86 1,05 11,15 2,40 0,20 0,36 0,47 3,74 5,14 2,98 2,99 0,40 2,93 0,63 0,70 15,24 1,92 1,32 0,51 100,0 88,37 4,59 1,02 1,68 10,36 0,35 1,02 14,21 4,04 10,20 1,11 11,02 2,40 0,22 0,37 0,48 3,92 5,08 2,87 3,09 0,36 2,88 0,63 0,68 15,17 1,77 1,33 0,53 100,0 88,81 4,70 0,99 1,71 10,22 0,35 0,90 13,48 4,31 10,97 1,18 10,99 2,36 0,23 0,37 0,50 4,04 4,90 2,58 3,29 0,41 3,12 0,61 0,65 15,00 1,65 1,40 0,50 Quelle: IMF, OeNB, UNWTO, WIFO, wiiw. Ohne internationalen Personentransport. 2014: Schätzung. 19 +0,5 +0,44 +2,5 +0,11 –2,9 –0,03 +1,9 +0,03 –1,3 –0,14 +0,5 +0,00 –11,7 –0,12 –5,1 –0,73 +6,5 +0,26 +7,6 +0,77 +6,3 +0,07 –0,2 –0,02 –1,7 –0,04 +4,6 +0,01 –0,3 –0,00 +4,5 +0,02 +3,2 +0,13 –3,5 –0,18 –10,0 –0,29 +6,5 +0,20 +14,7 +0,05 +8,0 +0,23 –3,3 –0,02 –4,7 –0,03 –1,2 –0,17 –6,8 –0,12 +4,9 +0,07 –7,0 –0,04 –0,2 +0,1 +4,1 –2,3 +1,0 +2,6 +3,0 –1,1 –0,7 +1,1 –3,3 –1,4 –0,6 +9,2 +3,7 +1,9 +0,6 –0,7 +5,7 +1,4 +7,2 +4,3 +6,0 +2,3 –0,6 +2,1 –2,0 –1,5 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Abbildung 4: Österreichs Einnahmenmarktanteil am internationalen europäischen Tourismus Gemessen an den nominellen Tourismusexporten der EU-15 ab 2000 5,5 5,02 4,95 5,0 4,82 4,75 4,86 4,66 In % 4,62 4,5 4,90 4,89 4,62 4,60 4,49 4,55 4,50 4,34 4,0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Quelle: IMF, OeNB, UNWTO, WIFO, wiiw. Ohne internationalen Personentransport. 2014: Schätzung. Unter der Berücksichtigung, dass der österreichische Tourismus bis zum Jahr 2000 sehr starken Strukturanpassungen sowie Redimensionierungen ausgesetzt war, ist eine längerfristige Betrachtung ab diesem Zeitpunkt sinnvoll: So zeigt eine Analyse seit 2000, dass der österreichische Marktanteil im europäischen Tourismus relativ stark schwankte bzw. nach Erfolgsphasen Perioden mit Marktanteilsverlusten folgten, jedoch 2014 – trotz der ungünstigen Rahmenbedingungen – der Marktanteil nicht wesentlich vom Ausgangsniveau 2000 abgewichen ist. Hinsichtlich der saisonalen Differenzierung der touristischen Wettbewerbsfähigkeit Österreichs kann die quartalsweise Analyse wertvolle Hinweise liefern, wobei die Relation zwischen dem Quartalsmarktanteil und dem durchschnittlichen Jahresmarktanteil ein Indikator für den Grad der Spezialisierung ist bzw. seine Veränderung eine Maßgröße für den Strukturwandel darstellt (Übersicht 7). Für das Jahr 2002 zeigt sich deutlich, dass der österreichische Tourismus im Bereich der Wintersaison spezialisiert ist (die Relation Quartals- zu Jahresmarktanteil lag im I. Quartal deutlich über 1). Die Entwicklung seit 2002 zeigte, dass Österreich im I. Quartal (die Wintersaison im engeren Sinn) bis 2006 seine Spezialisierung im Wintertourismus etwas steigern konnte, danach setzte auch aufgrund von Marktanteilsverlusten ein leichter Abwärtstrend ein. In allen anderen Quartalen zeigen sich keine Spezialisierungstendenzen, obwohl im IV. Quartal "Aufholtendenzen" bemerkbar sind. 20 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Übersicht 7: Entwicklung des österreichischen Einnahmenmarktanteils im internationalen europäischen Tourismus nach Quartalen, 2000-2014 Gemessen an den nominellen Tourismusexporten der EU 15 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Anteile in % I. Quartal 12,08 12,29 12,08 12,74 12,30 11,55 12,84 12,94 13,25 12,48 12,06 12,24 11,44 II. Quartal 3,56 3,94 3,84 3,53 3,57 3,68 3,63 4,13 3,79 3,68 3,72 3,38 3,44 III. Quartal 4,57 4,87 4,70 4,43 4,23 4,16 4,45 4,74 4,71 4,51 4,38 4,39 4,36 IV. Quartal 4,70 4,87 4,61 5,30 5,21 5,47 6,10 6,06 5,60 5,30 5,21 5,18 4,86 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Verhältnis Quartals-/Jahresmarktanteil I. Quartal 2,1 2,1 2,1 2,1 2,2 2,0 2,1 2,0 2,1 2,1 2,1 2,1 2,1 II. Quartal 0,6 0,7 0,7 0,6 0,6 0,6 0,6 0,7 0,6 0,6 0,6 0,6 0,6 III. Quartal 0,8 0,8 0,8 0,7 0,7 0,7 0,7 0,7 0,7 0,8 0,7 0,8 0,8 IV. Quartal 0,8 0,8 0,8 0,9 0,9 1,0 1,0 1,0 0,9 0,9 0,9 0,9 0,9 Quelle: IMF, OeNB, UNWTO, eigene Berechnungen. Ohne internationalen Personentransport. 2014: Schätzung. 2.3 Mögliche Wachstumspfade für den österreichischen Tourismus Im Rahmen des Berichts des Expertenbeirats wurde im Jahr 2012 ein ökonometrisches Prognosemodell entwickelt, das für den vorliegenden Bericht adaptiert und neu geschätzt wurde (Lohmann et al., 2012, 2013 und 2014). Bei der Modellbildung für die Tourismusexporte wurde angenommen, dass Österreich am internationalen Tourismuswachstum partizipieren kann. Das ökonometrische Modell (im Anhang befindet sich eine Modellbeschreibung) erklärt die internationale Tourismusnachfrage in der EU-15 (entspricht den realen Tourismusexporten der EU-15) in Abhängigkeit vom realen BIP der EU-15 und den relativen Preisen (Export-/Importpreise). Die daraus resultierenden realen Tourismusexporte der EU-15 gingen simultan in die Gleichung für Österreich ein, wodurch sich nach der Berücksichtigung der relativen Preise (Exportpreise Österreich/Exportpreise EU-15) die realen Exporte Österreichs ableiten lassen. Sonderentwicklungen wie Ostöffnung und 9/11 wurden mit Hilfe von "Dummy"-Variablen erfasst. Die vorliegende mittelfristige Prognose bis 2020 geht von einer Inangriffnahme und spürbaren Fortschritten bei der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte aus. Staatsbankrotte der Euro-Problemländer sowie ein Zerfall des Euro-Raums werden ausgeschlossen. Weiters wird davon ausgegangen, dass die politische Krise in der Ukraine friedlich gelöst wird. Auf Basis der mittelfristigen Wachstumsannahmen ergab die Modellsimulation für die Prognoseperiode 2014/2020 bei den österreichischen realen Tourismusexporten eine Wachstumsrate von ¾% pro Jahr, wogegen bei den realen Tourismusexporten der EU-15 laut Modell eine Wachstumsrate von 21 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" knapp 3,0% pro Jahr möglich ist. D.h., bei Konstanz der Verhaltensweisen (= Parameterkonstanz) – so die Grundannahme von Prognosen auf Basis von ökonometrischen Modellen – kann trotz der Berücksichtigung der, wenn auch nur moderaten, internationalen Nachfragebelebung, keine höhere Exportwachstumsrate als +¾% pro Jahr erzielt werden, wodurch weitere Marktanteilsverluste entstehen würden (siehe nachstehende Abbildung 5). Natürlich würde eine kräftigere gesamtwirtschaftliche Expansion auch die österreichischen Tourismuswachstumsraten erhöhen, wobei jedoch der Wachstumsrückstand zur ebenso belebten touristischen Entwicklung in der EU-15 nicht verkleinert werden würde, so dass weiterhin Marktanteilsverluste entstünden. Weiters könnte die österreichische Exportwachstumsrate auch durch eine (im Vergleich zur EU-15) relative Verbilligung des österreichischen Tourismusangebots erhöht werden. Jedoch wirken sich gerade die Maßnahmen im Zuge der Steuerreform nicht vorteilhaft auf die internationale preisliche Wettbewerbsfähigkeit aus. In diesem Zusammenhang lassen sich nur die Auswirkungen der Mehrwertsteuererhöhung für Beherbergung von 10% auf 13% quantifizieren, alle anderen Maßnahmen entziehen sich in Bezug auf das ausgelöste Investitions- und Konsumverhalten einer Quantifizierung. Unter der Annahme, dass die durch die Mehrwertsteuerhöhung ausgelöste Preissteigerung zur Gänze von den Konsumenten getragen wird, gehen bei einer ökonometrisch gemessenen Preiselastizität der Auslandsnachfrage (= reale Tourismusexporte) von –0,36 die von den ausländischen Gästen insgesamt generierten realen Umsätze im Jahresdurchschnitt einmalig um etwa 0,3% zurück (die Beherbergungsausgaben stellen nur etwa 30% der Gesamtausgaben dar). Für die Binnennachfrage wird eine ähnlich geringe einmalige Wirkung unterstellt. Insgesamt ist also der negative Preiseffekt auf die Gesamtnachfrage bereits auf Jahresbasis klein und hat mittelfristig nur sehr geringe Auswirkungen auf das Prognoseergebnis. Abbildung 5: Entwicklung des realen Export-Marktanteils Österreichs in der EU-15 (1990-2020) Aktuelle bzw. prognostizierte Entwicklung und flexibler Trend 11 10 Realer Marktanteil in % 9 8 flexibler Trend des realen Marktanteils aktuelle/prognostizierte Entwicklung des realen Marktanteils 7 6 5 4 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 Quelle: Eigene Berechnungen. 2015-2020: Prognosen. Der flexible Trend wurde auf Basis der von Hodrick-Prescott entwickelten Methode mit der Software EViews 8.1 ermittelt (Hodrick und Prescott, 1997). 22 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Für die Prognoseperiode wurden die relativen Preise unter Einrechnung der Effekte der Mehrwertsteuererhöhung in Österreich ab 2016 als konstant angenommen und keine Sonderentwicklungen ins Kalkül gezogen, so dass die Tourismusnachfrage weitgehends nur durch das Wirtschaftswachstum bestimmt wurde. Die reale Nachfrage der Österreicher nach Inlandsaufenthalten wird gesondert aus der langfristigen Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage Österreichs (reales BIP) seit 1995 abgeleitet, wobei eine Wachstumselastizität von rund 0,3 errechnet wurde. In Bezug auf die Einschätzung der zukünftigen Entwicklung des Binnenreiseverkehrs muss angesichts des hohen Niveaus und des hohen Sättigungsgrades davon ausgegangen werden, dass für die Periode 2014/2020 günstigstenfalls die Elastizität der Vergangenheit gehalten werden kann. Somit werden bei einer erwarteten BIP-Wachstumsrate von rund 1,3% pro Jahr die realen Umsätze im Binnenreiseverkehr mit einer Wachstumsrate von ½% pro Jahr ansteigen. Bei einem Vergleich der aktuellen Prognoseergebnisse mit denen des Vorjahres fällt auf, dass die Größenordnungen der Resultate in etwa übereinstimmen (Lohmann et al., 2014), die Situation des österreichischen internationalen Tourismus sich jedoch graduell verbesserte, wobei langsam wirkende strukturelle Verbesserungen schlagend werden. Natürlich können durch die Forcierung rasch wachsender Auslandsmärkte und durch Qualitätsverbesserungen die Wachstumsraten erhöht werden, jedoch zeigten die in der Vergangenheit gesammelten Erfahrungen, dass eine rasche und effektive Internationalisierung erhebliche Anstrengungen erfordert und nicht leicht umsetzbar ist. Dennoch haben wir optimistisch voraussehend angenommen, dass durch Internationalisierung und weitere Qualitätsverbesserungen eine Erhöhung der Wachstumsrate der von der Auslandsnachfrage resultierenden realen Umsätze möglich ist, und eine jährliche Wachstumsrate in der Größenordnung von 1½-2% pro Jahr eine erreichbare Zielgröße darstellen sollte. Die Gesamtumsätze in realer Rechnung könnten damit um etwa 1½% pro Jahr zunehmen. Im Hinblick auf die Verbindung der quantitativen Indikatoren (Nächtigungen) mit monetären Größen (realen Umsätzen) müssen Annahmen bezüglich der Entwicklung des realen Aufwands (Umsatzes) je Nacht bzw. der Güte der qualitativen Entwicklung der Nachfrage je Nacht getätigt werden. Angesichts der seit 2008 stark rückläufigen realen Aufwendungen je Nacht (siehe Abbildung 2) sind wohl zukünftige starke Qualitätssteigerungen nur schwer vorzustellen. Eher kann erwartet werden, dass Maßnahmen getroffen werden, die den negativen Trend der Qualitätsverminderung stoppen und eine leichte Verbesserung erlauben. Demnach sind Strategien, die nur eine mäßige Ausdehnung des Nächtigungsvolumens anstreben, geeignet, die Umkehr in der Qualitätsentwicklung herbeizuführen. Anders ausgedrückt heißt das, dass jährliche Nächtigungssteigerungen von signifikant über 1% pro Jahr das Qualitätsziel konterkarieren würden. Demnach würde ein Nächtigungsvolumen von 140 Mio. Nächtigungen im Jahr 2020 (+1% Jahr) eine durchaus attraktive Zielgröße darstellen, die außerdem leichte Qualitätsverbesserung erlaubt. Stärkere Nächtigungssteigerungen, die keine Verbesserung des realen Aufwands je Nacht erlauben, sind nicht anzustreben. 23 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" 2.4 Zusammenfassung, Schlussfolgerungen und Maßnahmen Die quantitativen Entwicklungstendenzen stellen Österreich ein gutes Zeugnis aus: So konnten die Touristenankünfte im Zeitraum 2000/2014 um rund 2½% pro Jahr von 26,3 Mio. (2000) auf 37,6 Mio. (2014; +11,3 Mio.) gesteigert werden, wobei sich die Entwicklung aufgrund des stärkeren Wachstums der Ausländernachfrage seit 2010 beschleunigte (2010/2014: Gesamtnachfrage +3% pro Jahr; Ausländer: +3½% pro Jahr). Auf Nächtigungsbasis zeigte sich ein ähnliches Entwicklungsmuster, jedoch waren die Zuwachsraten (Nächtigungen insgesamt – 2000/2010: +1% pro Jahr; 2010/2014: +1½% pro Jahr) aufgrund der rückläufigen Aufenthaltsdauer geringer. Die Diskrepanz zwischen der Nächtigungs- und Ankunftsentwicklung bzw. die rückläufige Aufenthaltsdauer erklären auch zum Teil die potentiellen Einnahmenverluste der österreichischen Tourismuswirtschaft. Dies wird umso deutlicher, wenn man von einer fiktiven Konstanz der Aufenthaltsdauer seit 2000 ausgeht: Eine solche Rechnung bringt zu Tage, dass im Zeitraum 2000/2014 der Rückgang der Aufenthaltsdauer insgesamt rund 30 Mio. Nächtigungen "gekostet" hat (das sind etwa 4,5-5 Mrd. Euro ). Diese potentiellen Einnahmenverluste haben viele Ursachen: • Die zunehmende Produktdifferenzierung – auch beschleunigt von der zunehmenden Globalisierung – hat potentiell die zur Verfügung stehende Konsumzeit reduziert, wobei dabei zu bedenken ist, dass sich auch die Zeitbudgets in den traditionellen Herkunftsmärkten nicht wesentlich vergrößert haben. • Kleine Länder wie Österreich haben natürliche und klimatische Grenzen, die Produktvielfalt auszudehnen. • Die relativen Transportkosten haben sich erheblich verbilligt und die Verkehrslogistik hat sich stark verbessert, so dass jetzt schneller, günstiger und einfacher noch mehr Aktivitäten konsumiert werden können. • Der Zahlungsverkehr (Euro, Kreditkarten) sowie das informationspotential des Internets erleichtert die rasche und einfache Konsumation von verschiedenen Produkten an verschiedenen Orten. Der österreichische Tourismus ist weiters mit einem starken Strukturwandel konfrontiert: Der strukturelle Wandel begünstigt vor allem die touristische Entwicklung in den Städten, wogegen die tourismusintensiven ländlichen Gebiete starke Schwierigkeiten haben, weiter zu wachsen. Die Vorteile der Städte liegen im Angebotsbereich, in der Infrastruktur, in der leichteren Erreichbarkeit und in der wachsenden Urbanisierung, wobei insgesamt die städtischen Erlebnisbündel genau in das Nachfrageprofil der immer größer werdenden Gruppe der postmodernen Konsumenten passen. Weiters zeigen Analysen deutlich, dass eines der Flaggschiffe des österreichischen Tourismus – die Wintersaison – trotz der weiterhin hohen Spezialisierung an Bedeutung verliert, Markanteilsverluste müssen in Kauf genommen werden. Die Einbußen im Wintersportbereich können zum Teil auf das Demografieproblem (steigender Anteil von Bevölkerungsgruppen mit höherem Alter), den Klimawan- 24 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" del (kürzere Winter, Schneemangel) und das stagnierende Interesse jüngerer Personen am Wintersport bzw. die zunehmende Vielfalt an anderen Aktivitätsmöglichkeiten zurückgeführt werden. Es muss auch bereits wiederholt hervorgehoben werden, dass sich die Tourismusangebote – vor allem die der tourismusintensiven ländlichen Regionen – an Kundenschichten mit nur geringer Nachfragedynamik richten und auf den relevanten Märkten eine hohe Preiskonkurrenz vorherrscht. Auch stellt sich weiters die Frage, ob man die gegebenen Wachstumsmöglichkeiten aufgreifen und ein "ReEngineering" des Angebots durchführen will. Dabei geht es um die Schaffung "postmoderner" Strukturen in Form von durch den Konsumenten beliebig kombinierbaren Erlebniskomponenten mit hohem Erinnerungswert. Diese Angebotsformen haben einen hohen Differenzierungsgrad und tragen damit zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit bei. Die weltwirtschaftlichen Turbulenzen stellen gemeinsam mit den herrschenden wirtschafts- und geldpolitischen Instabilitäten im internationalen Umfeld immer größer werdende Herausforderungen für den österreichischen Tourismus dar. Die Verlangsamung des mittelfristigen Wirtschaftswachstums seit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise, die hohe Arbeitslosigkeit sowie die zunehmenden wirtschaftlichen Unsicherheiten generieren Zukunftsängste und verschlechtern zusätzlich die Rahmenbedingungen für befriedigende monetäre touristische Wachstumsraten. Ein weiteres Hindernis für die Realisierung von höheren Erträgen im österreichischen Tourismus stellt die Kapitalknappheit sowie die Eigenkapitalschwäche der Betriebe dar, wodurch Investitionen zur Festigung der Wettbewerbsposition erschwert werden. Es muss auch berücksichtigt werden, dass sich das Wachstum der Weltwirtschaft mittelfristig verlangsamt hat, wodurch sich die Rahmenbedingungen für die Entwicklung des internationalen Tourismus deutlich verschlechterten. Als Konsequenz kamen signifikante Rückgänge der touristischen Einkommenselastizitäten zur Wirkung (Gunter und Smeral, 2014). Anders ausgedrückt schlagen sich Einkommenssteigerungen in geringerem Ausmaß als in den Perioden davor in Steigerungen der Tourismusnachfrage nieder. Ursachen hierfür sind die ansteigenden wirtschaftlichen Unsicherheiten seit der letzten globalen Finanz- und Wirtschaftskrise (im Prinzip seit 2007): Es kam zu Urlaubsverzichten und Einsparungen durch Senkung der Aufenthaltsdauer bzw. durch die Wahl billigerer Unterkünfte. Weiters wurden Urlaubsbudgets zum Teil oder auch zur Gänze zur Finanzierung notwendiger Konsumgüter sowie eines erhöhten "Vorsichtssparens" verwendet. Die spezifischen Rahmenbedingungen für die Entwicklung des österreichischen Tourismus waren damit denkbar ungünstig: Einerseits war die österreichische Tourismuswirtschaft damit konfrontiert, das durch "Kaufzurückhaltung" geprägte labile Konsumklima sowie die von der zögerlichen, schwunglosen und fragilen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ausgehenden negativen Impulse zu bewältigen und in Geschäftserfolge umzumünzen. Andererseits hatten die Unternehmen 2014 zusätzlich die wetterbedingten Nachteile (Schneemangel im Winter und hohe Zahl an Regentagen im Sommer) zu verkraften. Der Blick in die Zukunft zeigt Hoffnung und moderate Wachstumschancen, die durch die geeigneten Maßnahmen und Kooperation vergrößert werden können: 25 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Auf Basis der mittelfristigen Wachstumsannahmen ergab die Modellsimulation für die Prognoseperiode 2014/2020 bei den österreichischen realen Tourismusexporten eine Wachstumsrate von ¾% pro Jahr, wogegen bei den realen Tourismusexporten der EU-15 laut Modell eine Wachstumsrate von knapp 3,0% pro Jahr möglich ist. Es muss nicht betont werden, dass eine kräftigere gesamtwirtschaftliche Expansion in Europa auch die Tourismuswachstumsraten erhöhen würde. Dieses optimistische Szenario können wir zwar nicht ausschließen, halten es aber unter den absehbaren wirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten für nicht realistisch. In Bezug auf die Einschätzung der zukünftigen Entwicklung des Binnenreiseverkehrs muss angesichts des hohen Niveaus und des hohen Sättigungsgrades davon ausgegangen werden, dass für die Periode 2014/2020 günstigstenfalls die Wachstums-Elastizität der Vergangenheit gehalten werden kann. Somit werden bei einer erwarteten BIP-Wachstumsrate von rund 1,3% pro Jahr die realen Umsätze im Binnenreiseverkehr mit ½% pro Jahr ansteigen. Natürlich können durch die Forcierung rasch wachsender Auslandsmärkte und durch Qualitätsverbesserungen die Wachstumsraten erhöht werden, jedoch zeigten die in der Vergangenheit gesammelten Erfahrungen, dass eine rasche und effektive Internationalisierung erhebliche Anstrengungen erfordert und nicht leicht umzusetzen ist. Dennoch haben wir optimistisch voraussehend angenommen, dass durch Internationalisierung und weitere Qualitätsverbesserungen eine Erhöhung der Wachstumsrate der von der Auslandsnachfrage resultierenden realen Umsätze möglich ist und eine jährliche Wachstumsrate in der Größenordnung von 1½%-2% pro Jahr eine erreichbare Zielgröße darstellen sollte. Die Gesamtumsätze in realer Rechnung könnten damit um etwa 1½% pro Jahr zunehmen Im Hinblick auf die Verbindung der quantitativen Indikatoren (Nächtigungen) mit monetären Größen (realen Umsätzen) müssen Annahmen bezüglich der Entwicklung des realen Aufwands (Umsatzes) je Nacht bzw. der Güte der qualitativen Entwicklung der Nachfrage je Nacht getätigt werden. Wir gehen davon aus, dass Maßnahmen getroffen werden, die den negativen Trend der Qualitätsverminderung stoppen und eine leichte Verbesserung erlauben. Demnach sind Strategien, die nur eine mäßige Ausdehnung des Nächtigungsvolumens anstreben, geeignet, die Umkehr in der Qualitätsentwicklung herbeizuführen. Anders ausgedrückt heißt das, dass jährliche Nächtigungssteigerungen von signifikant über 1% pro Jahr das Qualitätsziel konterkarieren würden. Demnach würde ein Nächtigungsvolumen von 140 Mio. Nächtigungen im Jahr 2020 (+1% pro Jahr) eine durchaus attraktive Zielgröße darstellen, die außerdem leichte Qualitätsverbesserung erlaubt. Stärkere Nächtigungssteigerungen, die keine Verbesserung des realen Aufwands je Nacht erlauben, sind nicht anzustreben. Die Ursachen der Wachstumsschwierigkeiten des österreichischen Tourismus sind nicht neu und wurden schon mehrmals aufgezeigt. Aus diesen Gründen haben auch einige der vorgeschlagenen Maßnahmen partiell nur einen eingeschränkten Neuheitswert. Auf Probleme nicht mehr hinzuweisen, weil sie zum Teil nicht mehr neu sind, ist ein nicht befriedigender Lösungsansatz, zumal auch bei weiter bestehenden Problemen beständig ihre Beseitigung bzw. die spürbare Milderung eingefordert werden sollte. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die bis jetzt gesetzten Maßnahmen wegen ihrer strukturellen Wirkungen zum Teil nur schrittweise getroffen wurden, vor 26 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" allem da auch die Trägheit der Angebotsanpassung in Rechnung zu stellen ist. Auch die Breitenwirkung und die Intensität der Maßnahmen fielen noch zu gering aus, so dass die Defizite zwar teilweise kleiner wurden, aber weiter bestehen blieben. Einige Vorschläge des letzten Expertenberichts im Bereich der Finanzierung und Förderziele (Lohman et al., 2014) wurden bereits erfolgreich umgesetzt: So bestanden wesentliche Neuerungen darin, die Förderungszuschüsse vor allem auf Schwerpunkte wie Saisonverlängerung, Betriebsgrößenoptimierung und Energieeffizienz zu konzentrieren. Die Abwicklung der Förderung wurde wie bisher von der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank (ÖHT) nach dem "One-Stop-Shop-Prinzip" durchgeführt. Weiters erfreulich ist, dass aufgrund einer neuen Kooperation mit der Europäischen Investitionsbank die Finanzierungsschwelle für zinsbegünstigte Kreditmittel auf 700.000 Euro (vorher eine Mio. Euro) deutlich gesenkt werden konnte. Mit den geschaffenen neuen Richtlinien wird auch die Innovationsförderung von vorbildlichen Leuchtturmprojekten im ländlichen Raum erleichtert. Die Förderung erstreckt sich nicht nur auf Kooperationsprojekte, sondern auch auf einzelne Betriebe im ländlichen Raum. Generell ist zu betonen, dass die Ansätze zur verstärkten Kooperation bei der Umsetzung einer gemeinsamen Tourismusstrategie deutlich sichtbar sind. Insbesondere hat sich die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in den letzten Jahren bezüglich der Tourismusförderung ("Förderpyramide") stark verbessert bzw. auch verfeinert. Insgesamt zeigte sich deutlich, dass sich seit den begonnen Anstrengungen des BMWFW (damals BMWFJ) im Jahre 2010, neue tourismusstrategische Maßnahmen zu setzen, der österreichische Tourismus quantitativ belebte. Zur Weiterverfolgung und Optimierung des Erfolgs sind jedoch weitere konsequente Vertiefungen und Verbreiterung der Bemühungen unerlässlich. Für die Weiterentwicklung des österreichischen Tourismus gilt im Allgemeinen, dass die alte Erfolgsstory – der einzelne Betrieb ist das Zentrum der Angebotserstellung – überholt ist, vielmehr geht es darum, gemeinsam ein integriertes Angebot mit Alleinstellungsmerkmalen und hohen Erinnerungswerten zu schaffen. Grundsätzlich ergeben sich folgende wesentliche Ansatzpunkte zur Anhebung der touristischen Wachstumsraten: • Die Internationalisierung ist weiterhin voranzutreiben bzw. das Gewicht von rasch wachsenden Herkunftsmärkten muss erhöht werden: In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass für eine erfolgreiche Internationalisierung eine signifikante Erhöhung des Marketingbudgets der Österreich Werbung notwendig ist. Die weitere Internationalisierung des österreichischen Tourismus bedeutet nicht nur, dass die Betriebe vom stärkeren Wachstums in Übersee und den Schwellenländern profitieren, sondern sie können auch von neuen Gästen und deren Informationen Nutzen ziehen, damit ihr Angebot verbessern und so die Wettbewerbsfähigkeit steigern. In diesem Sinne wirken Internationalisierungsstrategien wie Innovationen im touristischen Angebot, und die Erhöhung der spezifischen Marketingbudgets ist gleichbedeutend mit einer Innovationsförderung. 27 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" • • Die dabei zu bewältigenden Herausforderungen im Zuge einer Internationalisierung liegen in einer verstärkten Bearbeitung der Märkte in den USA (hier vor allem der Ostküste), Westeuropas, der MOEL, Australiens sowie der neuen Fernmärkte – China, Südkorea, Japan, Taiwan, Indien, arabischer Raum und Türkei. Nach der Entspannung der politischen Situation stellt auch Russland weiterhin ein erhebliches Wachstumspotential dar. Eine Internationalisierung muss jedoch beachten, dass auch angebotsseitig Schritte notwendig sind. Hier ist vor allem an die Entwicklung geeigneter und wettbewerbsfähiger Produkt-Markt-Kombinationen auf Netzwerkbasis zu denken, wobei eine verbesserte Online-Distributionspolitik und eine generell verstärkte Verkaufsorientierung Unterstützung leisten würde. • Erhöhung der Effizienz der knappen Werbemittel: Diese Forderung ist alt, kann jedoch nicht oft genug wiederholt werden. Durch eine bundesländerübergreifende Abstimmung der Marketingbudgets bzw. der Marketingaktivitäten soll bei ähnlichen Themen (Berge, Wintersport, Flüsse, Seen, Dorfkultur, usw.) in einigen oder mehreren Ländern Vielfachwerbung vermieden werden, wodurch Mittel für Fernmärkte und/oder spezielle Kampagnen freigesetzt werden könnten. Eine koordinierte Vorgangsweise sollte durch die Schaffung eines bundesweit integrierten Markendachs unterstützt werden. Das Anstreben einer Eigenständigkeit in Bezug auf die weitere Etablierung einer länderspezifischen – nicht bundesweit koordinierten – Markenarchitektur bewirkt gesamtwirtschaftlich ebenso suboptimale Ergebnisse. • Die Bildung von Destinationen ist weiter voranzutreiben, wobei die Bildung eines Netzwerkcharakters im Vordergrund stehen sollte: Durch die ganzheitliche Integration werden großbetriebliche Strukturen simuliert, die aufgrund von internen und externen Produktivitätsgewinnen Wettbewerbsvorteile erwirtschaften können. Eine erhöhte Investitionskraft und ein verbessertes Humankapital (durch höhere Löhne) wären die positiven Konsequenzen. Da integrierte Destinationen im Gegensatz zu rein betriebsspezifischen Angeboten über eine differenziertere Angebotsstruktur verfügen, könnten die postmodernen Nachfragetrends besser genutzt sowie der sinkenden Aufenthaltsdauer entgegen gewirkt werden. Anders ausgedrückt, Konsumenten "kaufen" Erlebnisbündel und sind weniger am betriebsspezifischen Angebot interessiert – in diesem Sinne ist der Betrieb nur ein "Lieferant" an das Destinationserlebnis. Destinationen sollten ferner anstreben, Ausbildungsund Forschungs- sowie Design-Zentren oder auch andere Formen der "creative industries" anzusiedeln und damit versuchen, die städtischen Erfolgsmodelle zu kopieren. Eine Vernetzung der regionalen Kompetenzen mit den Leistungen der geschaffenen Institutionen/Einrichtungen würde eine Basis für Synergien zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit darstellen. Anders formuliert sollte eine strategisch orientierte Tourismusförderung in Zukunft weniger die Kernbereiche wie Hotellerie und Gastronomie, sondern die tourismusrelevanten begleitenden Dienstleistungen des Angebots im weiteren Sinne bzw. die Verlängerung der Wertschöpfungskette fokussieren. 28 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" • Nachfragestimulierung durch Produktinnovationen und -differenzierung sowie Qualitätsverbesserung (erstreckt sich auch auf die öffentliche und betriebliche Infrastruktur): Ein wichtiger Weg in diese Richtung wäre Authentizität zu simulieren bzw. durch radikale architektonische Neuerungen in Bezug auf die touristischen Kernstrukturen, die Attraktionen und die tourismusrelevanten Einrichtungen eine "neue Authentizität" zu erreichen, wobei in Verbindung mit den angebotenen Aktivitätspotentialen regionale Alleinstellungsmerkmale geschaffen werden können. • Berücksichtigung des Klimawandels: Auch wenn durch "wetterbedingte" Zufälle günstige Winterergebnisse erzielt werden, steht fest – die Winter werden kürzer, milder und die sogenannten "schneesichern Gebiete" werden weniger. Weiters muss berücksichtigt werden, dass die Folgen des demografischen Wandels und die steigende Interesselosigkeit jüngerer Bevölkerungsgruppen, Wintersport auszuüben, ihre Wirkungen zeigen. Die Hoffnungen, Migrantenpotentiale (inklusive Nachkommen) sowie Wiedereinsteiger für den Wintersport zu "aktivieren" müssen weitgehend auch als solche angesehen werden und haben nur bescheidene Realisierungschancen bzw. eröffnen nur geringe Zuwachsmöglichkeiten. Schon jetzt sollten die Angebotsstrukturen niedriger gelegener Wintersportorte zügig mit Ganzjahreskomponenten (Tagungen, Wellness, Kultur, schneeungebundenen Sportarten) bzw. attraktiven, vernetzten Freizeiträumen angereichert werden. Regionalpolitisch gesehen wird es längerfristig auch zu einer teilweisen Umverteilung der Nachfrage vom alpinen Bereich zugunsten anderer (noch) tourismusextensiver Gebiete und den Städten kommen. • Die Tourismusforschung und die touristischen Vertiefungsrichtungen an den Universitäten müssen gestärkt werden: Die Problembewältigung im österreichischen Tourismus benötigt sowohl im praktischen als auch im politischen Bereich ein ausgeprägtes Verständnis für das komplexe touristische System. Gut ausgebildete junge Menschen sind ein wichtiges Zukunftskapital. Wir empfehlen daher, die touristische Lehr- und Forschungstätigkeit an den Universitäten und Fachhochschulen nicht nur zu erhalten, sondern anzureichern und weiter zu stärken. Das Geschäftsfeld der Tourismusbranche wird immer komplexer und erfordert deshalb eine langfristige Beobachtung der Entwicklungen in dieser Branche. Wir empfehlen folglich eine nationale Forschungs- und Innovationsoffensive für den Tourismus. Die Umsetzung dieser wichtigen Maßnahme kann durch die Einrichtung eines Forschungsförderungsfonds mit einem kompetitiven Forschungsförderungsprogramm in Angriff genommen werden (Lohmann et al., 2013 und 2014). Dabei sollte aufgrund der Knappheit von Forschungsmitteln eine bundesweite Koordinierung der Tourismusforschung durchgeführt werden, so dass der Rahmen von groß angelegten und notwendigen Grundlagenstudien gesichert ist, und Doppelgleisigkeiten bzw. die Zersplitterung der Forschungsbudgets vermieden werden können. 29 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" 3 3.1 Destinationen auf dem Vormarsch Einleitung Destinationen sind wohl der zentrale Gegenstand der tourismuspolitischen und -managementspezifischen Diskussion in vielen Ländern. Dies gilt auch für Österreich mit einer langen Tradition in der räumlichen Organisation des touristischen Erlebnisses. Budgetrestriktionen, ein gesellschaftlich entsprechend legitimiertes Konsum- und Sparverhalten in Krisenzeiten sowie die teilweise radikalen technologischen Innovationen sind der geeignete Boden für das In-Frage-Stellen des Bewährten und des Bestehenden insgesamt. Dies gilt nicht zuletzt für das touristische Destinationsmanagement, das sich im beträchtlichen Wandel befindet – sei es durch die Diskussion um zukunftsträchtige Lösungen, sei es in der teilweise versuchten Umsetzung neuer oder verbesserter Ansätze. Was hat sich diesbezüglich getan in den letzten Jahren? Ausgangspunkt ist ohne Zweifel die von Privatwirtschaft und Politik gewünschte Wettbewerbsfähigkeit des Tourismusmanagementsystems. Dabei spielen verschiedene Faktoren zusammen, die in sich zumeist zusammenhängen, allerdings bei entsprechender Analyse der Strategieumsetzung in unterschiedlichen größeren und kleineren Tourismusregionen nicht immer den Eindruck von Abstimmung, Koordination und Stimmigkeit bestätigen. Die Querschnittsfunktion des Tourismus erfordert insbesondere in der Gestaltung und Entwicklung von Räumen und Regionen professionelle Kooperation und Koordination, was wiederum ein Grundverständnis von Kooperation und Qualität bei den entsprechend eingebundenen Akteuren in diesen raumgebundenen Netzwerken verlangt. Wenn sich die politischen Rahmenbedingungen ändern, und in der Folge kritische Fragen zur Finanzierung der Tourismusorganisation gestellt werden, kommt es regelmäßig zu kontroversen Debatten und häufig auch zu überstürzten Reformvorschlägen. In der Tat verlaufen die Änderungen von Rahmenbedingungen im wirtschaftlichen, gesellschaftlichen oder technologischen Bereich teilweise mit sehr hoher Dynamik, was wiederum hohe Flexibilität und Reaktionsvermögen bei den Tourismusverantwortlichen benötigt. Allzu starre Regelungen zur Finanzierung einer Tourismusorganisation sowie allzu starre Spielregeln des Zusammenspiels von Gremien, Ausschüssen, Vollversammlungen und Strukturen insgesamt verlangsamen die notwendige Anpassung und die erforderliche Innovationsbereitschaft als Grundmotivation des Wandels. 3.2 Hauptentwicklungstendenzen der letzten Jahre In den letzten Jahren sind in vielen Ländern Reformen eingeleitet oder umgesetzt worden, um gemäß den veränderten Bedingungen auch die Schlagkraft von touristischen Regionen zu erhöhen. In erster Linie wurden dabei räumliche Vergrößerungen in Betracht gezogen: der Schritt von einer Tourismusregion hin zur Destination und von einer Tourismusorganisation hin zu einer Destination Management Organization (DMO) erforderte dabei (zu) lange Diskussionen unter Beteiligung vieler verschiedener Akteursgruppen, was die Komplexität der Prozesse und Strategien ersichtlich werden ließ. Dabei ist es insbesondere die Akteursgruppe der Eigentümer und Betreiber von Beherbergungs- 30 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" und Gastronomieunternehmen, welche die Effektivität und Effizienz des Tourismusmanagementsystems einfordert und dabei nicht selten in Konfrontation zur Politik geht. Kleinbetriebliche Strukturen aller Beherbergungsklassen spüren dabei im Besonderen die Abhängigkeit von einer professionell geführten Tourismusorganisation und der Notwendigkeit eines kooperativen Marketing- und Kommunikationssystems. Dies führt dazu, dass zwischen den größeren Betriebseinheiten und deren Unternehmern Konfliktlinien ersichtlich werden und das Management der Region und/oder Destination erschweren. Dabei kann es vorkommen, dass die Notwendigkeit von Tourismusorganisationen zum Teil in Frage gestellt oder relativiert wird. Andererseits ist es möglich, dass andere Marktteilnehmer das Beibehalten jener Strukturen, die auf den gegebenen kooperativen (und kleinräumigen) Verhältnissen bestehen, in den Vordergrund rücken. Der (gefühlte) Verlust der Kontrolle über die Wertekette insbesondere bei professionell agierenden Tourismusunternehmern führt letzthin stärker dazu, dass diese sich von der Tourismusorganisation abwenden, indem sie – sofern möglich– die Mitgliedschaft beenden oder im Falle von Pflichtmitgliedschaften ihr Engagement reduzieren und die Sinnhaftigkeit der Organisation in Frage stellen – was in einem auf Vertrauen basierenden Kooperationssystem auch keinen Vorteil bringt. Ineffiziente Organisations- und Finanzierungsarrangements im Destinationsmanagement sowie eine größere Markttransparenz und die damit einhergehenden Probleme bei der Gestaltung von professionellen Vertriebssystemen lassen erkennen, dass die Kooperationseinheit Destination aus der Sicht spezifischer Akteursgruppen an Bedeutung verliert. Diese bilden beispielsweise kooperative Formen der Angebots- und Produktentwicklung sowie des Marketings zwischen den Betrieben, entwickeln Angebotsgruppen mit spezialisierten Produkterlebnissen, und treten auf diesem Wege zunehmend in Konkurrenz zur traditionellen Tourismusorganisation. Man konnte damit in den letzten Jahren eine Hinwendung zu thematischen Kooperationen durchaus feststellen, wobei die zu Tage tretenden Ineffizienzen in den räumlich angelegten Destinationskooperationen diese Tendenz noch verstärken. Vielerorts scheint sich diese Erkenntnis durchzusetzen, wobei dies einhergeht mit Überlegungen, "dass solche überörtlichen, thematisch ausgerichteten Kooperationsformen in Zukunft die lokale Kooperation in Destinationen (verstärkt) flankieren und damit zu einer steigenden organisationalen Komplexität der touristischen Dienstleistungsproduktion beitragen" (Volgger, Pechlaner und Pichler, 2013, 70). Die hier dargestellte zunehmende Tendenz zu überörtlichen Kooperationen (insbesondere zwischen Hoteliers) lässt sich aus der Motivation ableiten, durch die gewonnene Stärke auch verstärkt auf die Entwicklungen der vertikalen Kooperation mit Attraktionspunkten Einfluss zu nehmen. Die Diskussionen und Entwicklungen des Destinationsmanagements der letzten Jahre zeigen, dass zum Einen immer noch ein allzu starker Fokus auf den Destinationsraum vorhanden ist, der letztlich einher geht mit räumlichen Abgrenzungen gegenüber anderen Destinationen, und zumeist geprägt ist von politisch-administrativen Grenzen. Daher war dieser bisher kaum imstande, das zu erreichen, was eine der Grundannahmen für die Destination war, nämlich aus der Sicht des (potentiellen) Gastes die Grenzen des Bewegungs- und Erlebnisraumes zu ziehen (Pechlaner, 2003). Mehr noch befinden sich viele Tourismuspolitiker in der Defensive, wenn es darum geht, bei der Überlegung zur Einführung eines neuen Finanzierungssystems für die Tourismusorganisation die Vorzüge eines Tourismusabgabensystems durch gesetzliche Regelungen zu legitimieren. Bei Betrachtung bestehen- 31 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" der Modelle erkennt man allzu sehr die räumliche Logik, welche der themen- und produktspezifischen Entwicklungslogik kaum Entwicklungsspielräume zugesteht, und damit beinahe wie ein Korsett wirkt. Veränderungen im Tourismusmanagement- und -finanzierungssystem führen eher dazu, größere Räume zu schaffen, was grundsätzlich sinnvoll ist (siehe Tirol oder Graubünden), jedoch führen diese Entwicklungen zu beträchtlichen Veränderungen in den traditionellen Hierarchien, weil durch das Entstehen großräumiger Destinationen durch Zusammenlegung mehrerer örtlich ausgerichteter Tourismusorganisationen neue Rollen bei Landes- und selbst nationalen Tourismusorganisationen entstehen können. Tourismusorganisationen auf örtlicher, überörtlicher, Landes- und nationaler Ebene stehen in einem Zusammenspiel zueinander. Die Verteilung von Rollen und Prozessen und vor allem das Ineinandergreifen der Prozesse zwischen den verschiedenen Ebenen der Tourismusorganisation sind ausschlaggebend für die Destination Governance (Pechlaner, Pichler und Volgger, 2013). In den letzten Jahren konnte man zunehmend beobachten, dass durch die Veränderungen der Tourismusorganisation auf einer Ebene ein entsprechender Anpassungsbedarf auf anderen Ebenen notwendig wurde; diese Einsicht folgt langen und oft kontroversen Diskussionen und verursacht ebenso Ineffizienzen im Gesamtsystem, die sich dann auch negativ auf die Wahrnehmung der touristischen Akteure auswirken. Die Problematik liegt dabei häufig darin, dass die neu entstandenen Destinationen als Zusammenschluss von Orten einen interessanten Bewegungs- und Erlebnisraum aus Sicht des Gastes bilden und obendrein auch die Akteure entlang der Wertekette diese Räume als sinnvoll erachten und sich mit ihnen identifizieren, während landesweit agierende Tourismusorganisationen unter bestimmten Umständen an Unterstützung verlieren, sofern sie nicht mit massiver Markenbildungs- und Marketingaktivität einen Nutzen stiften können. Dann jedoch treten sie in Konkurrenz zu national agierenden Organisationen und Agenturen, die als großen Vorteil auf ihre Marktpräsenz und – kompetenz verweisen können. Kooperationen mit räumlichem Schwerpunkt brauchen zunehmend einen Themenfokus, um die Voraussetzungen für eine effektive Koordination (wie koordinieren?) und entsprechenden Nutzen bei den Akteuren (wie kooperieren?) zu schaffen; Kooperationen mit starkem Themenfokus brauchen aber auch die räumlichen Destinationen, um die Erlebnisse für den Gast umsetzbar zu machen. Die Verbindung von Raum- und Themenfokus schafft die entsprechende Vernetzungsqualität. 32 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Abbildung 6: Förderung der Vernetzungsqualität Arbeitsgruppen_operativ Ergebnis_dünn Zufriedenheit Kontakte_nützlich Qualität Know_how_ international Effizienz_mehr Greifbare Erfolge Synergien_ausnutzen Rotationsprinzip Mitarbeiter_kompetent Entscheidung Vernetzungsqualität "Clash of governance models" Geld_sparen Leadership Heterogenität Geschwindigkeiten_drei Leistungsverkauf Dreiklassengesellschaft Vertrauen, Transparenz und Informationsaustausch Asymmetrie_ Professionalität Vertrauen Kontinuität_mehr Kommunikation_ intern Erfahrungsaustausch Transparenz Rollenverteilung Quelle: Pechlaner und Volgger, 2014. Die Digitalisierung führt obendrein dazu, dass sich die Betriebe des Tourismus zunehmend spezialisierten Online-Vertriebsplattformen zuwenden und damit einen weiteren Grund haben, die Effektivität einer Tourismusorganisation in Frage zu stellen. Dies führt innerhalb der Tourismusorganisationen zu einer zunehmenden Trennung von Produkt-Markt-Aufgaben einerseits (Branding, Vertrieb, Marketing, Produktentwicklung) und den Grundaufgaben (z.B. Information, Lobbying, Gästebetreuung, Management von Infrastrukturen) andererseits. Wenn die unternehmerischen Akteure des Tourismus die Produkt-Marktaufgaben der Tourismusorganisation zunehmend über andere Organisationen und Agenturen einkaufen, sinkt die Legitimität der Tourismusorganisation. Dies kann allerdings auch dazu führen, dass man beispielsweise über die Schaffung von Innovationspools Plattformen schafft, welche den Betrieben bei entsprechender finanzieller Beteiligung die Möglichkeit geben, innerhalb der räumlichen Kooperation je nach Interesse und fokussiert auf Themen und Spezialisierungen, zusammenzuarbeiten. Dabei wird die Mitfinanzierung der Tourismusorganisation gesichert, die nicht mehr vollständig diese Produkt-Markt-Aufgaben finanziert, sondern sich nur 33 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" mehr anteilig engagiert, die Grundaufgaben hingegen weiterhin vollständig abdeckt (Pechlaner und Osti, 2002). Ein weiterer Aspekt, der mit der Professionalisierung der Tourismusorganisation einhergeht, ist – insbesondere wegen der räumlich gesehen größer werdenden Ferienregionen – die Diskussion rund um das Thema Markenbildung (siehe auch Lohmann et al., 2014). Länder und Regionen, aber auch Landschaftsgebiete oder Städte, starten vermehrt Markenbildungsprozesse und entwickeln dabei Dachmarken für das regionale Tourismusmarketing und die Standortförderung. Markenleitbilder stellen dabei häufig den Versuch dar, auf der Basis von Kernkompetenzen und -werten jenes zentrale Dach zu schaffen, das wie eine Klammer einen möglichst effektiven Destinationsraum mit seiner Akteursdiversität zusammenhält. Marken sind Versprechen an den Markt und basieren auf spezifischen Identifikationen der Akteure mit den der Marke zugrunde liegenden Werten. Insofern sind Markenbildungsprozesse ein steter Prozess, der immer wieder Impulse braucht. In den letzten Jahren konnte man beobachten, dass zwar immer mehr Dachmarkenprozesse gestartet wurden, um eine effektivere Möglichkeit des Marktauftritts zu schaffen, dass die dabei notwendige (interne) Pflege über die Entwicklung der Marke hinaus aber weniger intensiv betrieben wird. Dazu gehören beispielsweise die Umsetzung der Markenwerte in den Produkten und Angeboten und damit der Themen-Fokus. Marken sind ein Versprechen für ein Erlebnis und die dahinter stehenden Kompetenzen, die das Ganze glaubwürdig machen, aber auch dafür, dass eine Region für bestimmte Angebote und Erlebnisse nicht steht, weil die Kompetenz hierfür nicht gegeben ist – auch das ist Glaubwürdigkeit. Stattdessen vergrößert sich häufig die Diskrepanz zwischen dem Markenversprechen und dem tatsächlichen "Gemischtwarenladen", den eine Destination im Produkt- und Angebots-Portfolio enthält. Ein dritter Aspekt, der in den letzten Jahren beobachtet werden konnte, besteht im Versuch der Integration von Tourismus- und Standort-Marketing. Dies erkennt man einerseits bei Markenbildungsprozessen, bei denen die Diskussion um die Markenkernwerte geführt wird, andererseits aber auch, weil im Zuge der Entwicklung von Angeboten der Tourismusregionen der marktseitige Trend nach lebensnahen und glaubwürdigen Erlebnissen stärker aufgenommen wurde. Im Zusammenspiel derselben ergibt sich ein breiteres Spektrum der Zielgruppen und Projekte, um sowohl die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit durch Unternehmenswachstum und Standortentwicklung zu erreichen, als auch die Lebensqualität für Bürger und Gäste im strategischen Fokus zu haben, indem die touristische Produkt- und Angebotsentwicklung vorangetrieben wird. Die Kooperation ermöglicht Synergien im Bereich der Innovationsförderung durch gemeinsame Schwerpunktsetzungen und kann durch eine Dachmarkendiskussion ohne Zweifel erleichtert werden, auch wenn die Umsetzung im Bereich der Forschung und Entwicklung als Basis für die Produkt- und Angebotsentwicklung bis hin zur gemeinsamen Kommunikation viel Disziplin und Erfahrung im Bereich Koordination und Kooperation erfordert (Pechlaner et al., 2012). Länder wie Vorarlberg (z.B. Architektur und Tourismus), Wallis (Tourismus, Landwirtschaft, Industrie und Handel), Tirol (Tourismus, Wirtschaft und Wissenschaft) oder Südtirol (Tourismus und regionale Produkte) haben mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen und organisatorischen Regelungen diesen Weg eingeschlagen. 34 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" 3.3 Wohin geht der Weg? Der Begriff Destination kommt somit in die Jahre und wird durch vielschichtige Erfahrungen aufgeladen. Man sieht es auch daran, dass rund um den Themenkomplex Destination immer mehr unterschiedliche Zugänge, Ansätze und nicht zuletzt Theorien diskutiert werden. Die wissenschaftliche und praxisbezogene Diskussion hat sich mehr als in anderen Bereichen auf die Destination eingelassen. Das Konstrukt "Destination" hat sich in den letzten Jahren ohne Zweifel zu einem Feld der Möglichkeiten integrativer und zusammenführender Sichtweisen touristischer Ansätze und Wertarchitekturen entwickelt. Ganz nebenbei hat die "Destination" das Potential, multi- und interdisziplinäre Sichtweisen zu sammeln und zu ordnen. Management- und Planungskategorien ebenso wie Fragen der Steuerung und Leadership lassen sich am Beispiel der Einheit Destination vortrefflich diskutieren und anwenden. Destinationsplanung und -management – verstanden als Möglichkeit, Entwicklungsund Gestaltungsprozesse im Raum zu formulieren – werden in der Diskussion eines Destinationsmanagements flankiert von der Sichtweise einer räumlichen Wettbewerbseinheit "Destination", in welcher unter Anwendung traditioneller Management-, Planungs- und Organisationsmethoden der Eindruck entsteht, man könne komplexe, selten klar erkennbare Interdependenzen "gemäß den stets sich ändernden Verhältnissen" (Moltke, 1891-1893) effektiv steuern. Es ist zum einen die zunehmende weltwirtschaftliche und -politische Verflechtung unter Globalisierungsbedingungen zu nennen, welche das Wirtschaften und Leben in Raum und Gesellschaft dergestalt verändert, so dass auch das Reisen in Industrie-, aber auch in Entwicklungs- und Schwellenländern eine neue Bedeutung erfährt, und die Akteure bestehender und tradierter Organisationsverständnisse einer Destination aus einem teilweise unsanften Schlaf erwachen lassen. Es sind die damit einher gehenden Ikonen im Spannungsfeld universalen Anspruchsdenkens à la UNESCO-Welterbe und veränderte Verhaltensweisen im (Google-) Informationszeitalter, in welchem jeder eine neue Rolle als Informationskonsument und -produzent hat. Dies lässt erahnen, dass das Management von touristischen Destinationen zukünftig weniger von den strategischen Überlegungen einzelner Akteursgruppen mit ähnlichen tourismuspolitischen Interessen beeinflusst wird, sondern mehr von den schwer lenkbaren Touristenströmen, den "Straßen der Ameisen" (in Anlehnung an Keul und Kühberger, 1996) abhängt. Dies ergibt sich zunehmend durch die technologischen Möglichkeiten des modernen Konsumenten und seiner sozialen Netzwerke (Schirrmacher, 2013): Wie "Im Netz lesen und gelesen werden" wird zur zentralen Herausforderung. Modernes Destinationsmanagement ist zukünftig weniger ein erfolgversprechendes Gestalten räumlicher und gesellschaftlicher Entwicklung, es ist vielmehr ein Reagieren auf sich ständig wandelnde Konsumentenwünsche und -erfahrungen und ein Versuch, MobilitätsGrundmuster zu erkennen, um dann in einem weiteren Schritt Anstrengungen zu unternehmen, die Motive dieser Besucherströme zu verstehen und auch zu verwalten oder in Ansätzen zu gestalten. Es geht dann darum, Einfluss zu nehmen auf den potentiellen Touristen, damit er im Netz an den richtigen Stellen recherchiert (Reiseinspiration und Informationssuche), und ebenso Einfluss zu nehmen auf den mit einer bestimmten Destination bereits erfahrenen Touristen, damit auch dieser an den richtigen Stellen im Netz liest (Reisereflexion). Destinationen sind im Vormarsch, allerdings unter veränderten Rahmenbedingungen mit neuen Herausforderungen. "Smaller destinations are finding smart ways to market what they are, not what they think others want them to be" (Clampet, 35 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" 2015). Die räumliche (und finanzielle) Größe einer Destinationseinheit entspricht einem traditionellen Verständnis von Qualitäts- und Kooperationsansprüchen; zunehmend geht es aber darum, in einer Komplexität ein System zu erkennen und es zumindest in Ansätzen steuerbar zu machen. Und diese Steuerbarkeit hängt zunehmend auch davon ab, wie gemachte Erfahrungen von Gästen im digitalen Kontext formuliert und verbreitet werden, und wie man es schafft, eine entsprechende Rückkoppelung zu den Akteuren des Angebots zu ermöglichen, damit diese mit ihrer Motivation die im Netz herangebildeten Erwartungen auch weiter entwickeln können. "The rise of the boutique destination" (Clampet, 2015) hat ohne Zweifel in den sozialen Medien seinen Ursprung. Dazu braucht es weniger die großen Marketing- und Kommunikationsbudgets, um diese zu bewerben, sondern das nötige Verständnis für das Funktionieren der "social media". Entscheidend jedoch ist dann die Fähigkeit, aus den schwer erkennbaren Zusammenhängen von Daten und Informationen eine Akteurskompetenz im Raum zu entwickeln, die die Herstellung wettbewerbsfähiger Produkte und Angebote ermöglicht. Diese "boutique destinations" sind Ausdruck der vielfältigen Chancen für Orte und Räume, in denen man als Gast etwas vorfinden kann, das eine bestimmte Einzigartigkeit darstellt. Diese Destinationen werden nicht dadurch erfolgreich, weil sie eingebettet sind in ein (hierarchisches) Organisations- und Finanzierungskonzept eines Landes oder Staates, sondern weil sie sich bewusst von den großen und erfolgreichen Destinationen durch viel Persönlichkeit und einem Angebot von eigenwilligen Erfahrungsmöglichkeiten abheben. Attraktionspunkte entstehen dabei weniger durch Imitation ähnlicher Infrastrukturen, sondern durch die Fähigkeit, die konkrete touristische Dienstleistung mit dem Wert der Glaubwürdigkeit zu verknüpfen und dabei eine stetige Anpassungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Ein zentrales Grundmuster der Destinationsentwicklung der letzten Jahre geht mit der Erkenntnis einher, dass die sogenannten Destinationen als Systeme betrachtet werden müssen, deren Steuerung in Kontexten erhöhter Interaktion immer schwerer wird. Destinationsmanagement ist nicht nur komplexer geworden, sondern offenbart teilweise beträchtliche Grenzen in der Umsetzung dessen, was Strategie und Organisation bewirken möchten. Die Grenzen des planvollen organisatorischen Durchstrukturierens von Destinationen werden zunehmend sichtbar, weil die Grenzen der traditionellen Produkt- und Raumentwicklung durch "user-generated content" erkennbar werden und die Akteure vermehrt in die Rolle des Reagierens statt des Agierens gedrängt werden. Führung bedeutet in einem solchen Umfeld das stete Bemühen, das Führungspotential unterschiedlicher Akteure zu erkennen und durch die Vernetzung derselben eine Wirkung und einen Mehrwert zu erzielen. Führung von Destinationen obliegt damit nicht so sehr einzelnen "Destination Managern", sondern allen, die sich mit der Destination identifizieren und ihr dadurch einen Bedeutungsinhalt geben können. Komplexität bedeutet zuallererst anzuerkennen, dass es sie gibt und davon abzusehen, Management- und Organisationssysteme aufzubauen, die dem Anspruch folgen, Komplexität möglichst vollständig beherrschbar zu machen, was praktisch gesehen nur unvollkommen gelingen kann. Traditionelle Tourismus-Organisationssysteme in reifen Destinationskontexten tendieren dazu, systemerhaltend zu administrieren und dabei ein starkes Raumbewusstsein an den Tag zu legen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob es noch sinnvoll ist, nach politischen Vorgaben eine exakte 36 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" räumliche Abgrenzung von Destinationen vorzunehmen oder ob man nicht stärker ein bewusstes Über- oder Unterschreiten administrativer und politischer Grenzen in Räumen zulässt, weil contentgetriebenes Gästeverhalten und die Mobilitätsmuster von modernen Zielgruppen immer weniger mit den tourismusabgaberelevanten Grenzen von politischen Einheiten konform gehen. In Zukunft ist damit eine (räumliche) Flexibilisierung dieser Finanzierungsformen notwendig und sinnvoll, solange die Mittel weniger der Systembewahrung als der Systementwicklung und -erneuerung dienen. Ein klar strukturiertes Tourismusfinanzierungssystem unter besonderer Berücksichtigung der Festlegung von Steuern und Abgaben zur Finanzierung der Tourismusorganisationen macht vor den oben dargelegten Rahmenbedingungen nur dann Sinn, wenn es eine Intervention in einem komplexen Destinationssystem ermöglicht, um den eingangs skizzierten Markterfordernissen gerecht zu werden. Destinationen sind in einem aktuellen Verständnis als Netzwerk von Leistungsträgern zu verstehen, die sich zusammenfinden, um anlass- oder themenbezogen einen Beitrag zur Erstellung von touristischen Produkten zu schaffen (Pechlaner und Fischer, 2007). Destinationen sind ein raumspezifisches Zusammenspiel von Akteuren auf der Grundlage von Spielregeln, die sich aus Marktentwicklungen genauso wie aus politischen Erfordernissen ergeben. Wenn sich durch Marktentwicklungen Spielregeln ändern, erfordert dies ein Ingangsetzen von Anpassungsmechanismen einer koordinierenden Instanz: Destinationsmanagement ist dann insofern eher ein Setzen von Impulsen, um die notwendigen Anpassungen zu ermöglichen (Mack, 2003). Jedenfalls geht es darum, als Koordinationsinstanz die nötige Legitimation zu haben und auch als solche aufzutreten. In den Fokus rücken demzufolge verschiedene Steuerungsmedien als Unterstützer einer koordinierenden Instanz der Destination Governance (Raich, 2006). Macht kann auch ein relevanter Faktor sein, um Einfluss auf ein System zu nehmen. Dabei muss unterschieden werden zwischen der operativen Macht definierter Spielregeln, beispielsweise eines Tourismusfinanzierungssystems, und der sogenannten Regelmacht, die auch mit Leadership umschrieben werden kann. Letztere wird gerade vor oben genannten (markt- und gesellschaftsspezifischen) Herausforderungen eine zunehmend wichtige Rolle bekommen, wenn Intuition und Erfahrung bei der Destinationsentwicklung vielleicht den höheren Stellenwert erlangt als die Verfügbarkeit finanzieller Mittel, deren Allokation obendrein mit hohen Transaktionskosten verbunden ist. Trotzdem bleiben strukturell zentrale Akteure grundsätzlich in der Lage, durch ihre Position einen guten Überblick über die verfügbaren Netzwerkressourcen zu haben. Diese entstehen in einer digitalen Gesellschaft allerdings zunehmend außerhalb des Einflussbereiches dieser Akteure. Notwendig ist in Destinationssystemen gerade deshalb ein Vertrauen, das sowohl ein persönliches, personenbezogenes Vertrauen darstellt, aber auch jenes Vertrauen, welches auf die Erfahrungen mit politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen aufbauen kann (Zobolski, 2008). 3.4 Fazit Zusammenfassend kann gesagt werden, dass in den letzten Jahren rund um den Themenkomplex Destination verschiedene Entwicklungen beobachtet werden konnten. Ineffizienzen von kooperativen Systemen der Tourismusorganisation verstärken die Tendenz des Bedeutungsverlustes (räum- 37 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" licher) Destinationseinheiten zugunsten betrieblicher Kooperationen entweder in räumlicher Nähe oder überregional auf der Grundlage thematischer Spezialisierungen. Damit zusammenhängend wird die Destination Governance zur zentralen Herausforderung für Politik und Management. Die Digitalisierung touristischer Dienstleistungen bringt eine stärkere Trennung von Produkt-MarktAufgaben und Grundaufgaben der Tourismusorganisation mit sich, was nur durch ein verstärktes Betonen von thematischen Schwerpunkten im Kontext von geeigneten Erlebnisräumen gebremst werden kann; dies wiederum wird zunehmend durch engere Vernetzungen von Standort- und Destinationsmanagement und der zugrunde liegenden Entwicklung von regionalen Innovationssystemen forciert. Der notwendige Themenfokus als Möglichkeit der marktseitig geforderten Attraktivität sowie die Möglichkeit der Tourismusorganisation, insbesondere im hierarchischen Zusammenspiel der Tourismusorganisationen eine neue Rolle einzunehmen, hat damit eine gute Grundlage. Mit der abnehmenden Bedeutung dieser Hierarchien und der zunehmenden Bedeutung von flexiblen Netzwerken in Form eines Zusammenspiels von Agenturen und Unternehmen geht die Erkenntnis einher, dass mehr denn je das Content-Management und die Produktentwicklung zentrale Aufgaben von Tourismusorganisationen bleiben werden, während Marketing, Branding und nicht zuletzt das Booking nur in jenen Regionen sinnvoll entwickelt werden können, wo entsprechende räumliche Größenordnungen mit geeigneten Themen und Produkten vorherrschen sowie professionell geführte Organisationen existieren. Gesellschaftlicher Wertewandel verstärkt das Bedürfnis nach authentischen und persönlichen Erlebniskomponenten, die im situativen Zusammenspiel einen Mehrwert bieten. Kompetenz- und Markensysteme stellen vor diesem Hintergrund Lösungsversuche für die weitere Entwicklung des Destinationsmanagements dar. Die Kunst besteht darin, jene Kernwerte für die Markenbildung zu betonen, welche ein Potential für die weitere Identitätsbildung der Akteure aufweisen und zugleich jene Räume umschließen, die für die zukünftigen Herausforderungen bei Marketing und Vertrieb als geeignet erscheinen. Die engeren Verzahnungen von Standort-, Regional- und Destinationsmanagement mit Blick auf Markenbildung und Themenfokus sowie den entsprechenden Weichenstellungen bei der Flexibilisierung des Tourismusmanagementsystems stellen somit die Herausforderung für den österreichischen Tourismus der nächsten Jahre dar. 38 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" 4 Informationstechnologische Werkzeuge im Tourismus – Messung von Angebot und Nachfrage Die Bedeutung informationstechnologischer Werkzeuge im Tourismus wurde vom Expertenbeirat im Berichtszeitraum 2010 bis 2014 exakt einmal evaluiert (vgl. Lohmann et al. 2012, 39-44). Dieser Bericht verwies auf die zunehmende Bedeutung des Online-Marketing und der Online-Distribution hin und formulierte – auf Basis einer Modellrechnung der wirtschaftlichen Bedeutung elektronischer Distributionssysteme in Österreich – verschiedene Handlungsempfehlungen für die österreichische Tourismuspolitik und -wirtschaft. Im aktuellen Bericht soll nun erörtert werden, inwieweit sich das Internet als zentrales touristisches Informationsmedium seither entwickelt hat. Zunächst erfolgt eine Zusammenfassung jener nationalen und internationalen Quellen, die sich mit den elektronischen Entwicklungstrends beschäftigt haben. In diesem Zusammenhang werden internationale Trends analysiert und ihre möglichen Auswirkungen auf die österreichische Tourismuswirtschaft diskutiert. Anschließend wird die erstmalig für das Jahr 2010 erstellte ökonomische Betrachtung des elektronischen Distributionssektors auf Basis neuer Erkenntnisse aktualisiert und zu einem Entwicklungsmodell erweitert. Schließlich wird untersucht, in welchem Ausmaß die im Jahr 2012 geplanten Maßnahmen tatsächlich umgesetzt wurden, und welche neuen Handlungsempfehlungen daraus resultieren. 4.1 Informationstechnologische Entwicklung des Tourismus im Zeitraum 2010-2014 Im bereits erwähnten Untersuchungszeitraum hat sich das Internet als wichtigstes touristisches Informationsmedium kontinuierlich weiter entwickelt. Die OECD betrachtet zwischenzeitlich die Ausstattung der Tourismusbetriebe mit informationstechnologischen Werkzeugen zur Unterstützung der touristischen Wertschöpfungskette als den maßgeblichen Erfolgsfaktor (OECD, 2011). Die strategische Bündelung von betrieblichen Leistungen und die elektronische Aufbereitung und Vermarktung sind demnach die richtungsweisenden Faktoren für den Erfolg einer Destination. Gezielte Investitionen in die informations- und kommunikationstechnologische Bildung der im Tourismus tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie die Entwicklung von innovativen Technologien bringen den entsprechenden Destinationen die markantesten Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig bewirkt die verstärkte Nutzung von innovativen Technologien im Tourismus aber auch unerwünschte Prozesse und zahlreiche Schwierigkeiten und schafft damit neue Herausforderungen für die Tourismuswirtschaft. Der Suchprozess nach verlässlichen Quellen, die über informations- und kommunikationstechnologische Ausstattung sowie Verfahrensweisen und Probleme im Tourismus in Österreich Auskunft geben, gestaltet sich jedoch damit äußerst schwierig. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Ländern mit einer hohen Investitionsbereitschaft in Verfahren zur Analyse der Entwicklung der für den Tourismus wichtigen Kommunikations- und Distributionsbereiche, liegt Österreich hier nicht mehr im Spitzenfeld. Die unmittelbaren Auswirkungen werden bei der Suche nach wichtigen Daten und Fakten zur Entwicklung von informationstechnologischen Werkzeugen im Tourismus erkennbar. Zuverlässige und regelmäßig durchgeführte Studien zu diesem wichtigen 39 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Thema sind in Österreich nur sporadisch zu finden. Die meisten der nachfolgend diskutierten Erkenntnisse stammen aus Länderstudien mit durchwegs geringerer volkswirtschaftlicher Bedeutung des Tourismus. 4.2 Das Informations- und Buchungsverhalten von Reisenden im Zeitalter elektronischer Medien Eine aktuelle Studie von Google unter insgesamt 5.000 Personen erlaubt aussagekräftige Einblicke in das veränderte Informations- und Buchungsverhalten von Reisenden im Zeitalter elektronischer Medien. 3) Befragt wurden Personen, die in den letzten sechs Monaten mindestens einmal aus persönlichen oder mindestens drei Mal aus beruflichen Gründen verreisten. Die Studie wurde thematisch in die unterschiedlichen Kaufentscheidungsphasen unterteilt und untersucht somit das ganze Spektrum des Kaufentscheidungsprozesses – vom frühen Stadium der Inspirationssuche über die detailliertere Recherche nach Destination und Unterkunft bis hin zur abschließenden Buchung. Sowohl Business- wie auch Leisure-Reisende recherchieren vor einer Buchung häufig im Internet. Entscheidende Einflussfaktoren sind hier soziale Netzwerke mit Publikationen von Fotos und Videos sowie Ergebnisse von Buchungs- und Suchmaschinen. Neben der Suche nach einer adäquaten Reise erfolgt auch zunehmend die Buchung selbst online. 57% der Nutzer ist eine umfassende und einfach zu bedienende Webseite wichtig. In diesem Zusammenhang haben "Online Travel Agencies" (OTAs) aufgrund ihrer anwendungsfreundlicheren, optimierten Werkzeuge einen wesentlichen Vorteil. Aus der Studie wird ein Trend zu mobilen Anwendungen erkennbar. Mehr als ein Drittel bevorzugt die Buchung von einem Mobiltelefon. Bemerkenswert ist dabei der begleitende multimodale Einsatz von Computer, Laptop oder auch Mobiltelefon zu jeder Phase einer Buchung. Darüber hinaus ist eine große Unzufriedenheit unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Umfrage mit den mobilen Webseiten von Unterkünften beobachtbar. 84% der Freizeitreisenden aus der Studie gaben an, bereits schlechte Erfahrungen mit mobilen Hotelwebseiten gemacht zu haben. Der Trend zu mobilen Reisebuchungen unterliegt weltweit einem kontinuierlichen Wachstum. Jeder Deutsche besitzt im Schnitt 2,2 internetfähige Geräte. Anfang 2013 lag der Anteil der MultiscreenNutzer bei 42%, das entspricht einem Wachstum von 50% gegenüber dem Vorjahr und von 229% gegenüber 2011. Reiserecherchen auf Smartphones haben sich 2012 mehr als verdoppelt – ein weiterer Beleg dafür, dass immer mehr Menschen mobile Geräte auch für die Inspiration vor der Reise nutzen. 4) Die Gäste buchen von unterwegs und nutzen dazu mehrere Geräte. Aus einer kürzlich erfolgten Untersuchung des Tourismustechnologieanbieters Criteo (Criteo, 2015), in der mehr als 1.000 Reiseportale analysiert wurden, geht hervor, dass bereits 21% aller Hotelbuchungen per Smartphone und Tablet getätigt werden. Lediglich rund 12% der mobilen Reisebuchungen werden mit speziellen Buchungs-Apps getätigt, die meisten mobilen Reisebuchungen beginnen mit einer 3) Google (2014): "The 2014 Traveler's road to decision", Google Travel Study, June 2014, Ipsos MediaCT. 4) http://www.travel4news.at/31194/tui-80-prozent-der-buchungen-beginnen-im-web/ 40 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" allgemeinen Suchmaschine. Die genannten Durchschnittszahlen gelten nicht für jedes untersuchte Land. Laut Criteo werden in Deutschland bislang erst 10% aller Hotelbuchungen mobil getätigt. Dass Hotelreservierungen über mobile Endgeräte im Vertrieb zunehmend an Bedeutung gewinnen, zeigt auch eine aktuelle Meldung des OTA-Anbieters booking.com, wonach sich der Transaktionswert der mobilen Buchungen zwischen 2011 und 2014 verdreifacht hat. Dieser überproportionale Anstieg ist bei der OTA auf eine gestiegene Nachfrage bei den Buchungs-Apps zurückzuführen. 5) Auch die Marktforscher von GfK haben das Informations- und Buchungsverhalten von Urlaubsreisenden im Jahr 2012 untersucht. 6) Basis dieser Studie war eine Kombination aus der monatlichen Befragung von Reisenden im Rahmen der GfK Travelscope-Untersuchung und den Daten aus einer software-basierten Messung des Onlineverhaltens im GfK Media Efficiency Panel. Die Ergebnisse der Untersuchung sind repräsentativ für die urlaubsreisende deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren mit Online-Erfahrungen. Das Internet spielt demnach bei fast allen Reisebuchungen eine bedeutende Rolle: Während 2006 lediglich 41% aller Befragten angaben, dass ihre Buchungen online beeinflusst waren, ist dies 2013 bereits bei 80% der Fall. Der Anteil an Online-Buchungen ist nur bei Reisen seit 2007 um 57% gestiegen. Jede dritte Urlaubsreise wird heute bereits im Internet gebucht, insbesondere Kurzfristbuchungen werden vorzugsweise online getätigt. Die meisten Kunden geben im Netz Bewertungen ab, um andere Interessenten zu unterstützen. Dies geht aus einer Erhebung zu Gästebewertungen hervor, die von Tomorrow Focus AG (u.a. 'Holidaycheck', 'Zoover') unter dem Titel "Die Psychologie des Bewertens" durchgeführt wurde. 7) Die Studie wurde im Herbst 2014 realisiert und gewährt Einblick in das Bewertungsverhalten der deutschen Internetbevölkerung im Netz – deren Motive, Einstellungen und Nutzungsgewohnheiten. In Summe wurden 3.023 Teilnehmer befragt und eine Trendentwicklung erhoben. Insgesamt haben rund 74% der Befragten schon einmal eine Online-Bewertung abgegeben, knapp ein Drittel sogar häufiger. Bei rund 78% der Befragten fallen die Bewertungen mehrheitlich positiv aus. Die Motive dafür sind recht unterschiedlich: 45% der Befragten bewerten mit der Intention, andere im Entscheidungsprozess zu unterstützen. Für 18% der Befragten liegt das Motiv der Bewertung in dem unmittelbaren Bedürfnis, dem Bewerteten einen Vorteil zu verschaffen – wie z.B. die Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Rund 17% bewerten mit der Absicht, sich zu bedanken oder ihrem Ärger Luft zu machen und 11% bewerten, damit auch andere das bewertete Produkt kaufen bzw. Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Darüber hinaus verweisen die Ergebnisse der Studie auf das hohe Einflusspotential von Bewertungen auf Einstellungen zu Produkten oder Dienstleistungen: 91,9% der Befragten führen Online-Bewertungen als Orientierungshilfe an. Für den Beherbergungssektor verschiebt sich somit die Bedeutung von der traditionellen Hotelklassifikation durch nationale und internationale Ratingagenturen hin zu benutzerdefinierten Hotelbewertungen in Sozialen Medien. Das Vertrauen der Konsumenten in die aktuell zu erwartende Dienstleis5) http://hottelling.net/2013/04/12/mobile-hotelbuchungen-wachsen-uberproportional-booking-mit-3-mrd-us-dollar-umsatz-in-2012/ 6) http://unternehmen.tui.com/de/newsroom/presseveranstaltungen/Sommerkatalog-2014/jede-zweite-buchung-beginnt-im-internet 7) http://www.tomorrow-focus.de/newsroom/dokumenten-datenbank/pressemitteilung/studie-zum-bewertungsverhalten-im-internetinternetnutzer-bewerten-um-zu-helfen-reisen-ist-top-thema_aid_1331.html 41 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" tungsqualität ist bei benutzergenerierten Hotelbewertungen wesentlich höher als bei traditionellen Klassifikationssystemen (Hensens, Struwig und Dayan, 2010). 4.3 Bedeutung und Entwicklung der Vertriebskanäle Prioritäres Ziel der Hoteliers ist es zwischenzeitlich, im Internet gefunden zu werden. Die Anzahl der Vertriebskanäle hat sich deutlich erhöht, und in der Online-Welt stehen zahlreiche Vertriebspartner mit unterschiedlichen Angeboten zur Verfügung. 2012 initiierte die Österreichische Hoteliervereinigung (ÖHV), der Hotelverband Deutschland und der "Hotelleriesuisse" in Zusammenarbeit mit dem Institut für Tourismus der Fachhochschule Westschweiz Wallis in Siders eine Umfrage, an der mehr als 1.400 Hotels teilnahmen. Daraus wird ersichtlich, dass 27% der Hotelbuchungen online erfolgen. 8) Insbesondere in der Top-Hotellerie und im Business-Bereich ist der Online-Vertrieb unverzichtbar. 19%, und damit der überwiegende Teil des Vertriebs, läuft über "Online Travel Agencies" (OTAs). Die am häufigsten frequentierten Online Travel Agents sind hrs.de mit tiscover.com und hotel.de bzw. booking.com. Angesichts ihrer Marktstärke nimmt sich die Bedeutung der direkten Konkurrenz bescheiden aus. Der Anteil der Echtzeitbuchungen auf den hoteleigenen Websites liegt in Österreich bei 6,6%. Betrachtet man die in den drei Ländern über Direktkanäle (Telefon, Fax, E-Mail, Formular/Buchungssystem auf eigener Webseite sowie Walk-ins) generierten Buchungen, so geht deren Anteil kontinuierlich zurück, liegt in Österreich aber noch bei 71%. Telefon, Brief, Fax und der Verkauf über Tourismusverbände und Reisebüros sind deutlich rückläufig, auf den Zeitraum der letzten 10 Jahre bezogen kommt es somit zu einer Abnahme um mehr als 30%. Auch HOTREC, der Dachverband der Hotelbetriebe, Restaurants und Cafés in Europa, hat die substanzielle Bedeutung von Analysen zur Entwicklung von Vertriebskanälen erkannt. So hat HOTREC, gemeinsam mit 26 nationalen Hotelverbänden in Europa, 2014 eine Studie zu Vertriebsformen durchgeführt (HOTREC, 2014; Schegg, 2014). Erhoben wurde der Marktanteil verschiedener Vetriebsformen, erstmalig gemessen an der Gesamtanzahl der Nächtigungen. Allerdings sind die Ergebnisse dieser Studie aufgrund veränderter methodischer Ansätze nur bedingt mit der Studie der ÖHV und anderen älteren Untersuchungen vergleichbar. Erhoben wurden der Einsatz und die Optimierung von Vertriebskanälen einerseits und Informations- und Kommunikationstechnologien andererseits durch Hoteliers. Der entsprechende Fragebogen wurde in 19 Sprachen formuliert und an alle Mitglieder der verschiedenen nationalen Hotelverbände versendet. Die auf das Jahr 2013 bezogene Datensammlung von 2.298 Betrieben fand zwischen Februar und April 2014 statt. Die Verlässlichkeit von Aussagen soll durch ein Gewichtungsverfahren auf Basis der nationalen Beherbergungsstrukturen gewährleistet sein. Die Anzahl der an der Studie teilgenommenen Betriebe variiert stark über die einzelnen Länder. Für Deutschland und die Schweiz sind aufgrund der Stichprobengrößen Aussagen auf nationaler Ebene 8) http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20120417_OTS0140/die-macht-der-buchungsportale-nimmt-zu und https://www.hotelleriesuisse.ch/de/pub/verband/news/die_macht_der_buchungsportale.htm 42 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" möglich, bei 60 teilgenommenen österreichischen Betrieben erschien eine separate Auswertung nicht zielführend. Darüber hinaus analysierte Schegg (2014) im Auftrag von HOTREC Vertriebskanäle in Europa. Daraus wird ersichtlich, dass direkte Buchungskanäle (Telefon, Fax, Walk-ins, E-Mail, Formular oder Buchungssystem auf der eigenen Website) weiterhin die mit Abstand wichtigsten Verkaufsschienen sind. Im Jahr 2014 wurden gemäß dieser Erhebung 56% der Buchungen in Europa über direkte Verkaufskanäle generiert. Die Quote der Echtzeitbuchungen auf hoteleigenen Websites liegt dabei immer noch im bescheidenen Bereich von 7,7%. Der Marktanteil der Tourismusorganisationen mit 1,4% aller Buchungen deutet auf eine marginale Bedeutung der Buchungsdienstleistungen von nationalen und regionalen Tourismusverbänden hin. Nur mehr 16,5% der Buchungen finden offline über Reisebüros statt. In Summe werden in Europa 24,8% der Buchungen in Echtzeit über Online-Kanäle generiert, mit einem Anteil von 22,5% klar dominiert durch die Online-Buchungsportale (OTAs). Übersicht 8: Marktanteile der Vertriebskanäle in Europa 2013 in % der Nächtigungen in 25 verschiedenen Ländern Stichprobe: 2.169, gewichtet Marktanteil Direkt – Telefon 19,41 Direkt – Mail/Fax Direkt – Walk-In (ohne Reservierung) Direkt – Kontakt von eigener Website (ohne Verfügbarkeitscheck) Direkt – Email Direkt – Echtzeitbuchung, eigene Website (inkl. Verfügbarkeitscheck) 2,66 5,79 5,50 14,91 7,67 Regionale Marketingorganisation / Interessensvertretung 0,95 Nationale Tourismusorganisation 0,39 Reiseveranstalter / Reisebüro Hotelketten in Kooperation mit CRS Wholesaler (z.B. Hotelbeds, Tourico, Gulliver, Transhotel, etc.) 9,59 1,63 3,54 Kongress- und Eventveranstalter 1,74 Elektronische Buchungsplattform (OTA) Globale Distributionssysteme (GDS) Soziale Medien Andere Distributionskanäle 55,94 1,35 16,50 22,50 1,89 0,42 24,81 1,40 1,40 Quelle:Schegg (2014). In der Stadthotellerie dominieren vor allem jene Online-Buchungsportale (OTAs), die in den letzten Jahren ihren Marktanteil überproportional steigern konnten, gleichzeitig zeigt sich bei vielen Betrieben auch ein starkes Abhängigkeitsverhältnis zu diesen Vertriebspartnern. Bemerkenswert sind die vergleichsweise geringen Anteile der OTAs bei den großen 4- bis 5-Sterne-Betrieben, diese Häuser realisieren aber über Globale Distributionssysteme (GDS) überdurchschnittlich viele Buchungen. 43 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Die höchsten Buchungsanteile über OTAs finden sich hingegen bei Hotels der niedrigeren Kategorien und bei kleinen Hotels. Die Echtzeitbuchungen auf den hoteleigenen Websites sind bei 4- bis 5Sterne-Betrieben und in der Markenhotellerie deutlich höher, als bei anderen Betriebstypen. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung der Lebenswelten vergleicht eine Studie von Ninic und Jarantowski (2014) jährlich die Online-Aktivität der 100 umsatzstärksten Hotels in Deutschland. 9) Dabei untersucht die Studie zum einen die Präsenz und Aktivität der Hotels in Sozialen Medien sowie ihre digitalen Maßnahmen zur Kundenbindung. Zum anderen verfolgt die Studie die Auffindbarkeit der Hotel-Webseiten in der Suchmaschine Google (anhand von Traffic, Backlinks, Sichtbarkeitsindex und Keyword Advertising). Experten erwarten für Google, dem führenden Suchmaschinenbetreiber der Welt, eine zunehmend wichtigere Rolle als Anlaufstelle für Reisesuchende im Internet. 10) Die aktuelle Studie zeigt kaum Entwicklung bei der Nutzung von Sozialen Medien wie Facebook, Google+ und Pinterest auf. 92% der an der Studie teilnehmenden Hotels sind bereits auf Facebook vertreten. Auch beim Kurznachrichtendienst Twitter, der lediglich von 49% der Hotels genutzt wird, sind wenig Veränderungen oder Aktivitäten erkennbar. Ebenso schwach fällt die Präsenz auf der erstmalig untersuchten Plattform Xing aus. Nur 42% der Hotels sind in dem Business Netzwerk vertreten, davon haben lediglich 4% ein kostenpflichtiges Employer Branding Profil. Nach Ansicht der Autoren verschenken viele Hotels Wachstumschancen, da es an Information ("Content") und Interaktion fehlt. Die fehlende Content-Strategie findet sich auch im zweiten Teil der Studie, der die einzelnen Websites und Website-Faktoren der Hotels untersucht. Demnach lassen ca. 70% das ContentPotential eines Corporate Blogs ungenutzt. Nur 9% der Hotels betreiben einen eigenen Blog. Ein ähnliches Bild präsentiert sich im Bereich Email-Marketing, in dem nur 22% einen eigenen Newsletter zur Kundenbindung und -gewinnung nutzen. Der erstmalig erhobene Bereich der Suchmaschinenwerbung zeigt, dass 66% der Hotels in Google Adwords investieren, 20% erzielen jährlich mehr als 100.000 Anfragen von Suchmaschinen. Mit über 10.000 beworbenen Keywords führen die Hotels der Ketten Hilton und Marriott das Ads Keyword Ranking an. 4.4 Die Macht der Online Travel Agencies (OTAs) Im Zuge der rasanten Entwicklungen der letzten Dekade ist das Internet zu einem der wichtigsten Distributions- und Marketingkanäle geworden. Dies stellt die Hotellerie insbesondere im Bereich der Preispolitik vor große Herausforderungen. Hotels vermeiden aufgrund der hohen Transparenz im Internet Preiserhöhungen. Laut einer Studie von Deutsch (2013) kann jedes fünfte Hotel in Deutschland steigende Kosten wegen der hohen Preissensibilität nicht an Gäste weitergeben. Auch diese Erhebung kommt zu dem Ergebnis, dass Recherchen von Zimmerpreisen im Internet zu mehr Preisbewusstsein bei den Gästen führen. Rund 24% der Hoteliers setzen verstärkt auf Benchmarking. Die 9) www.eventsofa.de/l/social-media-hotel-online-marketing-studie-2014.html 10) http://www.ahgz.de/verbaende/wettbewerb-unter-den-vertriebspartnern-verschaerft-sich,200012217166.html 44 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Preissensibilisierung hat bei 14% der befragten Hoteliers zu kurzfristigerem "Yielden" geführt. Insgesamt wurde festgestellt, dass der Markt Maßnahmen zur Senkung der Preistransparenz nicht zulässt. In Folge dessen versuchen Hoteliers mittels Preisdifferenzierungen die Preisbereitschaft der Kunden noch effektiver abzuschöpfen und ihre Distributionskosten durch Fokussierung auf den persönlichen Vertrieb und Verkauf über die eigene Homepage zu senken. Nach Ansicht von HOTREC verschiebt sich jedoch die Kontrolle über die Distributions-, Preis- und Produktpolitik zunehmend vom Hotel zum elektronischen Zwischenhändler. Negative Konsequenzen dieser Machtverschiebung sind unter anderem die ungenehmigte Nutzung von Hotelmarken, verschiedene Formen der Verfügbarkeits- und Preisgarantien und vorab gestellte Forderungen nach Provisionszahlungen, oft auch bei nicht erbrachten Leistungen (Lohmann et al. 2012, 40). Online-Buchungsportale sind nicht nur online, sondern auch in traditionellen Medien (z.B. Radio, Fernsehen, Printmedien) präsent. Ihre Macht nutzen sie auch bei der Vertragsgestaltung, sehr zum Missfallen der Hoteliers. Das Bundeskartellamt in Deutschland untersagte dem Webportal HRS die sogenannte "Bestpreisklausel" bei der Gestaltung von Verträgen. 11) Damit wurden die angeschlossenen Hotels verpflichtet, immer den besten Tarif für HRS-Kunden zu garantieren. Bestpreisklauseln bei Buchungsportalen im Internet behindern einerseits den Wettbewerb zwischen Buchungsportalen, andererseits wird neuen Anbietern der Marktzutritt erheblich erschwert. Neben dem günstigsten Preis mussten die angeschlossenen Hoteliers oft auch die höchstmögliche Zimmerverfügbarkeit und die günstigsten Stornierungskonditionen garantieren. Am 9. Jänner 2015 hat das Oberlandesgericht Düsseldorf die Beschwerde des Hotelbuchungsportales HRS gegen die Entscheidung des Kartellamts abgewiesen. 12) Dieses Verbot der HRS-Klausel bezieht sich derzeit jedoch nur auf in Deutschland betriebene Hotels. 11) http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-dienstleister/buchungsportal-fuer-hotels-kartellamt-untersagt-hrs-diebilligpreisklausel/9247952.html 12) http://www.ahgz.de/unternehmen/hrs-scheitert-mit-beschwerde-gegen-das-bundeskartellamt,200012218443.html 45 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Übersicht 9: Wie nehmen Hoteliers in der Schweiz die Online-Buchungsplattformen wahr? Quelle: Schegg und Fux, 2013. Eine weitere Strategie der OTAs ist, sich durch höhere Provisionen in der Hotellistung nach oben zu kaufen, wodurch bei Unternehmern und vor allem aber auch bei den Konsumenten maßgebliche Verärgerung ausgelöst wird (Riemer und Lehrke 2008). 13) Besonders problematisch sind diese Businessmodelle, wenn Zusammenfassungen von Gästebewertungen den Eindruck erwecken, dass die Reihenfolge der Listung auf Rückmeldungen von ehemaligen Gästen basiert. Schegg und Fux (2013) haben in der Schweiz untersucht, inwieweit Hoteliers die Online-Vertriebspartner einschätzen. Für drei Viertel der befragten Hotels sind die OTAs unerlässliche Vertriebspartner, gleichzeitig werden sie aber von 60% der Betriebe als teuer wahrgenommen. Während noch zwei Drittel der Betriebe die Buchungsplattformen als vertrauenswürdige Vertriebspartner einschätzen, beurteilen mehr als 20% der Hotelbetriebe die Partnerschaft als unfair respektive konfliktreich. Nach Ansicht der Autoren deutet dies auf ein gewisses Frustrationspotential bei einem großen Teil der Schweizer Betriebe. Die Geschäftsbedingungen der Online-Buchungsplattformen werden von der überwiegenden Mehrheit der Hotels vor allem in Bezug auf die Höhe der Kommissionierung, die Möglichkeit zur einseitigen Abänderung der Vertragsbestimmungen sowie der Forderung nach Ratenparität kritisiert. Auch viele andere Aspekte (z.B. Mindestkontingent oder Verfügbarkeitsparität) der Vertragsbedingungen werden von 40% der Hotels kritisch beurteilt, während nur etwa 20% diese als angemessen 13) http://hottelling.net/2012/12/11/ 46 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" empfinden. Generell ist die Wahrnehmung nur bei den folgenden drei Punkten etwas besser: die flexiblen Buchungsbedingungen für Gäste, die Möglichkeiten der Buchungssperre und die Stornierungsbedingungen. Interessanterweise gibt es kaum signifikante Unterschiede in der Wahrnehmung der Geschäftsbedingungen durch verschiedene Hotelsegmente (Kategorie, Lage, etc.). Die tendenziell kritische Sicht wird grundsätzlich geteilt. Dass Empfehlungen zur Direktvermarktung erste Erfolge zeigen, konnte erstmals in einer Studie von Tudori und Haynes (2012) nachgewiesen werden. Ursache dieser Entwicklung in Richtung Direkt- und sogar Offline-Vertrieb könnten die Auseinandersetzungen der Hotellerie mit den OTAs sein. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt der Hotelvertriebsmonitor 2013 der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV), der einen Anstieg der direkten Online-Buchungen in der österreichischen Hotellerie von 50% auf 60% beobachtet hat. In der Studie wird erstmals von einem Rückgang der Buchungen via Plattformen, Tourismusorganisationen und Social Media in Österreich berichtet. 14) Aus der Befragung geht hervor, dass E-Mail, die eigene Website und das Telefon die mit Abstand wichtigsten Buchungskanäle darstellen, gefolgt von den OTAs. Wobei Letztere, anders als bei den ländlichen Hotelbetrieben oder den alpinen Hotels, in der Stadthotellerie das Ranking auf den Kopf stellen: Für 97% der Stadt-Hoteliers sind sie den eigenen Erfahrungen zufolge der wichtigste Buchungskanal, mit deutlichem Abstand zu den eigenen Websites (88,9%) und den E-Mails (84%). Die Ergebnisse der Studie sind jedoch aufgrund veränderter methodischer Ansätze mit den Ergebnissen der vergangenen Jahre nur sehr eingeschränkt vergleichbar. 15) 4.5 Ökonomische Betrachtung des elektronischen Distributionssektors Provisionszahlungen für Kommunikations- und Reservierungsleistungen, Ausgaben für Suchmaschinenmarketing und Werbeeinschaltungen in Sozialen Medien reduzieren in steigendem Maße die positiven ökonomischen Auswirkungen der Tourismuswirtschaft auf die österreichische Volkswirtschaft, da die Anbieter dieser Systeme überwiegend aus dem Ausland operieren. Schegg und Fux errechneten für die von Schweizer Hotels insgesamt geleisteten Kommissionszahlungen an Reisemittler einen Betrag von 194 Mio. Schweizer Franken (für das Jahr 2012), davon wurden 124 Mio. Schweizer Franken für Online-Kanäle aufgewendet. Die OTAs haben dabei mit geschätzten 104 Mio. Schweizer Franken den größten Anteil (Schegg und Fux, 2013). Die im Jahr 2010 erstellte ökonomische Beurteilung des elektronischen Distributionssektors in Österreich (Lohmann et al., 2012, 40) wurde mit einigen in den letzten Jahren (vorrangig im Ausland) entstandenen Studien verglichen und unter Berücksichtigung der von Schegg und Fux (2013) durchgeführten Modellrechnung adaptiert. Änderungen bei den Modellannahmen beziehen sich auf die durchschnittlichen Nächtigungserlöse, die in dem überarbeiteten Model wesentlich höher angesetzt 14) http://www.oehv.at/Presse/Aktuelle-News/Gaste-buchen-wieder-mehr-online-direkt.aspx 15) http://www.tai.at/index.php/de/hotel/hotellerie13/5621-ohne-mail-geht-s-nicht-sie-ist-wichtigster-buchungskanal 47 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" werden. Dies vor allem, weil die Nächtigungserlöse bei den von OTAs vertriebenen Zimmern nach neuesten Erkenntnissen offensichtlich weit über dem österreichischen Durchschnittswert liegen. 16) Den Ergebnissen verschiedener Studien zufolge (Schegg und Fux, 2013; Schegg, 2014; PhoCusWright, 2014) wird der Anteil der über Online-Buchungsportale abgewickelten Geschäftsfälle in Österreich auf derzeit knapp über 20% der Nächtigungen geschätzt. 2011 lag dieser Anteil noch bei rund 15%. Ausgehend von einer auf den Buchungsportalen durchschnittlichen Provisionsrate von 13% und einem durchschnittlichen Nächtigungserlös bei OTAs vertriebenen Zimmern von rund 91,3 Euro analog der Schweizer Studie (siehe Übersicht 10), kann auf Basis einer Modellrechnung für das Jahr 2012 die wirtschaftliche Bedeutung der elektronischen Distributionssysteme in Österreich mit rund 181 Mio. Euro bestimmt werden, nach Schätzungen dürfte dieser Betrag bis zum Jahr 2014 auf etwa 212 Mio. Eurogestiegen sein. Gegenüber 2010 sind diese Ausgaben somit um mehr als die Hälfte (52%) gestiegen. Übersicht 10: Wirtschaftliche Bedeutung der elektronischen Distributionssysteme in Österreich 2010 2011 2012 2013 2014 Nächtigungen gewerbliche Unterkunftsarten (Mio.) 81,3 82,3 85,1 85,8 85,8 Online Buchungsanteil OTAs (%) 15% 16% 18% 19% 20% Provisionen online Distributionsdienstleistungen (%) 13% 13% 13% 13% 13% Durchschnittlicher Nächtigungsnettoerlöse bei OTAs (Mio. Euro) 87,8 89,6 91,3 93,2 95,0 1.071,3 1.214,1 1.394,4 1.550,4 1.630,3 139,3 157,8 Beherbungserlöse von OTA vermittelten Nächtigungen (Mio. Euro) Provisionen OTA Dienstleistungen (Mio. Euro) 181,3 201,6 211,9 Quelle: Statistik Austria; Schegg und Fux, 2013; Schegg, 2014; PhoCusWright, 2014; eigene Berechnungen. Unter Berücksichtigung der Herkunft der führenden elektronischen Reservierungs- und Buchungsplattformen (z.B. booking.com, hrs.com/hotel.de, expedia.com/venere.com/hotels.com) muss davon ausgegangen werden, dass der überwiegende Anteil der Provisionen für Distributionsdienstleistungen auf Importe entfällt, der die Leistungsbilanz der österreichischen Tourismuswirtschaft zunehmend schmälert. Im Beobachtungszeitraum 2010-2014 haben die österreichischen Hotelbetriebe vermutlich mehr als 892 Mio. Euro an Provisionen an überwiegend im Ausland ansässige Buchungsplattformen überwiesen. Ähnlich verhält es sich wahrscheinlich auch mit den Ausgaben für das Suchmaschinenmarketing. Auch wenn hier keine absoluten Zahlen verfügbar sind, muss davon ausgegangen werden, dass die Kostenentwicklung einen ähnlichen Verlauf zeigt (Ninic und Jarantowski, 2014). 16) Schegg und Fux gehen von 7,3 Mio. OTA-Nächtigungen und einem Umsatz von 800 Mio. Schweizer Franken aus. Im Jahr 2012 kostete eine durch OTA erzielte Nächtigung 110 Schweizer Franken (ca. 91,3 Euro). 48 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" 4.6 Handlungsempfehlungen Die Bedeutung informationstechnologischer Werkzeuge im Tourismus wird weiter zunehmen. Mobile Endgeräte, Tablets, Brillen mit integrierter Bildschirmfunktion, intelligente Armbanduhren und ähnliche Geräte liegen im Trend und haben für den Tourismus hohe Relevanz (Schuster und Werthner, 2013, 32f). Insbesonders die Kombination von Realität und Information (Augmented Reality) bietet für den informationsintensiven Kulturtourismus eine große Chance. Damit Kunden ihre Erlebnisse in der Destination und im Hotel aber nicht nur besser wahrnehmen, sondern – vor allem online – mit anderen kommunizieren können, sind exzellente Dienstleistungen und Produkte erforderlich. Um die Wertschöpfung dieser Dienstleistungen und Produkte in Österreich aufrecht zu erhalten, werden dringend tourismuspolitische Maßnahmen zur Förderung der Direktvermarktung und der Auffindbarkeit der Betriebe empfohlen. Eine österreichweite Initiative zur Standardisierung der OnlineBuchungsschnittstellen, um die Entwicklung nationaler Netzwerklösungen zu ermöglichen, die potentielle Kunden auf die Webseiten der Anbieter lenken, wurde bereits in Berichten zuvor angeregt (Lohmann et al., 2011, 35; Lohmann et al., 2012, 41). Direkte Buchungsmöglichkeiten müssen gefördert werden. Die Direktbuchbarkeit muss auf der Website mit gut sichtbarer, funktioneller und einfacher Buchungsmaske gewährleistet werden. Die Bestpreis-Garantie muss für Buchungen auf der Website der Unternehmer möglich sein, um Kunden nicht an andere Vertriebskanäle mit höheren Buchungs- und Vermittlungskosten zu verlieren. Betriebe müssen über ein aktives Kundenbeziehungsmanagement verfügen und Anfragen rasch und kompetent bearbeiten, damit Kunden die gewünschten Informationen nicht über andere Kanäle beschaffen. Das aktive Management von Online-Kundenbewertungen muss weiter entwickelt bzw. ausgebaut werden. Mittels Suchmaschinenmarketing soll die Online-Verfügbarkeit österreichischer Destinationen und Betriebe gefördert werden. Nur wer online verfügbar ist und gefunden wird, kann auch online gebucht werden. Der technologische Fortschritt bringt bei der Sammlung und Verarbeitung elektronischer Daten viele neue Herausforderungen – dies gilt auch für die Tourismuspolitik bei der Gestaltung der dafür notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen. Daraus ergeben sich neue Aufgabenstellungen im Bereich der touristischen Grundlagenforschung, die wesentliche und nachhaltige Investitionen der öffentlichen Hand benötigen. Im Bericht des Expertenbeirats 2011 wurde bereits auf den Gründungsbedarf eines für Österreich neuen interdisziplinären Forschungsbereichs der Tourismusinformatik hingewiesen (eine Liste wichtiger Erhebungstatbestände und Ziele findet man in Lohmann et al. 2011, 42). Geeignete Datenverdichtungs- und Entscheidungsunterstützungsmethoden zur Entwicklung von entscheidungsrelevanten Informationen wurden gefordert. Nur durch eine regelmäßige Beobachtung und Vorhersage des Einflusses der Informations- und Kommunikationstechnologie auf das Reiseplanungs- und Buchungsverhalten der Konsumenten sowie die Erfolgsmessung von Kommunikations- und Distributionsstrategien österreichischer Anbieter im internationalen Vergleich können Innovationen entstehen, die der österreichischen Tourismuswirtschaft einen nachhaltigen Konkurrenzvorteil verschaffen. 49 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Mittels touristischer Grundlagenforschung können Entscheidungsträger des österreichischen Tourismus die Möglichkeiten der Neuen Medien richtig nutzen. Um grundlegende Mechanismen der Informationsdiffusion in Medien unterschiedlicher Interaktivität und deren Auswirkung auf öffentliche Meinungsbildungsprozesse zu erfassen, gibt es erst wenige Arbeiten (Dickinger, 2011; Költringer, 2012; Stangl, 2011; Dickinger und Lalijic, 2015a,b). Im Beobachtungszeitraum 2010-2014 findet man in der vom BMWFW publizierten österreichischen Tourismusstrategie keinen Hinweis darauf, wie man in Österreich auf die großen Herausforderungen der informationstechnologischen Veränderungen im Tourismus reagieren will (BMWFJ, 2011, 2012, 2013; BMWFW, 2014). Die nationale informationstechnologische Innovationsoffensive im Tourismus hat sich in diesem Zeitraum ausschließlich der Frage gewidmet, inwieweit Österreich eine nationale Buchungsplattform benötigt (Schuster und Werthner, 2013). Dem Aus- und Weiterbildungsbedarf im Bereich der Informationstechnologien im Tourismus sowie der Forschungsförderung von touristischer Grundlagenforschung, die der Entwicklung von innovativen und technologischen Anwendungen für die Tourismuswirtschaft dient, wurde in Österreich bisher zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. 50 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" 5 Trends in der deutschen Tourismusnachfrage für Österreich 5.1 Bisherige Entwicklungstendenzen der Tourismusnachfrage für Österreich am deutschen Markt Der vorliegende Abschnitt befasst sich mit der Entwicklung der deutschen Tourismusnachfrage (Urlaubsreisen und Kurzurlaubsreisen) in Österreich in der jüngeren Vergangenheit und den daraus abschätzbaren Trends für die Zukunft. Grundlage sind die Daten der deutschen "Reiseanalyse" (RA). Erhoben werden Urlaubsreisen (Fünf Tage oder mehr) und Kurzurlaubsreisen (zwei bis vier Tage Dauer), wobei der Fokus der Betrachtung insbesondere auf den Erhebungen 2011 bis 2014 der Reiseanalyse bzw. die Berichtsjahre 2010 bis 2013 liegt. Erste Zahlen der ganz aktuellen Reiseanalyse 2015 wurden ergänzt. Die Reiseanalyse ist eine jährlich durchgeführte empirische Untersuchung (Befragung) zum Urlaubsreiseverhalten der Deutschen und zu ihren urlaubsbezogenen Einstellungen und Motiven17). Die Daten der RA werden seit 1970 an einer für die Wohnbevölkerung in Deutschland repräsentativen Zufallsstichprobe erhoben (ab 14 Jahren, deutschsprachig). Neben jährlich 7.500 persönlichen Interviews ("face-to-face") werden zusätzlich 5.000 Personen online befragt. Die touristische Nachfrage der Deutschen bei Reisen mit Übernachtungen besteht aus verschiedenen Segmenten, die sich z.B. aus dem Anlass der Reise (Urlaubsreisen, berufliche Reisen, sonstige Reisen), ihrer Dauer (Kurzreisen mit zwei bis vier Tagen, Reisen mit fünf oder mehr Tagen) oder ihrer Ziele (Inland, Ausland) ergeben. Urlaubsreisen sind private Reisen mit einer Dauer von wenigstens fünf Tagen, die aus Sicht der Reisenden überwiegend erholsamen Zwecken dienen. Man reist also ohne zwingende Notwendigkeit für eine Weile an einen anderen Ort. Für Kurzurlaubsreisen gilt inhaltlich das Gleiche, allerdings mit einer Dauer von zwei bis vier Tagen, also Reisen mit wenigstens einer Übernachtung. 5.1.1 Die aktuelle Situation der Nachfrage für Österreich in Deutschland Österreich gehört nach Spanien, Italien und Türkei zu den beliebtesten Reisezielen der Deutschen im Ausland, das gilt sowohl für Urlaubsreisen (4. Rang der Auslandsziele) wie für Kurzurlaubsreisen (1. Rang der Auslandsziele). Insgesamt ist aus diesen beiden Segmenten mit über acht Mio. Gästeankünften pro Jahr aus Deutschland zu rechnen. Fasst man die quantitativen Aspekte der Urlaubs- und Kurzurlaubsreisen im Hinblick auf das Urlaubsziel Österreich mit den aktuellsten Daten aus der RA zusammen und schätzt die in den Erhebungen der RA nicht direkt erfassten Segmente (Reisen von Kindern unter 14 Jahren; Kurzreisen von Per17) www.reiseanalyse.de 51 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" sonen älter als 70 Jahre) ergibt sich für die Gesamtnachfrage aus Deutschland folgende Situation (Übersicht 11): Übersicht 11: Urlaubsreisen und Kurzurlaubsreisen – Nachfragevolumen Österreich (Ankünfte) aus Deutschland (2014) 2014 Segment Volumen (Mio.) Urlaubsreisen ab 14 Jahre 3,5 1) Urlaubsreisen bis 13 Jahre Kurzurlaubsreisen 14-70 Jahre 0,8 2) 2,8 3) Kurzurlaubsreisen bis 13 Jahre 0,8 3) Kurzurlaubsreisen über 70 Jahre 0,4 Summe 8,3 Quelle: FUR, RA 2015 (face-to-face): Urlaubsreisen (5 Tage +) der deutschsprachigen Wohnbevölkerung (14 Jahre +), 2014. RA 2015 (online 05/2014 und 11/2014): Kurzurlaubsreisen (2-4 Tage) der deutschsprachigen Wohnbevölkerung 14-70 Jahre, 1) 2) 3) Nov. bis Okt.; Schätzung; auf Basis von 75,7 Mio. Kurzurlaubsreisen; Schätzung. Im Vergleich mit anderen touristischen Segmenten (Kurzurlaubsreisen, Geschäftsreisen, sonstige private Reisen) spielen für Österreich aus dem deutschen Markt die Urlaubsreisen die wichtigste Rolle. Sie generieren die meisten Übernachtungen und den höchsten Umsatz. 5.1.2 Trends im Segment Urlaubsreisen (a) Volumen und Marktanteile Bei der Zahl der Urlaubsreisen der Deutschen (jährlich zwischen 62 und 66 Mio.) gab es seit Mitte der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wenig Dynamik. Von 2010 zu 2014 ist die Zahl aller Urlaubsreisen der Deutschen leicht gestiegen (+0,8 Mio., auf 64,4 Mio.). Ein erst seit 2010 berücksichtigter Teil der Nachfrage sind die Reisen in Deutschland lebender Ausländer (2014: 5,9 Mio.). Insgesamt wurden 2014 so 70,3 Mio. Urlaubsreisen registriert. 52 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Übersicht 12: Eckzahlen der Urlaubsreisen-Nachfrage 2008-2014 Deutsche Deutschsprachige Urlaubsreisen ab 5 Tagen Dauer 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2010 2011 2012 2013 2014 Deutschsprachige Wohnbevölkerung ab 14 Jahre (Mio.) 64,9 64,8 64,8 64,6 64,5 64,5 64,6 70,5 70,3 70,2 70,3 70,5 Urlaubsreiseintensität (% der Bevölkerung) 76,2 75,7 75,1 75,3 75,9 77,3 77,0 75,7 76,2 76,3 77,9 77,4 Urlaubsreisende (Mio.) 49,4 49,0 48,7 48,7 49,0 49,9 49,7 53,4 53,6 53,6 54,8 54,6 Urlaubsreisen (Mio.) 64,0 64,8 63,6 63,5 63,6 64,5 64,4 69,5 69,5 69,3 70,7 70,3 Quelle: FUR, RA 2008-2015 (face-to-face). Anteil der Urlaubsreisenden (5 Tage +) jeweils für den Zeitraum Jän.-Dez. in Prozent. Basis: Wohnbevölkerung (14 Jahre +) in Deutschland. In den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts waren – neben den Küsten Italiens – die Alpen für viele Deutsche ein Traumziel für die Urlaubsreise. Die Rolle der Alpen bei den Urlaubsreisen der Deutschen hat sich seitdem gründlich geändert. Langfristige Marktanteilsverluste von alpinen Destinationen waren nahezu ausschließlich auf den Sommerurlaub zurückzuführen (Lohmann, Schmücker und Sonntag, 2014, 129 ff.). Dieser "Bergrutsch" fand hauptsächlich bis 2005 statt. Auch für Österreich zeigten sich bis in die Mitte des vergangenen Jahrzehntes langfristig deutlich rückläufige Marktanteile an den Urlaubsreisen der Deutschen (1985: 10%, 1995: 7%, 2005: 6%). In den letzten Jahren hat sich diese Entwicklung beruhigt. Die Marktanteile schwanken zwischen 5% und gut 6% ohne eine klare Entwicklungsrichtung. Übersicht 13: Urlaubsreisen der Deutschen nach Österreich (1985-2014) Urlaubsreisen ab 5 Tagen Dauer 1985 1995 2000 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Urlaubsreisen (Mio.) 32,3 64,5 62,2 64,1 64,4 62,9 64,0 64,8 63,6 63,5 63,6, 64,5 64,4 4,8 15,5 13,8 16,4 15,8 14,4 14,6 15,7 15,0 14,8 14,6 14,6 14,7 Urlaubsreisen nach Österreich (%) 9,9 7,3 6,6 6,3 5,8 5,9 6,2 5,9 5,6 5,5 5,9 6,2 5,3 Urlaubsreisen nach Österreich (Mio.) 3,2 4,7 4,1 4,1 3,8 3,7 4,0 3,8 3,6 3,5 3,7 4,0 3,4 0,6 1,7 1,7 1,6 1,5 1,5 1,5 1,6 1,6 1,3 1,7 1,5 1,4 Davon: zusätzliche Urlaubsreisen (Mio.) Davon: zusätzliche Urlaubsreisen nach Österreich (Mio.) Quelle: FUR, RA 1985-2015 (face-to-face). Urlaubsreise (5 Tage +) jeweils für den Zeitraum Jän.-Dez. in Mio. / Prozent. Deutsche Wohnbevölkerung (14 Jahre +) in Deutschland (1985 nur West-Dtl.). 53 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Die Daten für die Reiseziele in den Alpen insgesamt folgen einer ähnlichen Entwicklung. Innerhalb der Alpenziele hat Österreich deutlich die größte Bedeutung. (Geringes) Wachstum gab es im Beobachtungszeitraum bei Reisen ans nördliche Meer (vorwiegend Inlandsreisen an die deutschen Küsten) und bei Fernreisen (Ziele außerhalb Europas und außerhalb des Mittelmeerraumes). (b) Urlaubsreisen, Haupturlaubsreisen und zusätzliche Urlaubsreisen Die meisten Deutschen machen in einem Jahr genau eine Urlaubsreise (5 Tage +). 2014 gab es hier 38,8 Mio. Urlaubsreisen. Im Falle von mehreren Urlaubsreisen pro Jahr unterscheiden wir die Haupturlaubsreise (meist die längste und teuerste Reise; 2014: 11 Mio.) und zusätzliche Urlaubsreisen (Zweit- und Drittreisen). Die Zahl der zusätzlichen Urlaubsreisen insgesamt ist von 2004 bis 2014 von 17,2 Mio. auf 14,7 Mio. gesunken Das ist insofern bemerkenswert, als man lange Zeit in diesem Bereich ein Wachstumspotential sah. Unterteilt man so die Urlaubsreisen nach Österreich nach dem Stellenwert für den Reisenden, dann zeigt sich (Übersicht 14), dass deutlich mehr als die Hälfte aller Urlaubsreisen nach Österreich zu den einzigen Urlaubsreisen im Jahr bzw. Haupturlaubsreisen zählen. Die Schwankungen in der Nachfrage betreffen sowohl zusätzliche Urlaubsreisen als auch Haupturlaubsreisen. Übersicht 14: Stellenwert der Urlaubsreisen der Deutschen nach Österreich (2004 und 2014) Segment 2004 2010 2014 Volumen (in Mio.) Österreich-Urlaubsreisen ab 14 Jahre genau eine Urlaubs- oder Haupturlaubsreise (von mehreren Reisen p.a.) zusätzliche Urlaubsreisen 4,27 3,58 3,41 2,57 2,02 2,00 1,70 1,56 1,41 Quelle: FUR, RA 2005, 2011 und 2015. Basis: Urlaubsreisen (5 Tage +) der deutschen Wohnbevölkerung (14 Jahre +). (c) Reiseausgaben Betrachtet man Reiseausgaben bei Urlaubsreisen nach Österreich, so ergibt sich folgendes Bild (Übersicht 15): • Österreich erreicht 5,3% Marktanteil bei den Urlaubsreisen der Deutschen und 4,4% bei den Urlaubsreiseausgaben der Deutschen. • Die Ausgaben in Österreich liegen mit einem Betrag von 758 Euro pro Person und Reise unter dem Durchschnitt (973 Euro). Allerdings haben Urlaubsreisen nach Österreich eine kürzere mittlere Dauer. Berechnet man die Ausgaben pro Tag, dann liegen diese in Österreich mit 54 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" 80 Euro genau im Durchschnitt. Höhere Ausgaben pro Tag sind besonders im Winter festzustellen. • In der Summe stiegen die nominalen Reiseausgaben für Urlaubsreisen nach Österreich von 2010 zu 2014 um 1% an, obwohl die Zahl der Urlaubsreisen gesunken ist. Allerdings sind die Ausgaben je Gast und Reise im Gesamtmarkt stärker als in Österreich gestiegen. Übersicht 15: Ausgaben für Urlaubsreisen nach Österreich (2004 bis 2014) Ausgaben für alle Urlaubsreisen (in €) 2004 2010 2014 Δ% 14/10 pro Person/Reise 812 861 973 + 13 pro Person/Reise/Tag 67 74,0 80,4 +9 Insgesamt (Mrd.) 53,1 54,8 62,7 + 14 Anzahl Reisen (Mio.) 65,4 63,6 64,4 +1 Ausgaben für Urlaubsreisen nach Österreich (in €) 2004 2010 2014 Δ% 14/1 0 pro Person/Reise 670 714 758 +6 pro Person/Reise/Tag 70 78,4 79,8 +2 Insgesamt (Mrd.) 2,86 2,56 2,58 +1 Anzahl Reisen (Mio.) 4,27 3,58 3,41 -5 Quelle: FUR, RA 2005, 2011 und 2015. Basis: Urlaubsreisen (5 Tage +) der deutschen Wohnbevölkerung (14 Jahre +). (d) Urlaubsreisen im Sommer und Winter Die Bedeutung der Sommermonate für den Urlaubstourismus insgesamt hat sich in den letzten Jahrzehnten zugunsten aller restlichen Jahreszeiten abgeschwächt. Das Grundmuster der touristischen Nachfrage über den Jahresverlauf ist aber gleich geblieben. Seit 1993 gibt es auch keine Entwicklung in Richtung weitere Entzerrung der Reisetermine. Allerdings sind nicht alle Arten von Urlaub und alle Destinationen durch die gleichen Saisonmuster geprägt. Für die Situation in Österreich benutzen wir in der folgenden Analyse eine breitere Definition von Winter, nämlich die Monate, in denen man für gewöhnlich mit Schnee in den Bergen rechnen kann, d.h.: Winter = November bis April; Sommer = Mai bis Oktober. Grundsätzlich ist eine differenzierte Betrachtung der Wintergäste und ihrer Reisen und der Urlauber zu anderen (schneefreien) Jahreszeiten (hier nicht ganz korrekt als Sommer bezeichnet) zweckmäßig. 55 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" In den letzten zehn Jahren haben die so definierten Winterurlaubsreisen an Volumen verloren (von 14,6 auf 12,8 Mio.), während der Sommer zugelegt hat (von 49,5 auf 51,6 Mio.). Die Alpen als Ziel verloren in beiden Segmenten. Zugewinne gab es für das Meer im Norden (im Sommer) und Fernreisen (im Winter). Übersicht 16: Ziele von Urlaubsreisen im Sommer und Winter Sommerurlaubsreisen Ziele 2005/2014 Winterurlaubsreisen Ziele 2005/2014 Ziele (Auswahl) 2005 2014 Veränderung Ziele (Auswahl) 2005 2014 Veränderung Urlaubsreisen (Mio) 49,5 51,6 + Urlaubsreisen (Mio) 14,6 12,8 – Alpen 8 7 – Alpen 19 17 – Dt. Mittelgebirge 6 6 = Dt. Mittelgebirge 6 6 = Nördl. Meer 17 20 + Nördl. Meer 8 8 = Mittelmeer 37 36 – Mittelmeer 29 28 – Fernreisen 4 5 + Fernreisen 13 18 + Quelle: FUR, RA 2006, 2015 (face-to-face). Basis: Urlaubsreisen 5 Tage + der deutschen Wohnbevölkerung (14 Jahre +) in Deutschland. Winter: Nov.-April; Sommer: Mai-Okt. Für Österreich spielen die Sommerurlaubsreisen aus Deutschland immer noch die größere Rolle (größere Zahl von Reisen, längere Dauer, höherer Umsatz). Andererseits sind die Marktanteile im Winter deutlich höher, hier hat Österreich eine gewisse Alleinstellung (vgl. Übersicht 17). Im Sommer haben die Alpen seit 2005 eine nahezu stabile Position. Bei den Zielen innerhalb der Alpen dominiert Österreich 2013 mit 50%, es folgen Italien (24%), Bayern (15%) und die Schweiz (10%). Sommerurlaubsreisen in die französischen Alpen sind exotisch (1%). Noch klarer ist die Position Österreichs im Winter (über zwei Drittel aller Alpenwinterurlaubsreisen gehen nach Österreich). Im Winter haben aber in jüngerer Zeit Ferndestinationen an Bedeutung gewonnen. 56 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Übersicht 17: Urlaubsreisen der Deutschen nach Österreich im Winter und Sommer 2010 2014 % Marktanteil Reisen in Mio. Ausgaben (Mrd. Euro) % Marktanteil Reisen in Mio. Ausgaben (Mrd. Euro) 5,6 3,58 2,56 5,3 3,41 2,58 Winter (November-April) 12,1 1,57 1,14 11,7 1,50 1,13 Sommer (Mai bis Oktober) 4,0 2,01 1,41 3,7 1,91 1,46 Segment Alle Urlaubsreisen ab 14 Jahren Quelle: FUR, RA 2011 und 2015. Basis: Urlaubsreisen (5 Tage +), deutsche Wohnbevölkerung (14 Jahre +). (e) Reisedauer Die Dauer von Urlaubsreisen aus dem deutschen Markt ist grundsätzlich seit Jahrzehnten rückläufig. Die Geschwindigkeit des Rückgangs hat sich in jüngster Zeit allerdings deutlich verlangsamt. Seit 2010 pendelt der mittlere Wert zwischen 12,0 und 12,3 Tagen. Kürzere Aufenthaltsdauern in einem Zielgebiet ergeben sich dann aus einer Verschiebung der Struktur der Reisen (z.B. mehr Kurzreisen, weniger Urlaubsreisen). Die Dauer der Urlaubsreisen nach Österreich (9,5 Tage) liegt unter dem Mittelwert aller Urlaubsreisen (12,1 Tage). Während bei allen Urlaubsreisen im Durchschnitt die Dauer von 12,3 Tagen (2010) auf 12,1 Tage (2013) um 1% zurückgegangen ist, nahm die Dauer bei Österreichreisen etwas stärker um 3% von 9,8 Tagen auf 9,5 Tage ab. Die Dauer sank bei Urlaubsreisen im Sommer stärker als im Winter. Ähnlich war die Entwicklung bei anderen Alpenzielen. Übersicht 18: Dauer von Urlaubsreisen nach Österreich (2010 und 2014) Österreich Sommer Österreich Winter Österreich Alle Ziele in Tagen 2010 2014 2010 2014 2010 2014 2010 2014 Bis 8 Tage 42 45 72 75 55 58 36 36 9-12 Tage 19 19 14 15 17 17 19 19 13-15 Tage 29 30 13 10 22 21 31 30 16 Tage + 10 6 1 1 6 4 15 16 Mittelwert 11,0 10,5 8,3 8,1 9,8 9,5 12,3 12,1 Quelle: FUR, RA 2011 und 2015. Basis: Urlaubsreisen (5 Tage +) der deutschen Wohnbevölkerung (14 Jahre +). Winter: Nov.April; Sommer: Mai-Okt. 57 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" (f) Urlaubsarten Die volumenmäßig bedeutsamste Reiseart bei den Urlaubsreisen der deutschen Wohnbevölkerung ist der Strand-, Bade- und Sonnenurlaub: 44% der Urlaubsreisen können so charakterisiert werden. Es folgen in der Bedeutung Ausruhurlaub (36%), Natururlaub (28%), Familienferien (27%) und Erlebnisurlaub (23%). Bei der Zehnjahresbetrachtung zeigt der Trend einen deutlichen Nachfragerückgang für den reinen Ausruhurlaub und klare Steigerungen beim Strand- und Badeurlaub und bei Familienferien. Ebenfalls im Aufwind: der Sightseeingurlaub und die Rundreise. Österreich ist mit großem Abstand der Marktführer bei Aktivurlaub (Übersicht 19) und zusammen mit Bayern das wesentliche Ziel für Natururlaub. Abbildung 7: Trends bei den Urlaubsreisearten 2002-2014 Wert Trend 2014 2002-2014 Wert Trend 2014 Sonne+ Strand 44 Freunde/ Verwandte 13 Ausruhen 36 Fun/Party 12 Natur* 28 Rundreise 11 Familie 27 Kultur 7 Erlebnis 23 Gesundheit 5 Sightseeing 16 Studienreise 3 Aktiv 16 Quelle: FUR, RA 2003-2015. Basis: Urlaubsreisen (5 Tage +) der deutschen Wohnbevölkerung (14 Jahre +). Urlaubsreisearten (Mehrfachnennungen) in %, Sparklines ohne einheitliche Skala; Trend: Lineare Regression 2002-2014. 58 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Übersicht 19: Ziele nach Urlaubsreisearten Strand Aktiv Natur 44,2 Mio. 15,6 Mio. 26,9 Mio. Rund-/Kultur/Studienreise 20,7 Mio. 1 Spanien 28% Österreich 27% Bayern 17% Italien 12% 2 Türkei 14% Bayern 11% Österreich 13% USA/Kanada 9% 3 Mecklenburg-V. 8% Italien 8% Italien 8% Asien/Australien 7% 4 Italien 7% Schleswig-H. 5% Mecklenburg-V. 8% Frankreich 6% 5 Griechenland 6% Spanien 5% Schleswig-H. 7% Spanien 6% Quelle: FUR, RA 2015. Basis: Urlaubsreisen 5 Tage + der deutschsprachigen Wohnbevölkerung (14 Jahre +); Mehrfachnennungen für die Urlaubsreisearten. Die gewählten Urlaubsarten lassen wertvolle Rückschlüsse auf die zentralen Motive bzw. Produkterwartungen zu. Außerdem sind sie ein Indikator für die wahrgenommenen touristischen Stärken der Destinationen (was kann man da gut machen?). Österreich hat in dieser Hinsicht ein recht spezielles Profil (Übersicht 20): Aktiv-, Natur- und Familienurlaub sind die Schwerpunkte der Nachfrage. Dabei gibt es erhebliche Unterschiede zwischen Winter und Sommer. Die Reiseart "Natururlaub" ist im Winter ziemlich bedeutungslos. Der Winter ist fast ausschließlich durch Aktivurlaub geprägt. Im Sommer tritt der Aspekt der Aktivität hinter den der Natur und der Familie zurück. Übersicht 20: Urlaubsreisearten in Österreich Österreich Sommer Österreich Winter Österreich Alle Ziele 2010 2014 2010 2014 2010 2014 2010 2014 Aktiv-Url. 16 8 65 61 37 31 7 6 Natur-Url. 28 27 4 7 18 18 8 7 Ausruh-Url. 13 13 5 7 10 10 14 12 Erlebnis-Url. 6 6 2 4 4 5 7 6 GesundheitsUrl. 1 1 1 2 1 1 3 2 Familien-Url. 10 24 10 8 10 17 13 15 in % Quelle: FUR, RA 2011 und 2015. Basis: Urlaubsreisen (5 Tage +) der deutschen Wohnbevölkerung (14 Jahre +); Winter: Nov.-April.; Sommer: Mai-Okt. 59 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" 5.1.3 Trends im Segment Kurzurlaubsreisen 2014 wurden insgesamt rund 83,5 Mio. Kurzurlaubsreisen durchgeführt (Übersicht 21). Diese sind neben Urlaubsreisen ein großer und wichtiger Markt, der aber in mancher Hinsicht getrennt von den (längeren) Urlaubsreisen zu sehen ist. Methodisch vergleichbare Erhebungen für die Kurzurlaubsreisen der Deutschen liegen nur für wenige Jahre vor, detaillierte langfristige Trends lassen sich daraus nicht ableiten. Übersicht 21: Marktdimensionen Kurzurlaubsreisen aus Deutschland Eckzahlen der Kurzurlaubsreisen-Nachfrage 2011-2014 2011 2012 2013 2014 60,3 59,7 59,4 59,3 56 56 56 55 Kurzurlaubsreisende 14-70 Jahre (Mio.) 33,6 33,4 33,3 32,6 Kurzurlaubsreisen je Kurzurlaubsreisendem 2,3 2,4 2,3 2,3 Kurzurlaubsreisen der 14-70-Jährigen (Mio.) 78,2 79,6 75,6 75,7 Kurzurlaubsreisen der Über-70-Jährigen (Mio.) 7,0 7,0 7,5 7,8 85,2 86,7 83,1 83,5 Deutschsprachige Wohnbevölkerung 14 -70 Jahre (Mio.) Kurzurlaubsreiseintensität letzte 12 Monate (in %) Kurzurlaubsreisen insgesamt (Mio.) Quelle: FUR, RA 2012-2015. Basis: Deutschsprachige Wohnbevölkerung (14 Jahre +). Kurzurlaubsreiseintensität: Wert jew. vom November für den Zeitraum Nov.-Okt., RA online; Kurzurlaubsreisen: Kombinierte Berechnung aus der Erhebung im Mai (Reisezeitraum Nov.-April) und Nov. (Reisezeitraum Mai-Okt.), RA online; Kurzurlaubsreisen der Über-70-Jährigen: FURSchätzung auf Basis der Urlaubsreiseintensität der Kurzurlaubsreisenden, RA (face-to-face). Grundsätzlich scheint die Kurzurlaubsreisetätigkeit stärkere Schwankungen in den Volumendaten aufzuweisen. Dahinter können unterschiedliche Gründe stehen, wie z.B. spezielle Feiertagskonstellationen in den jeweiligen Jahren, das Wetter oder die aktuelle wirtschaftliche Situation. Die geringere Bedeutung der Kurzurlaubsreisen bei den Konsumprioritäten (Lohmann, Schmücker und Sonntag, 2014, 45 ff.) führt zu einer größeren Flexibilität der Nachfrage als bei Urlaubsreisen: Die Kurzurlaubsreise scheint eher ein Extra, auf das man auch verzichten könnte. In den letzten fünf Jahren war das Nachfragevolumen dennoch konstant. In der Langzeitentwicklung sehen wir bei der Kurzurlaubsreiseintensität eine Phase des Wachstums von Ende der 1970er bis Mitte der 1990er Jahre und seitdem eine Phase relativer Stabilität. Etwa vier von fünf Kurzurlaubsreisenden haben im gleichen Jahr auch Urlaubsreisen mit einer Dauer von fünf Tagen und länger unternommen. Kurzurlaubsreisen sind also in der Regel kein Ersatz für längere Urlaubsreisen, sondern werden ergänzend durchgeführt. 60 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Die aktuelle Reiseintensität für die Kurzurlaubsreisen (zwei bis vier Tage Dauer) wird in der Novemberwelle der RA online erhoben und bezieht sich auf die deutschsprachige Wohnbevölkerung im Alter von 14 bis 70 Jahren und den Reisezeitraum November 2013 bis Oktober 2014. Sie lag 2014 bei 56,0% und so auf dem Niveau der Vorjahre. Von den 59 Mio. deutschsprachigen Personen im Alter von 14 bis 70 Jahren in Privathaushalten haben demnach 33 Mio. in den vergangenen zwölf Monaten wenigstens eine Kurzurlaubsreise unternommen. Das Volumen der Kurzurlaubsreisen wird in der RA seit einigen Jahren in zwei Wellen online (jeweils Mai und November) erhoben. Die Zahl der Kurzurlaubsreisen der Über-70-Jährigen wird auf Basis der Ergebnisse in der RA face-to-face geschätzt. Für das Jahr 2014 wurde ein Kurzurlaubsreisevolumen von 75,7 Mio. der 14- bis 70-Jährigen in der deutschsprachigen Wohnbevölkerung erhoben (Übersicht 21). Außerdem schätzen wir 7,8 Mio. Kurzurlaubsreisen der Über-70-Jährigen. Insgesamt unternahm die deutschsprachige Bevölkerung ab 14 Jahren 2014 damit 83,5 Mio. Kurzurlaubsreisen. 2014 blieben mehr als drei Viertel (76%) der Kurzurlaubsreisen im deutschen Inland. Rund ein Drittel der Kurzurlaubsreisen (35%) ging in deutsche Städte, weitere 9% in ausländische Städte. Im Vergleich zu den Vorjahren seit 2010 sind die Verhältnisse der Destinationstypen recht stabil. Auch wenn die Städte nicht den größten Anteil der Kurzurlaubsreiseziele stellen, so ist ihre Bedeutung im Kurzurlaubsreisemarkt deutlich höher als bei den Urlaubsreisen. Im Ausland führen Österreich (Marktanteil knapp 4%), Frankreich und die Niederlande (je 3%) das Ranking an. Auf den weiteren Plätzen folgen Großbritannien, Italien, Spanien und die Schweiz. Diese Länder liegen im Ranking so eng beisammen, dass es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Verschiebungen in der Reihenfolge gekommen ist. Abbildung 8: Ziele von Kurzurlaubsreisen 2014 im In- und Ausland (Marktanteile in %) Inland Ausland 12,4% Österreich Berlin 7,8% Frankreich 3,0% NRW 7,7% Niederlande 2,8% Baden-Württemberg 6,5% Großbritannien 2,1% Sachsen 5,9% Italien 1,9% Niedersachsen 5,5% Spanien 1,8% Hamburg Bayern 3,6% 5,5% Schweiz 1,4% MecklenburgVorpommern 5,0% Tschechische Republik 1,1% Schleswig-Holstein 5,0% Belgien 1,1% Hessen 3,4% Dänemark 1,1% Quelle: FUR, RA 2015 (online 5/2014 und 11/2014). Basis: jeweils 1.-3. Kurzurlaubsreise 2014 der deutschsprachigen Bevölkerung (14-70 Jahre) in Privathaushalten in Deutschland. 61 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Das wichtigste Kurzurlaubsreisesegment für Österreich sind Städtereisen, mit Wien an vorderster Stelle. Darauf folgt das Segment Aktivurlaub mit einem Anteil von 19% (2013) an allen Kurzurlaubsreisen nach Österreich (vor allem im Winter), welches damit überdurchschnittlich wichtig ist. Weitere kommerzielle Kurzurlaubsreisesegmente, die ebenfalls größere Anteile verbuchen können, sind Ausruhurlaube (2013: 17%) und Kulturreisen (2013: 15%). 5.1.4 Nachfragestruktur (soziodemografisch/psychografisch) (a) Soziodemografisch Bei den Urlaubsreisen insgesamt zeigt sich bei der Altersstruktur – ähnlich wie bei anderen Merkmalen der Nachfrage – eine recht dynamische Entwicklung bis Mitte der 1990er Jahre und seitdem eine ziemliche Stabilität. Deutlich gestiegen ist dann bis 2003 noch die Urlaubsreiseintensität der Über-60-Jährigen, die in den letzten zehn Jahren aber kaum noch wuchs. Alter ist kein wesentlicher Prädiktor mehr für Urlaubsreisetätigkeit. Im Vergleich der Nachfragestruktur zwischen allen Urlaubsreisen und bei jenen nach Österreich in den Jahren 2005 und 2014 fällt auf: Alter: Die starke Zunahme des Anteils älterer Senioren und ein entsprechender Rückgang bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Abbildung 9: Altersstruktur bei Urlaubsreisen nach Österreich, 2005 und 2014 17 70+ J. 26 60+ Jahre 20 12 11 15 50-59 J. 40-49 J. 17 25 17 9 8 2005 13 30-39 J. 20-29 J. 14-19 J. 6 4 2014 in % Quelle: RA 2006 und 2015. Basis: Urlaubsreisen nach Österreich von Deutschen aus Privathaushalten in Deutschland, 14 Jahre + (RA 2015: 3,4 Mio.). Bildung: Höhere Bildungsschichten sind in Österreich geringfügig stärker vertreten als im Durchschnitt (2013: Abitur/Universität: 37% in Österreich; 34% alle Reisen). Die Entwicklung seit 2005 spiegelt die demografische Entwicklung wider. 62 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Berufstätigkeit/Einkommen: Die Entwicklung zeigt hier für Österreich-Urlaubsreisen eine Zunahme bei Vollzeitbeschäftigten und ein steigendes Einkommen (in Übereinstimmung mit der demografischen Entwicklung insgesamt). Herkunft (Bundesland): Die höchste Bedeutung haben die Quellmärkte in Bayern und BadenWürttemberg. An relativer Bedeutung zugenommen haben Urlaubsreisen von Personen aus dem Osten Deutschlands. Rückgänge gab es in Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern im Westen. Grundsätzlich zeigen sich bei der Entwicklung der Nachfragestruktur im Sommer und Winter ähnliche Muster, allerdings gibt es auch auffällige Unterschiede: • Deutlich überdurchschnittlich ist der Anteil der Über-70-Jährigen im Sommertourismus (32% in Österreich, 17% in allen Zielen). • Senioren (60 Jahre +) produzieren 37% der deutschen Österreich-Urlaubsreisen. Im Sommer liegt ihr Anteil bei 45% der Reisen, im Winter nur bei 26%. Jüngere Altersgruppen sind im Winter viel stärker vertreten als im Sommer. • Das formale Bildungsniveau der Gäste in Österreich liegt leicht über dem Durchschnitt bei allen Reisen. Große Unterschiede gibt es zwischen Sommer (deutlich unterdurchschnittlich) und Winter (weit überdurchschnittlich). Veränderungen i.S. steigender Bildungsniveaus von 2010 zu 2014 liegen im Rahmen der demografischen Entwicklung. • Das Niveau des monatlichen Haushaltsnettoeinkommens variiert in derselben Weise zwischen Sommer (unterdurchschnittlich) und Winter (überdurchschnittlich). Zu den unterschiedlichen Jahreszeiten kommen sehr unterschiedliche, eher gegensätzliche Gruppen nach Österreich. Die grundsätzliche Charakterisierung der beiden Gruppen ist über die Jahre gleich geblieben. Einige Entwicklungen sind durch allgemeine (demografische) Trends bestimmt, wie etwa die stärkere Rolle höherer Bildungsgruppen. Sie sind im Rahmen dieser Betrachtung insofern von Bedeutung, als sich hieraus höhere Anforderungen an das Urlaubserlebnis und höhere Produktanforderungen ableiten lassen. Insgesamt erscheint die Nachfragestruktur der deutschen Gäste in Österreich heute spezifischer als in der Vergangenheit. Die erreichte Zielgruppe in Deutschland ist somit klarer abgrenzbar, aber eben auch kleiner. 63 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" (b) Psychografisch Die fünf wichtigsten Urlaubsmotive für Österreich (RA 2014) sind: • Abstand zum Alltag (68%) • Entspannung, kein Stress (66%) • Natur erleben (65%) • Frische Kraft sammeln (65%) • Spaß haben (59%) Auffällig ist, dass (ggf. mit Ausnahme von "Natur erleben") alle diese Motive nicht zielgebietsspezifisch sind, d.h. diese Motive sind nicht nur in Österreich zu verwirklichen. Im Vergleich zu allen Reisezielen erscheinen als bei den Österreich-Gästen spezifische, also stärker ausgeprägte Motive, der Wunsch nach Bewegung (sowohl als "aktiver Sport" wie auch als "leichte sportliche Betätigung", vor allem bei den Wintergästen, aber auch im Sommer sehr deutlich) und "etwas für die Gesundheit zu tun" (ohne, dass diese Motive bei den gleichen Personen vorhanden sein müssen, und ohne, dass aus diesem Motiv heraus ein Gesundheitsurlaub gemacht würde; im Sommer wie im Winter). Weniger ausgeprägt als in anderen Zielen sind: "ausruhen, faulenzen", "Flirt/Erotik", "etwas für die Schönheit tun", und "Sonne/Wärme, schönes Wetter". Das Motiv "Sonne/Wärme, schönes Wetter" dominiert bei allen Reisenden die Motivhitparade (66%), aber auch 60% der Österreich-Reisenden ist es besonders wichtig. Im Vergleich von 2011 zu 2014 zeigen sich bei den Urlaubsmotiven der Österreich-Urlauber folgende Entwicklungen: 5.2 • An Bedeutung verloren hat der Wunsch "etwas für Kultur und Bildung tun" (bei allen Zielen: konstant). • An Bedeutung gewonnen haben die Aspekte "Sport" (gegenläufig zum allgemeinen Trend), "sich verwöhnen lassen, sich was gönnen, genießen" (im allgemeinen Trend, aber bei den Österreich Gästen deutlich stärkere Zunahme). Zukünftige Entwicklungstendenzen der Tourismusnachfrage am deutschen Markt Die Entwicklung des Österreich-Tourismus der Deutschen ist eingebettet in die allgemeinen Nachfragetrends im Urlaubstourismus. Wir stellen diese deswegen zunächst vor, um dann auf die spezifischen Aspekte des Urlaubszieles Österreich einzugehen. 64 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" 5.2.1 Allgemeine Entwicklung der Determinanten der touristischen Nachfrage (a) Umfeld und touristisches Angebot In den Rahmenbedingungen finden wir drei wesentliche Entwicklungen, die das Urlaubsreisegeschehen im kommenden Jahrzehnt beeinflussen werden: den abzusehenden demografischen Wandel, der durch eine differenziertere, ältere, länger arbeitende und (wegen der hohen Migrationsgewinne) bunter werdende Gesellschaft gekennzeichnet ist; die zunehmende Alltäglichkeit der Internetnutzung, insbesondere mit mobilen Online-Geräten und die erwartete weitere Zunahme von Mobilität, die alle urlaubsrelevanten Verkehrsmittel betrifft. Daneben gibt es eine ganze Reihe von weiteren Entwicklungen, die den Tourismus beeinflussen können, aber voraussichtlich entweder im Laufe des nächsten Jahrzehnts noch keine deutlichen Veränderungen des Urlaubsreiseverhaltens hervorrufen werden, oder deren Eintreten und Entwicklung in Ausmaß und Richtung heute schlecht einschätzbar sind. Dazu gehört z.B. auch der Klimawandel, der bis 2020 das Verhalten der Touristen kaum beeinflussen wird. Das gilt auch für den Wintertourismus, für den Schneesicherheit schon heute oft durch künstliche Beschneiung gesichert wird (vgl. Abegg, Steiger und Walser, 2015, 12), für die ein hoher Ressourcenverbrauch zu konstatieren ist. In den folgenden Jahrzehnten können die Klimafolgen allerdings deutlich zu Tage treten. Insgesamt ist die Zahl der Einflussfaktoren sehr groß. Deswegen haben Entwicklungen in einzelnen Faktoren oft nur eine begrenzte Wirkung auf das Gesamtsystem. Das touristische Angebot beeinflusst die Urlaubsnachfrage durch die zunehmende Vielfalt und die wachsenden Kapazitäten. Diese Entwicklung sorgt dafür, dass die Konsumenten wirklich die Wahl haben. Sie ist aber auch dafür verantwortlich, dass einzelne Aspekte in einzelnen Segmenten kaum in der Lage sind, große Nachfrageströme zu verändern. Insgesamt führen die Bemühungen der Branche um die Zuneigung der Urlauber zu einem sehr differenzierten Angebot, bei dem Kundenorientierung noch notwendiger ist als bisher schon. (b) Die Kunden der Zukunft Die Nachfrager im Tourismus sind eine Menge von sehr vielfältigen Individuen, die sich auch in der Zukunft nicht mühelos über einen Kamm scheren lassen. Dennoch kann man Aspekte erkennen, in denen sie sich die zukünftigen Touristen von den heutigen unterscheiden. Hierzu gehören einerseits allgemeine Entwicklungen (abnehmende Zahl, Strukturwandel, Differenzierung), andererseits eher individuelle, die sich durch einen Zuwachs an Kompetenz und als befriedigend wahrgenommenen Wahlmöglichkeiten (Multi-Optionalität) ergeben. Die urlaubsreisebezogenen Motive und Einstellungen verweisen auf eine stabile Tourismusnachfrage in quantitativer und qualitativer Hinsicht. Man kann sich auf diese Kunden verlassen. Urlaubsreisen stehen bei den Konsumprioritäten ganz oben. Der Kunde der Zukunft ist als erfahren, kompetent, anspruchsvoll, multi-optional und flexibel zu charakterisieren. 65 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Die Multi-Optionalität (Lohmann, Schmücker und Sonntag, 2014, 42) ist ein herausragendes Kennzeichen. Dieses Schlagwort meint den Umstand, dass der Kunde selbst zunehmend mehr Wahlmöglichkeiten sieht, mit denen er einen für ihn positiven Urlaub gestalten kann. Die Touristen haben so breit gestreute Interessen und Motive, dass sie mit ganz verschiedenen Angeboten glücklich werden können. Für Anbieter bedeutet das eine erweiterte Wettbewerbssituation und in vielen Fällen eine ungewohnte Austauschbarkeit. Für die vorliegende Fragestellung heißt das einfach, dass das österreichische Tourismusangebot sich gegen eine breitere Konkurrenz durchsetzen muss. (c) Reisevolumen Das Volumen der aus Deutschland insgesamt generierten Nachfrage nach Urlaubsreisen wird in den kommenden Jahren stabil bleiben oder leicht abnehmen (mit etwa 70 Mio. Urlaubsreisen pro Jahr). Die realen Ausgaben pro Reise werden auf dem gleichen Niveau bleiben, wegen der leicht rückläufigen Reisedauer werden die Ausgaben pro Tag aber steigen. Bei Kurzurlaubsreisen gehen wir von einem langfristig leicht wachsenden Volumen der Nachfrage aus (ca. 80 Mio. Kurzurlaubsreisen 2020), allerdings mit jährlich stärker schwankenden Werten. Übersicht 22: Trendabschätzung – Urlaubsreisevolumen 2025 2013 2025 2025 (Unterer Wert) (Mittlerer Wert) 2025 (Oberer Wert) Deutschsprachige Bevölkerung (14 J. +; Mio.) 70,3 Urlaubsreiseintensität (in % der Bev.) 78% 76% 78% 80% Anzahl der Urlaubsreisenden (Mio.) 54,8 52,9 54,9 56,9 Urlaubsreisehäufigkeit 1,29 1,21 1,25 1,29 Anzahl der Urlaubsreisen (Mio.) 70,7 66,6 69,6 72,6 69,9 Quelle: FUR, RA 2014 (face-to-face); Werte für 2025: Schätzungen aus Lohmann, Schmücker und Sonntag (2014). Basis: deutschsprachige Wohnbevölkerung (14 Jahre +) in Deutschland. 66 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Übersicht 23: Kurzurlaubsreisen, Projektion bis 2025 2013 (IST) 2025 2025 (Unterer Wert) (Mittlerer Wert) 2025 (Oberer Wert) Deutschsprachige Wohnbevölkerung (14-70 J.; Mio.) 59,4 Kurzurlaubsreiseintensität letzte 12 Monate (in %) 56,0 54 57 60 Kurzurlaubsreisende (14-70 J.; Mio.) 33,3 30,5 32,5 34,5 Kurzurlaubsreisen je Kurzurlaubsreisendem 2,3 2,2 2,4 2,6 Kurzurlaubsreisen der 14-70-Jährigen (Mio.) 75,6 67,1 78,0 89,7 Kurzurlaubsreisen der Über-70-Jährigen (Mio.) 7,5 8,0 10,0 12,0 Kurzurlaubsreisen insgesamt (Mio.) 83,1 75,1 88,0 101,7 57,0 Quelle: FUR; Werte für 2013: RA 2014 (face-to-face und online); Werte für 2025: Schätzungen aus Lohmann, Schmücker und Sonntag (2014). Basis: deutschsprachige Wohnbevölkerung (14 Jahre +) in Deutschland. 5.2.2 Präferenzen der Nachfrage im Hinblick auf Urlaub in Österreich (Interessentenpotential für Österreich) Die kurz- und mittelfristige Nachfrageentwicklung wird u.a. durch Einstellungen der Reisenden beeinflusst. Das Vorhandensein eines wenigstens grundlegenden Interesses an einem Urlaub in Österreich ist zwar keine Garantie für kontinuierliche Gästezahlen, wohl aber eine Voraussetzung dafür. Beim sogenannten "Interessentenpotential" für Österreich handelt es sich um Personen (bzw. deren Anteil in der Bevölkerung), die in der RA Befragung Interesse äußern, in Österreich in den nächsten drei Jahren einen Urlaub zu verbringen. Dabei unterscheiden wir zwischen dem "harten" Potential (plant die Reise nach Österreich 'ziemlich sicher') und dem "weichen" Potential (Österreich 'kommt generell in Frage'). Basis ist auch hier die deutsche Bevölkerung (14 Jahre +, in Privathaushalten) in Deutschland jeweils im Jänner eines Jahres. Im Jänner 2015 ist das Potential für Österreich erneut gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Es liegt jetzt bei 29,7% (19,2 Mio. Personen), davon 5,4 Mio. (8,4%) hartes Potential und 13,8 Mio. (21,3%) weiches Potential. Im Vergleich mit anderen Alpenländern hat Österreich das größte harte Potential (5,4 Mio.; Schweiz: 1,3 Mio.; Frankreich Alpen: 0,3 Mio.; Italien Südtirol: 1,7 Mio.; Bayern Alpen, Voralpen: 3,9 Mio.). Grundsätzlich ist das Interesse an einer Reise nach Österreich in Deutschland also groß und auch im Verhältnis zu anderen Alpenzielen beachtlich. Diese Situation und Entwicklung ist angesichts der globalen Konkurrenz im Tourismus alles andere als selbstverständlich. Für die zukünftige Entwicklung bildet sie eine stabilisierende Basis, kurzfristig lawinenartige Rückgänge sind nicht zu erwarten. Das 67 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Vorhandensein des Potentials ist aber keine Nachfragegarantie. (These: Alpen kann man immer haben, auch nächstes Jahr.) Seit 2005 ist das Potential für Österreich insgesamt gewachsen. Allerdings schrumpfte das harte Potential (von 2010 bis 2014 um 0,6%-Punkte), während das weiche Potential zunahm (um 0,5%Punkte). Eine solche Entwicklung zeigt sich langfristig deutlicher und analog auch bei den anderen Alpenländern. Man kann das als Ausdruck der gewachsenen Multi-Optionalität interpretieren (vgl. 5.2.1): Das Interessensspektrum der Deutschen ist breiter geworden, die Verbindlichkeit des Interesses aber geringer. Erfreulich ist die hohe Wiederkehrbereitschaft, ein wachsender Teil der Interessenten war in den letzten Jahren in Österreich. Der Anteil der potentiellen Wiederholer im Potential (= Österreich als Urlaubsziel in den letzten drei Jahren und hartes Interesse für die nächsten drei Jahre) ist von 75% im Jahr 2005 über 77% (Jänner 2011) auf 79% (Jänner 2014) gestiegen. Das spricht für eine hohe Zufriedenheit der Gäste und eine hohe Realisierungsquote der Potentiale in der Zukunft. Andererseits zeigt sich aber, dass die Gewinnung von neuen Gästen eine gewisse Herausforderung ist. Der Neukundenanteil aus Deutschland stagniert bzw. nimmt ab. Analysiert man, für welche Reiseziele sich ein Österreich-Interessent (hartes Potential) außerdem noch interessiert, ergibt sich eine nachfrageorientierte Perspektive auf die Konkurrenzsituation Österreichs. Die am häufigsten genannten (Konkurrenz-)Ziele (Daten von Jänner 2014) sind: • Deutschland (52% der Österreich-Interessierten planen auch ziemlich sicher einen Urlaub in Deutschland, vor allem in Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein); seit 2011 hat Deutschland als Konkurrenzziel leicht gewonnen (von 50% auf 52%), im langfristigeren Vergleich deutlich. • Italien (20%; 2011: 24%) • Spanien (21%; 2011: 22%) • Fernziele, außerhalb Europas und des Mittelmeerraumes (15%; 2011: 14%) • Türkei (11%; 2011: 11%) • Kroatien (10%; 2011: 5%) Auffällig ist, dass der Wettbewerb nicht in erster Linie mit landschaftlich ähnlichen Gebieten besteht. Sie umfasst deutsche Reiseziele in der Nähe ebenso wie Ziele am Mittelmeer und Fernziele außerhalb Europas. Wir sehen hier einen weiteren Beleg für die Multi-Optionalität, nun auch konkret beim Österreich-Urlauber. Angesichts in der Regel beschränkter Zeit- und Geldbudgets stehen (auch oder gar eher) die unterschiedlichen Aktivitätspotentiale bzw. Ihre Attraktivität in Konkurrenz. Bei geringem kognitivem Planungseinsatz wählt der Urlauber zudem ein Ziel, welches in seinem "consideration set" gerade 68 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" präsent und "gut genug" ist, ohne lange Prüfung einer großen Zahl von Alternativen. Hier ist eine wichtige Aufgabe der Marketing-Kommunikation, die Präsenz Österreichs bei potentiellen Kunden durchgängig hoch zu halten. Insgesamt zeigt die Potentialanalyse für die Zukunft gute Chancen für eine stabile ÖsterreichNachfrage aus Deutschland, aber geringe Chancen für ein Wachstum durch zusätzliche Kunden. In ähnlicher Weise wie die Potentiale für Reiseziele erhoben werden, wird auch das Interesse für einzelne Reisearten ermittelt. Hier interessiert vor allem das Interesse am Winterurlaub im Schnee. Der langfristige Vergleich der Ergebnisse der Reiseanalyse 2001 bis 2014 zeigt, dass das Interesse am Winterurlaub im Schnee langfristig leicht rückläufig, seit 2009 aber konstant ist. Eine Hoffnung auf zusätzliche Nachfrage ist daraus nicht abzuleiten, zumal die Zahl der Winterurlaubsreisen ja in der Vergangenheit rückläufig war. Abbildung 10: Potentialentwicklung für Winterurlaub im Schnee, 2001-2015 Interesse Winterurlaub im Schnee nächste 3 Jahre Winterurlaub im Schnee gemacht letzte 3 Jahre % 19,0 20 17,6 17,4 17,2 16,4 15,8 16,1 15,8 16,3 15 10 8,6 7,0 8,8 9,5 9,2 8,0 7,9 7,3 7,6 5 0 RA 01 RA 03 RA 05 RA 07 RA 09 RA 11 RA 13 RA 14 RA 15 Quelle: FUR, RA 2015. Basis: Deutsche (14 Jahre +). 5.2.3 Trends Urlaubsreisen Das Volumen der Urlaubsreisen aus dem deutschen Markt wird sich bis 2020 nur marginal verändern (Lohmann, Schmücker und Sonntag, 2014), also weiterhin bei rund 70 Mio. Urlaubsreisen liegen. Schätzt man die zukünftige Entwicklung der Urlaubsreisen aus Deutschland nach Österreich auf der Basis der Daten der vergangenen Jahre, dann ist bis 2020 mit gleichbleibenden Größenordnungen und Verhältnissen zu rechnen. Österreich wird dann im Jahr 2020 aller Voraussicht nach weiterhin einen ungefährdeten vierten Rang der beliebtesten Auslandsdestinationen belegen. Gegen diese Annahme spricht die nach wie vor abnehmende Trendlinie der Vergangenheit. Wegen des unvermin- 69 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" dert hohen Interesses am Reiseziel Österreich gehen wir aber für 2020 von einem konstanten Marktanteil zwischen 5% und 6% an allen Urlaubsreisen aus. Urlaubsreisen bleiben auch dann das wichtigste Segment im Österreich Tourismus der Deutschen. Sie übertreffen alle anderen Reisesegmente (also Kurzreisen, Geschäftsreisen und sonstige Privatreisen) hinsichtlich der Zahl der generierten Nächtigungen, des Umsatzes und wohl auch hinsichtlich des Verhältnisses von Marketing-Einsatz zu Umsatz. Urlaubsreisen sind kaum anfällig für kurzfristige Veränderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, andererseits bieten sie auch insgesamt nur wenige Wachstumschancen. Wie die Vergangenheit gezeigt hat, kann gleichzeitig aber die Wertschöpfung je Gast zunehmen. Innerhalb des Segmentes Urlaubsreisen ist für Österreich in den nächsten Jahren mit einer Fortsetzung der folgenden Trends zu rechnen: • Insgesamt gleich bleibender Marktanteil, ggf. leicht sinkendes Volumen. • Weiter steigende Ausgaben pro Person und Reisetag. • Konstante Verteilung von Haupturlaubsreisen (ca. 60%) und zusätzlichen Reisen (ca. 40%). • Konstante Verteilung von Sommerurlaubsreisen (ca. 57%) und Winterurlaubsreisen (ca. 43%). • Abnehmende Zahl von Urlaubsreisen im Winter insgesamt; in Österreich wegen wachsendem Marktanteil nicht stark zu spüren. • Zunehmende Konzentration auf Aktivurlaub im Winter (der Gast will aber zwischendurch auch gepflegt faul sein). • Eine wachsende Zahl von Kurzurlaubsreisen (s.u.) könnte vor Ort die durchschnittliche Aufenthaltsdauer weiter senken. 5.2.4 Zukunft Kurzurlaubsreisen Das Volumen der Kurzurlaubsreisen aus dem deutschen Markt kann weiter leicht wachsen (Lohmann, Schmücker und Sonntag, 2014), bis 2020 auf rund 85 Mio. Kurzurlaubsreisen. Allerdings ist immer mit kurzfristig stärkeren Schwankungen zu rechnen. Für den Zeitraum bis 2020 erwarten wir folgende Entwicklungen bei den Reisezielen von Kurzurlaubsreisen: • Bei der Verteilung Inland/Ausland erwarten wir wenig Änderung. Hier gehen wir weiter von einem Verhältnis von ca. drei Vierteln Inlandsreisen und einem Viertel Auslandsreisen aus. • Auch bei der etwas differenzierteren Betrachtung auf städtische und nicht-städtische Destinationen erwarten wir Stabilität: ca. 33% deutsche Städte, gut 40% Deutschland ohne Städte, ca. 15% Ausland ohne Städte und ca. 8% ausländische Städte. 70 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" • Bei den einzelnen Zielen auf Länder-, Bundesländer- oder Städteebene ist eine Abschätzung der genauen Rangordnung nicht möglich. Generell werden die aktuell großen Ziele auch bedeutend bleiben. Anders als bei den Urlaubsreisen spielen dabei die Entfernung und der Aufwand der Anreise eine bedeutende Rolle. • Österreich bleibt in diesem Segment das wichtigste Auslandsziel der Deutschen. Indikatoren für eine Zunahme der (jetzt schon hohen) Marktanteile in der Zukunft sind nicht sichtbar. Für 2020 wären dann über 3,1 Mio. Kurzurlaubsreisen aus dem deutschen Markt zu erwarten (2013: 2,6 Mio.). • Städtereisen sind eines der wichtigsten Segmente innerhalb der Kurzreisen. Auch hier spielt Österreich als Ziel bereits eine bedeutende Rolle. Städtereisen als Reiseart (also mit dem Motiv, eine Stadt näher kennen zu lernen) versprechen für eine spezifische Stadt allerdings kaum Stammkunden. Die Städteneugier wird bei der nächsten Reise gerne zu einem neuen Ziel locken. 5.2.5 Zukunft Nachfragestruktur (soziodemografisch/psychografisch) Hinsichtlich der Gästestruktur ist eine weitere Konzentration zu erwarten, d.h. Österreich wird weniger ein Ziel für jeden und mehr ein Ziel für bestimmte, abgrenzbare Segmente ("Ziel für Naturund Aktivurlauber mittleren Alters"). • Geografisch: wachsende Rolle Quellmärkte in Süd- und Ostdeutschland • Reisemotiv: Natur und Familie im Sommer, Aktiv Sport im Winter; alle auch: Verwöhnt werden, Spaß, Faulenzen, Erholung • Dabei finden sich Unterschiede zwischen Sommer und Winter: • Sommer für Senioren beiderlei Geschlechts, weniger Sport, mehr Natur • Winter für 40- bis 59-jährige Männer mit sportlichen Ambitionen, Natur unwichtig Insgesamt bleibt die Motivstruktur über die Jahre aber relativ gleich, die Grundbedürfnisse haben sich nicht geändert. Auffällig ist die deutlich stärker gewordene Sportorientierung der ÖsterreichGäste. Österreich hat hier in gewisser Weise ein Alleinstellungsmerkmal. Darüber darf aber nicht vergessen werden, dass eine größere Zahl von Gästen eine Faulenzermotivation aufweisen. Häufig findet sich hier auch eine Kombination, erst richtig anstrengen, dann richtig faul sein. Wichtig ist auch die stärker gewordene Spaßorientierung (im allgemeinen Trend). Es ist also sicher eine gute Idee, mehr Fröhlichkeit ins Produkt zu packen. Strenger Ernst ist wenig "urlaubig". 71 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" 5.3 Fazit Die Betrachtung und Analyse von Daten zur touristischen Nachfrage aus Deutschland für Österreich führt zu einigen Einsichten bzw. Bestätigungen und erlaubt die Ableitung von Chancen und Risiken für die Zukunft. Für die jüngere Vergangenheit ist eine recht stabile Situation zu konstatieren. Den bis etwa 2005 ziemlich regelmäßigen Marktanteilsverlusten scheint Einhalt geboten. Schwankungen von Jahr zu Jahr gab es zweifellos, aber eben keine eindeutige (Abwärts-)Entwicklung. Für die nächste Zukunft wird deutlich, dass es kein Wachstum "von alleine" geben wird. Die Nachfragedaten zeigen keinen Indikator für ein quasi "automatisches" Wachstum der Nachfrage aus Deutschland. Andererseits sind die aufgezeigten Entwicklungen und Trends keine Naturgesetze. Man kann diese Entwicklungen nutzen oder gegen sie an arbeiten. Die Zukunft des Tourismus bietet also Gestaltungsmöglichkeiten (wirtschaftlich, gesellschaftlich, ökologisch), die man auch im Marketing nutzen kann und sollte. Für Österreich hat der deutsche Markt eine solche Bedeutung, dass man sich um diesen auf alle Fälle kümmern muss, und sei es nur um sein Schrumpfen zu verlangsamen. Ein einfaches "Rezept", wie man die Nachfrage aus Deutschland sichert oder gar zu langfristig nennenswert steigenden Zahlen kommen könnte, lässt sich aus den Nachfragetrends alleine nicht ableiten. Hinzutreten muss auch eine Zielformulierung seitens des österreichischen Tourismus für den deutschen Markt und eine Analyse der Ressourcen. Nur vor diesem Hintergrund erlangen die Trends eine Wegweiserfunktion. Als Basis zur Zukunftssicherung sind die deutschen Nahmärkte im Süden unverzichtbar. Sie generieren vor allem zusätzliche Urlaubsreisen und Kurzreisen. Als Ziel für Bergurlaub ist Österreich hier nahezu konkurrenzlos und genießt eine hohe Bekanntheit. Diese Nahmärkte sind wohl auch die erste Adresse für Städte- und Kulturreisen. Hier kann Österreich noch mehr auf sich aufmerksam machen und ggf. alternde Zielgruppen mit alternativen Angeboten zum Aktivurlaub "mitnehmen". Mehr Herausforderungen liegen bei den deutschen "Fernmärkten". Für den raschen Kurzurlaub zwischendurch leben die potentiellen Kunden zu weit entfernt (geografisch und thematisch). Ggf. könnte man über zielgruppenspezifische Produktinnovationen nachdenken, etwa längere Aufenthalte im Winter (richtige "Winterferien") für "Empty Nester". Angesichts der zahlreichen Optionen braucht es eine kräftige Kommunikation, um überhaupt die Aufmerksamkeit auf Österreich zu lenken. Die Bedeutung des deutschen Marktes ergibt sich auch dadurch, dass er geeignet ist, Tourismus in solchen Gebieten von Österreich zu sichern, die für Gäste aus anderen Auslandsmärkten kaum interessant sind (z.B. abgelegene Alpentäler). So können die deutschen Urlauber wichtige strukturpolitische Zielsetzungen unterstützen. Grundsätzlich ist bei Gästen aus Deutschland auch "Nachhaltigkeit" als Merkmal touristischer Angebote sehr willkommen, sowohl unter ökologischer als auch unter sozialer Perspektive. 72 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Insgesamt gibt es für übereilten Aktionismus im Tourismus der Deutschen kaum einen Grund. Die grundsätzlich stabile Nachfrage erlaubt ernsthafte Planungen ohne Hetze. 73 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Literatur Abegg, B.; Steiger, R. und Walser, R. (2015): "Aktuelle und zukünftige Schneesicherheit der Skigebiete in Graubünden". In: Bieger, Th.; Beritelli, P. und Laesser, Ch. 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Nach dem Studium zunächst Tätigkeit als Studien-Reiseleiter (Klinger-Reisen); 1981 bis 1984 Assistent am Psychologischen Institut der Universität Würzburg; 1984 bis 1991 Referent für Forschung beim Studienkreis für Tourismus in Starnberg; seit 1991 Leiter des NIT, seit 2001 an der jetzigen Leuphana Universität in Lüneburg. Seine Arbeitsfelder liegen in der touristischen Grundlagenforschung (Themenbeispiele: Impactforschung, Trends, Erholung), der touristischen Marktforschung (z.B. Gästebefragungen, Imageanalysen; Reiseanalyse im Auftrag der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen, FUR) und in der anwendungsbezogenen Forschung und Beratung (z.B. für touristische Unternehmen und Verbände, Urlaubsregionen und -orte, für nationale und supranationale Institutionen). Mehr Informationen unter www.NIT-Kiel.de, www.fur.de und www.leuphana.de. Harald Pechlaner Univ.-Prof. Dr. Harald Pechlaner ist Inhaber des Lehrstuhls für Tourismus sowie Leiter des Zentrums für Entrepreneurship der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, Leiter des Instituts für Regionalentwicklung und Standortmanagement der Europäischen Akademie Bozen (EURAC research). Er studierte Wirtschafts- und Handelswissenschaften an den Universitäten Verona und Innsbruck. Bis 1993 wirkte Harald Pechlaner als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Unternehmensführung der Universität Innsbruck und promovierte dort zum Doktor der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Von 1993 bis 1998 war er als Leiter der Abteilung Tourismus der Südtiroler Landesregierung und Direktor der Südtirol Tourismus Werbung in Bozen tätig. Nach diesen Praxisjahren kam er an das Institut für Unternehmensführung, Tourismus und Dienstleistungswirtschaft der Universität Innsbruck zurück und konzentrierte sich in seiner wissenschaftlichen Arbeit auf das touristische Destinationsmanagement. Es folgte 2002 die Habilitation an der Universität Innsbruck im Fach "Betriebswirtschaftslehre". Forschungsaufenthalte und eine Gastprofessur führten ihn 1999 an die University of Wisconsin-Stout und 2001 an die 79 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" University of Colorado in Boulder. Von Oktober 2002 bis Ende September 2003 war er an der Freien Universität Bozen als Gastprofessor für Tourismus, 2009 an der University of Surrey (School of Management) sowie an der School of Tourism der University of Queensland tätig. Weiters war Harald Pechlaner Präsident der Deutschen Gesellschaft für Tourismuswissenschaft (DGT e.V.). Er ist seit 2014 Präsident der AIEST (Association Internationale d'Experts Scientifiques du Tourisme), seine derzeitigen Forschungsschwerpunkte liegen vor allem in der Verknüpfung des Regional- und Standortmanagements mit dem Tourismus. Mehr Informationen unter: [email protected] und [email protected] Egon Smeral Univ.-Prof. Dr. Egon Smeral ist Ökonom und Experte für Tourismus und Freizeitwirtschaft. Er ist "Full" Professor an der Modul-University Vienna. Seine Forschungstätigkeit erstreckt sich über die Bereiche angewandte Wirtschaftsforschung, Wirtschaftstheorie und -politik (insbesondere in Bezug auf die Tourismus-, Freizeit- und Dienstleistungswirtschaft), Prognosen und Modelle zum Tourismus, Impact-Analysen, Tourismus-Satellitenkonten und die Erstellung und Evaluierung von Programmen über Tourismuspolitik und Marketingstrategien. Er ist Vize-Präsident der International Association of Scientific Experts in Tourism (AIEST), Mitglied der Travel and Tourism Research Association (TTRA), der International Academy for the Study of Tourism (IAST) und des International Institute of Forecasters (IIF). Weiters ist Egon Smeral als koordinierender Herausgeber des Journals Annals of Tourism Research tätig, Mitglied des Herausgeberbeirates des Journal of Travel Research und der Tourism Review sowie der Zeitschriften Tourism Analysis, Tourism Economics, Tourism Management und Anatolia. Seit 2010 ist er Vorsitzender des Expertenbeirats "Tourismusstrategie". Im März 2012 wurde ihm die Position des Generalsekretärs des Tourist Research Center (TRC) übertragen. Mehr Informationen unter [email protected] und http://egon.smeral.modul.ac.at/. 80 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Karl Wöber Univ.-Prof. Dr. Karl Wöber ist Gründungsrektor der MODUL University Vienna. Nach dem Besuch des Fremdenverkehrskollegs MODUL begann er 1986 mit dem Studium der Betriebswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien. Von 1988 bis 2007 wirkte Karl Wöber als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Tourismus und Freizeitwirtschaft an der WU Wien, wo er im Jahr 1993 sein Doktoratsstudium mit Auszeichnung abschloss. Nach mehreren Forschungsaufenthalten in den USA erfolgte im Jahr 2000 die Habilitation und die Verleihung der venia docendi für das Fach Betriebswirtschaftslehre. Seit 2007 ist Karl Wöber Rektor der MODUL University Vienna. Die Entwicklung interaktiver Werkzeuge zur Unterstützung von Managemententscheidungen, insbesondere in der Tourismuswirtschaft, stellen neben der Auseinandersetzung mit Fragen der Tourismusstatistik seine wissenschaftlichen Hauptarbeitsgebiete dar. Referenzarbeiten inkludieren die Entwicklung eines intelligenten Reiseberatungssystems im Auftrag der Europäischen Union (in Zusammenarbeit mit TISCover), die Konzeption und Umsetzung einer Domain-spezifischen Suchmaschine für den Europäischen Städtetourismusverband und die kontinuierliche Entwicklung der weltweit größten Plattform für internationale Tourismusstatistik mit mehr als 16.000 registrierten Benutzern (ausgezeichnet durch die UN Welttourismusorganisation im Jahr 2010). Seit 1994 fungiert er als Technischer Berater der beiden in Europa führenden Interessensvertretungen im Bereich Destinationsmanagement (European Cities Marketing und European Travel Commission). Karl Wöber ist Visiting Senior Fellow an der School of Management der Universität Surrey (UK) und an der School of Tourism and Hospitality Management der Temple Universität in Philadelphia (USA). Er ist Mitglied der International Academy for the Study of Tourism (IAST), der International Association of Scientific Experts in Tourism (AIEST), der Travel and Tourism Research Association (TTRA), des Tourist Research Center (TRC), der International Federation of Information Technology and Tourism (IFITT) und Mitglied des Vorstands der Österreichischen Gesellschaft für Angewandte Tourismuswirtschaft (ÖGAF). Ferner ist er Mitglied des Herausgeberbeirats des Journal of Travel Research, Journal of Information Technology and Tourism und des Journal of Modelling in Management. Mehr Informationen unter [email protected] und http://www.modul.ac.at/woeber. 81 Bericht des Expertenbeirats "Tourismusstrategie" Anhang: Prognosemodell Im vorliegenden Prognosemodell wurden die realen touristischen Exporte der EU-15 (XR_E15) durch das reale BIP der EU-15 (BIPR_E15) und durch die relativen Preise (für Aufenthalte im Inland in Relation zum Ausland: XP_E15/MP_E15) erklärt. Wegen Autokorrelation in den Residuen wurde eine Korrektur mit einem autoregressiven Term erster Ordnung – AR(1) – durchgeführt. Aus dieser Gleichung lässt sich die Auslandsnachfrage nach Zielen in der EU-15 (XR_E15) ableiten, die als Proxy für die internationale europäische Nachfrage – neben den relativen Preisen (Österreichaufenthalte/Aufenthalte in der EU-15; XP_AT/XP_E15) – die österreichischen realen Tourismusexporte (XR_AT) bestimmt. In der Gleichung wurden noch die Sonderentwicklungen aufgrund der Ostöffnung und 9/11 durch Dummy-Variable (DUMOST_AT; DUMSEPT_AT) berücksichtigt. Die ökonometrische Schätzung der Gleichung umfasste den Zeitraum 1978 bis 2014. Alle Werte wurden in Logarithmen transformiert. Log (XR_E15) = –11,83 + 1,49*Log(BIPR_E15) – 0,85*Log(XP_E15/MP_E15) + 0,84*AR(1) R2 adj. = 0,99 Log (XR_AT) = 6,48 + 0,23*Log (XR_E15) – 0,36*Log (XP_AT/XP_E15) + 0.17*DUMOST_AT – 0,10*DUMSEPT_AT R2 adj. = 0,91; D.W.=1,69 Auf Basis der t-Statistik sind alle Koeffizienten statistisch signifikant. 83