Wie gehen wir mit seinem Erbe um?

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Wie gehen wir mit seinem Erbe um?
kultur
Mittwoch, 16. Dezember 2015 · Nummer 293
Seite 11 ABCDE
Wie gehen wir mit seinem Erbe um?
Kultur-tIPP
Heerlener kulturzentrum Schunck zeigt 2016 große Ausstellung zum Werk des Aachener Baumeisters Ludwig Mies van der Rohe
Von ecKhard hoog
Heerlen. Er gehört zu den 1000 bedeutendsten Bauten der Welt, wie
die Union Internationale d’Architecture 1999 festgestellt hat: der
Glaspalast im Heerlener Zentrum,
eröffnet 1935 als Kaufhaus
Schunck, für 30 Millionen Euro im
Jahr 2000 restauriert, 2003 eröffnet als Kultureinrichtung mit
Architekturzentrum, Musikschule,
Filmhaus, Ausstellungshalle, öffentlicher Bibliothek, Ballettsaal
und Café unter dem Namen
Schunck – als Hommage an den
Gründer, den Modekaufmann Peter Schunck. Der Entwurf (1934)
des niederländischen Architekten
Frits Peutz galt zu seiner Zeit als revolutionär und war inspiriert von
einem wesentlichen Mitbegründer
des modernistischen Stils, der
nicht weit entfernt davon geboren
wurde: dem Aachener Ludwig
Mies van der Rohe (1886-1969).
Beide – Schunck und Mies van der
Rohe – finden im nächsten Jahr auf
spektakuläre Weise zusammen in
einer großen Ausstellung, die den
Titel trägt „Mies & das Erbe der
Moderne“. Beteiligt ist unter anderem die RWTH Aachen ebenso wie
das Aachener Ludwig Forum.
Oper „Au Monde“
fällt heute aus
Das Heerlener kulturzentrum Schunck, selbst eine Ikone der Architektur, widmet ihm vom 9. April bis zum 7. August 2016 eine große Ausstellung: dem
in Aachen geborenen Architekten ludwig Mies van der rohe.
Foto: Chicago History Museum, Arthur Siegel
stündigen Informationsveranstaltung vor.
Fünf Referenzbauten, Ikonen
der Architekturgeschichte, entworfen von Mies van der Rohe,
führen die aktuelle, schwierige
Problemlage beispielhaft vor Augen – sie wurden oder müssen
noch saniert werden: das Haus Tugendhat im tschechischen Brünn,
die Crown Hall in Chicago, die beiden Hochhäuser 860-880 Lake
Shore Drive am Michigansee in
Chicago, die Carr Memorial Cha-
Einer der berühmtesten Bauten ludwig Mies van der rohes in Europa: die
Villa tugendhat im tschechischen Brünn (erbaut 1928-1930). Sie steht
mit im Zentrum der Heerlener Ausstellung.
Foto: Stock /Ctk Photo
pel in Chicago und die Seidenfabrik Verseidag in Krefeld. Sie bilden den internationalen Sektor
der Ausstellung, gegenübergestellt
werden bauliche Beispiele aus der
Region rund um Heerlen – solche,
die vorbildhaft restauriert wurden,
aber auch vernachlässigte oder bereits abgerissene Objekte. Die generelle Fragestellung lautet: Wie
gehen wir mit dem modernistischen Architektur-Erbe um?
Zwei Experten der RWTH
Aachen, Norbert Hanenberg vom
Lehrstuhl Baukonstruktion an der
Fakultät für Architektur und Daniel Lohmann vom Lehr- und Forschungsgebiet Denkmalpflege und
historische Bauforschung, gaben
einen Einblick in die Schwierigkeiten bei der Sanierung solcher BauIkonen am Beispiel Verseidag.
Selbst die Originalfarbe des ursprünglichen Wandputzes gilt es,
nach amateurhaften Instandsetzungen am verfallenden Bau der
Seidenfabrik in aufwendiger Recherche zu ermitteln – von den
Maßen der zu ersetzenden, über
die Jahre wenig originalgetreu ausgetauschten Fenstersprossen gar
nicht zu reden.
Hanenberg und Lohmann veranstalten mit ihren RWTH-Studenten regelrechte Recherche-Expeditionen nach Krefeld, um zum
Beispiel mit der Sichtung in ein-
schlägigen Archiven herauszufinden, wie der Originalzustand dieser Architektur-Preziose einmal
ausgesehen hat. Dabei sind sie sicher, in einem verschollen geglaubten Archivschrank sogar eine
originale Zeichnung aus Mies van
der Rohes eigener Hand selbst aufgestöbert zu haben. Hanenberg
und Lohmann sind mittlerweile
gerne befragte Berater der Sanierer
in Krefeld.
Aber natürlich soll die Schau,
die an Aachener Ausstellungen
und Feiern zum 100. und 125. Geburtstag des berühmten Sohnes
der Stadt anknüpft, nicht nur den
möglichst aufzuhaltenden Verfall
von Mies van der Rohes Erbe zum
Thema haben. Die Ausstellung will
auch die Epoche der Moderne
selbst und einen ihrer größten
Wegbereiter mit seinen Werken
einem breiten Publikum zugänglich machen.
Schau auch im Ludwig Forum
Das neudeutsch sogenannte „Szenografiebüro“ Chezweitz der Berliner Architekten Sonja Beeck und
Detlef Weitz garantiert als Expertenteam die sinnlich und räumlich
adäquat zu erfahrende Inszenierung der Mies‘schen Bauten unter
Einsatz verschiedener Medien.
Mies van der Rohe als Kunst-
sammler, seine Beziehungen zu Picasso, Braque und Maillol sowie
seine Collagen präsentiert das
Aachener Ludwig Forum vom 27.
Oktober 2016 bis zum 5. März
2017 in einer eigenen Ausstellung.
Dabei gehe es auch um die künstlerischen Wurzeln im Schaffen des
Aachener Baumeisters, erklärte
Annette Lagler, die stellvertretende
Leiterin des Ludwig Forums.
Am kommenden Montag geht
es in Gesprächen mit den Heerlener Ausstellungsmachern um die
Beteiligung des Aachener Museums an dem Mies-Projekt. Im
Vordergrund werden dabei wohl
nach Annette Laglers Worten die
Museumspädagogik
und
die
Kunstvermittlung stehen. Überhaupt stellt das umfangreiche Rahmenprogramm mit Vortrags- und
Diskussionsforen einen wesentlichen Bestandteil des ganzen Projekts dar.
Das Budget beziffert SchunckDirektor Kor Bonnema
mit
450 000 Euro. „Für uns eine echte
Herausforderung.“ Sein Haus ist
dabei selbst ein Gedicht und entspricht mit seiner Vollverglasung
ganz der Devise Mies van der Rohes, Innen- und Außenraum aufs
Schönste eins werden zu lassen.
?
Infos im Internet:
www.schunck.nl
Große Liebe ist nur eine Illusion
Grandiose Mozart-Produktion an der Oper Bonn: „Così fan tutte“
Von Pedro obIera
Bonn. Gegenüber der Oper Bonn
haben die rheinischen Nachbarn
in Köln und Düsseldorf derzeit
einen schweren Stand. Mit einer
herausragenden Neuinszenierung
von Mozarts oft misshandelter
und missverstandener Tragikomödie „Così fan tutte“ kann Bonn
seine Vorrangstellung behaupten.
Zu erleben ist ein Mozart-Ensemble, wie es weit und breit nicht zu
hören ist. Und je älter das RegieUrgestein Dietrich W. Hilsdorf
wird, umso effektiver kann er seine
Erfahrung, seinen Bühneninstinkt
und seine handwerkliche Perfektion ausspielen. Und mittlerweile
ohne jede provokative Ambition.
Die weiteren
Vorstellungen
Die nächsten Aufführungen der
Oper „Cosi fan tutte“ im Bonner
Opernhaus: am 16. Januar sowie
am 18. und 26. Februar.
Karten beim kundenservice des
Medienhauses Zeitungsverlag
Aachen.
Aachen. Zum 100. Geburtstag
von Frank Sinatra feiert „Sinatra
& Friends“ einen der größten
Entertainer der Showgeschichte. Die Show scheint
Frank Sinatra leibhaftig auf die
Bühne zurückzubringen. Und
entführt am Mittwoch, 30. März
2016, 20 Uhr, im Eurogress Aachen das Publikum mit Songs
wie „My Way“, „Strangers in the
Night“ und „Mr. Bojangles“ ins
glamouröse Las Vegas der 60er
Jahre. „Sinatra & Friends“ lässt
einen der legendären Auftritte
von Frank Sinatra, Dean Martin
und Sammy Davis Junior lebendig werden. Das liegt vor allem
an Stephen Triffitt (Frank Sinatra), Mark Adams (Dean Martin)
und George Daniel Long
(Sammy Davis Jr.), die immer
den richtigen Ton treffen. Karten gibt es beim Kundenservice
des Medienhauses Zeitungsverlag Aachen.
Kurz notIert
Beton, Glas und Eisen bricht . . .
Beton, Glas und Eisen bricht, aber
unsere Liebe nicht . . . zur klassischen Moderne der Architektur,
sagten sich die Initiatoren der
Schau um Schunck-Kuratorin Andrea Croé. So dauerhaft haltbar die
von den modernen Baumeistern
verwendeten, damals noch neuen
Materialien auch wirken – sie verfallen genauso schnell wie ehedem
der simple Stein. Das Erbe der modernistischen Epoche ist in die
Jahre gekommen – viele Bauten bedürfen einer grundlegenden Sanierung, um sie zu erhalten. Genau
das ist das Thema der Ausstellung,
die vom 9. April bis zum 7. August
2016 im Schunck stattfinden soll.
Die wesentlichen Protagonisten
stellten dort das ambitionierte Projekt jetzt im Rahmen einer zwei-
„Sinatra & Friends“
im Eurogress Aachen
Dass er Mozarts Geniestreich in
den Dekorationen von Dieter Richter in einem wunderschön pittoresken neapolitanischen Salon des
17. Jahrhunderts mit Stuck und allerlei geschmackvollem Schnickschnack spielen lässt, verwundert
nur auf den ersten Blick. Die
Schärfe seiner psychologisch auf
den Punkt gebrachten Inszenierung leidet darunter weniger als in
manchem willkürlich modernisierten, letztlich oft unverbindlich
abstrahierten Szenario.
Bittere Erkenntnis
Hilsdorf nimmt den Untertitel des
Werks „Die Schule der Liebenden“
ernst, sogar bitterernst. Es geht
ihm nicht um die Verführbarkeit
flatterhafter Frauenzimmer, die die
Männer mit ihrer leichtsinnig und
boshaft ausgehandelten Wette
prüfen wollen. Im Zentrum seiner
Werksicht steht die Erkenntnis,
wie brüchig die Illusion von der
großen Liebe sein kann, wie wenig
man das Idol seiner Liebe und
noch viel weniger man sich selbst
kennt. Gleich, ob Mann oder Frau.
Wie die Musik überzieht auch Hilsdorfs Inszenierung ein Schleier
von verhaltener Skepsis. Bevor die
„Komödie“ in eine Katastrophe
mündet, kommt es zwar noch zu
einer Hochzeit der beiden Paare.
Das Vertrauen in die Macht der
Liebe, die Standfestigkeit des Partners und die eigene Menschenkenntnis ist jedoch tief erschüttert.
Vorbildlich, mit welcher filigranen Feinheit und Leichtigkeit Hilsdorf die sechs Figuren führt und
die Schlinge langsam, mit etlichen
schweigenden Zäsuren, stets im
Einklang mit Mozarts seismographisch kommentierender Musik
zuzieht. Es entsteht ein PsychoDrama
von
Strindberg‘scher
Schärfe, auch wenn sich die Figuren nicht erschlagen, sondern mit
Nadelstichen das Leben schwer
machen.
Man könnte seitenlang die Finessen der Personenführung aufzählen, nicht zuletzt die differenzierte Gestaltung der ebenso klugen wie intriganten Kammerzofe
Despina oder des bösartigen Frauenfeinds Alfonso.
GMD Hendrik Vestmann unterstreicht mit seinem pointierten,
klanglich
kammermusikalisch
entschlackten Dirigat den Kammerspielcharakter der Inszenierung. Stützen kann er sich auf ein
Denkwürdig: Dietrich W. Hilsdorfs Neuinszenierung von Mozarts tragikomödie „Così fan tutte“ im Bonner Opernhaus wurde bei der Premiere vom
Publikum zu recht gefeiert.
Foto: thilo Beu
junges, extrem spielfreudiges Sextett von exzeptionell hoher Güte.
Sumi Hwang als Fiordiligi meistert
die tückischsten Anforderungen
mühelos, wobei jeder Ton auch der
heikelsten Koloratur ausdrucksgeladen erklingt. Das gleiche gilt für
Kathrin Leidig als eine mit einem
kostbaren Mezzo ausgestattete Dorabella. Tamás Tarjányi als Ferrando empfiehlt sich mit seinem
federleicht und dennoch ausdrucksstark geführten Tenor als
einer der besten Mozart-Tenöre
weit und breit. Giorgios Kanaris
gestaltet den Guglielmo markant,
aber niemals polternd. Und von
der Despina schüttelt Susanne
Blattert jede soubrettenhafte Naivität ab. Eine oft eher nachlässig
geführte Figur, die zu einem Motor
der Handlung aufgewertet wird.
Und mit seinem dunklen, markigen Bariton verleiht Priit Volmer
dem Don Alfonso geradezu mephistophelische Züge.
Eine rundum grandiose MozartProduktion, die das Publikum mit
entsprechender Begeisterung feierte.
Aachen. Aufgrund einer Erkrankung im Ensemble muss die für
heute geplante Vorstellung der
Oper „Au Monde“ im Theater
Aachen ausfallen. Bereits gekaufte Karten können für eine
Folgevorstellung eingetauscht
werden oder werden an der
Theaterkasse zurückgenommen. Die nächsten Vorstellungen von „Au Monde“ finden am
3., 17., 31. Januar und 13., 18.,
26. Februar statt.
Erfolgreichstes Album
von Helene Fischer
Baden-Baden. Die Schlagersängerin Helene Fischer liegt mit
ihrem Album „Weihnachten“
(2 CDs, mit dem Royal Philharmonic Orchestra, live aus der
Hofburg Wien) laut GfK Entertainment in den Deutschen
Jahrescharts 2015 uneinholbar
vorn. Das teilten die Marktforscher am Dienstag in Baden-Baden mit. Zweiterfolgreichstes
Album werde nach derzeitigem
Stand „25“ von Adele. Um Platz
drei kämpfen Sarah Connor
(„Muttersprache“) und Helene
Fischer mit dem Album „Farbenspiel“, das in den Jahren
2013 und 2014 die Jahrescharts
dominierte.
zur Person
E Die kinder- und Jugendbuchautorin Cornelia Funke lässt sich fürs
Schreiben gerne von klassischer
Musik inspirieren. „Für mich ist Musik die größte kunst, weil sie absolut grenzenlos ist und Wahrheiten
ausdrücken kann, die sich Worten
entziehen“, sagte die 57-Jährige.
„Das erste Mal wirklich bewusst
wurde mir meine liebe zur klassischen Musik als teenager, als ich so
besessen von Schuberts ‚Winterreise‘ war, dass ich immer noch jedes lied auswendig kenne.“ Heute
könne sie sich keinen tag vorstellen, an dem sie nichts höre. Musikalisch geprägt worden sei sie von
den Eltern, Musik und theater seien
Bestandteile der Erziehung gewesen. Im Auftrag des Südwestrundfunks (SWr) hat Funke erstmals für
ein deutsches Orchester eine Geschichte geschrieben. Sie wird vertont vom SWr Sinfonieorchester
und kommt in Freiburg auf die
Bühne. Premiere ist an diesem
Donnerstag. „Ich hoffe, dass meine
Geschichte dazu beitragen kann,
die Scheu vor klassischer Musik, die
viele kinder und Erwachsene haben, zu überwinden“, sagte Funke.
Ihre Erzählung mit dem titel „Verzaubert“, die in Freiburgs Wäldern
spielt, wird kombiniert mit dem Orchesterwerk „Jeux. Poème dansé“
von Claude Debussy (1862-1918).
Foto: dpa
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