Gentechnikfreie Landwirtschaft

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Gentechnikfreie Landwirtschaft
Landwirtschaft; Lebensmittel & Gentechnik; Umwelt
Landwirtschaft: Gentechnikfreie Landwirtschaft
Jens Karg
20 Sekunden Statement
Die Grünen kämpfen für die Erhaltung der Gentechnikfreiheit in der österreichischen
Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion. Eine Koexistenz von Öko-Landbau und
Gentechniklandwirtschaft ist grundsätzlich nicht möglich. Die Grünen arbeiten im Netzwerk
der gentechfreien Regionen und fordern das Recht auf Gentechnik-Freiheit.
Kurzzusammenfassung
Die EU-Kommission lässt gentechnisch veränderte Futtermittel, Lebensmittel und Saatgut zu.
Dabei beruft sie sich auf die Sicherheitsbewertung der Europäischen
Lebensmittelsicherheits-Agentur (EFSA). Diese lässt jedoch langfristige Umweltauswirkungen
außer Acht und orientiert sich an Angaben der zulassungswerbenden Unternehmen.
Dadurch wird das Vorsorgeprinzip grob verletzt und die Entscheidungen fallen zugunsten der
Gentechnik-Konzerne aus.
Die von der Kommission propagierte sogenannte „Koexistenz“ (ein Nebeneinander
gentechnischer und gentechnikfreier Produktionsmethoden) erweist sich als unlösbares
Problem. Es bürdet der bäuerlichen und biologischen Landwirtschaft unzumutbare Risiken
und Kosten auf. Industrielle Monokulturen, in denen die Gentechnik-Landwirtschaft zum
Einsatz kommt, schädigen die Umwelt, gefährden die Gesundheit und führen weltweit die
bäuerliche Landwirtschaft in den Ruin.
In Österreich ist es den Grünen gemeinsam mit vielen engagierten Menschen bisher
gelungen, den Gentechnik-Anbau zu verhindern.
Hintergrund / Problemaufriss
Die Langzeitrisiken gentechnisch veränderter Pflanzen sind nicht erforscht und die
Freisetzungen von GVO irreversibel. Mehrere Forschungsergebnisse deuten auf gravierende
Nebenwirkungen auf die Umwelt und Gesundheit hin. MON810-Mais z.B. produziert einen
Wirkstoff (Bt-Toxin), der spezifisch gegen bestimmte Schadinsekten wirkt. Jedoch hat
Monsantos MON 810 nachweislich auch negative Auswirkungen auf Nichtziel-Organismen
wie z.B. Schmetterlinge und Würmer1, auf die Bodengesundheit2 und fördert die Ausbildung
1
Prasifka, P.L., Hellmich, R.L., Prasifka, J.R. & Lewis, L.C. 2007. Effects of Cry1Ab-expressing corn anthers on the movement of
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von Resistenzen gegen das Bt-Toxin bei Insekten3 und Schädlingen4. Eine Fütterungs-Studie
des italienischen Forschungsinstitutes für Ernährung und Lebensmittel kommt zu dem
Ergebnis, dass MON810 signifikante Veränderungen im Immunsystems bei Mäusen bewirken
kann. Die österreichischen Anbauverbote wurden damit begründet, dass klar gezeigt werden
konnte, dass ein Risiko für Nicht-Zielorganismen wie z.B. Populationsdichten von
Schmetterlingen in landwirtschaftlichen Ökosystemen und Maisfeldern besteht. Die
Mehrgenerationen-Studie der Veterinärmedizinischen Universität Wien und des
Forschungsinstituts für biologischen Landbau Studie ergab, dass mit Gentechnik-Mais
gefütterte Mäuse eine signifikant beeinträchtigte Fruchtbarkeit haben. Im Vergleich zu
Mäusen, die mit herkömmlichem Mais gefüttert wurden, gebaren die mit Gentechnik-Mais
gefütterten Tiere weniger und schmächtigere Junge. Ziel der Studie war, mögliche Effekte
des GVO-Maises NK603 x MON810 auf Mäuse in Langzeitfütterungsversuchen über mehrere
Generationen zu untersuchen.5
Im Juli 2010 präsentierte die Kommission den Vorschlag, den Mitgliedsstaaten künftig das
Recht zu geben, selbst zu entscheiden, ob auf ihrem Territorium gentechnisch veränderte
Pflanzen angebaut werden dürfen oder nicht. Die Zulassungen sollen weiter zentral auf EUEbene erfolgen, dann jedoch sollen die Mitgliedstaaten von einer 'Ausschlussklausel'
Gebrauch machen können. Die Klausel soll als neuer Artikel 26 b in die Freisetzungsrichtlinie
2001/18/EC eingefügt werden. Sie besagt: Mitgliedstaaten können Maßnahmen ergreifen,
die den Anbau aller oder bestimmter gentechnisch veränderter Organismen auf ihrem
gesamten Staatsgebiet oder in Teilen davon beschränken oder verbieten.
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2
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3
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4
http://www.unitedag.coop/images/E0200801/eUpdate081211.pdf
5 "Biological effects of transgenic maize NK603 x MON810 fed in long term reproduction studies in mice"; Projektleitung von Herrn Univ.
Prof. Dr. Jürgen Zentek (Vet. Med. Wien), Dr. Alberta Velimirov (FiBL) und Frau Dr. Claudia Binter (Vet. med. Wien) Nov. 2008
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Der Beschluss des Europäischen Parlaments hat wesentliche Lücken im
Kommissionsvorschlag geschlossen. Beispielsweise durften laut dem Kommissionsvorschlag
wissenschaftliche Erkenntnisse über Umweltrisiken von Gentech-Pflanzen nicht als Grund für
ein nationalstaatliches Anbauverbot berücksichtigt werden. Vom Umweltausschuss des
Europäischen Parlaments wurden deshalb wesentliche Veränderungen, gleichlautend zum
Beschluss des österreichischen Parlaments, gefordert und im Juli 2011 im EU-Parlament
beschlossen.
Jetzt müssen noch die EU-Mitgliedstaaten dem Parlamentsbeschluss zustimmen, dann ist
der Weg geebnet für den Ausbau der gentechnikfreien Regionen in Europa.
Grüne Position
Wir fordern von der Kommission, sich nicht auf die Seite der Gentechnik-Konzerne zu stellen,
sondern im Interesse der Konsumentinnen und Konsumenten einen Kurswechsel einzuleiten.
Wir Grünen setzen alles daran, dass die österreichische Landwirtschaft und
Lebensmittelproduktion weiterhin gentechnikfrei bleibt. Im Parlament ist es uns gelungen,
einen maßgeblichen Entschließungsantrag durchzusetzen, den wir vehement von der
Bundesregierung einfordern werden:
 die österreichischen Gentechnik-Anbauverbote vehement zu verteidigen und alle
Rechtsmittel bis hin zum Europäischen Gerichtshof auszuschöpfen, damit auch in
Zukunft keine gentechnisch veränderten Pflanzen in Österreich angebaut werden
 massiv dafür einzutreten, dass die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit
(EFSA) das Vorsorgeprinzip konsequent anwendet
 weiterhin auf EU-Ebene gegen die Zulassung von gentechnisch veränderten
Organismen zu stimmen
 eine unabhängige und dem Vorsorgeprinzip verpflichtete Risikoforschung im Bereich
der Agro-Gentechnik in Österreich zu fördern
 sowie auf EU-Ebene dafür einzutreten, dass das Selbstbestimmungsrecht der
Regionen Europas auf eine gentechnikfreie Landwirtschaft und
Lebensmittelproduktion endlich anerkannt wird.
Position der SPÖ
Die SPÖ setzt kaum Eigeninitiativen in diesem Bereich. Grüne Initiativen werden aber in der
Regel mitgetragen (siehe o.a. Entschließungsantrag).
BM Stöger hat mit dem Wunsch, ein Gütesiegel für gentechfreie tierische Produkte
einzuführen, aufhorchen lassen, aber ist nicht drangeblieben.
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Position der ÖVP
Auch kein ÖVP-Politiker traut sich, offen für die Agro-Gentechnik einzutreten. Im Bereich der
Futtermittel torpediert die ÖVP allerdings den gentechfreien Weg. Gentech-Futtermittel sind
für die Produktion von AMA-Gütsiegel-Produkten erlaubt. Bei Energiepflanzen können sich
manche ÖVPler den Einsatz von Gentechn-Pflanzen durchaus vorstellen (Molterer und
Fischler haben sich bereits positiv dazu geäussert).
Position der FPÖ
Die FPÖ versucht sich populistisch auf das Thema zu setzen, es fehlt aber an Expertise.
Position des BZÖ
Versucht ebenfalls das Thema zu besetzen, ist aber wenig überzeugend.
Andere Positionen
Starke Polarisierung. Umwelt-, Kirchliche, entwicklungspolitische Organisationen, Attac, aber
auch „Rettet Österreich-Leute“ und viele besorgte KonsumentInnen (Eltern, ältere
Menschen, Gesundheitsbewusste) versuchen gegen die Agro-Gentechnik zu mobilisieren.
Unter den Gentechnik-BefürworterInnen findet sich z.B. der Verein „Dialog Gentechnik“
(Vertreter von Unis und Forschungseinrichtungen), der seine Pro-Gentechnik-Argumente mit
Unterstützung öffentlicher Geldern an Schulen, Unis und in den Medien verbreitet. Es gibt
aber auch die von der Industrie unterstützten „TarnkappenstrategInnen“ mit exzellenten
Kontakten zu Behörden, Politik, Medien. Und schließlich Behörden wie die EFSA, in der
MitarbeiterInnen sitzen, die ehemals für die Gentech-Industrie gearbeitet haben oder sich
nach der Tätigkeit für die EFSA in der Gentech-Industrie wiederfinden.
Harte Fakten
Gentechnisch veränderte Pflanzen bringen Artenvielfalt in Gefahr
Gentechnisch veränderte Pflanzen verfügen über zwei Eigenschaften: Herbizidtoleranz (etwa
62 Prozent) aller gentechnisch veränderten Pflanzen und Insektenresistenz (etwa 15Prozent)
oder sie vereinen beide in einer Pflanze (etwa 21 Prozent). Herbizidtolerante Pflanzen
überstehen die Anwendung eines Totalherbizids, d.h. im Gegensatz zu allen anderen Pflanzen
auf dem Acker sterben sie nicht ab, wenn sie mit Unkrautvernichtungsmitteln besprüht
werden. Derzeit auf dem Markt: Soja, Mais, Baumwolle, Luzerne, Zuckerrübe und Raps, die
gegen Roundup von Monsanto und Liberty Link von Bayer tolerant sind.
Die Umweltwirkungen herbizidtoleranter Pflanzen ließ die britische Regierung in den Jahren
2000 bis 2002 im weltweit bislang größten Freilandexperiment untersuchen.
Der Anbau von Raps und Zuckerrüben mit Herbizidtoleranz zeigte massive Auswirkungen auf
die Vielfalt der Wildkräuter auf und neben dem Acker und in der Folge auch auf die davon
abhängige Insektenwelt. An den Feldrändern des Gentech-Rapses wurden 44 Prozent weniger
Blütenpflanzen und 39 Prozent weniger Samen festgestellt, bei Gentech-Zuckerrüben wurden
34 Prozent weniger Blütenpflanzen und 39 Prozent weniger Samen gezählt.
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Kontamination findet statt
Bis zum Januar 2011 gibt es weltweit über 300 dokumentierte Kontaminationen durch GVO
(Quelle: GM Contamination Register)
Gentechnik stillt nicht den Welthunger
Die Ursache von Hunger ist meist eine ungerechte Verteilung von Ressourcen. Gentechnisch
veränderte Pflanzen der Agrarindustrie schaffen daher keine Gerechtigkeit, sondern sind Teil
des Problems. Eine hoch industrialisierte Landwirtschaft, in der Konzerne das Monopol auf
Saatgut und Spritz- und Düngemittel halten, hilft nicht den Armen, sondern vergrößert ihre
Abhängigkeit.
Die Zukunft der Landwirtschaft ist regional angepasst und vielfältig
Der Weltagrarrat IAASTD bestätigte in seinem am 17. April 2008 veröffentlichten
Weltagrarbericht, dass die industrielle Landwirtschaft und Agro-Gentechnik ungeeignet sind,
das Hungerproblem zu lösen. Gefordert wird eine Neuausrichtung der Forschung sowie der
Handels- und Entwicklungspolitik. Höchste Priorität müsse die Förderung von
Anbaumethoden haben, die den ökologischen und sozialen Bedingungen der jeweiligen
Region angepasst seien, fordern die ExpertInnen.
Fallbeispiel
Beispiel Mexiko: Dort hatte im Herbst 2003 eine Studie mexikanischer Kleinbauern- und
Nichtregierungsorganisationen den Beweis erbracht, dass selbst in abgelegenen Regionen der
traditionelle Mais bis zu einem Drittel gentechnisch verunreinigt ist. Untersucht wurden
insgesamt 2.000 Pflanzenproben aus 138 kleinbäuerlichen Gemeinden in zehn Bundesstaaten,
nachgewiesen wurde eine Kontaminationsrate von durchschnittlich 24 Prozent. Die
Auswirkungen sind noch nicht abzusehen. Mexiko besitzt mit 56 verschiedenen Maissorten
und 16.000 Varietäten die größte Vielfalt an Maispflanzen weltweit. (Quelle: Der kritische
Agrarbericht 2005, Hg Agrarbündnis S. 96).
Herbizidresistente Gentech-Pflanzen führen zur Reduktion der biologischen Vielfalt:
Das Ergebnis der dreijährigen Anbauversuche in England endete für die Industrie mit einem
Schock: Zwei von drei Pflanzenarten zeigten im Vergleich mit konventionellen Pflanzen
negative Einflüsse auf die Umwelt: Der Spritzmitteleinsatz bei herbizidrestitentem Raps und
ebensolchen Rüben führte zu einer deutlichen Reduktion der biologischen Vielfalt auf dem
Acker. Flora und Fauna litten messbar unter dem Einsatz des Totalherbizides. Pollen von GenRaps wurde noch in 26 Kilometer Entfernung gefunden.
Beispiel USA: Herbizidresistente Pflanzen geraten auch in den USA unter Druck: Wegen des
großflächigen Anbaus von Gen-Soja werden immer mehr Unkräuter gegen das Spritzmittel
Glyphosat der Firma Monsanto resistent. Das Problem hat bereits jetzt für einige
LandwirtInnen erhebliche ökonomische Ausmaße. (Quelle: Der kritische Agrarbericht 2004,
S. 207 ff)
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Landmaschinen als Quelle gentechnischer Verunreinigungen: Forscher aus den USA weisen
seit längerem darauf hin, dass es zu Vermischungen in der Sämaschine, bei Pflege, Ernte,
Lagerung, Trocknung und Transport kommen kann. Die Kosten für eine angemessene
Reinigung übersteigen die Erntekosten um ein Vielfaches. Dadurch ist nicht nur eine
gentechnikfreie Landwirtschaft in Gefahr, sondern auch das bewährte Miteinander
landwirtschaftlicher Betriebe. (Quelle: Der kritische Agrarbericht 2007, S. 232 ff.)
Was Du tun kannst?
Konsum ist nicht nur ein Akt der Befriedigung privater Bedürfnisse und Wünsche, sondern
hat Einfluss auf eine ganze Reihe gesellschaftlicher Entwicklungen. Mit der Politik des
Einkaufswagens kann jedeR also einiges bewegen. Kaufe nur Produkte ohne Gentechnik. BioLebensmittel stellen den besten Weg zu kontrolliert Gentechnik-freien Produkten dar – egal
ob sie in Österreich oder in einem anderen Land hergestellt wurden. Darüber hinaus werden
Bio-Lebensmittel ohne Einsatz von chemischen Pestiziden oder Kunstdünger hergestellt.
Auch durch das Kennzeichen der ARGE Gentechnik-frei finden sich Lebensmittel, die ohne
Einsatz von Gentechnik hergestellt wurden.
Letzte Änderung 18.06.2012
Inhaltlich zuständige_r Referent_in: Jens
Karg
Inhaltlich zuständige_r Abgeordnete_r: Wolfgang
Pirklhuber
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