Programmheft 2015 (1,6 MiB)
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Programmheft 2015 (1,6 MiB)
Georges Bizet Carmen Georges Bizet CARMEN Oper in drei Akten. Text von Henri Meilhac und Ludovic Halévy nach der Novelle von Prosper Mérimée. Kritische Neuausgabe nach den Quellen und deutsche Texteinrichtung der von Ernest Guiraud nachkomponierten Rezitative von Fritz Oeser. Deutsche Übertragung der Originalfassung von Walter Felsenstein Uraufführung am 3. März 1875 in der Opéra-Comique, Paris Eine Veranstaltung der Theater Nordhausen/ Loh-Orchester Sondershausen GmbH im Auftrag der Stadt Sondershausen Markus Francke, Salomón Zulic del Canto, Irene López Ros, Sarah Hudarew Zehn Jahre Thüringer Schlossfestspiele Sondershausen Liebe Besucherinnen und Besucher der Thüringer Schlossfestspiele Sondershausen, sehr geehrte Damen und Herren, in diesem Sommer darf gefeiert werden, denn mit der Oper „Carmen“ finden die Thüringer Schlossfestspiele Sondershausen bereits zum 10. Mal statt! In diesen Jahren haben sich die Festspiele weit über die Grenzen nicht nur des Kyffhäuserkreises, sondern Thüringens hinaus einen Namen gemacht. Stetig wachsende Besucherzahlen sind das deutlichste Indiz für die große Resonanz auf das, was unser kleines Städtchen alljährlich im Juni und Juli zu bieten hat. Vielleicht erinnert sich manch einer von Ihnen noch an die allererste Produktion, die im Schlosshof über die Bühne ging, die „Hochzeit des Figaro“ von Mozart. Seither gab es viele wundervolle Theatererlebnisse, die – wie auch die nebenstehende Chronik zeigt – für jeden Geschmack etwas geboten haben. 2006 Wolfgang Amadeus Mozart, Die Hochzeit des Figaro (Regie: Kerstin Weiß) 2007 Johann Strauß, Die Fledermaus (Regie: Bernd Schmitt) 2008 Gioacchino Rossini, Aschenbrödel (Regie: Holger Potocki) 2009Ralph Benatzky, Im Weißen Rössl (Regie: Kerstin Weiß) 2010 Wolfgang Amadeus Mozart, Die Zauberflöte (Regie: Toni Burkhardt) 2011 Gioacchino Rossini, Der Barbier von Sevilla (Regie: Holger Potocki) 2012 Wolfgang Amadeus Mozart, Die Entführung aus dem Serail (Regie: Toni Burkhardt) 2013Richard Wagner, Der fliegende Holländer (Regie: Toni Burkhardt) 2014 Frederick Loewe, My Fair Lady (Regie: Toni Burkhardt) 2015 Georges Bizet, Carmen (Regie: Alfonso Romero Mora) „Carmen“ entführt Sie in diesem Sommer in das Land der glühend heißen Sonne, des Flamencos und des guten Weines. Lassen Sie sich vom spanischen Flair dieser berühmten Oper verzaubern und genießen Sie die mitreißenden Klänge von Bizets erfolgreichstem Bühnenstück. Auch das kulinarische Angebot haben wir darauf abgestimmt. Das Team der Hofküche ebenso wie das Café Pille halten spanische Leckereien für Sie bereit. Junge Theaterfreunde ab 5 Jahren sind herzlich ins Liebhabertheater eingeladen, denn dort präsentieren wir bereits zum zweiten Mal das spannende Kinderstück „Der Raub des Prinzen Hugo“, eine wahre Begebenheit aus der Geschichte von Schloss Sondershausen. Ich wünsche Ihnen unvergessliche Stunden bei unseren Thüringer Schlossfestspielen Sondershausen. Herzlich, Ihr Joachim Kreyer Bürgermeister der Stadt Sondershausen Kinderchor, Franz Xaver Schlecht, Herren des Opernchors Carmen – Thüringer Schlossfestspiele Sondershausen 4|5 Inhalt 1. Akt Auf einem Platz von Sevilla gegenüber der Zigarettenfabrik halten Soldaten Wache. Micaela sucht unter ihnen den Sergeanten Don José. Da dieser jedoch erst zur Wachablösung kommen wird, zieht sie sich wieder zurück. Mit dem Pausensignal der Fabrik strömen die Zigarettenarbeiterinnen nach draußen, begehrlich beobachtet von den Männern. Besonders warten sie auf Carmen, die alle betört, als sie erscheint. Nur Don José wirkt unbeteiligt. Sie wirft ihm aufreizend eine Blume zu. Micaela kommt zurück und überbringt Don José einen Brief von der Mutter, bei der sie als Waise lebt. Don José möchte Carmen widerstehen und Micaela heiraten. In der Zigarettenfabrik ist es in der Zwischenzeit zu einem Streit gekommen, bei dem Carmen eine andere Arbeiterin mit einem Messer verletzt hat. Leutnant Zuniga beauftragt Don José, sie ins Gefängnis zu führen. Doch er lässt sich derart von Carmen betören, dass er sie laufen lässt. 2. Akt Carmen, Mercedes und Frasquita sitzen mit Zuniga in der Schenke von Lillas Pastia ausgelassen zusammen. Zuniga erzählt Carmen, dass Don José eingesperrt und degradiert wurde, weil er sie laufen ließ, nun aber wieder freigelassen sei. Als der Stierkämpfer Escamillo in der Schenke eintrifft, fällt sein Blick auf Carmen, doch sie weist ihn zurück. Den Schmugglern winkt in dieser Nacht ein großes Geschäft. Alle sollen behilflich sein, doch Carmen weigert sich, sie möchte auf Don José warten. Als er erscheint, tanzt sie für ihn, aber er unterbricht sie, als das Signal für den Zapfenstreich ertönt. Carmen ist sauer und spottet auch dann noch über sein Pflichtbewusstsein, als er ihr seine Liebe gesteht. Mit ihr in die Berge zu den Schmugglern möchte er nicht gehen. Erst als es zwischen ihm und dem plötzlich eintreffenden Leutnant Zuniga – auch er hat ein Auge auf Carmen geworfen – zu einem Handgemenge kommt, bleibt José nichts anderes, als sich der Bande anzuschließen. 3. Akt 1. Bild Don José lebt mit Schmugglern und Zigeunern in den Bergen. Carmen hat sich von ihm abgewendet, seinen Besitzansprüchen will sie sich nicht fügen. Als Escamillo sie im Gebirge aufsucht, trifft er zunächst auf Don José und entfacht dessen Eifersucht. Es kommt zu einem Messerkampf, den Carmen aber beendet kann. Micaela überbringt Don José die Nachricht vom Tod seiner Mutter. Er geht mit ihr, kündigt aber an, dass er wiederkommen wird. 2. Bild Vor der Stierkampfarena tritt Escamillo von einer großen Menschenmenge umjubelt mit Carmen an seiner Seite auf. Frasquita warnt sie vor dem eifersüchtigen Don José. Alle ziehen in die Arena, Carmen und Don José bleiben zurück. Er möchte sie zurückgewinnen. Sie aber liebt nicht mehr ihn, sondern Escamillo. Der Gedanke, dass Carmen und Escamillo ihn verspotten könnten, ist für ihn unerträglich. In seiner Verzweiflung ersticht er Carmen. Zeitgleich siegt Escamillo über den Stier. Bruno Vargas, Sarah Hudarew, Markus Francke, Opernchor, Ballettkompanie Carmen – Thüringer Schlossfestspiele Sondershausen 6|7 Ricardo Frenzel Baudisch, Sarah Hudarew, Sin Ae Choi, Markus Francke, Leo Mastjugin, Jasmin Jablonski, Opernchor WAS SIE ÜBER „CARMEN“ WISSEN SOLLTEN von Juliane Hirschmann Erfolgreichste Oper aller Zeiten – totaler Reinfall bei der Uraufführung Am 3. März 1875 ging in der Pariser OpéraComique die Oper „Carmen“ das erste Mal über die Bühne. An diesem Abend war nicht im Entferntesten daran zu denken, dass dieses Werk einmal zu den meistgespielten und -rezipierten Opern überhaupt gehören würde. Der Komponist Georges Bizet war am Boden zerstört, „diesmal bin ich wirklich vernichtet“, äußerte er. Die Vorstellungen in den kommenden Monaten fanden meistens vor einem halbleeren Zuschauerraum statt. Kritiker fielen mit bösen Zungen über diese Oper her: Carmen sei in ihrer unbedingten Freiheitsliebe „obszön“, eine „Inkarnation des Lasters“ und sollte „polizeilich verboten werden“. Und: „Welche Realistik, aber was für ein Skandal! (…) Aus der niedersten Klasse nehmen neuerdings unsere Autoren die Hauptgestalten unserer Dramen, Komödien und jetzt sogar unserer Opéra comiques.“ Zaghaft äußerten sich allerdings auch schon damals positive Stimmten, etwa der französische Schriftsteller Théodore de Banville: „Statt der himmelblauen und rosa Puppen, die die Freude unserer Väter waren, hat er versucht, wirkliche Männer und Frauen, verblendet und gequält von Leidenschaft, zu zeigen.“ Die Erfolgsgeschichte der Oper begann erst nach dem Tod Bizets, der wenige Monate nach dem Fiasko der Uraufführung verstarb. Die Urgeschichte – die Novelle von Prosper Merimée Georges Bizet bekam 1872 von der Pariser Opéra-Comique den Auftrag, eine heitere Oper zu schreiben. Sein Plan war ein völlig neuartiges Werk, „ich werde die Kunstgattung der Opéra comique erweitern, sie umformen“, ließ er seinen Freund Ernest Guiraud wissen, und wählte die 1847 erschienene gleichnamige Novelle von Prosper Mérimée für seine Oper. Henri Meilhac und Ludovic Halévy, die schon mehrfach als Autorenduo für Operetten von Jacques Offenbach (darunter auch „Die Banditen“) in Erscheinung getreten waren, schufen daraus das Libretto. In der Novelle gibt es einen Rahmenerzähler, einen Archäologen, der sich auf einer Studienreise in Spanien befindet und in Andalusien auf den von der Polizei gesuchten Banditen Don José stößt. Der besitzergreifende und zutiefst eifersüchtige Don José tötet in der Novelle nicht nur Carmen, der er in blinder Leidenschaft verfällt, sondern auch einen ihrer Liebhaber sowie ihren einäugigen Ehemann. Kurz vor seiner Hinrichtung erzählt Don José dem Archäologen seine Geschichte. Der Franzose Mérimée zog seine Inspiration aus zwei Erlebnissen seiner ersten Spanienreise, die er im Jahr 1830 unternahm: der Begegnung mit einem schönen Mädchen namens Carmencita, die Zigarettenarbeiterin in Granada war, sowie der Bekanntschaft mit der andalusischen Gräfin Montijo, die eine enge Freundin Mérimées wurde. Von ihr hörte er vom berüchtigten spanischen Deserteur und Banditen namens Don José Maria Zempranito in den 1830ern. Merimée war einer der ersten französischen Schriftsteller der Romantik, der Spanien für eine längere Zeit bereist hatte. Von der Novelle zur Opéra comique Das Libretto zu Bizets Oper, an dem der Komponist selbst auch mitwirkte (so forderte er zum Beispiel „mehr Realismus, zu einem Mittelweg kann ich mich nicht verstehen“), konzentriert sich auf die Beziehung zwischen Carmen und Don José, weshalb zum Beispiel seine beiden anderen Morde nicht vorkommen. Als dramaturgische und psychologische Kontrastfigur zu Carmen wurde für die Oper das Bauernmädchen Micaela hinzuerfunden. Sie ist in jeder Beziehung das vollkommene Gegenteil zu ihr; auch ihre Musik folgt eher traditionellen Mustern. So ist ihre Arie im 3. Akt das einzige Solostück, das ein in sich geschlossenes Ganzes bildet. Bei allen anderen Solonummern sind der Chor oder andere Soli beteiligt. Micaelas Arie wurde schon zur Uraufführung beklatscht, da sie inmitten allem Ungewohnten „noch recht nach altem Brauch“ war. Und während der Mord Don Josés an Carmen bei Merimée in der Einsamkeit des Waldes geschieht, verlegten ihn die Autoren in die Stierkampfarena. Spanische Oper? Spanien galt zu Bizets Zeiten selbst bei den französischen Nachbarn als exotisches, fremdes Sehnsuchtsland. Die Musik in der Oper „Carmen“ klingt exotisch und vermittelt eine Ahnung von Spanien, obwohl Bizet originär spanische Folklore nicht aufgegriffen hat. Er, der Franzose war und Spanien selbst nie bereist hat, verarbeitete vielmehr das, was im 19. Jahrhundert als typisch spanisch galt, und kombinierte dies mit Musik anderer Länder. Die Habanera etwa, die Carmen zu ihrem ersten Auftritt tanzt, ist ursprünglich ein Tanz aus Kuba. Das unübertroffen Vitale der Musik steht im wirkungsvollen Kontrast zur Tragik des Geschehens. Einer der Gründe für den weitreichenden Erfolg dieser Oper. Carmen – Thüringer Schlossfestspiele Sondershausen 8|9 In der Zeit, in der die Oper entstand, wirkte Carmen als „Femme fatale“, mir ist das aber fremd. Ich sehe sie eher als ganz normale Frau, vielleicht mit einer schweren Kindheit; sie kämpft für ihre Freiheit, aber als Frau, nicht als Zigeunerin oder sonst jemand. Sie ist weniger eine Femme fatale oder verführerische Frau, ihr Charme kommt ganz spontan, weil sie diese Freiheit ausstrahlt. Sie selbst versucht nicht verführerisch oder sexy zu sein. Die Carmen-Geschichte wurde geboren in einer Zeit, in der es nicht normal war, dass die Frau eigene Entscheidungen trifft, aber in unserer Zeit und Kultur ist sie Gott sei Dank frei. Allerdings gibt es viele Kulturen, die das vermeiden, und zwar sehr extrem. Was interessiert uns an Carmen heute? Natürlich lebten die Frauen damals anders als heute, aber die Frau kann eigentlich noch mehr schaffen, es gibt immer noch Ungleichgewichte zwischen Männern und Frauen, auch in unserer Kultur. Sarah Hudarew, Markus Francke übertrieben dargestellt, und das wirkt für mich ein bisschen komisch. Allerdings braucht die Handlung starke Figuren, wenn Don José eifersüchtig ist, dann muss er das zeigen. Genauso Carmen. Sie ist die allervernünftigste Rolle in der Oper, sie ist sehr konsequent. Welche Bedeutung hat der Stierkampf in der Oper für dich? Ist er mehr als nur etwas, was dem Stück ein spanisches Kolorit verleiht? Carmen selbst hat viel von einem Stier ebenso wie von einem Torero. Sie hat diese irrationale Lust zur Konfrontation, sie hat Angst vor nichts oder zeigt sie jedenfalls nicht. Am Ende bleibt sie, obwohl sie ahnt, dass Don José sie umbringen wird. Für den Torero ist es interessant, mit der Gefahr zu spielen. Carmen hat auch den gewissen Stolz und die Macht, sich mit Problemen zu konfrontieren. Daher ist der Stierkampf in der Oper nicht nur Farbe, sondern er hat eine innere Verbindung zu den Figuren. Aus diesem Grund gibt es am Ende auch diese beiden parallelen Ereignisse, der Mord Don Josés an Carmen findet ja zur gleichen Zeit statt wie der Kampf Escamillos gegen den Stier. Den traditionell gehaltenen Kostümen, die von der Zeit inspiriert sind, in der die Oper entstanden ist, das war um 1870, habt ihr ein abstraktes Bühnenbild entgegengesetzt. Welche Idee liegt eurem Bühnenbild zugrunde? Ich wollte für die Bühne eine spanische Ästhetik finden, angeregt von einem bekannten spanischen Künstler. Ich fand sie in der Kunst Salvador Dalís, die unser surrealistisches Bühnenbild inspiriert hat. „Carmen“ hat etwas von einem spanischen Traum, ein Traum ist irrational, so ähnlich wie auch die Figuren in der Oper reagieren. Die Oper „Carmen“ spielt in Spanien, wurde jedoch von französischen Künstlern geschaffen. Wie spanisch ist die Oper für jemanden wie dich, der selbst aus Spanien kommt? „Carmen“ hat viel zu tun mit Spanien, harmonisch, rhythmisch hat Bizet den Punkt getroffen, die Musik klingt wirklich spanisch. Die Oper spielt in Sevilla, der Torero ist spaCarmen gilt als typische „Femme fatale“, als nisch, Liebe, Leidenschaft, Stolz, das alles ist verhängnisvolle Frau mit magisch-dämonischen spanisch. Zügen, deren erotischer Ausstrahlungskraft die Eifersucht, Gewalt ist auch heute in Spanien Männer zahlreich erliegen. Sie gilt aber auch als zu erleben aufgrund einer falschen Idee von emanzipierte Frau, die die männliche Herrschaft Eigentum am Partner, auch in der jungen zurückweist, und somit zugleich als Symbol für Generation, und bei Männern und Frauen das Streben nach Freiheit, „Carmen“ wurde gleichermaßen. auch als „Freiheitsoper“ gedeutet. In Spanien gibt es viele Toreros, Zigeuner, Für was steht Carmen aus deiner Sicht? Soldaten, aber die Figuren sind in der Oper „EIN SPANISCHER TRAUM“ – DER REGISSEUR ALFONSO ROMERO MORA ÜBER „CARMEN“ ’ Markus Francke Tijana Grujic, Carmen – Thüringer Schlossfestspiele Sondershausen 10|11 SCHAUPLÄTZE Die Stierkampfarena Zwanzig Minuten dauert eine Corrida, dann Sevilla gilt als das Herz andalusischer Kultur, das Zentrum des Stierkampfs und des Flamen- ist der Stier tot. Was in den zwanzig Minuten vor seinem Ende passiert, folgt einer genau cos. Obwohl die maurischen Einflüsse in der festgelegten Choreographie, die seit JahrArchitektur am offensichtlichsten sind – Anhunderten gleich ist. Der Stier wird gereizt, dalusien war rund 800 Jahre von den Mauren mit flatternden Tüchern irritiert, mit Lanzen besetzt – war die Stadt schon weit vorher ein verletzt und erhält schließlich einen tödlichen kulturelles Zentrum. Dolchstoß zwischen die Schulterblätter. Für Die alte Tabakfabrik war eine lange Zeit der die Befürworter ist es Tradition, für die Gegner entscheidende Dreh- und Angelpunkt von Tierquälerei. Barcelona hat dem Stierkampf Sevillas Wirtschaft und ist heute ein Teil der 2010 ein Ende verordnet. Aber in der HauptUniversität. Sie wurde zwischen 1750 und stadt Madrid lebt die Tradition noch, ebenso 1766 erbaut und gab 100 Jahre später 10.000 wie in Sevilla. Cigarreras Arbeit. Im 19. Jahrhundert bildeten diese Frauen der Tabakfabrik die größte Arbei- Aus Sicht des spanischen Philosophen Ortega y terlegion Spaniens. Das Gebäude im Neoklas- Gasset (1883–1955) kann man „die Geschichte sizistischen Stil ist beeindruckend, obwohl es Spaniens seit 1650 bis heute nicht richtig verstehen, wenn man nicht rigoros die Geschichte etwas düster ist. In einer der großen Hallen der Stierkämpfe konstruiert hat. … Die Wirkung der Fabrik gab es 400 Esel, ein eigenes Ge(der modernen Corrida) in Spanien war durchfängnis und eine Kinderkrippe. schlagend und überwältigend … wenige Dinge im Laufe ihrer Geschichte haben unsere Nation so begeistert und glücklich gemacht.“ Die Tabakfabrik von Sevilla Ballettkompanie, Kinderchor „UNÜBERTROFFEN EFFEKTVOLL“ – DER MUSIKALISCHE LEITER MARKUS L. FRANK ÜBER „CARMEN“ Natürlich handelt es sich bei „Carmen“ um die spanischste aller Opern. Bizet integriert in die Oper zahlreiche Tänze in feurigen Rhythmen, wie wir sie z. B. vom Flamenco kennen. Im zweiten Akt der Oper begleitet Carmen ihren Solo-Gesang auf Kastagnetten, auch ein typisch spanisches Instrument. Die Frage ist gerechtfertigt, warum ausgerechnet ein Franzose unser musikalisches Spanien-Bild so maßgeblich beeinflusst hat. Ich denke, dies liegt mit daran, dass Georges Bizet und seine Librettisten aus der sicheren Entfernung ungehindert Elemente der Folklore aufgreifen konnten. So haben sie eine unübertroffen effektvolle Partitur geschaffen. Ein spanischer Komponist hätte das so bestimmt geschmacklos gefunden. Spanier selbst sehen sich ganz anders und halten das Spanienbild in der Oper „Carmen“ für Klischee. Mich persönlich fasziniert, wie Bizet den Stolz der Zigeunerin Carmen in Musik umgesetzt hat. Im März dieses Jahres war ich in Sevilla und bin zufällig in eine Hochzeitsgesellschaft von Zigeunern geraten. Die hatten mir fremde, derart dunkle und messerscharf geschnittene Gesichtszüge, dass ich Angst bekommen habe, ein falscher Blick oder eine unbedachte Geste meinerseits könnte eine für mich unangenehme Reaktion auslösen. Im zweiten Teil der „Carmen“-Ouvertüre, oder auch wenn sie ihm die Blume ins Gesicht wirft, hören wir eine chromatische Tonfolge, die der sogenannten Zigeuner-Tonleiter entlehnt ist. In der Oper ist dies das Schicksalsmotiv. Immer, wenn es erklingt, muss ich an mein mulmiges Gefühl in Sevilla denken. Leo Mastjugin, Sarah Hudarew, Ricardo Frenzel Baudisch Carmen – Thüringer Schlossfestspiele Sondershausen 12|13 GAZPACHO – KALTE SUPPE FÜR HEISSE TAGE Gericht aus Andalusien Zutaten 1 große Zwiebel 1,5 kg Tomaten (schön rot und reif) je 1 grüne und rote Paprikaschote 1 kg Salatgurke 1–2 Knoblauchzehen 1 eingeweichte Semmel 1 kleine Chilischote Olivenöl Balsamico- oder Rotweinessig evtl. gemahlener Kümmel evtl. Paprikapulver (für eine schöne rote Farbe) frisch gemahlener, weißer oder schwarzer Pfeffer Meersalz oder grobes Salz aus der Mühle Zubereitung Zwiebel schälen und in mittelgroße Stücke schneiden. Die Paprika und die Gurke waschen, gut trocken tupfen und ebenfalls in Stücke schneiden. Die Tomaten zum Schälen kurz in kochendes Wasser tauchen, dann lässt sich die Schale leichter abziehen. Das Gemüse in einen großen Mixer geben und gut pürieren. Dann das Weißbrot zugeben und wiederum pürieren, so dass die Suppe schön sämig wird. Mit Salz, Pfeffer und viel Kümmel würzen und einen Schuss Essig sowie Öl unterrühren. Zum Schluss noch mit etwas Paprikapulver und, wenn nötig, Salz sowie Pfeffer abschmecken. Am besten für mindestens 30 Minuten kühl stellen und kalt servieren. Problemlos einige Tage im Kühlschrank aufzubewahren. ¡Buen provecho! Guten Appetit! ’ Franz Xaver Schlecht, Herren des Opernchors Tijana Grujic, Jasmin Jablonski, Sin Ae Choi Textnachweise: „Spanische Schauplätze“ unter Verwendung von: http://www.sevillatourist.com/german/monuments.html; http://www.red2000.com/spain/sevilla/2sevill.html; http://www.planetwissen. de/laender _ leute/spanien/madrid/stierkampf.jsp.; Rezept „Gazpacho“, auf: https://www. rezeptewiki.org/wiki/Gazpacho Der Artikel von Juliane Hirschmann, die Zusammenfassung des Inhalts und der Beitrag von Markus L. Frank sind Originalbeiträge für dieses Programmheft. Die Fragen auf S. 10/11 stellte Juliane Hirschmann. Die Probenbilder von Tilmann Graner entstanden eine Woche vor der Premiere auf der ersten Kostümprobe (www.foto-tilmann-graner.de). Impressum Theater Nordhausen/Loh-Orchester Sondershausen GmbH, Spielzeit 2014/2015, Intendant: Lars Tietje, Käthe-Kollwitz-Str. 15, 99734 Nordhausen, Tel.: (0 36 31) 62 60-0, www.theater-nordhausen.de Redaktion und Gestaltung: Dr. Juliane Hirschmann, Layout: Landsiedel | Müller | Flagmeyer, Nordhausen Programmheft Nr. 13 der Thüringer Schlossfestspiele Sondershausen Carmen – Thüringer Schlossfestspiele Sondershausen 14|15 Liebe mich, damit es aufhört, dieses Nachdenken, wenn du nicht da bist. Wolf Wondratschek Thüringer Schlossfestspiele Sondershausen Im Loh 1c | 99706 Sondershausen Telefon Telefax (0 36 32) 77 00 06 (0 36 32) 77 00 01 [email protected] www.schlossfestspiele-sondershausen.de