Programmheft 2015 (1,6 MiB)

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Programmheft 2015 (1,6 MiB)
Georges Bizet
Carmen
Georges Bizet
CARMEN
Oper in drei Akten.
Text von Henri Meilhac und Ludovic Halévy nach
der Novelle von Prosper Mérimée.
Kritische Neuausgabe nach den Quellen und deutsche
Texteinrichtung der von Ernest Guiraud nachkomponierten
Rezitative von Fritz Oeser.
Deutsche Übertragung der Originalfassung von Walter
Felsenstein
Uraufführung am 3. März 1875 in der Opéra-Comique, Paris
Eine Veranstaltung der Theater Nordhausen/
Loh-Orchester Sondershausen GmbH im Auftrag
der Stadt Sondershausen
Markus Francke, Salomón Zulic del Canto, Irene López Ros, Sarah Hudarew
Zehn Jahre
Thüringer Schlossfestspiele Sondershausen
Liebe Besucherinnen und Besucher der
Thüringer Schlossfestspiele Sondershausen, sehr
geehrte Damen und Herren,
in diesem Sommer darf gefeiert werden, denn mit der Oper „Carmen“ finden die
Thüringer Schlossfestspiele Sondershausen bereits zum 10. Mal statt! In diesen Jahren haben sich die Festspiele weit über die Grenzen nicht nur des Kyffhäuserkreises,
sondern Thüringens hinaus einen Namen gemacht. Stetig wachsende Besucherzahlen
sind das deutlichste Indiz für die große Resonanz auf das, was unser kleines Städtchen
alljährlich im Juni und Juli zu bieten hat. Vielleicht erinnert sich manch einer von Ihnen
noch an die allererste Produktion, die im Schlosshof über die Bühne ging, die „Hochzeit
des Figaro“ von Mozart. Seither gab es viele wundervolle Theatererlebnisse, die – wie
auch die nebenstehende Chronik zeigt – für jeden Geschmack etwas geboten haben.
2006 Wolfgang Amadeus Mozart, Die Hochzeit des Figaro (Regie: Kerstin Weiß)
2007 Johann Strauß, Die Fledermaus (Regie: Bernd Schmitt)
2008 Gioacchino Rossini, Aschenbrödel (Regie: Holger Potocki)
2009Ralph Benatzky, Im Weißen Rössl (Regie: Kerstin Weiß)
2010 Wolfgang Amadeus Mozart, Die Zauberflöte (Regie: Toni Burkhardt)
2011 Gioacchino Rossini, Der Barbier von Sevilla (Regie: Holger Potocki)
2012 Wolfgang Amadeus Mozart, Die Entführung aus dem Serail
(Regie: Toni Burkhardt)
2013Richard Wagner, Der fliegende Holländer (Regie: Toni Burkhardt)
2014 Frederick Loewe, My Fair Lady (Regie: Toni Burkhardt)
2015 Georges Bizet, Carmen (Regie: Alfonso Romero Mora)
„Carmen“ entführt Sie in diesem Sommer in das Land der glühend heißen Sonne, des Flamencos und des guten Weines. Lassen Sie sich vom spanischen Flair dieser berühmten
Oper verzaubern und genießen Sie die mitreißenden Klänge von Bizets erfolgreichstem
Bühnenstück. Auch das kulinarische Angebot haben wir darauf abgestimmt. Das Team
der Hofküche ebenso wie das Café Pille halten spanische Leckereien für Sie bereit.
Junge Theaterfreunde ab 5 Jahren sind herzlich ins Liebhabertheater eingeladen, denn
dort präsentieren wir bereits zum zweiten Mal das spannende Kinderstück „Der Raub
des Prinzen Hugo“, eine wahre Begebenheit aus der Geschichte von Schloss Sondershausen.
Ich wünsche Ihnen unvergessliche Stunden bei unseren Thüringer Schlossfestspielen
Sondershausen.
Herzlich, Ihr
Joachim Kreyer
Bürgermeister der Stadt Sondershausen
Kinderchor, Franz Xaver Schlecht, Herren des Opernchors
Carmen – Thüringer Schlossfestspiele Sondershausen 4|5
Inhalt
1. Akt
Auf einem Platz von Sevilla gegenüber der Zigarettenfabrik halten Soldaten Wache. Micaela
sucht unter ihnen den Sergeanten Don José. Da dieser jedoch erst zur Wachablösung kommen
wird, zieht sie sich wieder zurück. Mit dem Pausensignal der Fabrik strömen die Zigarettenarbeiterinnen nach draußen, begehrlich beobachtet von den Männern. Besonders warten sie
auf Carmen, die alle betört, als sie erscheint. Nur Don José wirkt unbeteiligt. Sie wirft ihm
aufreizend eine Blume zu. Micaela kommt zurück und überbringt Don José einen Brief von der
Mutter, bei der sie als Waise lebt. Don José möchte Carmen widerstehen und Micaela heiraten.
In der Zigarettenfabrik ist es in der Zwischenzeit zu einem Streit gekommen, bei dem Carmen
eine andere Arbeiterin mit einem Messer verletzt hat. Leutnant Zuniga beauftragt Don José, sie
ins Gefängnis zu führen. Doch er lässt sich derart von Carmen betören, dass er sie laufen lässt.
2. Akt
Carmen, Mercedes und Frasquita sitzen mit Zuniga in der Schenke von Lillas Pastia ausgelassen zusammen. Zuniga erzählt Carmen, dass Don José eingesperrt und degradiert wurde,
weil er sie laufen ließ, nun aber wieder freigelassen sei. Als der Stierkämpfer Escamillo in der
Schenke eintrifft, fällt sein Blick auf Carmen, doch sie weist ihn zurück.
Den Schmugglern winkt in dieser Nacht ein großes Geschäft. Alle sollen behilflich sein, doch
Carmen weigert sich, sie möchte auf Don José warten. Als er erscheint, tanzt sie für ihn,
aber er unterbricht sie, als das Signal für den Zapfenstreich ertönt. Carmen ist sauer und
spottet auch dann noch über sein Pflichtbewusstsein, als er ihr seine Liebe gesteht. Mit ihr
in die Berge zu den Schmugglern möchte er nicht gehen. Erst als es zwischen ihm und dem
plötzlich eintreffenden Leutnant Zuniga – auch er hat ein Auge auf Carmen geworfen – zu
einem Handgemenge kommt, bleibt José nichts anderes, als sich der Bande anzuschließen.
3. Akt
1. Bild
Don José lebt mit Schmugglern und Zigeunern in den Bergen. Carmen hat sich von ihm abgewendet, seinen Besitzansprüchen will sie sich nicht fügen. Als Escamillo sie im Gebirge
aufsucht, trifft er zunächst auf Don José und entfacht dessen Eifersucht. Es kommt zu einem
Messerkampf, den Carmen aber beendet kann. Micaela überbringt Don José die Nachricht
vom Tod seiner Mutter. Er geht mit ihr, kündigt aber an, dass er wiederkommen wird.
2. Bild
Vor der Stierkampfarena tritt Escamillo von einer großen Menschenmenge umjubelt mit Carmen an seiner Seite auf. Frasquita warnt sie vor dem eifersüchtigen Don José. Alle ziehen in
die Arena, Carmen und Don José bleiben zurück. Er möchte sie zurückgewinnen. Sie aber liebt
nicht mehr ihn, sondern Escamillo. Der Gedanke, dass Carmen und Escamillo ihn verspotten
könnten, ist für ihn unerträglich. In seiner Verzweiflung ersticht er Carmen. Zeitgleich siegt
Escamillo über den Stier.
Bruno Vargas, Sarah Hudarew, Markus Francke, Opernchor, Ballettkompanie
Carmen – Thüringer Schlossfestspiele Sondershausen 6|7
Ricardo Frenzel Baudisch, Sarah Hudarew, Sin Ae Choi, Markus Francke, Leo Mastjugin, Jasmin Jablonski, Opernchor
WAS SIE ÜBER „CARMEN“ WISSEN SOLLTEN
von Juliane Hirschmann
Erfolgreichste Oper aller Zeiten –
totaler Reinfall bei der Uraufführung
Am 3. März 1875 ging in der Pariser OpéraComique die Oper „Carmen“ das erste Mal
über die Bühne. An diesem Abend war nicht
im Entferntesten daran zu denken, dass dieses Werk einmal zu den meistgespielten und
-rezipierten Opern überhaupt gehören würde.
Der Komponist Georges Bizet war am Boden
zerstört, „diesmal bin ich wirklich vernichtet“,
äußerte er. Die Vorstellungen in den kommenden Monaten fanden meistens vor einem
halbleeren Zuschauerraum statt.
Kritiker fielen mit bösen Zungen über diese
Oper her: Carmen sei in ihrer unbedingten
Freiheitsliebe „obszön“, eine „Inkarnation
des Lasters“ und sollte „polizeilich verboten
werden“. Und: „Welche Realistik, aber was für
ein Skandal! (…) Aus der niedersten Klasse
nehmen neuerdings unsere Autoren die Hauptgestalten unserer Dramen, Komödien und
jetzt sogar unserer Opéra comiques.“ Zaghaft
äußerten sich allerdings auch schon damals
positive Stimmten, etwa der französische
Schriftsteller Théodore de Banville: „Statt der
himmelblauen und rosa Puppen, die die Freude
unserer Väter waren, hat er versucht, wirkliche
Männer und Frauen, verblendet und gequält
von Leidenschaft, zu zeigen.“
Die Erfolgsgeschichte der Oper begann erst
nach dem Tod Bizets, der wenige Monate
nach dem Fiasko der Uraufführung verstarb.
Die Urgeschichte – die Novelle von
Prosper Merimée
Georges Bizet bekam 1872 von der Pariser
Opéra-Comique den Auftrag, eine heitere
Oper zu schreiben. Sein Plan war ein völlig
neuartiges Werk, „ich werde die Kunstgattung der Opéra comique erweitern, sie umformen“, ließ er seinen Freund Ernest Guiraud
wissen, und wählte die 1847 erschienene
gleichnamige Novelle von Prosper Mérimée
für seine Oper. Henri Meilhac und Ludovic
Halévy, die schon mehrfach als Autorenduo
für Operetten von Jacques Offenbach (darunter auch „Die Banditen“) in Erscheinung
getreten waren, schufen daraus das Libretto.
In der Novelle gibt es einen Rahmenerzähler,
einen Archäologen, der sich auf einer Studienreise in Spanien befindet und in Andalusien
auf den von der Polizei gesuchten Banditen
Don José stößt. Der besitzergreifende und
zutiefst eifersüchtige Don José tötet in der
Novelle nicht nur Carmen, der er in blinder
Leidenschaft verfällt, sondern auch einen
ihrer Liebhaber sowie ihren einäugigen Ehemann. Kurz vor seiner Hinrichtung erzählt Don
José dem Archäologen seine Geschichte.
Der Franzose Mérimée zog seine Inspiration
aus zwei Erlebnissen seiner ersten Spanienreise, die er im Jahr 1830 unternahm: der
Begegnung mit einem schönen Mädchen
namens Carmencita, die Zigarettenarbeiterin
in Granada war, sowie der Bekanntschaft
mit der andalusischen Gräfin Montijo, die
eine enge Freundin Mérimées wurde. Von ihr
hörte er vom berüchtigten spanischen Deserteur und Banditen namens Don José Maria
Zempranito in den 1830ern. Merimée war
einer der ersten französischen Schriftsteller
der Romantik, der Spanien für eine längere
Zeit bereist hatte.
Von der Novelle zur Opéra comique
Das Libretto zu Bizets Oper, an dem der
Komponist selbst auch mitwirkte (so forderte
er zum Beispiel „mehr Realismus, zu einem
Mittelweg kann ich mich nicht verstehen“),
konzentriert sich auf die Beziehung zwischen Carmen und Don José, weshalb zum
Beispiel seine beiden anderen Morde nicht
vorkommen. Als dramaturgische und psychologische Kontrastfigur zu Carmen wurde
für die Oper das Bauernmädchen Micaela
hinzuerfunden. Sie ist in jeder Beziehung
das vollkommene Gegenteil zu ihr; auch ihre
Musik folgt eher traditionellen Mustern. So
ist ihre Arie im 3. Akt das einzige Solostück,
das ein in sich geschlossenes Ganzes bildet.
Bei allen anderen Solonummern sind der
Chor oder andere Soli beteiligt. Micaelas Arie
wurde schon zur Uraufführung beklatscht,
da sie inmitten allem Ungewohnten „noch
recht nach altem Brauch“ war. Und während
der Mord Don Josés an Carmen bei Merimée
in der Einsamkeit des Waldes geschieht,
verlegten ihn die Autoren in die Stierkampfarena.
Spanische Oper?
Spanien galt zu Bizets Zeiten selbst bei den
französischen Nachbarn als exotisches, fremdes Sehnsuchtsland. Die Musik in der Oper
„Carmen“ klingt exotisch und vermittelt eine
Ahnung von Spanien, obwohl Bizet originär
spanische Folklore nicht aufgegriffen hat.
Er, der Franzose war und Spanien selbst nie
bereist hat, verarbeitete vielmehr das, was
im 19. Jahrhundert als typisch spanisch galt,
und kombinierte dies mit Musik anderer
Länder. Die Habanera etwa, die Carmen zu
ihrem ersten Auftritt tanzt, ist ursprünglich
ein Tanz aus Kuba. Das unübertroffen Vitale
der Musik steht im wirkungsvollen Kontrast
zur Tragik des Geschehens. Einer der Gründe
für den weitreichenden Erfolg dieser Oper.
Carmen – Thüringer Schlossfestspiele Sondershausen 8|9
In der Zeit, in der die Oper entstand, wirkte
Carmen als „Femme fatale“, mir ist das aber
fremd. Ich sehe sie eher als ganz normale
Frau, vielleicht mit einer schweren Kindheit;
sie kämpft für ihre Freiheit, aber als Frau,
nicht als Zigeunerin oder sonst jemand. Sie
ist weniger eine Femme fatale oder verführerische Frau, ihr Charme kommt ganz spontan,
weil sie diese Freiheit ausstrahlt. Sie selbst
versucht nicht verführerisch oder sexy zu sein.
Die Carmen-Geschichte wurde geboren in
einer Zeit, in der es nicht normal war, dass
die Frau eigene Entscheidungen trifft, aber in
unserer Zeit und Kultur ist sie Gott sei Dank
frei. Allerdings gibt es viele Kulturen, die das
vermeiden, und zwar sehr extrem.
Was interessiert uns an Carmen heute?
Natürlich lebten die Frauen damals anders
als heute, aber die Frau kann eigentlich noch
mehr schaffen, es gibt immer noch Ungleichgewichte zwischen Männern und Frauen,
auch in unserer Kultur.
Sarah Hudarew, Markus Francke
übertrieben dargestellt, und das wirkt für mich
ein bisschen komisch. Allerdings braucht die
Handlung starke Figuren, wenn Don José eifersüchtig ist, dann muss er das zeigen. Genauso
Carmen. Sie ist die allervernünftigste Rolle in
der Oper, sie ist sehr konsequent.
Welche Bedeutung hat der Stierkampf in der
Oper für dich? Ist er mehr als nur etwas, was
dem Stück ein spanisches Kolorit verleiht?
Carmen selbst hat viel von einem Stier ebenso
wie von einem Torero. Sie hat diese irrationale
Lust zur Konfrontation, sie hat Angst vor nichts
oder zeigt sie jedenfalls nicht. Am Ende bleibt
sie, obwohl sie ahnt, dass Don José sie umbringen wird. Für den Torero ist es interessant,
mit der Gefahr zu spielen. Carmen hat auch den
gewissen Stolz und die Macht, sich mit Problemen zu konfrontieren. Daher ist der Stierkampf
in der Oper nicht nur Farbe, sondern er hat eine
innere Verbindung zu den Figuren. Aus diesem
Grund gibt es am Ende auch diese beiden
parallelen Ereignisse, der Mord Don Josés an
Carmen findet ja zur gleichen Zeit statt wie der
Kampf Escamillos gegen den Stier.
Den traditionell gehaltenen Kostümen, die von
der Zeit inspiriert sind, in der die Oper entstanden ist, das war um 1870, habt ihr ein abstraktes Bühnenbild entgegengesetzt. Welche Idee
liegt eurem Bühnenbild zugrunde?
Ich wollte für die Bühne eine spanische Ästhetik finden, angeregt von einem bekannten
spanischen Künstler. Ich fand sie in der Kunst
Salvador Dalís, die unser surrealistisches
Bühnenbild inspiriert hat. „Carmen“ hat etwas
von einem spanischen Traum, ein Traum ist
irrational, so ähnlich wie auch die Figuren in der
Oper reagieren.
Die Oper „Carmen“ spielt in Spanien, wurde
jedoch von französischen Künstlern geschaffen. Wie spanisch ist die Oper für jemanden
wie dich, der selbst aus Spanien kommt?
„Carmen“ hat viel zu tun mit Spanien, harmonisch, rhythmisch hat Bizet den Punkt
getroffen, die Musik klingt wirklich spanisch.
Die Oper spielt in Sevilla, der Torero ist spaCarmen gilt als typische „Femme fatale“, als
nisch, Liebe, Leidenschaft, Stolz, das alles ist
verhängnisvolle Frau mit magisch-dämonischen spanisch.
Zügen, deren erotischer Ausstrahlungskraft die Eifersucht, Gewalt ist auch heute in Spanien
Männer zahlreich erliegen. Sie gilt aber auch als zu erleben aufgrund einer falschen Idee von
emanzipierte Frau, die die männliche Herrschaft Eigentum am Partner, auch in der jungen
zurückweist, und somit zugleich als Symbol für
Generation, und bei Männern und Frauen
das Streben nach Freiheit, „Carmen“ wurde
gleichermaßen.
auch als „Freiheitsoper“ gedeutet.
In Spanien gibt es viele Toreros, Zigeuner,
Für was steht Carmen aus deiner Sicht?
Soldaten, aber die Figuren sind in der Oper
„EIN SPANISCHER TRAUM“ –
DER REGISSEUR ALFONSO ROMERO
MORA ÜBER „CARMEN“
’ Markus Francke
Tijana Grujic,
Carmen – Thüringer Schlossfestspiele Sondershausen 10|11
SCHAUPLÄTZE
Die Stierkampfarena
Zwanzig Minuten dauert eine Corrida, dann
Sevilla gilt als das Herz andalusischer Kultur,
das Zentrum des Stierkampfs und des Flamen- ist der Stier tot. Was in den zwanzig Minuten
vor seinem Ende passiert, folgt einer genau
cos. Obwohl die maurischen Einflüsse in der
festgelegten Choreographie, die seit JahrArchitektur am offensichtlichsten sind – Anhunderten
gleich ist. Der Stier wird gereizt,
dalusien war rund 800 Jahre von den Mauren
mit
flatternden
Tüchern irritiert, mit Lanzen
besetzt – war die Stadt schon weit vorher ein
verletzt
und
erhält
schließlich einen tödlichen
kulturelles Zentrum.
Dolchstoß
zwischen
die Schulterblätter. Für
Die alte Tabakfabrik war eine lange Zeit der
die
Befürworter
ist
es
Tradition, für die Gegner
entscheidende Dreh- und Angelpunkt von
Tierquälerei.
Barcelona
hat dem Stierkampf
Sevillas Wirtschaft und ist heute ein Teil der
2010
ein
Ende
verordnet.
Aber in der HauptUniversität. Sie wurde zwischen 1750 und
stadt
Madrid
lebt
die
Tradition
noch, ebenso
1766 erbaut und gab 100 Jahre später 10.000
wie
in
Sevilla.
Cigarreras Arbeit. Im 19. Jahrhundert bildeten
diese Frauen der Tabakfabrik die größte Arbei- Aus Sicht des spanischen Philosophen Ortega y
terlegion Spaniens. Das Gebäude im Neoklas- Gasset (1883–1955) kann man „die Geschichte
sizistischen Stil ist beeindruckend, obwohl es Spaniens seit 1650 bis heute nicht richtig verstehen, wenn man nicht rigoros die Geschichte
etwas düster ist. In einer der großen Hallen
der Stierkämpfe konstruiert hat. … Die Wirkung
der Fabrik gab es 400 Esel, ein eigenes Ge(der modernen Corrida) in Spanien war durchfängnis und eine Kinderkrippe.
schlagend und überwältigend … wenige Dinge
im Laufe ihrer Geschichte haben unsere Nation
so begeistert und glücklich gemacht.“
Die Tabakfabrik von Sevilla
Ballettkompanie, Kinderchor
„UNÜBERTROFFEN EFFEKTVOLL“ –
DER MUSIKALISCHE LEITER MARKUS
L. FRANK ÜBER „CARMEN“
Natürlich handelt es sich bei „Carmen“ um die
spanischste aller Opern. Bizet integriert in die
Oper zahlreiche Tänze in feurigen Rhythmen,
wie wir sie z. B. vom Flamenco kennen. Im
zweiten Akt der Oper begleitet Carmen ihren
Solo-Gesang auf Kastagnetten, auch ein
typisch spanisches Instrument.
Die Frage ist gerechtfertigt, warum ausgerechnet ein Franzose unser musikalisches
Spanien-Bild so maßgeblich beeinflusst hat.
Ich denke, dies liegt mit daran, dass Georges
Bizet und seine Librettisten aus der sicheren
Entfernung ungehindert Elemente der Folklore
aufgreifen konnten. So haben sie eine unübertroffen effektvolle Partitur geschaffen. Ein
spanischer Komponist hätte das so bestimmt
geschmacklos gefunden. Spanier selbst sehen sich ganz anders und halten das Spanienbild in der Oper „Carmen“ für Klischee.
Mich persönlich fasziniert, wie Bizet den Stolz
der Zigeunerin Carmen in Musik umgesetzt
hat. Im März dieses Jahres war ich in Sevilla
und bin zufällig in eine Hochzeitsgesellschaft
von Zigeunern geraten. Die hatten mir fremde,
derart dunkle und messerscharf geschnittene
Gesichtszüge, dass ich Angst bekommen
habe, ein falscher Blick oder eine unbedachte
Geste meinerseits könnte eine für mich unangenehme Reaktion auslösen.
Im zweiten Teil der „Carmen“-Ouvertüre, oder
auch wenn sie ihm die Blume ins Gesicht
wirft, hören wir eine chromatische Tonfolge,
die der sogenannten Zigeuner-Tonleiter entlehnt ist. In der Oper ist dies das Schicksalsmotiv. Immer, wenn es erklingt, muss ich an
mein mulmiges Gefühl in Sevilla denken.
Leo Mastjugin, Sarah Hudarew, Ricardo Frenzel Baudisch
Carmen – Thüringer Schlossfestspiele Sondershausen 12|13
GAZPACHO – KALTE SUPPE FÜR HEISSE TAGE
Gericht aus Andalusien
Zutaten
1 große Zwiebel
1,5 kg Tomaten (schön rot und reif)
je 1 grüne und rote Paprikaschote
1 kg Salatgurke
1–2 Knoblauchzehen
1 eingeweichte Semmel
1 kleine Chilischote
Olivenöl
Balsamico- oder Rotweinessig
evtl. gemahlener Kümmel
evtl. Paprikapulver (für eine schöne rote Farbe)
frisch gemahlener, weißer oder schwarzer
Pfeffer
Meersalz oder grobes Salz aus der Mühle
Zubereitung
Zwiebel schälen und in mittelgroße Stücke
schneiden. Die Paprika und die Gurke waschen,
gut trocken tupfen und ebenfalls in Stücke
schneiden. Die Tomaten zum Schälen kurz in
kochendes Wasser tauchen, dann lässt sich
die Schale leichter abziehen. Das Gemüse in
einen großen Mixer geben und gut pürieren.
Dann das Weißbrot zugeben und wiederum
pürieren, so dass die Suppe schön sämig wird.
Mit Salz, Pfeffer und viel Kümmel würzen und
einen Schuss Essig sowie Öl unterrühren. Zum
Schluss noch mit etwas Paprikapulver und,
wenn nötig, Salz sowie Pfeffer abschmecken.
Am besten für mindestens 30 Minuten kühl
stellen und kalt servieren. Problemlos einige
Tage im Kühlschrank aufzubewahren.
¡Buen provecho! Guten Appetit!
’ Franz Xaver Schlecht, Herren des Opernchors
Tijana Grujic,
Jasmin Jablonski, Sin Ae Choi
Textnachweise:
„Spanische Schauplätze“ unter Verwendung von: http://www.sevillatourist.com/german/monuments.html; http://www.red2000.com/spain/sevilla/2sevill.html; http://www.planetwissen.
de/laender _ leute/spanien/madrid/stierkampf.jsp.; Rezept „Gazpacho“, auf: https://www.
rezeptewiki.org/wiki/Gazpacho
Der Artikel von Juliane Hirschmann, die Zusammenfassung des Inhalts und der Beitrag von
Markus L. Frank sind Originalbeiträge für dieses Programmheft. Die Fragen auf S. 10/11 stellte
Juliane Hirschmann.
Die Probenbilder von Tilmann Graner entstanden eine Woche vor der Premiere auf der ersten
Kostümprobe (www.foto-tilmann-graner.de).
Impressum
Theater Nordhausen/Loh-Orchester Sondershausen GmbH, Spielzeit 2014/2015,
Intendant: Lars Tietje, Käthe-Kollwitz-Str. 15, 99734 Nordhausen, Tel.: (0 36 31) 62 60-0,
www.theater-nordhausen.de
Redaktion und Gestaltung: Dr. Juliane Hirschmann,
Layout: Landsiedel | Müller | Flagmeyer, Nordhausen
Programmheft Nr. 13 der Thüringer Schlossfestspiele Sondershausen
Carmen – Thüringer Schlossfestspiele Sondershausen 14|15
Liebe mich,
damit es aufhört,
dieses Nachdenken,
wenn du nicht da bist.
Wolf Wondratschek
Thüringer Schlossfestspiele
Sondershausen
Im Loh 1c | 99706 Sondershausen
Telefon
Telefax
(0 36 32) 77 00 06
(0 36 32) 77 00 01
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