Marion Brehm - Rainer Hampp Verlag

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Marion Brehm - Rainer Hampp Verlag
Brehm: Downward Movement (ZfP 2/99)
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Marion Brehm*
Downward Movement. Verminderte Kompetenz und
Verantwortung in verhaltenswissenschaftlicher Perspektive**
Überlegungen zu Entwicklungen im In- und Umfeld von Organisationen lassen den
Schluss zu, dass Positionswechsel unter den Bedingungen reduzierter Kompetenz und
Verantwortung – die sich hinter dem Begriff Downward Movement verbergen – in Zukunft
einen relativ hohen Stellenwert erlangen könnten. Im vorliegenden Beitrag werden derartige Karrieremuster verhaltenswissenschaftlich geleitet diskutiert. Verdeutlicht wird, dass
weitreichende individuelle Unterschiede in der Bereitschaft und Absicht zu einer Abgabe
von Kompetenz und Verantwortung bestehen. Diese werden auf unterschiedliche Einstellungen zur beruflichen Entwicklung und auf verschiedenartig ausgeprägte Normen und
Kontrollmöglichkeiten in Bezug auf das Karriereverhalten zurückgeführt.
Ferner wird der Versuch unternommen, das organisationale Interesse an Downward Movement zu analysieren. Dabei werden sowohl funktionale Konsequenzen als
auch dysfunktionale Wirkungen von Versetzungen unter den Bedingungen verminderter
Kompetenz und Verantwortung erörtert. Abschließend werden Einflusspotentiale auf
individuelle Karriereabsichten untersucht. Diese werden vor dem Hintergrund der in
den vorangehenden Ausführungen gewonnenen Erkenntnisse diskutiert; es gilt, funktionale Effekte von Downward Movement zu fördern, während dysfunktionale Konsequenzen nach Möglichkeit vermieden werden sollen.
Decreasing authority and responsibility could become an increasingly important
feature of future career patterns. Furthermore, this phenomenon seems to lose part of
its negative image. Based on theoretical reflections the present article discusses the
so-called ‘downward movement’. Significant interindividual differences in motivation
and intention to give up authority and responsibility are found as a result of the
analysis. These differences are attributed to different attitudes, subjective norms and
varying perceived behavioral control with respect to career development.
Moreover this paper tries to explain the interest in of organizations downward
movement. In doing so, functional consequences and dysfunctional effects of a lowerlevel assignment are discussed. The paper concludes by exploring organizational
opportunities to influence employees’ career intentions. Based on the above-mentioned
explanations it will be shown that downward movement can be designed in such a way
that its positive effects are enhanced, while the negative consequences are reduced
simultaneously. In fact, a more common acceptance of downward movement would help
both employees and organizations.
______________________________________________________________________
*
Dr. Marion Brehm, Jg. 1964, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Göttingen,
Institut für Unternehmensführung, Weender Landstr. 14, D-37073 Göttingen.
Arbeitsgebiete: Personal und Organisation, Unternehmensführung, Karrieremanagement,
Arbeitsemotionsforschung.
**
Artikel eingegangen: 3.11.98 / revidierte Fassung eingegangen und akzeptiert: 5.3.99.
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1.
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Problemstellung
In den letzten Jahren haben sich erhebliche Veränderungen für Karrieren in Organisationen ergeben. Positionswechsel unter den Bedingungen verminderter Kompetenz
und Verantwortung gewinnen vor dem Hintergrund verschiedener Entwicklungen im
In- und Umfeld von Organisationen an Bedeutung. Anzuführen sind zunächst die zunehmende Dynamisierung und Internationalisierung von Märkten sowie tiefgreifende
technologische Veränderungen bei gleichzeitiger dramatischer Reduktion der Halbwertszeit des Wissens, in deren Folge erreichte Karriereniveaus nicht immer gehalten
oder sogar ausgebaut werden können. Auch erfordern verschiedene organisationale Reorganisationsprozesse, die auf flachere Hierarchien hinauslaufen, die Einrichtung alternativer Karrierepfade.
Nicht zuletzt machen demographische Entwicklungen, wie der wachsende Anteil
älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung, in Zukunft voraussichtlich eine längere
Lebensarbeitszeit erforderlich. Das wird sicherlich nicht generell bei gleichbleibender
oder sogar wachsender Kompetenz und Verantwortung möglich sein. Und auch angesichts der vielerorts diskutierten Veränderungen individueller Arbeitsorientierungen
sowie des zunehmenden Wunsches von Menschen, Berufs- und Familienarbeit zu vereinbaren, erscheint es möglich, von der Uniformität und Starrheit bisheriger Karriereverläufe abzurücken. Nicht mehr von allen Menschen wird beruflicher Erfolg mit einer
Serie von Beförderungen gleichgesetzt.
Gleichzeitig darf nicht übersehen werden, dass die Verminderung von Kompetenz
und Verantwortung vielen Menschen auch unvereinbar mit ihren Karriereorientierungen
erscheint und als Versagen, Misserfolg oder Fehlschlag interpretiert werden könnte. Je
nach Art des Karriereschrittes werden dem verkleinerten Handlungsspielraum und seinen Folgeereignissen im Rahmen der subjektiven Verarbeitung und Bewertung möglicherweise negative Bedeutungen zugeordnet. In Anbetracht von Individualisierungsund Pluralisierungstendenzen in Wirtschaft und Gesellschaft zeichnet sich jedoch ab,
dass neben dem verbreiteten Aufstiegsdenken auch andere laufbahnbezogene Absichten
Geltung erlangen, die einem Downward Move weniger im Wege stehen. Die angeführten Überlegungen lassen sogar die Folgerung zu, dass Karriereschritte unter verminderter Kompetenz und Verantwortung zukünftig einen relativ hohen Stellenwert erlangen
könnten.
Dennoch ist eine große Unsicherheit im Umgang mit derartigen Versetzungen erkennbar, die bis zu ihrer Tabuisierung reicht. Häufig wird die Abgabe von Kompetenz
und Verantwortung getarnt, indem der Downward Move nach außen als Beförderung
ausgegeben wird. Durch die Verleihung eines wohlklingenden Titels, höheren Gehalts
oder anderer Aufstiegssurrogate wird der Betreffende symbolisch bessergestellt, während ihm gleichzeitig Kompetenz und Verantwortung entzogen werden. Vor diesem
Hintergrund ist es Ziel dieses Beitrags, das vielschichtige Phänomen Downward Movement einzufangen und unter Berücksichtigung verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse zu seiner Erklärung und Gestaltung – und damit zu einer Enttabuisierung der
Problematik – beizutragen. Dementsprechend steht in Abschnitt 2 zunächst die Darstellung des Phänomens ‘Downward Movement’ unter Andeutung seines Facettenreichtums
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im Vordergrund. Im darauffolgenden dritten Abschnitt wird im Licht der ‘Theorie des
geplanten Handelns’ die Bereitschaft bzw. die Absicht von Individuen analysiert,
Downward Movement zu vollziehen respektive zu vermeiden. Im vierten Abschnitt
folgt eine Diskussion der organisationalen Interessenlage in Bezug auf das Karrieremuster, um auf dieser Basis im letzten Abschnitt über Möglichkeiten organisationaler Einflussnahme auf individuelle Karriereabsichten nachzudenken.
2.
Das Phänomen ‘Downward Movement’
Um sich der Bedeutung von Downward Movement anzunähern, könnte man zunächst diverse deutsche Übersetzungen, wie ‘beruflicher Abstieg’, ‘Degradierung’,
‘Rückschritt und Stagnation’ u.ä. zu Hilfe nehmen. Im Folgenden wird der amerikanische Terminus jedoch beibehalten, da obige Übersetzungen zu eng angelegt sind und
ihnen vor allem auch negative emotionale Begleitvorstellungen zukommen. So rufen
Abstieg, Degradierung etc. Assoziationen wie Versagen, Misserfolg, Fehlschlag oder
Verzweiflung hervor, subjektive Empfindungen, die nicht zwangsläufig mit Downward
Movement einhergehen müssen, wie im weiteren noch deutlich werden wird.
Wertungen vermeidend, kann Downward Movement als Wechsel eines Arbeitnehmers auf eine Position, die mit geringerer Kompetenz und Verantwortung ausgestattet
ist, angesehen werden (Brehm 1998, 23ff.). Das theoretische Konstrukt ‘Kompetenz’
wird hier interpretiert als derjenige Handlungsspielraum, welcher bestimmten Personen
oder Positionsinhabern eingeräumt wird. Innerhalb dieses Spielraumes sind alle Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung beitragen (Hill/ Fehlbaum/Ulrich 1989, 124; Bleicher 1991, 36). So gesehen sind Kompetenzen positionsspezifische Rechte und Befugnisse, die das Handeln der Organisationsmitglieder formal legitimieren (Bleicher 1980, 1056f.). ‘Verantwortung’ hingegen entpricht der Pflicht einer Person, für die zielgemäße Erfüllung einer Aufgabe persönlich einzustehen (Hauschildt 1995,
2097). Sie begründet die Haftung oder Belangbarkeit des Verantwortlichen für Erfolglosigkeit, Schaden oder Nichterfüllung im Zusammenhang mit der Aufgabe sowie für nicht
wahrgenommene Kompetenzen (Hill/Fehlbaum/Ulrich 1989, 124).
Demnach beinhaltet die neue Position nach einem Downward Move in Relation zu
der vorherigen ein reduziertes Maß an Rechten und Befugnissen – aber auch geringere
positionsspezifische Pflichten des Mitarbeiters. Inhaltlich konkretisieren lässt sich die
verminderte Kompetenz und Verantwortung beispielsweise in einer abnehmenden Bedeutung oder Tragweite der Arbeitsaufgabe, einer kleineren Zahl von Untergebenen und
damit verminderter Fremd- und Führungsverantwortung oder in einem kleineren Entscheidungsbereich des Mitarbeiters. Generell ziehen geringere Kompetenz und Verantwortung somit eine geringere Höhe oder geringere Wahrscheinlichkeit von Schäden, die
durch das Arbeitsverhalten des Mitarbeiters entstehen könnten und einen geringeren
Beitrag des Mitarbeiters zur Verminderung von Ungewissheit nach sich.
Spielarten von Downward Movement
Im organisationalen Karrieresystem spiegeln sich Kompetenz- und Verantwortungsreduktionen im Zuge von Positionswechseln in vertikalen, horizontalen oder zent-
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rifugalen Bewegungen wider. Die erste Form betrifft den organisationalen Rang und
entspricht i.d.R. hierarchischem Abstieg in engerem Sinne. In manchen Fällen ist allerdings auch ein hierarchischer Aufstieg mit verminderter Kompetenz und Verantwortung
verbunden; man spricht dann von sogenannten Scheinaufstiegen. Downward Movement
in horizontaler Richtung bringt die Übernahme anderer Aufgaben mit sich, welche mit
geringeren Befugnissen und Rechenschaftspflichten, aber nicht mit einem Hierarchieebenenwechsel verbunden sind. Die dritte Form schließlich – hier als zentrifugale Bewegung bezeichnet – berücksichtigt das Zurückziehen der Betroffenen von wichtigen
Schaltstellen innerhalb der jeweiligen hierarchischen Ebene. Es handelt sich dabei um
eine vergleichsweise subtile Bewegung vom inneren Zentrum oder dem Kern in Richtung der Peripherie einer Organisation. Wenn jemand seltener an Entscheidungen mitwirkt, geringere Kontrollrechte ausübt oder Führungsverantwortung abgibt, entfernt er
sich vom inneren Kern der Organisation entlang einer Zugehörigkeits- oder Zentralitätsdimension. Dabei nimmt die ‘soziale Sichtbarkeit’ innerhalb und bei eingeschränkter
Vertretungskompetenz auch außerhalb der Organisation (als deren wahrgenommener
Repräsentant) ab.
In der Praxis können sich vertikale und horizontale mit zentrifugalen Bewegungsformen von Downward Movement selbstverständlich partiell überlagern. Häufig korrelieren Bewegungen hierarchieabwärts und Bewegungen in Richtung der organisationalen Peripherie, aber es ist ebenso möglich, dass (Schein-)Aufstiege mit abnehmender
Zentralität einhergehen. Eine geringere soziale Sichtbarkeit bei Verbleiben auf derselben Hierarchiestufe ist beispielsweise bei einem Wechsel von der Linie zum Stab oder
bei einem Rückzug von einer Vollzeit- zu einer Teilzeitstelle wahrscheinlich. Auch die
(horizontale) Versetzung von der Mutter- zu einer Tochtergesellschaft bzw. von der
Hauptstelle zu einer Filiale zieht einen geringeren Zentralitätsgrad nach sich.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt für die Differenzierung unterschiedlicher Spielarten von Downward Movement ist das zeitliche Andauern der Verminderung von Kompetenz und Verantwortung. Dieses Unterscheidungsmerkmal verweist darauf, dass befristete und auch dauerhaft angelegte Downward Moves vorstellbar sind. Die temporäre
Form beinhaltet, dass das ursprüngliche Ausmaß an Kompetenz und Verantwortung
später wiedergewonnen, möglicherweise sogar übertroffen wird. Häufig dient dieser
Schritt der Weiterentwicklung des Mitarbeiters; er kann einen blockierten Karrierepfad
verlassen und Erfahrungen in anderen Funktionen und Bereichen als Voraussetzung für
einen erneuten Aufstieg sammeln ( Hall 1976, 187). Da einerseits ein gewisses Maß an
Kompetenz und Verantwortung erreicht sein muss, um einen ‘Rückschritt’ vorzunehmen, andererseits aber auch genügend Zeit zur Neuorientierung verbleiben muss, ist
dieses Mobilitätsmuster vornehmlich in der mittleren Phase des individuellen Laufbahnzyklusses anzusiedeln.
In Gestalt dauerhaften Downward Movements ist in absehbarer Zeit nach dem Karriererückschritt keine erneute Zunahme von Kompetenz und Verantwortung vorgesehen. Ein solches Mobilitätsmuster wird sich in der Regel erst in den späten Karrierejahren ergeben; eine vormals aufwärtsgerichtete Laufbahn senkt sich ganz am Ende wieder
nach unten. Diese Absenkung der Laufbahnkurve in der späten Karrierephase darf vielleicht sogar als ‘organisch’ in dem Sinne interpretiert werden, als sie dem Verlauf der
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biologischen Lebenskurve entspricht (Leupold 1987, 101ff.). In diesem Fall wäre es generell empfehlenswert, bei der Laufbahnplanung ganz bewusst für die Endphase der beruflichen Entwicklung jeweils eine etwas tiefer gelegene Position vorzusehen. Zu denken ist dabei an Stellen, die durch geringere Entscheidungskompetenz und Anordnungsrechte, weniger Zeitdruck und stattdessen, im Hinblick auf den Erfahrungsschatz des älteren Mitarbeiters, durch mehr beratende Aufgaben gekennzeichnet sind. Sicherlich wäre es jedoch falsch, einen abflachenden Karriereverlauf als für alle oder auch nur für einen Großteil der Arbeitnehmer erstrebenswert hinzustellen und als altersgemäße Erleichterung bzw. als gute Vorbereitung auf den Ruhestand zu empfehlen. In der Praxis
finden sich vielleicht nur wenige Führungskräfte, die so empfinden. Anstatt allerdings
älteren Arbeitnehmern selbst die Entscheidung über ihre berufliche Zukunft zu überlassen, greifen Organisationen mit dem Hinweis auf Rationalisierungsnotwendigkeiten
vermehrt zum Mittel der vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand (Mölleney 1997, 17).
Vor dem Hintergrund der voraussehbaren demographischen Veränderungen wird eine
derartige Politik jedoch nicht tragbar sein, da das Rentenversicherungssystem dies kaum
mehr zulässt und schon in der Vergangenheit längerfristige Beschäftigungslosigkeit und
verdeckte Arbeitslosigkeit in den höheren Altersgruppen häufig anzutreffen war (Lehr
1981, 914). Außerdem steigt die Akzeptanz von Downward Movement – als Alternative
zum Verlassen der Organisation – mit zunehmendem Alter stark an (Hall/Isabella 1985,
15ff.). Damit zeichnet sich für die Gestaltung der späten Karrierephase in der Organisation ein Betätigungsfeld ab, dem in der Vergangenheit wenig Beachtung geschenkt
wurde.
Weiterhin lassen sich die Spielarten von Downward Movement in Abhängigkeit
von der Anzahl der Betroffenen danach unterscheiden, ob sie als Individual- oder als
Gruppenentwicklung anzusehen sind. Häufiger werden vermutlich einzelne Individuen
einen Downward Move vollziehen, aufgrund persönlicher Bedürfnisse und Notwendigkeiten beispielsweise oder wegen veralteter Qualifikationen. Im Zuge der Auflösung organisationaler Bereiche, deren Leistungen nicht mehr nachgefragt werden, oder der Entfernung einer ganzen hierarchischen Ebene stehen jedoch auch größere Mitarbeitergruppen zur Disposition, für welche nach Lösungen zu suchen ist. Downward Movement dürfte hier eine Alternative bieten zu verschiedenen Formen betriebsbedingter
Trennung von Mitarbeitern. Eine besondere Möglichkeit gruppenbezogenen Downward
Movements stellt dabei das Inplacement-Konzept dar (Freimuth 1994, 75ff.). Sein Anliegen besteht darin, Mitarbeitergruppen, die von einer Beschäftigungskrise betroffen
sind, innerhalb der Organisation in eine Qualifizierungsschleife zu bringen, die sie anschließend zur Übernahme neuer Aufgaben befähigt.
Damit wurden schon einige Anlässe angedeutet, die aus organisationaler Perspektive für Downward Movement sprechen – Reorganisationsprozesse oder unbefriedigende Leistungen von Mitarbeitern beispielsweise. Von derartigen Überlegungen wird der
Umgang mit Downward Movement entscheidend geprägt. Daneben stellen Organisationen für dort arbeitende Menschen einen Ort der Bedürfnisbefriedigung dar (Schanz
1994, 10f.). Sie dienen damit (auch) als Mittel zur Erreichung persönlicher Ziele ihrer
Mitglieder. Für die Gestaltung von Downward Movement bedeutet dies, dass dieses
Karrieremuster nicht nur den Zielen von Organisationen, sondern auch denen ihrer Mit-
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glieder förderlich sein muss. Bevor auf die organisationale Interessenlage in Bezug auf
Downward Movement näher einzugehen ist, werden daher im folgenden Abschnitt die
individuellen Karriereabsichten theoriegeleitet hinterfragt.
3.
Downward Movement im Licht der ‘Theorie des geplanten Handelns’
Die alltägliche Erfahrung lehrt, dass sich das Verhalten von Individuen beträchtlich
voneinander unterscheidet. Dies gilt auch im Hinblick auf die berufliche Entwicklung.
Zu erkennen ist das mitunter daran, dass ein Individuum die Erlangung von Kompetenz
und Verantwortung – beispielsweise von Managementkompetenz – besonders hartnäckig verfolgt, während eine andere Person dem gar keine Bedeutung beizumessen
scheint. Derartige Unterschiede sind vermutlich unter anderem auf verschieden ausgeprägte Einstellungen zurückzuführen, wobei die Frage auftaucht, wie derartige Phänomene angemessen erklärt werden können.
Unterstellt werden darf, dass nicht nur eigene Einstellungen zu bestimmten Entwicklungsschritten in die persönliche Karriereplanung einfließen, sondern dass auch die
Erwartungen des privaten und beruflichen Umfeldes berücksichtigt werden. Dies gilt
besonders vor dem Hintergrund moderner Industriegesellschaften, in denen die berufliche Position ein recht beliebter Indikator für den sozialen Status eines Menschen und
daher Gegenstand sozialer Vergleichsprozesse ist (Koch 1981, 7). Will man individuelles Karriereverhalten verstehen, so ist also nach den karrierebezogenen Einstellungen zu
fragen; aber auch danach, welchen sozialen Normen ein Individuum unterliegt und inwieweit diese auf bestimmte Verhaltensdispositionen Einfluss nehmen. Darüber hinaus
beziehen Menschen in ihre Karriereplanung i.d.R. ein, ob bestimmte Karriereschritte im
Rahmen der eigenen und der organisationalen Möglichkeiten liegen. Somit kommt ein
Faktor ins Spiel, der sich auf die Durchsetzbarkeit bzw. die Kontrollierbarkeit der Karriereabsichten bezieht.
Vor diesem Hintergrund stellt die ‘theory of planned behavior’ von Icek Ajzen
(Ajzen 1985, 29ff.; Ajzen/Madden 1986, 456ff.; Ajzen 1987, 44ff. und Ajzen 1988,
127ff.) ein geeignetes Instrumentarium für das Verständnis – und damit auch für die
Prognose und Beeinflussung – von beruflichem Entwicklungsverhalten bereit (zu einer
ausführlicheren Darstellung vgl. Brehm 1998, 53ff.). Sie versteht sich als Erweiterung
der ‘theory of reasoned action’ von Martin Fishbein und Icek Ajzen (Fishbein/Ajzen
1975, 13ff.; Ajzen/Fishbein 1980, 5ff.).
Angenommen wird, dass die Absicht einer Person, ein bestimmtes Verhalten zu
zeigen, maßgeblich von drei Faktoren abhängt: ihrer Einstellung zur Durchführung dieser Handlung (d.h. zu einem bestimmten Verhalten in einer speziellen Situation), ihrer
Meinung darüber, was sie in dieser Situation zu tun habe (d.h. ihrer subjektiven Norm)
und ihrer wahrgenommenen Verhaltenskontrolle. Nachfolgendes Schaubild visualisiert
die Zusammenhänge (Ajzen/Madden 1986, 458):
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Einstellungskomponente
Subjektive Norm
Verhaltensintention
Verhalten
Wahrgenommene
Verhaltenskontrolle
3.1 Die individuelle Einstellung zu dem Karriereverhalten
Die Bewertung einer speziellen Verhaltensweise durch das Individuum oder seine
Einstellung dazu kann als eine Funktion der erwarteten Konsequenzen des Verhaltens
und der Valenz dieser Konsequenzen für das Individuum angesehen werden (Ajzen/Fishbein 1980, 62ff.; Ajzen 1988, 120). In die Einstellung des Individuums gegenüber dem Verhalten fließen demnach sowohl Erwartungen über Auswirkungen des Verhaltens als auch Bewertungen dieser Auswirkungen ein; die Einstellung zum Verhalten
ist also begrifflich in Ausdrücken der Erwartungs-Wert-Theorie erfassbar.
In der Regel glauben Menschen, dass ein bestimmtes Verhalten sowohl positive als
auch negative Konsequenzen nach sich zieht. Ihre Einstellung zum fraglichen Verhalten
bezieht sich auf die Gesamtheit der erwarteten Konsequenzen (Ajzen/Fishbein 1980,
67). In der Einstellung zu Downward Movement kommt deshalb zum Ausdruck, ob ein
Individuum von einem Positionswechsel mit verminderter Kompetenz und Verantwortung überwiegend Belohnungen (positive Einstellung) oder Bestrafungen (negative Einstellung) erwartet.
Mit der Abgabe von Kompetenz und Verantwortung kann beispielsweise eine
Verminderung von Stress sowie gesundheitlicher Nutzen verbunden werden. Vielfach
stellt sich ferner das Ausbalancieren der beiden Interessensphären Beruf und Familie/
Freizeit einfacher dar. Downward Movement kann jedoch auch die Erwartung geringerer Herausforderungen der Arbeit hervorrufen, vielleicht werden auch Veränderungen in
den sozialen Beziehungen assoziiert. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass eine
Schmälerung von Kompetenz und Verantwortung eng mit Einkommenseinbußen verknüpft wird (zu einer ausführlicheren Analyse der Konsequenzen von Downward Movement vgl. Brehm 1998, 80ff.).
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Derartige Konsequenzen aus Downward Movement werden von Mensch zu
Mensch sehr unterschiedlich erlebt und bewertet. Im Ergebnis ist davon auszugehen,
dass die Einstellungen zu Positionswechseln unter Verminderung von Kompetenz und
Verantwortung recht verschiedenartige Ausprägungen annehmen können. Erklärungsansätze dafür liefern differenzierte auf den beruflichen Lebensweg bezogene Motive
bzw. Motivbündel, die unterschiedliche Karrierewünsche der Menschen widerspiegeln.
Diese Berufs- oder Karriereorientierungen bilden die motivationale Basis der individuellen Einstellung zum Karriereverhalten; sie beschreiben gleichsam den Anreizcharakter, den verschiedene Karriereschritte für einen Mitarbeiter besitzen (Domsch/Gerpott
1987, 575). Allgemeiner gefasst geben Karriereorientierungen Auskunft über das Verhältnis der Individuen zu Arbeit und Karriere, und sie zeigen auf, welche Aspekte im
Arbeitsleben für den einzelnen wichtig sind.
Relativ umfassende Studien über berufliche Orientierungsmuster sind durch Lutz
von Rosenstiel und Mitarbeiter angestellt worden (Rosenstiel 1984, 203ff.; Rosenstiel
1987, 35ff.; Rosenstiel/Stengel 1987, 1ff.; Rosenstiel 1992, 327ff. sowie Rosenstiel
1993, 47ff.), von denen auch Konsequenzen für die Einstellung gegenüber Downward
Movement abzuleiten sind. Sie unterscheiden drei grundlegende Orientierungen: Wenn
der berufliche Aufstieg ein zentrales Lebensinteresse darstellt, sprechen sie von ‘Karriereorientierung’. Karriereorientierte Personen weisen eine hohe Identifikationsbereitschaft mit den organisationalen Zielen auf, zeigen eine positive Einstellung zu Arbeit,
Wachstum und Technik, präferieren Gehaltssteigerungen gegenüber Arbeitszeitverkürzungen und haben – gemessen an den Inglehart-Items – eine eher materialistische Einstellung. Die Vorstellung, Kompetenz und Verantwortung dauerhaft abzugeben, hätte
für Menschen dieser Berufsorientierung Motivations- und Identitätsprobleme zur Folge.
Hingegen könnte ein temporärer Downward Move positiv bewertet werden, wenn er
primär als Grundlage für einen erneuten Aufstieg interpretierbar wäre.
Liegen die zentralen Lebensinteressen hingegen im Freizeitbereich, und berufliche
Arbeit wird hauptsächlich als Mittel gesehen, diese Freizeitinteressen verfolgen zu können, sprechen Rosenstiel und Mitarbeiter von ‘Freizeitorientierung’. Freizeitorientierte
Individuen suchen eine stark fordernde, Aufstiegschance versprechende Situation in einem Unternehmen der Wirtschaft zu vermeiden und trachten das Zentrum ihres Lebens
in andere Bereiche zu verlagern. Ihre Arbeitsmoral ist vergleichsweise schwach ausgeprägt.
Ist die Bereitschaft, sich in der beruflichen Arbeit zu engagieren hingegen groß, allerdings nur unter der Bedingung, dass damit zugleich eigene wertorientierte Ziele erreicht werden können, liegt eine ‘alternativ engagierte Berufsorientierung’ vor. Alternativ Engagierte weisen die größten Diskrepanzen zwischen den erlebten Zielen und
den aus ihrer Sicht wünschenswerten Zielen der Organisation auf, was vor allem daran
liegt, dass sie als wünschenswerte Ziele – ganz gegensätzlich zu den erlebten Zielen –
den Umweltschutz, die Persönlichkeitsentwicklung der Mitarbeiter und die Entwicklung
der Dritten Welt betonen. Sie sind – im Sinne Ingleharts – relativ ausgeprägt postmaterialistisch orientiert, sprechen sich eher für Arbeitszeitverkürzungen als für Gehaltssteigerungen aus, haben aber dennoch – und hierin gleichen sie den Karriereorientierten –
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eine ausgesprochen positive Einstellung zur Arbeit, in der sie allerdings vieles nachhaltig modifizieren und verbessern wollen.
Die Folgeereignisse von Downward Movement werden von stärker freizeitorientierten Menschen sicherlich positiver bewertet als von stärker karriereorientierten. Alternativ engagierte Individuen werden die Bewertung jeweils in Abhängigkeit ihrer eigenen wertorientierten Ziele vornehmen.
Derartige Ergebnisse der Karriereforschung dürfen allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die gefundenen Orientierungsmuster alles andere als unveränderlich
sind. Bedürfnisse und Motive von Mitarbeitern können sich auch von einer stärkeren
Karriereorientierung wegentwickeln, hin zu einer mehr selbst- oder familienorientierten
Haltung und umgekehrt. Die Mehrzahl der karrierebezogenen Verhaltensweisen (wie
auch Downward Movement) steht vermutlich nur noch in indirekter Beziehung zu den
ursprünglichen Motivlagen. In die Bewertung der Konsequenzen von Downward Movement fließt auch die momentane berufliche und private Situation des Individuums ein.
Damit rücken Karriere- bzw. Lebensphasen in den Mittelpunkt des Interesses, die neben
den Karriereorientierungen die Valenz der Folgeereignisse eines Positionswechsels unter Verminderung von Kompetenz und Verantwortung beeinflussen.
Der Grundgedanke einer lebensphasenspezifischen Bewertung der Konsequenzen
von Downward Movement ist dabei folgender: Die menschliche Entwicklung ist durch
das Durchlaufen verschiedener Phasen bzw. Stadien charakterisiert. In jeder dieser Phasen stellen sich dem Individuum ganz bestimmte Aufgaben. Die Besonderheit der jeweiligen Entwicklungsphase des Mitarbeiters hat Einfluss darauf, ob eine Verkleinerung
des Verantwortungsbereiches als Degradierung oder als Entlastung bzw. Neuanfang
empfunden wird. So kommt es in bestimmten Lebensphasen aufgrund bedeutsamer
Verpflichtungen gegenüber anderen Menschen im Kreise der Familie (Kinder, Partner,
alternde Familienmitglieder) häufig zu Konflikten zwischen familiären und beruflichen
Verpflichtungen, denen durch eine (temporäre) Abgabe von beruflicher Kompetenz und
Verantwortung entgegengewirkt werden kann. Auch werden manche Menschen durch
persönliche Krisen in der mittleren Lebensphase dazu angehalten, Veränderungen durch
einen beruflichen Neuanfang zu suchen, an deren Beginn ein Downward Move stehen
könnte. Größere Bedeutung noch ist Downward Movement in späteren Phasen des Lebenszyklusses beizumessen, da dann u.a. gesundheitliche Gründe für eine positive Bewertung sprechen können. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Positionswechsel zeitlich vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze liegen muss – er kann ebenso gleichzeitig oder später erfolgen, um so einen an die individuelle Entwicklung angepassten
Übergang in die nachberufliche Phase zu ermöglichen. Durch die verminderte Kompetenz und Verantwortung wäre eine altersentsprechende positive Belastung bis in ein relativ hohes Lebensalter zu ermöglichen und gleichzeitig die Anpassung an den Ruhestand durch die teilweise Vorwegnahme desselben während der Arbeitsphase zu erleichtern (Hedaa/Joynt 1981, 139ff.). Menschen, die den Zeitpunkt ihres Berufsendes selbst
bestimmen können oder für die ein allmählicher Übergang in die nachberufliche Phase
möglich ist, erleben das Berufsende weniger als Belastung (Lehr/Wilbers 1992, 209).
Zu resümieren ist, dass eine einstellungstheoretische Analyse von Downward Movement diverse Veränderungen in der privaten und beruflichen Lebenssphäre infolge
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der Abgabe von Kompetenz und Verantwortung zu berücksichtigen hat. Derartige Veränderungen werden von Mensch zu Mensch und von Situation zu Situation differenziert
bewertet. Als variierende Einflussgrößen wurden Karriereorientierungen und Lebensphasen betrachtet.
Diese einstellungstheoretische Perspektive ist im Folgenden zu ergänzen um den
Einfluss des sozialen Kontextes des Individuums, denn individuelle Karriereentscheidungen werden nicht nur von eigenen Einstellungen determiniert, sondern in hohem
Maß von der sozialen Umgebung beeinflusst, d.h. sozialstrukturell kanalisiert und normativ lizensiert. Die im jeweiligen Umfeld des Individuums herrschenden Ansichten
über die Möglichkeit und Zulässigkeit beruflichen Auf- und Abstiegs sowie von Seitwärtsbewegungen sind wichtige Faktoren, die die Bereitschaft zu Downward Movement
beeinflussen. Ist von Interesse, in welcher Weise individuelles Karriereverhalten durch
das soziale Umfeld beeinflusst wird, so liegt es folglich nahe, das Konzept subjektiver
Norm auf diese spezielle Problematik anzuwenden.
3.2 Die subjektive Norm in Bezug auf Downward Movement
Die hier zugrundeliegende ‘theory of planned behavior’ bezieht den Einfluss der
sozialen Umgebung über eine normative Komponente in die Bestimmungsfaktoren des
Verhaltens ein (Ajzen/Fishbein 1980, 57). Diese Komponente, die auch als subjektive
Norm bezeichnet wird, bezieht sich auf die von der Person angenommene Wahrscheinlichkeit, dass Mitglieder von für sie wichtigen Bezugsgruppen die Ausführung des gegebenen Verhaltens erwarten. Dabei werden die normativen Überlegungen mit der Motivation der Person, diesen Erwartungen zu entsprechen, gewichtet. Natürlich werden in
verschiedenen Verhaltenssituationen nicht die Erwartungen stets derselben Bezugsgruppen oder -personen als relevant empfunden. Während also in einigen Situationen
die Erwartungen der Freunde oder der Familie einer Person am bedeutsamsten sind,
können in anderen Situationen die Normen von Kollegen oder sogar die der Gesellschaft im Allgemeinen den stärksten Einfluss ausüben. Für individuelles karrierebezogenes Verhalten sind vornehmlich Bezugsgruppen aus dem beruflichen Umfeld und der
privaten Sphäre zu berücksichtigen, da beide Bereiche von den Karriereschritten tangiert werden.
Zu dem engeren beruflichen Umfeld des Mitarbeiters gehören zunächst einmal die
Gruppen, welchen er angehört. Die einer Arbeitsgruppe zuzurechnenden Individuen
entwickeln regelmäßig eigene Normen, d.h. formelle und informelle Bestimmungen, die
das Verhalten der Mitglieder im Kontext der Organisation regeln (hierzu Städler, 1984,
68f.). Derartige Gruppennormen können die unterschiedlichsten Verhaltensbereiche betreffen, so z.B. den Führungsstil, die Arbeitszeitgestaltung, die Verwendung einer bestimmten Sprache oder Ausdrucksweise sowie äußere Merkmale wie Anzugsordnung,
Haartracht oder Bürogestaltung. Für die hier interessierende Problematik sind Normen
im Bereich des Karriereverhaltens von Interesse. Vorstellungen von Arbeitsgruppen
über die ‘normale’ Karriereentwicklung und -ambition, das ‘normale’ Arbeitspensum
und die ‘normale’ Weiterbildungsmotivation weichen zuweilen erheblich von den vorgegebenen Standards ab. Solche internen Normen bilden sich während langfristiger
Prozesse der wechselseitigen Beeinflussung heraus. Nach und nach bekommt jedes
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Gruppenmitglied einen Eindruck von den Motiven und Erwartungen der anderen Mitglieder und erkennt anhand ihrer Reaktionen, welche karrierebezogenen Verhaltensweisen innerhalb bestimmter Bandbreiten den internen Normen gerecht werden und wann
gegebenenfalls mit Sanktionen der Gruppe zu rechnen ist. So kann ein Gruppenmitglied
einerseits aufgrund einer übergroßen Aufstiegsorientierung als ‘Streber’ oder ‘Kriecher’
kritisiert und gemieden werden, andererseits aber auch, weil es mit seinen Karriereambitionen deutlich hinter den anderen zurückbleibt (‘Versager’, ‘Querulant’).
Besondere Bedeutung kommt auch jenen Bezugspersonen zu, die dem Individuum
direkt vorgesetzt sind. Im Rahmen ihrer Tätigkeiten der Steuerung, Motivation und
Überwachung stellen sie Quellen bestimmter Normen und Werte dar, die den Bezugsrahmen für das Karriereverhalten ihrer Mitarbeiter konstituieren. Die karrierebezogenen
Normen des Vorgesetzten können in direkter Form an den Mitarbeiter herangetragen
werden (‘Ich erwarte von Ihnen den Wechsel zu Position XY’). Sie können jedoch auch
indirekt wirken, etwa indem sich ein Mitarbeiter an dem Karriereverhalten der Führungskraft orientiert. Diese fungiert dann als normative Bezugsperson.
Gehen die karrierebezogenen Normen bzw. Verhaltenserwartungen von der Gesamtorganisation aus, so kann man dies als Einfluss der Organisationskultur auf das
Karriereverhalten der Mitarbeiter interpretieren. Die Organisationskultur umfasst das
charakteristische Werte- und Normensystem einer Organisation, das bei einer Mehrzahl
ihrer Mitglieder zu nicht mehr hinterfragten, selbstverständlichen Voraussetzungen des
Handelns und Verhaltens wird (vgl. hierzu Schanz 1994, 270ff.). Organisationen reflektieren teilweise die größeren Kulturkreise, in die sie eingebettet sind, entwickeln jedoch
auch eigene Kulturen als Ergebnis persönlicher Einflüsse ihrer Gründer oder Führungspersönlichkeiten und ihrer spezifischen Geschichte. Im Hinblick auf die hier interessierende Thematik ‘Downward Movement’ unterscheiden sich Organisationen in dem
Grad, in dem sie Karrierepfade explizit definieren, in den einzelnen Schritten eines jeden Pfades, den als legitim angesehenen Motiven bei ihrer Verfolgung und dem ihnen
zuteil werdenden Prestige (vgl. hierzu Schein 1984, 73). Diesen spezifischen ‘Karrierekulturen’ von Organisationen liegen auch Auffassungen darüber zugrunde, ob allein das
berufliche Engagement der Mitarbeiter von Interesse ist, oder ob auch andere Lebensbereiche wie Freizeit, Familie und Gesundheit in die Überlegungen einfließen. Die jeweilige Karrierekultur fungiert für die Beschäftigten als Maßstab für auf die eigene Laufbahn gerichtetes Erleben und Verhalten, fließt aber auch in personalpolitisches Denken
und Handeln ein und beeinflusst somit, ob Positionswechsel unter den Bedingungen
verminderter Kompetenz und Verantwortung Unterstützung finden oder nicht.
Neben den Normen aus dem beruflichen Umfeld des Individuums ist der Einfluss
der privaten Umgebung des Menschen – und hier insbesondere der Familie – zu berücksichtigen, da die berufliche Laufbahn das Privatleben in vielfältiger Hinsicht beeinflusst.
Menschen nehmen Ziele, Gedanken und Gefühle von der Arbeit mit in die Freizeit (und
umgekehrt). Karriereentscheidungen einzelner Familienmitglieder sind daher häufig als
Ergebnis kollektiver Prozesse in der Familie zu werten. Die gemeinsame Entscheidung
ist ein komplexer Prozess, in dem mehrere Variablen (z.B. Anzahl der Familienmitglieder, Hierarchie und Struktur, Familieneinkommen und -phase) zusammenwirken. Hier
interessiert beispielsweise der relative Einfluss der Frau, des Mannes oder der Kinder
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auf die Karriereentscheidung – Fragen, bei denen die Rollenverteilung und die Führung
innerhalb der Familie angesprochen sind. Je stärker dabei die Rollenteilung in der Familie derart vollzogen wird, dass ein Mitglied (nach traditionellem Geschlechterrollenverständnis die Frau) die häuslichen und familiären Tätigkeiten übernimmt, während ein
anderes Mitglied (traditionell der Mann) Berufsarbeit leistet, desto größer erscheint ceteris paribus die Wahrscheinlichkeit hoher familiärer Aufstiegserwartungen an den Berufstätigen. In einer ‘Zwei-Personen-Karriere’ konzentrieren beide Partner ihre Energie
auf das berufliche Fortkommen eines Partners (Hall/Hall 1981, 22). Übernehmen hingegen beide Partner einen Teil der familiären und der beruflichen Arbeit, so entsteht ein
wesentlich höherer karrierebezogener Abstimmungsbedarf. Verstärktes berufliches Engagement des einen fordert mitunter die Übernahme eines größeren Teils der Hausarbeit
seitens des anderen Partners. Kommen Kinder hinzu, muss im Allgemeinen die berufliche Arbeitszeit (mindestens eines Elternteils) eingeschränkt werden. Die karrierebezogene Norm ‘Du sollst beruflich Verantwortung abgeben und familiäre Verantwortung
übernehmen’ erscheint unter der Bedingung von ‘Dual Career Families’ recht plausibel.
Nun reicht es allerdings nicht aus, die normativen Überzeugungen einer Person in
die Analyse einzubeziehen, außerdem ist ihre Motivation, die Erwartungen der relevanten anderen zu erfüllen, zu berücksichtigen (Ajzen/Fishbein 1980, 75). Besteht ein starkes Bedürfnis nach sozialer Zustimmung, so kann dem durch konformes (Karriere-)
Verhalten entsprochen werden, da Konformität die Gefahr der Ablehnung durch die relevanten Bezugspersonen bzw. -gruppen verringert (vgl. hierzu Brehm 1998, 148ff.).
Gegenüber negativ belegten Bezugspersonen ist jedoch gelegentlich auch mit Reaktanz
zu rechnen.
Zusammenfassend erscheint es vor dem Hintergrund von Individualisierungs- und
Pluralisierungstendenzen in Wirtschaft und Gesellschaft denkbar, dass neben der verbreiteten Aufstiegsnorm auch andere laufbahnbezogene Normen Geltung erlangen, die
einem Downward Move weniger im Wege stehen. Dem kann durch Berücksichtigung
der jeweiligen subjektiven Norm einer Person Rechnung getragen werden. Diese wird
von der individuellen Überzeugung getragen, dass relevante Bezugspersonen oder
-gruppen ein bestimmtes Karriereverhalten erwarten und der Motivation, jenen Erwartungen Folge zu leisten. In vielen Fällen werden Individuen positive Einstellungen zu
Verhaltensweisen haben, die ihre Bezugspersonen billigen und negative Einstellungen
zu Verhaltensweisen, die ihre Bezugspersonen missbilligen. Unter diesen Umständen
stimmen beide Komponenten und auch die Verhaltensabsicht in ihrer Richtung überein.
Manchmal werden beide Determinanten jedoch auch in verschiedene Richtungen weisen. Angenommen, eine Führungskraft in verantwortungsvoller Position hat eine negative Einstellung zu Downward Movement. Sie glaubt jedoch, dass ihr Lebenspartner
und ihre Kollegen von ihr erwarten, beruflich kürzer zu treten. Bewertet sie ihre eigene
Einstellung höher als ihre normativen Überlegungen, wird sie beabsichtigen, ihre momentane Position beizubehalten. Empfindet sie hingegen den Anpassungsdruck ihrer
Bezugspersonen stärker, wird sie dazu neigen, Kompetenz und Verantwortung abzugeben.
Neben den individuellen Einstellungen und dem Einfluss der sozialen Umwelt
muss zur Erklärung individuellen Karriereverhaltens noch eine weitere Größe herange-
Brehm: Downward Movement (ZfP 2/99)
151
zogen werden: die wahrgenommene Verhaltenskontrolle. Sie gibt Auskunft über die
von einer Person angenommene Wahrscheinlichkeit, dass ein gewünschter Karriereschritt realisierbar ist. Dies wird im Folgenden verdeutlicht.
3.3 Die wahrgenommene Kontrolle über Downward Movement
Die Verbindung zwischen Einstellungskomponente, subjektiver Norm, Verhaltensabsicht und tatsächlichem Verhalten kann dadurch gelockert werden, dass das Verhalten
von der Person nicht vollständig willentlich kontrolliert werden kann. Es ist durchaus
vorstellbar, dass ein Verhalten nicht gezeigt werden kann, weil die Person nicht über die
notwendige Fähigkeit und Willenskraft verfügt oder an der Ausführung durch äußere
Umstände bzw. andere Personen gehindert wird, obwohl Einstellungskomponente und
subjektive Norm der Person das Verhalten begünstigen. Um dem Rechnung zu tragen,
wird der Aspekt der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle als Determinante des beobachtbaren Verhaltens eingeführt (Ajzen 1985, 24ff.). Die wahrgenommene Verhaltenskontrolle wird von der Erwartung einer Person bestimmt, bei dem Versuch, ein beabsichtigtes Verhalten umzusetzen, Erfolg zu haben oder zu scheitern.
In Bezug auf vorliegendes Untersuchungsfeld gibt die wahrgenommene Verhaltenskontrolle Auskunft über die angenommene Wahrscheinlichkeit, dass der Versuch,
im Zuge eines Stellenwechsels Kompetenz und Verantwortung abzugeben, gelingen
kann. Oder umgekehrt: Sie gibt die Wahrscheinlichkeit an, einen unerwünschten
Downward Move verhindern zu können. Bestimmt wird sie ihrerseits durch Faktoren,
die die Karriereintention eines Mitarbeiters unterstützen (bspw. eigene Fähigkeiten oder
die Durchlässigkeit innerorganisationaler Grenzen) und Faktoren, die der Realisation
der Karriereabsichten entgegenstehen (z.B. das Fehlen einer adäquaten vakanten Stelle).
Einige Beispiele sollen an dieser Stelle die Zusammenhänge verdeutlichen:
 Eine Führungskraft in den späten Karrierejahren zieht in Erwägung, das Ende ihrer
Karriere etwas hinauszuzögern und weiterhin beratend für die Organisation tätig zu
sein, ihr privates Umfeld zeigt dafür auch großes Verständnis. Das organisationale
Karrieresystem sieht jedoch eine derartige Entwicklung nicht vor.
 Ein Mitarbeiter des wissenschaftlich-technischen Bereichs eines Unternehmens
möchte auf Anfrage einiger Mitglieder seiner Profession an einem organisationsübergreifenden Projekt mitarbeiten, dabei allerdings die Verbindung zu seiner beschäftigenden Organisation nicht vollständig aufgeben, sondern zeitweilig weniger
intensiv betreiben. Er ist sich jedoch nicht sicher, die Doppelbelastung bewältigen
zu können.
 Aufgrund höherer familiärer Verpflichtungen sucht ein weiterer Mitarbeiter einen
beruflichen Partner, um im Rahmen eines Job-Sharing-Modells Kompetenz und
Verantwortung zu teilen. Er kann jedoch keine geeignete Person finden.
 Im Rahmen einer Reorganisationsmaßnahme, die den Abbau von Hierarchie einschließt, wird eine aufstiegsorientierte Führungskraft herabgestuft. Sie sieht keine
Möglichkeit, ihre entgegengesetzte Karriereabsicht zu verwirklichen.
Menschen beabsichtigen also einen Karriereschritt auszuführen, wenn dessen Konsequenzen ihnen vorteilhaft erscheinen, relevante Andere diesen Schritt erwarten und
152
Brehm: Downward Movement (ZfP 2/99)
sie glauben, dass nötige Ressourcen und Gelegenheiten verfügbar sind. Sie suchen andererseits Karrieremuster zu vermeiden, die Diskrepanzen zu ihren Einstellungen und
subjektiven Normen aufweisen. In diesem Fall müssen ihnen jedoch Möglichkeiten zu
deren Verhinderung erkennbar sein. Die Gelegenheiten zur Verwirklichung von Karriereschritten wie Downward Movement und auch die Unterstützung durch Personalverantwortliche werden insgesamt stark von der organisationalen Interessenlage in Bezug
auf das Karriereverhalten der Mitarbeiter abhängen, welche daher im nächsten Abschnitt im Vordergrund stehen soll.
4.
Das organisationale Interesse an Positionswechseln unter verminderter
Kompetenz und Verantwortung
Ebenso wie Downward Movement nicht von allen Mitarbeitern einheitlich für gut
oder schlecht befunden wird, bedarf auch die organisationale Interessenlage einer differenzierten Analyse. Gegenstand der folgenden Ausführungen sind daher für die organisationale Zielerreichung sowohl funktionale als auch dysfunktionale Konsequenzen von Positionswechseln unter den Bedingungen verminderter Kompetenz und Verantwortung.
4.1 Mögliche funktionale Konsequenzen des Karrieremusters
Als erste und zugleich auch allgemeinste Zielkategorie, zu deren Erreichen Downward Movement einen Beitrag zu leisten vermag, kann die Mobilisierung des internen
Arbeitsmarktes angeführt werden (vgl. hierzu Brehm 1998, 168ff.). Können Mitarbeiter
auch auf Positionen mit geringerer Kompetenz und Verantwortung versetzt werden, ergeben sich vielfältigere Möglichkeiten des Personaleinsatzes; der interne Arbeitsmarkt
gewinnt an Beweglichkeit. Dies führt zu einer größeren Unabhängigkeit vom externen
Arbeitsmarkt und kann auch dazu dienen, die Fähigkeitsspektren der Mitarbeiter zu erweitern.
Die Unterstützung von Reorganisationsprozessen stellt eine zweite funktionale
Konsequenz von Downward Movement dar. Im Zuge von Bestrebungen zur Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit sind Organisationen bemüht, ihre Strukturen zu verschlanken. Werden Versetzungen von Mitarbeitern auf niedrigere Hierarchieebenen und
auf Positionen mit geringeren Handlungsspielräumen nicht tabuisiert, sind Reorganisationsmaßnahmen leichter umzusetzen. Downward Movement dürfte Veränderungsprozesse in Organisationen in gewisser Hinsicht weniger belasten als Entlassungen, da das
Vertrauen in Personalverantwortliche, die in dieser Phase versuchen, zumindest für einige Mitarbeiter Perspektiven innerhalb der Organisation zu finden, ceteris paribus größer sein wird (zu sog. „hidden costs“ von Personalabbaumaßnahmen vgl. Baeckmann
1998). Ferner hat die interne Vermittlung den Vorteil, dass das Know-how und die Erfahrung der Mitarbeiter weiterhin für die Organisation erhalten bleiben (vgl. hierzu
Eigler 1997, 176ff.).
Mobilisierungsbestrebungen und Reorganisationsprozesse sind keineswegs die einzigen Anlässe für Versetzungen unter Verminderung von Kompetenz und Verantwortung. Mitunter verursachen veränderte Anforderungen aufgrund der exponentiellen
Vermehrung des Wissens und der gleichzeitigen dramatischen Reduktion der Halb-
Brehm: Downward Movement (ZfP 2/99)
153
wertszeit des Wissens Inkongruenzen zwischen den Stellenanforderungen und der Qualifikation der Mitarbeiter. Geringe Leistungsbereitschaft oder -fähigkeit in Verbindung
mit unzureichender Weiterbildungsmotivation kann dazu führen, dass Individuen den
Anforderungen nicht (mehr) gerecht werden. Downward Movement kann in diesen Fällen eine Angleichung zwischen den Stellenanforderungen einerseits und der Mitarbeiterleistung andererseits herbeiführen. Die Versetzung ist hier nicht nur ein personalwirtschaftliches Instrument ökonomisch effizienter Stellenbesetzung, sondern dürfte ebenfalls teils manifeste, teils latente soziale Kontrollfunktionen innehaben. Potentiellem Disengagement wird damit entgegengewirkt, denn im Falle vollkommener Vermeidung
von Downward Moves könnten sich Arbeitnehmer, die mit dem Erreichten zufrieden
sind, auf ein minimales Einsatzniveau zurückziehen (Brüderl 1991, 77). Darüber hinaus
haben die Personalkosten in den letzten Jahren ein derartiges Ausmaß erreicht, dass eine Nichtausnutzung personeller Ressourcen durch Fehlqualifikation von Arbeitskräften
existenzgefährdend sein kann. Der Einsatz von Mitarbeitern entsprechend ihrer Kompetenz und ihrer Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung erlangt demgemäß große
Bedeutung.
Die Begrenzung mikropolitischen Agierens als letzte hier angesprochene Zielkategorie von Downward Movement wird notwendig, wenn dysfunktionale Effekte von
Machtspielen überhandnehmen (zu mikropolitischem Verhalten in Organisationen vgl.
Dick 1993, 440ff.). So können sich beispielsweise Störungen und Verzögerungen im
Arbeitsprozess oder eine schleichende Verschlechterung des organisationalen Klimas
durch mikropolitische Handlungen und unbotmäßiges Verhalten einzelner Personen ergeben. Durch Versetzungen auf Positionen mit geringeren diesbezüglichen Möglichkeiten (bspw. aufgrund reduzierter Führungsverantwortung oder geringeren Informationsrechten) sind Gelegenheiten zu machtpolitischem Verhalten reduzierbar.
Resümierend existieren aus organisationaler Perspektive somit verschiedene Anlässe für Versetzungen unter Verminderung von Kompetenz und Verantwortung. Diese
können sich im Prinzip unabhängig voneinander oder in diversen Kombinationen ergeben. Zuweilen sprechen strukturelle Gründe für Downward Movement. Manchmal legen verhaltensbedingte Gründe eine derartige Versetzung nahe. In einigen Fällen ist die
Versetzung auch als sozialverträgliche Alternative zu einer Entlassung anzusehen. Dennoch darf die Versetzung nicht leichtfertig vorgenommen werden, da mitunter schwerwiegende dysfunktionale Konsequenzen folgen können.
4.2 Mögliche dysfunktionale Konsequenzen von Downward Movement
Ob die oben angeführten Vorteile von Downward Movement zum Tragen kommen, hängt entscheidend davon ab, ob die individuelle Einstellung und die subjektiv
empfundene Norm dem Karrieremuster entsprechen. Erfolgt der Downward Move entgegen der individuellen Karriereabsicht, entstehen Spannungsherde zwischen den inneren Überzeugungen und der neuen Arbeitsrolle. Spannungszustände spiegeln sich u.a. in
verschiedenen Unzufriedenheitsäußerungen und Konfliktreaktionen der Individuen wider. Je nach Verlaufsform des Konfliktes ist zwischen direkten und umgeleiteten Konfliktkonstellationen zu unterscheiden (vgl. hierzu Euler 1973, 52ff.).
154
Brehm: Downward Movement (ZfP 2/99)
Direkte Konflikte sind dadurch gekennzeichnet, dass das betreffende Individuum
konsistent gegen die in seinen Überzeugungen konfrontierten Sachverhalte (Inhalte)
und Personen handelt. Die Widerstandshandlung ist somit sowohl direkt gegen den
Downward Move als auch gegen den Absender der neuen Rollenzuteilung gerichtet.
Der Arbeitnehmer nimmt die Konzeption des Downward Moves nicht unwidersprochen
hin, sondern versucht, sie in einer Weise zu ändern, die den eigenen Karriereabsichten
entgegenkommt. Kommt eine Einigung über den Karriereschritt nicht zustande, kann
der Betroffene ggf. sogar gerichtlich überprüfen lassen, ob die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist. Daneben kann der Arbeitnehmer den Betriebsrat hinzuziehen, der nach §99 Abs.2 Nr.4 BetrVG von der Möglichkeit der Zustimmungsverweigerung Gebrauch machen kann, wenn die Versetzung den zu versetzenden Arbeitnehmer benachteiligt, ohne dass dies aus betrieblichen oder in der Person
des Arbeitnehmers liegenden Gründen gerechtfertigt ist.
In einem umgeleiteten oder auch verschobenen Konflikt hingegen hat sich die Widerstandshandlung von den eigentlichen Konfliktursachen oder vom eigentlichen Konfliktgegner auf andere Konfliktaustragungsmöglichkeiten verschoben (vgl. hierzu Hermann 1984, 264ff.). Eine solche Umleitung kann stattfinden, ohne dass die Beteiligten
dies beabsichtigen bzw. sich dessen bewusst sind. Sie können sich dadurch aber auch
bewusst unangenehmen Konfrontationen entziehen, denen sie sich bei einer direkten
Auseinandersetzung ggf. ausgesetzt sähen. Umgeleitete Konflikthandlungen sind auch
dann wahrscheinlich, wenn die Veränderung emotional abgelehnt wird, sachliche Argumente für einen direkten Widerspruch jedoch fehlen. Der von einer Verminderung
von Kompetenz und Verantwortung Betroffene kämpft in diesem Fall nicht für die
Verwirklichung seiner eigentlichen Karriereabsichten, sondern verschiebt die Konflikte
auf andere Themen oder Personen. Möglicherweise wird die Leistungsbereitschaft stark
eingeschränkt, Fehlzeiten treten auf, oder der Mitarbeiter verleiht seinem Unwillen gegen die Versetzung Ausdruck, indem er permanent Streitigkeiten mit Kollegen sucht.
Aus alledem ergeben sich Notwendigkeiten des behutsamen Umgangs mit Downward Movement seitens der Organisation. Frühzeitige Maßnahmen sind erforderlich,
um dysfunktionale Konsequenzen zu begrenzen. Nicht übersehen werden soll, dass
Konflikte auch positive Effekte hervorzurufen vermögen, etwa aufgrund des Überdenkens von Versetzungsentscheidungen, des Argumentationsaustausches oder der Fluktuation unliebsamer Mitarbeiter. Als unmittelbar Betroffener wird man dieser Perspektive
allerdings wenig abgewinnen können, da die psychischen Kosten im Vordergrund stehen. Und auch für die Organisation insgesamt dürfte die dysfunktionale Seite von Konflikten überwiegen: Sie werden meist als kostenverursachend, unproduktiv und klimaverschlechternd interpretiert (zur funktionalen Ambivalenz von Konflikten siehe Titscher 1995, 1329).
Um Konflikte aufgrund von Positionswechseln unter den Bedingungen verminderter Kompetenz und Verantwortung zu vermeiden, wäre zunächst daran zu denken, auf
Downward Movement zu verzichten oder nur dann zur Anwendung kommen zu lassen,
wenn Mitarbeiter von sich aus einen ‘Schritt zurück’ vornehmen wollen. Der organisationalen Interessenlage würde damit jedoch nur bedingt Rechnung getragen. Im Folgenden werden daher Maßnahmen aufgezeigt, individuelle Karriereabsichten zu beeinflus-
Brehm: Downward Movement (ZfP 2/99)
155
sen. Ihr Ziel besteht darin, Downward Movement als selbstverständlichen Karrierebestandteil anzusehen und Laufbahnen in Organisationen individueller und flexibler gestalten zu können.
5.
Einflusspotentiale auf individuelle Karriereabsichten
Überlegungen, wie Mitarbeitern Downward Movement nahegebracht werden kann,
knüpfen an die Ausführungen in Abschnitt 3 dieses Beitrages an. Demnach beeinflusst
zunächst die Einstellung zu Downward Movement die Intention, einen derartigen Karriereschritt zu vollziehen respektive zu vermeiden. Darüber hinaus stellen auch die subjektive Norm und die wahrgenommene Verhaltenskontrolle maßgebliche Determinanten
dar. Im Weiteren ist daher zu untersuchen, mittels welcher (vorsichtiger) Interventionen
die Einstellung, die subjektive Norm und die wahrgenommene Verhaltenskontrolle von
Individuen geplant veränderbar sind, um funktionale Effekte von Downward Movement
zu fördern und dysfunktionale Wirkungen zu begrenzen. Dabei ist natürlich nicht davon
auszugehen, dass ein genau vorherzubestimmender Zielzustand der Karriereabsicht erreicht wird. Vielmehr ist die prägende Wirkung der bisherigen Sozialisation in Rechnung
zu stellen und die prinzipielle Offenheit des Entwicklungsprozesses zu akzeptieren.
5.1 Strategien der Einstellungsänderung
Änderungen von Einstellungen zu Downward Movement können prinzipiell auf
zwei verschiedene Weisen bewirkt werden: Zum einen durch veränderte Erwartungen
über die Konsequenzen des Karriereverhaltens, zum anderen durch Veränderungen in
der Bewertung dieser Konsequenzen (Stroebe/Jonas 1990, 190). Die Bewertung der
Konsequenzen von Downward Movement erfolgt vor dem Hintergrund der individuellen Karriereorientierung sowie der Lebensphase, in der sich das Individuum gerade befindet. Für diesbezügliche Unterschiede sind daher Bedingungen verantwortlich, die
zum größten Teil außerhalb des Wirkungsfeldes der Organisation liegen.
Wesentlich einfacher beeinflussen können Organisationen die subjektiven Wahrscheinlichkeitsurteile ihrer Mitarbeiter hinsichtlich der Konsequenzen von Downward
Movement. Über geeignete, im Zusammenhang mit Downward Movement zur Anwendung kommende Anreize sind diese nämlich von Organisationen – zumindest partiell –
gestaltbar (zu Begriff und Bedeutung von Anreizen vgl. Schanz 1996, 87ff.). Die Versetzung ist dabei möglichst derart zu organisieren, dass sie als psychologischer Erfolg
wahrgenommen werden kann (vgl. hierzu Hall 1993, 232f.). Dazu müssen die negativ
bewerteten Begleitumstände des Downward Move von geringerer Bedeutung für die
Einstellung sein als der erwartete Zugewinn erfreulicher Aspekte der Arbeit.
Das neue Aufgabengebiet (nach einem Downward Move) könnte beispielsweise
der Entwicklung und Nutzung neuer Fähigkeiten und Kenntnisse des Karriereaspiranten
dienen. Trotz insgesamt geringerer Kompetenz und Verantwortung enthielte der neue
Arbeitsinhalt somit einige Herausforderungen, denen sich die Person zuvor nie stellen
musste. Denkbar wäre hier die Übernahme von abteilungsübergreifenden Koordinationsaufgaben (z.B. in den Bereichen Arbeits- oder Datenschutz, in der Qualitätskontrolle sowie im Umweltschutz) oder die Betreuung von jüngeren Mitarbeitern als Men-
156
Brehm: Downward Movement (ZfP 2/99)
tor bzw. Pate. Um als Herausforderung und Wachstumspotential angesehen zu werden,
ist die neue Position auch in Bezug auf das soziale Umfeld zu prüfen. Die alte Umgebung hat hier in der Regel weniger zu bieten als ein neues Umfeld, das zusätzliche Kontaktmöglichkeiten eröffnet. Auch die Entgeltproblematik muss in Downward Movement-Prozessen nicht zum kritischen Punkt werden. Gerade vor dem Hintergrund flacherer Organisationen werden die Spielräume für individuelle Lösungen größer, so dass
eine – für eine bestimmte Periode – ausbleibende Anpassung nicht zuviel Ungerechtigkeit erzeugt (Hall/Isabella 1985, 21). Gesundheitliche Erleichterungen können ferner
von Downward Movement ausgehen, wenn damit ein Abbau physischer und psychischer Überlastung (d.h. eine Stressreduktion) verbunden wird. Gleichzeitig könnte im
Hinblick auf den privaten Bereich der Mitarbeiter ein Anreiz geboten werden, indem die
Arbeitszeit verkürzt und damit die Zeit für die Verfolgung persönlicher und familiärer
Interessen nachhaltig gesteigert wird.
Für alle (im Zusammenhang mit Downward Movement zur Anwendung kommenden) Anreize gilt, dass sie möglichst transparent gestaltet sein müssen, um Wirkung zu
entfalten (Schanz 1996, 99). Außerdem sind Maßnahmen im Rahmen sozial vermittelter
Erfahrung – bspw. persuasive Kommunikation – zur Erhöhung des Informationsstandes
einsetzbar. Persuasive Kommunikationen – d.h. Strategien der Überzeugung – versuchen, mittels konkreter Argumente in Einstellungsbildungs- und -änderungsprozesse zu
intervenieren (vgl. hierzu Stroebe/Jonas 1990, 181ff.). Dazu sind geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen: Beispielsweise kann innerhalb von Orientierungsveranstaltungen zum Thema Karriere über das Angebot alternativer Karriereverläufe informiert
werden. Als vertrauenswürdige und kompetente Kommunikatoren eignen sich gegebenenfalls Mitglieder der Unternehmensleitung sowie Mitarbeiter, die über persönliche
Erfahrungen mit Downward Movement verfügen. Seminare, sukzessive Zusammenkünfte und Workshops ermöglichen darüber hinaus, das Thema aus mehreren Perspektiven zu beleuchten. Ferner können intensive Karriereberatungsgespräche dazu beitragen, dass die Versetzung nicht als Misserfolg, sondern als persönlich vorteilhafter Entschluss in die Karrieregeschichte des Mitarbeiters eingeht.
Allerdings ist in diesem Zusammenhang auch auf mögliche Gefahren aus sozial
vermittelter Erfahrung hinzuweisen. Je umfassender ein Mitarbeiter über die Folgen von
Downward Movement informiert wird, desto genauere Erwartungen wird er herauszubilden in der Lage sein. Nun entscheidet nicht die Information an sich, sondern die Beurteilung derselben (auf der Basis der jeweiligen Karriereorientierung und Lebensphase)
darüber, ob sich eine Verbesserung oder Verschlechterung der Einstellung gegenüber
Downward Movement einstellt. Zu einer Verbesserung wird es nur kommen, wenn durch
zusätzliche Information die Vorteilhaftigkeit oder Unbedenklichkeit des Positionswechsels deutlicher sichtbar wird.
Sozial vermittelte Erfahrung kann also keineswegs als generell verlässliches Mittel
zur Verstärkung der Karriereabsichten im Hinblick auf Downward Movement gelten.
Wie die folgenden Ausführungen zeigen werden, gilt dies in ähnlicher Weise auch für
Versuche zur Änderung der subjektiven Norm von Mitarbeitern.
5.2 Änderung der subjektiven Norm
Brehm: Downward Movement (ZfP 2/99)
157
Gemäß allgemeiner Normänderungstheorien ändern sich Normen dann, wenn sich
die normrelevante Stimulussituation ändert (Eichner 1981, 139). Ansatzpunkte dafür
liefert im vorliegenden Problemfeld zunächst die Organisationskultur, denn die beschäftigende Organisation bildet für ihre Mitglieder einen wichtigen kulturellen Rahmen; ihr Werte- und Normensystem wird (mehr oder weniger) verbindlich erlebt. Besondere Relevanz erlangen natürlich Normen, die, wie hier focussierte Karrierenormen,
auf das berufliche Verhalten gerichtet sind. In vielen Organisationen besteht ein großes
Hindernis für Downward Movement in einer streng aufwärts gerichteten Karrierekultur
(Hall/Isabella 1985, 18). Wenn auch horizontale und nach unten gerichtete Stellenwechsel bei gleichzeitiger Verminderung von Kompetenz und Verantwortung in idealtypische Karrierepfade eingebettet werden, wird ein Beitrag geleistet, Downward Movement in der organisationalen Karrierekultur zu verankern. Unterstützend sind Beförderungskriterien einzuführen, die das Erreichen bestimmter Positionen in der Leitungshierarchie an gewisse Seit- und Abwärtsbewegungen koppeln und diese somit legitimieren
und positiv verstärken.
Anstöße für Korrekturen einer bestehenden Karrierekultur gehen auch von der Einrichtung von Parallellaufbahnen (als Fach-, Projekt- oder Spezialistenlaufbahnen) aus,
die eine Öffnung des Karrieresystems für Downward Moves ermöglichen. Durch planmäßige Wechsel von der Führungs- zu einer Parallellaufbahn gewinnen Karriereschritte
unter den Bedingungen verminderter Führungs- und Entscheidungskompetenz an
Selbstverständlichkeit. In diesem Zusammenhang ist auch die Übertragung von Führungsverantwortung auf Zeit anzuführen (vgl. hierzu Krüger 1995, 581f.). Notwendigkeiten für zeitlich begrenzte Besetzungen von Führungspositionen gibt es vor allem in
den Bereichen projektorientierter Planung und Entwicklung. Die Führungsverantwortung kann hier von Projekt zu Projekt wechseln. Ein Downward Move des Projektleiters
stellt dann gleichsam das natürliche Ende vieler Projekte dar.
Eine weitere Möglichkeit behutsamer Einflussnahme auf die organisationale Karrierekultur besteht in einer stärkeren Integration beruflicher und privater Interessen von
Mitarbeitern. Organisationen unterscheiden sich darin, in welchem Ausmaß sie die berufliche Sphäre von der persönlichen oder familiären Sphäre trennen (Schein 1984,
74ff.). Je stärker persönliche und familiäre Belange in der Organisation berücksichtigt
werden, desto eher werden vermutlich Lebensentwürfe als legitim angesehen, die der
Berufsarbeit nicht den höchsten Wert beimessen. Eng damit zusammen hängt die Akzeptanz alternativer Karriereorientierungen. Förderlich für die Korrespondenz der normativen Überzeugungen mit Downward Movement erscheint eine Kultur, die unterschiedliche Karriereorientierungen von Mitarbeitern zulässt: macht- und aufstiegsorientierte
Motive ebenso wie Freizeitorientierung und alternatives Engagement.
Neben der Organisation als Ganzem, deren karrierebezogene Normen über die Organisationskultur auf das Individuum wirken, beeinflussen verschiedene Bezugspersonen und -gruppen die subjektive Norm des Individuums bezüglich Downward Movement. Im beruflichen Umfeld dürften insbesondere die in der jeweiligen Arbeitsgruppe
des Individuums herrschenden Ansichten einen wichtigen Faktor darstellen, der die Bereitschaft zu diesem Karriereschritt beeinflusst. Die Arbeitsgruppe bildet in der Regel
bestimmte Vorstellungen über ‘normale’ Karriereentwicklungen und -ambitionen her-
158
Brehm: Downward Movement (ZfP 2/99)
aus. Diese karrierebezogenen Normen und Standards werden für das eigene Verhalten
und das Verhalten anderer als Bewertungsmaßstab herangezogen. Einfluss auf gruppenspezifische Karrierenormen kann genommen werden, indem die Downward MovementProblematik beispielsweise in Karriere-Workshops, Rollenspielen oder EncounterGruppen thematisiert wird. Diese vermögen – mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten – zur Enttabuisierung von Downward Movement beizutragen und bieten Möglichkeiten, alternative Karriereziele vorzustellen und zu reflektieren. Einseitige Aufstiegsnormen können gegebenenfalls durch spielerisches Ausprobieren alternativer Karrieremuster aufgeweicht werden.
Empfehlenswert erscheint es außerdem, die Partner von Mitarbeitern frühzeitig in
die organisationale Karriereplanung einzubeziehen und gemeinsame Lösungsstrategien
für potentielle Probleme in Verbindung mit Downward Movement zu suchen. Dies gilt
umso mehr, je stärker die Karrieren der Partner miteinander verflochten sind, also für
‘Dual-Career-Couples’ oder für Paare mit einer sog. ‘Zwei-Personen-Karriere’. Speziell
das Verständnis und die Unterstützung durch die Familie dürften wichtige Voraussetzungen darstellen, um eine insgesamt positive subjektive Norm des Mitarbeiters in Bezug auf Downward Movement aufzubauen.
5.3 Einflussmöglichkeiten auf die wahrgenommene Verhaltenskontrolle
Nach der Diskussion von Interventionsmöglichkeiten in Bezug auf Einstellung und
subjektive Norm ist nun als letzte Zielgröße organisationaler Einflussnahme die wahrgenommene Verhaltenskontrolle zu analysieren. Das Streben nach einer möglichst hohen Ausprägung lässt sich hier zunächst aus ethischen Gründen vor dem Hintergrund
menschlicher Bedürfnisse nach Autonomie und Selbstentfaltung rechtfertigen. Diese
Motive sind zwar verschieden stark ausgeprägt, infolge des gesellschaftlichen Wertewandels ist jedoch ein tendenzieller Bedeutungszuwachs zu verzeichnen (Schanz 1992,
1908). Aber auch aus ökonomischen Gründen erscheint eine hohe wahrgenommene
Verhaltenskontrolle sinnvoll, da sie sich vermutlich positiv auf die organisationale Effektivität auswirkt. Sie führt nämlich in aller Regel zu positiven psychologischen Zuständen der Betroffenen, woraus sich individuenbezogene Veränderungen wie die Erhöhung von Akzeptanz, Engagement und Arbeitszufriedenheit sowie organisationsbezogene Veränderungen wie höhere Effizienz und Flexibilität ergeben.
Insofern ist eine relative Selbstbestimmung des Karriereverhaltens grundsätzlich
aus individueller und organisationaler Perspektive wünschenswert. Spannungszustände
und Diskrepanzerlebnisse aufgrund unbeabsichtigter Karriereschritte werden reduziert.
Die Identifikation mit der gewählten Entscheidung wird um so ausgeprägter sein, je
mehr Entscheidungsfreiheit in Bezug auf Downward Movement erlebt wird (Hall/Isabella 1985, 18f.).
Eine derartige Problemsicht regt dazu an, nach den Bedingungen zu fragen, die der
Entwicklung individueller Verhaltenskontrolle und deren Umsetzung im karrierebezogenen Handeln förderlich sind. Zunächst ist dabei eine Erhöhung des Informationsstandes der Mitarbeiter anzuführen, denn Informationen sind generell als Voraussetzung
selbstbestimmter Entscheidungen anzusehen. Die Informationen sollten das organisatio-
Brehm: Downward Movement (ZfP 2/99)
159
nale Karrieresystem transparent machen und Versetzungskriterien offenlegen. Damit
werden Beziehungen zwischen individuellen Anstrengungen und damit verbundenen
Karriereentscheidungen deutlich. Gleichzeitig werden die Laufbahnerwartungen der Betroffenen an die betrieblichen Realisierungsmöglichkeiten angepasst. Um die Verhaltenskontrolle dann tatsächlich zu erhöhen, sind dem Individuum auf dieser Basis Partizipationsmöglichkeiten, d.h. Einflusspotentiale auf Verlauf und Ausgang der Laufbahngestaltung, einzuräumen.
Daneben wirkt das Angebot vielfältiger Karrieregelegenheiten in einem System,
das offen ist für die Realisierung alternativer Karriereabsichten, verstärkend auf die
wahrgenommene Kontrolle über das berufliche Entwicklungsverhalten. Hingegen führt
ein rigides Karrieresystem, in dem Abweichungen von den traditionellen Bewegungsprofilen nicht toleriert werden, in der Tendenz zu einer geringeren Selbstbestimmung
von Mitarbeitern. Indem organisationale Karrieresysteme so gestaltet werden, dass sie
die Entfaltung individueller Unterschiede ermöglichen, lässt sich ihr Ausmaß an Restriktivität schmälern oder – positiv formuliert – der Spielraum, den sie dem individuellen Karriereverhalten und damit auch Downward Movement eröffnen, erweitern.
Die Vielzahl der Möglichkeiten organisationalen Einflusses auf das Karriereverhalten von Mitarbeitern, die sich aus den Konzepten zu Einstellungsänderung, Normänderung und zur Änderung der Verhaltenskontrolle ableiten lässt, darf nun nicht über deren
praktische Grenzen hinwegtäuschen. Zunächst sind die Mitarbeiter nur begrenzt beeinflussbar, weil jedes Organisationsmitglied nicht nur Teil der Organisation ist, sondern
ebenfalls mannigfaltigen organisationsexternen Einflüssen unterliegt. Versuche, auch
das private Umfeld des Mitarbeiters einzubeziehen, können diese Grenzen sicherlich
nur partiell überwinden. Darüber hinaus vermögen Organisationen kaum Einfluss auf
die Grundstrukturen der Persönlichkeiten ihrer Mitarbeiter auszuüben. Derartige Versuche könnten sogar zur Abkehr des Individuums von der Organisation führen (Schein
1972, 156). Daneben stellt die Knappheit der finanziellen Mittel einen nicht unbedeutenden Faktor dar, der die Möglichkeiten der Einflussnahme auf individuelle Versetzungsabsichten seitens der Organisation einschränkt. Eine im Hinblick auf die organisationale Effektivität realistische Sichtweise legt die Vermutung nahe, dass sich die angeführten Maßnahmen selten in ihrer Gesamtheit durchführen lassen. Notwendig wird daher eine Auswahl von Maßnahmen, die die spezifischen Belange der Organisation und
ihrer Mitarbeiter beachtet und wechselseitige Verstärkungseffekte ermöglicht.
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