1832 bis 2007 - Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul
Transcription
1832 bis 2007 - Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul
1832 bis 2007 175 Jahre Barmherzige Schwestern in Bayern 1832 bis 2007 Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Kapitel I Barmherzige Schwestern für Bayern – eine politische Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 K a p i t e l 2 Einführung der Barmherzigen Schwestern am Allgemeinen Krankenhaus in München . . . . . . . . . . . . . . 28 K a p i t e l 3 Gründungsjahre der Kongregation in München . . . . . . 48 K a p i t e l 4 Erfolgreiche Entwicklung des Ordens unter Schwester Ignatia Jorth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 K a p i t e l 5 Krise nach dem Tod von Schwester Ignatia . . . . . . . . . . . 92 K a p i t e l 6 40 Jahre Kontinuität unter Schwester M. Regina Hurler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 K a p i t e l 7 Die Barmherzigen Schwestern und die Entwicklung der modernen Krankenpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 K a p i t e l 8 Weitere Tätigkeitsbereiche der Barmherzigen Schwestern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 K a p i t e l 9 Sondereinsätze in Zeiten von Seuchen und Kriegen . . 136 K a p i t e l 10 Blütezeit des Ordens zu Beginn des 20. Jahrhunderts . 154 K a p i t e l 11 Die Barmherzigen Schwestern unter dem Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 K a p i t e l 12 Wiederaufbau und neue Wege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 K a p i t e l 13 Neue Herausforderungen für den Orden in einer säkularisierten Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 K a p i t e l 14 Die Kongregation heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Archivalienverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 303 306 307 309 310 319 Vorwort „Ein gutes, von Herzen kommendes, verständnisvolles Wort kann den Menschen zu Gott führen, ihm zu Geduld verhelfen, zu einem guten Sterben oder zu einem guten Leben nützlich sein.“ (Vinzenz von Paul) Mit großer Dankbarkeit und Freude feiern wir 175 Jahre Barmherzige Schwestern in Bayern. Wir feiern das Fest, an dem Gott die Gründung der Gemeinschaft gewollt hat. Miteinander lesen wir diese 175-jährige Geschichte, die eine leuchtende Spur hinterlassen hat. Gott hat sich in seinem Großmut nicht übertreffen lassen, sein Segen begleitet die Kongregation und das Wirken der Schwestern. So dürfen wir der Vergangenheit eine Zukunft geben. Dieses Jubiläum gibt uns Anlass, aus dem Jetzt zurückzublicken, um gemeinsam in eine neue Zukunft zu gehen. Schauen wir auf den Anfang, wie alles begonnnen hat. Am 10. März 1832, nachmittags um 16.00 Uhr, kamen Schwester Ignatia Jorth und ihre Begleiterin, Schwester Apollonia Schmitt, mit der „Extrapost“ von Straßburg an den Stadtrand Münchens in das Allgemeine Krankenhaus in der heutigen Ziemssenstraße vor dem Sendlinger Tor. Für König Ludwig I. war es eine Sternstunde der Geschichte Bayerns, als die beiden Schwestern auf sein fürsorgliches Bemühen hin den hingebenden Dienst an den Kranken im Geist des hl.Vinzenz in München einführten. Der Durchbruch für den neuen Beginn war geleistet. Ein Aufblühen, eine hoffnungsvolle Zukunft war geweckt und ein sichtbares Zeichen eines weltanschaulichen Wandels war markiert. Wie vielen Kranken in dieser langen Geschichte durch unsere Schwestern Hilfe geleistet worden ist, weiß nur Gott allein. Alles war ein Liebesdienst, ein Dienst der Barmherzigkeit, zu dem die Schwestern zu jeder Tages- und Nachtzeit bereit waren und sich von Gott Kraft erbaten. Der ungeheure Schatz an Barmherzigkeit, der in 175 Jahren gesammelt worden ist, bleibt ein Schatz der Kirche und der Menschheit und ist bei Gott nicht verloren. Papst Benedikt schreibt in seiner Enzyklika „Deus Caritas est“: „Wer zu Gott geht, geht nicht weg von den Menschen, sondern wird ihnen erst wirklich nahe.“ Vater Vinzenz rief den Schwestern immer wieder zu und sagt es uns auch heute: „Unsere Aufgabe ist das Handeln.“ Wir sollen Menschen dort abholen, wo ihr Lebensinhalt ist. Die barmherzige Liebe ist das Geheimnis der Erfolgsgeschichte der Gemeinschaft gewesen. Unser vinzentinisches Charisma gibt uns Kraft und den Mut, in die Zukunft zu gehen. Der Bau unseres neuen Mutterhauses trägt dazu bei, dass „Kloster“ und „Welt“ sich begegnen. Mit vielen Menschen und Mitarbeitern sind wir unterwegs. Entscheidend ist dabei, dass wir Gott in unserem Leben und in unsere Aufgaben einlassen – das heißt glauben. Im Glauben dürfen wir die Erfahrung seiner Gegenwart machen. Der Münchner Jesuitenpater Alfred Delp hat dies in dem bekannten Wort ausgedrückt: „Lasst uns dem Leben trauen, weil Gott es mit uns lebt.“ Gott lebt das Leben von uns Schwestern mit. Darum dürfen wir dem Leben trauen; mögen unser Alltag und der Zustand der Welt noch so düster und leidvoll sein. Die Kirche lebt, die Kongregation lebt, sie lebt, weil Christus lebt, weil er die Geschichte der Barmherzigen Schwestern unaufhaltsam belebt und fortsetzt. Jede Gemeinschaft ist ein Steinchen im Mosaik des Ganzen, ein lebendiger Stein am Haus Gottes. Der hl. Vinzenz sagt in einer Konferenz am 22. September 1647 über den Auftrag seiner Töchter der Christlichen Liebe: „Der Beruf einer Barmherzigen Schwester ist eine Einladung Gottes; ihre Berufung eine Erwählung. Sie soll Gott dienen in den Armen, Kranken, Notleidenden und Hilfesuchenden und so die barmherzige Liebe den Menschen erfahrbar werden lassen.“ Unser Auftrag ist nicht altmodisch, nicht überholt, nicht verstaubt, er ist heute so aktuell, so not-wendig wie damals. Mit den vielen Schwestern, die in den vergangenen 175 Jahren dem Mutterhaus München angehörten, danken wir Gott, dass er immer am Ufer ihres Lebens stand und sie mit großer Herzlichkeit und Güte Gottes Licht zu den Menschen gebracht haben. Vertrauend auf die göttliche Vorsehung, die sie nicht verlässt in Dingen, die sie auf ihre Führung hin unternehmen, haben sie den Menschen gedient. Jetzt stehen sie an Gottes Seite und sind uns große Fürsprecher. Großen Dank schulden wir den Schwestern unserer Tage, die sich mit ihrer Kraft und ihrer Liebe den ihnen Anvertrauten hingeben.Vater Vinzenz und Mutter Louise sind wahre Lichtträger der Geschichte, weil sie Menschen des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe sind. In ihren Fußstapfen gehen und arbeiten wir. Wir dürfen, wie es uns Jesus selber sagt, zur Quelle werden, von der Ströme lebendigen Wassers kommen. Aber damit wir eine solche Quelle werden, müssen wir selbst immer wieder aus der ursprünglichen Quelle bei Jesus Christus, aus dessen geöffnetem Herzen die Liebe Gottes selbst entströmt, schöpfen, um der Bedürftigkeit unserer Zeit, dem Hunger nach Geborgenheit, der Sehnsucht nach einem erfüllten Leben und der Suche nach Gott, eine Antwort zu geben. Gemeinsam schauen wir in die Zukunft, gemeinsam gehen wir in die Zukunft. Diese Kraft schöpfen wir aus dem lebendigen Glauben an Jesus und aus einer unverbrüchlichen Hoffnung. Der hl. Vinzenz sagt: „Barmherzige Liebe erobert die Welt.“ Wann beginnt die wahre Veränderung der Welt? Das Evangelium sagt es: wenn sie die Werke der Liebe verkündet zum Tun. Heute, 175 Jahre nach der Gründung, zählen der Glaube der Schwestern und die Niederlassungen, in denen wir unseren vinzentinischen Auftrag erfüllen. Der Gedanke an das viele Gute, Wertvolle und Kostbare, das durch unsere Schwestern getan wurde, erfüllt uns mit großem Dank. Wie viele Segensspuren zogen unsere Schwestern in der Erfüllung des Auftrags, den ewigen Plan des göttlichen Lebens zu erfüllen, wie Vinzenz sagt: die Verherrlichung des Vaters, die Nachahmungen der Handlungen Jesu Christi, die Ausbreitung seiner Liebe auf Erden. Darum haben sie die Welt verändert. Gott hat alles gut gemacht und uns gesegnet. Heute an dem Meilenstein der langen Straße der Barmherzigkeit lassen wir uns neu von der Liebe Christi berühren, um den Weg der erbarmenden Liebe gehen zu können. Mein Dank gilt beim 175-jährigen Jubiläum allen Schwestern, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die das Werk unseres Vaters Vinzenz mittragen und mitgestalten. Schwester M. Theodolinde Mehltretter Generaloberin der Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom hl.Vinzenz von Paul, Mutterhaus München „Wir danken Gott für die reiche Frucht der Barmherzigkeit“ Im Jahre 1832 rief König Ludwig I. die Barmherzigen Schwestern nach München. Seit 175 Jahren steht die Kongregation in unserem Erzbistum im Dienst der Kranken und Armen. Unzählige Menschen haben durch sie Gottes Liebe und Erbarmen erfahren, am Krankenbett, im Altenheim, in der Suppenküche oder im Kinderheim. Im Geist ihres Stifters wollen sie Jesu Gebot erfüllen: Liebet einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben“ (Joh 13,34). In seiner Enzyklika „Gott ist Liebe“ schreibt der Heilige Vater: „Der Glaube, das Innewerden der Liebe Gottes, die sich im durchbohrten Herzen Jesu am Kreuz offenbart hat, erzeugt seinerseits die Liebe. Sie ist das Licht – letztlich das einzige -, das eine dunkle Welt immer wieder erhellt und Mut zum Leben und zum Handeln gibt“ (Nr. 39). Diese Worte machen deutlich, worum es den Barmherzigen Schwestern in ihrem täglichen Arbeiten geht: die ihnen im Glauben innegewordene Liebe Gottes weiterzuschenken. Gott allein weiß, wieviel Licht durch den selbstlosen Dienst der Schwestern die Herzen der Kranken und Armen erhellt und ihnen neuen Mut zum Leben geschenkt hat. Das Jubiläum ist ein Fest des Dankes. Wir danken Gott für die reiche Frucht der Barmherzigkeit, die das Wirken der Schwestern in den 175 Jahren bei uns getragen hat. Unser aufrichtiger Dank gilt allen Mitgliedern der Kongregation, den lebenden wie den verstorbenen, für all das, was sie aus dem Glauben und christlicher Hoffnung heraus in dienender Liebe getan haben. Im Vertrauen auf den Herrn mögen die Schwestern auch weiterhin hochherzig ihren Dienst tun. Der Herr begleite sie täglich mit seinem Segen und führe sie in eine gute Zukunft. Erzbischof Friedrich Kardinal Wetter Apostolischer Administrator von München und Freising „An vorderster Linie gegen Armut, Krankheit und Verlassenheit“ Meinen herzlichen Gruß an die Barmherzigen Schwestern vom hl.Vinzenz von Paul! Zweihundertsiebzig Jahre nach der Kanonisierung des hl. Vinzenz von Paul begehen die Barmherzigen Schwestern, die sich der Fortsetzung seines Dienstes widmen, ein Jubiläum, das gefeiert zu werden verdient: Seit 1832 ist die Kongregation in München ansässig und wirkt von dort aus als eine unermüdliche Kraft der Nächstenliebe. Die Lebensgeschichte des hl. Vinzenz von Paul liest sich wie eine Abenteuergeschichte. Sein Werdegang vom südfranzösischen Bauernjungen zum Priester, sein Erleben von Gefangenschaft und Not in der Fremde, seine Rückkehr nach Frankreich und sein Neubeginn als ebenso leidenschaftlicher wie selbstloser Anwalt der bedingungslosen Nächstenliebe sind bis auf den heutigen Tag Inspiration und Ermutigung. Dabei stehen die Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul in der vordersten Linie im Kampf gegen Armut, Krankheit und Verlassenheit. In München gehören inzwischen drei Krankenhäuser sowie fünf Altenund Pflegeheime zur Ordensgemeinschaft. Gern möchte ich meinen Gruß an die Ordensgemeinschaft mit dem Ausdruck meines tiefen Respekts und herzlichen Dankes verbinden. Gottes reichen Segen für die Fortsetzung ihres Dienstes! Dr. Edmund Stoiber Bayerischer Ministerpräsident „Ein Aushängeschild katholischer Caritas“ Antworten zu finden auf die Nöte unserer Zeit und dabei kein zurückgezogenes Leben hinter Klostermauern zu führen, sondern dort tätig zu sein, wo das Bedürfnis nach Hilfe und Zuwendung besonders groß ist: Das haben sich die Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul zur Aufgabe gemacht. Und damit geben sie gerade in München seit nunmehr 175 Jahren ein leuchtendes Beispiel und Vorbild. Am 10. März 1832 kamen auf ausdrücklichen Wunsch König Ludwigs I. und nach langwierigen Verhandlungen zwischen dem Münchner Magistrat und dem Mutterhaus der „Filles de la Charité“ in Straßburg Schwester Ignatia Jorth und Schwester Apollonia Schmitt in unsere Stadt und gründeten hier die Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul, deren Wirkungskreis bald schon das ganze Königreich Bayern umfasste. Das Zentrum des Ordens aber war und blieb München, besonders hier hat sich die Arbeit der Ordensgemeinschaft als wahrer Segen erwiesen. Der Übernahme und Reformierung der Krankenpflege im damaligen städtischen allgemeinen Krankenhaus an der heutigen Ziemssenstraße folgte 1836 zunächst der Altenpflegedienst im Heiliggeistspital, das damals noch an der Mathildenstraße beheimatet war, und nach und nach dann auch die Leitung und der Pflegedienst in allen städtischen Altenheimen. 155 Jahre lang haben sich die Ordensschwestern um die städtische Altenpflege außerordentliche Verdienste erworben, ehe der Nachwuchsmangel sie zwang, sich von den elf städtischen Altenheimen, die sie einst betreuten, Zug um Zug wieder zu verabschieden. 1991 war dieser für die Stadt sehr schmerzliche „Exodus“ mit der Aufgabe des Münchner Bürgerheims an der Dall‘ Armistraße beendet. Das segensreiche Wirken der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul aber ging zumindest an den ordenseigenen Einrichtungen gottlob weiter. Auch heute betreibt die Ordensgemeinschaft eine Reihe von Krankenhäusern und Altenpflegeheimen. Dazu zählen auch das Krankenhaus Neuwittelsbach, die Maria-Theresia-Klinik und das Altenheim St. Michael in München. Und dazu zählt noch vieles andere mehr, wie z. B. auch die Adelholzener Alpenquellen GmbH, das wirtschaftliche Standbein des Ordens, der sich so auch zu einem respektablen Arbeitgeber entwickelt hat, mit über 1500 Beschäftigten. Dabei laufen die Fäden der Ordensarbeit nach wie vor am Mutterhaus in München zusammen, das sich seit 1839 an der Nußbaumstraße befand und das nun in Berg am Laim eine neue Bleibe gefunden hat. Am 10. März 2007, auf den Tag genau 175 Jahre nach der Gründung des Ordens, wurde dort, wo der Orden zuvor bereits das Altenheim St. Michael sowie Wohnungen für Bedienstete und ihre Familien errichtet hat, das neue Mutterhaus feierlich eingeweiht. Damit hat die Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom hl.Vinzenz von Paul ein neues Kapitel ihrer bewegten Geschichte aufgeschlagen – an einem Ort, der dafür wie geschaffen erscheint, zumal hier schon die Straße den Namen ihres Ordensgründers trägt. Und damit bleibt mir nur noch, zum stolzen 175-jährigen Jubiläum von Herzen zu gratulieren, den Schwestern und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihr aufopferungsvolles Wirken ausdrücklich zu danken und dem Orden zu wünschen, dass er auch weiterhin bleibt, was er immer war: eine Stütze des sozialen Lebens und solidarischen Miteinanders in unserer Stadt, ein Aushängeschild katholischer Caritas! Christian Ude Oberbürgermeister der Stadt München „Kräftiger Spross am Baum der weltweiten Vinzentinischen Familie“ Die Zeit war notvoll und schwer, als 1633 Vinzenz von Paul und Louise von Marillac in Paris die „Töchter der christlichen Liebe“ gründeten. Die Zeit war notvoll und schwer, als 1832 zwei Barmherzige Schwestern aus dem Mutterhaus Straßburg nach München kamen, um hier im Geist des hl. Vinzenz im allgemeinen Krankenhaus die Lage zu verbessern. Seitdem stehen die Schwestern in Bayern im Dienst an den Menschen und geben Kunde von der erbarmenden Liebe Gottes, die den Kindern, den kranken und alten Menschen, den Armen und Einsamen, kurz allen Hilfsbedürftigen, besonders nahe ist. Diese Liebe, so sagt Vinzenz von Paul, erobert die Welt. Das hat sich buchstäblich erfüllt. Die Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom Mutterhaus München hat sich zu einem kräftigen Spross am Baum der weltweiten Vinzentinischen Familie entwickelt, der wiederum andere Gemeinschaften ins Leben rief. Auch wir vom Mutterhaus Augs burg sind ein „Ableger“ von München. Damit auch die Verbindung zu den Wurzeln erhalten bleibt, bilden 12 Kongregationen, die unmittelbar oder mittelbar vom Mutterhaus Straßburg ihren Ausgang nahmen, eine Vinzentinische Föderation. Mehr als 3000 Schwestern stehen hinter mir, wenn ich der Münchner Kongregation zum 175. Bestehen sehr herzlich gratuliere. 175 Jahre! Das bedeutet ebenso viele Jahre pulsierendes Leben, tätige Nächstenliebe und Hingabe an Gott nach dem Vorbild des hl.Vinzenz und der hl. Louise. Wie viele Lebensschicksale wurden den Schwestern in dieser Zeit anvertraut, wie viele Menschen haben sie liebevoll begleitet. Unzählige Male durften sie dem Leben dienen, dem irdischen und dem ewigen. 175 Jahre! Es war eine bewegte Zeit, mit Höhen und Tiefen, Kriegen und Frieden, Wechselfällen und Wandlungen. Richtschnur bleibt – auch in die Zukunft hinein – die Spiritualität des hl.Vinzenz von Paul. Sie ist gekennzeichnet durch Offenheit für den Anruf der Zeit, verankert im Glauben an Jesus Christus und bereit zur helfenden Tat. Dabei geht es stets um den ganzen Menschen mit Leib und Seele und mit der Würde, die ihm von Gott her zukommt. Diese Spiritualität wird nie altmodisch, „verstaubt“ oder überholt. Sie bleibt unverbraucht und wertvoll und gibt eine sinnvolle Antwort auf die Bedürftigkeit unserer Zeit, auf den Hunger nach Geborgenheit, die Sehnsucht nach erfülltem Leben und die oft unbewusste Suche nach Gott. Deshalb schulden wir den Schwestern der Münchner Kongregation unermesslichen Dank für ihr Leben nach dieser inneren Ausrichtung für Güte, Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft für alle, die ihnen anvertraut waren und sind. So wünsche ich jeder Schwester, dass sie ihr Leben in der Nachfolge Christi weiterhin mit Freude und Zuversicht leben kann. Der Segen und die Gnade Gottes mögen auf der ganzen Gemeinschaft ruhen und der Schutz der Gottesmutter Maria möge sie begleiten. Gemeinsam wollen wir uns der göttlichen Vorsehung anvertrauen, die stets das herbei zu führen weiß, was wir brauchen. Schwester M. Michaela Lechner Generaloberin, Mutterhaus Augsburg Vorsitzende der Föderation Vinzentinischer Gemeinschaften Einleitung I m Jahr 2007 begeht die Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom hl.Vinzenz von Paul, Mutterhaus München, ihr 175-jähriges Jubiläum. Vor 175 Jahren, im März 1832, kamen zwei Barmherzige Schwestern aus dem Mutterhaus Straßburg nach München, um hier ein neues Mutterhaus des Ordens zu gründen. Da sich die Gründungsphase jedoch über fast ein Jahrzehnt ausdehnte, wäre auch denkbar, ein anderes Datum als Gründungsdatum zu sehen und zu feiern. So wäre das Jahr 1827, in dem der bayerische König die Gründung des Ordens in Bayern beschlossen hatte, denkbar, oder das Jahr 1830, in dem eine Novizin des Ordens zusammen mit einigen Kandidatinnen einen ersten Anfang am Allgemeinen Krankenhaus wagte. Andererseits könnte man die eigentliche Ordensgründung auch erst in der offiziellen kirchlichen oder staatlichen Anerkennung in den Jahren 1834 bzw. 1835 sehen. Es hat jedoch bei den Schwestern in München schon eine sehr lange Tradition, das Jahr 1832 als eigentliches Gründungsjahr der Kongregation in Bayern zu betrachten. Von Anfang an wurde die Ankunft der zukünftigen Generaloberin und ihrer Novizenmeisterin am 10. März 1832 als das entscheidende Gründungsmoment gesehen und gefeiert. Dieses Jubiläum bietet den Anlass für einen Rückblick auf die interessante, aber auch wechselvolle Geschichte der Barmherzigen Schwestern in Bayern. Von König Ludwig I. aus dem Elsass nach Bayern geholt, trug dieser vinzentinische Pflegeorden entscheidend zur Entwicklung des Kranken hauswesens im 19. und 20. Jahrhundert in Bayern und in ganz besonderer Weise in München bei. Unleugbar ist seine führende Rolle bei der Entwicklung der modernen Krankenpflege. So standen die Barmherzigen Schwestern mit ihren markanten Flügelhauben, die sie bis in die 1960er Jahre trugen, für das Bild der Krankenschwester schlechthin und waren aus den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen viele Jahrzehnte lang in Bayern nicht weg zu denken. Doch wie viele andere Ordensgemeinschaften leiden die Barmherzigen Schwestern seit Jahrzehnten an Nachwuchsmangel, der zur Folge hatte, dass sie sich nach und nach aus den städtischen und staatlichen Krankenhäusern in Bayern zurückziehen mussten. Heute sind die noch arbeitsfähigen Schwestern fast ausschließlich in den ordenseigenen Häusern beschäftigt und werden dabei von zahlreichen weltlichen Mitarbeitern unterstützt. 15 Angebracht scheint ein Rückblick auf die Geschichte des Mutterhauses umso mehr, als mit der Verlegung des Mutterhauses aus dem Klinikviertel in der Münchner Innenstadt nach Berg am Laim im Münchner Osten eine Ära zu Ende geht. Am Jahresanfang 2007 bezogen die Schwestern ihr neu gebautes, modernes Mutterhaus in Berg am Laim. Mit diesem Schritt wollen die Schwestern ein Zeichen setzen, dass sie, trotz aller Nachwuchssorgen, im Vertrauen auf Gott Zukunft wagen wollen. Die vorliegende Festschrift möchte anhand verschiedener Themenstellungen einen kleinen Einblick geben in die Geschichte der Barmherzigen Schwestern in Bayern. Ausgehend von der spannenden Gründungsgeschichte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts soll über die dann folgende fast unglaubliche Erfolgsgeschichte bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts ein Bogen geschlagen werden hin zu den Aktivitäten der Kongregation heute, im noch jungen 21. Jahrhundert. Erfolge, Schwierigkeiten und Wandel der Kongregation sollen auf dem jeweiligen Zeithintergrund beleuchtet und verständlich gemacht werden. Die Autorin hofft dabei aber auch, deutlich machen zu können, dass das segensvolle Wirken der Kongregation für die Menschen in Bayern getragen wurde und wird von den vielen Frauen, die im Geist ihres Gründervaters Vinzenz von Paul ihr Leben ganz in den Dienst ihrer hilfsbedürftigen Mitmenschen gestellt haben. Dabei mag, geprägt vom jeweiligen Zeitgeist, der eine oder andere Aspekt der Motivation mehr im Vordergrund gestanden haben, aber die Grundmotivation blieb immer die gleiche: die Christusnachfolge ohne Wenn und Aber durch die von Vinzenz von Paul vorgelebte Hingabe für den Nächsten. Stützen konnte sich die Autorin der Festschrift auf die seit der Gründung gemachten Aufzeichnungen des Ordens. Diese wurden zuletzt von Schwester M. Caritas Gebhardt, der erst kürzlich verstorbenen Chronistin des Mutterhauses, bearbeitet und ergänzt. Diese Fassung, die im Mutterhaus als Typo skript vorliegt, wird hier kurz als Mutterhauschronik bezeichnet. Zur Gründungsgeschichte des Ordens hat Scherer in seinem Buch zum 100-jährigen Jubiläum von 1932 wichtige Vorarbeit geleistet. Für die Münchner Krankenhausgeschichte war das Buch von Kerschensteiner sehr aufschlussreich. Ausgewertet wurden zudem zahlreiche Originaldokumente aus dem hauseigenen Archiv. Aus den Anfangsjahren sind leider viele Unterlagen nur in Kopie vorhanden, da die Originale von der ersten Generaloberin ins Mutterhaus Straßburg geschickt worden sind. Ergänzend wurden Archivalien aus dem Hauptstaatsarchiv, Stadtarchiv und Erzbischöflichen Diözesanarchiv gesichtet. Als interessant erwiesen sich die Akten des ehemaligen Allgemeinen Krankenhauses im Institut für Geschichte der Medizin, die Akten des Staatsarchivs dagegen als wenig ergiebig. 16 Kapitel I Barmherzige Schwestern für Bayern – eine politische Entscheidung 1.1. Krankenhaussituation in München vor Einführung des Ordens Um die Bedeutung der Einführung der Barmherzigen Schwestern richtig einschätzen zu können, ist es unvermeidlich, die Krankenhaussituation in München vor der Einführung dieses Pflegeordens kurz zu beleuchten. Noch Ende des 18. Jahrhunderts bestand in München eine Reihe von Spitälern, die meist schon im Mittelalter als Pest- und Leprosenhäuser außerhalb der damaligen Stadtmauern entstanden waren. Die Bestimmung dieser Häuser ging schon bald über ihren ursprünglichen Zweck hinaus. Längst nahmen sie auch Kranke mit anderen, meist infektiösen Krankheiten auf, dienten teilweise als Gebäranstalten, Waisen- und Findelhäuser und bekamen vor allem große Bedeutung als so genannte Pfründneranstalten zur Versorgung alter Menschen. Das Älteste dieser Spitäler war das Heilig-Geist-Spital am heutigen Viktualienmarkt. Im Laufe der folgenden Jahrhunderte kamen das Gasteigspital, das Sondersiechenhaus in Schwabing, das Stadtbruderhaus am Kreuz, das Brechhaus und das Stadtkrankenhaus am Anger hinzu. Ergänzt wurden diese städtischen Einrichtungen im 17. und 18. Jahrhundert durch drei Stiftungen des kurfürstlichen Hofes, das Herzogspital, das Josephspital und das Hofkrankenhaus in Giesing. Aus heutiger Sicht würden wir die Zustände in diesen Spitälern in Bezug auf medizinische und pflegerische Versorgung der Kranken sicher als kata strophal bezeichnen. Damals mag man dies nicht ganz so kritisch gesehen haben, aber wie Berichte von Zeitgenossen zeigen, empfanden auch diese schon die Situation als wenig zufrieden stellend. 17 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Erschwerend kam hinzu, dass mit diesen Spitälern die Krankenversorgung der Stadt München immer weniger gewährleistet werden konnte. Problem war weniger eine zu geringe Bettenzahl für die im 18. Jahrhundert noch relativ kleine Stadt, sondern vielmehr, dass alle diese Anstalten nur für privilegierte Bevölkerungsteile zugänglich waren. Begünstigt waren nur Menschen, die in irgendeiner Beziehung zur Stadt oder zum Hof standen, stiftungsberechtigt waren oder selbst zahlen konnten. So war es dringend notwendig, Krankenanstalten für Arme zu schaffen, die nicht stiftungsberechtigt waren, das heißt, keinen Anspruch auf ein aus irgendeinem Stiftungsfonds bezahltes Krankenbett hatten. Diese Mangelsituation erkennend, wurden Mitte des 18. Jahrhunderts der damalige Kurfürst Maximilian III. Joseph und seine Mutter Amalia aktiv. Sich im europäischen Umfeld umsehend, in dem schon längst gute Erfahrungen mit Krankenpflegeorden gemacht worden waren, entschlossen sie sich, ebenfalls Ordensleute für die Krankenpflege nach München zu holen. Dass sich in dem an Orden so reichen München bisher noch kein Orden für die Krankenpflege etabliert hatte, war ohnehin mehr als erstaunlich. Für die weibliche Krankenpflege fiel die Wahl auf die Elisabethinerinnen, die im Volksmund meist die „barmherzigen Schwestern“ genannt wurden, jedoch nicht mit den Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul zu verwechseln sind. Der Orden der Elisabethinerinnen führt seine Gründung auf die hl. Elisabeth von Thüringen zurück und gehört zu den Gemeinschaften des III. Ordens vom hl. Franziskus. Für die männliche Krankenpflege wurde der Orden des hl. Johannes von Gott, kurz die Barmherzigen Brüder genannt, nach Bayern geholt. Mit Unterstützung des Kurfürsten und seiner Mutter entstanden so um 1750 zwei neue Spitäler unter Ordensführung in München: das Maxspital der Barmherzigen Brüder für männliche Kranke vor dem Sendlinger Tor und in seiner nächsten Umgebung, in der heutigen Mathildenstraße, das Elisabethspital der Elisabethinerinnen für weibliche Kranke. Diese beiden neu gegründeten Spitäler stellten eine wichtige Bereicherung der Krankenhauslandschaft Münchens dar. Den Münchnern stand damit nicht nur eine deutlich höhere Zahl an Betten zur Verfügung, sondern einige Bevölkerungsschichten erhielten erst jetzt Zugang zu einer Krankenversorgung. Denn die beiden Spitäler nahmen nun auch die nicht stiftungsberechtigten Armen auf. Zudem wurden im Spital der Barmherzigen Brüder auch Menschen mit jüdischem und protestantischem Glauben versorgt. Zweifellos war mit diesen beiden Anstalten auch eine deutliche qualitative Verbesserung der Krankenpflege in München verbunden. An das in den städtischen Spitälern beschäftigte Pflegepersonal wurden keine 18 Barmherzige Schwestern für Bayern – eine politische Entscheidung hohen Ansprüche in Bezug auf Charakter und Ausbildung gestellt. Man musste froh sein, für die geringe Entlohnung überhaupt jemanden für den schweren Dienst zu finden. Bei den Angehörigen der beiden Krankenpflegeorden dagegen konnte man davon ausgehen, dass der Orden schon bei der Aufnahme gewisse Mindestvoraussetzungen an die charakterliche Eignung stellte. Zudem hatte ein durch einen Orden geführtes Spital den großen Vorteil, dass es auf jahrhundertelange Erfahrungen in der Krankenpflege und Organisation einer Krankenanstalt aufbauen und dieses Wissen an seine neuen Mitglieder weitergeben konnte. In zeitgenössischen Berichten über die Münchner Spitäler wird das Elisabethspital stets wegen seiner Reinlichkeit und der liebevollen Pflege durch die Schwestern lobend erwähnt. Das Maxspital trug entscheidend zur Entwicklung der Ärzteausbildung bei. So wurde dort bereits Ende des 18. Jahrhunderts anatomischer und chirurgischer Unterricht erteilt und angehende Ärzte konnten dort ein für ihre Zulassung nötiges Zertifikat erwerben. Man kann somit zu Recht behaupten, dass die Einrichtung der beiden Klosterspitäler ein Meilenstein in der neuzeitlichen Entwicklung der Krankenpflege in München war. Trotz ihrer unbestreitbaren Verdienste fielen die beiden Krankenpflegeorden jedoch schon nach einem halben Jahrhundert ihres Bestehens der großen Umwälzung in Bayern Anfang des 19. Jahrhunderts, der Säkularisation, zum Opfer. Bis zu ihrer endgültigen Aufhebung am 16. März 1809 hatten sie noch vergeblich gehofft, von der Säkularisation verschont zu bleiben, was aber dem neuen Staatsverständnis des gerade entstandenen bayerischen Königreichs widersprochen hätte. Im neuen Bayern unter Max I. Joseph und seinem Minister Montgelas, in dem möglichst alle Bereiche der Gesellschaft staatlich kontrolliert werden sollten, konnte ein so wichtiger Teilbereich wie die Gesundheitsversorgung nicht außerstaatlichen, schon gar nicht kirchlichen Organisationen wie den Barmherzigen Brüdern und den Elisabethinerinnen überlassen werden: „Es kann ein so wichtiger Zweig der öffentlichen Polizeyverwaltung einem religiösen, nach ganz anderen Absichten handelnden Orden nicht willkührlich überlassen bleiben. Der Genius unseres Zeitalters scheint sich mit religiösen, aus der Vorwelt auf uns übergegangenen Instituten nicht zu vertragen.“ 1 Ein Mann in München, der schon lange die Verstaatlichung des Krankenhauswesens gefordert hatte, sah sich nun mit der Aufhebung der beiden Klosterspitäler der Erfüllung seiner Ziele ein großes Stück näher gekommen: Franz Xaver Häberl, der langjährige Oberarzt am Maxspital. Häberl hatte sich, inspiriert durch seine positiven Erfahrungen am Allgemeinen Krankenhaus in Wien, schon lange mit Plänen für ein neues, in seinen Augen ideales Krankenhaus für München befasst. Er war davon überzeugt, 19 Festschrift der Barmherzigen Schwestern dass München ein großes neues Krankenhaus brauchte, das nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen geplant und ausgeführt, für die allgemeine Bevölkerung zugänglich und unter der Aufsicht und Leitung des Staates stehen sollte. Häberl stieß bei der neuen Regierung auf offene Ohren. So erließ König Max I. Joseph bereits am 7. März 1808, also noch ein Jahr vor Aufhebung des Ordens der Barmherzigen Brüder, die Anordnung, an der Stelle des alten Maxspitals vor dem Sendlinger Tor ein neues, für alle Kranken unabhängig von Geschlecht und sozialem Status offenes, also allgemeines Krankenhaus zu errichten. Unmittelbar nach der Aufhebung des Maxspitals im Frühjahr 1809 wurde mit dem Bau des neuen Krankenhauses begonnen. Es handelte sich dabei nicht um einen völligen Neubau, wohl aber um einen sehr großzügigen Um- und Erweiterungsbau des alten Maxspitals. Der zweistöckige monumentale Bau im klassizistischen Stil erregte allgemeines Aufsehen in ganz Europa. Noch mehr als die Monumentalität des Baus sorgte die für die damalige Zeit sehr fortschrittliche Infrastruktur für allgemeine Bewunderung. Das vom kgl. Ingenieur von Reichenbach geschaffene Wasserleitungssystem und die von Franz Xaver Häberl kon struierte neue Belüftungs- und Heizungsvorrichtung galten als sensationell und zukunftsweisend. Das Allgemeine Krankenhaus in München, das nach 4 Jahren Bauzeit 1813 eröffnet werden konnte, wurde lange Zeit als das ideale Krankenhaus betrachtet und diente beim Bau anderer Krankenhäuser in Deutschland als Vorbild. Durch ein königliches Reskript vom August 1813 wurden alle alten Spitäler Münchens mit Ausnahme des Gasteigspitals geschlossen und anderen Zwecken, in erster Linie der reinen Pfründnerversorgung, zugeführt. Das Das Allgemeine Krankenhaus in München um 1830 (Lithographie von Carl August Lebschée) 20 Barmherzige Schwestern für Bayern – eine politische Entscheidung Stiftungsvermögen der alten Spitäler ging auf die neu geschaffene Krankenhausstiftung über, die die Grundlage für die Finanzierung des neuen Krankenhauses bilden sollte. Diese Finanzierungsgrundlage erwies sich jedoch schnell als unzureichend, woran die Entwicklung des Krankenhauses über Jahrzehnte litt. Als im Jahr 1818, aufgrund der Wiederbelebung der Gemeindeverfassung, der bayerische Staat das Krankenhaus der Stadt München übergab, war deshalb schon längst die Euphorie über das neue Krankenhaus einer starken Ernüchterung gewichen. Der Münchner Magistrat war alles andere als begeistert, die Zuständigkeit für diese Einrichtung zu übernehmen, von der die dafür eigens eingerichtete Krankenhauskommission nach der Inspektion nur Verheerendes zu berichten wusste. Bald schon erkannte man, dass das neue Krankenhaus nicht nur an Geldmangel litt, sondern noch weit mehr am Mangel an geeignetem Pflegepersonal. So konstatierte Simon von Häberl, immerhin neben seinem nicht verwandten Namensvetter F.X. Häberl einer der Hauptverantwortlichen für die Verstaatlichung des Krankenwesens: „Offenbar die meisten Schwierigkeiten in der öffentlichen Krankenpflege ergaben sich bisher allenthalben mit dem Wärterpersonale: Man war in die traurige Notwendigkeit versetzt, … Subjekte zum Krankendienste zu suchen und anzunehmen, wie sie der Zufall darbot und wie sich Individuen dazu, gewöhnlich nur aus Mangel anderer Erwerbsquellen, geneigt finden ließen.“ 2 Im königlichen Reskript vom 27.08.1813 war die Einrichtung eines staatlichen Instituts für Krankenpflege in Aussicht gestellt, jedoch nie verwirklicht worden. Der neue Krankenhausdirektor Koch, der von der Stadt als magistratischer Direktor neben dem offiziell noch bis 1828 amtierenden königlichen Direktor F.X. Häberl am Krankenhaus installiert worden war, plante deshalb eine grundlegende Neuorganisation der Pflege. Er dachte daran, eine Art weltlichen Orden für die Krankenwärterinnen einzuführen. Diese Pläne wurden in der Krankenhauskommission einige Jahre lang diskutiert, um dann doch wieder ad acta gelegt zu werden. 1.2. Wende der bayerischen Kirchenpolitik unter König Ludwig I. Ihre Unzufriedenheit mit dem weltlichen Pflegepersonal führte bei nicht wenigen Ärzten und Verantwortlichen im Gesundheitsbereich zu der Erkenntnis, dass die Abschaffung der Krankenpflegeorden ein Fehler gewesen war. Der Nährboden für eine Wiedereinführung war somit vorhanden. Allerdings war unter der Regierung Max I. Joseph und seines Ministers Montgelas die Wiederherstellung von geistlichen Orden zunächst noch undenkbar. 21 Festschrift der Barmherzigen Schwestern König Ludwig I. von Bayern, 1786 – 1868 (Gemälde von Joseph Stieler) 22 Bewegung in die bayerische Kirchenpolitik kam erst wieder nach Ausschaltung des Einflusses von Montgelas. Max I. Joseph schlug weniger aus Überzeugung denn aus staatspolitischen Erwägungen einen etwas kirchenfreundlicheren Kurs ein und schloss mit dem Heiligen Stuhl im Jahr 1817 ein Konkordat, in dem die Wiedererrichtung von Klöstern in Bayern zugesichert wurde. Allerdings ließ der König von Anfang an keinen Zweifel daran, dass das Konkordat der im Jahr 1818 erlassenen Verfassung unterzuordnen sei. Diese widersprach aber in entscheidenden Passagen dem Konkordat. Zu einer wirklichen Wende in der Kirchenpolitik kam es erst, als nach dem überraschenden Tod des ersten bayerischen Königs am 25. Oktober 1825 dessen Sohn Ludwig I. die Macht übernahm. Die Berufung des eifrigen Konvertiten Eduard von Schenk, eines guten Freundes von Bischof Sailer, zum Leiter der Abteilung für kirchliche Angelegenheiten und des Unterrichtes im Innenministerium war ein deutliches Zeichen für diesen Kurswechsel. Konsequent nahm der neue König schon in seinem ersten Regierungsjahr die Wiedereinführung der aufgelösten Klöster in Angriff. Während sein Vater Max I. Joseph, geprägt von den antiklerikalen Ideen der Aufklärung, die Säkularisation in Bayern rücksichtslos durchgesetzt hatte, besaß Ludwig eine völlig andere Einstellung gegenüber Religion und Kirche. Er war stark beeinflusst durch seinen Erzieher, den katholischen Priester Joseph Anton Sambuga. Im Rahmen seines „studium generale“ bewegte sich Ludwig im Landshuter Kreis, der sich an der Landshuter Universität rund um den ehemaligen Jesuiten Sailer gebildet hatte. Sailer, von dessen religiös-romantischen Ideen er sich stark angezogen fühlte, wurde für ihn zu einem wichtigen Berater. Ludwig stand allen katholischen Orden, mit Ausnahme der Jesuiten, sehr positiv gegenüber und hatte die Zerstörung der bayerischen Klosterkultur durch die Säkularisation sehr bedauert. Nun selbst an der Macht, förderte er die Wiedererrichtung der Orden. Dabei bevorzugte er vor allem Barmherzige Schwestern für Bayern – eine politische Entscheidung solche Orden, die ihre Aufgaben in den gesellschaftlich wichtigen Bereichen der Erziehung, Seelsorge und der Krankenpflege sahen. So mag es Prof. Johann Nepomuk von Ringseis, Leibarzt und seit der gemeinsamen Italienreise guter Freund Ludwigs, nicht schwer gefallen sein, diesen von den Vorteilen der Wiedereinführung eines Krankenpflegeordens zu überzeugen. In der medizinischen Fachwelt der damaligen Zeit hatte sich inzwischen, geprägt von dem Frauenbild der Romantik, immer mehr die Auffassung durchgesetzt, dass Frauen für die Krankenpflege grundsätzlich besser geeignet seien als männliche Pfleger. So meinte Simon von Häberl, man sei „… darüber längst einig, dass die Besorgung der Kranken, also auch der männlichen Kranken, durch das weibliche Geschlecht einen bedeutenden Vorzug habe“.3 Kerschensteiner behauptet sogar, „dass die Krankenpflege eine ausschließliche Domäne der Frauen ist, darüber war man sich längst einig“.4 Deshalb wurde vom König auch nur die Einführung eines weiblichen Krankenpflegeordens, nicht auch eines männlichen Pendants in Erwägung gezogen. Die Frage war nun, für welchen Frauenorden man sich entscheiden sollte. Nahe liegend wäre die Wiederherstellung des Elisabethinerinnenordens gewesen, was auch nicht wenige Münchner gerne gesehen hätten. Dass die Entscheidung schließlich zugunsten der Barmherzigen Schwestern fiel, lag an einer Reihe von Faktoren. Eine wichtige Rolle spielte dabei Prof. von Ringseis, der im Frankreichfeldzug 1815 bei seinem Einsatz als Arzt in einem Feldlazarett die Arbeit der Barmherzigen Schwestern beobachten konnte. Stark beeindruckt vom Wirken dieser Schwestern kam er, seit 1817 als Leiter der II. Medizinischen Abteilung mit der miserablen Pflegesituation am Allgemeinen Krankenhaus konfrontiert, schon früh zu der Überzeugung, dass dieses Problem nur durch die Einführung des Ordens der Barmherzigen Schwestern adäquat zu lösen wäre. Doch bei der damaligen politischen Lage sah er keine Chance, dieses Ziel durchsetzen zu können. Jetzt, da sich die politischen Rahmenbedingungen grundlegend geändert hatten, hielt er die Stunde gekommen, diese Vision zu verwirklichen. Mit seiner ganzen Überzeugungskraft trat er nun bei Ludwig I. für die Einführung der Barmherzigen Schwestern ein. Ludwig selbst dürfte vinzentinisches Gedankengut geläufig gewesen sein, da sein Erzieher Sambuga ein Buch über Vinzenz von Paul veröffentlicht hatte, das Ludwig mit Sicherheit kannte. Zudem war gerade ein Buch von Clemens Brentano erschienen, das das Wirken der Barmherzigen Schwestern von Nancy und Koblenz anschaulich schilderte und das deutschlandweit eine große Werbewirksamkeit für die Barmherzigen Schwestern erzielte. Dieses Buch war dem König von Joseph Görres, einem damals sehr bekannten katholischen Publizisten, wärmstens empfohlen worden. Görres 23 Festschrift der Barmherzigen Schwestern selbst hatte während seines Exils in Frankreich die Barmherzigen Schwestern vom hl.Vinzenz von Paul in Straßburg und die Barmherzigen Schwestern vom hl. Karl Borromäus in Nancy kennen- und schätzen gelernt. Beide Kongregationen waren zwar keine vinzentinischen Gründungen im historischen Sinne, beriefen sich jedoch auf Vinzenz von Paul als ihren geistigen Gründer und folgten seinen Ideen und seiner Regel. Bei der Entscheidung für die Berufung des Ordens der Barmherzigen Schwestern nach Bayern dürfte eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben, dass dieser Orden als vinzentinische Kongregation kein Orden im herkömmlichen Sinne war. Ludwig hoffte damit, den Gegnern der Wiedererrichtung von Klöstern etwas Wind aus den Segeln nehmen zu können und die Einrichtung eines Ordens mit weniger strengen Regeln leichter gegen die zu erwartenden Widerstände durchsetzen zu können. Bereits im Jahr 1826 ließ der König über den bayerischen Gesandten in Paris Informationen über den Orden der Barmherzigen Schwestern, die Soeurs de Charité, einholen und beim Münchener Stadtmagistrat anfragen, ob die neuen Schwestern im ehemaligen Elisabethspital untergebracht werden könnten. Der Magistrat lehnte dies strikt ab, da dort seit 1823 das Heilig-Geist-Spital untergebracht war, nachdem dessen altes Gebäude der Umgestaltung des Viktualienmarktes zum Opfer gefallen war. Als Alternative brachte die Stadt zunächst das Gebäude der ehemaligen chirurgischen oder landärztlichen Schule ins Gespräch, das nach dem Umzug dieser Schule nach Landshut freigeworden war. Vorübergehend könnten die Schwestern Der hl. Vinzenz von Paul (1581 – 1660) Der am 24. April 1581 in Pouy, dem heutigen Saint-Vincent-de-Paul in Südwestfrankreich, geborene Vinzenz von Paul wuchs in einer armen und kinderreichen Familie auf. Die Eltern brachten erhebliche Opfer, um dem begabten Sohn ein Theologiestudium und den damit angestrebten sozialen und wirtschaftlichen Aufstieg zu ermöglichen. Auch Vinzenz hoffte, sich nach dem Studium eine reiche Pfarrpfründe sichern zu können, mit der er finanziell sorgenfrei hätte leben und seine Familie unterstützen können. Mit dieser Motivation für den Priesterberuf zeigte sich Vinzenz durchaus als Kind seiner Zeit. Das von politischen Unruhen stark erschütterte Frankreich hatte auch 24 moralisch einen Tiefpunkt erreicht. Viele Geistliche sahen eine Pfarrei nur noch als Mittel zur Finanzierung ihres Lebensstandards und kümmerten sich meist wenig um die Seelsorge. Nicht selten lebten sie in Paris und überließen die Sorge um ihre Pfarrkinder gegen eine geringe Entlohnung irgendwelchen theologisch und sittlich oft wenig qualifizierten Stellvertretern. Vinzenz von Paul blieb nach seiner Priesterweihe mit 19 Jahren zunächst die erhoffte reiche Pfarrpfründe versagt. Als er schließlich doch noch eine Pfarrei und die lukrative Stelle als Hauslehrer bei der einflussreichen adligen Familie de Gondi erhielt, stand für ihn bereits seine eigene materielle Sicherheit nicht mehr Barmherzige Schwestern für Bayern – eine politische Entscheidung dieses nutzen. Als Dauerlösung allerdings wurde vorgeschlagen, für den neuen Orden den schon lange geplanten Nordflügel am Elisabethspital anzubauen. Über diesen Vorverhandlungen verging noch ein weiteres Jahr. Erst bei seinem alljährlichen Kuraufenthalt in Bad Brückenau traf König Ludwig mit dem königlichen Reskript vom 29. Juli 1827 die endgültige Entscheidung für Hl. Vinzenz die Einführung der Barmherzigen von Paul Schwestern. (Gemälde im Mutterhaus) Nach dieser „allerhöchsten Entschließung“ sollte der Orden der Barmherzigen Schwestern in Bayern gegründet werden, um die Pflege am Allgemeinen Krankenhaus zu übernehmen: „Die wesentlichste Bestimmung der in dieses Kloster aufzunehmenden Nonnen soll in der Pflege der im Allgemeinen Krankenhaus zu München befindlichen männlichen und weiblichen Kranken bestehen.“ 5 Deshalb müsse das Allgemeine Krankenhaus die Unterhaltskosten für die Nonnen übernehmen, bis sie sich selbst versorgen könnten. Das Kranim Vordergrund. Es hatte sich ein grundlegender innerer Wandel in Vinzenz vollzogen. Nach einer Zeit der Gottessuche, die nicht frei war von Glaubenszweifeln, hatte er zu einem tiefen Glauben gefunden. Die starke Verbundenheit mit Christus ließ ihn den Auftrag Christi, in jedem seiner Mitmenschen Christus selbst zu sehen, ernst nehmen. Mit dieser gewandelten Einstellung konnte er die große Not der französischen Bevölkerung nicht länger ignorieren. Der Königliche Hof in Paris und der Adel lebten auf Kosten der bis aufs Blut ausgebeuteten unteren Bevölkerungsschichten. War die Landbevölkerung schon völlig verarmt, so war die Notlage vieler Menschen in Paris noch größer. Hier waren ganze Heere von Bett- lern, Kranken und Waisenkindern ohne jegliche Hilfe ihrem Schicksal überlassen. Vinzenz von Paul konnte sich nicht mehr an seinem persönlichen Glück und Wohlstand erfreuen, ja er wurde zunehmend unzufrieden mit sich selbst und dem von ihm eingeschlagenen Lebensweg. Da entschloss er sich, eine Kehrtwende vorzunehmen. Er wollte dem Leiden seiner Mitmenschen nicht länger tatenlos zusehen, sondern seine ganze Energie darauf verwenden, deren Not zu mildern. So gab er schließlich seine gute und lukrative Stelle als Hauslehrer auf, um sein Leben aus Liebe zu Christus ganz in den Dienst der Armen zu stellen. Um ihnen zu helfen, startete er in den folgenden Jahren eine Reihe von Initiativen. Zunächst organisierte er 1617 anläss- >>> 25 Festschrift der Barmherzigen Schwestern kenhaus könne ja dafür auf längere Sicht gesehen die weltlichen Wärterinnen einsparen. Untergebracht werden sollten die Schwestern bis zum geplanten Bau des Nordflügels des Elisabethspitals in der ehemaligen chi rurgischen Schule. Die Elisabethkirche sollte dem Orden zur Verfügung gestellt werden. Da sich die Ordensregeln von denen der Elisabethinerinnen unterschieden und keine Ordensangehörigen in München waren, die die Regeln kannten, müssten „zu diesem Behufe drei Schwestern des in Frankreich bestehenden Krankenordens aus dem ehemaligen Elsaß oder Deutsch-Lothringen nach München berufen werden“.6 Auf wenig Begeisterung stieß das königliche Reskript beim Magistrat der Stadt München. Einen Monat nach seinem Erlass, am 29. August 1827, trat die Krankenhauskommission zusammen, der u. a. auf Magistratsseite Bürgermeister Jakob Klar und Krankenhausreferent Josef Christlmüller sowie als Vertreter des Krankenhauses Prof. von Ringseis und Krankenhausinspektor Thorr angehörten, um über die Umsetzung des königlichen Beschlusses zu beraten. Bei dieser Beratung ging es vor allem um die Unterbringungsmöglichkeit und die Unterhaltssicherung der neuen Schwestern. Die Sorge des Magistrats war groß, der Stadt- bzw. Krankenhausetat könnte durch die Einführung des Ordens zu sehr belastet werden. Die Kommission pochte deshalb auf finanzielle Absicherung und Vorleistung durch den Staat. Eine Unterbringung in der ehemaligen landärztlichen Schule wurde inzwischen lich der offensichtlichen Not einer Familie in seiner kleinen Landpfarrei, die er vor kurzem übernommen hatte, spontan eine Gemeinschaft von Laienschwestern für die Armenfürsorge, die „Confrérie de la Charité“. 1620 folgte eine entsprechende Organisation für männliche Helfer, die „Serviteurs des pauvers“. Doch nicht nur die Armenfürsorge war ihm ein Anliegen, sondern auch die Verbesserung der Seelsorge, wozu er 1625 die „Congregatio missionis“, einen Zusammenschluss von Weltpriestern, gründete. Deren Mitglieder, die auch als Lazaristen bezeichnet werden und sich selbst Vinzentiner nennen, sollten sich vor allem der Volksmission und der Fortbildung der Geistlichen annehmen. Als französischer Generalalmosenpfleger kümmerte sich 26 Vinzenz auch um Galeerensträflinge, versuchte ihr Schicksal zu mildern und half ihnen bei der Resozialisierung. Als besonders fruchtbar erwies sich seine Zusammenarbeit mit der Witwe Louise de Gras, geborene Marillac, mit der er im Jahr 1633 die „Filles de la Charité“ gründete. (Zu Luise von Marillac siehe auch Kap. 10) Diese Gemeinschaft von jungen Frauen sollte in allen Bereichen tätig werden, in denen Hilfe benötigt wurde. So betreuten sie Arme, Alte, Waisenkinder, Gefangene und Kranke, sowohl in deren Zuhause, als auch in den Spitälern. Vinzenz legte viel Wert darauf, dass sich die von ihm gegründete religiöse Frauengemeinschaft deutlich von den herkömmlichen Orden unterscheiden sollte. Besonders für die Frauenorden sah das Kirchenrecht traditi- Barmherzige Schwestern für Bayern – eine politische Entscheidung nach erfolgter Ortsbesichtigung ausgeschlossen. Die Renovierungskosten wären zu hoch gewesen. Die Kommission schlug ein Tauschgeschäft vor: der Staat sollte den Nordflügel bauen und der Stadt, als neuem Bestandteil des alten städtischen Elisabethspitals, unentgeltlich überlassen. Dafür würde die Stadt die landärztliche Schule samt Garten dem Staat übereignen. Das neue Kloster wäre somit weiterhin Eigentum der Stadt, würde den Schwestern aber unter der Auflage der Pflege im Allgemeinen Krankenhaus mietfrei zur Benutzung zur Verfügung gestellt. Die königliche Regierung hatte inzwischen wegen der geplanten Berufung von drei Barmherzigen Schwestern aus Frankreich diplomatische Verhandlungen mit den zuständigen französischen Stellen aufgenommen, die sich sehr entgegenkommend zeigten. Auch die Ordinariate in München und Straßburg waren von Anfang an mit in die Verhandlungen eingebunden und sehr an dem Gelingen des Vorhabens interessiert. Das Mutterhaus in Straßburg sah sich jedoch zum Zeitpunkt der Anfrage außerstande, Schwestern für Bayern freizustellen. Es bot allerdings alternativ an, bayerische Kandidatinnen in Straßburg auszubilden. Nach zwei Jahren könnten diese zusammen mit einer erfahrenen französischen Schwester nach München zurückkehren, um dort den Orden zu gründen. * onell sehr strenge Klausurvorschriften vor. So waren die Forderungen Vinzenz’, seine neuen Frauengemeinschaften sollten sich nicht hinter die Klostermauern zurückziehen, sondern mitten im Leben wirken, für die damalige Zeit geradezu revolutionär. Er wurde nicht müde zu betonen: „Euer Kloster sind die Häuser der Kranken, euer Kreuzgang die Straßen der Stadt, eure Zellen die Mietwohnung…“. Statt einer Ordenstracht sollten die neuen Schwestern die schlichte Alltagskleidung der einfachen Bevölkerung tragen. Vinzenz wollte ursprünglich ganz auf Gelübde verzichten. Ab 1640 begannen die „Töchter der christlichen Liebe“ jedoch, Gelübde abzulegen, allerdings nicht lebenslang bindende, sondern zeitlich begrenzte, die jährlich erneuert werden konnten. Obwohl die Statuten für die vinzentinische Gründung ganz anders waren als die der herkömmlichen Frauenorden, erreichte Vinzenz von Paul ihre Anerkennung durch den Pariser Erzbischof im Jahr 1646. Die Bestätigung durch Rom, die päpstliche Approbation dieser neuen Art von Orden, korrekterweise nach Kirchenrecht Kongregation genannt, erfolgte 1668, acht Jahre nach dem Tod des Gründers (27. September 1660). Aus der Keimzelle der „Filles de la Charite“ bzw. nach dem Vorbild dieser Vereinigung entwickelten sich im folgenden Jahrhundert verschiedene vinzentinische Frauengemeinschaften, die heute als „Barmherzige Schwestern“ bzw. als „Vinzentinerinnen“ in vielen europäischen und außereuropäischen Ländern wirken. 27 Kapitel 2 Einführung der Barmherzigen Schwestern am Allgemeinen Krankenhaus in München 2.1. Ausbildung bayerischer Kandidatinnen in Straßburg Im November 1827 erklärte sich der Münchner Magistrat mit dem Straßburger Vorschlag einverstanden und signalisierte seine Bereitschaft, die Kosten für Reise und Unterhalt der Kandidatinnen zu übernehmen. Das Münchner Ordinariat sollte für die Kandidatinnenauswahl zuständig sein. Es entschied sich auf Empfehlung des Spitalkaplans von Landshut für die Die Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul vom Mutterhaus Strassburg Die Straßburger Barmherzigen Schwestern gehen nicht auf eine direkte Gründung des hl. Vinzenz zurück. Sie verdanken die Entstehung ihrer Kongregation einer Initiative des damaligen Bischofs von Straßburg, Armand Gaston von Rohan. Dieser hatte in seiner zusätzlichen Funktion als königlicher Generalalmosenpfleger einen guten Einblick in die Zustände an den französischen Krankenhäusern. Angetan vom Wirken der Barmherzigen Schwestern in vielen der Häuser, wünschte er sie auch für die Spitäler seines Bistums. Da er deutschsprachige Schwestern für das Elsass brauchte, konnte er nicht einfach französische Schwestern aus den 28 bestehenden Kongregationen in sein Bistum holen. So schickte Bischof von Rohan 1732 fünf Elsässerinnen zur Ausbildung zu den „Töchtern des hl. Paulus“ nach Chartres. Nach zwei Jahren kehrten vier von ihnen zurück und übernahmen die Pflege im Spital in Zabern, der Residenzstadt des Straßburger Bischofs. Zunächst lebten sie nach der von Chartres übernommenen Regel. Durch ihren Superior Jean-Jean beeinflusst, begeisterten sich die Schwestern so für Werk und Idee des 1737 heilig gesprochenen Vinzenz von Paul, dass sie beschlossen, ihn als eigentlichen Gründer ihrer Kongregation zu betrachten. Die vom Superior ausgearbeitete neue vin- Einführung der Barmherzigen Schwestern am Krankenhaus in München 32-jährige Anna Sager und die 29-jährige Therese Frisch, die beide schon etwas Erfahrung als Krankenhausmägde vorweisen konnten. Nachdem sich auch Prof. von Ringseis als Vertreter des Krankenhauses mit dieser Wahl einverstanden erklärt und die Königliche Regierung Anfang März 1828 die Reisegenehmigung ausgestellt hatte, vereinbarte der Münchner Weihbischof Ignaz von Streber mit Generalvikar Bruno Liebermann, seinem Ansprechpartner im Straßburger Ordinariat, die genauen Reisemodalitäten. Ende März 1828 war es endlich soweit. Die beiden Kandidatinnen machten sich auf den im damaligen Postkutschenzeitalter sehr langen und beschwerlichen Weg von München nach Straßburg. Für die beiden jungen Frauen vom Land war diese Reise ins Ausland ein großes Wagnis, das viel Mut erforderte. Sie wussten nicht, was sie in dem fremden Land, dessen Sprache sie nicht einmal beherrschten, erwarten würde. Niemand konnte ihnen garantieren, ob sie im Orden Aufnahme finden würden und die Gründung des Ordens in ihrem Heimatland gelingen würde. Dennoch wagten sie diesen Schritt und fuhren am Sonntag, 30. März 1828, um 6.00 Uhr in der Früh von München ab. Da sie mit einem Eilwagen unterwegs waren, einer Postkutsche, die auch die Nächte durchfuhr, gelangten sie schon am Dienstag, 1. April, an ihr Ziel. Der Straßburger Generalvikar Liebermann bestätigte in einem Schreiben an Dompropst von Streber vom 5. April die Ankunft der bayerischen Kandidatinnen und brachte seine Zuversicht zum Ausdruck, dass das Projekt gelingen würde: „Ich zweifle nicht, die frommen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paulo werden zentinische Regel erhielt 1760 die bischöfliche Approbation. Die Schwestern nannten sich fortan nach ihrem spirituellen Vater „Barmherzige Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul“. Von Zabern breitete sich die Kongregation zunächst nur langsam im Elsass aus. So übernahm sie die Pflege in den Spitälern in Hagenau und Schlettstadt. Die französische Revolution brachte eine sehr schwere Zeit für sie. Einige Schwestern kamen ums Leben oder wurden deportiert. Andere gingen wieder nach Hause und warteten ab. Ein Teil aber entschloss sich, mit dem Straßburger Bischof in seine rechtsrheinischen Besitzungen ins Exil zu gehen. Dort wurden sie in den Spitälern von Mannheim, Ettenheim und Freiburg tätig. Nachdem Napoleon 1801 ein Konkordat mit der katholischen Kirche geschlossen hatte, wendete sich das Blatt. Napoleon hatte erkannt, dass er die Barmherzigen Schwestern für die Pflege in den französischen Spitälern brauchte, da er keinen gleichwertigen Ersatz zur Verfügung hatte. 1808 erließ der französische Kaiser ein Statut, mit dem er den Schwestern in den Spitälern die staatliche Genehmigung erteilte. Schon 1804 hatten die Straßburger Schwestern den Neuanfang in Zabern gewagt, wobei sie sich über einen großen Andrang an Kandidatinnen freuen konnten. Als nun mit der staatlichen Genehmigung Rechtssicherheit gegeben war, übernahm die Kongregation auch die Spitäler in Hagenau und Straßburg. Die Wahl der jungen Schwester Vinzenz Sultzer im Jahr 1813 zur Generaloberin erwies sich >>> 29 Festschrift der Barmherzigen Schwestern sich alle Mühe geben, die beyden Zöglinge zu bilden, und sie mit dem Wesen dieses vortrefflichen Institutes bekannt zu machen und dadurch den frommen Absichten Ihrer Majestät ihres liebenswürdigen Königs zu entsprechen.“ 7 Auch die Generaloberin der Barmherzigen Schwestern von Straßburg, Schwester Vinzenz Sultzer, schrieb am 18. April 1828 an den städtischen Magistrat, die beiden seien wohlbehalten angekommen und seien guter Dinge, allerdings auch etwas ängstlich im Hinblick auf die große Aufgabe, die sie erfüllen sollten. Schwester Vinzenz stellte in diesem Brief richtig, dass die Straßburger Schwestern nicht Schwestern vom hl. Karl Borromäus seien, sondern Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul. Der Magistrat und die Regierung hatten die Straßburger Schwestern mit den Schwestern in Nancy verwechselt und mehrfach falsch tituliert. Eine Kostenaufstellung für die beiden Kandidatinnen legte sie bei. Auf dieses Schreiben antwortete der Magistrat monatelang nicht. Dabei hatte die Generaloberin ursprünglich gehofft, dass ein Vertreter des Magistrats nach Straßburg kommen würde, um vor Ort das weitere Vorgehen zur Einführung der Barmherzigen Schwestern mündlich zu besprechen. Erst im August kam eine kurze Bestätigung des Magistrats, dass er die Kosten übernehmen werde. Die Zahlung selbst ließ allerdings weiter auf sich warten. Trotz dieser Ignoranz vonseiten des Münchner Magistrats erfüllten die Straßburger Barmherzigen Schwestern ihren Teil der Vereinbarung. Sie nahmen die beiden Kandidatinnen zunächst in ihrem neuen Mutterhaus St. Barbara auf, um sie in das geistliche Ordensleben einzuführen. Nach einials großer Glücksfall für die weitere Entwicklung der Ordensgemeinschaft. Schon in ihrem ersten Amtsjahr verlegte sie die Zentrale nach Straßburg, vorübergehend in das dortige Bürgerspital. Nur die Postulantinnen blieben zunächst noch im Spital in Hagenau, unter der Aufsicht der neuen Oberin, Schwester Ignatia Jorth. In den kommenden Jahrzehnten wechselten die Straßburger Schwestern dreimal das Mutterhaus. Als sie ihr erstes Straßburger Mutterhaus St. Johann verlassen mussten, zogen sie in das alte Kloster St. Barbara um, wo sie 1838 ein neues Haus bauten. Ab 1854 nutzten sie dieses Haus als Waisenhaus und bezogen ihre neue Zentrale „Allerheiligen“. Unter der Generaloberin Schwester Vinzenz Sultzer (1813 – 1868) gründete die 30 Kongregation zahlreiche ausländische Niederlassungen. Die Straßburger Ordens oberen – die Generaloberin wurde während ihrer langen Amtszeit von den Superioren Thomas (1825 – 1844) und Spitz (1844 – 1880) unterstützt – ließen den Neugründungen meist viel Unabhängigkeit. Zunächst fassten die Straßburger Schwestern in Österreich mit der Gründung von Zams Fuß, der 1832 eine Niederlassung in Wien folgte. Ebenfalls im Jahr 1832 wurde mit der Gründung des Mutterhauses in München der Anfang der Ausbreitung im Nachbarland Deutschland gemacht. Es folgten 1834 Fulda, 1841 Paderborn (von dort aus 1857 Hildesheim), 1846 Freiburg und 1858 Schwäbisch Gmünd (seit 1891 Sitz in Untermarchtal). Einführung der Barmherzigen Schwestern am Krankenhaus in München gen Wochen wurden sie in das Straßburger Bürgerspital gegeben, das Schwester Ignatia Jorth leitete. Unter Die Straßihrer Obhut sollten sie in burger der praktischen KrankenGeneralobepflege ausgebildet werden. rin SchwesSchwester Ignatia, die gleichter Vinzenz Sultzer, zeitig die Novizenmeisterin in deren des Ordens war, wird sicher Amtszeit auch die Fortführung der (1813 – 1868) geistlichen Bildung nicht die meisten außer Acht gelassen haben. der von Straßburg In diesen Probemonaten ausgeversuchten die Ordensobehenden ren in Straßburg, GeneralMutterhäuoberin Schwester Vinzenz ser gegrünSultzer und Ordenssuperior det wurden Thomas, sich ein Bild von der Eignung und den Fähigkeiten der beiden Kandidatinnen aus Bayern zu machen. Das sehr ernüchternde Ergebnis fasste die Ordensleitung in einem ausführlichen Bericht an den Magistrat am 12. September 1828 zusammen. Zunächst bestärkten die Straßburger Oberen den Magistrat in seiner Absicht, den Orden der Barmherzigen Schwestern zur Pflege am Allgemeinen Krankenhaus einzuführen, indem sie die Effizienz einer solchen Einrichtung betonten: „Das Institut ist ganz genügend, um alles zu leisten, was die Pflege der Kranken, der Armen, oder was sie Ihnen an der leidenden Menschheit anvertrauen wollten und fordern könnten, wie auch was zu einer guten Hauswirtschaft gehört.“ Allerdings zogen sie dann bedauernd folgendes Fazit: „Dass aber dieses große Werk durch die zwei Jungfrauen, die Sie uns geschickt haben, auch nach ihrer Bildung könne ausgeführt werden, müssen wir sagen, dass es ohnmöglich ist.“ Die ältere Kandidatin Anna Sager sei nicht gesund und talentiert genug, um Barmherzige Schwester zu werden. Die jüngere Therese Frisch habe zwar die nötigen Voraussetzungen, um eine gute Schwester zu werden, sei aber für Leitungsaufgaben nicht geeignet. Sie „könnte unter der Leitung einer Anderen gute Dienste leisten. Aber ein Haus einzurichten, jeden Theil, … die Haushaltung, Krankenpflege … für dies ist sie zu schwach. Für dies braucht es Personen von längerer Übung, Erfahrenheit und reicheren Talenten.“ 8 Die Ordensoberen rieten dem Magistrat deshalb, Anna Sager zurückzuholen und drei bis vier neue Kandidatinnen mit mehr Bildung und Eignung zu suchen und zur Ausbildung nach Straßburg zu schicken. Sie schlugen vor, 31 Festschrift der Barmherzigen Schwestern diese gezielt für spezielle Funktionen auszubilden, z. B. für die Versorgung der Krankensäle, die Wäsche oder für das Verbinden. Man sollte nun annehmen, der Magistrat hätte, um das Projekt nicht zu gefährden, das Angebot des Mutterhauses sofort dankend angenommen. Zwar leitete er den Brief an die königliche Regierung weiter und veranlasste endlich die Zahlung des Unterhalts der beiden Kandidatinnen, hielt es aber nicht für nötig, auf den Brief des Superiors zu antworten und zu dem Straßburger Angebot Stellung zu nehmen. Was steckte dahinter? Auch wenn das weitere Vorgehen sicher von oben, das heißt, der Regierung, ja dem König selbst entschieden werden musste und der Magistrat von sich aus nicht tätig werden konnte, so hätte er doch grundsätzliches Interesse nach Straßburg signalisieren müssen. Hatten die Magistratsmitglieder so wenig Gespür dafür, dass sie mit ihrem Schweigen die Straßburger brüskieren würden, ja das ganze Unternehmen damit gefährdeten? Oder ist doch eher anzunehmen, dass dieses Vorgehen Absicht war? Gab es im Magistrat und am Krankenhaus doch noch zu viele Gegner der Ordenseinführung, die bewusst die Sache verzögerten? Wie auch immer, Tatsache war, dass die Straßburger Schwestern und die zwei Kandidatinnen aus Bayern nicht wussten, wie es weitergehen sollte. Die einzige für sie sichtbare Reaktion aus München auf ihr Schreiben vom September war die Zahlungsanweisung. Die Kongregation in Straßburg war verunsichert. War in Bayern überhaupt noch jemand ernsthaft daran interessiert, ihren Orden einzuführen? In besonderem Maße litten die beiden Kandidatinnen selbst unter der Unsicherheit, wie es weitergehen sollte. Therese Frisch bat deshalb ihre Vorgesetzten um die Erlaubnis, persönlich nach München reisen zu dürfen, um dort vor Ort die Lage zu klären. Nichts ahnend von dieser Situation, erkundigte sich Mitte November das Münchner Ordinariat beim Ordinariat in Straßburg nach den Fortschritten der Kandidatinnen. Jetzt wurde in Straßburg offensichtlich, dass die bayerischen Behörden es unterlassen hatten, das Ordinariat über den Vorschlag von Generaloberin und Superior zu unterrichten. Den Verantwortlichen in Straßburg wurde klar, dass sie die Initiative ergreifen mussten, sollte nicht das ganze Unternehmen scheitern. So gaben sie schließlich dem Drängen Thereses nach und erteilten ihr die Erlaubnis, nach München zu reisen. Therese kehrte zwischen dem 12. und 16. Dezember 1828 nach München zurück. Dort angekommen, sprach sie sofort beim Ordinariat vor und überbrachte dem Weihbischof von Streber einen Brief des Generalvikars Liebermann. In diesem setzte er von Streber in Kenntnis von dem Brief des Mutterhauses an den Magistrat im September und verwies auf die Bedeutung des Projekts, das nun durch die Verzögerungstaktik des Magistrats ernsthaft gefährdet wäre: „Es ist außer Zweifel, dass die Einführung eines für die 32 Einführung der Barmherzigen Schwestern am Krankenhaus in München Menschheit so wohltätigen Instituts einen reichen Segen über das Königreich Bayern verbreiten würde, sowohl in religiöser als auch in ökonomischer Hinsicht, wenn nur die Sache nicht nur die Hälfte geschieht, und den edeln Absichten von Ihro Majestät … durch eigennützigen Plan … entgegen gearbeitet wird.“ 9 Über dieVorgehensweise des Magistrats äußerst empört, schickte das Ordinariat diesem am 16. Dezember einen geharnischten Brief. Darin drückte es sein Unverständnis darüber aus, dass man die beiden Kandidatinnen so lange in einem fremden Land in Unklarheit über ihr weiteres Schicksal gelassen habe. Der Magistrat habe die Durchführung der königlichen Beschlüsse verzögert und die Ehre Bayerns auf das Spiel gesetzt. Das Ordinariat machte deutlich, dass man das Angebot des Mutterhauses unbedingt annehmen und neue Kandidatinnen nach Straßburg schicken sollte. Da aber eine einjährige Ausbildung nicht ausreiche, aus den Kandidatinnen Barmherzige Schwestern zu machen, denn die richtige geistliche Haltung müsse im Noviziat eingeübt werden, sei es wichtig, dass bei Rückkehr der Kandidatinnen auch erfahrene Schwestern aus Frankreich mitkommen würden. Der Magistrat hatte inzwischen den Beschluss der Königlichen Regierung, Anna Sager aus Straßburg zurückzurufen, mit über einmonatiger Verspätung an die Generaloberin weitergeleitet, aber zu dem im September gemachten Vorschlag, neue Kandidatinnen auszubilden, immer noch keinerlei Stellung genommen. Obwohl Prof. von Ringseis Therese geraten hatte, gleich direkt beim König vorzusprechen, entschied sie sich, mit den unteren Behörden zu verhandeln. Im Nachhinein erwies sich diese Vorgehensweise als durchaus klug. Hätte sich der Magistrat übergangen gefühlt, hätte er eventuell die Sache weiter verschleppt.Thereses Offenheit und Engagement beeindruckten den Bürgermeister und die Magistratsherren offensichtlich so sehr, dass es ihr gelang, die Verhandlungen in ihrem Sinne abzuschließen: Der Magistrat erklärte sich bereit, weitere Kandidatinnen nach Straßburg zu entsenden. Laut Mutterhauschronik wählten der Bürgermeister und der Magistrats rat Radlkofer aus einer Reihe von Interessentinnen sechs Kandidatinnen aus. Allerdings seien, als die Abreise näher gerückt sei, nur noch zwei von ihnen bereit gewesen, sich auf dieses Wagnis einzulassen. So fuhr Therese Frisch nach dem erfolgreichen Abschluss ihrer Mission am Morgen des 9. Januar 1829 wieder Richtung Straßburg. Begleitet wurde sie von den beiden neuen Kandidatinnen, der 20-jährigen Marianna Messerschmitt, einer Wirtstochter aus Metten im Landkreis Deggendorf, und der 24-jährigen Susanna Balghuber aus Endorf im Landkreis Mühldorf. Der Magistrat gab Therese neben Geld für Reise und Unterhalt auch einen Brief an ihre Generaloberin Vinzenz Sultzer mit. Darin lobte er das Engagement Thereses, bat um gute Ausbildung der neuen Kandidatinnen, speziell 33 Festschrift der Barmherzigen Schwestern im Bereich der Erhaltung der Wäsche, und bekräftigte noch einmal, dass es der ausdrückliche Wunsch des bayerischen Königs sei, den Orden der Barmherzigen Schwestern in Bayern einzuführen. In ihrem Antwortschreiben erläuterte die Generaloberin dem Magistrat, welche Bedingungen an eine Kandidatin für eine Aufnahme in ihrem Orden gestellt werden. Der Magistrat solle sich nach weiteren entsprechenden Kandidatinnen in München umsehen. So schien ein sehr Erfolg versprechender Neuanfang in den Beziehungen zwischen Magistrat und Mutterhaus in Straßburg gemacht worden zu sein. Die Sache schien endlich voranzugehen. Dies galt umso mehr, als Therese Frisch, nicht zuletzt wegen ihrer Bewährung bei der München-Reise, am 29. April 1829 das Ordenskleid erhielt. Die überglückliche Therese wurde als Schwester Mechtildis ins Noviziat aufgenommen. Mit den neuen Kandidatinnen schien man in Straßburg grundsätzlich zufrieden zu sein. Allerdings machte sich die Generaloberin Sorgen um ihre Gesundheit. Marianna Messerschmitt war seit ihrer Ankunft in Straßburg ständig kränkelnd, Susanna Balghuber hatte Augenprobleme. Die Generaloberin befürchtete, die beiden Kandidatinnen würden das Straßburger Klima nicht vertragen. Deshalb entschloss sie sich, dem Magistrat in einem Brief vom 10. Mai 1829 einen neuen Vorschlag zu machen. Die Novizin Mechtildis sollte zusammen mit den beiden Kandidatinnen und in Begleitung zweier erfahrener Schwestern aus Straßburg nach München zurückkehren. Sie sollten am Allgemeinen Krankenhaus einen Anfang machen. Sicher würden sich dann bald weitere Kandidatinnen finden, die man direkt am Münchner Krankenhaus ausbilden könnte. In ihrem Schreiben baten sowohl die Generaloberin als auch die Novizin Mechtildis den Magistrat um einen möglichst schnellen Entschluss. Doch der Magistrat antwortete nicht auf dieses großzügige Angebot der Generaloberin, zwei Schwestern aus Straßburg für München freizustellen. Wie schon im Vorjahr kam keinerlei Reaktion aus München. Was war der Grund? Aus der Korrespondenz wird ersichtlich, dass der Münchner Magist rat vor allem Bedenken hatte, dass über die Schwestern, die aus Straßburg mitgeschickt werden sollten, ein ausländisches Kloster Einfluss auf ihre Krankenhauspolitik nehmen könnte. Es war dem Magistrat und auch Teilen der Regierung suspekt, dass die Gründung der Barmherzigen Schwestern eine Filiale des Straßburger Mutterhauses werden sollte. Man wollte in Bayern lieber ein eigenes, unabhängiges Mutterhaus. Die Situation 1829 unterschied sich von der im Jahr davor jedoch in einem wichtigen Punkt. Die beiden Ordinariate hatten aus ihren Erfahrungen gelernt, wie wichtig es war, ständigen Kontakt zu halten, um die Ordensgründung trotz der 34 Einführung der Barmherzigen Schwestern am Krankenhaus in München ablehnenden Haltung des Magistrats voranzutreiben. Wohl wissend, wo „der Schuh drückte“, versuchte das Münchner Ordinariat die Bedenken bei Magistrat und Regierung zu zerstreuen. Eine Abhängigkeit von Straßburg würde sicher nur für die Anfangszeit gelten, dann wäre es schon wegen der weiten Entfernung sinnvoll, das neue Kloster unter die Oberaufsicht des Bischofs zu stellen. In der Korrespondenz mit dem Münchner Ordinariat wurde der Vorschlag der Generaloberin bereits so weit konkretisiert, dass die Schwestern im Frühjahr 1830 geschickt werden sollten. Die Kandidatinnen und die Novizin wären bis dahin schon besser ausgebildet und zudem wäre ein Neuanfang im Frühjahr leichter als zu einer kälteren Jahreszeit. Sowohl das Ordinariat als auch die Regierung forderten im Juni 1829 den Magistrat auf, sich um die Unterbringung der Schwestern zu kümmern. Gedacht wurde jetzt an eine Unterbringung im Krankenhaus selbst, da weder Staat noch Stadt etwas unternommen hatten, eine anderweitige Unterbringungsmöglichkeit zu schaffen. Aber der Magistrat reagierte nach wie vor nicht. Im September hatte die Generaloberin immer noch keine Stellungnahme des Magistrats zu ihrem Vorschlag vom Mai. Da entschloss sie sich, am 28. September die Novizin Mechtildis zum zweiten Mal nach München zu schicken. Wieder hatte Schwester Mechtildis, die darauf brannte, endlich in ihrer Heimatstadt als Barmherzige Schwester arbeiten zu dürfen, die Generaloberin dazu gedrängt. Sie wollte versuchen, wie schon im Jahr zuvor, die Sache durch persönliche Verhandlungen vor Ort voranzutreiben. Dafür nahm sie schweren Herzens auch in Kauf, ihr Noviziat unterbrechen zu müssen. 2.2. Umstrittener Anfang am Allgemeinen Krankenhaus durch Schwester Mechtildis Frisch Am 1. Oktober 1829 kam Schwester Mechtildis Frisch in München an, wo sie sofort beim Magistrat vorstellig wurde. Als die Magistratsherren die Novizin in ihrem Ordenskleid erblickten, sahen sie wohl ihre Chance gekommen, den Pflegeorden ohne Mitwirkung des Straßburger Mutterhauses zu gründen. Sie verboten Schwester Mechtildis die Rückkehr und wiesen ihr eine Wohnung in der Damenstiftgasse 12, früher auch Annagasse genannt, zu. Diese Wohnung in der Münchner Innenstadt, die dem jeweiligen Inhaber des Kraus’schen Benefiziats zustand, war zu dieser Zeit gerade frei, weil die Benefiziatenstelle vakant war. Hier sollte die Novizin die weiteren Entscheidungen des Magistrats abwarten. 35 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Schwester Mechtildis war nun völlig auf sich selbst gestellt. Als Novizin, die selbst noch am Anfang ihrer geistlichen Bildung zur Ordensfrau stand und mit der Ordensregel kaum vertraut war, fühlte sie sich zunächst völlig überfordert. Ihr wichtigstes Anliegen war, ihrer Berufung treu zu bleiben und eine dementsprechende Lebensführung einzuhalten. Deshalb erstellte sie sich selbst eine am Klosterleben orientierte feste Tagesordnung, die sie sich durch den Straßburger Superior Thomas genehmigen ließ. Der Briefwechsel mit ihren Straßburger Vorgesetzten, dem Superior, der Generaloberin und der Novizenmeisterin, gaben ihr in dieser schweren Zeit Halt und Trost. Wie dankbar war sie, als Schwester Ignatia ihr die vom Orden benutzten Andachts- und Betrachtungsbücher nach München schickte. Nach einigen Wochen wurden ihr vom Magistrat vier Kandidatinnen zugewiesen, die sie in der Krankenpflege unterrichten sollte. Für die Kandidatinnen bekam sie vom Magistrat Stoff zum Nähen von Kandidatinnenkleidern zugeteilt. Die Magistratsherren waren anscheinend der irrigen Auffassung, dass die Kleider allein schon Ordensfrauen aus ihnen machten. Schwester Mechtildis wusste, dass weit mehr dazu gehörte, und versuchte, die vier ersten Kandidatinnen und die weiteren, die sich nach und nach bei ihr einfanden, in die Grundzüge des Ordenslebens einzuführen. Materiell hatten sie vonseiten des Magistrats keinerlei Unterstützung. Sie mussten selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen. So lebten sie in unvorstellbarer Armut. Laufend berichtete Schwester Mechtildis an ihre Ordensleitung in Straßburg über den Stand der Verhandlungen mit dem Magistrat. Unablässig bat sie in diesen Briefen, die Ordensoberen möchten ihr möglichst bald Unterstützung aus Straßburg nach München schicken. Sie hatte sich die Zustände im Allgemeinen Krankenhaus angesehen und brannte darauf, die Not der dortigen Patienten durch qualifizierte Pflege, wie sie sie am Straßburger Bürgerspital kennen gelernt hatte, zu lindern. Die Generaloberin musste ihre Bitten immer wieder mit dem Hinweis ablehnen, dass sie ihre Schwestern nur nach München schicken könne, wenn der Magistrat sie in einem förmlichen Schreiben darum bitten würde. Doch Schwester Mechtildis Tagesablauf „Ich stehe täglich um 5 Uhr auf, verrichte mein Morgengebet und vereinige mich im Geiste mit Ihrem und aller Schwestern Beten und Arbeiten. Um 6 Uhr gehe ich in die Herzogspitalkirche und bleibe dort bis 7 oder V 8 Uhr. Dann frühstücke ich und nehme eine Handarbeit vor, deren ich genug habe. Um die Mittags- 36 zeit mache ich eine Lesung aus der Hl. Schrift, aus dem Leben der hl. Theresia oder aus den Betrachtungen von Sailer. Am Abend lese ich die Heiligenlegende von Buchfellner oder ein Kapitel der Nachfolge Christ. Um 9 oder 10 Uhr gehe ich zur Ruhe. Jeden Samstag beichte ich in der Herzogspitalkirche.“ 10 Einführung der Barmherzigen Schwestern am Krankenhaus in München der Magistrat dachte nicht daran. So entschloss sich die Generaloberin, den nächsten Schritt zu tun, um endlich eine Reaktion des Magistrats zu provozieren. In einem Brief an den Münchner Magistrat im Februar 1830 nahm die Straßburger Generaloberin ihr Angebot vom Mai des vergangenen Jahres wieder zurück. Da keine Reaktion auf ihre Offerte, zwei Schwestern nach München zu schicken, erfolgt sei, nehme sie an, der Magistrat bedürfe ihrer Hilfe nicht mehr. Sie bat nur noch um eine Nachricht, was mit den beiden Kandidatinnen, Susanna Balghuber und Marianna Messerschmitt, die ja noch immer in Straßburg eine Entscheidung des Magistrats abwarteten, geschehen sollte.11 Auch jetzt hielt der Magistrat der Stadt München es nicht für nötig zu antworten. Er ließ die beiden Kandidatinnen, die im fernen Straßburg auf ihre baldige Rückkehr nach München hofften, weiterhin im Ungewissen über ihre Zukunft. Dafür zeichnete sich langsam ab, welche Zukunftspläne der Magistrat für Schwester Mechtildis und ihre Kandidatinnen hatte. Am 18. März 1830 trat der Magistrat zu einer Sitzung zusammen, bei der auch Schwester Mechtildis und Krankenhausdirektor Loe angehört wurden. Beide sprachen von den Vorteilen, die eine Krankenpflege durch Ordensschwestern bieten würden. Voll Begeisterung berichtete Schwester Mechtildis von der vorzüglichen Organisation von Krankenpflege und Hauswirtschaft im Straßburger Bürgerspital durch die dortigen Barmherzigen Schwestern. Bei der nächsten Sitzung des Magistrats am 20. April erging der folgenschwere Beschluss, dass Schwester Mechtildis mit ihren Kandidatinnen im Allgemeinen Krankenhaus ein Saal als Wohnung zur Verfügung gestellt werden sollte. Dafür sollten sie dort die Versorgung einiger Krankensäle übernehmen. Schwester Mechtildis wurde zur Stellungnahme aufgefordert. Ihre Einwände wurden aber zurückgewiesen. Die Entscheidung brachte sie in große Gewissensnot. Die Bedenkzeit, die ihr zugestanden worden war, reichte nicht aus, um sich mit ihren Vorgesetzten in Straßburg in Verbindung zu setzen. Sollte sie diesen Schritt eigenmächtig unternehmen? Andererseits musste sie demnächst die Wohnung des Benfiziaten räumen und, was noch schwerer gewogen haben mag, sowohl Schwester Vinzenz als auch Schwester Ignatia hatten ihr in ihren Briefen mehrmals geraten, selbst die Pflege zu übernehmen, falls der Magistrat dies wünschen sollte. Schwester Mechtildis holte für ihre schwere Entscheidung den Rat beim Ordinariat ein. Dort riet ihr der Kanonikus Franz Xaver Schwäbl, der spätere Bischof von Regensburg und zeitlebens ein großer Freund der Barmherzigen Schwestern, von einem so eigenmächtigen Vorgehen ab. Weihbischof von Streber dagegen befürchtete bei Ablehnung des Wunsches des Magistrates ein endgültiges Scheitern der Einführung der Schwestern und 37 Festschrift der Barmherzigen Schwestern ermunterte die Novizin, diesen Schritt zu wagen. Wie schwer ihr diese Entscheidung ohne Genehmigung ihrer Vorgesetzten fiel, zeigt ein Brief, den sie an ihre Novizenmeisterin Schwester Ignatia nach Straßburg schrieb: „Ich kann Ihnen nicht Professor Johann beschreiben, wie schwer es mir Nepomuk ums Herz ist. Aber ist mein von Ringseis, Unternehmen zur Ehre Got1785 – 1880 tes, so wird es gelingen. Nur (Gemälde um eines bitte ich Sie, legen Sie von Joseph Stieler) beim hochwürdigen Herrn Superior wie auch bei unserer lieben ehrwürdigen Frau Mutter ein Wort für mich ein. Es tut mir in der Seele leid, diesen Schritt zu tun ohne ihre ausdrückliche Erlaubnis, aber es geschieht ohne meine Schuld. Ich bitte nur, daß sie mich nicht verstoßen.“ 12 Auf den Rat von Strebers hörend, erklärte sich Schwester Mechtildis bei der nächsten Magistratssitzung am 24. April bereit, mit ihren Kandidatinnen einen Teil der Pflege im Krankenhaus zu übernehmen. Allerdings unter dem Vorbehalt, dass sie ihre Vorgesetzten in Straßburg nicht hätte fragen können. Vor eventuellen Vorwürfen aus Straßburg sollte der Magistrat sie in Schutz nehmen. Keinesfalls wollte sie ihren Stand als Barmherzige Schwester aufgeben müssen. Beim Aushandeln der konkreten Bedingungen bewies sie wiederum ihr kluges Verhandlungsgeschick. Sie ließ sich geistliche Unterweisung durch die beiden Krankenhausgeistlichen für ihre kleine Gemeinschaft garantieren. Die Kandidatinnen sollten nur in den ihnen zugewiesenen Sälen zum Einsatz kommen und der Direktion direkt unterstehen. Drei Tage später, am 27. April 1830, bezog Schwester Mechtildis mit ihren Kandidatinnen das Allgemeine Krankenhaus. In der Münchner Stadtchronik ist dazu vermerkt: „Dienstag, 27. April. Am heutigen Tage wurden die meisten Novizinnen des Ordens der barmherzigen Schwestern durch eine magistratische Commißion und durch den königl. Direktor des allgemeinen Krankenhauses Obermedizinalrath Dr. von Loe in das hiesige allgemeine Krankenhaus eingewiesen. Es wurden denselben infolge eines magistratischen Beschlußes ein eigener Saal mit 12 Betten vorläufig zur Wohnung eingeräumt und zwei weibliche Krankensäle zur Ausübung des Krankendienstes übergeben.“ Die Chronik betont die Bedeutung 38 Einführung der Barmherzigen Schwestern am Krankenhaus in München dieses Ereignisses für die Zukunft: „… diese sieben Jungfrauen wurden nun heute in das Krankenhaus eingewiesen und bildeten den Grund des sich in kurzer Zeit so ausgebreiteten Ordens der barmherzigen Schwestern in Bayern“. 13 Schwester Mechtildis und ihre Gefährtinnen wohnten in einem für sie als Wohnung hergerichteten Krankensaal und betreuten zunächst die Kranken der beiden anstoßenden Krankensäle. Nach der entbehrungsreichen, unsicheren Zeit in der Damenstiftgasse wurde es für Schwester Mechtildis und ihre Kandidatinnen nun keineswegs leichter. Mehr als der schwere Krankendienst belasteten sie die Anfeindungen vonseiten der Ärzte.Vor allem die jungen Assistenzärzte machten ihnen das Leben schwer. Aber auch Oberarzt Dr. Walther stand dem Einsatz von Ordensschwestern zunächst sehr reserviert gegenüber. Nur Direktor Loe und Oberarzt Prof. von Ringseis waren von Anfang an auf ihrer Seite. Sogar durchaus kirchenfreundliche Kreise beobachteten den Einsatz von Schwester Mechtildis und ihren Kandidatinnen zunächst mit Skepsis. Ging den Gegnern des Ordens der Einsatz der Novizin und ihrer Kandidatinnen schon zu weit, so bedauerten Befürworter der Einführung eines Krankenpflegeordens, dass es nur zu dieser Minimallösung gekommen war. Dies bringt ein Artikel in der Zeitung „Bayerischer Volksfreund“ vom 29. April 1830 deutlich zum Ausdruck: „Parturiunt montes, nascitur ridiculus mus! Die großen Bemühungen, die barmherzigen Schwestern in München wieder einzuführen, haben mit den Vorverfügungen allem Anschein nach auch schon ihr Ende erreicht, indem nur eine hier anwesende graue Schwester und einige Laiinnen von hier in dem Krankenhause unter der übrigen Menge schon vorhandener Weibsbilder als Krankenwärterinnen untergebracht wurden, wo der herrschende laue und zuchtlose weltliche Sinn jede geistliche und fromme Gesinnung bald überwältigen wird. Es war nichts anderes zu erwarten, denn in unserem Zeitalter, welches so viele religiöse Institute mit wahrem Vergnügen zerstört hat, fehlt es den einen an ernster Kraft und den anderen an gutem Willen, um ein so großes Werk der Barmherzigkeit wieder ins Leben zu rufen… Ohne daß nicht die ganze Krankenhausanstalt dem Orden eingeräumt wird, bleibt das alte Uebel fest.“ 14 Trotz dieser Widerstände von allen Seiten bewährten sich Schwester Mechtildis und ihre Helferinnen derart, dass ihnen schon bald weitere Krankensäle anvertraut wurden. Auch wenn die Zahl der Kandidatinnen stetig anstieg, hätte man nun doch auch die Hilfe der beiden noch in Straßburg auf ihren Abruf wartenden Kandidatinnen gut brauchen können. Mehrfach, aber vergeblich bat Schwester Mechtildis den Magistrat, jene nach München zurückzuholen. Die Straßburger Generaloberin gab schließlich im Sommer 1830 dem Drängen der Kandidatin Marianna Messerschmitt nach und ließ sie auch ohne offiziellen Rückruf durch den Magistrat nach Bayern zurückreisen. Wenig später, im September 1830, kehrte auch Susanna Balghuber zurück. Nach der Julirevolution hatte auch sie um ihre Rückreise 39 Festschrift der Barmherzigen Schwestern gebeten, da sie sich als Ausländerin in Frankreich nicht mehr sicher fühlte. Beide traten den Dienst im Allgemeinen Krankenhaus an und unterstützten Schwester Mechtildis in der Küche bzw. bei der Versorgung der Wäsche. 2.3. Neue Verhandlungen nach dem Tod Schwester Mechtildis Während das Ordinariat und die Regierung nach wie vor daran interessiert waren, erfahrene Barmherzige Schwestern aus Straßburg für die endgültige Einführung des Ordens zu gewinnen, war der Magistrat mit der Entwicklung durchaus zufrieden. Die ständig steigende Zahl der Kandidatinnen, die nach und nach weitere Säle im Krankenhaus übernommen hatten, ließ für die Zukunft nur das Beste hoffen. Der Magistrat sah nicht ein, warum er nicht alles so weiterlaufen lassen sollte wie bisher. Da durchkreuzte der Tod die Pläne der Stadtvertretung. Am 3. April 1831 starb Schwester Mechtildis mit nur 34 Jahren. Sie hatte schon seit der Zeit im Benefiziatenhaus an einer schmerzhaften Augenfistel gelitten. Nach einer Augenoperation im Herbst 1830 erholte sie sich nicht mehr vollständig und erkrankte im Frühjahr schwer an Nervenfieber, dem sie am Osterfest 1831 erlag. Als Anerkennung ihrer Verdienste bereitete ihr der Magistrat eine sehr feierliche Beerdigung, an der die Bevölkerung regen Anteil nahm. Manch einem, auch im Magistrat, mag erst jetzt bewusst geworden sein, was diese junge Novizin geleistet hatte. Ihr früher Tod war nicht zuletzt das Ergebnis einer ständigen Überforderung, der sie sich durch ihren Einsatz ausgesetzt gesehen und aus Pflichtgefühl nicht entzogen hatte. Zum Anteil, den die junge Novizin an der Einführung der Barmherzigen Schwestern in Bayern hatte, bemerkte Scherer treffend: „Fast möchte man von einem Wunderwerk der göttlichen Vorsehung sprechen, die sich einer einfachen, im Ordensleben noch wenig erfahrenen Novizin bediente, um den Grundstein der Kongregation der Barmherzigen Schwestern in Bayern zu legen.“ 15 Viele dachten, mit dem Tod Schwester Mechtildis sei das Unternehmen endgültig gescheitert. Sie hatten jedoch den Durchhaltewillen der verwais ten Kandidatinnen unterschätzt. Diese wurden, trotz ihrer großen Trauer über den Verlust Schwester Mechtildis, sehr schnell aktiv. So baten sie den Magistrat bereits am 14. April in einem ergreifenden Bittbrief, er möge die Verhandlungen mit Straßburg wieder aufnehmen, um von dort Unterstützung für sie zu bekommen. Der Magistrat erkannte, dass er handeln musste, sollte das Werk, das Schwester Mechtildis hinterlassen hatte, nicht gefährdet werden. Und dieses 40 Einführung der Barmherzigen Schwestern am Krankenhaus in München Das Gräberfeld der Barmherzigen Schwestern auf dem Alten Südfriedhof, das ihnen der Magistrat 1836 unentgeltlich zur Verfügung stellte. An welcher Stelle des Alten Südfriedhofs Schwester Mechtildis beigesetzt wurde, ist heute nicht mehr feststellbar. Werk war durchaus beachtlich. Inzwischen war die Zahl der Kandidatinnen, die jetzt immer häufiger auch als Aspirantinnen oder Postulantinnen bezeichnet wurden, auf 26 angewachsen. Diese 26 jungen Frauen betreuten bereits 12 Säle im Allgemeinen Krankenhaus. Der Magistrat sah ein, dass diese Gemeinschaft eine neue Leitung und gewisse Organisationsstrukturen brauchte. Er ernannte deshalb Marianna Messerschmitt zur neuen Vorsteherin der Gemeinschaft und Anna Maria Stanglmaier zur Leiterin der Krankenpflege. Zudem entschloss er sich, die Verantwortung für die Küche ganz den Aspirantinnen anzuvertrauen. Dazu wurden ausgewählten Kandidatinnen verschiedene Aufgabenbereiche in der Küche zugeteilt. Nicht nur die Kandidatinnen, sondern auch das Ordinariat drängten jedoch auf eine grundlegendere Entscheidung des Magistrats. Er sollte dazu bewegt werden, die Verhandlungen mit Straßburg wieder aufzunehmen. Eine Magistratssitzung vom 19. Mai 1831, bei der der Magistratsrat Siedler in seinem Bericht über die Lage am Krankenhaus sich voll Lob über die dort arbeitenden Aspirantinnen äußerte und der Kanonikus Franz Xaver Schwäbl die Position des Ordinariats deutlich machen konnte, brachte die entscheidende Wende in der Politik des Magistrats. Er erklärte sich bereit, über das Ordinariat in Straßburg nachfragen zu lassen, ob die Barmherzigen Schwestern noch bereit wären, zwei ihrer Schwestern nach München zu schicken. Das Münchner Ordinariat übernahm diese Aufgabe nur allzu gern und fragte am 25. Mai 1831 über das Straßburger Ordinariat bei den Barmherzigen Schwestern an. Das Ordinariat machte dabei noch einmal sehr deutlich, dass es nach wie vor der entschiedene Wille des Königs sei, ihren Orden in Bayern einzuführen. 41 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Der Generaloberin war klar, welchen großen Wert die beiden Ordinariate auf ihre Unterstützung bei der Einführung der Barmherzigen Schwestern in Bayern legten. Gerne wollte sie ihnen entgegenkommen. Zudem hatte sie in der Zwischenzeit schon mehrere zu Herzen gehende Briefe von den verwaisten Münchner Kandidatinnen erhalten, in denen diese sie verzweifelt um Hilfe angefleht hatten: „Wohlehrwürdige Mutter, wir alle insgesamt werfen uns Ihnen zu Füßen und bitten, flehen und beschwören Sie mit weinenden Augen und zum Himmel gefalteten Händen, dass Sie sich unser mütterlich erbarmen und als Ihre wirklichen geistlichen Töchter erkennen … und dass Sie uns bald Hilfe senden, damit das Werk, zu dem wir uns verbunden … zur stufenweisen Vollendung gebracht werde.“ 16 In einem weiteren Brief hatten sie die Generaloberin beschworen: „Die selige Mechtildis hat auf dem schmalen Dornenweg des Kreuzes mühsam die Steine zum Bau unseres Ordens gesammelt und herbei geschleppt. An Ihnen ist es nun, den Gottesbau zu vollenden.“ 17 Mit Sicherheit war es ihr schwer gefallen, diesen Bitten nicht entsprechen zu können, aber ohne offizielle Anforderung aus München war es ihr unmöglich gewesen. Als diese nun kam, stellte sie alle Verärgerung, die sie wegen des mehr als unhöflichen Verhaltens des Magistrats rund um ihr erstes Angebot empfunden haben mag, um der Sache und der Kandidatinnen willen zurück. Sie erneuerte in ihrer Antwort vom 22. Juni 1831 ihr Angebot, das sie zwei Jahre vorher schon einmal gemacht hatte. Sie wollte zwei erfahrene Schwestern nach Bayern schicken. Sie bedauerte allerdings, sie nicht sofort, sondern erst im kommenden Frühjahr schicken zu können. Derzeit sei es ihr nicht möglich, Schwestern freizustellen, da erst vor kurzem mehrere französische Krankenhäuser Schwestern angefordert hätten. Die Ordinariate zeigten sich sehr zufrieden mit der Antwort und nutzten in den Folgemonaten ihre Verbindungen, um mit dem Mutterhaus und dem Magistrat zu klären, welche Bedingungen für den Einsatz des Ordens im Allgemeinen Krankenhaus gelten sollten. Die verwaisten Kandidatinnen hatten inzwischen einen schweren Stand. Nur die Hoffnung auf Hilfe aus Straßburg hielt die Kandidatinnen aufrecht. Sie klammerten sich an die Zusage der Generaloberin vom Juni, im nächsten März zwei Schwestern schicken zu wollen. Allerdings machten sich immer wieder Zweifel bei den Aspirantinnen breit.Wie würde sich der Magistrat entscheiden, würde er dieses Mal das Angebot des Mutterhauses in Straßburg annehmen? Erstaunlicherweise wuchs trotz dieser Unsicherheit die Zahl der Kandidatinnen weiter stetig an. Im Juli 1831 waren es bereits 34, im Januar 1832 sogar schon 46. Die junge Gemeinschaft lebte noch nicht nach der Regel der Barmherzigen Schwestern in Straßburg zusammen, sondern nach 42 Einführung der Barmherzigen Schwestern am Krankenhaus in München Regeln, die ihnen Schwester Mechtildis, auf der Grundlage ihrer Erinnerung an ihre Zeit in Straßburg, gegeben hatte. Inzwischen lag zwar ein Exemplar der Ordensregel im Ordinariat vor und auch der Magistrat hatte eine Abschrift bekommen, um sich ein Bild über die neue Kongregation machen zu können, den unerfahrenen Kandidatinnen aber wollte man sie nicht an die Hand geben. Die Kandidatinnen litten darunter, dass ihnen der Dienst an den Kranken wenig Zeit für geistliche Übungen ließ. Manche konnten nicht einmal täglich den Gottesdienst besuchen. Dabei hatten sie spirituelle Erbauung dringend nötig, um den anstrengenden Krankendienst und die unsichere Situation bezüglich ihrer Zukunftsaussichten zu meistern. In dieser Not erhielten sie Unterstützung durch den Beichtvater der Servitinnen, H.H. Schön, der, so oft es ihm möglich war, zu ihnen kam, um sie geistlich aufzubauen. Da er gesehen hatte, dass sie außer der Essenszeit kaum zur Ruhe kamen, nutzte er diese Zeit, um ihnen Texte vorzulesen oder kleine Vorträge zu halten. Auch ihre beiden Gönner aus dem Ordinariat, Weihbischof von Streber und Domkapitular Schwäbl, besuchten die Aspirantinnen regelmäßig und sprachen ihnen Mut zu. Den hatten sie auch dringend nötig, um alle Anfeindungen vonseiten der Ordensgegner ertragen zu können. Sogar in Kirchenkreisen war manchem diese Gemeinschaft von Aspirantinnen ohne jegliche Leitung und Ordensregel suspekt. So machte sich auch der Altöttinger Wallfahrtspriester Josef Anton Leiß, später Abt in Scheyern, Sorgen um einige seiner Beichtkinder, die der Gemeinschaft beigetreten waren. Nachdem er sich bei einem längeren Besuch jedoch selbst ein Bild von den Zuständen am Allgemeinen Krankenhaus gemacht hatte, war er mehr als begeistert von dem unter den Kandidatinnen herrschenden Geist: „Ich fand bei ihnen eine solche Demut, Arbeitsamkeit, Frömmigkeit, einen solchen Glauben Gottes, eine solche Liebe zu den Kranken, dass ich vielleicht sagen darf, wir haben in ganz Bayern kein Priesterhaus, worin die Gnade Gottes so allgemein wirken kann oder mag.“ 18 Unterdessen zeichnete sich bei den Verhandlungen zwischen dem Magistrat und dem Mutterhaus in Straßburg ein erfolgreiches Ende ab. Die Straßburger Ordensoberen hatten in Zusammenarbeit mit dem Generalvikariat des Straßburger Ordinariats einen Vertragsentwurf für den Einsatz der Bayerisches Allheilmittel für die verwaisten Kandidatinnen Am 10. Februar 1832 wies der Magistrat die Krankenhausverwaltung an, den Aspirantinnen künftig statt 1 Maß Bier täglich 1,5 Maß Bier zuzuteilen. Sollte mit dem bayerischen Allheilmittel der Durchhaltewillen der Aspirantinnen gestärkt werden? 19 43 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Barmherzigen Schwestern im Münchener Allgemeinen Krankenhaus ausgearbeitet. Orientiert hatten sie sich dabei an den in den französischen Krankenhäusern für die Barmherzigen Schwestern geltenden Bestimmungen. Bis auf einige Modifikationen, die die spezifische Situation am Münchner Krankenhaus berücksichtigten, nahm der Magistrat den vorgelegten Vertragsentwurf am 10. Januar 1832 an. Nachdem sich auch die Straßburger mit dem modifizierten Vertrag einverstanden erklärt hatten, bildete diese Übereinkunft die rechtliche Grundlage für die Einführung des Ordens in Bayern. Das Mutterhaus in Straßburg erklärte sich darin bereit, im März 1832 zwei erfahrene Barmherzige Schwestern für einen Zeitraum von drei Jahren nach München zu schicken. Diese sollten als Oberin bzw. Novizenmeisterin die Kandidatinnen in ihren Regeln unterweisen und die Grundlage für den Orden legen. Die gesamte Krankenpflege, die innere Krankenhausverwaltung und die Aufsicht über alles Personal im Haus, außer den Ärzten und der Krankenhausdirektion, sollten dem neuen Orden übertragen werden. Die Schwestern sollten in allen dienstlichen Angelegenheiten der Krankenhausdirektion, in allen ordensinternen und geistlichen Angelegenheiten der Oberaufsicht des Erzbischofs unterstellt werden. Im Krankendienst hätten die Schwestern den Anordnungen der Oberärzte Folge zu leisten. Auswahl und Ausbildung der Kandidatinnen wären allein Sache der Schwestern. Die Generaloberin behielt sich außerdem vor, ihre beiden Schwestern noch vor Ablauf der Frist zurückzuholen, falls der neuen Ordensgemeinschaft Schwierigkeiten gemacht werden sollten, nach den Regeln der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul zu leben. Der Magistrat erklärte sich bereit, die Anreise- und Rückreisekosten für die beiden Schwestern zu übernehmen. Für die Ordenskleidung sollten sie selbst aufkommen, bekämen allerdings einen Zuschuss. Für die Besorgung der Hausverwaltung war ein Festbetrag geplant, über den die zuständige Schwester monatlich Rechenschaft ablegen sollte. Genauere Regelungen zur Vergütung für den Dienst der Schwestern wollte man erst nach Ankunft der Schwestern aushandeln. Nachdem der Vertrag von beiden Seiten unterschrieben worden war, begannen die Münchner Vorbereitungen für die Ankunft der beiden Schwestern aus Frankreich zu treffen. Im Krankenhaus wurde für die künftige Oberin ein Einzelzimmer notdürftig möbliert, wobei die Kranken hausverwaltung, wie sie in einem Schreiben an den Magistrat betonte, nur das Billigste und Notwendigste anschaffte: „1 Kommodkasten, 1 Schreibkasten, 4 Stühle, 1 Tisch, 1 Bettlade, 1 Spuckkastl, 1 Bett Couvertdecke, …, 1 Kruzifix, 2 Leuchter, 1 Weihwassergefäß.“ 20 44 Einführung der Barmherzigen Schwestern am Krankenhaus in München 2.4. Zwei Straßburger Schwestern für die bayerische Mission Dass die Straßburger Generaloberin, Schwester Vinzenz Sultzer, bei der nun in greifbare Nähe gerückten Verwirklichung des Projekts der Ordensgründung in Bayern keinerlei Risiko mehr eingehen wollte, zeigt die Auswahl der beiden Kandidatinnen für diese Mission. Mit Schwester Ignatia Jorth stellte sie ihre beste Kraft zur Verfügung. Schwester Ignatia Jorth, 1780 als Tochter eines Schiffers geboren und auf den Namen Katharina getauft, hatte schon in ihrer Kindheit in ihrer Heimatstadt, dem elsässischen Schlettstadt, die Tätigkeit der Barmherzigen Schwestern im dortigen Bürgerspital beobachten können. Sobald die Barmherzigen Schwestern nach den Wirren der Revolution, in denen sie aus dem Elsass vertrieben worden waren, zurückkehrten, bat Katharina Jorth um Aufnahme ins Postulat. 1807 erfolgte ihre Einkleidung, 1809 ihre Profess. Schnell hatte die Ordensleitung das Potential dieser Schwester erkannt und ernannte sie schon 1811 zur Oberin am Spital in Hagenau, wo sie sich in einer äußerst schweren Zeit bewährte. Nach derVerlegung des Mutterhauses von Zabern nach Straßburg im Jahr 1823 wurde Schwester Ignatia Nachfolgerin von Schwester Vinzenz Sultzer als Oberin des Straßburger Bürgerspitals. Auch hier bewies sie sogleich ihre Tatkraft, indem sie zahlreiche sinnvolle Neuerungen zum Wohl der ihr anvertrauten Kranken, Pfründner und Waisen durchsetzte. Wie sehr die Generaloberin Schwester Ignatia schätzte, zeigte sie durch deren Ernennung zur Generalassistentin und Novizenmeisterin. Damit war sie, wie oben erwähnt, für die Ausbildung der bayerischen Kandidatinnen zuständig gewesen.Wie der Briefwechsel mit Schwester Mechtildis deutlich macht, zeigte sie regen Anteil an den Anfängen in München. Die Münchner Aspirantinnen hatten gewünscht, aber nicht zu hoffen gewagt, dass ihnen gerade diese Schwester zur Unterstützung geschickt würde. Als Begleiterin für Schwester Ignatia wählte die Generaloberin Schwester Apollonia Schmitt aus, eine jüngere Schwester, die aus Mainz stammte und 1824 ins Postulat am Straßburger Bürgerspital eingetreten war. Sie sollte in München die Funktion der Novizenmeisterin übernehmen und die Oberin Ignatia Jorth unterstützen. Am 5. März nahmen Schwester Ignatia und Schwester Apollonia Abschied von ihren Mitschwestern und machten sich zur Erfüllung ihrer bedeutenden Mission auf die sechstägige Reise von Straßburg nach München. Aus Sorge um die Gesundheit der schon fast 52-jährigen Schwester Ignatia schickte die Straßburger Generaloberin die Schwestern statt mit der schnelleren Eilpost mit der bequemeren Extrapost auf die Reise, so dass sie 45 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Schwester Ignatia Jorth, Gründerin und erste Generaloberin der Barmherzigen Schwestern in Bayern (Ölgemälde im Mutterhaus) 46 nicht auch noch die Nächte in der Postkutsche verbringen mussten. Den Verlauf dieser Reise schilderte Schwester Ignatia unmittelbar nach ihrer Ankunft in München in einem ausführlichen Brief an die Generaloberin und den Superior in Straßburg. Da die Bevölkerung von der Presse über das Vorhaben der Barmherzigen Schwestern unterrichtet gewesen sei, seien sie überall mit Freuden aufgenommen worden. Besonders herzlich sei der Empfang in Augsburg gewesen, wo sie nicht nur von den dort etablierten weiblichen Ordensgemeinschaften aufs Herzlichste aufgenommen und bewirtet, sondern auch vom Bischof persönlich empfangen worden seien. Nachdem sie bei den Ursulinen in Augsburg noch eine Nacht verbracht hatten, machten sich die beiden Schwestern am Morgen des 10. März 1832 auf die letzte Etappe ihrer langen beschwerlichen Reise. Selbst die 60 km von Augsburg nach München bedeuteten mit der Postkutsche damals noch eine Tagesreise. Nach dem Reisebericht Schwester Ignatias wurden sie bereits kurz vor ihrer letzten Raststation in Fürstenfeldbruck von einem Empfangskomitee des Münchener Magistrats begrüßt: „… dann ganz nahe an Fürstenfeldbruck sind uns Herr Magistrats Rath Siedler und Herr Gallinger, Krankencurator des Krankenhauses, im Namen des ganzen Magistrat mit der Post uns entgegenkommen, haben uns herzlich bewillkommt“. 21 Nach dem Mittag essen und der Besichtigung der Kirche des säkularisierten Klosters Fürstenfeld ging die Reise weiter nach München, wo sie gegen 4 Uhr nachmittags ankamen. Wie die Berichte in der Presse zeigen, nahm die Öffentlichkeit durchaus Kenntnis von der Ankunft der beiden Straßburger Schwestern in der Stadt. Auch in der Stadtchronik wird dieses Ereignis als denkwürdig festgehalten: „Samstag, 10. März. Heute Nachmittag vier Uhr ist die als Oberin der barmherzigen Schwestern in Bayern ernannte Schwester Ignatia und die Novizenmeisterin Schwester Apollonia von Straßburg dahier angekommen und … in dem allgemeinen Krankenhause, woselbst sie von sämtlichen Aspirantinnen des nun neu zu errichtenden Ordens auf das feierlichste bewillkommt wurden, abgestiegen. Die Pforte des Krankenhauses sowie die Stiegen bis zu den für die Angekommenen hergerichteten Zellen waren mit lebendigen Girlanden auf das Schönste geziert.“ 22 Vor Einführung der Barmherzigen Schwestern am Krankenhaus in München allem die hauseigene Überlieferung macht deutlich, wie bewegend die Ankunft für alle Beteiligten gewesen sein muss.Voll Dankbarkeit Eine und Hoffnung erwarteten Fahrkarte die 46 Kandidatinnen, in der letzten einheitlichen Gewändern Etappe der Schwestern vor dem imposanten Kranmit der kenhausgebäude stehend, Postkutsche die beiden Straßburger von AugsSchwestern, deren Unterburg nach stützung sie schon so lange München herbeigesehnt hatten. Was mögen Schwester Ignatia und Schwester Apollonia gefühlt haben, als sie endlich am Ziel ihrer langen Reise angelangt, in der fremden Stadt mit den hochgesteckten Erwartungen einer Schar junger Postulantinnen und der Vertreter von Stadt und Krankenhaus konfrontiert wurden? Der Empfang im mit Blumen und Girlanden geschmückten Krankenhaus verlief sehr feier lich mit Ansprachen und einer Andacht in der Krankenhauskapelle. Die Kandidatinnen trugen einen eigens für diesen Anlass von Domkapitular von Schwäbl verfassten Willkommensgruß vor. Am folgenden Tag kamen Bürgermeister von Mittermeier und Weih bischof von Streber zu Besuch, um die Schwestern willkommen zu heißen. Einige Tage später wurden sie von Erzbischof Lothar Anselm von Gebsattel (1821–1846), von Innenminister Ludwig von Oettingen-Wallerstein und von der Witwe Max I. Joseph, Caroline von Baden, empfangen. In Caro line, der protestantischen Stiefmutter Ludwigs I., sollten die Barmherzigen Schwestern eine ihrer wichtigsten Gönnerinnen finden. König Ludwig I. allerdings war, als sich endlich sein Wunsch nach Gründung des Ordens in Bayern erfüllte, auf einer seiner vielen und ausgiebigen Italienreisen, von der er erst im Juni zurückkehrte. Nachdem er den Sommer wie jedes Jahr in Bad Brückenau verbracht hatte, wurde es Herbst, bis er Schwester Ignatia eine Audienz gewährte. Allerdings empfing er sie mit ausgesprochener Herzlichkeit. Beim huldvollen Empfang begrüßte er als gebürtiger Straßburger die Oberin aus dem Elsass als „liebe Landsmännin“, eine Anrede, die er im Umgang mit ihr immer beibehalten sollte. * 47 Kapitel 3 Gründungsjahre der Kongregation in München 3.1. Reformen Schwester Ignatias am Allgemeinen Krankenhaus Voll Tatkraft nahm Schwester Ignatia bereits unmittelbar nach ihrer Ankunft ihre Tätigkeit auf. Nach dem Vertrag vom Januar war sie als Oberin zuständig für die gesamte innere Verwaltung des Krankenhauses: „die Krankenpflege in allen Abteilungen, die Aufsicht über alle im Hause befindlichen Personen mit Ausnahme des ärztlichen Personals, ferner die Besorgung der Küche, der Vorratsräume und der Wäscherei“. 23 Nach einer sehr gründlichen Inventur übergab der Magistrat am 19. Mai der neuen Oberin das gesamte Inventar des Hauses. Mit ihrem sehr ausgeprägten Sinn für das Praktische hatte sich diese inzwischen Überblick verschafft, wo Veränderungen nötig waren und bereits am 19. März dem Magistrat ihre ersten Verbesserungsvorschläge vorgelegt. In den folgenden Wochen und Monaten setzte Schwester Ignatia Jorth nun mit einer außerordentlichen Zielstrebigkeit zahlreiche Reformen in ihren verschiedenen Zuständigkeitsbereichen durch. So sorgte sie durch die Anschaffung von mehr Geschirr dafür, dass alle Säle gleichzeitig mit Essen versorgt werden konnten. Damit beseitigte sie den bisherigen Missstand, dass viele Patienten nur noch kaltes Essen bekamen. Gegen den Widerstand vieler Ärzte setzte sie durch, dass der so genannte Erste Tisch abgeschafft wurde. Ärzte und Hausgeistliche hatten ihr Essen vor den Patienten erhalten. Das hatte für viel Neid vonseiten der Patienten gesorgt, die nicht zu Unrecht den Eindruck hatten, dass beim Ersten Tisch besseres Essen serviert wurde. Mit dem gleichen Essen für alle erreichte die Oberin, dass dieses Ärgernis beseitigt und zudem noch Geld gespart wurde. In allem legte Schwester Ignatia großen Wert auf eine sparsame Haushaltsführung, beispielsweise durch einen rationelleren Lebens48 Gründungsjahre der Kongregation in München mittelkauf als bisher. In den nächsten beiden Jahren erreichte sie zudem durch die Anschaffung eines neuartigen Ökonomieherdes Einsparungen im Bereich der Heizkosten und Verbesserungen in der Warmwasserbereitung. Der neue Herd erleichterte den Schwestern die Zubereitung des Essens und auch die Sauberkeit der Speisen konnte im Gegensatz zu Werke der dem vorher üblichen offenen HerdBarmherfeuer besser gewährleistet werden. zigkeit, „Die Kranken Auch in einem anderen wichtigen besuchen“ Aufgabenbereich, der Versorgung der (Teil einer Wäsche, sorgte die Oberin für VerGemäldebesserungen. Da sehr viel Wäsche Serie im gestohlen wurde, ließ sie die Wäsche Mutterhaus) des Krankenhauses kennzeichnen und regelmäßig den Bestand kontrollieren. Wie im Straßburger Spital sollten die Schwestern neue Wäsche selbst herstellen. Matratzen und Polster sollten unter ihrer Aufsicht und Mithilfe im Krankenhaus angefertigt und ausgebessert werden. Eine Renovierung des Waschhauses im Garten des Krankenhauses wurde für die nächsten Jahre geplant. Da der Oberin nicht nur die Sauberkeit der Wäsche, sondern auch die Hygiene der Patienten am Herzen lag, wurde die Badeanstalt durch den Einbau weiterer Bäder und Duschen und die Installation von Warmwasserkesseln erweitert und modernisiert. Um für ein größeres Wohlbefinden der Kranken zu sorgen, setzte sie beim Magistrat die Umgestaltung der Krankensäle nach dem Vorbild des Straßburger Bürgerspitals durch. Die kalten Steinfußböden ließ sie durch wohnlichere Holzfußböden ersetzen. Da sie möglichst helle und freundliche Räume wollte, bestand sie auf der Entfernung der von F.X. Häberl eingeführten Alkoven, den niedrigen Trennmauern zwischen je zwei Betten. Schon 1826 bei Einzug der Universität im Krankenhaus waren diese Alkoven aus den klinischen Sälen, den für den Lehrbetrieb genutzten Sälen, entfernt worden, da sie verhinderten, dass die Studenten an den Betten der Patienten Platz hatten. Schwester Ignatia erreichte die Entfernung aus fast allen weiteren Sälen. Nur in zwei Sälen verblieben sie noch länger. Die Alkoven waren Schwester Ignatia auch aus Gründen der Hygiene ein Dorn im Auge. Sie betrachtete sie als Brutstätte für Ungeziefer, wie die in Krankenhäusern damals weit verbreiteten Wanzen. Diesem Ungeziefer 49 Festschrift der Barmherzigen Schwestern sagte sie regelrecht den Kampf an. Durch die verschiedenen Hygienemaßnahmen wie sorgfältige Reinigung der Wäsche und der Säle erreichte sie in kürzester Zeit, dass das Krankenhaus wanzenfrei wurde. Schon bald konnte sie es wagen, für jede noch gefundene Wanze einen Preis von 1 Gulden auszusetzen. Ihren Sinn fürs Praktische bewies Schwester Ignatia auch, als sie den Grundstein für einen zunächst noch sehr kleinen landwirtschaftlichen Betrieb des Ordens im Krankenhausgarten legte. Sie hatte auf eigene Kosten einen kleinen Holzstall für zwei Schweine bauen lassen, die mit den Küchenabfällen des Krankenhauses gefüttert wurden. Mit dem Erlös aus dem Verkauf der beiden Schweine bezahlte sie den Stall und schaffte eine Kuh an. In einem Schreiben vom Oktober 1834 beantragte sie beim Magist rat, ihr für die Kuh im kommenden Jahr ein kleines Stück Wiese zur Verfügung zu stellen. Der Nutzen einer Kuh läge ja auf der Hand: „Düngen für den Garten, Milch für das Haus“. 24 Nach und nach baute sie die Landwirtschaft weiter aus. So bestand die kleine Ökonomie bereits im Jahr 1837 aus einem Kuhstall für 8 Kühe und drei Schweineställen für ca. 20 Schweine. Um auch die Versorgung mit eigenem frischem Obst zu sichern, bat sie den König persönlich um unentgeltliche Überlassung von Obstbäumen aus der königlichen Baumschule für den Krankenhausgarten. Im Bezug auf die Besucherregelung müssen am Krankenhaus für uns heute kaum noch nachvollziehbare Zustände geherrscht haben. So sollen täglich bis zu 500 Besucher ins Haus gekommen sein, von denen die wenigsten Angehörige besuchen wollten. Die meisten sollen aus reiner Neugier und zum Zeitvertreib gekommen sein. So klagte Schwester Ignatia, „dass man allgemein das Krankenhaus, das eine Wohltätigkeitsanstalt für die leidende Menschheit sein soll, als einen Belustigungsort betrachtet, in den alles hineinstürmt, um aus langer Weile sich die Zeit zu vertreiben“.25 Da sie diese Verhältnisse als sehr belastend für die Patienten und die junge Schwesterngemeinschaft empfand, sorgte Schwester Ignatia für den Erlass einer strengen Besucherregelung und achtete auf deren Einhaltung. Grundsätzlich bekamen nun auch nur noch Angehörige von Patienten Zutritt zum Haus. Auch in der Krankenpflege, dem wichtigsten Aufgabenbereich der Schwestern, führte die neue Oberin gleich zu Beginn ihrer Tätigkeit wichtige Neuerungen ein, die die jungen Schwestern vor unnötiger Überbelastung schützen sollten. Dazu erließ sie eine neue Regelung für den Nachtdienst und setzte eine neue Dienstordnung für die Verordnungspraxis durch. So sollten die Ärzte nicht mehr wie bisher zu allen Tages- und Nachtzeiten ihre Verordnungen erlassen dürfen, sondern außer in begründeten Ausnahmefällen nur noch zu ganz bestimmten Tageszeiten. Eine weitere Maßnahme im Pflegebereich wurde zum Schutz der Patienten vor Hausinfektionen vor50 Gründungsjahre der Kongregation in München genommen. Patienten mit ansteckenden Krankheiten wurden von jenen der medizinischen und chirurgischen Abteilung räumlich getrennt. Erstaunlich schnell zeigten die Reformen der Oberin Schwester Ignatia Jorth erste Erfolge, die durchaus von Magistrat und Öffentlichkeit erkannt und anerkannt wurden. Mehr als offensichtlich waren die Verbesserungen in Bezug auf Organisation, Pflege, Reinlichkeit und Versorgung der Patienten. Durch kluge Haushaltung und weniger Ausgaben für das weltliche Personal hatte die Oberin zudem Einsparungen in nicht unerheblicher Höhe erzielt, was den Magistrat verständlicherweise besonders freute. Höchst erfreut stellte die Krankenhauskommission in ihrem Bericht vom 5. April 1833 fest, dass die Schwestern für weniger Geld einen höheren Standard als das früher eingesetzte weltliche Personal boten: „Die Schwestern haben die Besorgung der Küche und des Kellers übernommen, ferner die Aufsicht über die Wäsche, und gehen dabei mit der größtmöglichen Sparsamkeit zu Werke. Hierdurch wurde erreicht, dass mit möglichst geringen Kosten die Kranken mit den bestmöglichen Speisen, die sie genießen dürfen, versehen werden, dass keine Lebensmittel mehr aus dem Hause geschleppt werden oder auf unzweckmäßige Weise verwendet werden. Auf die Erhaltung der Wäsche und des Leinenzeugs verwenden die Barmherzigen Schwestern die größte Sorgfalt.“ 26 So ist es nicht verwunderlich, dass der Magistrat liebend gern das Angebot Schwester Ignatias annahm, ab dem 1. Oktober 1835 die Ökonomie des Krankenhauses vollständig in Eigenregie zu führen. Statt der bisherigen monatlichen Abrechnung mit dem städtischen Magistrat sollten die Schwestern nun gegen einen bestimmten jährlichen Festbetrag die gesamte Ökonomie des Krankenhauses auf eigene Rechnung übernehmen, wie es üblicherweise auch die Straßburger Schwestern in den von ihnen geführten Krankenhäusern handhabten. Der Vertrag zwischen Stadt und Orden vom 4. September 1835 sah eine Kopfpauschale von 12 Kreuzern und 2 Pfennigen täglich für die Verpflegung der Kranken und des Personals vor. Zum Personal wurden dabei nicht nur die Schwestern selbst, sondern auch das sonstige weltliche Pflege- und Hauspersonal und die Hausgeistlichen gerechnet. Im Etatjahr der Ökonomieübernahme waren dies fast 80 Personen, darunter bereits 42 Professschwestern und 10 Kandidatinnen der Barmherzigen Schwestern. Bei der Verköstigung sollten sich die Schwestern an die vom Magistrat vorgegebene Kostordnung halten. Eventuelle höhere Kosten durch Abweichung von dieser Kostordnung hätte der Orden selbst zu tragen. Für die Besorgung der Wäsche handelten die Schwestern eine jährliche Vergütung von 900 Gulden, für die Reinigung des Hauses 250 Gulden und für die Beleuchtung des Hauses 1700 Gulden im Jahr aus. Der Krankenhausgarten wurde den Schwestern unentgeltlich zur Benutzung überlassen, wofür sie allerdings für die dort entstehenden Kosten, z. B. für 51 Festschrift der Barmherzigen Schwestern das benötigte Gartenpersonal, selbst aufkommen mussten. Über die Gartenerzeugnisse sollten die Schwestern frei verfügen können. Der Garten war bisher für die Stadt immer ein Minusposten gewesen. Die Kosten für das Gartenpersonal hatten den Ertrag aus den Gartenerzeugnissen immer überstiegen. Der Magistrat überließ deshalb den Schwestern liebend gern den Garten zur Benutzung auf eigene Kosten. Die Oberin wiederum sah die Vorteile, die die Gartenbenutzung bot. So konnte sie die bereits begonnene kleine Landwirtschaft weiter ausbauen. Die Gartenerzeugnisse konnten für die Küche des Krankenhauses sinnvoll verwendet werden. Beide Vertragsparteien versprachen sich Vorteile von der neuen Regelung. Die Stadt sparte sich die monatliche Abrechnung und Kontrolle und konnte nun mit den Ausgaben für das Krankenhaus als feste Größe im städtischen Haushalt leichter planen. Der Orden versprach sich noch weitere Einsparungsmöglichkeiten durch die eigenverantwortliche Wirtschaftsführung. Schwester Ignatia listete in den Etatberichten der folgenden Jahre genau auf, was der Magistrat durch das sparsame und effektive Haushalten des Ordens an Ausgaben für das Krankenhaus sparte. Stadtmagistrat und Krankenhausverwaltung zeigten sich sehr zufrieden mit dieser Entwicklung und äußerten sich in der Folgezeit häufig öffentlich sehr anerkennend darüber, dass die Übernahme der Ökonomie durch die Barmherzigen Schwestern zu einer wesentlichen Verbesserung der früher immer sehr prekären finanziellen Situation am Allgemeinen Krankenhaus geführt habe. 3.2. Geistliche Konsolidierung der jungen Ordensgemeinschaft Mindestens ebenso viel Aufmerksamkeit wie auf die Neuorganisation von Hauswirtschaft und Pflege im Krankenhaus verwendete Schwester Ignatia auf den Aufbau der neuen Ordensgemeinschaft. Nicht zuletzt war ja diese die Voraussetzung für das Gelingen der Neuorganisation des Krankenhauses. Zunächst kümmerte sich die neue Oberin um die äußeren Rahmenbedingungen. Da die Barmherzigen Schwestern noch kein eigenes Klostergebäude hatten, wollte die Oberin ihre Unterkunft im Krankenhaus zumindest etwas klösterlicher gestalten. Sie setzte durch, dass den Schwestern ein zusammenhängender Komplex an Räumen zur Verfügung gestellt wurde. Diesen Bereich ließ Schwester Ignatia zudem mit einem Gitter vom übrigen Krankenhaus abtrennen und schuf somit eine Art klösterlicher Klausur. Grundlage für das Zusammenleben der neuen Ordensgemeinschaft sollte die Regel der Straßburger Barmherzigen Schwestern sein. Unmittelbar nach ihrer Ankunft hatte das Erzbischöfliche Ordinariat das bei ihm hinter52 Gründungsjahre der Kongregation in München legte Exemplar der Straßburger Regel der neuen Oberin übergeben. Gemäß dieser Regel bat Schwester Ignatia Jorth den Erzbischof, einen Superior für den neuen Orden zu bestimmen. Dieser sollte die Oberin in allen geschäftlichen und geistlichen Entscheidungen beraten. Der Erzbischof kam der Bitte nach und ernannte am 25. April 1832 den Priester Titelblatt des Michael Rädlinger zum ersten Exemplars der StraßSuperior der Barmherzigen burger Regel, Schwestern in Bayern. Als diedie die ser jedoch überraschend früh Schwestern im Alter von 46 Jahren im Juni in München 1833 verstarb, trat der Hoferhielten prediger Michael Hauber im August 1833 seine Nachfolge an. Bereits in den ersten Tagen nach ihrer Ankunft hatte Schwester Ignatia mit der Prüfung der Kandidatinnen begonnen. Ihren strengen Auswahlkriterien hielt nur ein kleiner Teil der 46 Kandidatinnen stand. Viele wurden entlassen, weil sie entweder schon zu alt waren oder den sonstigen Anforderungen nicht entsprachen. Von den noch verbliebenen Kandidatinnen wählte Schwester Ignatia die 14 tüchtigsten, unter ihnen auch die beiden in Straßburg ausgebildeten Kandidatinnen Susanna Balghuber und Marianna Messerschmitt, für die erste Einkleidung aus. Diese erste Einkleidung der Barmherzigen Schwestern in München fand am 30. Mai 1832 in der Elisabethkirche des ehemaligen Elisabethspitals statt. Diese Kirche wurde auch für die Einkleidungen der folgenden Jahre gewählt, da die Hauskapelle des Krankenhauses wegen des regen Interesses, das die Öffentlichkeit an diesen Feierlichkeiten des Ordens nahm, viel zu klein gewesen wäre. So kamen neben den Verwandten der Novizinnen viele Neugierige, aber auch offizielle Vertreter von Stadt und Staat. Aus dem Königshaus wohnte Prinzessin Mathilde, die älteste Tochter König Ludwigs I., mit ihrem Hofstaat der Zeremonie bei. Den Festgottesdienst zelebrierte der große Förderer der Barmherzigen Schwestern, Weihbischof von Streber. Die Festpredigt hielt der berühmte Prof. Dr. Ignaz Döllinger, damals noch Stiftspropst von St. Kajetan: „Große Hoffnungen, werden auf euch, meine Schwestern, gesetzt! Ihr werdet, ihr dürfet diese 53 Festschrift der Barmherzigen Schwestern unsere Hoffnungen nicht täuschen! … Ganz Bayern blickt mit sehnsuchtsvoller Erwartung auf euch. Schon hat sich in mehreren Städten der Wunsch ausgesprochen, Filialen eures wohltätigen Ordens zu besitzen, und mit Gottes Hilfe wird er sich denn auch über das ganze Königreich ausbreiten.“ 27 Die erste Einkleidung verlief sehr feierlich und viele der Anwesenden waren sich sicher der Tatsache bewusst, dass sie einem historischen Moment beiwohnten: der Grundsteinlegung des Ordens der Barmherzigen Schwestern vom hl.Vinzenz von Paul in Bayern. Der Strom neuer Kandidatinnen, die in den Orden aufgenommen werden wollten, riss nicht ab. Bereits am Ende des Jahres bestand die Gemeinschaft wieder aus über 30 Kandidatinnen, von denen am 3. Februar 1833 12 eingekleidet wurden. Diese zweite Einkleidungsfeier fand noch mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Beim Volk war das Interesse derart groß, dass Eintrittskarten ausgegeben werden mussten. Auch das Königshaus zeigte durch die Anwesenheit von Königin Therese, der früheren Königin Caroline und zweier Prinzessinnen große Anteilnahme am neuen Orden. Bereits im Sommer 1833 durften die Novizinnen der ersten Einkleidung die zeitlichen Gelübde ablegen. Wegen des langen und erschwerten Postulats wurde die Noviziatszeit abgekürzt. Allerdings waren es nur noch 12 Novizinnen. Zwei waren im Februar 1833 entlassen worden. Bei einer von ihnen handelte es sich um Marianne Messerschmitt, seit ihrer Einkleidung Schwester M. Theresia. Auf sie, die schon als Kandidatin in Straßburg war und sich danach als Leiterin der Kandidatinnen am Krankenhaus schon sehr bewährt hatte, hatten die Ordensoberen große Hoffnung gesetzt. Anscheinend war es Schwester Theresia jedoch sehr schwer gefallen, sich der strenListe der ersten 14 Novizinnen Die Namen der für die erste Einkleidung ausgewählten Jungfrauen waren: Jungfrau Susanne Balghuber – Schwester M. Vinzentia Jungfrau Marianne Messerschmitt – Schwester M. Theresia Jungfrau Anna Maria Stanglmeier – Schwester M. Benonia Jungfrau Margaretha Gröber – Schwester M. Anselma Jungfrau Ursula Stelzer – Schwester M. Corbiniana Jungfrau Barbara Praßer – Schwester M. Johanna Jungfrau Katharina Sprengel – Schwester M. Ludovika Jungfrau Anna Maria Messerschmidt – Schwester M. Martha Jungfrau Gertraud Sturm – Schwester M. Xaveria Jungfrau Katharina Aman – Schwester M. Magdalena Jungfrau Theresia Klingseisen – Schwester M. Josepha Jungfrau Maria Berger – Schwester M. Mechtild Jungfrau Elisabeth Niedermaier – Schwester M. Michaela Jungfrau Genoveva Huber – Schwester M. Mathilde 54 Gründungsjahre der Kongregation in München Die Einkleidungen fanden 1832 bis 1839 in der Elisabethkirche statt (Holzschnitt aus der Leipziger Illustrierten von 1846). gen Disziplin Schwester Ignatias unterzuordnen. Sie, die sich schon Hoffnungen gemacht haben mag, selbst Oberin zu werden, hatte offensichtlich Schwierigkeiten, in die zweite Reihe zurückzutreten. Obwohl Schwester Ignatia viele Kandidatinnen ablehnte und nach Hause schickte, gab es keine Nachwuchsprobleme, was die Zahl der Kandidatinnen anging. Allerdings machte sich Schwester Ignatia, wie einem Brief an ihre Generaloberin im Juni 1832 zu entnehmen ist, Sorgen wegen der Qualität der Kandidatinnen. Eine der üblichen Voraussetzungen, bei den Barmherzigen Schwestern aufgenommen zu werden, war ein gewisses Maß an Bildung. Dies war anscheinend in Frankreich kein Problem gewesen. Anders sah es hier in Bayern aus, wo die meisten Kandidatinnen, die um Aufnahme „Waschhausprobe“ für Kandidatinnen aus Liebeskummer Schwester Ignatia achtete sehr genau auf die Auswahl der Kandidatinnen. Dass sie dabei sehr erfolgreich war, zeigt die Tatsache, dass von den 189 Kandidatinnen, die von ihr ins Noviziat aufgenommen wurden, nur eine einzige als Novizin und drei nach Ablegung der Profess entlassen werden mussten. Zur Auswahl der Kandidatinnen gehörte für Schwester Ignatia auch, dass sie ihnen von Anfang an nichts vormachte und die Härten, die das Ordensleben und der Krankendienst mit sich bringen, nicht beschönigte. Um denjeni- gen, die sich aus falschen Motiven um die Aufnahme bemühten, möglichst schnell klar zu machen, dass sie nicht aus wahrer Berufung handelten, hatte sie sich einen besonderen Härtetest ausgedacht: „Da kommen viele, die eine unglückliche Liebe gehabt haben und meinen, nun wollen sie Barmherzige Schwester werden. Aber da schicke ich sie nur ins Waschhaus, um die ekelhafte Wäsche der Kranken zu waschen. Die meisten wollen noch am ersten Tage wieder fort; aber wenn eine das aushält, bei der ist es echt!“ 28 55 Festschrift der Barmherzigen Schwestern baten, vom Land kamen. Der Großteil der Landbevölkerung Bayerns kam damals jedoch noch nicht in den Genuss einer ausreichenden Schulbildung. Ignatia erkannte, dass sie im rückständigen Bayern ihre Ansprüche etwas reduzieren musste: „Diese bayrischen Mädchen, die vom Lande kommen, haben viele Mühe, etwas zu begreifen. Aber wir sind zufrieden, wenn sie ihre tiefreligiöse Gesinnung behalten und als Schwestern dem nachkommen, was die heilige Regel von ihnen fordert. Der liebe Gott gibt dann schon seinen Segen dazu.“ 29 Dennoch war sie um jede Kandidatin froh, die etwas lesen, schreiben und rechnen konnte. Die Ausbildung der Postulantinnen und Novizinnen umfasste deshalb neben der spirituellen Unterweisung und der Anleitung in der Krankenpflege auch Lese-, Schreib- und Rechenunterricht. Die Unterweisung des Ordensnachwuchses sollten die Novizenmeisterin und der Beichtvater der Schwestern übernehmen. Schwester Ignatia bemühte sich deshalb darum, für ihren Orden einen eigenen Beichtvater zu erhalten. Als Beichtväter waren den Schwestern zunächst die beiden Krankenhauskapläne zugeteilt worden, die jedoch schon mit den Krankenhauspatienten ausgelastet waren. Groß war deshalb die Freude der Schwestern, als ihnen im Juli 1833 Dr. Anton Holzschneller als eigener Beichtvater zugeteilt wurde. Als dieser schon im April 1835 überraschend starb, empfahl ihr großer Gönner Schwäbl, inzwischen Bischof von Regensburg, den Schwestern den Präses der Marianischen Kongregation, Michael Sintzel, als Nachfolger. Sintzel war mit seinen knapp 30 Jahren noch sehr jung, galt aber als sehr fromm. Er hatte sich mit der Veröffentlichung zahlreicher Andachts- und Gebetsbücher einen Namen gemacht. Die Nachfrage nach dieser Art von religiöser Literatur war damals in Bayern sehr groß, da seit der Zeit der Säkularisation Gebets- und Andachtsübungen ganz ungewohnt waren. So hatte Schwester Ignatia noch 1835 größte Mühe gehabt, einen Priester für die Exerzitien der Schwestern zu finden: „Nicht einmal der Beichtvater der Servitinnen weiß, wie man Exerzitien hält. Wir richten die Exerzitien stets auf acht bis zehn Tage ein. Aber denken Sie, wir müssen den Herren meist sagen, wie es gemacht und gehalten werden muß, da ihnen das alles fremd ist.“ 30 In dieser Situation sahen die Schwestern es als großes Glück an, einen Beichtvater wie Sintzel zu erhalten, der nicht nur die nötigen Kenntnisse und Erfahrungen mit geistlichen Übungen hatte, sondern sogar als ausgesprochener Fachmann auf diesem Gebiet galt. Allerdings erwies sich Sintzel bald als nicht ganz unproblematisch. Wegen seiner Tätigkeit als Schriftsteller scheint er zeitweise seine Arbeit bei den Schwestern vernachlässigt zu haben, so dass er vom Ordinariat ermahnt werden musste, den Kandidatinnen mindestens 4 Stunden Unterricht in der Woche zu erteilen. Zudem hatte Sintzel mit seinem Hang zur Mystik immer mehr und längere außerordent56 Gründungsjahre der Kongregation in München liche Andachten eingeführt, die schließlich zu einer übermäßigen Belastung für die durch den anstrengenden Krankendienst ohnehin stark geforderten Schwestern wurden. Auch hier mussten Ordinariat und Oberin gegensteuern. Die Neigung Sintzels zu übertriebener Mystik und Askese widersprach der Auffassung Schwester Ignatias von gesunder Frömmigkeit. Sie verstand es jedoch, ihren Beichtvater, den sie trotz allem sehr schätzte, immer wieder zu „erden“. Bei der Gestaltung des geistlichen Lebens der Gemeinschaft orientierte sich Schwester Ignatia ganz bewusst an der bewährten, im Mutterhaus in Straßburg gepflegten Tradition. Stets achtete sie darauf, dass die im Mutterhaus üblichen geistlichen Übungen und Gebete auch in der neuen Gemeinschaft in München gewissenhaft praktiziert wurden. Superior Hauber ließ deshalb für die Münchner Schwestern die Gebets- und Betrachtungsbücher drucken, die auch im Straßburger Mutterhaus in Gebrauch waren. Auch die traditionelle Verehrung des hl. Vinzenz von Paul durch die Straßburger Barmherzigen Schwestern führte Schwester Ignatia für den neuen Orden in München ein. So hatte Schwester Ignatia bald nach ihrer Ankunft 13 Bilder vom Leben des Heiligen von Straßburg nach München kommen und schön gerahmt im Refektorium aufhängen lassen. Auch die Tradition des alljährlichen Vinzenzfestes übernahmen die Münchner Schwestern. Die Grundlagen für die neue Ordensgemeinschaft waren gelegt, aber es war mehr als fraglich, ob der ursprünglich im Vertrag von 1832 vorgesehene dreijährige Aufenthalt der beiden Straßburger Schwestern ausreichen würde, den Orden in Bayern so weit zu festigen, dass sie beruhigt nach Straßburg zurückkehren könnten. Die Befürchtung, die positive Weiterentwicklung, ja der Bestand des Ordens könne bei der vorzeitigen Rückkehr der Straßburger Schwestern gefährdet sein, veranlasste den damaligen Beichtvater der Schwestern, Holzschneller, den Magistrat bereits im Juni 1834 zu drängen, sich um eine Aufenthaltsverlängerung für Schwester Ignatia und Schwester Apollonia zu kümmern. Umgehend beantragte der Magistrat daraufhin in Straßburg die Verlängerung des Vertrags. Die erstaunlich schnelle Reaktion des Magistrats zeigt, wie sehr man in München inzwischen den neuen Orden zu schätzen gelernt hat. Die Straßburger Generaloberin, die ihre Schwestern nur allzu gern wieder in Straßburg gesehen hätte, holte zunächst die Meinung der Münchner Oberin ein. Schwester Ignatia bestätigte ihrer Generaloberin, dass das ganze Unternehmen durch ihre und Schwester Apollonias vorzeitige Rückkehr gefährdet sein könnte, da noch keine der Kandidatinnen reif sei für die Nachfolge als Oberin. Derart von der Notwendigkeit überzeugt, stimmte Generaloberin Schwester Vinzenz Sultzer der Aufenthaltsverlängerung zu. Von ihrer Entscheidung verständigte das Münchner Ordinariat den Magistrat in einem Brief vom 5. August 57 Festschrift der Barmherzigen Schwestern 1834: „Die Achtung und huldvolle Gewogenheit, mit denen man die von hier aus geschickten Schwestern aufgenommen und seither behandelt hat, macht, dass die Frau Oberin von Straßburg mit Freude diese Gelegenheit benützt, den Freunden und Gönnern des Institutes in München dadurch ihre Dankbarkeit zu bezeigen. Die beiden Schwestern können also … noch bleiben und an dem guten Werke, welches sie angefangen, fortarbeiten.“ 31 3.3. Kampf um die Genehmigung der Statuten Superior Michael Hauber (Gemälde im Mutterhaus) 58 Schwester Ignatia wusste, dass es für die endgültige Etablierung ihres Ordens in Bayern unabdingbar sein würde, eine offizielle kirchliche und staatliche Genehmigung der Ordensstatuten zu erhalten. Der neue Superior Michael Hauber sah dies ebenso und machte sich schon kurz nach seinem Amtsantritt daran, Statuten zu entwerfen. Sie sollten sich weitgehend auf die Straßburger Regel stützen, gleichzeitig aber die besondere Lage in Bayern und München berücksichtigen. In Zusammenarbeit mit dem Straßburger Superior Thomas arbeitete Superior Hauber einen Entwurf aus, den er am 1. Juni 1834 dem Münchner Ordinariat zur Genehmigung vorlegte. Die Bestätigung der Statuten durch das Ordinariat erfolgte bereits am 10. Juni 1834, womit der neue Orden seine offizielle kirchenrechtliche Anerkennung erhielt. Das staatliche Genehmigungsverfahren sollte sich als weitaus schwieriger erweisen. Die Regierung nahm sich viel Zeit, die Statuten dahingehend zu überprüfen, ob sie mit der bayerischen Klostergesetzgebung übereinstimmten. Diese war jedoch sehr restriktiv und darauf ausgelegt, die staatliche Oberaufsicht über alle Orden zu garantieren. Dementsprechend abgeändert und ergänzt, wurden die Statuten dem Orden am 10. April 1835 zurückgeschickt. Schwester Ignatia und der Superior waren entsetzt. Die abgeänderte Fassung hätte dem Staat das Recht zugebilligt, massiv in die internen Angelegenheiten einzugreifen. So bestand der Staat auf einem Mitspracherecht bei der Auswahl der Kandidatinnen und Gründungsjahre der Kongregation in München der endgültigen Aufnahme in den Orden. Außerdem beanspruchte er die Oberaufsicht über das gesamte Vermögen des Ordens. Aus Sicht der Regierung waren die Änderungen durchaus berechtigt, da sie der geltenden Klostergesetzgebung entsprachen. Schwester Ignatia dagegen empfand sie als ungeheuren Affront. War doch dem Mutterhaus in Straßburg in den Verträgen mehrfach zugesichert worden, dass die Schwestern in München nach den Regeln der Barmherzigen Schwestern in Straßburg leben könnten. Nachdem der Regierungspräsident ihren Protest lapidar mit dem Hinweis auf die geltende Gesetzgebung abgewiesen hatte, entschloss sich Schwester Ignatia, sich mit einer Eingabe an den König persönlich zu wenden. Die Eingabe vom 24. April 1835 zeugt von einer sehr klugen Argumentationsführung. Gegen die Oberaufsicht des Staates führte sie an, die Schwestern seien schon durch die Krankenhauskommission des Magistrats und die Krankenhausdirektion von staatlicher Seite genügend kontrolliert. Die kirchliche Kontrolle sei durch den Superior und die Oberaufsicht des Bischofs gewährleistet. Voll Entrüstung über das bayerische Vorgehen wies sie daraufhin, dass in Frankreich die Unabhängigkeit des Ordens von den Regierenden zu allen Zeiten respektiert worden sei, selbst während der Revolution und unter Napoleon. Sollte diese Unabhängigkeit in Bayern nicht garantiert werden, wolle sie lieber wieder nach Frankreich zurückkehren. Das stichhaltigste Argument, das Schwester Ignatia anbrachte, war jedoch der Hinweis darauf, dass der Orden der Barmherzigen Schwestern als vinzentinische Gemeinschaft kein Orden im herkömmlichen Sinne sei, demnach also auch nicht unter die Klostergesetzgebung falle: „Obige allerhöchste Verordnung, die durchaus für Nonnenklöster berechtigt, kann auf das Institut der barmherzigen Schwestern nicht angewendet werden, da dieser Orden keine klösterliche Verfassung hat, sondern ein Verein katholischer Jungfrauen ist, die sich aus höheren Beweggründen dazu verstehen, nach gewissen Satzungen in Gemeinschaft unter einer Oberin zu leben, um sich aus Liebe zu Jesus dem Dienste der Armen und Kranken zu widmen, mit dem Vorbehalte, dass sie jederzeit frei und ungehindert austreten, und dass sie ebenso von den Oberen, wenn diese wichtige Gründe haben, entlassen werden können… Der Orden fordert zur Entwicklung seiner Tätigkeit möglichst freie Bewegung.“ 32 Durch die Eingabe erst auf die kritische Situation aufmerksam geworden, machte der über das Vorgehen seiner Ministerialbürokratie empörte König seinen Räten klar, wie viel ihm am Fortbestehen des Ordens in Bayern lag: „Das will ich nicht, das will ich nicht, man soll die Schwestern machen lassen, wie sie es in Frankreich gewohnt waren, sonst gehen sie mir fort, und das ist doch mein liebster Orden in ganz Bayern. Quälen Sie sie nicht, sonst verlieren sie den Mut!“ 33 59 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Um zu verhindern, dass die Schwestern mit ihrer Drohung, nach Frankreich zurückzukehren, ernst machten, setzte er sich in seiner bekannt autokratischen Regierungsweise mit einem Federstrich über die Gesetzgebung hinweg. Als Ausweg diente ihm dabei das Argument Schwester Ignatias, der Orden sei kein Orden im herkömmlichen Sinne, stünde somit außerhalb der Klostergesetzgebung. So genehmigte der König in einem Reskript vom 30. Mai 1835 die Statuten der Barmherzigen Schwestern in der von ihnen gewünschten Form und begründete die Umgehung der geltenden Klostergesetzgebung mit der Sonderstellung dieses Ordens: „1) Der Orden der barmherzigen Schwestern nach der Regel des heiligen Vinzenz von Paul soll in Bayern als eine zunächst für die Krankenpflege in öffentlichen Kranken-Anstalten bestimmte religiöse Genossenschaft, jedoch ohne klösterliche Verfassung bestehen. 2) Die Mitglieder desselben legen daher nur einfache, jährlich zu erneuernde Gelübde ab, und können, wenn sie diese nicht erneuern wollen, aus dem Orden freiwillig und ungehindert wieder austreten, oder von den Ordensobern aus hinreichenden Ursachen entlassen werden.“ 34 Die genehmigten Statuten bestimmten die Münchner Niederlassung zum Mutterhaus für Bayern und berechtigten dieses zur Gründung von Filialen in weiteren bayerischen Städten. Der König behielt sich allerdings vor, ein weiteres Mutterhaus, angedacht war Würzburg, in Bayern zuzulassen. Als Oberin des Münchner Mutterhauses wurde Schwester Ignatia als Generaloberin für ganz Bayern betrachtet. Zwei Assistenzschwestern sollten die Generaloberin unterstützen. Dazu wurden die Novizenmeisterin Schwester Apollonia und Schwester Xaveria Sturm bestimmt. Mit dem königlichen Reskript vom 30. Mai 1835 bekamen die Barmherzigen Schwestern die landesherrliche Zulassung als geistliche Gemeinschaft in Bayern und wurden zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Somit war ein entscheidender Schritt getan: die rechtliche Existenzgrundlage der neuen Ordensgemeinschaft war gesichert. 3.4. Erste grosse Bewährungsprobe: Choleraepidemie 1836/37 Schwester Ignatia führte die Ordensgemeinschaft streng, aber liebevoll. Stets war sie um Wohlergehen und Gesundheit ihrer Schwestern besorgt. So hielt sie sie immer dazu an, ausreichend zu essen. Nichts unterließ sie, von dem sie hoffte, es würde der Gesundheit der Schwestern förderlich sein. So schaffte sie beispielsweise eine eigene Ziege für den Orden an, weil sie beobachtet hatte, dass Ziegenmilch der hustenden Schwester Apollonia Erleichterung verschafft hatte. 60 Gründungsjahre der Kongregation in München Umso mehr litt Schwester Ignatia darunter, dass trotz all ihrer Fürsorge immer wieder Schwestern erkrankten und nicht wenige davon starben: „Der liebe Gott prüft uns recht hart. Allezeit haben wir Kranke. Kaum dass eine das Krankenzimmer verlässt oder stirbt, so kommt wieder eine andere, die schwer krank wird.“ 35 Als die Münchner Generaloberin dies im Mai 1835 an die Straßburger Generaloberin schrieb, wusste sie noch nicht, dass bald noch eine weit härtere Bewährungsprobe auf die junge Ordensgemeinschaft zukommen sollte. Cholera, eine Brechdurchfallerkrankung, die schon seit Jahrhunderten in Indien bekannt war, begann sich von dort aus seit 1817 epidemieartig zu verbreiten. Europa erreichte die Seuche erstmals 1830/31. Die erste Choleraepidemie in Deutschland im Jahr 1831 verschonte Bayern. Nun aber, im Jahr 1836, ergriff die Seuche, wahrscheinlich von Oberitalien ausgehend, auch Bayern. Die ersten Fälle gab es in Mittenwald und Altötting. Schon kurze Zeit später, am 11. August, wurde im Allgemeinen Krankenhaus in München der erste Cholerapatient eingeliefert. Die Münchner Bevölkerung nahm die vereinzelten Cholerafälle der nächsten Monate recht gelassen zur Kenntnis und feierte wie immer ausgelassen das Oktoberfest. Unruhe breitete sich erst aus, als ab Ende Oktober die Cholera epidemieartige Züge annahm. Das besonnene Handeln der Regierung jedoch trug dazu bei, Panik zu verhindern. Um das Volk zu beruhigen, blieb Ludwig I. ganz bewusst mit seinem Hof in München und erließ effiziente Maßnahmen zur Bekämpfung der Seuche. So sorgten über die Stadt verteilte Suppenküchen für eine ausreichende Ernährung der Armen, eine Maßnahme, die als Vorbeugung gegen die Krankheit dienen sollte. Zur schnelleren und besseren medizinischen Versorgung wurden ambulante Krankenstationen in den einzelnen Stadtvierteln aufgebaut und zwei Notkrankenhäuser in der Max- und der Annavorstadt eingerichtet. Die Hauptlast der medizinischen Versorgung lag dennoch beim Allgemeinen Krankenhaus und somit zu einem guten Teil bei den dort pflegenden Barmherzigen Schwestern. In den Monaten zwischen Oktober 1836 und Januar 1837, als die Cholera ihren Höhepunkt erreichte, wurden im Krankenhaus bis zu 53 statt der sonst etwa 14 Patienten täglich eingeliefert. Hinzu kam, dass es innerhalb des Krankenhauses zu Hausinfektionen kam. Patienten, die sich von anderen Krankheiten erholen mussten, waren besonders anfällig und steckten sich reihenweise an. Die Barmherzigen Schwestern waren Tag und Nacht im Einsatz und bemühten sich um die Kranken, teilweise bis zur völligen Erschöpfung. Trotzdem konnten sie nicht verhindern, dass sehr viele ihrer Patienten starben. Im Krankenhaus wurden nach dem offiziellen Cholerabericht des Münchner Polizeiarztes Kopp insgesamt 320 Cholerakranke behandelt, wovon 149 starben.36 61 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Eine jung verstorbene Barmherzige Schwester (Lithographie „So stirbt die Unschuld und Liebe“, vermutlich von Leopold Völlinger, eventuell aus der Zeit der ersten Choleraepidemie in München, EAM) Nicht nur die sehr hohe Zahl der Erkrankten, sondern vor allem auch die bei dieser Krankheit erforderliche intensive Pflege belastete die Barmherzigen Schwestern sehr. Sie waren fast rund um die Uhr im Einsatz und gönnten sich kaum Ruhe. Es war nicht verwunderlich, dass sie bei dem engen Kontakt mit den Cholerakranken und ihrer körperlichen Erschöpfung ebenfalls Opfer der Seuche wurden. Ein großer Teil der Schwestern erkrankte. Zeitweise waren zehn Schwestern gleichzeitig krank, was eine dementsprechend höhere Belastung für die übrigen Schwestern bedeutete. Die Seuche forderte von der Ordensgemeinschaft einen furchtbaren Tribut: Innerhalb von nur fünf Wochen starben fünf der jungen Schwestern. Das erste Opfer war Schwester Xaveria Sturm, die Assistenzschwester der Generaloberin, eine der Novizinnen der ersten Einkleidung 1832. Dieser Verlust schmerzte Schwester Ignatia in besonderem Maße, hatte sie doch gerade in diese Schwester größte Hoffnungen gesetzt. Durch ihre liebevolle und geduldige Art war sie sehr beliebt gewesen.Weitere fünf Schwestern blieben nach ihrer Infizierung chronisch krank. Eine davon, Schwester Corbiniana Stelzer, ebenfalls eine der ersten Novizinnen von 1832, starb im April 1837 an den Folgen der Cholera. Im Januar 1837 war die Cholera endlich abgeflaut, im Februar schon fast überstanden, offizielles Ende aber war erst der 1. März. Bevor die Schwestern jedoch aufatmen und sich etwas erholen konnten, schlug die nächste Epidemie zu. Im eiskalten und schneereichen März 1837 breitete sich eine Grippewelle in München aus. In ihrem ohnehin schon geschwächten Zustand erkrankten alle Schwestern. Die Generaloberin erlitt, da sie sich keine Schonung gönnte, zweimal einen Rückfall. Zur großen Erleichterung aller forderte die Grippe jedoch kein Todesopfer unter der Schwesternschaft. Während der Choleraepidemie war die Zahl junger Frauen, die um Aufnahme baten, nicht zurückgegangen. Ganz im Gegenteil, gerade in dieser schweren Zeit der ersten großen Bewährungsprobe, als offensichtlich wurde, wie hart, ja lebensgefährlich der Beruf einer Barmherzigen Schwester war, stieg die Zahl der Kandidatinnen weiter an. Der Heldenmut der Schwestern scheint eine unvorstellbar große Faszination auf gläubige junge Frauen aus62 Gründungsjahre der Kongregation in München geübt zu haben, ihrem Beispiel zu folgen, ihr ganzes Leben aus christlicher Nächstenliebe in den Dienst kranker Menschen zu stellen, bis hin zu der Konsequenz des eigenen sehr frühen Todes. Der Andrang neuer Kandidatinnen war so groß, dass in kurzer Zeit der Verlust der durch die Cholera gestorbenen Schwestern zahlenmäßig ausgeglichen war. Ja, Schwester Ignatia musste weitere Kandidatinnen schweren Herzens abweisen, da in der beengten Klosterklausur im Krankenhaus kein Platz mehr war. So wurde es unumgänglich, die während der Seuchenmonate auf Eis gelegten Pläne für einen Klosterbau wieder aufzugreifen. 3.5. Ein eigenes Mutterhaus für die Schwestern Schon von Anfang an war allen Beteiligten klar, dass die Unterbringung der Schwestern im Krankenhaus nur eine Notlösung sein konnte. Für die wachsende Ordensgemeinschaft wurden die zur Verfügung gestellten Räume bald zu klein. Zudem benötigte das Krankenhaus die von den Schwestern belegten Krankensäle für seine Patienten. Schon im Juni 1833 schrieb Schwester Ignatia nach Straßburg: „Man spricht viel davon, ein Kloster zu bauen samt einer schönen Kirche, und man hofft, der König werde etwas dazu beitragen.“ 37 Gerade dieVertreter des Krankenhauses erkannten, dass es im Interesse des Krankenhauses war, die Zukunft des Ordens durch den Bau eines eigenen Mutterhauses und durch die Regelung des Unterhalts für die Schwestern zu sichern. So bedauert der Oberarzt von Walther, inzwischen überzeugt von der Qualität der Pflege durch die Schwestern, in seiner Abhandlung über die Situation am Allgemeinen Krankenhaus im Jahr 1835: „Leider aber fehlt es diesem wohltätigen Orden an einem Kloster … an einer Klosterkirche, an einem eigenen Fonds zur Kleidung, Beköstigung und anderweitigen Versorgung der Schwestern und ihrer geistlichen Oberin.“ 38 Außerdem befürchtete er eine Gesundheitsgefährdung: Die teilweise noch sehr jungen Schwestern würden sich leicht anstecken, manche seien sogar noch anfällig für Kinderkrankheiten und die Sterblichkeit sei erschreckend hoch. Bei der Cholera epidemie sollte sich zeigen, wie Recht von Walther mit seiner Einschätzung der Gesundheitsgefährdung der Schwestern gehabt hatte. Nachdem für den Orden durch die staatliche Anerkennung und die Übernahme der gesamten Ökonomie am Münchner Krankenhaus die Weichen Richtung Zukunft gestellt worden waren, beantragte Superior Michael Hauber offiziell beim König den Bau eines eigenen Mutterhauses zur Unterbringung von 100 Schwestern.39 Bei Ludwig I. stieß er mit dieser Eingabe auf offene Ohren. Ludwigs Ziel war nach wie vor, möglichst 63 Festschrift der Barmherzigen Schwestern viele bayerische Krankenhäuser mit Barmherzigen Schwestern zu versorgen. Auch dem König war klar, dass der Orden dafür ein geräumiges Mutterhaus benötigte, in dem mehr Kandidatinnen aufgenommen und ausgebildet werden könnten, als für den Bedarf im Allgemeinen Krankenhaus nötig waren. Im Krankenhaus hatte man mit Mühe und Not bisher nur die 50 Schwestern unterbringen können, die man im Haus selbst brauchte. Ohne zu zögern bewilligte der König deshalb den Antrag des Superiors. Allerdings war damit der Bau noch nicht gesichert, da der Antrag nun erst durch die Mühlen der bayerischen Bürokratie musste. Wie immer ging es vor allem um die Frage der Finanzierung. Nach dem Willen des Königs sollten sich sowohl die Stadt als auch der Staat an den Baukosten beteiligen. Einig waren sich alle Beteiligten nur darüber, dass der Neubau in unmittelbarer Nähe des Allgemeinen Krankenhauses entstehen sollte. Nach einer Idee des Königs sollte er aus Rücksicht auf die dort eingesetzten Schwestern mit dem Krankenhaus durch einen überdachten Verbindungsgang verbunden werden. Das Bewilligungsverfahren zog sich lange hin, sodass Schwester Ignatia am 5. August nach Straßburg meldete, man habe mit dem Bau immer noch nicht beginnen können: „In Bayern geht halt alles langsam. Gut’ Ding will eben Weile haben.“ 40 Endlich, am 17. August 1836, erfolgte die endgültige Bewilligung durch den König. Zur Finanzierung des Baus, dessen Kosten von den Behörden auf etwa 106.000 bis 110.000 Gulden veranschlagt waren, stellte der König einen Zuschuss von 20.000 Gulden vonseiten der Stadt München und 50.000 Gulden vonseiten der Regierung in Aussicht. Aus seiner eigenen Privatschatulle versprach er, 10.000 Gulden zuzuschießen. Den Rest müsse der Orden selbst aufbringen. Allerdings genehmigte er dem Orden die Durchführung einer öffentlichen Sammlung. Der am 6. Oktober 1836 von Generaloberin und Superior veröffentlichte Spendenaufruf fand große Resonanz. So kamen über 16.000 Gulden an Spenden zusammen. Davon stammte der größte Teil, nämlich ungefähr 12.000 Gulden, von hochgestellten Persönlichkeiten, größtenteils aus dem bayerischen Königshaus. Aber auch das einfache Volk beteiligte sich rege im Rahmen seiner Möglichkeiten an der Spendenaktion. Mit diesen Spendengeldern und den vom König in Aussicht gestellten Zuschüssen von Stadt und Staat schien die Finanzierung weitgehend gesichert. Da der Stadtma gistrat die Bewilligung des städtischen Zuschusses davon abhängig gemacht hatte, dass der Orden selbst als Bauherr auftrat, übernahm Superior Hauber als Vertreter des Ordens diese Funktion. Er handelte mit dem Stadtmaurermeister Höchl aus, dass dieser für eine Pauschalsumme von 100.000 Gulden den Bau erstellen sollte, die der Orden in neun Raten abzuzahlen hätte. Acht Raten zu je 10.000 fl. waren nach 64 Gründungsjahre der Kongregation in München Mutterhaus und Medizinische Klinik (früher Allgemeines Krankenhaus), Luftbild ca. 1970 jeweils bestimmten Bauabschnitten zu bezahlen. Die neunte und letzte Rate sollte bei Fertigstellung in Höhe von 20.000 fl. fällig werden. Der König entschied sich Ende Oktober 1836, dass der Bau nach den Plänen des Hofarchitekten Friedrich von Gärtner ausgeführt werden sollte. Ziel Gärtners war es vor allem, dass sich das neue Kloster harmonisch an den Bau des Allgemeinen Krankenhauses anfügte, dessen Architekt sein Lehrer von Fischer war. Der Abstand des Klosters zum Krankenhaus musste so groß sein, dass den Krankensälen kein Licht durch das neue Gebäude genommen wurde. Der rechteckige Baublock des Mutterhauses sollte in Verlängerung der Südachse des Krankenhauses entstehen. Geplant war ein dreigeschossiger Bau, dessen vier Flügel einen Innenhof umschließen sollten. An der Westseite sollte die Mutterhauskirche als einschiffige Saalkirche mit einer gerundeten Apsis nach Westen entstehen. Eine zweigeschossige Empore an der Rückwand sollte Platz für die wachsende Schwesterngemeinschaft bieten. Als die Choleraepidemie endlich am Abklingen war, erfolgte Mitte Februar 1837 der erste Spatenstich und die Grabarbeiten für die Fundamente begannen. Schon am 13. Mai 1837 konnte die Grundsteinlegung gefeiert werden. Auf Wunsch des Königs erfolgte sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit, was aber der Feierlichkeit keinen Abbruch tat. In Anwesenheit von Vertretern der Stadt, der Geistlichkeit und des Krankenhauses legten Superior und Generaloberin nach den vorgeschriebenen Gebeten den vom Architekten und königlichen Oberbaurat Prof. Friedrich von Gärtner gespendeten Grundstein. Der Bau wurde zügig vorangetrieben, obwohl seine Finanzierung, wie sich bald herausstellte, noch nicht endgültig gesichert war. Die Landstände hatten den vom König in Aussicht gestellten staatlichen Bauzuschuss von 65 Festschrift der Barmherzigen Schwestern 50.000 Gulden noch nicht genehmigt. Dies war auch der Grund, warum der König bei der Grundsteinlegung möglichst wenig öffentliche Aufmerksamkeit gewünscht hatte. Die Bedingungen für eine Bewilligung des staatlichen Finanzierungsbeitrags schienen alles andere als günstig zu sein. In der Abgeordnetenkammer hatte sich im Frühjahr 1837 massiver Widerstand gegen die Klosterpolitik Ludwig I. formiert. Seit seinem Regierungsantritt hatte der König die Wiedereinführung von Orden in Bayern in großzügigster Weise gefördert. Nicht weniger als 75 Ordensniederlassungen waren in diesen vergangenen zwölf Jahren entstanden. Ludwig konnte sich auf die Rechtsgrundlage des Konkordats von 1817 berufen, in dem der bayerische König dem Heiligen Stuhl in Artikel 7 zugestand, für den Unterricht und die Seelsorge wieder Orden zuzulassen. Die Ordensgegner in Bayern waren jedoch der Meinung, dass der König diesen Artikel des Konkordats inzwischen mehr als erfüllt hätte. Deshalb brachten sie im Juni 1837 einen Antrag in der Abgeordnetenkammer ein, dass mit staatlicher Hilfe kein Kloster mehr errichtet werden solle. Sollte ein Kloster aus privaten Mitteln eingerichtet werden, müsste es selbst über genügend Finanzmittel verfügen, um seinen Unterhalt zu sichern. In der Sitzung vom 28. Juni 1837 führte die Gesetzesvorlage zu einer heftigen Debatte zwischen Ordensgegnern und Ordensfreunden. Prof. von Ringseis, nicht nur Oberarzt am Allgemeinen Krankenhaus, sondern auch Abgeordneter, war einer der Fürsprecher der Klöster. Sein Hauptanliegen war, für die Barmherzigen Schwestern eine Sonderregelung zu erwirken. Nicht zuletzt wegen der offensichtlichen Verdienste, die sich die Schwestern während der Choleraepidemie erworben hatten, gelang es Ringseis, auch Abgeordnete, die alles andere als ordensfreundlich gesinnt waren, für eine Ausnahmeregelung für Krankenpflegeorden zu gewinnen. Daraufhin brachte die königliche Regierung einen Antrag in der Kammer ein, den Mutterhausbau mit einer einmaligen Zahlung von 50.000 fl. zu unterstützen und dem Orden für seinen Unterhalt in den nächsten sechs Jahren je 10.000 fl. jährlich zuzubilligen. Während sich die Abgeordneten relativ schnell bereit erklärten, dem einmaligen Bauzuschuss zuzustimmen, stieß die jährliche Unterhaltszahlung zunächst auf starke Bedenken und konnte erst bei der 3. Vorlage am 2. November 1837 endgültig durchgesetzt werden. Dies war wiederum hauptsächlich das Verdienst von Rngseis mit seinen Argumenten, der bayerische Staat sei laut Reichsdeputationsschluss von 1803 verpflichtet, das durch die Säkularisation eingenommene Vermögen zumindest teilweise wieder wohltätigen Zwecken zuzuführen. Außerdem berief er sich auf das Konkordat von 1817, in dem zugesagt wurde, in Bayern wieder Klöster einzurichten und mit einer entsprechenden Dotation zu versehen. Die Barmherzigen Schwestern hätten deshalb einen Rechtsanspruch auf 66 Gründungsjahre der Kongregation in München einen Unterhaltszuschuss durch den Staat. Schließlich einigten sich die Abgeordneten darauf, dass die 50 im Krankenhaus tätigen Schwestern von der Stadt finanziert werden sollten, für die darüber hinausgehende Zahl an Schwestern sollte der Staat die Kosten übernehmen. Dafür sollte der Orden vom Staat eine Das alte jährliche Unterhaltsleistung von Altarbild der Mutter10.000 Gulden für die nächsten hauskirche sechs Jahre erhalten. Nach Ausvon 1839 bildung dieser Schwestern und (Gemälde ihrem Einsatz in anderen Kranvon Robert kenhäusern sollten diese für von Langer) ihren Unterhalt aufkommen. Ausschlaggebend für das letztlich positive Ergebnis war sicher neben der Überzeugungsarbeit von Ringseis, dass selbst überzeugte Ordensgegner die Verdienste der Barmherzigen Schwestern am Allgemeinen Krankenhaus für die Krankenpflege allgemein und insbesondere während der Cholerazeit anerkennen mussten. Sie ließen sich, nachdem sie sich näher über den Orden informiert hatten, von seinem segensreichen Wirken überzeugen und sprachen voll Anerkennung und Lob von ihm. Ein protestantischer Abgeordneter meinte sogar, der Orden der Barmherzigen Schwestern sei die einzige Einrichtung, um die er als Protestant die katholische Kirche beneide. Zur großen Beruhigung der Ordensoberen hatte der Mutterhausbau nun endlich eine solide Finanzierungsgrundlage. Der Rohbau des neuen Klosters stand bereits bei Einbruch des Winters 1837/38. Allerdings nahm der Innenausbau noch fast zwei weitere Jahre in Anspruch. Groß war die Freude der Schwestern, als am 29. September 1839 die Einweihung gefeiert werden konnte. Schon Tage vorher hatten sie begonnen, Kloster und Kirche mit Blumen und Kränzen zu schmücken. Erzbischof Lothar Anselm von Gebsattel ließ es sich trotz seines hohen Alters nicht nehmen, die Einweihungszeremonie persönlich zu leiten. Unter der Assistenz zahlreicher Geistlicher weihte der greise Erzbischof den Hauptaltar zu Ehren des hl.Vinzenz von Paul und die Seitenaltäre zu Ehren des hl. Josef und der hl. Elisabeth. Bei der anschließenden Pontifikalmesse war auch die Öffentlichkeit zugelassen. Aus Dankbarkeit gegenüber ihrem großen Wohltäter Ludwig I. wurde das Messopfer der Einweihungsfeier und der 67 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Der Garten des Mutterhauses (aus dem Leporello „Ansichten von dem Kloster der barmherzigen Schwestern in München“, C. Heindel’s Kunstanstalt München, ca. 1840) jährlichen Gedächtnistage für ihn aufgeopfert. Ganze 8 Tage lang feierten die Schwestern mit täglichem Hochamt und nachmittäglicher Litanei die Einweihung ihres neuen Hauses, wobei auch der übrigen Wohltäter des Baus und der 36 bereits verstorbenen Schwestern gedacht wurde. Wie glücklich war die junge Ordensgemeinschaft, als sie am 30. September ihr neues Kloster beziehen konnte, das laut Pressemeldung „ein seinem Zwecke entsprechendes, einfaches und prunkloses, aber doch großartiges Gebäude mit freundlichen, hohen und geräumigen Sälen, Zimmern und Gängen“ 41 war. Größere Sorgfalt als auf die innere Einrichtung des Hauses verwendete der Orden auf die Ausschmückung der Kirche, die der Mittelpunkt des Hauses werden sollte. Für ihre Kirche mit dem leicht ovalen Grundriss erwarben die Schwestern künstlerisch gestaltete Glasfenster zum Herstellerpreis bei der Nymphenburger Porzellanmanufaktur. Auf Wunsch Schwester Ignatias schuf der königliche Akademieprofessor von Langer ein großes Altarbild, das den Ordensstifter Vinzenz von Paul umgeben von Barmherzigen Schwestern, Missionspriestern und Kranken und Waisen zeigte. Von Langer schuf auch die Altarbilder der beiden Seitenaltäre. Die Innenausstattung ließ die Baukosten auf 135.000 bis 150.000 Gulden ansteigen. Ohne zahlreiche weitere Spenden hätte der Orden diese Kosten nicht tragen können. Insbesondere Angehörige des Königshauses trugen zudem mit Sachspenden zur Ausstattung der Kirche bei. So spendete König Ludwig I. die ehemalige Orgel des protestantischen Betsaals der Residenz. Damit sich die Schwestern ungestört vom Publikumsverkehr des Allgemeinen Krankenhauses und geschützt vor Regen und Hitze erholen konnten, genehmigte die königliche Regierung den Bau eines überdachten Arkadenganges im Krankenhausgarten. Ausgeschmückt wurde dieser Gang von den Schwestern mit Kreuzwegstationen und mit Bildern aus der könig68 Gründungsjahre der Kongregation in München Mutterhaus und Allgemeines Krankenhaus mit dem überdachten Verbindungsgang (ebenfalls aus dem Leporello von 1840) lichen Gemäldegalerie, die ihnen der König, begeistert von den schönen Arkaden, als Leihgabe angeboten hatte. Die junge Ordensgemeinschaft hatte nun endlich ihr lang ersehntes eigenes Haus, wie auch die Presse zur Eröffnung zufrieden feststellte: „Das Mutterhaus der wackern Barmherzigen Schwestern steht nun herrlich und bequem ausgebaut in dem schön angelegten Garten hinter dem Hauptgebäude da. So ist das städtische Allgemeine Krankenhaus in München jetzt eine Musteranstalt der Menschlichkeit und Wohltätigkeit, in allen einzelnen Einrichtungen in jeder Hinsicht vortrefflich.“ 42 Mutterhaus und Allgemeines Krankenhaus gingen in den folgenden anderthalb Jahrhunderten eine einzigartige Symbiose ein. Eine Symbiose, die die Entwicklung des Krankenhauswesens in München entscheidend beeinflussen sollte. Als Symbol für diese Symbiose stand der von Generationen von Assistenzärzten scherzhaft als „Aquaeductus Sylvii“ bezeichnete Verbindungsgang zwischen Krankenhaus und Mutterhaus. Dieser Fachbegriff aus der Medizin steht für einen Verbindungsgang im menschlichen Gehirn, dessen Unterbrechung schwerwiegende, ja lebensbedrohende Folgen haben würde. So wurde demnach auch die Zusammenarbeit zwischen Mutterhaus und Krankenhaus als existentiell für ein gutes Funktionieren der Klinik gesehen. Doch dieses neue Haus war nicht nur für die weitere Entwicklung des Allgemeinen Krankenhauses von größter Bedeutung. Mit dem Mutterhaus hatten die Schwestern nun eine Zentrale, von der aus die Ausbreitung des Ordens in ganz Bayern geleitet und gesichert werden konnte. * 69 Kapitel 4 Erfolgreiche Entwicklung des Ordens unter Schwester Ignatia Jorth 4.1. Gründung der ersten Filialen in Bayern Schon bei der Einführung des Instituts der Barmherzigen Schwestern in Bayern war es das erklärte Ziel von König Ludwig I, die Schwestern nicht nur am Allgemeinen Krankenhaus in München, sondern in möglichst vielen, ja am liebsten in allen Krankenhäusern in Bayern einzusetzen. Diesen Wunsch hatte er bereits bei der ersten Audienz, die er Schwester Ignatia im Herbst 1832 gewährte, sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. In den Statuten des Ordens ließ er in § 3 ausdrücklich festlegen, dass das Mutterhaus berechtigt ist, Filialen zu gründen. Er hatte zudem darauf bestanden, dass ein weiteres Mutterhaus in Bayern eingerichtet werden sollte, nach Möglichkeit in Würzburg. Der König stand mit diesem Wunsch keineswegs allein. Kaum hatte sich die Einführung des neuen Instituts herumgesprochen, gingen zahlreiche Anfragen beim Magistrat in München ein, in denen Städte aus ganz Bayern Interesse bekundeten, ebenfalls Barmherzige Schwestern an ihren Krankenhäusern einzuführen. Anfragen kamen aus vielen Städten, wie Augsburg, Nürnberg, Regensburg, Ansbach, Bamberg, Kempten, Dillingen, Straubing, Landsberg und Passau. In diesen Briefen wurde die Stadt München meist auch um eine Beurteilung der Arbeit des Ordens am Krankenhaus gebeten. Die Antwortschreiben zeugen davon, wie überaus zufrieden der Magistrat mit der Arbeit der Schwestern in Bezug auf Krankenpflege und Hauswirtschaft war. Dieses hervorragende Zeugnis bestärkte die interessierten Städte, ihr Ansinnen noch nachdrücklicher zu vertreten und die Generaloberin zu bestürmen, Schwestern für ihre Krankenhäuser zu schicken. 70 Erfolgreiche Entwicklung des Ordens unter Schwester Ignatia Jorth Generaloberin Schwester Ignatia war darüber zunächst alles andere als glücklich. Mit ihrem ausgeprägten Sinn für das Machbare war ihr klar, dass die junge Kongregation noch nicht reif war für eine bayernweite Ausbreitung. Von den ihr anvertrauten jungen Schwestern hielt sie noch keine für fähig, als Oberin eine Filiale eigenständig zu führen. So schrieb sie am 4. August 1833 nach Straßburg: „Mehr als sechs Städte arbeiten zurzeit daran, Schwestern zu erhalten. Mir wird es Angst dabei. Die Zeit ist noch nicht gekommen, da unsere jungen Schwestern doch noch nicht erfahren genug sind, um neben der Krankenpflege auch die Verwaltung von Häusern zu übernehmen.“ 43 Schwester Ignatia befürchtete durch die Übernahme eines Projektes, dem sie noch nicht gewachsen wären, eine Überforderung der jungen Schwestern und eine Schädigung des Ansehens des gesamten Ordens. Aus diesen Gründen lehnte sie zunächst alle Anfragen ab. Der König hatte die Absicht, im Würzburger Julius-Spital ein zweites bayerisches Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern einzurichten. Als der Würzburger Bischof deshalb im Sommer 1833 genauere Informationen einholte, schrieb Schwester Ignatia wieder voll Sorge an die Straßburger Generaloberin: „Beten Sie doch, liebe Frau Mutter, dass nichts aus dem Plane wird, bis wir geeignete Leute haben, um ein so bedeutendes Spital zu übernehmen.“ 44 Im Gegensatz zu Schwester Ignatia sah Superior Hauber die Übernahme von weiteren Krankenhäusern in diesem frühen Stadium als weit weniger problematisch an. Dass Hauber die Münchner Oberin drängte, den Willen des Königs nach Übernahme von weiteren Häusern möglichst bald zu erfüllen, kommt deutlich in einem Brief Schwester Ignatias an die Generaloberin in Straßburg zum Ausdruck: „Niemand ist geschwinder bei der Hand, wenn es neue Häuser zu übernehmen heißt, als der Superior. Noch letzthin habe ich ihm gesagt, die Herren sollten doch noch ein paar Jahre warten. Er antwortete aber, der liebe Gott werde schon helfen!“ 45 Im Jahr 1835 musste Schwester Altes städIgnatia endgültig ihren Widerstand tisches Kranaufgeben, als der König ausdrückkenhaus in lich wünschte, dass der Orden das Landshut, städtische Krankenhaus in Landshut An der übernähme.Verhandlungen mit der Lände 71 Festschrift der Barmherzigen Schwestern dortigen Stadtverwaltung liefen schon seit 1833 und fanden im April 1835 ihren Abschluss, als Schwester Ignatia mit ihrer Novizenmeisterin Schwester Apollonia persönlich nach Landshut reiste und sich vor Ort ein Bild von der Lage machte. Als Oberin für die neue Niederlassung wählte sie Schwester M. Benonia Stanglmeier aus. Diese war eine der Schwestern der ersten Einkleidung und hatte sich schon unter Schwester Mechtildis am Münchner Krankenhaus bewährt. Trotzdem hatte die Generaloberin Bedenken, ob sie der Aufgabe gewachsen wäre. Nach Straßburg schrieb sie, Schwester Benonia könne zwar schön schreiben, rechnen und nähen, aber vom Haushalt verstehe sie nichts. Deshalb habe sie ihr zwei Schwestern mitgegeben, die von der Hauswirtschaft mehr verstünden. Allerdings sei die Auswahl an geeigneten Schwestern noch sehr gering. An das Landshuter Krankenhaus sollten insgesamt 6 Schwestern aus München abgegeben werden. Diese 6 reisten am 21. Juli 1835 zusammen mit der Generaloberin und dem Superior in zwei vom Landshuter Magistrat zur Verfügung gestellten Wagen zu ihrem neuen Einsatzort. Obwohl sie schon um 6.00 Uhr früh abgereist waren, kamen die Schwestern erst am Abend im Landshuter Spital an, wo für sie schon Zimmer vorbereitet waren. Abgesehen von den Zimmern für die Schwestern, die in einen ordentlichen Zustand gebracht worden waren, waren die Zustände im übrigen Haus anscheinend alles andere als erfreulich. So fehlten Einrichtungsgegenstände, Wäsche für die Kranken und Geschirr. Auch die Reinlichkeit ließ viel zu wünschen übrig. Eine Hauskapelle war vorhanden, musste aber erst noch benediziert werden und für den Gottesdienst mussten die Gewänder und Geräte beim Ursulinenkloster entliehen werden. Am 25. Juli war alles soweit geordnet, dass die feierliche Einführung der Schwestern erfolgen konnte. Nach dem Gottesdienst stellte der Superior dem Ärztepersonal und dem Magistrat im Refektorium die Schwestern vor. Auf Initiative Schwester Ignatias ließ der Landshuter Magistrat am 9. August einen Spendenaufruf für das finanziell völlig unzureichend ausgestattete Krankenhaus im „Landshuter Morgenblatt“ abdrucken. Die Bevölkerung, die der Ankunft der Schwestern sehr wohlwollend gegenüber stand, zeigte sich äußerst spendabel, so dass schnell eine Verbesserung der finanziellen Lage erzielt werden konnte. Mit diesem Geld und städtischen Zuschüssen konnten nun die nötigsten Anschaffungen getätigt werden, so vor allem neue Wäsche, Betten und Matratzen und weiteres Geschirr. Die Entwicklung der ersten auswärtigen Niederlassung der Münchner Kongregation wurde von der Öffentlichkeit sehr genau beobachtet. Vertreter kirchlicher und staatlicher Behörden inspizierten die Einrichtung, um sich ein Bild zu machen. Da sich die Veränderung zum Positiven schon sehr schnell und deutlich zeigte, fand das Wirken der Barmherzigen Schwestern auch die entsprechende Anerkennung in der Öffentlichkeit. So schrieb das 72 Erfolgreiche Entwicklung des Ordens unter Schwester Ignatia Jorth „Landshuter Wochenblatt“ am 4. September 1836, also gerade mal ein Jahr nach der Übernahme: „Allein so groß auch die Kosten waren, welche der Stadtmagistrat auf Restauration des Krankenhauses verwendete, so ist es gewiß, daß der edle und gute Zweck nur zur Hälfte würde erreicht worden sein, wenn nicht die Barmherzigen Schwestern an diesem Werke den tätigsten Anteil genommen hätten… Dem stillen, harmonischen Zusammenwirken der sechs Barmherzigen Schwestern wurde jedoch der schönste Lohn: nach einem Jahr sieht der Menschenfreund eine Krankenanstalt vor sich, welche hinsichtlich ihrer neueren Einrichtung fast mit allen Krankenhäusern des Vaterlandes auf gleicher Stufe steht, ja mehrere und zwar größere Städte weit hinter sich lässt.“ 46 Nachdem sich die erste Filialgründung als so erfolgreich erwiesen hatte, wagte Schwester Ignatia den nächsten Schritt. Schon seit dem Tod der Frau des Verwalters des Heilig-Geist-Spitals im Frühjahr 1836 versuchte der Münchner Magistrat, die Barmherzigen Schwestern zur Übernahme dieses alten und bedeutenden Spitals zu bewegen. Wie schon erwähnt, war es seit 1823 im ehemaligen Elisabethspital in der heutigen Mathildenstraße untergebracht und inzwischen eine reine Pfründneranstalt geworden. Wegen der günstigen Lage des Hauses nahe beim Allgemeinen Krankenhaus hielt Schwester Ignatia die Übernahme für zumutbar für ihre junge Schwesterngemeinschaft. Ein schwerer Schlag für die Kongregation war, als unmittelbar nach der Übernahme die Cholera im Spital zahlreiche Opfer forderte. Die durchwegs schon älteren Insassen, die teilweise ihre Gesundheit durch ungesunden Lebenswandel stark geschwächt hatten, konnten der Seuche nicht genügend Widerstand entgegensetzen. Der Schritt über die Bistumsgrenzen: Regensburg und Neumarkt Trotz der ungeheuren Belastung durch die Choleraepidemie und des Baubeginns für das Mutterhaus wurde gerade das Jahr 1837 besonders fruchtbar, was die Gründung weiterer Filialen anbetraf. Jetzt wagte man sogar den Schritt über die Grenzen des Erzbistums München und Freising hinaus. Schon Anfang April 1837 reisten die Schwestern Ignatia und Apollonia zusammen mit Superior Hauber nach Regensburg, um wegen der Übernahme des dortigen katholischen Krankenhauses, das dem Domkapitel unterstand, mit dem Regensburger Bischof Schwäbl zu verhandeln. Der Superior reiste von dort nach Neumarkt in der Oberpfalz weiter, wo ein Wohltäter dem Krankenhaus 4000 Gulden spenden wollte, falls die Barmherzigen Schwestern es übernehmen sollten. Es kam sowohl mit Regensburg als auch mit Neumarkt zu einer Einigung. 73 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Am 14. Oktober 1837 erfolgte die feierliche Einführung von fünf Barmherzigen Schwestern am Regensburger Krankenhaus. Schwester Ignatia, die wie immer ihre Schwestern zu ihrem neuen Einsatzort begleitete, musste gleich nach dem Gottesdienst weiter in Richtung Neumarkt reisen, wohin Beichtvater Sintzel mit den für das Neumarkter Krankenhaus vorgesehenen Schwestern schon vorausgereist war. Die Generaloberin schonte sich nicht bei der zweitägigen Reise von Regensburg nach Neumarkt. Um 4 Uhr früh fuhr sie schon weiter, um rechtzeitig zur Einführungsfeier in Neumarkt zu sein. Im Gegensatz zu dem Aufwand, der für die Einführungsfeierlichkeiten betrieben worden war, war das Neumarkter Krankenhaus äußerst ärmlich. Die Schwestern mussten dort noch jahrelang unter großem Mangel leiden, da das Krankenhaus wie viele Einrichtungen damals sehr dürftig eingerichtet und finanziell unzureichend abgesichert war. Auf der Rückreise von Neumarkt besuchte die Generaloberin ihre Schwestern in Landshut. Der dortige Magistrat sprach ihr seine Zufriedenheit mit der Entwicklung am Krankenhaus aus und stellte ihr in Aussicht, der Orden könne auch das Pfründner- und Waisenhaus übernehmen. Zu der Verwirklichung dieser Absicht kam es jedoch erst im Jahr 1843. Aufbruch nach Franken: Aschaffenburg und Orb Im Jahr 1837 stand eine weitere Übernahme an, die sich aber schwieriger gestaltete. Auf ausdrücklichen Wunsch des Königs sollten die Schwestern das Krankenhaus in Aschaffenburg übernehmen. Ludwig I. wollte unbedingt die Ausbreitung des Ordens nach Franken. Die mehrjährigen Verhandlungen mit Würzburg waren aus mehreren Gründen erfolglos geblieben. Schwester Ignatia hatte sich lange dagegen gesträubt, mit ihren jungen, unerfahrenen Schwestern ein so renommiertes Spital wie das Juliusspital zu übernehmen. Aber auch die Würzburger selbst hatten gezögert, Schwestern aus Altbayern nach Würzburg zu holen, da in der fränkischen Bevölkerung eine feindliche Haltung gegenüber allem Altbayerischem stark verbreitet war. Viele Franken nahmen den Altbayern die Vereinnahmung Frankens im neuen bayerischen Königreich übel. So hätten die Würzburger lieber Schwestern aus Straßburg geholt. Die Verhandlungen mit Straßburg scheiterten jedoch ebenfalls, da die Würzburger mehr Schwestern benötigten als Straßburg hätte abgeben können. Zudem wussten die Straßburger Oberen um die Bedenken Schwester Ignatias, sollte in Würzburg ein zweites bayerisches Mutterhaus entstehen. Als nun die Anfrage wegen Aschaffenburg kam, zögerte Schwester Ignatia ebenfalls, ihre Schwestern in das „feindliche“ Franken zu schicken. Auch 74 Erfolgreiche Entwicklung des Ordens unter Schwester Ignatia Jorth Krankensaal des Städtischen Krankenhauses Aschaffenburg erschien ihr die Entfernung Aschaffenburgs vom Mutterhaus in München als problematisch. Man benötigte damals immerhin 80 Stunden in der Postkutsche für diese Strecke. Doch alles Sträuben nutzte nichts, da König und Regierung diesem Projekt große Bedeutung zumaßen und die Generaloberin dementsprechend unter Druck setzten. Dort übernahmen vier Barmherzige Schwestern am Elisabethtag, dem 19. November 1837, die Einrichtung für Kranke, Waisen und Pfründner. Die Befürchtungen der Generaloberin bestätigten sich. Die Schwestern stießen in Aschaffenburg zunächst auf viel Feindseligkeit bei den Ärzten, Behörden und der Bevölkerung. So schrieb Schwester Ignatia nach Straßburg: „Mit den Aschaffenburgern haben wir viel Unangenehmes.Wir haben uns ja lange geweigert, ins Frankenland zu gehen. Die Franken wollen nämlich nichts mit den Altbayern zu tun haben, weil sie glauben, gescheiter zu sein als diese. Jetzt sind sie aber auch noch grob mit den Schwestern, sodaß ich dem Bürgermeister mit der Zurückziehung der Schwestern drohen mußte. Das wollen sie nun aber doch nicht; der König würde ihnen auch etwas erzählen!“ 47 Nein, der König wollte dieses Unternehmen keineswegs gefährdet sehen. Er forderte schon im Jahr darauf, also 1838, eine weitere Schwester für Aschaffenburg an. Schwester Ignatia begleitete diese Schwester und nutzte diese Gelegenheit, um nach dem Rechten zu sehen. Auch ihr war daran gelegen, dass das nun schon einmal begonnene Projekt nicht scheiterte.Wie viel der Regierung am Gelingen lag, sieht man unter anderem daran, dass sie der Generaloberin für die Fahrt von zwei Tagen und zwei Nächten einen eigenen Postwagen zur Verfügung stellte. Der König, der sich gerade in seiner Residenz in Aschaffenburg aufhielt, als Schwester Ignatia dort eintraf, empfing sie zu einer langen Audienz. Er ließ sich von ihr über die Entwicklung der Kongregation allgemein 75 Festschrift der Barmherzigen Schwestern informieren und speziell über die Probleme in Aschaffenburg. Er sprach dem Orden sein vollstes Vertrauen aus und bat die Generaloberin, ihr Werk weiter so zielstrebig fortzusetzen. So groß die Freude Schwester Ignatias war über das Wohlwollen des Königs, so wenig erfreut war sie über seinen Wunsch, der Orden solle zusätzlich noch das Krankenhaus in der Stadt Orb übernehmen. Orb, heute Bad Orb in Hessen, war 1814 mit dem ehemaligen Fürstentum Aschaffenburg an Bayern gefallen. Das Städtchen im Spessart war bis dahin durch Salzhandel relativ wohlhabend gewesen. Die neue bayerische Regierung verbot Orb den Handel mit Salz, um diese Konkurrenz für Reichenhall auszuschalten. Der Wegfall seiner Haupteinnahmequelle hatte für Orb verheerende Folgen: Stadt und Umland verarmten völlig. Die bayerische Regierung, die für die katastrophalen Zustände dort unmittelbar verantwortlich war, sah sich gezwungen, der Stadt etwas unter die Arme zu greifen. Eine Maßnahme war die Gründung eines Krankenhauses im Jahr 1834. Für diese Einrichtung, die neben Kranken auch Waisen und Pfründner versorgen sollte, wünschte Ludwig I. die Barmherzigen Schwestern. Erst nachdem ihr der König in der Audienz die Not der Bevölkerung und auch die damit einhergehende große sittliche Verwahrlosung anschaulich geschildert hatte, erklärte sich Schwester Ignatia bereit, diese Aufgabe für ihre ohnehin schon bis an die Grenzen der Belastbarkeit geforderte Ordensgemeinschaft zu übernehmen. Mit der ihr eigenen Tatkraft reiste sie sofort von Aschaffenburg nach Orb, um die dortigen Verhältnisse und das sich noch im Bau befindliche Krankenhaus in Augenschein zu nehmen. Sie erreichte, dass beim Bau alles berücksichtigt wurde, was später für den Betrieb im Sinne des Ordens nötig sein würde. Außerdem machte sie in ihrem Bericht an die Regierung deutlich, dass es unumgänglich sei, dass das Krankenhaus auf eine gesunde finanzielle Basis gestellt werde. Die endgültige Übernahme des Hauses in Orb erfolgte im Jahr 1840. Im selben Jahr übernahm die Kongregation auch das Kranken- und Armenhaus in Haidhausen, aus dem später das Klinikum Rechts der Isar hervorging. 1841 folgte die Übernahme des alten Stadtkrankenhauses am Anger in München, das seit der Eröffnung des Allgemeinen Krankenhauses nur noch als Armenhaus diente. Da die finanzielle Absicherung dieses Hauses nicht ausreichte, entschloss sich Schwester Ignatia, die Verpflegung von 12 Frauen und 12 Männern auf Kosten des Ordens zu übernehmen. Nachdem im Jahr darauf auch das finanziell wesentlich besser gestellte Josephspital unter die Leitung des Ordens gestellt wurde, waren alle damals in München bestehenden Armenanstalten in der Hand der Barmherzigen Schwestern. Auch außerhalb Münchens ging die Filialgründung voran. 1841 übernahmen die Schwestern das Spital in Eichstätt und 1842 das städtische Spital 76 Erfolgreiche Entwicklung des Ordens unter Schwester Ignatia Jorth von Neunburg vorm Wald. Im Jahr darauf ging zusätzlich zum dortigen Spital auch das Waisenhaus in Landshut in die Obhut der Schwestern über. Im selben Jahr übernahmen sie auch das Krankenhaus in Bad Tölz, im Jahr darauf das Krankenhaus in Ingolstadt. Besonderes Sorgenkind der Generaloberin war und blieb das Spital in Orb. Die Generaloberin reiste zur Einführung der Schwestern am 19.3.1840 dorthin. Trotz der langen und anstrengenden Fahrt von immerhin 90 Stunden besuchte sie Orb im September desselben Jahres noch einmal, um dort die Errichtung einer Kinderbewahranstalt für 200 Kinder im Alter von 2 bis 5 Jahren in die Wege zu leiten. Aufgrund ihrer anschaulichen Schilderung der dortigen Not in ihren Berichten an Regierung und König bewilligten diese mehrfach Zuschüsse.Während dem König in erster Linie daran lag, die Not der am Spital in sehr armseligen Verhältnissen lebenden Schwestern zu lindern („Die Schwestern sollen es besser haben!“ 48), betonte Schwester Ignatia immer wieder, es gehe ihr nicht um eine Besserstellung ihrer Schwestern, sondern um Hilfe für die Armen: „Wir wollen es nicht besser haben, wenn wir nur den Armen helfen können; dafür sind wir da!“ 49 In diesen Jahren der Filialgründungen nahm die nicht mehr junge Generaloberin unglaublich viele, lange und strapaziöse Reisen auf sich. Stets begleitete sie ihre Schwestern zu ihren neuen Einsatzorten. Hinzu kamen noch die regelmäßigen Visitationsreisen zu den Neugründungen, um sie in den schwierigen Anfangsjahren zu unterstützen und ihre positive Entwicklung sicher zu stellen. Um die Generaloberin bei ihrer ausgedehnten Reisetätigkeit etwas zu unterstützen, gewährte ihr der König freie Fahrt auf allen Linien der Königlichen Post. Es wären durchaus noch mehr bayerische Städte an den Barmherzigen Schwestern interessiert gewesen. Wenn die Stadtverwaltungen nicht bereit waren, auf ihre Rahmenbedingungen für den Einsatz ihrer Schwestern einzugehen, nahm die Generaloberin das Scheitern der Verhandlungen in Kauf. So kam es zu keiner Einigung mit Würzburg, Straubing, Dillingen und Bamberg. Auch die sich schon so lange hinziehenden Verhandlungen mit Augsburg führten vorerst nicht zum Erfolg. Die vom König gewünschte und forcierte Einführung der Schwestern in der bayerischen Pfalz scheiterte am Widerstand der dort großteils protestantischen Bevölkerung, die befürchtete, die katholischen Schwestern würden versuchen, die Kranken und Sterbenden in den Spitälern zu missionieren. Im Jahr 1844 waren die Barmherzigen Schwestern bereits in 16 Einrichtungen in ganz Bayern tätig. Die schnelle Ausbreitung des Ordens in diesen Jahren war nur deshalb möglich, weil auch die absolute Zahl der Schwestern kontinuierlich stieg, auf immerhin schon 186 Mitglieder im Jahr 1845.50 Doch die erste Generaloberin des neuen Mutterhauses in München sorgte 77 Festschrift der Barmherzigen Schwestern in ihrer Amtszeit nicht nur für eine erstaunlich schnelle Ausbreitung ihres Ordens im Königreich Bayern, sondern parallel dazu auch im Nachbarland Österreich. 4.2. „Geburtshilfe“ für Niederlassungen in Österreich In Österreich gab es bereits einige Klöster der Barmherzigen Schwestern, die alle die Straßburger Regel befolgten, ja teilweise von Straßburg aus gegründet worden waren. So gingen die Niederlassungen in Wien und Zams auf Katharina Lins zurück, die in Straßburg ausgebildet worden war und als Schwester Josepha Nikolina nach Österreich zurückgekehrt war. Nach dem Vorbild von Zams waren in Tirol weitere ähnliche Einrichtungen in Imst und Ried entstanden. Um diese innerlich und äußerlich noch nicht recht gefestigten Niederlassungen zu unterstützen, nahm Schwester Ignatia im Mai 1836 zwei Schwestern aus Ried und eine aus Imst zur Ausbildung in München auf. 6OM-UTTERHAUS3TRABURG AUSGEHENDE'R~NDUNGEN DER"ARMHERZIGEN3CHWESTERN IM*AHRHUNDERT &ULDA 0ADERBORN (ILDESHEIM 3TRABURG &REIBURG 5NTERMARCHTAL :AMS -~NCHEN 7IEN 78 'RAZ 3ZATHMAR 3ALZBURG :AGREB !UGSBURG "ISIN3CHWiBISCH'M~ND 'RAZAB3ALZBURGABZUM0ARISER-UTTERHAUSGEHyRIG %RSTABVyLLIGEIGENSTiNDIG"ISDAHINHATTEDAS-~NCHNER-UTTERHAUSDAS!UFSICHTSRECHT 1UELLE6ORLAGEAUS"3-~!VON!UTORINUMGESTALTET )NNSBRUCK Ausbreitung der Barmherzigen Schwestern vom Mutterhaus Straßburg aus Erfolgreiche Entwicklung des Ordens unter Schwester Ignatia Jorth Innsbruck Doch der Fürstbischof Bernhard Galura von Brixen wollte mehr. Sein Ziel war ein neues Krankenhaus in der Tiroler Hauptstadt Innsbruck, das die Barmherzigen Schwestern übernehmen sollten. Unter der Leitung dieses neuen Mutterhauses sollten zudem Zams, Imst und Ried vereinigt werden. Der gute Ruf, den die Münchner Kongregation inzwischen in Bayern genoss, hatte sich bis nach Österreich ausgebreitet. So war es nicht weiter verwunderlich, dass sich der Bischof an das Münchner Mutterhaus um Unterstützung bei der Verwirklichung seiner Pläne wandte. Einer Anfrage aus Innsbruck im Jahr 1835, Schwestern zum Aufbau des neuen Mutterhauses zu entsenden, konnte Schwester Ignatia zu ihrem großen Bedauern nicht entsprechen, da sie in Bayern selbst jede Schwester benötigte. Als Alternative bot sie an, österreichische Kandidatinnen in München auszubilden. So trafen im Mai 1837 vier Kandidatinnen, denen später noch zwei weitere folgen sollten, im Münchner Mutterhaus ein. In Innsbruck hatte inzwischen Stadtpfarrer Duille mit Unterstützung des Bischofs einen eigenen „Verein zur Gründung eines Instituts der Barmherzigen Schwestern in Innsbruck“ gegründet, der Spenden für den Bau eines neuen Krankenhauses und eines künftigen Mutterhauses sammelte. Krankenhaus und Kloster, das Platz für 60 Schwestern bot, wurden bereits im April 1839 fertig. Für den 1. Mai 1839 war die feierliche Übernahme durch den Orden geplant. Vier von den sechs Tiroler Kandidatinnen waren inzwischen so weit, dass sie nach Innsbruck zurückkehren sollten. Allerdings wären sie noch nicht imstande gewesen, ein Haus allein zu führen. Deshalb wurden ihnen auf Wunsch des Innsbrucker Stadtpfarrers zwei erfahrene Münchner Schwestern mitgegeben. Schwester M. Vinzentia Balghuber wurde zur Oberin bestimmt, Schwester M. Aloisia Aigner zur Novizenmeisterin. Am 16. April reisten sie in Begleitung von Generaloberin und Superior in München ab. Nach einer Kutschenfahrt von 36 Stunden kamen sie am 17. April in Innsbruck an, wo sie sehr herzlich empfangen wurden. Da zwar die Gebäude fertig gestellt waren, aber die innere Einrichtung noch fast völlig fehlte, blieb die Generaloberin für drei Wochen in Innsbruck und kümmerte sich darum, dass die Schwestern mit dem Nötigsten versorgt wurden. Dabei wurde sie kräftig von der Bevölkerung unterstützt, die den Schwestern Sachspenden wie Hausgeräte und Wäsche, aber auch Lebensmittel zukommen ließ. Als Schwester M. Vinzentia Balghuber im Jahr 1841 in Graz gebraucht wurde, löste sie Schwester M. Aloisia Aichner als Oberin ab. Bald jedoch hatte sich die neue Niederlassung in Innsbruck schon so weit konsolidiert, dass auch Schwester M. Aloisia nach München zurückgerufen werden und 79 Festschrift der Barmherzigen Schwestern eine der in München ausgebildeten Schwestern selbst die Aufgabe der Oberin übernehmen konnte. Innsbruck sollte sich als äußerst fruchtbar erweisen. Aus der frommen katholischen Bevölkerung Tirols fanden sich viele Kandidatinnen. Eine Reihe von weiteren Niederlassungen wurde von Innsbruck aus gegründet. Bereits 5 Jahre nach Gründung des neuen Mutterhauses gehörten zu ihm 6 Niederlassungen mit insgesamt 70 Schwestern. Zams, dem vorher Imst und Ried angegliedert worden waren, wurde 1844 mit Innsbruck vereinigt. Von Zams aus wurde später die Niederlassung in Zagreb (=Agram) gegründet. Zagreb wiederum war entscheidend für die Ausbreitung des Ordens in Ost- und Südosteuropa, also in Bosnien, Istrien, Dalmatien, Serbien, Bulgarien und sogar der Türkei. Graz Auch der Grazer Fürstbischof Roman Sebastian Zängerle von Seckau war stark daran interessiert, Barmherzige Schwestern in seinem Bistum einzuführen. Nachdem er vergeblich bei den Vinzentinerinnen in Lemberg, Paris und Zams angefragt hatte, wandte er sich auf den Rat des Brixener Bischofs Galura an das Münchner Mutterhaus. Schwester Ignatia erklärte sich wiederum bereit, Kandidatinnen auszubilden. So wurden im Verlauf von zwei Jahren insgesamt 8 Kandidatinnen aus der Steiermark nach Bayern geschickt. Unter den ersten 5 Kandidatinnen, die 1837 in München eintrafen, war die Gräfin Maria Josefa von Brandis, eine Persönlichkeit, die sich durch Bildung, aber auch Frömmigkeit auszeichnete. In sie wurden große Hoffnungen gesetzt. Bereits Ende 1838 wurden 4 Kandidatinnen aus Graz eingekleidet, weitere 4 in den Jahren 1839 und 1840. 1840 konnten die ersten 5 bereits Profess feiern. In Graz schien es zunächst einige Schwierigkeiten zu geben. Während der Bischof für die Schwestern ein eigenes Spital bauen lassen wollte, bestand die Stadtverwaltung darauf, dass der Orden das schon bestehende Allgemeine Krankenhaus der Stadt übernehmen sollte. Auch der Bau eines eigenen Hauses für die Schwestern erwies sich zunächst als problematisch. Im Februar 1841 wurde schließlich die Baugenehmigung für das Schwesternhaus erteilt. Bis zur Einweihung des Hauses am 19. Juli 1842 mussten die Schwestern im Krankenhaus selbst untergebracht werden. Nach langen und schwierigen Verhandlungen mit der Grazer Stadtverwaltung machte sich die Generaloberin am 15. April 1841 auf den Weg nach Graz. Begleitet wurde sie von den nun schon seit einigen Jahren in München ausgebildeten Schwestern und Novizinnen aus der Steiermark und 80 Erfolgreiche Entwicklung des Ordens unter Schwester Ignatia Jorth der aus Innsbruck abgerufenen Schwester M. Vinzentia Balghuber. Schwester Vinzentia sollte auch in Graz vorläufig als Oberin fungieren. Als Novizenmeisterin war Maria Josepha von Brandis vorgesehen, die seit ihrer Einkleidung den Namen Schwester M. Leopoldine trug. Auf ihrer langen Reise quer durch Österreich wurden die Schwestern, wie eine GraSchwester M. Leopoldine zer Zeitung berichtet, von von Brandis der Bevölkerung sehr freu(1815 – 1900) dig willkommen geheißen: leitete das „Ihre Reise durch die SteierMutterhaus mark glich einem Triumphzuge. in Graz. An allen Orten hatte sich eine unzählige Menge von Menschen versammelt, um jene heldenmütigen Jungfrauen zu sehen und zu bewillkommnen, die ihr ganzes Leben dem Dienste der armen Kranken gewidmet haben.“ 51 Entsprechend herzlich war auch der Empfang bei ihrer Ankunft in Graz am 22. April 1841, wo man über die erfolgreiche Einführung des Instituts der Barmherzigen Schwestern nach den schwierigen Verhandlungen sehr froh war. An der sehr feierlichen offiziellen Einführung des Ordens am 24. April nahm die Bevölkerung regen Anteil. Der Münchner Generaloberin verlieh der Grazer Magistrat als besondere Anerkennung für ihre Verdienste um die Einführung der Barmherzigen Schwestern in Graz das Ehrenbürgerrecht. Auch die neue Niederlassung in der Steiermark entwickelte sich gut. Schon in den ersten Wochen baten 12 Kandidatinnen um die Aufnahme. Nach der feierlichen Grundsteinlegung in Gegenwart des österreichischen Kaiserpaars am 27. August 1841 konnten die Schwestern im Juli 1842 ihr neues Mutterhaus beziehen. Bereits im Jahr darauf war die Kongregation schon soweit konsolidiert, dass die in den ersten beiden Jahren als Oberin in Graz fungierende Schwester M.Vinzentia Balghuber wieder nach München zurückkehren konnte. In Schwester M. Leopoldine hatte sie eine fähige und würdige Nachfolgerin, die die Kongregation in Graz fast 60 Jahre lang leiten sollte. 81 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Salzburg Salzburg wollte hinter Innsbruck und Graz nicht zurückstehen und ebenfalls die Barmherzigen Schwestern einführen. Hatte es doch gerade hier schon früher Versuche gegeben, diesen Orden zu gründen. So hatte sich die Wiener Gräfin Lesniowska zusammen mit drei Gefährtinnen im Straßburger Mutterhaus von November 1829 bis März 1830 ausbilden lassen. Nach ihrer Rückkehr hatte sie versucht, das Institut in Salzburg zu gründen, war aber am Widerstand der österreichischen Regierung gescheitert. Erzbischof Friedrich Fürst von Schwarzenberg gab diesen Plan jedoch nicht auf und ergriff nun die neue Chance, mit Hilfe des Münchner Mutterhauses nach dem Vorbild der anderen österreichischen Neugründungen den Orden in Salzburg zu etablieren. Dazu schickte er 1840 zwei Kandidatinnen zur Ausbildung nach München, denen später noch drei folgten. Es zog sich jedoch noch weitere vier Jahre hin, bis die Einführung des Instituts auch im Salzburger Land glückte. Inzwischen hatten die 5 Schwestern in den Jahren 1843 und 1844 bereits ihre Gelübde abgelegt. Im August 1844 konnten die 5 Salzburger Schwestern in Begleitung ihrer Novizenmeisterin Apollonia Schmitt und des erzbischöflichen Sekretärs Augustin Embacher, der zum ersten Superior der neuen Gemeinschaft bestimmt worden war, nach Österreich zurückkehren. Schweren Herzens verzichtete die Generaloberin dieses Mal auf die Begleitung der Der komjungen Schwestern, da in missarische München der lang ersehnDirektor des te Besuch der StraßburAllgemeinen ger Generaloberin erwartet Krankenwurde, die in diesen Tagen hauses, Prof. von Ringseis, zum ersten und einzigen bestätigt, Mal das neue Mutterhaus in dass die München besuchte. genannten Der Erzbischof hatte für Schwesden jungen Orden ein altes tern nach Schwarzach Kloster in Schwarzach herbei Salzburg richten lassen. Schwester M. reisen, um Aloisia Aigner, die nach der dort das Abberufung Schwester M. KrankenVinzentias für drei Jahre Obehaus zu übernehmen. rin in Innsbruck gewesen war, 82 Erfolgreiche Entwicklung des Ordens unter Schwester Ignatia Jorth wurde nun nach Schwarzach versetzt. Sie sollte auch hier die Neugründung als Oberin leiten, bis sie sich soweit gefestigt hatte, dass eine der Salzburger Schwestern selbst das Amt übernehmen konnte. Dies war bereits im März 1845 der Fall. Die vorher schon als Novizenmeisterin fungierende Schwester M. Ambrosia Preisinger wurde zur ersten Generaloberin gewählt. Als sie 15 Jahre später das Mutterhaus nach Salzburg verlegte, hatte die Kongregation bereits 18 Filialen. Über drei Jahrzehnte leiteten Generaloberin Schwester Ambrosia und Superior Embacher das Salzburger Mutterhaus. Noch in zwei weiteren Städten des österreichischen Kaiserreiches gab es Bestrebungen, die Barmherzigen Schwestern mit Hilfe der Münchner Schwestern einzuführen, nämlich in Linz und in Laibach. Auch diese Städte schickten Kandidatinnen zunächst nach München, dann jedoch zur weiteren Ausbildung ins Wiener Mutterhaus. Dem Münchner Mutterhaus war innerhalb kürzester Zeit und unmittelbar nach der Gründung der eigenen Kongregation Erstaunliches gelungen: Neben der zügigen Ausbreitung im Königreich Bayern gründete es in Österreich drei neue Kongregationen. Während die bayerischen Niederlassungen Filialen des Mutterhauses waren, die diesem untergeordnet waren, wollte Schwester Ignatia, dass die österreichischen Gründungen möglichst schnell ihre Unabhängigkeit erreichten. Schon nach wenigen Jahren waren Innsbruck, Graz und Salzburg völlig unabhängige Mutterhäuser. Allerdings gaben Graz und Salzburg später diese Autonomie aus freien Stücken auf und schlossen sich dem Pariser Mutterhaus an. 4.3. Ein Erholungsheim für die Schwestern in Berg am Laim Die schnelle Ausbreitung des Ordens in Bayern und in Österreich hatte leider auch eine Schattenseite. Wie von Schwester Ignatia befürchtet, bedeutete diese Expansion eine ungeheure Belastung für die selbst noch so junge Münchner Ordensgemeinschaft. Laufend mussten die fähigsten Schwestern an die zahlreichen Filialen abgegeben werden. Sowohl in diesen Filialen als auch im Mutterhaus selbst kamen die Schwestern durch die großen Anforderungen, denen sie sich ausgesetzt sahen, häufig an den Rand ihrer Kräfte. Das führte dazu, dass trotz aller Fürsorge der Generaloberin die Sterblichkeit der jungen Schwestern nicht nur aufgrund der Choleraepidemie erschreckend hoch war. Auch die Zahl kränkelnder Schwestern wuchs kontinuierlich an. Diese Entwicklung beobachteten nicht nur die Ordensoberen, sondern auch der König voll Sorge. Ludwig I. kam zu der Überzeugung, dass die Schwestern dringend ein Erholungsheim auf dem Land bräuch83 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Historische Ansicht der Josephsburg in Berg am Laim ten, in dem sich kranke und erschöpfte Schwestern in aller Ruhe erholen könnten. So beauftragte er Ordenssuperior Hauber, sich nach einem geeigneten Haus umzuschauen. Der Superior wurde in Berg am Laim fündig. Der heutige Stadtteil im Osten von München war damals noch ein Dorf auf dem Land, ungefähr eine Stunde zu Fuß von München entfernt. Hauber schien die dortige Josephsburg geeignet, die nach der Säkularisation aus dem Besitz des Kölner Erzbistums und Kurfürstentums in den Besitz des bayerischen Staates übergegangen war. Diese Burg hatte der jüngste Bruder des Kurfürsten Max Emanuel, Joseph Clemens von Bayern, gleichzeitig Bischof von Freising, Regensburg und Köln, im Jahr 1692 errichten lassen. Sein Neffe und Nachfolger, Clemens August von Bayern, hatte im 18. Jahrhundert die bisherige Michaelskapelle durch die großartige Rokokokirche von Johann Michael Fischer ersetzen lassen, die auch heute noch den Stadtteil Berg am Laim dominiert. Die Kirche diente der von Bischof Joseph Clemens gegründeten Erzbruderschaft vom hl. Michael als Heiligtum und war Hofkirche des Kölner Erzbischofs. Betreut wurde sie bis zur Säkularisation im Jahr 1802 von den Franziskanern. Als sich der Superior für die Josephsburg zu interessieren begann, war die Kirche bereits seit Jahrzehnten völlig vernachlässigt worden und in einem dementsprechend desolaten Zustand. Von der Josephsburg selbst wurde nur der Südflügel genutzt. Hier war seit 1807 die Dorfschule samt Lehrerwohnung untergebracht. Der Superior beantragte, die Schule in den ungenutzten Nordflügel zu verlegen und den Südflügel mit Garten dem Orden für 2000 Gulden zu überlassen, damit dort ein Erholungs- und Rekon84 Erfolgreiche Entwicklung des Ordens unter Schwester Ignatia Jorth valeszentenheim für die Schwestern eingerichtet werden könnte. König und Behörden genehmigten den Antrag, so dass am 17. August 1840 der Kaufvertrag abgeschlossen werden konnte. Zur Leiterin wurde Schwester M. Franziska Ernst bestimmt. Eine der ersten Aufgaben der Schwestern war, die Kirche wieder in einen würdigen Zustand zu Königin Caroline versetzen, was angesichts der fortvon Bayern, geschrittenen Verwahrlosung kein 1776 – 1841 einfaches Unternehmen gewesen (Gemälde sein dürfte. Kirche und Haus waren von Joseph Ende 1840 so weit hergerichtet, dass Stieler) die ersten erholungsbedürftigen Schwestern dort versorgt werden konnten. Zu den 2000 Gulden für den Kauf wurden für die nötige Renovierung und die Einrichtung weitere 6000 Gulden benötigt. Königin Caroline, bereits mehrfach als Gönnerin des Ordens in Erscheinung getreten, hatte nach der Besichtigung des neuen Heimes den Schwestern zugesagt, die gesamten Renovierungskosten zu übernehmen. Bevor sie ihr Versprechen einlösen konnte, starb sie am 13. November 1841. Eine ihrer Töchter, Sophie, die Erzherzogin von Österreich, die sie bei der Besichtigung begleitet hatte, machte daraufhin an Stelle ihrer toten Mutter eine größere Spende, sodass die Finanzierung gesichert war. Als die Zahl der Schwestern im kommenden Jahrzehnt weiterhin stark anstieg, erwarb der Orden im Jahr 1853 auch den Nordflügel der Burg, um Die Barmherzigen Schwestern halten Königin Caroline die Treue Am 13. November 1841 verstarb die erste bayerische Königin Caroline. Als sie an der Seite ihres Mannes, König Max I. Joseph, in der Theatinerkirche bestattet werden sollte, kam es zum Eklat. Der Erzbischof von München und Freising, von Gebsattel, hatte jegliche Feierlichkeit anlässlich der Bestattung der protestantischen Caroline verboten, was zur Folge hatte, dass diese in einer sehr unwürdigen Form verlief. Der Trauerzug mit den adeligen Verwandten musste mit dem Sarg eine Viertelstunde vor dem Kirchenportal warten. Den evangelischen Geistlichen wurde der Zutritt in die Kirche verwehrt. Die katholischen Geistlichen holten den Sarg schließlich am Eingang ab und begleiteten ihn ohne jegliche Zeremonie zur Gruft. Zwar hielt der Geistliche Rat Hauber, neben seinem Amt als Superior >>> 85 Festschrift der Barmherzigen Schwestern dort die Novizinnen unterzubringen. Berg am Laim sollte bis auf einige Unterbrechungen im 20. Jahrhundert bis Ende der 60er Jahre der Sitz des Noviziats bleiben. 4.4. Akzeptanz des Ordens in der Öffentlichkeit Zahlreiche Briefe von Patienten oder deren Angehörigen zeugen von der Dankbarkeit für die gute Pflege durch die Schwestern. Hin und wieder gab es jedoch auch Patienten, die an der Behandlung durch das Pflegepersonal im Krankenhaus etwas auszusetzen hatten. Obwohl sich die Kläger häufig als notorische Querulanten herausstellten, nahmen die zuständigen Behörden die Beschwerden immer sehr ernst und versuchten zu klären, inwieweit sie berechtigt waren. Meist konnten die Vorwürfe schnell durch gegenteilige Aussagen anderer Patienten und der Ärzteschaft ausgeräumt werden. Wurden einmal tatsächlich Versäumnisse nachgewiesen, sorgte die Generaloberin für rasche Abhilfe. In manchen Gegenden und Städten Bayerns versuchten Gegner der katholischen Orden, die Einführung der Barmherzigen Schwestern zu verhindern, und scheuten dabei mitunter auch nicht vor Verleumdungen zurück. Gerade in Regionen mit konfessionell gemischter Bevölkerung wurden die Schwestern sehr aufmerksam beobachtet, ob sie andersgläubige Patienten zu missionieren versuchten. Kamen den Behörden derartige Vorwürfe zu Ohren, forderten sie die Generaloberin auf, ihren Schwestern derartige Missionierungsversuche unverzüglich zu untersagen. Allerdings gibt es auch Belege, dass sich andersgläubige Patienten bei den Schwestern sehr gut versorgt fühlten. So überreichte die israelitische Kultusgemeinde von München der Generaloberin im Jahr 1839 eine Standuhr als Dank für die gute Pflege der jüdischen Kranken am Allgemeinen Krankenhaus. Auch protestantische Patienten fühlten sich bei den Schwestern der Barmherzigen Schwestern auch Hofprediger der Theatinerkirche St. Kajetan, eine ergreifende Ansprache für die von ihm sehr geschätzte ehemalige Königin. Er musste dabei jedoch auf das Priestergewand verzichten, um nicht den Eindruck zu erwecken, es handele sich um eine Predigt. In dieser angespannten Situation – König Ludwig I. fühlte sich von der katholischen Kirche durch diese unwürdige Behand- 86 lung seiner Stiefmutter vor den Kopf gestoßen – stellten sich die Barmherzigen Schwestern vom Mutterhaus München auf die Seite der Wittelsbacher. Sie ließen es sich trotz des Verbots des Erzbischofs nicht nehmen, für ihre geliebte und verehrte Gönnerin ein Seelenamt in ihrer Mutterhauskirche zu feiern, in der Kirche, deren Bau sie zu einem Teil auch der Großzügigkeit Carolines verdankten. Erfolgreiche Entwicklung des Ordens unter Schwester Ignatia Jorth Das Titelblatt des Buches von Bartholmä, gestaltet von der jungen Gräfin Maria Josefa von Brandis, der späteren Schwester M. Leopoldine wohl. So zeigte sich der evangelische Theologe Johann Georg Bartholmä von der aufopferungsvollen Pflege durch die Barmherzigen Schwestern derart angetan, dass er 1838 ein begeistertes Buch über sie verfasste. Auch von offizieller Seite erhielten die Schwestern viel Anerkennung für ihre Arbeit. Selbst der Magistrat hatte bald erkannt, welcher Segen dieses neue Institut für München und seine Krankenversorgung bedeutete. Auf Anfragen aus anderen Städten, die Interesse an der Einführung der Schwestern signalisierten und deshalb um eine Beurteilung von deren Arbeit baten, stellte die Stadt München stets ein überaus positives Zeugnis aus. Im Jahr 1836 drückte der Münchner Magistrat den Schwestern offiziell seinen Dank für ihre Arbeit aus, indem er Schwester Ignatia Jorth am 24. Mai das Ehrenkreuz der Stadt München überreichte. Im dazugehörigen Schreiben sprach der Magistrat der Generaloberin und ihren Schwestern vollste Anerkennung aus: „Sie haben dem Rufe unseres allergnädigsten Königs folgend Ihr Vaterland verlassen, um auch in unserer Mitte ein Kloster der barmherzigen Schwestern zu gründen. Das gottgefällige Werk ist über alle Erwartung schnell gediehen. Aus allen Gegenden Bayerns traten Schwestern in Ihren heiligen Orden, und unter Ihre Leitung. Durch Sie erhalten jetzt die Kranken jene menschenfreundliche, von einem höheren Geiste durchdrungene Pflege… Die Gemeinde, und jeder vorurteilsfreie Menschenfreund erkennt mit Dank die wohltätigen Bemühungen und Leistungen der um Sie versammelten frommen Schwestern, die ihr ganzes Leben der Krankenpflege weihen, und … schon so viele frühzeitige Opfer ihres schweren und gefährlichen Berufes geworden sind.“ 52 Eine weitere Ehrung erfuhr die Kongregation fast zeitgleich durch eine großzügige Schenkung des greisen Erzbischofs von München und Freising, Lothar Anselm von Gebsattel. Er übereignete dem Orden am 2. Juni 1836 ein Legat in Höhe von 6.000 Gulden mit der Bestimmung, dieses Kapital dürfe nie angegriffen werden, die Zinsen aber sollten zur Unterstützung 87 Festschrift der Barmherzigen Schwestern kranker, alter und dienstunfähiger Schwestern oder für sonstige notwendige Anschaffungen des Ordens verwendet werden. Auch zu vielen anderen bayerischen und österreichischen Bischöfen pflegte die Generaloberin beste Beziehungen. Ebenso wurde sie von vielen Angehörigen des Königshauses sehr geschätzt, allen voran von König Ludwig I. persönlich, der einen recht vertrauten Umgang mit seiner „Landsmännin“ pflegte. Trotz ihres selbstbewussten Auftretens beim Verkehr mit hochgestellten und einflussreichen Persönlichkeiten bewahrte sich die Generaloberin stets die demütige Haltung einer Barmherzigen Schwester. Die öffentlichen Ehrungen sah sie nicht als persönliches Verdienst an, sondern nahm sie als Auszeichnung für den gesamten Orden entgegen, hielt sie im Grunde aber für nicht angebracht: „Wir haben doch nur unsere Schuldigkeit getan, und es ist noch die Frage, ob der liebe Gott mit uns zufrieden ist… Wir sind nur der Pinsel, dessen die Künstlerhand Gottes sich bedient, und wenn der Maler gut malt, so gebührt dem Werkzeug kein Verdienst.“ 53 Schwester Ignatias Demut kommt in besonderer Weise in ihrer Beziehung zu ihren ehemaligen Oberen in Straßburg zum Ausdruck. Obwohl das Münchner Mutterhaus offiziell völlig eigenständig war, tauschte sie sich über alle wichtigen Angelegenheiten mit ihrem ehemaligen Mutterhaus in Straßburg aus.Von sehr großer Achtung, aber auch von treuer Anhänglichkeit, ja Liebe zu ihrer Generaloberin und ihrem Superior in Straßburg zeugen die vielen Briefe, die sie ihnen aus München schrieb. Sicher wird Schwester Ignatia während ihres langen Aufenthaltes in München, der ursprünglich nur für drei Jahre geplant gewesen war, manchmal mit Sehnsucht an das Elsässer Mutterhaus gedacht haben. Sehr glücklich war sie, im Juli 1837 zum goldenen Priesterjubiläum von Superior Thomas nach Straßburg reisen zu können. Noch ein weiteres Mal, im Frühjahr 1842, reiste die Generaloberin, wiederum in Begleitung ihrer Novizenmeisterin, zur Einweihung der Kapelle des neuen Mutterhauses St. Barbara nach Straßburg. 4.5. Krankheit und Tod der ersten Generaloberin Schwer erschüttert vom Zusammenbruch ihres langjährigen Ordenssuperiors Michael Hauber, der in der Osternacht des Jahres 1843 einen Blutsturz hatte, erlitt die Generaloberin kaum eine Woche später einen Schlaganfall. Jetzt folgten schwere Wochen für die Ordensgemeinschaft. Beide Ordensoberen rangen mit dem Tod. Während die Krankenhausärzte den beiden Kranken zu helfen versuchten, hielt Beichtvater Sintzel den Kontakt mit Straßburg. Als die Straßburger Oberin voll Sorge nach München 88 Erfolgreiche Entwicklung des Ordens unter Schwester Ignatia Jorth reisen wollte, bat Schwester Ignatia sie inständig darum, aus Rücksicht auf ihre eigene Gesundheit auf die anstrengende Reise zu dieser Jahreszeit zu verzichten. Der königliche Hof ließ sich täglich über den Gesundheitszustand der Kranken informieren, Minister Abel, der Regierungspräsident von Hörmann und der Erzbischof besuchten die Generaloberin an ihrem Krankenbett. Auch die Anteilnahme der Öffentlichkeit war groß. Die Zeitungen berichteten regelmäßig über das Befinden der Patienten. Der Zustand des Superiors verschlechterte sich zusehends und fünf Wochen nach seinem Blutsturz starb er am Abend des 20. Mai 1843. Für die Schwestern war der Tod Haubers ein großer Verlust, war er doch für sie zum wichtigsten Berater in allen geistlichen und weltlichen Angelegenheiten geworden. Die fast zehnjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Schwester Ignatia war äußerst fruchtbar gewesen. Zusammen hatten sie die neue Ordensgemeinschaft innerlich und äußerlich konsolidiert und zahlreiche Filialen in Bayern gegründet. Auch an der Gründung der österreichischen Niederlassungen war er maßgeblich beteiligt gewesen. Ihrer schwerkranken Generaloberin hatten die Schwestern zunächst den Tod des Superiors verschwiegen, da sie befürchteten, die Trauer über den Verlust könnte ihren Zustand noch verschlimmern. Es stand immer noch so schlecht um sie, dass in der Presse Ende Mai fälschlich die Nachricht von ihrem Tod verbreitet wurde. Aber diesen falschen Todesmeldungen zum Trotz erholte sie sich in der wärmeren Jahreszeit zur großen Freude und zum Erstaunen aller und konnte im Sommer wieder ihrem Amt nachgehen. Am 11. September 1843 stellte ihr der Erzbischof den Hofprediger und Ehrenkanonikus bei St. Kajetan, Joseph Riedl, als neuen Superior zur Seite. Gesundheitlich angeschlagen, aber immer noch voll Tatendrang, schonte sich die Generaloberin bei der Ausübung ihres Amtes auch jetzt nicht. Sie ließ es sich nicht nehmen, die beiden im Herbst 1843 übernommenen Filialen, das Krankenhaus in Bad Tölz und das Waisenhaus in Landshut, persönlich zu besuchen. Mitten im Winter, gleich zu Beginn des Jahres 1844, begleitete sie zwei ihrer Schwestern nach Ingolstadt, um sie am dortigen Krankenhaus einzuführen. Für die geplante Erweiterung des Heilig-GeistSpitals durch den schon lange geplanten Anbau des Nordflügels waren häufige Besprechungen mit den Magistratsvertretern nötig. Und für das Jahr 1844 standen auch noch die Planungen für Amberg an, wo die Schwestern auf dringenden Wunsch des Königs erstmals eine Gefangenenanstalt übernehmen sollten. Schwester Ignatia war nicht abgeneigt, da sie in Hagenau, wo die Straßburger Schwestern seit 1839 eine solche Einrichtung führten, den heilsamen Einfluss der Ordensschwestern auf die weiblichen Gefängnisinsassen hatte beobachten können. Anlässlich seines Besuches des hl. Grabes in der Mutterhauskirche am Karfreitag 1844 besprach der König mit 89 Festschrift der Barmherzigen Schwestern der Generaloberin seine Pläne für Amberg. Er zeigte sich sehr erfreut über ihre Genesung: „Sie haben mir bange gemacht mit Ihrer Krankheit. Sogar das hl. Öl haben Sie schon erhalten. Gottlob, daß Sie wieder so gut aussehen!“ 54 Auf seinen ausdrücklichen Wunsch machte sich die Generaloberin Ende Mai in Begleitung des neuen Superiors Riedl und zwei Schwestern auf den langen Weg nach Amberg. Um für die gesundheitlich angeschlagene Generaloberin die immerhin 55 Stunden lange Fahrt nach Amberg etwas angenehmer und schonender zu gestalten, stellte ihr der König einen seiner Reisewagen zur Verfügung und ordnete an, sie dürfe nur am Tag fahren. Einen weiteren herben Verlust für Schwester Ignatia und ihre Ordensschwestern bedeutete der Tod des Straßburger Superiors Lorenz Thomas am 29. März 1844. Er hatte nicht nur maßgeblichen Anteil an der Einführung der Barmherzigen Schwestern in Bayern gehabt, sondern hatte auch all die Jahre zusammen mit Generaloberin Schwester Vinzenz Sultzer dem neuen Mutterhaus in München als väterlicher Ratgeber zur Seite gestanden. Doch nicht nur Arbeit und Trauer brachte dieses Jahr der kranken Schwester Ignatia, sondern auch eine große Freude. Kurz nach ihrem 65. Geburtstag durfte Schwester Ignatia Jorth noch erleben, was sie all die Jahre in München ersehnt hatte: den Besuch der Straßburger Generaloberin. Schwester Vinzenz Sultzer kam zusammen mit dem neuen Straßburger Superior Franz Karl Spitz am 18. August 1844 in München an, wo sie für 5 Tage blieben. In dieser Zeit kamen aus vielen Filialen die Oberinnen nach München, um die Straßburger Oberen zu begrüßen. Selbst aus dem von Straßburg aus gegründeten Mutterhaus in Fulda reisten die Oberin und der Superior an. Als die Gäste aus Straßburg wieder abreisten, nahmen sie Schwester Dominika mit ins Elsass, um sie in der Strafanstalt Hagenau für den Einsatz in der Strafanstalt Amberg auszubilden. Im Herbst erlitt Schwester Ignatia erneut einige kleinere Schlaganfälle. Sie erholte sich zwar wieder etwas, aber es zeichnete sich eine allgemeine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes ab. Gegen Ende des Jahres konnte sie sich oft nicht mehr ohne fremde Hilfe vom Stuhl erheben. Die Schwestern und der neue Superior sahen voll Sorge, wie ihre Kräfte immer mehr schwanden. Auch König Ludwig, sein Minister von Abel und die beiden Erzbischöfe von München und Salzburg machten sich Sorgen um Schwester Ignatia und besuchten sie am Krankenbett. Am 21. Januar 1845 erlitt die Generaloberin erneut einen schweren Schlaganfall, von dem sie sich nicht mehr erholen sollte. Gelähmt und nicht mehr fähig zu sprechen, lag die ihr Leben lang so energievolle und tatkräftige Schwester Ignatia drei Tage und drei Nächte völlig hilflos auf ihrem Bett. Alle Bemühungen der Oberärzte des Allgemeinen Krankenhauses waren vergebens. Am Morgen des 25. Januars 1845 verstarb die erste 90 Erfolgreiche Entwicklung des Ordens unter Schwester Ignatia Jorth Generaloberin der Barmherzigen Schwestern in Bayern, Schwester Ignatia Jorth, im Alter von 65 Jahren. Unfassbar groß war die Trauer ihrer Mitschwestern. In einem mit vielen Blumen und Kerzen geschmückten Raum neben der Klosterpforte bahrten sie ihre geistliche Mutter auf. Dort sollte auch das Volk von der beliebten Oberin Abschied nehmen können. Der Strom der Trauernden, die Schwester Ignatia die letzte Ehre erweisen wollten, riss drei Tage lang nicht ab. Die Schwestern selbst beteten abwechselnd Tag und Nacht an ihrem Sarg. In der Mutterhauskirche und in allen Kirchen der Stadt fanden Trauergottesdienste statt. Am Nachmittag des dritten Tages begleitete ein langer Trauerzug den Sarg zur Beerdigung auf den allgemeinen Friedhof, den heutigen alten Südfriedhof. Der Magistrat übernahm die Beerdigungskosten aus dem Etat des Krankenhauses und bot den Schwestern für ihre verstorbene Oberin eine Ehrengruft unter den Arkaden des Südfriedhofes an. Die Schwestern wünschten jedoch, ihre Ehrwürdige Mutter inmitten der vielen in den Anfangsjahren schon verstorbenen Mitschwestern auf dem gemeinsamen Begräbnisplatz auf dem Südfriedhof zu beerdigen. Diesen Platz hatte die Stadt dem Orden zusammen mit einem einfachen gemeinsamen Gedenkstein im Jahr 1836 geschenkt. In den bayerischen Zeitungen erschienen zahlreiche Nachrufe auf die allseits geachtete und verehrte Generaloberin, die alle einen ähnlichen Tenor hatten wie das folgende Zitat aus der „Augsburger Postzeitung“: „Sie war eine Frau mit männlichem Verstande und praktischem, durchgreifendem Blick, von einer Entschlossenheit und Wohlberatenheit in ihrem ganzen Wesen, daß sie durch nichts in ihrer Zuversicht auf Gottes Hilfe erschüttert werden konnte und, durch kein Hindernis beirrt, ihr großartiges Ziel zu verfolgen wußte. So ist diese Elsässerin auf Jahrhunderte hinaus zu einer wahren Wohltäterin Bayerns geworden.“ 55 Geradezu grotesk erscheint aus heutiger Sicht, dass fast in jedem Nachruf vom „männlichen Verstand“ der Generaloberin die Rede ist. In der damaligen Zeit war es anscheinend schwer vorstellbar, dass eine Frau ein solches Lebenswerk geschafft haben könnte. Und dabei hatte diese Frau aus dem Elsass zusammen mit all den anderen Frauen aus Bayern, die sich in den Dienst ihrer Gemeinschaft stellten, doch gerade das Gegenteil bewiesen. Die Leistungen dieses neuen bayerischen Ordens basierten nicht nur auf der den Frauen auch im 19. Jahrhundert zugestandenen Opferbereitschaft, sondern auch zu einem Großteil auf Mut, Energie und Verstand dieser Frauen. * 91 Kapitel 5 Krise nach dem Tod von Schwester Ignatia 5.1. Geplanter Richtungswechsel? Bei ihrem Tod hinterließ Schwester Ignatia Jorth eine gefestigte Ordensgemeinschaft mit insgesamt 156 Schwestern und bereits 16 funktionierenden Niederlassungen in ganz Bayern. Dennoch stürzte der Tod der ersten Generaloberin die Kongregation in eine schwere Krise, von der sie sich längere Zeit nicht erholen sollte. Als sehr schwierig stellte sich heraus, eine geeignete und von allen akzeptierte Nachfolgerin für eine derart starke Führungspersönlichkeit zu finden. Parteienbildung und Intrigen innerhalb der Ordensgemeinschaft gefährdeten das von Schwester Ignatia hinterlassene blühende Werk. Als „natürliche“ Nachfolgerin wurde von vielen zunächst die zweite Straßburger Schwester, Schwester Apollonia Schmitt, angesehen. Allerdings kamen bald Gerüchte auf, die langjährige Novizenmeisterin, die sich in ihrem bisherigen Amt ausschließlich um die geistliche Entwicklung der Schwestern gesorgt hatte und bekanntermaßen stark unter dem Einfluss des zu übertriebener Askese neigenden Beichtvaters Sintzel stand, werde als neue Generaloberin einen Richtungswechsel des Ordens vornehmen. Vor allem Magistrat und Krankenhausdirektion befürchteten, der Orden werde in Zukunft die religiösen Pflichten der Schwestern zulasten des Krankendienstes mehr in den Vordergrund rücken. Inwieweit diese Befürchtungen berechtigt waren, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Auf jeden Fall alarmierten die Bedenken vonseiten des Magistrats das Ordinariat, das daraufhin Domdechant von Oettl zur Visitation ins Mutterhaus schickte. Die bei der Visitation festgestellte Uneinigkeit der Schwestern veranlasste den Erzbischof bei der Straßburger Ordensleitung die Rückberufung Schwester Apollonias zu erwirken. So kehrte sie zum Bedauern des Großteils der Schwestern nach 13 Jahren Aufbauarbeit in München am 1. März 1845 nach Straßburg zurück. Fast 92 Krise nach dem Tod von Schwester Ignatia gleichzeitig mit ihr wurde auch Beichtvater Sintzel von seinem Amt enthoben. An seine Stelle trat zunächst Franz Xaver Stiller und nach dessen Tod einige Monate später, ab Oktober 1845, Johann Jakob Lenz, bisher Benefiziat und Beichtvater der Schwestern in Berg am Laim. 5.2. Unruhige Zeiten Nach der Abreise Schwester Apollonias drängte das Ordinariat darauf, möglichst schnell die Wahl einer neuen Generaloberin durchzuführen. Am 12. März 1845 wählten die Oberinnen der Filialen Schwester M.Vinzentia Balghuber zur zweiten Generaloberin. Leider sollte sich diese Lösung als nicht tragfähig erweisen. Trotz ihrer Erfahrung als Oberin an verschiedenen Einsatzorten gelang es ihr nicht, den Frieden innerhalb der Schwesternschaft wieder herzustellen. Nach drei Jahren Amtszeit bat sie deshalb den Erzbischof im März 1848 um ihre Amtsenthebung und ihre Versetzung als Oberin in die 1846 übernommene Strafanstalt in Amberg. Der Bischof ernannte daraufhin am 13. März 1848 Schwester M. Benonia Stanglmaier, bisher Assistenzschwester und erste Hausoberin im Allgemeinen Krankenhaus, zur Generaloberin. Auf eine ordnungsgemäße Wahl durch die auswärtigen Oberinnen verzichtete das Ordinariat, da es wegen der herrschenden politischen Unruhe deren Anreise für nicht ratsam hielt. Denn nicht nur ordensintern herrschten unruhige Zeiten, sondern auch auf der politischen Ebene. Die Affäre des Königs mit Lola Montez weitete sich von einer zunächst rein persönlichen Angelegenheit zu einer ernsten Staatskrise aus. Mit seinem Verhalten hatte der König nach und nach alle politischen Kräfte gegen sich aufgebracht. Das eigentliche Hauptproblem des Widerspruchs zwischen bayerischer Verfassung und autokratischem Führungsanspruch des Königs trat nun offen zu Tage. Die Absetzung des konservativ-katholischen Innenministers von Abel im Februar 1847 ließ auch für die katholischen Orden das Klima in Bayern rauer werden. Im März 1847 räumte die neue liberale Regierung dem Staat das Recht ein, sich in die Ablegung der Gelübde einzumischen. Jede Novizin sollte vor Michael Sintzel, Beichtvater der Barmherzigen Schwestern von 1836 bis 1845 93 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Ablegung der Profess einem staatlichen Vertreter Rechenschaft über ihre Berufung ablegen. Auf Anordnung des Erzbischofs verzichteten daraufhin alle Ordensgemeinschaften, auch die Barmherzigen Schwestern, auf Einkleidungs- und Professfeiern im gesamten Jahr 1847. Der Superior erreichte schließlich durch eine persönliche Eingabe beim König, dass die Barmherzigen Schwestern im August 1847 von diesem Regierungsbeschluss ausgenommen wurden. Als die politischen Ereignisse im Februar und März 1848 eskalierten, waren laut Mutterhauschronik die Schwestern direkt betroffen. Die Rebellen, die sich durch die Erstürmung des Zeughauses mit Waffen versorgt hatten, seien schon im Begriff gewesen, das Kloster zu stürmen. Sie hätten jedoch davon abgelassen, als einer ihrer Anführer durch einen Schuss verletzt und zur Behandlung ins Krankenhaus eingeliefert worden sei. Die Erleichterung der Schwestern war sicher groß, als durch das Einlenken des Königs und die Besonnenheit der meisten Revolutionäre ein Bürgerkrieg verhindert werden konnte. Groß war jedoch sicher auch das Bedauern der Schwestern über die Abdankung ihres verehrten Königs am 20. März 1848 zugunsten seines Sohnes Maximilian. Die Schwestern sahen sich in dieser politischen Umbruchsituation schweren Angriffen in der Presse ausgesetzt. Vor allem ein Arzt, der selbst keinerlei persönliche Erfahrungen mit dem Orden hatte, führte über Monate eine Verleumdungskampagne gegen den Pflegeorden. Wie schon so oft hatten die Schwestern in Prof. von Ringseis einen treuen Verteidiger ihres Rufes. Er widerlegte in einer Reihe von Presseartikeln die ungerechtfertigten Vorwürfe und veröffentlichte seine Argumente zusätzlich in einem Buch. Intern kam die Kongregation auch während der Amtszeit von Schwester M. Benonia nicht zur Ruhe. Auch sie sah sich mit vielerlei Widerständen und Parteienbildung konfrontiert. Nicht unwesentlich mag dazu beigetragen haben, dass die Generaloberin gesundheitlich schon sehr angeschlagen war und somit nur selten Inspektionsreisen in die auswärtigen Filialen unternehmen konnte. Verschärft wurde diese Situation durch den neuen Beichtvater Lenz, der anscheinend durch Parteinahme die Uneinigkeit unter den Schwestern noch weiter vertiefte. 1849 wurde er deshalb auf Betreiben des Superiors Gradler vom Erzbischof durch den Priester Matthäus Kroner ersetzt. Auch im Amt des Superiors herrschte in dieser Zeit keine Kontinuität. Superior Riedl legte bereits 1846 sein Amt wieder nieder, da er ins Ordinariat berufen worden war. Sein Nachfolger Herenäus Haid resignierte nach der Abdankung der zweiten Generaloberin Schwester M. Vinzentia ebenfalls. Erst sein Nachfolger, der Domkapitular Peter Paul Gradler, brachte 94 Krise nach dem Tod von Schwester Ignatia nicht zuletzt durch die Ausschaltung des negativen Einflusses des Beichtvaters Lenz wieder etwas Stabilität und Einigkeit in die Gemeinschaft. Leider musste Gradler jedoch bereits 1853 aus gesundheitlichen Gründen sein Amt an Carl von Prentner abgeben. * 95 Kapitel 6 40 Jahre Kontinuität unter Schwester M. Regina Hurler 6.1. Auswirkungen des Kulturkampfes Antworttelegramm von Schwester M. Regina Hurler, in dem sie sich bereit erklärt, die Wahl zur Generaloberin anzunehmen 96 Nach dem Tod der dritten Generaloberin Schwester M. Benonia Stanglmaier am 8. Januar 1855 waren zwei Wahlgänge nötig, um eine Zweidrittelmehrheit für eine neue Generaloberin zu erreichen. Die auswärtigen Oberinnen hatten dieses Mal per Briefwahl teilgenommen. Am 12. März 1855 wurde Schwester M. Regina Hurler zur vierten Generaloberin gewählt. Schwester M. Regina Hurler war von 1845 bis 1853 Novizenmeisterin gewesen, dann aber zum Bedauern vieler Schwestern als Oberin nach Kempten versetzt worden. Die neue, zunächst für drei Jahre gewählte Generaloberin wurde nach Ablauf dieser ersten Amtszeit vom Erzbischof im Amt bestätigt. In der Folgezeit amtierte sie mit dem stillschweigenden Einverständnis des Ordinariats bis 1895, also ganze 40 Jahre lang. Nachdem Superior Karl von Prentner 1857 sein Amt niedergelegt hatte, folgte ihm Anton Etzinger, der es bis zu seinem Tod im Jahr 1884 innehatte und somit auch in diesem Amt endlich wieder für Kontinuität sorgte. Die gute Zusammenarbeit zwischen der Generaloberin und dem Superior stabilisierte den in Unruhe geratenen Orden – eine Stabilisierung, die angesichts der Herausforderungen, die auf die Kongregation in dieser Zeit zukamen, auch unbedingt nötig war. 40 Jahre Kontinuität unter Schwester M. Regina Hurler Durch die rasante Entwicklung des Münchner Krankenhauswesens stieg die Nachfrage nach Schwestern ständig an und eine einige Ordensleitung war als zuverlässiger Verhandlungspartner für Stadt, Universität und Krankenhausleitung von größter Bedeutung. Erschwerend kam hinzu, dass mit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 politisch ein rauerer Wind für alle katholischen Einrichtungen wehte. GeneralReichskanzler Bismarck versuchte, oberin den Einfluss der katholischen OppoSchwester sition durch gesetzliche Regelungen M. Regina zu beschneiden. Anlass bot ihm dazu Hurler das Unfehlbarkeitsdogma des durch die Einigung Italiens politisch entmachteten Papstes und die daraus entstandenen Streitigkeiten um die Abspaltung der Altkatholiken. Auch wenn der so genannte Kulturkampf in anderen Teilen des Reiches, vor allem in Preußen, wesentlich härter geführt wurde als in Bayern, so war er doch auch hier spürbar. Die liberale bayerische Regierung unter dem mächtigen Minister Lutz begrüßte die Bismarckschen Gesetze, konnte aber in Bayern, wo die konservativen katholischen Kräfte in der Abgeordnetenkammer die Mehrheit hatten und auch das Königshaus der katholischen Kirche wohlwollend gegenüberstand, die harten preußischen Gesetze gegen katholische Einrichtungen nicht in voller Härte durchsetzen. Aber in abgemilderter Form und auf dem Weg der Reichsgesetzgebung machte sich auch hier die Kampfansage des Staates an die katholische Kirche bemerkbar. Da die Jesuiten und Redemptoristen bereits 1872 verboten worden waren, waren die Barmherzigen Schwestern sehr beunruhigt, als das bayerische Innenministerium im August 1873 von der Ordensleitung ihre Statuten zur Prüfung verlangte. Die Schwestern befürchteten ein Verbot auch ihrer Ordensgemeinschaft. Angesichts des 1875 in Preußen erfolgten Verbots aller katholischen Orden war diese Furcht nicht ganz unbegründet. Allerdings zeigte sich, dass selbst der preußische Gesetzgeber die Krankenpflegeorden von dieser Regelung ausnahm. Der Grund war ganz offensichtlich, dass man es sich bei dem hohen Bedarf an Pflegepersonal nicht leisten konnte, auf die Ordenskrankenschwestern zu verzichten. Auch militärische Erwägungen mögen dabei eine Rolle gespielt haben. Im Krieg 1870/71 war man auf den Einsatz der Ordensschwestern in den Lazaretten dringend angewie97 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Hugo von Ziemssen, Direktor des Krankenhauses links der Isar von 1874 bis 1902 (Gemälde in der Medizinischen Klinik) 98 sen gewesen. So hatte schließlich auch die Überprüfung der Barmherzigen Schwestern durch die bayerischen Behörden kein Verbot der Kongregation zur Folge. Auch wenn das Schlimmste abgewendet war, wurden den Schwestern in den kommenden Jahren von amtlicher Seite immer wieder Probleme gemacht. Schon 1871 war der Magistrat auf Distanz zum Orden gegangen, indem er die alte Tradition abschaffte, dass an jeder Einkleidungsfeier ein Magistratsrat teilnahm und eine Sammlung für den Orden organisierte. Die eigene Spende des Magistrats zu diesem Anlass, die so genannte Ehrengabe von 25 fl., wurde zunächst noch bis 1880 gewährt, ab 1881 aber ganz eingestellt. Als Affront empfanden die Schwestern die Ernennung des Protestanten von Ziemssen zum neuen Krankenhausdirektor im Jahr 1874. Und tatsächlich ging der neue Direktor zusammen mit dem Magistrat zunächst auf Konfrontationskurs zum Orden. Für die dringend notwendig gewordene Erweiterung des Krankenhauses planten sie, den Schwestern das Mutterhaus wegzunehmen. In dieser Situation zeigte sich zum ersten Mal die Problematik der unklaren Eigentumsregelung beim Bau des Mutterhauses. Der Magistrat ging davon aus, das Mutterhaus für Krankenhauszwecke zurückfordern zu können. Für den Orden waren die angebotenen Unterbringungsalternativen unannehmbar und er vertrat die Ansicht, er könne nicht gezwungen werden, das Mutterhaus zu räumen, da er das Recht auf das Haus habe, so lange der Orden in Bayern bestünde. Als die Schwestern signalisierten, die Sache vor Gericht klären lassen zu wollen, machte der Magistrat einen Rückzieher. Anscheinend war auch ihm klar geworden, dass bei der vorliegenden Rechtslage eine Entscheidung zu seinen Gunsten nicht zu erwarten gewesen wäre. Glücklich darüber, die Enteignung abgewendet zu haben, mussten die Schwestern allerdings in den kommenden Jahren und Jahrzehnten im Zuge der ständigen Erweiterung des Krankenhauses eine stetige Verkleinerung des ihnen zur Verfügung gestellten Mutterhausgartens hinnehmen. So konnten sie beispielsweise nicht verhindern, dass im Jahr 1876 die alte Einfahrt zum Mutterhaus auf die gegenüber gelegene Seite des Gartens an die spätere Nußbaumstraße verlegt wurde. Dem dafür 40 Jahre Kontinuität unter Schwester M. Regina Hurler nötigen neuen Zufahrtsweg fiel wieder ein Teil des Gartens zum Opfer. Im Großen und Ganzen überstand die Kongregation die Zeit des Kulturkampfes unbeschadet. Trotz der Hetze in manchen Zeitungen gegenüber den katholischen Orden und der Schwierigkeiten vonseiten der Behörden verringerte sich die Zahl der Kandidatinnen nur geringfügig. So sank die Zahl der Einkleidungen von 34 im Jahr 1871 auf 20 in den Jahren 1876/77, stieg dann aber wieder an und pendelte sich bis Mitte der 80er Jahre bei rund Geschenk 56 der Stadt 30 ein. Allerdings ging der Zuwachs an München neuen Niederlassungen gravierend zurück. zur 50-JahrWar vorher jedes Jahr die Übernahme Feier der meist mehrerer neuer Einrichtungen die Kongrega Regel, gab es in den 70er und 80er Jahtion 1882 ren des 19. Jahrhunderts einige Jahre ohne eine einzige neue Übernahme.57 Die Ordensleitung schaffte es mit diplomatischem Geschick, die Interessen gegenüber Magistrat und Krankenhausleitung zu wahren. Das Verhältnis zum Krankenhausdirektor von Ziemssen wurde immer besser, zumal dieser die Barmherzigen Schwestern und ihre Arbeit am Krankenhaus bald sehr zu schätzen gelernt hatte. 6.2. Eine ganz besondere Beziehung zu Königin-Mutter Marie Während dem Orden von politischer Seite, von der Regierung und ihren untergeordneten Stellen, immer wieder Schwierigkeiten gemacht wurden, hatte er gleichzeitig im Königshaus der Wittelsbacher stets verlässliche und einflussreiche Fürsprecher. Eine ganz besondere Beziehung verband die Barmherzigen Schwestern mit Königin-Mutter Marie, der Witwe Maximilian II. und Mutter Ludwig II. Schon als Königin hatte sich Marie zusammen mit ihrem Mann für soziale Belange engagiert. Mit der gerade unter Maximilian II. voran getriebenen Industrialisierung zeigten sich bald auch die Schattenseiten dieser Entwicklung in einer Verschärfung der sozialen Probleme. Diese suchte das Königspaar durch Mildtätigkeit zu lindern. Marie unterstützte alle Bemühungen zur Verbesserung der Krankenver99 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Königin Marie von Bayern, 1825 – 1889. Das Ölporträt schenkte die KöniginMutter den Schwestern 1866 für die Pflege der Verwundeten in ihrem Spital in Fürstenried. Geschenk von Königin-Mutter Marie im Jahr 1868 als Dank für die Pflege durch drei Barmherzige Schwestern, als sie an einer schweren Gichterkrankung litt 100 sorgung und war so schon früh zu einer Gönnerin der Barmherzigen Schwestern geworden. Seit dem Einsatz der Schwestern in dem von ihr eingerichteten Lazarett im deutschdeutschen Krieg 1866 intensivierte sich der Kontakt zu den Schwestern. Regelmäßig besuchte sie das Mutterhaus, nahm häufig an verschiedenen Feiern teil und machte den Schwestern zu Weihnachten und Ostern nette Geschenke wie Osterlämmer aus Wachs, Schokoladeneier und Weihnachtsgebäck. Groß war die Freude der Ordensschwestern, als die Königin-Mutter 1874 zum katholischen Glauben konvertierte. Eine geradezu freundschaftlich-herzliche Beziehung verband die Königin-Mutter mit Schwester M. Regina Hurler. Zum Namenstag schickte Marie der Generaloberin stets ein Glückwunschtelegramm von ihrem Sommeraufenthalt in Hohenschwangau. Auch Schwester M. Regina vergaß keinen Namenstag der Königin-Mutter und zum tragischen Tod ihres Sohnes Ludwigs II. schickte sie ihr ein bewegendes Beileidsschreiben. Die Pflegedienste der Barmherzigen Schwestern wusste die Königin-Mutter auch persönlich sehr zu schätzen. Als sie 1868 an Gicht erkrankte, erbat sie erstmals auf Anraten ihres Leibarztes von Gietl, der gleichzeitig der Hausarzt des Ordens war, drei Schwestern zur Pflege. In der Folge ließ sie sich bei jeder schwereren Erkrankung von Barmherzigen Schwestern pflegen, so auch bei einem erneuten Anfall von akutem Gelenkrheumatismus unmittelbar nach dem Tod ihres Sohnes Ludwig II. Die Schwestern begleiteten die Königin-Mutter zur Pflege auch zu ihrem Sommeraufenthalt nach Hohenschwangau. 40 Jahre Kontinuität unter Schwester M. Regina Hurler Als der schwer erkrankten Marie im Februar 1889 von den Ärzten ein Aufenthalt in Lugano verordnet wurde, reisten ebenfalls zwei Barmherzige Schwestern mit ihr. Im Anschluss an die Reise zog sich die unheilbar an Magenkrebs erkrankte Königin-Mutter Ende März nach Hohenschwangau zurück, wo ihr die Schwestern bei ihrem qualvollen Sterben bis zu ihrem Tod am 17. Mai 1889 beistanden. 6.3. Sonderentwicklung des Mutterhauses Augsburg In die Amtszeit der vierten Generaloberin Schwester M. Regina Hurler fiel auch die Etablierung des Mutterhauses Augsburg. Die Stadt Augsburg hatte schon im Jahr 1833 unter dem damaligen katholischen Bürgermeister reges Interesse angemeldet, Barmherzige Schwestern für die Krankenpflege zu gewinnen. Allerdings sollte sich deren Einführung angesichts der besonderen Augsburger Verhältnisse als schwierig erweisen. In der konfessionsgeteilten Stadt wurde seit 1649 streng auf paritätische Gleichheit der beiden großen Konfessionen Katholizismus und Protestantismus in allen öffentlichen Bereichen, so auch in der Krankenpflege, geachtet. Am Krankenhaus gab es dementsprechend eine katholische und eine protestantische Abteilung. Auch auf die für die Krankenpflege in Augsburg bedeutende Bachsche Seelhausstiftung, eine Stiftung der Augsburger Familie Bach an die Stadt aus dem 15. Jahrhundert, also aus vorreformatorischer Zeit, erhoben Protestanten und Katholiken gleichermaßen Anspruch. Mit dieser Stiftung wurde die ambulante Krankenpflege durch die so genannten Bachschen Seelnonnen finanziert, Krankenpflegerinnen, die die Kranken in ihren Häusern aufsuchten. Nach jahrelangen schwierigen Verhandlungen übernahmen die Barmherzigen Schwestern Anfang 1847 von einer sehr bescheidenen Unterkunft aus, dem Barbarahof, die ambulante Stadtkrankenpflege der Bachschen Seelhausstiftung. Doch die kathoSuperior lischen Bürger Augsburgs wollten Anton mehr. Sie strebten die ÜbernahEtzinger me der katholischen Abteilung des (Ölgegeplanten neuen Stadtkrankenmälde im hauses durch die Schwestern an. Mutterhaus) 101 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Dieses Ziel rückte deutlich näher, als der ehemalige Gerbermeister Johann Georg Henle im Jahr 1852 kurz vor seinem Tod eine Stiftung von 100.000 Gulden machte. Die Stiftungsbestimmungen sahen vor, dass innerhalb der nächsten zehn Jahre dem Orden der Barmherzigen Schwestern die Pflege der katholischen Kranken in Augsburg übergeben und ein Mutterhaus nach Münchner Vorbild gebaut werden sollte. Die Verhandlungen zwischen dem Mutterhaus und dem Augsburger Magistrat zogen sich dennoch weitere sechs Jahre hin. Erst 1858 gelang der Vertragsabschluss, wonach 22 Barmherzige Schwestern und sechs Kandidatinnen bei der Eröffnung des städtischen Krankenhauses 1859 die Hauswirtschaft und Krankenpflege in der katholischen Abteilung übernehmen sollten. Ganz im Sinne des Paritätsgrundsatzes wurde die protestantische Abteilung des Hauses den Diakonissen übertragen. Mit der Übernahme des Krankenhauses war der erste Teil der Stiftungsbestimmung erfüllt, aber noch stand der Bau eines neuen Mutterhauses aus. Da der Magistrat nichts in dieser Angelegenheit unternahm, obwohl die Zehn-Jahres-Frist schon fast abgelaufen war und die Schwestern sich zudem in der Presse verleumderischer Kritik ausgesetzt sahen, dachte die Münchner Ordensleitung bereits daran, ihre Schwestern aus Augsburg zurückzuziehen. In dieser Situation brachte erst die Schenkung eines katholischen Augsburger Bürgers die Wende hin zur endgültigen Etablierung des Ordens in Augsburg. Der Magistratsrat Franz Xaver Stadler schenkte den Schwestern ein in der Nähe des Krankenhauses gelegenes Haus mit Garten. Der Orden verzichtete daraufhin, die Verpflichtung des Magistrats einzufordern, ihm ein Mutterhaus zu bauen. So erfolgte mit Zustimmung des Das alte Mutterhaus in Augsburg 102 40 Jahre Kontinuität unter Schwester M. Regina Hurler Augsburger Bischofs Ende 1862 die endgültige Gründung des Augsburger Mutterhauses. Das Verhältnis der neuen Niederlassung in Augsburg zum Mutterhaus in München war von Anfang an etwas anderer Art als bei den sonstigen Niederlassungen üblich. Der Hauptgrund dafür war die Bestimmung der Stiftung Henles, „dass … ein Mutterhaus wie in München mit den verfassungsmäßigen Rechten etabliert werde“.58 Das Mutterhaus hatte deshalb, um die Etablierung des Ordens in Augsburg nicht zu gefährden, in den Gründungsverhandlungen weitgehende Zugeständnisse machen müssen. So hatte man sich darauf geeinigt, dass Augsburg ein Ordensmutterhaus mit eigenem Vermögen sein sollte. Allerdings hatte sich das Mutterhaus in München die geistliche Oberaufsicht über das Augsburger Mutterhaus vorbehalten. Diese aber machte ihm das Augsburger Ordinariat von Anfang an streitig. Der Augsburger Bischof erreichte, dass ihm das Mutterhaus in München 1862 die Ernennung des Augsburger Superiors überließ. Außerdem bestand er darauf, dass die Augsburger Filialen nur dem Mutterhaus in Augsburg unterstehen sollten.Wurde zunächst noch vereinbart, dass die Augsburger Oberin gewählt werden sollte und von München und dem Augsburger Ordinariat zu bestätigen sei, setzte der Augsburger Bischof gegen den Willen der Münchner Ordensleitung im Laufe der Jahre schließlich durch, dass nur noch die Ernennung durch ihn nötig war. So wurde de facto die Augsburger Niederlassung immer mehr von einer Filiale zu einem selbstständigen Mutterhaus. 1892 stellte der Augsburger Bischof schließlich eigenmächtig eine Generaloberin auf. Um den Tatsachen endlich Rechnung zu tragen, bat der Augsburger Superior im Jahr 1895 die Münchner Ordensleitung um die „Anerkennung völliger Selbständigkeit des Mutterhauses Augsburg auf Grund der Generalstatuten und auf Grund der historischen Entwicklung der Dinge“ und machte den Vorschlag, „dass beide Schifflein nebeneinander friedlich fahren und den Fischfang der Barmherzigkeit betreiben“.59 Der Münchner Superior erkannte in seinem Antwortschreiben im September 1895 die Selbstständigkeit des Mutterhauses Augsburg endgültig an: „… und es fahren die beiden Schifflein nun nebeneinander!“ 60 * 103 Kapitel 7 Die Barmherzigen Schwestern und die Entwicklung der modernen Krankenpflege 7.1. Bedeutender Beitrag zum Aufbau des Krankenhauswesens in München Schwester M. Constantia Mahler war 40 Jahre lang (1856 – 1896) Oberin am Krankenhaus links der Isar. 104 Die Stabilität der Ordensleitung unter Schwester M. Regina erwies sich als Glücksfall für den Orden, zumal er sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit ständig steigenden Anforderungen konfrontiert sah. So hatten die Barmherzigen Schwestern an der zur Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzenden rasanten Entwicklung des Krankenhauswesens in München maßgeblichen Anteil. Ihre erste Wirkungsstätte in Bayern, das Allgemeine Krankenhaus in München, sollte die Keimzelle für die sich im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert entwickelnden neuen Spezialkliniken in München werden. Das seit 1818 städtische Krankenhaus hatte mit der Verlegung der Universität von Landshut nach München zusätzlich die Funktion einer staatlichen Universitätsklinik übernommen. Im Krankenhaus gab es nun einige klinische Säle, die der staatlichen Universität zur Verfügung gestellt wurden. Diese Doppelfunktion sollte im Laufe der Jahrzehnte immer wieder zu Streitigkeiten um Kompetenzen und Finanzierung zwischen Staat und Stadt führen, unter Die Barmherzigen Schwestern und die Entwicklung der modernen Krankenpflege denen auch die Schwestern zu leiden hatten. Zwar wurden in der Vergleichs urkunde von 1872 etwas tragfähigere Regelungen geschaffen, aber erst mit der vollständigen Übernahme im Jahr 1953 durch den Freistaat Bayern wurden diese Probleme endgültig ad acta gelegt. Ludwig I. hatte mit der Verlegung der Universität angestrebt, seine Residenzstadt nicht nur zum Zentrum der politischen Macht, sondern auch zum Zentrum von Kultur und Wissenschaft zu machen. Zunächst hatte die medizinische Fakultät in München gute Aussichten, eine führende Rolle in Deutschland zu übernehmen.Aufklärer wie die beiden von Häberl, die in den Anfangsjahren das Sagen am Krankenhaus hatten, waren offen für alle neuen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse in der Medizin. Ausgerechnet der von Ludwig I. geschätzte und protegierte Prof. von Ringseis, unter dessen Einfluss das Krankenhaus die nächsten Jahrzehnte hauptsächlich stand, verhinderte jedoch den weiteren Ausbau der Vormachtstellung der Münchner Fakultät. Stark von der mystischen Naturphilosophie Schellings beeinflusst, versuchte Ringseis diese Philosophie auf die Medizin zu übertragen. Die Vertreter dieser ganzheitlich angelegten naturphilosophischen Ausrichtung lehnten den therapeutischen Aktionismus der Schulmedizin ab und setzten bei den Therapien auf Reiz steigernde und Reiz hemmende Methoden. Was heute im Zuge des Aufschwungs der Homöopathie und anderer Naturheilverfahren durchaus wieder modern klingt, sorgte damals dafür, dass die medizinische Fakultät in München im Vergleich zu anderen Medizinfakultäten in Deutschland ins Hintertreffen geriet, was die Entwicklung der empirischen medizinischen Wissenschaft betraf. Dabei muss jedoch zur Ehrenrettung Ringseis gesagt werden, dass, auch wenn seine Theorien oft sehr wirklichkeitsfremd und dogmatisch waren, er in seiner ärztlichen Praxis pragmatisch vorging und als Therapeut auch neue Entwicklungen in der Medizin zu nutzen wusste. Doch die Entwicklung des Allgemeinen Krankenhauses zu einer modernen, nach wissenschaftlichen Erkenntnissen geführten Klinik erfolgte erst, als Mitte des 19. Jahrhunderts der Einfluss von Prof. Ringseis zurückgedrängt wurde. Der seit 1848 regierende neue König Maximilian II., der die Entwicklung der Wissenschaften in allen Bereichen in Bayern förderte, tat dies auch Hörsaal im Krankenhaus links der Isar 105 Festschrift der Barmherzigen Schwestern im medizinischen Bereich. So verstand er es, vor allem durch Berufung fähiger Mediziner, seiner Residenzstadt München auch auf diesem Feld eine Führungsposition in Deutschland zu verschaffen. Wie sehr die junge Ärztegeneration diesen Umschwung am Krankenhaus herbeigesehnt hatte, zeigt folgender Kommentar des Pathologen Thiersch zur Berufung von Dr. Carl von Pfeufer nach München: „Ein seliges Gefühl der Erlösung kam über mich und alle jungen strebsamen Ärzte in München, als mit Pfeufer die rationelle Medizin einzog… Statt dogmatischer, spekulativer Systeme der Krankheitslehre nun die Anwendung naturwissenschaftlich objektivierender Methoden bei der detaillierten Untersuchung krankhafter Organveränderungen.“ 61 In den folgenden Jahrzehnten schaffte es die medizinische Fakultät in München mit Unterstützung von politischer Seite, die Koryphäen der deutschen Medizin nach München zu holen und hier zu halten. In München arbeiteten und lehrten unter anderem so bekannte Mediziner wie Nußbaum und Lindwurm und begründeten den Weltruf der Münchner Fakultät. Die Mitte des 19. Jahrhunderts auch in Bayern mit voller Kraft einsetzende Industrialisierung, die sich besonders anschaulich im rasanten Ausbau des Eisenbahnnetzes zeigte, hatte Auswirkungen auf viele Bereiche, so auch auf die Medizin. Hier führte der wissenschaftliche und technische Fortschritt zu geradezu revolutionären Veränderungen. Die junge, fähige und fortschrittsgläubige Ärztegeneration an der Münchner Universität wusste die neuesten technischen Errungenschaften und naturwissenschaftlichen Erkenntnisse für den medizinischen Alltag nutzbar zu machen. Am folgenreichsten war diese Entwicklung zunächst auf dem Gebiet der Chirurgie. Die Entdeckung der neuen Betäubungsmethoden mit Äther und wenig später mit Chloroform bot völlig neue Möglichkeiten. Mussten vorher Operationen möglichst schnell durchgeführt werden, wobei Hilfskräfte den vor Schmerz schreienden Patienten festhielten, waren nun unter Narkose erstmals längere und komplizierte Eingriffe möglich. Als auch noch die Zahl der Wundinfektionen durch Einführung der so genannten Listerschen Methode der Antiseptik mit Karbolsäure stark zurückgedrängt werden konnte, führte dies zu einer großen Aufwertung der Chirurgie. Erst Anfang des 19. Jahrhunderts waren die aus den Badern hervorgegangenen Wundärzte als Ärzte anerkannt worden. Aber auch danach hatten sie unter den Ärzten den schlechtesten Ruf – aufgrund ihres blutigen Handwerks, das meist nicht von Erfolg gekrönt war. Jetzt allerdings entwickelte sich das Bild des Chirurgen vom „Metzger“ zum „Halbgott in Weiß“, der Leben verlängern konnte. In München, wo Dr. von Rothmund schon 1847 die erste Operation unter Äthernarkose durchführte und Nußbaum 1874 die Listersche Methode einführte, ist diese Entwicklung deutlich zu beobachten. Ursprünglich 106 Die Barmherzigen Schwestern und die Entwicklung der modernen Krankenpflege Die Chirurgische Klinik in der Nußbaumstraße hatten die beiden medizinischen Abteilungen am Krankenhaus ein wesentlich größeres Gewicht als die chirurgische Abteilung. Dies begann sich nun zu ändern. Seit 1860 wurden Forderungen laut, der Chirurgie ein eigenes Krankenhaus zur Verfügung zu stellen. 1866 wurde die chirurgische Abteilung schließlich in das in der heutigen Nußbaumstraße gebaute Ausweichkrankenhaus verlegt. Dort entwickelte sich daraus nach und nach durch Umund Neubauten die eigenständige Chirurgische Klinik. Im Jahr 1891 begann diese erste Spezialklinik, die aus dem ehemaligen Allgemeinen Krankenhaus entstanden war, ihren Betrieb. Die neue Chirurgische Universitätsklinik war ausgestattet mit modernsten Sterilisationseinrichtungen, Stromversorgung und den Einrichtungen für die kurz vorher erst entwickelte Technik der Röntgenuntersuchungen. Schon 1866 übernahmen die Barmherzigen Schwestern auch bei den Chirurgen Pflege und Hauswirtschaft und hatten schon 1865 im damaligen Aushilfskrankenhaus eine eigene Hausoberin eingesetzt. In den kommenden Jahrzehnten entwickelten sich mit der zunehmenden Spezifizierung in der Medizin weitere Spezialkliniken aus der alten Universitätsklinik in der heutigen Ziemssenstraße. Bis auf eine einzige Ausnahme, der Augenklinik, sorgten in allen diesen neuen Universitätskliniken Barmherzige Schwestern für Hauswirtschaft und Pflege. So übernahmen sie 1904 die Psychiatrische Universitätsklinik in der Nußbaumstraße, 1908 die I. Frauenklinik in der Maistraße, 1913 die Orthopädische Klinik in der Harlachinger Straße, 1917 die II. Frauenklinik in der Lindwurmstraße und 1928 die Dermatologische Klinik in der Thalkirchner Straße. Daneben übernahmen sie 1853 die Pflege in dem von Dr. Hauner 1846 privat gegründeten ersten Kinderspital, aus dem 1886 ebenfalls eine Universitätsklinik wurde. 107 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Auch in den neuen städtischen Krankenhäusern stellten die Schwestern das Personal für Pflege und Wirtschaftsführung. Schon 1840 hatten sie das Krankenhaus in Haidhausen übernommen, das nach der Eingemeindung Haidhausens im Jahr 1855 zum zweiten großen Krankenhaus in München mit der Bezeichnung Krankenhaus rechts der Isar werden sollte. Das Allgemeine Krankenhaus trug seither die Bezeichnung Krankenhaus links der Isar. Als nach der Eingemeindung Schwabings das dritte große Krankenhaus der Stadt, das Schwabinger Krankenhaus, gebaut wurde, um den dringenden Bedarf der stark gewachsenen Stadt zu decken, waren wieder die Schwestern gefragt. Sie übernahmen 1910 auch dieses Haus, wie schon 1899 das städtische Sanatorium in Harlaching. Als nach dem 2. Weltkrieg die städtische Krankenhauslandschaft weiter ausgebaut wurde, arbeiteten die Schwestern in einer Reihe weiterer städtischer Häuser. Der Orden war auch in einigen Münchner Privatkliniken tätig, beispielsweise seit 1930 in der Maria-Theresia-Klinik von Prof. Lebsche. Es ist fast nicht vorstellbar, wie es der Orden schaffte, die enorme Nachfrage nach Pflegekräften für das boomende Münchner Krankenhauswesen zu befriedigen. Und nicht zu vergessen: auch im übrigen Bayern entstand zu derselben Zeit eine Niederlassung nach der anderen. Zu schaffen war dies nur, weil auch die Zahl der Eintritte mit dieser Entwicklung Schritt hielt. Dieser Boom fiel zeitlich zusammen mit der Blütezeit des Ordens. Aber nicht nur die hohe Anzahl der Schwestern, die benötigt wurde, sondern auch die gestiegenen Anforderungen an die Pflegekräfte stellten eine große Herausforderung dar. In der Anfangszeit der Schwestern am Allgemeinen Krankenhaus waren die therapeutischen Mittel noch sehr bescheiden gewesen. Als wichtige Medikamente galten damals noch stärkende Lebensmittel wie Milch, Wein und Bier und gegen fast alles wurden in dieser Zeit, die Kerschensteiner als „Zeit des Vampirismus“ bezeichnet hat, Aderlass und Blutegel eingesetzt. Das Krankenhaus hatte sogar, nachdem einmal innerhalb von drei Tagen 12.000 Blutegel in der Krankenhausapotheke verendet waren, ein eigenes Blutegelbassin im Stadtgraben am Sendlinger Tor eingerichtet. In größeren Spitälern wurden jährlich Millionen von Blutegeln verbraucht. In dieser Zeit bestand die Pflege aus wenigen, sich wiederholenden Handreichungen und war im Großen und Ganzen auf eine Grundpflege beschränkt. Die Entwicklung der empirisch-wissenschaftlichen Medizin brachte nun aber auch für die Schwestern viele neue Aufgaben mit sich. Die Medikamentenverabreichung gestaltete sich immer differenzierter, die Einführung täglicher Temperaturmessungen kostete viel Zeit. Mit der Entstehung unterschiedlicher klinischer Disziplinen waren die Schwestern zudem gezwungen, sich in viele neue Fachbereiche einzuarbei108 Die Barmherzigen Schwestern und die Entwicklung der modernen Krankenpflege ten und spezielles Fachwissen zu erwerben. Sie mussten nun genauso bei Operationen kompetent assistieren wie die vielfältigen neuen Aufgaben in den neuen Laboratorien oder bei der diagnostischen und therapeutischen Anwendung der neu entwickelten Radiologie bewältigen. Ob als Kinderkrankenschwester oder als Schwester in der Psychiatrie oder in der Frauenklinik, überall mussten sie einsetzbar sein und „ihre Frau stehen“. Mit den neuen Erkenntnissen in der Infektiologie stieg im Krankenhaus auch der Aufwand für Sterilisation immens an. Der Aufschwung der Medizin im 19. Jahrhundert in München hätte trotz der technischen und wissenschaftlichen Entwicklung und trotz der fähigsten Ärzte nicht in diesem Maße stattfinden können, wenn nicht ein qualifiziertes Pflegepersonal daran mitgewirkt hätte. So bewahrheitete sich, was der Thorrbericht schon Anfang der 1830er Jahre festgestellt hatte: „wenn nicht auch von Seite der Pflege den Anordnungen des Arztes und den Bedürfnissen der Kranken entsprochen wird; so kann bei der allerbesten Einrichtung eines öffentlichen Krankenhauses; bei aller Geschicklichkeit des Arztes, und bei allem, was zu diesem Zwecke verwendet wird, ein glücklicher Erfolg nicht werden“. 62 Mit dem Allgemeinen Krankenhaus war unzweifelhaft die Grundlage für die Entwicklung eines modernen Krankenhauswesens in München geschaffen worden. In seiner Festschrift aus dem Jahr 1988 anlässlich des 175-jährigen Bestehens dieses Krankenhauses, das inzwischen nach einigen Namensänderungen als Medizinische Klinik der Innenstadt bezeichnet wird, sah Prof. Buchborn diese Anstalt als „Übergang vom Sozialasyl des alten Hospitalgedankens, für den geistliche Fürsorge und karitative Pflege der Siechen im Vordergrund stand, zu einem neuartigen Krankenhaus, in dem alsbald die naturwissenschaftliche Medizin mit ihren Fortschritten Einzug hielt“. 63 Schwester M. Rithberta Karpf im Operationssaal im Indersdorfer Krankenhaus (1962) 109 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Eine wichtige Voraussetzung dafür, dass das Allgemeine Krankenhaus diese herausragende Bedeutung für München erlangen konnte, dass es zur Keimzelle für alle weiteren Spezialkliniken, die im Laufe des 19. Jahrhunderts und des beginnenden 20. Jahrhunderts in München entstanden, werden konnte, war ein qualifiziertes und engagiertes Pflegepersonal. Dieses bekam es aber erst, als es die Barmherzigen Schwestern für die Pflege gewinnen konnte. Auch Professor Kerschensteiner setzte zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Bedeutung der Einführung dieses Pflegeordens für die weitere Entwicklung des Krankenhauses entsprechend hoch an: „Weitaus die wichtigste Neuerung, … der nächst der Verlegung der Universität die größte Bedeutung für das Krankenhaus zuzumessen ist, war die Einführung des Ordens der Barmherzigen Schwestern.“ 64 7.2. Vorbildfunktion für die Gründung neuer Pflegegemeinschaften im 19. Jahrhundert Im Zuge der Industrialisierung im 19. Jahrhundert verarmten weite Teile der Gesellschaft. Mit dem Wegfall des alten Feudalsystems verschwanden nicht nur viele Abhängigkeiten, sondern auch die alten Sicherungssysteme, ohne dass ein Ersatz geschaffen worden wäre. Der Staat begann erst im ausgehenden 19. Jahrhundert mit der Bismarckschen Sozialgesetzgebung, dieser Entwicklung Rechnung zu tragen.Vorher hatten jedoch bereits zahlreiche Privatinitiativen, vor allem aus dem kirchlichen Umfeld, versucht, die schlimmste Not zu lindern. Schwerpunkte dieser Initiativen lagen im Bereich der Erziehung, Armenpflege und der Verbesserung der Krankenversorgung. Für das Gebiet der Krankenpflege übernahmen die vinzentinischen Gemeinschaften allgemein, gerade aber auch das Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern in München eine Vorreiterrolle und Vorbildfunktion. Wegen des hohen Bekanntheitsgrades des Münchner Krankenhauses hatte sich schnell herumgesprochen, wie positiv sich hier die Verhältnisse seit der Übernahme durch die Barmherzigen Schwestern entwickelt hatten. Nicht nur Katholiken, die mit der langen Tradition der alten Pflegeorden vertraut waren, zeigten sich davon angetan, sondern auch Protestanten. Der evangelische Theologe Johann Georg Bartholmä legte seinen evangelischen Glaubensgenossen nahe, Barmherzige Schwestern an ihren Krankenhäusern einzuführen oder eine ähnliche Einrichtung auch bei den Protestanten zu gründen. Einflussreiche Persönlichkeiten aus den protestantischen Ländern kamen nach München, um sich vor Ort ein genaueres Bild über den Orden und seiner Arbeit zu machen. 110 Die Barmherzigen Schwestern und die Entwicklung der modernen Krankenpflege Um im protestantischen Bereich etwas den katholischen Pflegeorden Vergleichbares zu schaffen, gründete der evangelische Pastor Theodor Fliedner in Kaiserswerth bei Düsseldorf im Jahr 1836 die erste Diakonissenanstalt. In Bezug auf ethische Anforderungen und Organisation orientierte sich Fliedner dabei eindeutig amVorbild der Barmherzigen Auch die Schwestern. Die Diakonissen sollten Arbeit strengen Lebensregeln unterworfen im Labor gehörte werden, eine einheitliche Kleidung zu den tragen und nach dem Prinzip der Tätigkeiten Mutterhäuser organisiert sein. In der Barmden Krankenhäusern, in denen sie herzigen die Pflege übernahmen, sollten sie Schwestern. gleichzeitig, wie auch beim Vorbild der Barmherzigen Schwestern meist praktiziert, die gesamte Hauswirtschaft und Verwaltung übernehmen. Der Gründung der ersten Diakonissenanstalt von Kaiserswerth folgte bald die Gründung weiterer Anstalten. Mit großer Geschwindigkeit breitete sich die Diakoniebewegung im protestantischen Teil Deutschlands aus. Im katholischen Bereich entstanden in dieser Zeit ebenfalls weitere Pflegeorden. Auch sie orientierten sich an der Arbeitsweise und Organisationsform der Barmherzigen Schwestern. Eine der bedeutendsten dieser Gemeinschaften sollte der vom inzwischen selig gesprochenen Priester Paul Josef Nardini im Jahr 1855 in der pfälzischen Diaspora gegründete Orden der „Armen Franziskanerinnen von der hl. Familie“ werden. Diese Schwesterngemeinschaft, die seit Verlegung ihres Mutterhauses in die ehemalige Benediktinerabtei von Mallersdorf in Niederbayern auch als Mallersdorfer Schwestern bezeichnet wird, erlebte einen ähnlich großen Aufschwung im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert wie die Barmherzigen Schwestern. So prägend für die Krankenpflege des 19. Jahrhunderts scheint die Organisationsform der Barmherzigen Schwestern gewesen zu sein, dass selbst die ab den 1860er Jahren entstehenden Gemeinschaften der Rotkreuzschwestern in Deutschland nach dem Mutterhausprinzip aufgebaut wurden. Es gab nun im 19. Jahrhundert drei Säulen der Krankenpflege in Deutschland: die katholischen Pflegeorden, die protestantische Diakonie und die weltlichen Mutterhausverbände. Alle aber waren nach dem Mutterhausprinzip der Barmherzigen Schwestern organisiert. 111 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Kandidatin Maria Spatzl und Schwester M. Engelmara Koch, Ende der 1950er Jahre. Auch der richtige Umgang mit Medikamenten gehörte zu den Aufgaben der Schwestern. Mit einigem Recht kann man Kerschensteiner zustimmen, wenn er die Bedeutung der ersten Generaloberin des Münchner Mutterhauses für die Entwicklung des modernen Krankenpflegewesens in Deutschland sehr hoch ansetzte: „Schwester Ignatia Jorth …, die bedeutende Frau, deren Name nicht bloß in der Geschichte der Münchener Krankenanstalten, sondern in der Geschichte der Krankenpflege überhaupt nicht vergessen werden darf. Denn von ihr ging die große Reorganisation des Krankenpflegewesens in Süddeutschland aus, sie machte die Münchener Anstalt zum Vorbild auch für die protestantischen Länder.“ 65 7.3. Entwicklung der Krankenpflegeausbildung Die Krankenpflegeorden des 19. Jahrhunderts erfuhren vor allem deshalb so große Akzeptanz, weil vor ihrer Einführung die Qualität der Pflege durch weltliche Kräfte auf niedrigstem Niveau gewesen war. Dies hatte sicher verschiedene Gründe, die sich gegenseitig bedingten. Das weltliche Pflegepersonal hatte keinerlei Ausbildung. Initiativen zur Behebung dieses Missstandes, wie die Gründung der ersten deutschen Krankenwärterschule in Heidelberg durch Professor Mai im Jahr 1782, blieben vereinzelt und ohne größere Tragweite. Die Krankenpfleger und -pflegerinnen bekamen einen sehr niedrigen Lohn und hatten bei Krankheit und im Alter keinerlei Absicherung. Unter diesen Bedingungen konnte der Arbeitgeber keine großen Voraussetzungen an die Eignung der Bewerber stellen und keine große Motivation im Dienst erwarten. Das soziale Prestige, das schon aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen und der Schwere der Arbeit nicht sehr hoch war, wurde noch geringer durch die häufig völlig ungeeigneten und moralisch oft sehr zweifelhaften Pflegekräfte, auf die man unter diesen Umständen notgedrungen zurückgreifen musste. Simon von Häberl beschrieb die vorherrschenden Zustände folgendermaßen: „Ohne Unterricht, ohne Interesse für die Institute, denen sie dienten, ohne Mitleid und Gefühl mit dem Kranken, dessen Zustand sie erträglicher zu machen beitragen sollten, roh und ungeschickt, mit andern Fehlern des Charakters nur zu häufig versehen, verrichteten sie die ihnen 112 Die Barmherzigen Schwestern und die Entwicklung der modernen Krankenpflege übertragenen Geschäfte nach Laune und Willkür.“ 66 Die Einführung der Barmherzigen Schwestern in Bayern und anderen Teilen Deutschlands bedeutete einen großen Fortschritt in der Schwester M. Krankenpflege. Wie schon dargeSigmunda stellt, kann man die Barmherzigen Stanglmaier, Schwestern mit einigem Recht als Leiterin die Begründerinnen der modernen der Mutter Krankenpflege bezeichnen. Aber hausschule, auch ihr Anteil an der Entwicklung erklärt jungen Schweseiner qualitativen Krankenpflegetern anhand ausbildung in Deutschland ist nicht eines Schau67 zu unterschätzen. Der Orden objekts die stellte schon bei der Aufnahme der Funktion der Schwestern hohe Anforderungen an Organe. ihre charakterliche Eignung und ihre Einstellung zum Beruf. Auch wenn bei der Ausbildung der neu aufgenommenen Schwestern zunächst weniger die theoretische Unterweisung als vielmehr das Lernen in der Praxis durch Anleitung durch erfahrene ältere Schwestern und die Anweisungen der Ärzte im Vordergrund standen, wurden hier bereits die Grundlagen für eine systematische und qualitative Ausbildung gelegt. Die Ausbildung der Schwestern war möglichst breit angelegt, um sie flexibel in allen Bereichen einsetzen zu können. Großer Wert wurde auf die genaue Beobachtung des Patienten gelegt, um dem Arzt Bericht geben zu können. Dafür war die genaue Führung von so genannten Jourbüchern, einer Art Tagebücher über die Patienten, sehr wichtig. Dr. Gietl hatte zudem als Krankenhausdirektor einen Aufgabenkatalog für die Barmherzigen Schwestern am Krankenhaus links der Isar erstellt, in dem die verschiedenen Aufgaben der Schwestern genauestens geregelt waren. Die Diakonissenanstalten orientierten sich bei der Gestaltung ihrer Ausbildung an den Barmherzigen Schwestern, legten aber bereits mehr Wert auf den theoretischen Unterricht, der immer von einem Arzt erteilt werden musste. Da die drei oben erwähnten tragenden Säulen der Pflege im 19. Jahrhundert ihre Pflegekräfte selbst ausbildeten und bereits einen gewissen Qualitätsstandard gewährleisteten, sah der Staat anscheinend keine Notwendigkeit, die Pflege staatlich zu regeln. Nur so ist erklärbar, dass es für die Ausbildung von Ärzten, Hebammen und Apothekern schon längst staatlich festgelegte Ausbildungsordnungen und Prüfungen gab, für die Krankenpfle113 Festschrift der Barmherzigen Schwestern geausbildung aber erst am Anfang des 20. Jahrhunderts gesetzliche Regelungen erlassen wurden. Dass schließlich staatliche Regelungen nötig wurden, lag vor allem daran, dass immer mehr Frauen wünschten, die Krankenpflege außerhalb der Mutterhausorganisationen als anerkannten Beruf auszuüben. Wichtigstes Vorbild war für sie die britische Krankenschwester Florence Nightingale, die die Neuorganisation der britischen Krankenpflege initiiert hatte. Interessanterweise hatte sich diese vorher in Paris und Kaiserswerth sehr genau über die Vinzentinerinnen und die Diakonissen informiert und vieles von ihnen übernommen, was die Inhalte des Unterrichts und die Art der Pflege betrifft. Allerdings hatte sie sich ganz bewusst gegen das Organisationsprinzip der Mutterhäuser entschieden. Ihr Ziel war es, die Tätigkeit der Krankenschwester auch außerhalb der religiösen und weltlichen Gemeinschaften zu ermöglichen. Als in Deutschland die Frauenemanzipationsbewegung Ende des 19. Jahrhunderts stärker wurde, wurde auch hier die Forderung laut, diese Tätigkeit als anerkannten Ausbildungsberuf für Frauen zu etablieren. Im Jahr 1903 gründete die der Frauenbewegung nahe stehende ehemalige Rotkreuzschwester Agnes Karll zusammen mit engagierten Mitstreiterinnen die erste Berufsorganisation für freiberufliche Pflegerinnen, den heutigen Agnes-Karll-Verband. Hauptziel dieses Interessenverbandes war es, dass Frauen in Zukunft die Tätigkeit einer Krankenschwester als anerkannten, konfessionell ungebundenen Beruf außerhalb der Mutter hausverbände ausüben können sollten. Deshalb forderten sie eine staatliche Regelung und Anerkennung der Ausbildung und die soziale Absicherung der freien Krankenschwestern durch eine angemessene Entlohnung und durch die Aufnahme in die Sozialversicherungen. Die Mutterhausverbände waren zunächst über die erstarkende Konkurrenz der freien Schwestern nicht erfreut. Sie und kirchennahe Kreise befürchteten eine Entweihung der Krankenpflege, die sie selbst nicht als irgendeinen Beruf, sondern als Berufung verstanden. Beunruhigt waren sie auch durch die zu Beginn des 20. Jahrhunderts immer vehementer werdenden Forderungen nach einer einheitlichen Regelung der Krankenpflegeausbildung und nach Einführung einer verpflichtenden staatlichen Prüfung für das Krankenpflegepersonal. Die Barmherzigen Schwestern befürchteten eine Einmischung des Staates in die bisher von ihnen selbst vorgenommene Ausbildung ihres Nachwuchses. Grundsätzlich waren sie zwar nicht abgeneigt, dass die Ausbildung gewissen staatlich vorgegebenen Qualitätsstandards unterliegen sollte, allerdings war es ihnen sehr wichtig, die Ausbildung nach wie vor ordensintern durchzuführen. Schließlich sollte die fachliche Ausbildung mit der religi114 Die Barmherzigen Schwestern und die Entwicklung der modernen Krankenpflege ösen Ausbildung und der Vermittlung des speziellen vinzentinischen Geistes und Berufsethos verbunden bleiben. Während in einigen Ländern Deutschlands, beispielsweise in Preußen, bereits erste Versuche einer staatlichen Regelung der Pflege unternommen wurden, unterblieb in Bayern zunächst eine verbindliche Regelung. Im Zuge dieser Diskussion erließ jedoch der Magistrat der Stadt München im Jahr 1904 eine neue Krankenhaussatzung, nach der eine theoretische Ausbildung für die Barmherzigen Schwestern am Krankenhaus links der Isar vorgeschrieben wurde. Auch bisher schon hatten die Schwestern durch ihre Tätigkeit an den Universitätskliniken die Möglichkeit, sich einiges an theoretischem Fachwissen anzueignen, da sie bei der Ausbildung der jungen Ärzte am Krankenbett mit anwesend waren. Mancher Professor hatte zudem darauf bestanden, dass Schwestern an Vorlesungen teilnahmen, oder hielt spezielle Fachvorträge für sie. Nun sollte dieser Unterricht verbindlich und institutionalisiert werden. Der Assistenzarzt Dr. Hermann Kerschensteiner wurde vom Krankenhaus damit beauftragt, dem Schwesternnachwuchs in mehrwöchigen Kursen theoretische Grundlagen zu vermitteln. Nach dem Wechsel Kerschensteiners an das Schwabinger Krankenhaus, wo er ebenfalls diesen Theorieunterricht einführte, stellte das Krankenhaus links der Isar den Schwestern für den Unterricht keinen Arzt mehr zur Verfügung. Wie Kerschensteiner in seinem Buch durchblicken lässt, gab es Bestrebungen innerhalb der Ärzteschaft, den Schwerpunkt der Schwesternausbildung ins neue Schwabinger Krankenhaus zu verlegen, um diese von der Ausbildung des medizinischen Nachwuchses im Krankenhaus links der Isar stärker zu trennen. Um die theoretische Ausbildung der Schwestern auch am Krankenhaus links der Isar weiterhin zu gewährleisten, engagierte der Orden den Arzt Dr. Schöner als Lehrer und verlegte den Unterricht in das neue Postulatsgebäude in der Blumenstraße. Die dortige Oberin und Novizenmeisterin des Ordens, Schwester M. Alma Mack, hatte schon 1910 begonnen, Einführungskurse für die neu eingetretenen Kandidatinnen zu geben. Aber auch junge Professschwestern zeigten Interesse, sich weiterzubilden, um für eine eventuelle staatliche Prüfung in der Zukunft gewappnet zu sein. Zudem versprachen sie sich durch den Erwerb von Fachwissen mehr Sicherheit in ihrem immer anspruchsvoller werdenden Berufsalltag. Schließlich mussten die Schwestern, die meist nur eine Volkschulbildung vorzuweisen hatten, neben den kompetentesten Universitätsprofessoren am Krankenbett bestehen, die ihrerseits meist viel von den Schwestern an Können und Wissen voraussetzten. Oft mussten auch schon sehr junge Schwestern selbstständig eine Station leiten. Mit mehr fachlichem Wissen erhofften sie sich, der Last der Verantwortung besser gewachsen zu sein. Deshalb stieß Dr. Brunner, der 115 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Direktor des Schwabinger Krankenhauses, auf große Resonanz bei den jungen Professschwestern, als er im Mutterhaus Fortbildungsvorträge anbot. Erst nach dem 1. Weltkrieg unternahm der Staat erneut einen Versuch, eine einheitliche Ausbildungsregelung für den Pflegeberuf in Deutschland zu schaffen. Das Ergebnis dieser Bemühungen war der Erlass des Innenministeriums vom Juli 1921. Die katholische Kirche hatte im Vorfeld bereits interveniert. Die deutschen Bischöfe und der 1897 gegründete Caritasverband vertraten die Interessen der katholischen Pflegeorden gegenüber dem Staat und erreichten weitgehende Zugeständnisse. Angesichts der damaligen Bedeutung der Ordenspflege als eine der wichtigsten Stützen der Krankenpflege in Deutschland musste der Staat selbst ja auch daran interessiert sein, den Orden weiterhin ihre Arbeit zu ermöglichen. So gestand man den Pflegeorden zu, die Ausbildung ihres Nachwuchses in ordenseigenen Pflegeschulen durchzuführen. Allerdings mussten sich diese Schulen an die staatliche Ausbildungsordnung halten und bedurften der Genehmigung durch die Behörden. Die Barmherzigen Schwestern reagierten auf Anraten ihres Superiors und des Erzbischofs von München und Freising, Kardinal von Faulhaber, rasch und flexibel auf die neueste Entwicklung. Schon vor dem Erlass von 1921 bauten sie ihre schon bestehende Pflegeschule im Postulat aus und passten sie den neuen Erfordernissen an. Sie beantragten die staatliche Genehmigung ihrer Schule und begannen im November 1920 mit dem ersten einjährigen Theoriekurs. Als Schulleiter stellte sich Dr. Brunner, der inzwischen sein Amt im Schwabinger Krankenhaus niedergelegt hatte, zur Verfügung. Das Amt der Lehrschwester wurde Schwester M. Clementia Schaetz übertragen, die es die kommenden drei Jahrzehnte ausüben sollte. Neben der theoretischen Ausbildung leisteten die jungen Schwestern täglich ihren praktischen Krankendienst, einschließlich der vorgeschriebenen Nachtwachen. Nur für die letzten sechs Wochen wurden sie vom Dienst freigestellt, um sich auf die Prüfung vorbereiten zu können. Im November 1921 legten die ersten 27 Münchner Barmherzigen Schwestern die staatliche Prüfung erfolgreich ab. Parallel zum Kurs im Postulat lief auch ein erster Kurs mit 27 Absolventinnen am Schwabinger Krankenhaus. Geleitet wurde dieser Kurs von Professor Dr. Hermann Kerschensteiner, der seit 1920 der Direktor des Hauses war. Auch hier etablierte sich eine weitere Krankenpflegeschule, die zwar vom Orden geleitet wurde, aber wie das Krankenhaus städtisch war. Auch am Bamberger Krankenhaus wurden einige Jahre von einem dortigen Arzt Kurse angeboten, die der Orden aber 1925 wegen mangelnder Qualität wieder einstellte. Für ihr Praktikum hatten die Auszubildenden der Barmherzigen Schwestern den großen Vorteil, dass sie in allen Spezialkliniken der Universität, 116 Die Barmherzigen Schwestern und die Entwicklung der modernen Krankenpflege die vom Orden geführt wurden, eingesetzt werden konnten. So hatten sie die Möglichkeit, in noch mehr als den Schwester M. vorgeschriebenen Bereichen Einblick Sigmunda zu erhalten. Stanglmaier (ganz rechts) Während in Schwabing seit 1925 unterauch spezielle Säuglings- und Kinderweist die pflegekurse angeboten wurden, gab es Schwestern im Postulat seit 1927 die Möglichkeit, M. Ariadne neue Spezialausbildungen zu erwerben, Maier und M. Vinzentia beispielsweise Fortbildungen zur KinMoll (von dergärtnerin oder Handarbeitslehrerin. links) in der 1930 kam auch noch die Ausbildung Handhazur Diätassistentin hinzu. bung von Da das Postulatsgebäude im 2. WeltInfusionen. krieg durch Bomben vollständig zerstört worden war, wurde die Ausbildung der Schwestern nach dem Krieg ins Mutterhaus verlegt. Zudem wurde statt im Schwabinger Krankenhaus, das die Amerikaner requiriert hatten, im Krankenhaus rechts der Isar ausgebildet, bis der Orden 1959 seine neue Pflegeschule „Maria Regina“ in der Thalkirchner Straße eröffnete. Die Schule im Mutterhaus, ausschließlich für den Ordensnachwuchs gedacht, ruht seit ca. 1970 aus Mangel an Nachwuchs. Die Pflegeschulen der Barmherzigen Schwestern waren ursprünglich fast ausschließlich für den eigenen Ordensnachwuchs gedacht. Auf Drängen des Caritasverbandes wurden zwar auch einige freie katholische Schwestern von den Barmherzigen Schwestern an den Münchener Krankenhäusern ausgebildet, blieben aber zahlenmäßig eher eine Randerscheinung. Dies änderte sich nach dem 2. Weltkrieg, als der Ordensnachwuchs immer weniger wurde. Der Orden öffnete seine neue Schule Maria Regina zunächst für katholische freie Schwestern, später auch für alle anderen angehenden Krankenschwestern. Neben den ordenseigenen Schulen leiteten die Barmherzigen Schwestern in der Nachkriegszeit eine Reihe von städtischen Krankenpflegeschulen. Hier sorgten sie angesichts des Rückgangs der Ordensschwestern und des weiter steigenden Bedarfs für die Ausbildung der immer dringender benötig ten weltlichen Krankenschwestern. Mit dem Rückzug aus den jeweiligen Krankenhäusern in den letzten Jahrzehnten war auch der Rückzug aus den dortigen Pflegeschulen verbunden. Heute bilden die Schwestern für die Krankenpflege nur noch in ihrer ordenseigenen Berufsfachschule für Krankenpflege Maria Regina aus. 117 Festschrift der Barmherzigen Schwestern 7.4. Ambulante Krankenpflege Die Barmherzigen Schwestern sahen ihren Tätigkeitsschwerpunkt immer in der Krankenpflege und zwar in der institutionalisierten, stationären Krankenpflege in den Krankenhäusern. Im Gegensatz zu anderen in der Krankenpflege tätigen Orden, auch anderen Vinzentinerinnen, waren sie in der Übernahme von ambulanter Krankenpflege sehr zurückhaltend. Zum einen waren sie bei der ständig steigenden Nachfrage nach Schwestern für die Krankenhäuser schon genug ausgelastet. Zum anderen sahen auch ihre Statuten die stationäre Krankenpflege als ihr wichtigstes Betätigungsfeld vor: „Die wesentliche Bestimmung der barmherzigen Schwestern in Bayern besteht in der Pflege der in den Krankenhäusern befindlichen Kranken beiderlei Geschlechts.“ 68 Die erste Ausnahme bildete die Übernahme des Bachschen Seelhauses in Augsburg, was seinen Grund in der schon geschilderten spezifischen Ausgangssituation hatte. Eine weitere Ausnahme machten die Barmherzigen Schwestern, als sie 1857 bzw. 1864 die ambulanten Pflegestationen der drei Münchner Pfarreien St. Bonifaz, St. Ludwig und St. Peter übernahmen. Hier wollten sie sich der Zusammenarbeit mit dem in München neu gegründeten Vinzenzverein nicht entziehen. Obwohl noch im Jahr 1870 der damalige Superior Etzinger eine Anfrage aus Bamberg nach Schwestern für die ambulante Pflege kategorisch ablehnte, machte das Mutterhaus in den nächsten drei Jahrzehnten neun weitere Ausnahmen. Aber erst beim 2. Generalkapitel 1899 wurden die Bedenken endgültig ad acta gelegt. Allein im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts übernahmen die Schwestern neun weitere Stationen. Ein weiterer größerer Anstieg war in den Jahren von 1929 bis 1935 mit fünf neuen Niederlassungen zu verzeichnen. In den Nachkriegszeiten ging die Zahl der von den Schwestern geführten ambulanten Stationen wieder zurück. Die alten Münchner Stationen wurden nach ihrer Ausbombung im Jahr 1944 aufgegeben. Dass sich die Schwestern in den 60er Jahren aus weiteren Niederlassungen der ambulanten Pflege zurückzogen, ist wohl aus dem allgemeinen Rückgang des Schwesternnachwuchses zu erklären. In den 70er Jahren ist jedoch ein neuer Aufschwung zu erkennen. Dies hängt mit Sicherheit damit zusammen, dass in diesen Jahren der Aufbau von ambulanten Stationen, nun Sozialstationen genannt und im katholischen Bereich meist von der Caritas getragen, allgemein eine neue Renaissance erfahren hat. Die Gründe für diesen erneuten Aufschwung sind komplex.Auf der einen Seite steht der Umbruch der Familienstrukturen. Immer seltener gibt es die Großfamilie, die in den verschiedenen Notsituationen helfend einspringen könnte. Immer seltener geworden sind funktionierende Nachbarschaftsgemeinschaften, immer häufiger Isolation und Anonymität. Dem häufig fehlenden sozialen Netz stehen auf der anderen Seite eine Reihe 118 Die Barmherzigen Schwestern und die Entwicklung der modernen Krankenpflege neuer Aufgaben gegenüber. So sind immer mehr Menschen durch den durch Kostendruck ausgelösten Trend, die stationäre Verweildauer im Krankenhaus zu verkürzen oder zu vermeiden, auf ambulante Krankenpflege angewiesen. Auch in der ambulanten Altenpflege ist in den vergangenen Jahrzehnten der Bedarf weiter gestiegen, da immer mehr Schwester ältere Menschen die Unterbringung M. Cyrina im Heim so lange wie möglich verKandler auf der Säugmeiden wollen, damit aber immer lingsstation häufiger auf Hilfe zu Hause angedes Kranwiesen sind. Aufgaben in diesem kenhauses Bereich gäbe es für die Schwestern in Indersdorf auch in Zukunft ausreichend, aber (1962) leider mussten sie sich daraus in den letzten beiden Jahrzehnten, gezwungen durch den immer eklatanter werdenden Schwesternmangel, wieder weitgehend zurückziehen. In diesen ambulanten Stationen fungierte der Orden bis auf zwei Ausnahmen nicht selbst als Träger. Träger waren Gemeinden, Pfarreien oder soziale Vereine wie der Vinzenzverein und später überwiegend der Caritasverband. Heute sind nur noch in einer ambulanten Station Schwestern vom Mutterhaus München tätig, nämlich in Oberstdorf. Weitere Einsatzorte waren bis vor kurzem Sonthofen und Bayreuth, die Ende 2006 bzw. im Juni 2007 aufgegeben werden mussten. In diesen beiden Orten wirkten Barmherzige Schwestern rund ein Jahrhundert lang in der ambulanten Krankenpflege. * 119 Kapitel 8 Weitere Tätigkeitsbereiche der Barmherzigen Schwestern 8.1. Altenpflege – von den Pfründneranstalten zu modernen Seniorenheimen Der zweitwichtigste Tätigkeitsschwerpunkt der Münchner Barmherzigen Schwestern war traditionell die Altenpflege. Dies ergab sich schon aus der früher sehr engen Verknüpfung von Kranken- und Altenpflege. Vor Entstehung der modernen Krankenhäuser im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden in den Spitälern immer Kranke und Alte zusammen versorgt.Viele der nach und nach von den Schwestern übernommenen Krankenanstalten waren noch Spitäler in diesem traditionellen Sinne, hatten also zur Krankenversorgung auch die Alten- und Armenpflege zu leisten. Nach und nach erst wurden die Bereiche Kranken- und Altenpflege getrennt. Manches alte Spital wurde zu einem reinen Krankenhaus ausgebaut. Häufiger war jedoch die Entwicklung der alten Spitäler zu reinen Altenheimen, während für die Krankenversorgung neue Krankenhäuser entstanden. In München war diese Entwicklung schon früher erfolgt. Hier waren bereit 1813 mit der Eröffnung des Allgemeinen Krankenhauses aus den alten Spitälern reine Pfründneranstalten geworden. Schon bald nach ihrer Ankunft hatten die Barmherzigen Schwestern alle diese Einrichtungen der Münchner Altenpflege übernommen. Einen kleinen Einblick in die damals an Pfründneranstalten herrschenden Zustände gibt uns der Bericht von Schwester Ignatia Jorth an die Straßburger Generaloberin anlässlich der Übernahme des Heilig-Geist-Spitals. Diese für München sehr bedeutende Pfründneranstalt, die inzwischen im ehemaligen Elisabethspital untergebracht war, hatte der Orden als erste Einrichtung dieser Art in Bayern am 1. Oktober 1836 mit zehn Schwestern übernommen. Die dort von den Schwestern vorgefundenen Verhältnisse wurden schon von ihnen als sehr übel empfunden, nach heutigen Maßstäben würden wir sie als katastrophal bezeichnen. So schrieb Schwester Ignatia am 5. August 1836 nach Straßburg: „In der Anstalt sind alles verhauste und versoffene Leute, 120 Weitere Tätigkeitsbereiche der Barmherzigen Schwestern die den ganzen Tag in der Stadt herumbetteln. So wie sie jetzt gehalten werden, sind sie aber dazu gezwungen, denn sie erhalten in der Anstalt an Nahrung mittags nur Suppe, Fleisch und ein wenig Gemüse, abends nur ein wenig Suppe. Für Brot, Bier, Kleider und Wäsche dagegen sollen sie selbst aufkommen und empfangen dafür wöchentlich 48 Kreuzer. Ich werde aber den Herren vom Magistrat sagen, dass das nicht so weitergehen kann; man muss den Leuten die ganze Kost und auch die Kleidung geben statt des Wohngeldes.“ 69 Die Münchner Generaloberin erklärte sich zur Übernahme des Spitals erst bereit, nachdem der Magistrat auf ihre Veränderungsvorschläge eingegangen war. Nach der Übernahme machte sie sich daran, das Spital nach dem Vorbild des Bürgerspitals in Straßburg umzugestalten. Vordringlich waren zunächst Hygienemaßnahmen für die Pfründner und die Reinigung des Hauses, der Wäsche und der Betten. Mit den Barmherzigen Schwestern zog allerdings neben der Reinlichkeit auch eine strengere Ordnung in das Haus ein. Dies mag den einen oder anderen Pfründner gestört haben. Die meisten jedoch waren froh, dass sie nun besser versorgt wurden und mehr Ruhe im Haus einkehrte. Sie lernten schnell die Schwestern schätzen, die sich liebevoll um ihr leibliches Wohl und durch das Gebet in der Gemeinschaft auch um ihr seelisches Wohl kümmerten. Wenn schon in einer der bedeutendsten Pfründneranstalten der Residenzstadt München derartige Verhältnisse geherrscht haben, wie mag es dann an den meist weit ärmeren Spitälern der kleineren bayerischen Städte ausgesehen haben, die die Schwestern im Laufe der Zeit übernahmen? Wie die Krankenpflege war auch die Altenpflege in den letzten 175 Jahren umwälzenden Veränderungen unterworfen. Allerdings lagen hier die Gründe Die Altenfür die Veränderungen weniger pflege war immer ein in der wissenschaftlichen und wichtiger technischen als vor allem in der Aufgabengesellschaftspolitischen Entwickbereich. Die lung. Die Einstellung zur GestalAufnahme tung des Alters hat sich weitgeentstand vermutlich hend verändert. Die heutigen Anfang der Senioren sind meist noch aktiver, 1960er Jahre gesünder und häufig auch wohlin einem habender als die alten Menschen Münchner früher. Meist möchten sie heute Altenheim. 121 Festschrift der Barmherzigen Schwestern so lange wie möglich selbstständig bleiben und eine Betreuung erst in Anspruch nehmen, wenn sie unumgänglich geworden ist. Es war ein langer, auch von den Barmherzigen Schwestern nicht unwesentlich mitgeprägter Weg von den alten Pfründneranstalten über die schon weit moderneren Alten- und Pflegeheime zu den heutigen vielfältigen Angeboten an Seniorenanlagen mit unterschiedlichen Stufen an Betreuungsangeboten. Wegen des gravierenden Nachwuchsmangels haben sich die Barmherzigen Schwestern in den vergangenen Jahrzehnten aus allen ordensfremden Einrichtungen der Altenpflege zurückgezogen. Heute konzentrieren sie ihre Kräfte auf die sechs ordenseigenen Einrichtungen. Während die Altenheime in Teisendorf und Ruhpolding von Anfang an für die Allgemeinheit bestimmt waren, wurden in den übrigen Häusern nur die eigenen betagten Ordensschwestern betreut. Heute ist nur noch das Schwesternheim St. Hildegard in Alzing ausschließlich Ordensangehörigen vorbehalten. Die übrigen Altenheime in München-Berg am Laim, Unterhaching und bei Planegg wurden in den letzten Jahren ebenfalls der Allgemeinheit zugänglich gemacht. 8.2. Kinder- und Jugendfürsorge Der Bereich Kinder- und Jugendfürsorge erlangte rein zahlenmäßig bei der Kongregation nie auch nur annähernd eine vergleichbare Bedeutung wie die Kranken- und Altenpflege, lag den Schwestern jedoch immer sehr am Herzen. Ähnliches, was bereits in Bezug auf die Altenpflege gesagt wurde, gilt, wenn auch in bescheidenerem Ausmaß, für die Kinderpflege. In den alten Spitälern wurden neben Kranken, Armen und Alten teilweise auch ver waiste und vernachlässigte Kinder untergebracht. So hatten die Barmherzigen Schwestern beispielsweise im von ihnen 1849 übernommenen HeiligGeist-Spital in Landsberg im Jahr 1888 neben den 75 Pfründnern und einigen Hausarmen auch 23 Waisenknaben zu versorgen.70 Durch diese Aufgabenverknüpfung an den Spitälern waren die Schwestern zunächst an vielen Orten in geringem Umfang mit der Kinderpflege betraut. Mit zunehmender Spezialisierung wurden im Laufe der Zeit diese Kinderabteilungen an den Spitälern in der Regel zugunsten der Altenpflege geschlossen. In Landsberg erfolgte diese Schließung erst recht spät, nämlich 1970. Größere Bedeutung für die Arbeit der Schwestern in der Kinder- und Jugendhilfe erlangten neben Landsberg die Niederlassungen in Amberg, Eichstätt, Regensburg und Fuchsmühl. Zu den beiden wichtigsten 122 Weitere Tätigkeitsbereiche der Barmherzigen Schwestern Zentren in diesem Aufgabenbereich sollten sich jedoch im Laufe der Zeit Landshut und Indersdorf entwickeln. In Landshut hatte der Orden bereits im Jahr 1843, noch unter der ersten Generaloberin Ignatia Jorth, sein erstes Waisenhaus in Bayern übernommen. Waren die übernommenen Kinderheime zunächst Waisen- und FinSchwester delhäuser, wurden sie ab Mitte des 19. M. Adrama Jahrhunderts zunehmend zu ErzieKuchler mit Kindern hungsanstalten ausgebaut, in denen des Kindernicht nur Waisen, sondern auch vergartens in nachlässigte Kinder aufgenommen Indersdorf wurden. Mit der Industrialisierung (1950er und den vielfach damit verbundeJahre). nen sozialen und wirtschaftlichen Problemen wuchs auch der Bedarf an derartigen Einrichtungen. Getragen wurden diese Institutionen häufig von Vereinen, die meist von sozial engagierten und vermögenden Frauen aus dem Bürgertum oder Adel für diesen Zweck ins Leben gerufen worden waren. Dies war auch in Indersdorf und Landshut der Fall. So gründete ein solcher Frauenverein 1847 in Landshut eine Kinderbewahranstalt, die bis zum Anfang der 1920er Jahre von den Barmherzigen Schwestern zusammen mit dem Waisenhaus betreut wurde.Waisenhaus und Kinderbewahranstalt waren an das ebenfalls von den Schwestern geführte städtische Krankenhaus Landshut angegliedert. Im Jahr 1857 eröffnete dieselbe Fraueninitiative, die sich inzwischen zum „Marienverein“ zusammengeschlossen hatte, eine weitere derartige Einrichtung in Landshut. Allerdings sollten in dieser Kinderbewahranstalt die Kinder nicht nur tagsüber, sondern rund um die Uhr versorgt werden, also im Haus wohnen können. Auch für die Betreuung dieser neuen „Marienanstalt“ in der Landshuter Marienstraße konnten die Münchner Barmherzigen Schwestern gewonnen werden. Dieses neue, heute noch bestehende Heim sollte eine noch größere Bedeutung für die Kongregation erlangen als die erste Einrichtung. Ursprünglicher Zweck der Marienanstalt waren die Betreuung und religiöse Erziehung verwaister und vernachlässigter Mädchen. Zunächst wurden nur Mädchen ab 4 Jahren aufgenommen, später auch Säuglinge beiderlei Geschlechts. Buben konnten allerdings vorerst nur bis zum Beginn der 123 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Schule im Haus bleiben, Mädchen bis zu ihrem 18. Lebensjahr. Sie wurden bei der Suche nach einer Lehrstelle unterstützt oder konnten in der hauseigenen Schneiderei eine Lehre machen. Nach und nach wurde die Anstalt durch den Ankauf von Nachbargrundstücken erweitert und eine kleine Landwirtschaft ermöglichte die Selbstversorgung. Da man trotz vieler Umbauten der ständig steigenden Nachfrage nicht mehr gerecht werden konnte, war die Freude groß, als die Marienanstalt im Jahr 1900 in einen großzügigen Neubau umziehen konnte. Besonders hoch war die Zahl der zu versorgenden Kinder in den Jahren des 2. Weltkrieges und den ersten Nachkriegsjahren. Statt der vor dem Krieg untergebrachten rund 50 Kinder mussten in dieser Zeit bis zu 90 Kinder betreut werden. In den 50er Jahren war auch der repräsentative Bau von 1900 längst nicht mehr zeitgemäß. Da der Marienverein die nötigen Sanierungsarbeiten nicht schultern konnte, übertrug er die Marienanstalt der Kongregation, die für den Ausbau und die Modernisierung sorgte. Unter anderem bauten die Schwestern 1966 ein neues Säuglingsheim, errichteten nach Aufgabe der Landwirtschaft an der Stelle der Ökonomiegebäude einen neuen Kindergarten und erweiterten das Kinderheim. Im Jahr 2002 schenkte die Kongregation das 1973 in Kinderheim St. Vinzenz umbenannte Heim dem Caritasverband Landshut, um die Zukunft dieser Einrichtung zu garantieren, die den Barmherzigen Schwestern nun schon seit 150 Jahren am Herzen liegt. Welchen Stellenwert diese heilpädagogische Arbeit in Landshut nach wie vor für das Mutterhaus in München hat, zeigt sich auch darin, dass die fünf dort arbeitenden Barmherzigen Schwestern auch nach dem Trägerwechsel ihre Arbeit fortsetzen konnten. Und dies in einer Zeit, in der der Orden gezwungen ist, seine Schwestern aus immer mehr Niederlassungen zurückzuziehen. Wie in Landshut ging auch die Kinderbewahranstalt in Indersdorf auf eine Privatinitiative zurück. Die sehr vermögende und gleichzeitig sozial sehr engagierte Gräfin Viktorine von Butler-Haimhausen hatte schon 1854 eine solche Einrichtung für zunächst 30 Kinder in Haimhausen gegründet. Nachdem sie in den ersten Monaten zusammen mit ihren Töchtern die Betreuung der Kinder selbst übernommen hatte, bat sie das Mutterhaus München um Unterstützung ihres Projektes. Im Juli 1854 nahmen die ersten beiden Barmherzigen Schwestern ihre Arbeit in Haimhausen auf. Da das Haus in Haimhausen wegen der großen Nachfrage bald zu klein geworden war, sah sich die Gräfin nach einer anderen Unterkunft um. Das seit 1831 leer stehende Kloster Indersdorf schien ihr dafür geeignet. Nach Aufhebung des ehemaligen Augustiner-Chorherrnstifts durch Kurfürst Karl Theodor im Jahr 1784 hatte das Klostergebäude einige Jahrzehnte den Salesianerinnen aus München als Erziehungsinstitut für Mädchen gedient. 124 Weitere Tätigkeitsbereiche der Barmherzigen Schwestern Eine alte Ansicht des Klosters Indersdorf Die Gräfin selbst war dort zur Schule gegangen. Sie erreichte nun beim König Maximilian II., dass er ihr die Gebäude für die Kinderbewahranstalt in Pacht überließ. Im Mai 1856 konnten die Schwestern mit inzwischen bereits 76 Kindern in Indersdorf einziehen. Der Anfang dort war alles andere als einfach. Die Räume mussten erst nach und nach wieder bewohnbar gemacht werden und das von der Gräfin zugestandene Kostgeld für die Kinder war zu gering, um sie ausreichend versorgen zu können. Um die Finanzierung zu sichern, rief ein Komitee aus engagierten Bürgern, dem die Gräfin vorstand, zur Gründung eines Marienvereins auf. Dieser Verein schloss mit der Kongregation 1858 einen Vertrag, wonach sie die nun Marienanstalt genannte Einrichtung in Indersdorf in Eigenregie übernehmen sollte. Der Verein, der ursprünglich für die Finanzierung sorgen sollte, zog sich in den kommenden Jahren, ebenso wie seine Vorsitzende, die Gräfin, immer mehr zurück und überließ die Sorge um die Anstalt der Kongregation allein.Viktorine von Butler-Haimhausen plante bereits ein neues Projekt, nämlich die Anstalt in Schönbrunn. Die engagierte Adelige, auf deren Initiative zahlreiche soziale Projekte zurückgehen, wovon die bekanntesten das Franziskuswerk in Schönbrunn und das Kreszentiastift sein dürften, scheint meist bald wieder das Interesse an ihren Gründungen verloren und sich lieber neuen Unternehmungen zugewandt zu haben. Die Kongregation fand allerdings großzügige Unterstützung für ihre Kinderbewahranstalt, sowohl vonseiten des Königshauses durch Königin Marie und den abgedankten König Ludwig I. als auch vonseiten vermögender Bürger. Gegen den Willen der Gräfin öffnete die Kongregation die Anstalt auch für Buben. Auf Druck der Regierung erklärte sie sich zudem bereit, regel125 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Kinderwaschraum der Marienanstalt in Indersdorf, vermutlich Anfang des 20. Jahrhunderts mäßig eine kleine Zahl straffällig gewordener Jugendlicher aufzunehmen. Ab 1863 arbeitete die Kongregation außerdem mit dem „Maria-Hilf-Verein für die Erziehung armer Kinder zu braven Dienstboten“ zusammen. Dies entsprach ganz der Zielsetzung, die auch die Gräfin bei der Gründung der Anstalt vor Augen hatte. Auch sie wollte die Kinder vorrangig zu guten und brauchbaren Dienstboten erziehen. Was uns heute bitter aufstoßen mag, lässt sich nur aus dem alten, noch ganz der Ständegesellschaft verhafteten Denken erklären. Auch der sehr streng reglementierte Tagesablauf, der nicht nur in der Marienanstalt in Indersdorf üblich war und den Kindern vom Aufstehen um 5.45 Uhr bis zur frühen Abendruhe nach der Abendandacht kaum eigenen Freiraum ließ, widerspräche unseren heutigen Grundsätzen der Kindererziehung. Aber diese Erziehung galt damals als völlig normal und wurde auch in Erziehungsanstalten für privilegierte Schichten nicht anders gehandhabt. Die strenge religiöse Erziehung wurde damals nicht als außergewöhnlich angesehen und gerade auch in den Familien auf dem Land ähnlich praktiziert. Die Marienanstalt galt als vorbildliche Einrichtung ihrer Zeit und auch die Zöglinge selbst scheinen zum Großteil zufrieden gewesen zu sein. Dies lässt sich daran erkennen, dass viele noch lange nach ihrer Zeit im Heim in Verbindung mit den Schwestern geblieben sind. Von ihrer Dankbarkeit zeugen Briefe und auch Spenden, die teilweise sogar bis aus Amerika kamen, wohin damals auch einige ausgewandert waren. Die Arbeit in den Erziehungseinrichtungen war in den über 150 Jahren, in denen die Barmherzigen Schwestern tätig waren und teilweise 126 Weitere Tätigkeitsbereiche der Barmherzigen Schwestern Kinderschlafsaal der Marienanstalt in Indersdorf, vermutlich Anfang des 20. Jahrhunderts noch sind, einem starken Wandel unterworfen. Die früher als normal und selbstverständlich empfundene strenge Disziplinierung, die uns heute entsetzt, gehörte auch in den Einrichtungen der Schwestern schon lange der Geschichte an. Längst hatten auch in den von den Schwestern geführten Heimen die neuesten pädagogischen Erkenntnisse Einzug gehalten. In möglichst kleinen Gruppen sollte den Kindern durch eine familiäre Atmosphäre Geborgenheit gegeben werden. Soweit wie möglich wurden die Eltern in die Erziehung miteinbezogen. Zwar war es nach wie vor notwendig, den Kindern und Jugendlichen Struktur und Halt für ihr Leben durch das Einhalten von Regeln zu geben. Aber statt der Erziehung zu absolutem Gehorsam stand nun die Erziehung zu selbstverantwortlichen Persönlichkeiten im Mittelpunkt. Neben den Heimen für Waisen und vernachlässigte Kinder übernahmen die Schwestern auch andere Einrichtungen der kurzzeitigen Kinderbetreuung, die sich im 19. und 20. Jahrhundert entwickelten. Zunächst waren dies die Kinderkrippen, die in München wie in anderen wachsenden Großstädten mit zunehmender Industrialisierung notwendig wurden. Immer schwieriger war es für Mütter geworden, Erwerbsarbeit mit der Betreuung ihrer Kinder zu vereinbaren. Während dies im Bürgertum dazu führte, dass die Frau auf die Rolle der Hausfrau und Mutter festgelegt wurde, waren die weniger begüterten Schichten auf Erwerbsarbeit beider Elternteile finanziell angewiesen. Für die dadurch notwendig gewordene Kinderbetreuung fehlte in den neuen anonymen Großstädten die familiäre oder nachbarschaftliche Unterstützung. Da sich der Staat wie bei den vielen anderen sozialen Problemfeldern im 19. Jahrhundert zunächst nicht zuständig fühlte, sprangen 127 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Kinderkrippe St. Peter in München (Zeichnung von Felix Schwarmstädt, 1917) hier häufig kirchliche Initiativen ein. So wurden die ersten Krippenanstalten in München von Pfarreien eingerichtet und von den Barmherzigen Schwestern geführt. Schon 1855 übernahmen sie die Krippenanstalt von St. Anna, 1865 die beiden Krippenanstalten St. Bonifaz und St. Josef und im Jahr 1871 folgte noch die Krippenanstalt von St. Peter. Die Krippe St. Bonifaz gaben die Schwestern bereits 1922 auf. Im Jahr 1943 kündigte die Stadt München aus politischen Gründen den Vertrag mit dem Orden zur Betreuung der Krippen St. Josef und St. Peter. Die älteste Münchner Krippenanstalt St. Anna führten die Schwestern noch bis 1958. Als nach dem 2. Weltkrieg, vor allem ab den 60er Jahren, der flächendeckende Ausbau von Kindergärten in Bayern begann, waren auch die Barmherzigen Schwestern daran beteiligt. In den Orten, in denen sie schon vorher Kinderheime geführt hatten, richteten sie nun selbst diese zusätzliche Betreuungseinrichtung ein, so in Landshut und in Indersdorf. Zudem übernahmen sie in Kindergärten anderer Träger die Betreuung der Kinder, beispielsweise im Pfarreikindergarten in München-Berg am Laim. Aus der Kinder- und Jugendarbeit erwuchs mit der Zeit noch ein anderes Betätigungsfeld der Schwestern. Da ihnen viel daran gelegen war, ihre Schützlinge durch Vermittlung praktischer Kenntnisse lebenstüchtig zu machen, boten sie den ihnen anvertrauten Mädchen häufig Kurse im Nähen und in der Hauswirtschaft an. 8.3. Hauswirtschaft, Verwaltung und Landwirtschaft Wie schon erwähnt, übernahmen die Barmherzigen Schwestern in den ihnen anvertrauten Niederlassungen neben der Kranken-, Alten- oder Kin128 Weitere Tätigkeitsbereiche der Barmherzigen Schwestern „Knödelproduktion“ in der Küche des HeiligGeist-Spitals am DomPedro-Platz, ca. 1910 derpflege auch die gesamte Hauswirtschaft und Verwaltung. Obwohl die Kongregation somit immer eine Reihe von Schwestern zur Verfügung hatte, die im Bereich der Hauswirtschaft bestens ausgebildet waren, begann sich im Vergleich zu anderen Frauenorden erst relativ spät die Tradition herauszubilden, bei Bischöfen oder in Priesterseminaren die Haushaltsführung zu übernehmen. Einen ersten Anfang in diesem Aufgabenbereich machten die Schwestern 1912 mit der Übernahme der Hauswirtschaft im Herzoglichen Georgianum in München. Aber erst unter dem seit 1917 amtierenden Erzbischof von Faulhaber weiteten die Schwestern ihre Tätigkeit in diesem Aufgabenfeld weiter aus. Die Barmherzigen Schwestern hatten seit ihrem Bestehen immer eine besonders enge Beziehung zum Erzbischof von München und Freising, da er laut Statuten die geistliche Leitung der Kongregation innehatte. Über den jeweils eingesetzten Superior nahm der Erzbischof direkten Einfluss auf die Geschicke des Ordens. Unter Kardinal von Faulhaber wurde die Verbindung zwischen Bischofshof und Mutterhaus besonders intensiv, zumal dieser dem seit 1914 amtierenden Superior Pfaffenbüchler freundschaftlich verbunden war. Faulhaber nahm größten Anteil an der Entwicklung der Kongregation und hielt viel von dem karitativen Wirken dieses Frauenordens. Nachdem er bei seinen Kuraufenthalten in Adelholzen und bei seinen Besuchen im Mutterhaus die Betreuung durch die Barmherzigen Schwestern persönlich schätzen gelernt hatte, wünschte er sich diese Schwestern auch für die Führung seines Haushaltes im Bischofshof. So zogen am 13. August 1925 mit Schwester M. Ethelreda Groß und Schwester M. Ottmara Bubendorfer die ersten beiden Barmherzigen Schwestern im Münchner Bischofspalais ein, wo sie die Führung der Hauswirtschaft und der Küche übernahmen. 129 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Studienseminar in Traunstein Nach dem Münchner Vorbild holte sich im Jahr 1932 ein weiterer bedeutender deutscher Bischof, Konrad von Preysing, Barmherzige Schwestern aus München für seinen bischöflichen Haushalt in Eichstätt. Schwester M. Dagila Dotzler und Schwester M. Elina Beck folgten Bischof von Preysing 1935 auch nach Berlin, als er zum dortigen Oberhirten ernannt worden war. 1938 löste Schwester M. Margaritha Müller Schwester M. Elina ab. Von Preysing war bekannt als ein entschiedener und kompromissloser Gegner des NS-Regimes, der auch Kontakte zu Widerstandsgruppen wie dem Kreisauer Kreis und den Akteuren des 20. Juli geknüpft hatte. Solange die Nationalsozialisten an der Macht waren, war die Zeit mit diesem Bischof in Berlin, dem Zentrum der Macht seiner politischen Gegner, auch für die beiden Barmherzigen Schwestern, die seinen Haushalt leiteten, eine Zeit voller Anspannung und Angst. Sie kehrten erst Anfang 1951 wieder ins Münchner Mutterhaus zurück, nachdem der nach dem Krieg zum Kardinal ernannte Bischof im Dezember 1950 überraschend gestorben war. Auf Wunsch von Kardinal von Faulhaber übernahm der Orden auch die Haushaltsführung im neuen Erzbischöflichen Studienseminar, das er 1929 in Traunstein gründete. Sieben Schwestern wurden für diese Aufgabe zur Verfügung gestellt. Mit dieser Übernahme war endgültig der Schritt in dieses Aufgabenfeld vollzogen. Auch in anderen Diözesen leiteten die Schwestern in der Folgezeit Haushalte von Priesterseminaren, so in den 30er Jahren in Eichstätt und ab 1967 für 20 Jahre in Regensburg. Noch 1987 übernahmen sie das Spätberufenenseminar St. Matthias in Waldram bei Wolfratshausen, nachdem die Niederbronner Schwestern diese Tätigkeit wegen des Schwesternmangels hatten aufgeben müssen. Heute arbeiten dort immer noch zwei Barmher130 Weitere Tätigkeitsbereiche der Barmherzigen Schwestern Eine Barmherzige Schwester auf einem Hühnerhof, vermutlich in Bamberg Anfang der 1930er Jahre zige Schwestern. Auch im Herzoglichen Georgianum, dessen Hauswirtschaft die Schwestern bis auf einige Unterbrechungen seit 1912 fast durchgängig geführt hatten, sind heute noch zwei Schwestern im Einsatz. Aus dem Studienseminar in Traunstein zog sich die Kongregation im Jahr 2003 schweren Herzens zurück. Im Münchner Bischofshof blieben die Schwestern zunächst bis zum Tod von Kardinal von Faulhaber im Jahr 1952. 1942 war Schwester M. Ethelreda Groß durch Schwester M. Albuina Hubauer abgelöst worden. Die Nachfolger, Kardinal Wendel und Kardinal Döpfner, verzichteten auf den Dienst der Schwestern im Haushalt. Sie brachten dafür Ordensschwestern aus ihren bisherigen Wirkungsstätten mit. Ganz jedoch wollten anscheinend auch sie nicht auf Barmherzige Schwestern verzichten. So war seit 1953 Schwester M. Eufreda Heidner für fast 40 Jahre als Sekretärin im Erzbischöflichen Sekretariat tätig. 1990 wurde sie von Schwester M. Solemnis Simmelbauer abgelöst, die noch heute dort arbeitet. Im Jahr 1977 kehrten die Schwestern wieder in den Haushalt des Bischofspalais zurück. Erzbischof Joseph Ratzinger griff bei seinem Amtsantritt auf diese Schwestern zurück, die ihm schon aus Traunstein und seinem Aufenthalt im Georgianum bestens vertraut waren. Sein Nachfolger im Amt, Friedrich Kardinal Wetter, übernahm die Schwestern. Schwester M. Guda Süß führte die dortige Niederlassung 1977 – 1989. Schwester M. Agapita Schuhbeck, eine der Schwestern, die in der Zeit Kardinal Ratzingers im Bischofshof tätig gewesen waren, durfte beim Papstbesuch im September eine besondere Ehre erfahren. Sie gehörte zu den Ehrengästen Papst Benedikts XVI. Auch heute arbeitet mit Schwester M. Adelberga Öttl noch eine Schwester der Kongregation im Bischofshaushalt von Kardinal Wetter. 131 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Neben der Hauswirtschaft gewann auch der Bereich der Verwaltung in allen Niederlassungen zunehmend an Bedeutung. Auch hier entstanden neue Aufgabenfelder, für die geeignete Schwestern gefunden und ausgebildet werden mussten. Besonders die Funktion der so genannten Schreibschwester wurde mit steigender Komplexität der Verwaltung immer wichtiger. Nicht nur in den einzelnen Einrichtungen verlangte dieses Amt große Kompetenz, sondern auch im Mutterhaus selbst. Die Schreibschwestern im Mutterhaus, deren Nachfolgerin die heutige Generalsekretärin Schwester Anna Maria Burgauer ist, kümmerten sich nicht nur um das laufende Alltagsgeschäft, sondern machten sich auch um die Überlieferung der Geschichte der Barmherzigen Schwestern sehr verdient. Sie erstellten Statistiken und sorgten für die Fortschreibung der Mutterhauschronik. Besondere Verdienste erwarb sich dabei die über 40 Jahre als Schreibschwester im Mutterhaus tätige Schwester M. Emma Mayer. Da früher bei sehr vielen Niederlassungen eine kleine Landwirtschaft angebunden war, mussten immer wieder einige der Schwestern Aufgaben in diesem Bereich übernehmen. Diese Betriebe waren, auch wenn sie noch so klein waren, für die Versorgung der Schwestern und der ihnen anvertrauten Kranken, Alten oder Kinder von größtem Wert. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden allerdings diese kleinen Landwirtschaften nach und nach aufgegeben. Häufig wurde das Land für Erweiterungsbauten der Einrichtungen benötigt und mit zunehmender Verstädterung wurde es vielerorts schwierig, die Landwirtschaft weiter zu betreiben. Um einen Ersatz zu schaffen, erwarben die Schwestern eigene größere Höfe, denn ganz wollte man auf diese Selbstversorgungsmöglichkeit nicht verzichten. Hatte sich doch diese in Notzeiten mehrfach als bedeutende Überlebenshilfe gezeigt. 8.4. Hilfe für gesellschaftliche Randgruppen Hilfe für Arme, eines der zentralen Anliegen des hl. Vinzenz, war für die Barmherzigen Schwestern zu allen Zeiten eine Selbstverständlichkeit. Wie viele andere Klöster in München hatte auch die Kongregation schon seit ihrer Gründung eine so genannte Pfortenspeisung für Bedürftige angeboten. In großen Notzeiten wie unmittelbar nach den beiden Weltkriegen und in der Zeit der Weltwirtschaftskrise am Anfang der 1930er Jahre wurde diese Armenspeisung nicht nur für die sonst übliche Zahl Armer und Bettler, sondern für sehr viele Münchner zu einer wichtigen Überlebenshilfe. In den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wurde für eine wachsende Zahl von Nichtsesshaften die Mutterhauspforte eine wichtige Anlaufstelle. Die Leitungen der umliegenden Kliniken sahen die wachsende 132 Weitere Tätigkeitsbereiche der Barmherzigen Schwestern Pfortenspeisung an der Mutterhauspforte Anfang der 1930er Jahre Schlange von Obdachlosen als unhaltbaren Zustand. Ende 1983 sahen sich die Schwestern deshalb gezwungen, ihre Pfortenspeisung am Mutterhaus einzustellen. Allerdings sorgten sie vorher dafür, dass andere Anlaufstellen für Obdachlose in der näheren Umgebung wie das St. Antonkloster der Kapuziner und der III. Orden in der Maistraße ihre Klientel mitversorgten. Ganz gab das Mutterhaus in der Nußbaumstraße die Tradition der Armenspeisung jedoch nicht auf. So wurden bis zum Umzug ins neue Mutterhaus einige „Stammkunden“ weiter mit einem kostenlosen Mittagessen versorgt. In Berg am Laim gibt es ebenfalls schon eine lange Tradition der Pfortenspeisung am dortigen Altersheim. Als der Andrang an der Pforte immer größer wurde, wurde dort 1999 ein eigener Raum für die Essensausgabe eingerichtet. In dieser „Vinzenzstube“ werden werktäglich bis zu 40 kostenlose Essen ausgegeben. Auch im Keller des ordenseigenen Hauses Mechtild in der Augsburger Straße werden am Wochenende zwischen 90 und 110 Personen versorgt.71 Eine BarmDoch das Engagement für herzige Schwester die Obdachlosen geht über die gibt an Pfortenspeisungen hinaus. So der Pforte unterstützt die Kongregation IniSuppe aus tiativen für Nichtsesshafte finan(Anfang ziell, materiell und teilweise auch der 1930er Jahre). personell. 133 Festschrift der Barmherzigen Schwestern !UFGABENBEREICHE +RANKENPFLEGE +RANKENPFLEGE AMBULANT +INDERUND *UGENDPFLEGE 3ONSTIGE Tätigkeitsfelder der Kongrega tion 1882 %RHOLUNGSHEIM !LTENPFLEGE Kurz nachdem Walter Lorenz, ein ehemaliger Lokführer, zusammen mit der von ihm gegründeten Gemeinschaft der Schwestern vom hl. Benedikt Labré e.V. ein Haus für Obdachlose in der Pommernstraße in München eröffnet hatte, zogen dort auch vier Barmherzige Schwestern mit ein, um dort zusammen mit den Nichtsesshaften zu leben und für sie zu arbeiten. Nachdem zwei der dort tätigen Schwestern 1990 und 1995 die Kongregation verlassen hatten, hielt man es für besser, die Schwestern lebten in der Gemeinschaft eines ihrer Schwesternkonvente. Heute arbeitet dort noch eine Barmherzige Schwester, Schwester M. Timothea Heitzer. Dem Verein hat der Orden zudem ein Haus in Unterhaching als Obdachlosenherberge zur Verfügung gestellt. Auch dort arbeiteten von 1986 bis 1992 zwei Schwestern mit. Die Arbeit des Katholischen Männerfürsorgevereins München unterstützt die Kongregation ebenfalls. Seit der Verein im Jahr 1996 das Haus St. Benno in Oberschleißheim für alte und kranke Obdachlose eröffnet hat, arbeiten dort Barmherzige Schwestern. Die Arbeit in der Psychiatrie blieb bei den Münchner Schwestern eher eine Randerscheinung. So wurden sie nur in zwei Nervenklinken tätig, ab 1869 in der städtischen Heil- und Pflegeanstalt St. Getreu in Bamberg und ab 1904 in der Universitätsklinik für Psychiatrie in München. Allerdings initiierte eine der früher in der Münchner Nervenklinik tätigen Schwestern in den 90er Jahren das Projekt „Jakobsbrunnen“ für die ambulante Betreuung von psychisch kranken Menschen. 134 Weitere Tätigkeitsbereiche der Barmherzigen Schwestern !UFGABENBEREICHE +INDERUND *UGENDPFLEGE +RANKENPFLEGE AMBULANT ,ANDWIRTSCHAFT 3CHULE 3ONSTIGE !LTENPFLEGE %RHOLUNGSHEIM +RANKENPFLEGE (AUSHALT Tätigkeitsfelder der Kongrega tion 1932 Absolute Ausnahme für die Münchner Kongregation blieb der Einsatz in der Gefangenenfürsorge, der 1846 mit der Übernahme der Gefangenenanstalt in Amberg begann und 1909 mit der Auflassung des inzwischen nach Wasserburg verlegten Gefängnisses endete. Weitere Anfragen nach Übernahmen derartiger Einrichtungen beantwortete die Ordensleitung stets negativ. Auf eine weitere Ausdifferenzierung der Einsatzfelder verzichtete der Orden weitgehend und entschied sich bewusst für die Konzentration seiner Kräfte auf seine eigentlichen Tätigkeitsschwerpunkte der Kranken-, Altenund Kinderpflege. * 135 Kapitel 9 Sondereinsätze in Zeiten von Seuchen und Kriegen 9.1. Besondere Herausforderungen durch Epidemien Waren die in der Krankenpflege tätigen Schwestern schon in ihrem normalen Arbeitsalltag in heute kaum vorstellbarem Ausmaß gefordert, so bedeutete der Ausbruch einer Epidemie eine Herausforderung, die sie an den Rand ihrer Kräfte bringen konnte. Und solche Epidemien waren im 19. Jahrhundert vor den Erkenntnissen von Robert Koch auf bakteriologischem Gebiet nicht selten. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts schien es zunächst gelungen zu sein, eine der am weitesten verbreiteten Seuchen der vorhergehenden Jahrhunderte, die Pocken bzw. Blattern, durch die Entdeckung der Pockenschutzimpfung besiegt zu haben. Die Pflicht zur Impfung war 1807 in Bayern als dem ersten Land weltweit auf Betreiben von Franz Xaver Häberl eingeführt worden. In der Mitte des 19. Jahrhunderts stieg allerdings die Zahl der Infektionen wieder an. Auch am Münchner Krankenhaus wurde es wieder zunehmend ein Thema, wo die Blatternkranken isoliert von den übrigen Patienten untergebracht wurden. Erst durch die Einführung der Auffrischungsimpfung im Erwachsenenalter konnte diese Krankheit entscheidend eingedämmt werden. Die Zahl der Blatternkranken ging bis zum Ende des Jahrhunderts so weit zurück, dass ab 1897 für diese Patienten ein kleiner Isolierpavillon im Garten des Krankenhauses l. d. I. ausreichte. Noch weit mehr als die Pocken war damals Typhus verbreitet. Kerschensteiner schreibt, dass diese Krankheit noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die zweithäufigste Todesursache am Krankenhaus l. d. I. gewesen sei. Zudem vermutet er, dass die häufigste Todesursache, der so genannte Magenkatarrh oder das gastrische Fieber, ebenfalls eine Form des Typhus war. Dass mit dem Rückgang des Typhus auch diese Krankheit immer seltener auftrat, spricht für diese These. Mehrere schwere Typhus epidemien hatten die Schwestern an diesem Krankenhaus zu bewältigen. 136 Sondereinsätze in Zeiten von Seuchen und Kriegen So starben beispielsweise 1839/40 von 806 Typhuspatienten 90, was im Vergleich zu der in anderen Krankenhäusern üblichen Mortalität von bis zu 50 % einen relativ niedrigen Prozentsatz an Sterbefällen bedeutete. Im Jahr 1860 grassierte die Seuche im Mutterhaus. Durch Hausinfektion erkrankten 33 Schwestern, die wegen Renovierungsarbeiten Wasser aus einem Pumpbrunnen im Klosterhof entnommen hatten, der durch die nahen Versitzgruben verunreinigt war.72 Erst die Erkenntnis der starken Infektionsgefahr und der Bedeutung von sauberem Wasser führte durch Maßnahmen der Isolierung der Kranken und Verbesserung der Wasserversorgung zu einer starken Abschwächung der Krankheit Ende des 19. Jahrhunderts. Nur noch in ausgesprochenen Notzeiten rund um die beiden Weltkriege flammte sie sporadisch wieder auf. Besondere Angst verbreitete im 19. Jahrhundert in Bayern eine bis dahin in Europa unbekannte Krankheit, die Cholera.Wie schon beschrieben, wurden die Barmherzigen Schwestern in ihren Anfangsjahren in München mit der ersten Choleraepidemie in Bayern konfrontiert. Ende Juli 1854 brach die Cholera erneut aus und klang erst im Januar des folgenden Jahres wieder ab. Die Bevölkerung reagierte panischer als beim ersten Ausbruch 1836. Jeder, der es sich leisten konnte, allen voran der Adel, verließ die Stadt. Als im September vorübergehend die Zahl der Erkrankten deutlich sank, wurde fälschlicherweise angenommen, die Seuche wäre schon überstanden. Dies wurde auch der ehemaligen bayerischen Königin Therese zum Verhängnis, die mit ihrem Mann Ludwig I. zu früh nach München zurückkehrte, an Cholera erkrankte und Ende Oktober starb. Am immer noch wichtigsten städtischen Krankenhaus l.d.I. wurden damals insgesamt 867 Cholerapatienten behandelt. Es kam zu deutlich weniger Hausinfektionen als 1836, vor allem in der Abteilung von Dr. Gietl, der Desinfektionsmaßnahmen durchführen ließ.73 Die BarmKönigin Therese herzigen Schwestern erhielten von Bayern, vom Magistrat aufgrund der 1792 – 1854 ungeheuren Mehrbelastung zwar (Gemälde sechs Schwestern mehr bewilligt, von Joseph waren aber dennoch bis an ihre Stieler) 137 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Grenzen belastet. Auch dieses Mal erkrankten wieder mehrere Schwestern. Zwei davon mussten ihren Dienst mit dem Leben bezahlen.74 Die Choleraepidemie von 1873/74 sollte noch einmal verheerende Ausmaße annehmen. Von über 3000 Erkrankten starben von Juni 1873 bis April 1874 1466 Menschen.75 Am Krankenhaus l.d.I. wurden 673 Cholerakranke behandelt, wovon 287 starben.Von den Schwestern infizierten sich nur drei und genasen glücklicherweise alle wieder.76 Es ist anzunehmen, dass sie bereits mehr Vorsichtsmaßnahmen beachteten, um sich selbst vor Ansteckung zu schützen. Trug eventuell auch die folgende Maßnahme des Magistrats zur Stärkung ihrer Abwehrkräfte bei? „Die Anstrengungen der Schwestern im Krankenhaus waren unglaublich groß. Da bald mehrere Cholerafälle vorkamen, wurden einige Säle zu ebener Erde eigens für diese Kranken eingerichtet, deren Zahl 40 – 50 täglich belief. Die Pflege der Kranken erforderte die größte Aufmerksamkeit und Sorgfalt. Der Magistrat wollte die Anstrengungen der Schwestern wenigstens dadurch würdigen, dass er für jede Schwester, die Wärter etc. täglich ½ Liter Rotwein bewilligte, was auch auf die Herren im Büro, die Ärzte, Hauskapläne und Portiers ausgedehnt wurde.“77 Das große Problem bei der Bekämpfung der Cholera war die Unwissenheit und Uneinigkeit der Ärzte untereinander über die Ursachen und Verbreitungswege dieser Seuche. Der grundsätzliche Streit zwischen Befürwortern und Gegnern der Theorie, die Cholera sei kontagiös (ansteckend), konzentrierte sich in den Personen der beiden Gegenspieler von Petten kofer und von Gietl. Man kann sich gut vorstellen, dass der Streit um die Ursachen der Cholera die in der Pflege tätigen Barmherzigen Schwestern stark verunsicherte und ihren Dienst noch zusätzlich erschwerte. Wohl bekomm’s! Der Hausarzt der Schwestern und zeitweilige Klinikdirektor des Krankenhauses l.d.I., Dr. von Gietl, war als einer der wenigen Ärzte davon überzeugt, dass die Cholerapatienten und ihre Ausscheidungsprodukte ansteckend seien. Tragischerweise hatte der Arzt und Hygieniker Max von Pettenkofer, der weit größeres Ansehen und Popularität genoss, eine gegenteilige Meinung. Er entwickelte seine so genannte Bodentheorie, wonach Miasmen, nicht genau zu bestimmende 138 Teilchen, aus dem Boden dringen und die Luft verseuchen würden, die bei Menschen mit geeigneter Disposition die Krankheit auslösen könnten. Die Kranken selbst und ihre Krankheitsprodukte hielt er nicht für infektiös. Pettenkofer und andere berühmte Ärzte wie Lindwurm und Pfeufer, die sich seiner Meinung angeschlossen hatten, zogen die Ansichten Gietls, die erst später durch die Entdeckung des Choleraerregers durch Robert Koch bestätigt werden sollten, ins Sondereinsätze in Zeiten von Seuchen und Kriegen Dr. Franz X. von Gietl, königlicher Leibarzt und fast 50 Jahre (1838 – 1886) als Arzt am Krankenhaus links der Isar tätig, war jahrzehntelang der Hausarzt der Schwestern (Grabstein auf dem Alten Südfriedhof). Erst als die Erkenntnisse Pettenkofers ergänzt wurden durch die Erkenntnisse von Gietls und Kochs konnte eine erfolgreiche Bekämpfung der Cholera erfolgen. Als endlich die Infektiösität der Cholera ernst genommen wurde, erfolgten entsprechende Isolier- und Desinfektionsmaßnahmen. Ergänzend waren aber auch die von Pettenkofer initiierten Maßnahmen, wie der Aufbau der zentralen Wasserversorgung und der Ausbau der Abwasserkanalisation, wichtige Voraussetzungen dafür, der Cholera und anderen Seuchen die Grundlage zu entziehen. So hatte Pettenkofer unbestreitbar einen großen Anteil daran, dass die Choleraepidemie von 1873/74 in München die letzte bleiben sollte. Auch die im Abstand von drei bis vier Jahrzehnten auftretenden gefährlichen Mutationen des Grippevirus, die Grippeepidemien mit ungewöhnLächerliche. Obwohl die Hausinfektionen auf Gietls Abteilung durch seine Desinfektionsmaßnahmen deutlich niedriger als in den anderen Abteilungen des Krankenhauses l.d.I. waren, wurde seine Theorie nicht ernst genommen und schadete seinem Ruf als Arzt. Es sprach auch einiges gegen die Ansteckungstheorie Gietls. So berichtet Kopp von uns heute sehr eklig anmutenden Selbstversuchen einiger Ärzte während der ersten Choleraepidemie 1836: „Selbst die innigste Berührung mit den Ausleerungsstoffen, (einige Ärzte überzeugten sich nicht nur von dem Geruche, sondern auch von dem Geschmacke derselben), … blieben auf den moralisch und physisch starken, nicht prädisponierten Menschen ohne den geringsten Einfluss.“ 78 Pettenkofer unternahm später unter großer öffentlicher Anteilnahme einen ähnlichen Versuch, um nachzuweisen, dass Cholera nicht allein durch die von Robert Koch entdeckten Cholera-Bazillen entsteht. Pettenkofer trank deshalb ein Glas mit einer frischen Kultur von 1 cm3 Cholerabazillen aus, ohne Schaden zu nehmen.79 139 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Krankenhaus links der Isar, ca. 1910 lich hohem Krankenstand und hoher Sterblichkeit zur Folge hatten, führten zu Spitzenbelastungen für die Barmherzigen Schwestern, vor allem auch in ihrem größten damaligen Einsatzort, dem Krankenhaus links der Isar. Derartige Grippewellen werden in der Mutterhauschronik 1864, 1889/90 und 1918 erwähnt: „Die 1890 allgemein herrschende Influenza-Epidemie hat den Schwestern im Mutterhaus, wie in den Krankenhäusern und Spitälern, eine schwere Zeit gebracht… Der höchste Stand Influenzakranker an einem Tag waren 1000.“ 80 Da die Kapazität der bestehenden Krankenhäuser für die vielen zusätzlichen Patienten nicht ausreichte, wurden Aushilfsspitäler eingerichtet, in denen auch Barmherzige Schwestern im Einsatz waren. Ein Teil der Schwestern, unter ihnen auch Generaloberin Schwester M. Regina, erkrankte. Bei einer Schwester verlief die Krankheit tödlich. Noch weit aggressiver scheint der Verlauf der Grippe von 1918 gewesen zu sein. Wie man heute weiß, starben daran weltweit mindestens 20 Millionen Menschen. Manche Forscher nehmen sogar an, dass die Zahl der Toten noch weit höher lag. Auf jeden Fall soll die Zahl der Grippetoten die Zahl der Toten des 1.Weltkriegs überstiegen haben. Dafür, dass die Auswirkung der so genannten Spanischen Grippe so verheerend war, hat sie in den zeitgenössischen Quellen verhältnismäßig wenig Niederschlag gefunden. Auch im kollektiven Bewusstsein in Deutschland war das Wissen darüber wenig verankert. Erst seit die medizinische Forschung in den 1990er Jahren das damals grassierende Virus als Mutation eines Vogelgrippevirus identifiziert und vor erneutem Auftreten eines ähnlich tödlich wirkenden Erregers in absehbarer Zukunft gewarnt hat, beschäftigt sich eine breitere Öffentlichkeit mit diesem Phänomen. Zu erklären ist diese Ignoranz wohl aus den 140 Sondereinsätze in Zeiten von Seuchen und Kriegen besonderen historischen Begleitumständen. Als die Grippe noch während des Krieges ausbrach, wurde zunächst die Berichterstattung darüber zensiert, da der Gegner nicht erfahren sollte, wie die Truppen durch die Krankheit geschwächt worden waren. Dabei hatte der Erreger ohne Rücksicht auf Freund oder Feind beide Seiten ähnlich getroffen. Als die Grippe sich nach Kriegsende im Herbst 1918 mit den heimkehrenden Soldaten bis in den letzten Winkel Deutschlands ausbreitete, bedeutete sie nur eine Bedrohung von vielen, denen sich die Menschen in den Revolutionswirren und in den folgenden, durch wirtschaftliche Not geprägten Zeiten in ihrem Überlebenskampf ausgesetzt sahen. Der damalige Direktor des Krankenhauses l.d.I., Friedrich von Müller, notierte zum Verlauf der Spanischen Grippe lediglich: „Die Rückkehrer aus dem Felde brachten eine schwere Krankheit aus den Schützengräben mit in die Heimat, eine bösartige Epidemie von Grippe, welche schon zu Kriegsende in den kämpfenden Heeren unsäglich viele Opfer gefordert hatte, nun aber auch in der Heimat namentlich bei schwangeren Frauen und alten Leuten verheerende Verbreitung fand.“ 81 Die Mutterhauschronik erwähnt die Grippe nur im Zusammenhang mit der in den Kriegs- und ersten Nachkriegsjahren auch sonst erschreckend hohen Sterblichkeit der Schwestern aufgrund ihrer völligen Überlastung und wohl auch schlechten Ernährungslage. 1918 sei mit 56 Kandidatinnen zwar eine erfreulich hohe Zahl an Neuzugängen zu verzeichnen gewesen, „doch 38 davon erkrankten an schwerer Grippe, 6 starben, 8 mussten in die Heimat zurückgeschickt werden“.82 Auch in einem Bericht einer Schwester, die im Krieg als Begleiterin im Lazarettzug eingesetzt war, über eine der letzten Fahrten von der Westfront nach Deutschland im Oktober 1918 wird die Problematik der Grippe kurz angesprochen: „Ungefähr 60 Schwerverwundete, die übrigen Grippe-krank, meistens sehr schwer. 1 Mann starb gleich nach dem Einladen./Grippe./“ 83 Im Gegensatz zu der nur sporadisch in so gefährlicher Form wie 1918 auftretenden Grippe mussten sich die Schwestern kontinuierlich einer im 19. Jahrhundert und noch weit bis ins 20. Jahrhundert weit verbreiteten Krankheit stellen, der Lungentuberkulose. Die Pflege der Tbc-Kranken ruhte in München und weiten Teilen Bayerns vielfach auf den Schultern der Barmherzigen Schwestern. Nicht verwunderlich ist deshalb, dass die Schwestern im Vergleich zu der übrigen Bevölkerung ein überdurchschnittlich hohes Risiko hatten, selbst an dieser Krankheit zu erkranken. Ihre bedeutendsten Einsatzorte waren das ursprünglich als Erholungskrankenhaus für leichtere chronische Fälle vom Krankenhausdirektor Ziemssen geplante, dann aber wegen des hohen Bedarfs als Lungensanatorium verwendete Sanatorium in Harlaching und das Waldsanatorium in Planegg. Die typische Armutskrankheit Tuberkolose konnte erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch die Verbesserung der Wohnverhältnisse 141 Festschrift der Barmherzigen Schwestern und der Ernährung eingedämmt werden. Durch die besseren Lebensverhältnisse konnten die Abwehrkräfte der Menschen so weit gestärkt werden, dass sie die Erreger in Schach halten konnten. So hatte die Krankheit bereits vor der Entdeckung von wirksamen Medikamenten an Schrecken verloren. In den 1980er Jahren konnten die Schwestern ihr ordenseigenes Lungensanatorium, das Waldsanatorium bei Planegg, endgültig schließen und zu einem Altenheim ausbauen. 9.2. Einsatz der Barmherzigen Schwestern in den Kriegen 1859, 1866 und 1870/71 War von der Mehrbelastung durch Seuchen eine große Zahl von Barmherzigen Schwestern in den Krankenhäusern betroffen, betraf der Einsatz in den Kriegen des 19. Jahrhunderts zunächst nur eine relativ kleine Zahl an Schwestern.84 Der erste Kriegseinsatz von Barmherzigen Schwestern erfolgte auf Bitte der damaligen bayerischen Königin Marie im Jahr 1859. Sie hatte aus Mitleid mit den vielen verwundeten österreichischen Soldaten, die nach der Niederlage Österreichs gegen Italien und Frankreich in ihre Heimat zurückkehrten, in Rotholz in Tirol ein Lazarett eingerichtet und von der Münchner Generaloberin Schwestern für die dortige Pflege erbeten. Die Ordensoberen kamen der Bitte nach und schickten 15 Schwestern nach Österreich. Die notdürftig in einem Raum des Lazaretts untergebrachten Schwestern hatten von Ende Juli bis Ende Oktober 1859 alle Hände voll zu tun, die insgesamt rund 500 Verwundeten zu versorgen. Der österreichische Kaiser bedankte sich bei den Schwestern im November mit einem goldenen Ehrenkreuz. Diesem ersten Einsatz in Österreich sollte bald ein Einsatz in der Heimat folgen, als im Jahr 1866 mit dem Überfall Preußens auf Hannover, Sachsen und auch Bayern der blutige deutsch-deutsche Krieg um die Vormachtstellung in Deutschland zwischen Österreich und Preußen begann. Die königliche Stadtkommandatur von München ließ Anfang Juli 1866 über das Ordinariat beim Superior anfragen, wie viele Barmherzige Schwestern für den Einsatz in Lazaretten freigestellt werden könnten. Obwohl die Schwes tern wie immer in den Krankenhäusern voll ausgelastet waren, erklärte sich die Ordensleitung bereit, 20 Schwestern zur Verfügung zu stellen.Vereinbart wurde, dass pro Lazarett nur zwei bis drei Schwestern und diese ausschließlich für die Krankenpflege eingesetzt werden sollten. Für die übrigen Arbeiten sollten weltliche Kräfte angestellt werden. Die Pflege sollte außer Kost, Logis und Reisekostenerstattung unentgeltlich von den Schwestern geleistet werden. Von Juli bis September, teilweise sogar bis November, waren 142 Sondereinsätze in Zeiten von Seuchen und Kriegen Spital im Paradiesgarten (1871): Königin-Mutter Marie, die Schwestern M. Magrina Gramerl und M. Luitpolda Ziegerer, Gräfin Fugger, Schwester M. Pionia Leidl, Gräfin Pocci, Schwester M. Waltrudis Späth, Graf von Pappenheim und Schwester M. Jakobina Berger (von links) diese Schwestern nun in verschiedenen Lazaretten tätig. So versorgten sie beispielsweise die Militärspitäler in Lichtenfels, Bamberg und Aschaffenburg, aber auch die auf Privatinitiative des Königs und der Königin-Mutter in München im späteren Maximilianeum bzw. im Schloss Fürstenried eingerichteten Lazarette. Auch Graf Arco-Valley ließ Barmherzige Schwestern zur Pflege Verwundeter in sein Schloss Valley bei Holzkirchen kommen. Neben den 20 speziell für den Lazarettdienst abgestellten Schwestern waren zusätzlich noch weitere Barmherzige Schwestern mit der Pflege von verwundeten Soldaten beschäftigt, da ein Teil der Soldaten, meist leichter verwundete und somit transportable Patienten, auch in einige der von den Schwestern geführten regulären Krankenhäuser verlegt wurden. Kaum vier Jahre nach dem deutsch-deutschen Krieg zog Bayern im Juli 1870 an der Seite seines früheren Gegners Preußen in den Krieg gegen Frank reich. Die Mutterhauschronik spricht von dem Widerwillen der Schwestern gegen diesen den Bayern von Preußen aufgezwungenen Krieg. Die Stimmung im Mutterhaus war symptomatisch für einen großen, zumindest den konservativen Teil der bayerischen Bevölkerung, der sich keinerlei Vorteile von diesem Krieg versprach. Nicht ganz zu Unrecht, wie sich zeigen sollte, da der Ausgang des Krieges schließlich zur Reichsbildung und zum weitgehenden Verlust der Souveränität für das Königreich Bayern führte. Auch diesmal trat der Staat schon früh an den Orden heran, Schwestern für die Versorgung der verwundeten Soldaten zur Verfügung zu stellen. Wie schon im vorausgegangenen Krieg versorgten die Barmherzigen Schwestern in einer Reihe ihrer regulären Niederlassungen Verwundete und stellten zudem wieder Schwestern für eigens dafür eingerichtete Spitäler. So übernahmen sie wieder die Pflege im königlichen Spital in Neuberghausen, das sich der König und der Georg-Ritter-Orden als Träger teilten. Auch die 143 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Verwundeten im von der Königin-Mutter im so genannten Paradiesgarten am Englischen Garten eingerichteten Lazarett wurden von Barmherzigen Schwestern gepflegt. Für einige Wochen richtete die Kongregation selbst ein kleines Lazarett in ihrem Noviziatshaus in Berg am Laim ein, bis die Räume wieder für Novizinnen gebraucht wurden. Da durch die militärische Überlegenheit der Deutschen die Kriegshandlungen bald nur noch auf französischem Boden stattfanden, mussten die Verwundeten mit der Eisenbahn in die deutschen Lazarette transportiert werden. Für die Begleitung dieser Spitalzüge wurden ebenfalls Barmherzige Schwestern angefordert. Die Ordensleitung stellte bis zu 8 Schwestern für diese Aufgabe frei. Von Mitte August bis Mitte September wurden von Bayern insgesamt 36 derartige Fahrten organisiert. An 12 der Fahrten waren jeweils dieselben 6 bis 8 Schwestern beteiligt. Dabei hatten sie insgesamt 2590 Verletzte zu betreuen und waren insgesamt 135 Tage im Einsatz. Man kann sich vorstellen, welche Anforderungen die meist sehr jungen Schwestern meistern mussten. War sicher schon die lange Anreise quer durch Deutschland und teilweise weit in feindliches Gebiet anstrengend und aufregend, wie mag erst die Heimreise mit den vielen Verwundeten, die nur notdürftig versorgt und auch gegen Kälte nur notdürftig geschützt werden konnten, physisch und psychisch belastend gewesen sein? Schwer erschüttert waren sie, als sie bei einer ihrer Fahrten einen Aufenthalt in Straßburg dazu nutzten, ihre Mitschwestern im Stammmutterhaus in Straßburg zu besuchen und dort die Verwüstungen sahen, die die deutsche Belagerung Straßburgs hinterlassen hatte. Zu dieser Situation ist auch ein bewegender Brief der Straßburger Generaloberin Schwester Marie Angélique Arth (1868 – 1881) vom Oktober 1870 an die Münchner Generaloberin Operationswagen eines Königlich Bayerischen Lazarettzuges 144 Sondereinsätze in Zeiten von Seuchen und Kriegen erhalten: „Der gütige Gott vergelte Ihnen die warme Teilnahme, welche Sie für Ihre bedrängten Mitschwestern in Straßburg haben… Wir haben Vieles gelitten, vielgeliebte Mitschwester, aber das Vertrauen auf den Herrn hat uns, Ihm sei Dank keinen Augenblick verlassen. Unser Mutterhaus, Allerheiligen, ist zum Dritteil eine Ruine durch den beständigen Regen von Granaten und Bomben, der unser unglückliches Stadtviertel getroffen, die schöne Kapelle ist für lange Zeit unbrauchbar geworden… Doch wurden wir durch Gottes besonderen Schutz und die Wachsamkeit unserer Leute vom Feuer bewahrt, welches die ganze umliegende Vorstadt verwüstet. Zwei und vierzig Tage und Nächte kamen wir nicht aus den Kleidern und verrichteten unsere Schuldigkeiten in beständiger Todesgefahr. Aus ganzer Seele, mit vereinten Kräften wollen wir um den ersehnten Frieden beten, damit so vielem Blutvergießen und herzbrechendem Unglücke der Familien und Länder, endlich Einhalt geschehe.“ 85 Die Straßburger Schwestern hatten während der Belagerung und Bombardierung Kranke, Pfründner und Flüchtlinge aus der Stadt in ihrem Keller untergebracht und zu versorgen. Groß war die Angst, bei Feuer nicht alle retten zu können.Vier Schwestern wurden verletzt, zwei davon tödlich. Angesichts der Leiden der Straßburger Mitschwestern und der Gefahren, denen die Schwestern bei der Begleitung der Spitalzüge ausgesetzt waren, war die Erleichterung im Mutterhaus groß, dass alle Münchner Schwestern den Krieg heil überstanden. Für ihren Einsatz in der Soldatenpflege lehnte die Ordensleitung auch dieses Mal strikt jegliche Entlohnung ab. Die bayerische und die neue deutsche Reichsregierung ließen es sich jedoch nicht nehmen, den Schwestern ihre Anerkennung auszusprechen. So erhielten die Barmherzigen Schwestern nach Kriegsende sowohl das Bayerische Verdienstkreuz als auch das „Verdienstkreuz für Frauen und Jungfrauen wegen hervorragender Dienste in den Kriegsjahren 1870/71“, das ihnen Kaiserin Augusta, die Frau des ersten deutschen Kaisers des neuen deutschen Reiches, zu dem nun auch Bayern gehörte, zukommen ließ. Königin-Mutter Marie dankte den Schwestern für ihren Einsatz im Lazarett Paradiesgarten mit einem Porträt ihres verstorbenen Mannes König Maximilian II. Dieses Ölbild mit einem wertvollen Goldrahmen erhielt zusammen mit dem Porträt der Königinmutter, das sie den Schwestern bereits 1866 für ihren Dienst im Fürstenrieder Spital geschenkt hatte, einen Ehrenplatz im Mutterhaus. 9.3. Die Schwestern im Ersten Weltkrieg (1914 – 1918) Auch im 1.Weltkrieg war der Einsatz der Schwestern gefragt.Wieder hatten sie Verwundete in ihren regulären Krankenhäusern und in eigens dafür eingerichteten Lazaretten zu pflegen. Insgesamt waren dabei über 300 Schwestern in der Heimat im Einsatz. Auch für die Begleitung von Lazarettzügen 145 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Holzkoffer der Barmherzigen Schwestern bei ihrem Kriegseinsatz im Ersten Weltkrieg wurden wieder Schwestern zur Verfügung gestellt. Neu hinzu kam in diesem Krieg, dass neben den Heimatlazaretten auch Lazarette direkt hinter der Front errichtet wurden. In diesen Etappenlazaretten, überwiegend an der Westfront in Belgien und Frankreich, in den Jahren 1915 und 1916 auch an der Ostfront in Ungarn und Serbien, waren während des gesamten Krieges bis zu 70 Münchner Barmherzige Schwestern tätig.86 Die im Mutterhausarchiv verwahrten Kriegstagebücher einiger dieser Schwestern geben einen aufschlussreichen Einblick in ihren strapaziösen Kriegsalltag. Sie zeigen aber auch, wie sich im Verlauf des Krieges die Einstellung der Schwestern zu diesem Krieg grundlegend gewandelt hat. Ganz anders als im Krieg von 1870/71 war bei Kriegsbeginn 1914 auch in Bayern die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung von geradezu enthusiastischer Kriegsbegeisterung. Dieses Phänomen hatte mehrere Ursachen. Zum einen wussten nach über 40 Jahren Frieden in Deutschland viele junge Menschen nicht mehr aus eigener Anschauung, was ein Krieg in der Realität bedeutete. Zum anderen beruhte das Selbstbewusstsein des neuen deutschen Reiches zu einem nicht geringen Teil auf dem Gefühl der militärischen Überlegenheit gegenüber seinen Nachbarstaaten. Der seit Jahrzehnten vorherrschende Militarismus mit der Überhöhung und übertriebenen Hochschätzung alles Militärischen, vor allem unter dem amtierenden deutschen Kaiser Wilhelm II., trug seine Früchte 1914 in der weitgehenden Akzeptanz des Krieges. Auch die Schwestern hatten sich als Kinder ihrer Zeit davon anstecken lassen. So notierte die Novizenmeisterin des Ordens, Schwester M. Alma Mack, die während des gesamten Krieges in Etappenlazaretten unmittelbar hinter der Front eingesetzt war, zu dem Aufbruch der Schwestern in Richtung Dieuze in Frankreich am 1. September 1914: 146 Sondereinsätze in Zeiten von Seuchen und Kriegen Ein Reserve lazarett im Ersten Weltkrieg „Freudigen Herzens, voll Begeisterung verließen wir 27 Schwestern in Begleitung der lb. Ehrw. Vorgesetzten das lb. Mutterhaus und begaben uns zum Bahnhof… Unser Zug ist ein Extrazug für Sanitätspersonal, Ärzte, Schwestern verschiedener Orden und Sanitäter… Die Türen der Wagen schließen sich und fort geht es in raschem Tempo unter fortwährenden Abschiedsgrüßen und Tücherschwung.“ 87 Konfrontiert mit der grausamen Realität änderte sich bald der Tenor der Berichte. Die anfängliche Begeisterung wich der Ernüchterung und immer mehr der Überzeugung, dass der Krieg sinnlos war. Besonders bedrückend sind die Eintragungen Schwester M. Almas aus dem letzten Kriegsjahr. Im Juni 1918 wurde ein Teil der Schwestern unter ihrer Leitung in das ehemalige französische Barackenlazarett in Vasseny bei Soissons verlegt. Die von Schwester M. Alma auf dem Weg zum neuen Einsatzort auf einem verlassenen Schlachtfeld gemachten Beobachtungen sind kaum wiederzugeben: „Es war schrecklich anzusehen diese Granatlöcher. Teile von Menschen, halbvermoderte Füße in den Strümpfen und Schuhen lagen umher, Helme, in denen die Kopfhaut mit dem Haar halbverwest hing.“ Als die tief erschütterten Schwestern endlich in Vasseny ankamen, wurden sie in einer Baracke ohne Fußboden untergebracht, in Betten, die noch voller Blut und Schmutz von den vorher dort untergebrachten französischen Verwundeten waren. „Für wie viele sterbende Franzosen werden sie schon benützt worden sein?“ Trotz ihrer Erschöpfung war wegen der feindlichen Flieger und der vielen Ratten in der Baracke kaum an Schlaf zu denken. Doch auf ihre eigenen Bedürfnisse und Befindlichkeiten durften die Barmherzigen Schwestern keine Rücksicht nehmen. Auch unter diesen widrigen Umständen mussten sie ihre Arbeit machen und die Verwundeten versorgen, die schon auf ihre Hilfe warteten. Und das wurden immer 147 Festschrift der Barmherzigen Schwestern mehr: „Der Krieg wird immer grausamer… So viel und so schwer Verwundete hatten wir noch nie wie hier.“ Nicht nur physisch gelangten die Schwestern bei der Soldatenpflege an ihre Grenzen, sondern auch psychisch. Schwester Alma beschreibt, wie schwer es den mitfühlenden Schwestern fiel, wenn sie aus medizinischen Gründen Verwundeten mit schweren Bauchverletzungen den so sehr ersehnten Schluck Wasser verweigern mussten. Wie erschütterte sie das Sterben der vielen „Familienväter, wenn sie immer nach Frau und Kindern rufen“, die den Schwestern klagten, sie müssten ihre kleinen Kinder unversorgt zurücklassen. Wie sehr empfanden sie die Sinnlosigkeit des Sterbens der vielen „jungen 17 oder 18 jährigen noch fast Kinder“, die sich sterbend nur nach der Mutter sehnten. Die Barmherzigen Schwestern versuchten den Sterbenden beizustehen, ihnen etwas Trost und Geborgenheit zu geben. Erleichtert wurde den Schwestern ihre Arbeit nur durch die Tatsache, dass die Soldaten sehr dankbar waren für ihre Anteilnahme und Hilfe. Von den Münchner Barmherzigen Schwestern waren sicher die rund 70 Schwestern, die in den Etappenlazaretten und bei der Zugbegleitung eingesetzt waren, in ganz besonderem Maße gefordert. Aber weit mehr als in den vorhergegangenen Kriegen war die gesamte Kongregation in Mitleidenschaft gezogen. Mit 300 Schwestern war die Zahl der Schwestern, die in den Heimatlazaretten für die Verwundetenpflege abgestellt werden mussten, erheblich höher als früher.Wie die übrige Zivilbevölkerung hatten auch die Schwestern unter der schlechten Versorgungslage zu leiden. Ein Badezimmer als Notkapelle Wie an allen ihren Einsatzorten legten die Schwestern selbst in dieser Hölle der Etappenlazarette Wert darauf, dass ihnen Zeit und Raum für Gebet und Gottesdienst blieb. Dabei erwiesen sie sich als äußerst einfallsreich: „Wir fanden aber keinen anderen Raum, als einen Baderaum, den haben wir sauber hergerichtet, die Badewanne konnte man nicht hinaustun, weils angeschmiedet war. Wir taten einen Tisch hinein mit weißem Tuch, und so richtete H.H. Kanonikus seinen Feldaltar, und so hatten wir dann täglich hl. Messe und auch hl. Kommunion.“ 88 Die Ordensoberen sorgten sich ebenfalls um das leibliche und geistliche 148 Wohl ihrer Schwestern an der Front. Als der Ordenssuperior, Prälat Pfaffenbüchler, die Schwestern in Cambrai besuchte, wo die Schwestern von Oktober 1914 bis September 1915 im Einsatz waren, sorgte er dafür, dass sie Bettgestelle bekamen und somit nicht länger nur auf Matratzen am Boden liegen mussten. Für die Kapelle organisierte er Sitzbänke, um ihnen das Knien auf dem Boden zu ersparen. Bei einem weiteren Besuch war er voll Mitleid und zugleich Bewunderung für die Schwestern, die den feindlichen Dauerbeschuss gelassen hinnahmen. Er selbst gestand, es nicht länger ertragen zu können und reiste bereits nach zwei Tagen wieder ab. Sondereinsätze in Zeiten von Seuchen und Kriegen Ordens lazarett in Adelholzen im Ersten Weltkrieg Der lange dauernde Krieg hatte für die Kongregation auch negative wirtschaftliche Folgen. Schon kurz nach Kriegsbeginn war in dem seit 1907 im Besitz des Ordens befindlichen Kurbad Adelholzen ein Lazarett eingerichtet worden. Im Verlauf des Krieges verlagerte sich der Schwerpunkt in Adelholzen immer mehr vom Kur- zum Lazarettbetrieb. Mit den Kurgästen blieben aber auch die Einnahmen aus. Zudem wurde durch den Krieg der Vertrieb des Heilwassers erschwert, was zusätzliche Einnahmeverluste bedeutete. Während die Schwestern dem Mangel an Petroleum und Kerzen noch mit der zukunftsweisenden Einrichtung der Elektrizität im Mutterhaus im Jahr 1915 begegnet waren, konnten sie dem Opfer ihrer Kirchenglocken für die Metallsammlungen nichts Positives abgewinnen. Im November 1917 kam das Kriegsgeschehen bis nach München, als ein feindliches Flugzeug 7 Bomben über München abwarf. Dieser Luftangriff, nur ein kleiner Vorbote des nächsten Weltkrieges, richtete glücklicherweise keine größeren Schäden an, trug aber zur weiteren Demoralisierung der Zivilbevölkerung bei. Nach all dem Leid, das dieser Krieg gebracht hatte, überwog die Erleichterung bei den Schwestern, als er endlich im November 1918 zu Ende ging, auch wenn die Niederlage dem Frieden einen etwas bitteren Beigeschmack gab und die Revolution die Schwestern beunruhigte. Endlich konnten die Schwestern aus der Etappe zurückkehren. Schwester M. Magdalena Barnickel berichtet von dieser Heimfahrt: „Im Zug war kein einziges Fenster ganz, alle durchgeschossen. Links und rechts vom Zug waren rote Fähnchen hingesteckt zum Zeichen, dass der Krieg verloren ist und Revolution ist … Ganzer Zug überfüllt mit Soldaten, man durfte nicht einmal aussteigen, sehr kalt, sie haben mit Papier die Fenster zugehängt, weil es so gezogen hat … Mehrere Barmherzige Schwestern fingen an zu kränkeln.“ 89 149 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Als sie nach tagelanger, strapaziöser Fahrt endlich am 18. November am Münchner Hauptbahnhof ankamen, stand ihnen noch eine letzte Aufregung bevor. Die müden, hungrigen und durstigen Schwestern, die sich nur noch nach ihren Mitschwestern im nahen Mutterhaus sehnten, durften zu ihrem Entsetzen den Zug nicht verlassen. Stundenlang warteten sie im Bahnhof, ohne zu erfahren, was mit ihnen geschehen sollte. Auch als der Zug am Nachmittag Richtung Starnberger See weiterfuhr, wurden die Schwestern immer noch im Unklaren über ihr weiteres Schicksal gelassen. In Bernried am Starnberger See wurden sie endlich zusammen mit den mitreisenden Soldaten offiziell aus dem Wehrdienst entlassen. Mit dem nächsten Zug durften sie nach München zurückkehren, wo ihre Mitschwestern sie bereits voll Sorge erwarteten. 9.4. Revolution und Inflation Die Erleichterung der Schwestern über die Beendigung des sinnlosen Blutvergießens des 1. Weltkrieges wurde bald von den revolutionären Begleitumständen des Kriegsendes überschattet. Die Revolution in Bayern vom 7. November 1918 erschütterte die Welt der Schwestern in ihren Grundfesten. Seit ihrer Gründung hatten die Münchner Barmherzigen Schwestern die Loyalität zum Königshaus immer äußerst hoch gehalten. Nun mussten sie mit ansehen, wie der letzte bayerische König, Ludwig III., mit seiner schwerkranken Frau, Königin Maria-Theresia, fliehen musste. Der Untergang der bayerischen Monarchie bedeutete für die Schwestern auch den Verlust ihrer alten Welt. Doch auch in dieser Situation hielten die Schwestern den Wittelsbachern die Treue. So übernahm eine Barmherzige Schwester die Pflege der schwerkranken Königin an ihrem Zufluchtsort Schloss Wildenwarth bis zu deren Tod am 3. Februar 1919.90 Zu dem großen Bedauern, das die Schwestern über das Ende der Königsherrschaft empfanden, kam die Sorge, wie es weitergehen würde. Würde der Orden auch unter den neuen Machtverhältnissen weiter existieren können? Für die neu gegründete Bayerische Volkspartei empfanden die Ordensschwestern gewisse Sympathien, aber noch war nicht klar, welche politischen Kräfte sich durchsetzen würden. Ihre größten Befürchtungen schienen sich zu bestätigen, als nach der Ermordung Kurt Eisners eine weitere Radikalisierung einsetzte und am 7. April 1919 die USPD die Münchner Räterepublik ausrief, woraufhin die im Januar neu gewählte gemäßigte SPD-Regierung unter Hofmann nach Bamberg floh. Die Spartakisten machten den Schwestern das Leben schwer. Zweimal durchsuchten sie das Postulatsgebäude nach Lebensmitteln, Geld und verbotenen Schriften, die 150 Sondereinsätze in Zeiten von Seuchen und Kriegen Ludwig III. von Bayern, 1845 – 1921 (Ölgemälde im Mutterhaus) die Schwestern angeblich an die Bevölkerung verteilt hätten. Als die Weißen Garden der Regierung Hofmann am 1. Mai in München einmarschierten und sich tagelang mit der Roten Armee der Räteregierung Straßenkämpfe lieferten, blieben auch die Schwestern nicht unbehelligt. Schüsse schlugen im Postulatsgebäude in der Blumenstraße ein. Im Martinsspital in Giesing wurde sogar der Ärmel einer der Schwestern von einem Geschoss durchlöchert, glücklicherweise ohne sie zu verletzen. Besonders schlimm war der Beschuss des Nußbaumpavillons: „Der Korridor des Nußbaumpavillons ist gegen die Nußbaumstraße gerichtet und in den bösen Wochen der kommunistischen Revolution wurden die Krankenzimmer unter heftiges Feuer gelegt durch ein in der Schillerstraße aufgestelltes Maschinengewehr, dessen Geschosse durch die Gangfenster und Zimmertüren durchschlugen. Die Schwestern konnten tagelang nur gebückt oder kniend ihre Kranken betreuen.“ 91 Bei dem Kampf um München kamen mehr als 600 Menschen ums Leben, darunter etwa 150 Angehörige der regierungstreuen Truppen.Von den weiteren ca. 450 Toten waren bei weitem nicht alle Angehörige der Roten Armee, sondern sehr viele unbeteiligte Zivilisten.92 Die siegreichen Weißen Garden nahmen blutige Rache an ihren Gegnern. Durch standrechtliche Erschießungen ermordeten sie in den ersten Tagen 252 Menschen, Revolutionäre und solche, die sie irrtümlich dafür hielten.93 Die Begeisterung der Schwestern über die zunächst als Befreier begrüßten Weißen Garden hielt sich in Grenzen.Viele Wochen mussten sie Einquartierungen von Soldaten in Kauf nehmen. Die Revolutionswirren brachten auch Einschränkungen für das klösterliche Leben mit sich. Oft mussten Konvente tagelang auf die Messfeier verzichten. Kandidatinnen konnten wegen der Einstellung des Bahnverkehrs 151 Festschrift der Barmherzigen Schwestern erst Ende Mai in die Kongregation eintreten. In München konnte die große Fronleichnamsprozession im Revolutionsjahr 1919 nicht stattfinden. Allerdings erhielten die Barmherzigen Schwestern vom Ordinariat die Erlaubnis, als Ersatz eine eigene Prozession im Bereich ihrer Mutterhaus-Arkaden abzuhalten. Nicht nur die politischen Unruhen, sondern auch die große wirtschaftliche Not erschwerte das Leben der ersten Nachkriegsjahre. Die Lebensmittelknappheit war durch Revolution und schlechte Ernten fast noch größer als zu Kriegszeiten. Von der schlechten Ernährungslage waren die Barmherzigen Schwestern nicht nur direkt, sondern auch indirekt betroffen, da sich die Mangelernährung der Bevölkerung an der steigenden Zahl von Kranken in den Krankenhäusern bemerkbar machte.Vor allem die Zahl der Tuberkulosekranken und deren Sterblichkeit stiegen stark an. In dieser Zeit erwies es sich als Segen, nicht nur für die Schwestern selbst, sondern vor allem auch für die Krankenhäuser in den Städten, dass die Kongregation an zahlreichen Niederlassungen eigene kleine Landwirtschaften betrieb. So berichtete Krankenhausdirektor Müller vom Krankenhaus l.d.I. aus dieser Zeit: „Die Einrichtung, dass die Küche den Ordensschwestern anvertraut war, hat sich namentlich während der Hungersnot der Kriegsjahre und Revolution sehr bewährt. Durch ihre Verbindungen mit ländlichen Kreisen konnten die Ordensschwestern immer wieder die notwendigen Nahrungsmittel für die Patienten herbeischaffen.“ 94 Die Inflation der Jahre 1922/23 machte auch den Barmherzigen Schwestern große Probleme. Die Gehälter, die für die Schwestern von den Krankenhäusern an das Mutterhaus bezahlt wurden, verloren, bis sie im Mutterhaus eintrafen, so an Wert, dass kaum noch etwas dafür gekauft werden konnte. Trotz aller Sparsamkeit waren aber manche Ausgaben unumgänglich, z. B. für die Kleidung der Novizinnen oder die Flaschen für die Füllerei des Brunnenbetriebs in Adelholzen. So berichtet die Mutterhauschronik aus dem Jahr 1922: „Die Teuerung brachte im Mutterhaus, das ständig mit doppeltem Noviziat bevölkert war, sorgenschwere Tage. Allmählich gingen Stoff und Leinwand Galgenhumor in der Inflationszeit „In der versprochnen Zeit sind wir gekommen allzu weit. Ein jeder ist jetzt Millionär. Wenn’s nur nicht lauter Schwindel wär!“ Notiz auf einer Banknote zu 500.000 Mark im August 1923/Mutterhauschronik S. 123 152 Sondereinsätze in Zeiten von Seuchen und Kriegen aus: 1 m Tuch 900 Mark, 1 m Leinwand 200 Mark. Da war eine Einkleidung eine große Ausgabe… Im Dezember 1922 kostete 1 m Halbleinen 2.400 Mark, eine leere Adelholzener Flasche 100 Mark!“ 95 Für manches der von den Schwestern geleiteten Krankenhäuser war die Inflation auch deswegen ein großes Problem, weil früher zu ihren Gunsten gemachte Stiftungen wertlos wurden. Besonders betroffen davon war das Krankenhaus links der Isar mit seiner Krankenhausstiftung. Die Mutterhauschronik berichtet, dass auf dem Höhepunkt der Inflation im Herbst 1923 Einkaufen mit Geld unmöglich war, da es niemand mehr annehmen wollte. Stattdessen wurde sogar in den Krankenhäusern mit Naturalien wie Butter, Eiern und Fleisch abgerechnet. Buchstäblich über Nacht kam am 21. November 1923 mit der Einführung der Rentenmark endlich das Ende dieser irrwitzigen Zeit. Der Wert einer Rentenmark entsprach 1 Billion des Inflationsgeldes. Nun ging es wieder aufwärts und auch für die Barmherzigen Schwestern brachen die „goldenen Zwanziger Jahre“ an. * 153 K a p i t e l 10 Blütezeit des Ordens zu Beginn des 20. Jahrhunderts 10.1. Großer Aufschwung um die Jahrhundertwende Trotz all der Widrigkeiten, die der 1. Weltkrieg, die Revolutionszeiten und die Not der Nachkriegs- und Inflationsjahre mit sich brachten, befand sich der Orden in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung. Seit der Gründung im Jahr 1832 waren bis 1870 sowohl die Zahl der Niederlassungen als auch die Zahl der Mitglieder kontinuierlich angewachsen. Von 1870 bis 1895 trat eine gewisse Stagnation ein, was die Übernahme von weiteren Einrichtungen anbelangte.96 Eine denkbare Ursache für diese Verzögerung des weiteren Aufschwungs könnte der rauere politische Gegenwind gewesen sein, den die Kongregation während des Kulturkampfes zu spüren bekam. Der spätere Superior Hiller machte in seinen Chronikaufzeichnungen am Beginn des 20. Jahrhunderts allerdings noch eine weitere Ursache aus, nämlich die in seinen Augen allzu lange Amtszeit der Generaloberin Schwester M. Regina Hurler.97 Das Urteil Hillers ist jedoch mit Vorsicht zu genießen. Er scheint eine schwierige Persönlichkeit gewesen zu sein, die überall aneckte, was schließlich das Ordinariat 1914 dazu veranlasste, ihn zur Resignation zu bewegen. Auch scheint er von den Führungsqualitäten von Frauen grundsätzlich nicht viel gehalten zu haben. Dennoch ist die Tatsache nicht von der Hand zu weisen, dass einem Zuwachs von fast 60 Niederlassungen in den ersten beiden Jahrzehnten der Amtszeit der Generaloberin Schwester M. Regina, nur sechs Übernahmen in den letzten beiden Jahrzehnten gegenüberstehen. Denkbar wäre also schon, dass zur Stagnation in dieser Zeit möglicherweise auch eine gewisse Tendenz der älter gewordenen Generaloberin beigetragen hat, die Kongregation nicht weiter wachsen zu lassen, sondern lieber zu konsolidieren. Ist mit zunehmendem Alter der Generaloberin eventuell der Schwung und Mut der Anfangsjahre dem Streben nach Sicherung des Bestehenden 154 Blütezeit des Ordens zu Beginn des 20. Jahrhunderts gewichen? Auch das bischöfliche Ordinariat scheint die extrem lange Amtszeit der Generaloberin als etwas problematisch eingestuft zu haben, wie die 1895 erfolgten Modifikationen der Statuten zur zeitlichen Beschränkung der Amtszeit zeigen. Der Vorwurf Hillers, die Ordensleitung hätte den Aufschwung zunächst verschlafen, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Schon in den 1880er Jahren setzte ein Boom in der Krankenhauslandschaft ein, von dem allerdings zunächst Mallersdorfer Schwestern und Rotkreuzschwestern weit mehr profitierten. Bei den Barmherzigen Schwestern ist der Aufschwung in Bezug auf den Zuwachs an Niederlassungen erst ab 1895, nach der Resignation der langjährigen Generaloberin, festzustellen. Gerechtigkeitshalber sei jedoch erwähnt, dass der höhere Mitgliederzuwachs schon vorher einsetzte. Dass sich dieser nicht zugleich in der Übernahme neuer Filialen widerspiegelte, mag auch daran gelegen haben, dass die Kongregation in München mit den beiden Krankenhäusern links und rechts der Isar und der neuen chirurgischen Klinik sehr große Krankenhäuser zu versorgen hatte, die wegen der anhaltenden Ausdifferenzierung von Spezialabteilungen einen stetig steigenden Bedarf an Pflegekräften hatten, dem das Mutterhaus nachzukommen hatte. Mehrere Faktoren spielten zusammen bei der fast explosionsartigen Entwicklung des Krankenhauswesens um die Jahrhundertwende. Da war einmal der schon näher beschriebene wissenschaftliche und technische Fortschritt auf dem Gebiet der Medizin. Die Einstellung der Menschen zu den Krankenhäusern wandelte sich durch die verbesserten Aussichten auf Heilung ins Positive, wodurch der Andrang höher wurde.Verstärkt wurde diese Tendenz durch die längst überfällige staatliche Sozialgesetzgebung, durch die es sich nun erst die ärmeren Bevölkerungsschichten leisten konnten, die Behandlung in den Krankenhäusern in Anspruch zu nehmen. Durch die zunehmende Verstädterung in Folge der Industrialisierung stieg in den Städten die Notwendigkeit des Baus neuer, größerer Krankenanstalten. Dies galt in erster Linie für München, das sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit der Verfünffachung seiner Einwohnerzahl zur Großstadt entwickelt hatte, aber auch für zahlreiche kleinere bayerische Städte. Diese Entwicklung im Krankenhauswesen bedeutete aber auch, dass die Nachfrage nach geeignetem Pflegepersonal enorm anstieg. Da der Staat zwar in zunehmendem Maße den Bereich der Gesundheitsversorgung an sich zog, aber kein geeignetes Personal zur Verfügung hatte und sich auch nicht um die Ausbildung eines solchen kümmerte, waren die Mutterhausverbände gefragt, dieses zu beschaffen. Für die katholischen Gemeinden in Bayern waren dies neben den Mallersdorfer Schwestern in erster Linie nach wie vor die Barmherzigen Schwestern vom Mutterhaus München und Augsburg. 155 Festschrift der Barmherzigen Schwestern .IEDERLASSUNGENBIS *AHR Entwicklung der Zahl der Niederlassungen der Kongregation von 1832 bis 2007. 1UELLE"3-~!-ITGLIEDERVERZEICHNISSE 0ERSONALSTAND *AHR Entwicklung der Zahl der Mitglieder der Kongregation von 1832 – 2007 1UELLE"3-~!-ITGLIEDERVERZEICHNISSE Erstaunlicherweise konnten die Ordensgemeinschaften mit der damaligen rasanten Entwicklung Schritt halten. Auch die Zahl der Eintritte bei den Pflegeorden stieg entsprechend stark an. Im Jahr 1901 hatte erstmals die Gesamtzahl der Barmherzigen Schwestern vom Mutterhaus München die Zahl 1000 überschritten, gerade mal ein knappes Vierteljahrhundert später im Jahr 1924 bereits die Zahl 2000.98 156 Blütezeit des Ordens zu Beginn des 20. Jahrhunderts 10.2. Was bewegte so viele junge Frauen, Barmherzige Schwestern zu werden? Gerade angesichts des heutigen Nachwuchsproblems fragt man sich, was früher so viele junge Frauen bewogen haben mag, diesen Schritt in eine Ordensgemeinschaft zu tun. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielte hierbei sicher das damalige gesellschaftliche und familiäre Umfeld. Diese Mädchen wuchsen noch in einer stark vom katholischen Glauben geprägten Umgebung auf, in der die Entscheidung für das Ordensleben nicht außerhalb der Vorstellungswelt war, sondern als ein denkbares und durchaus wünschenswertes Lebensmodell angesehen wurde. Wer sich für den geistlichen Lebensweg entschied, konnte sich in der Regel der gesellschaftlichen Hochachtung und der familiären Unterstützung sicher sein. Die Hauptmotivation für diese doch sehr einschneidende Lebensentscheidung war wie zu allen Zeiten der Glaube und der Wunsch, sein irdisches Leben ganz in den Dienst Gottes zu stellen, um das himmlische Seelenheil zu gewinnen. Nach der damals herrschenden theologischen Einschätzung galt die Wahl der geistlichen Lebensform als der sicherste Weg zur Selbstheiligung, als die beste Möglichkeit, dem Himmel einen deutlichen Schritt näher zu kommen, näher, als es in jeder anderen Lebensform je möglich wäre. Warum aber war gerade der Zulauf bei den sozial tätigen Orden in dieser Zeit so groß? Nachdem die katholische Kirche durch die Säkularisierung und den damit verbundenen Verlust an politischer und gesellschaftlicher Macht am Anfang des 19. Jahrhunderts in Bayern stark geschwächt worden war, nutzte sie diese Umbruchsituation, um sich auf ihre ureigensten christlichen Werte wie die Nächstenliebe zu besinnen. Verstärkt wandte sie sich sozialen Aufgaben zu, um die mit der industriellen Revolution einhergehende Not vieler Menschen zu lindern. Hauptträger dieser neu erstarkten Rolle der Kirche waren die weiblichen karitativen Ordensgemeinschaften, somit nicht zuletzt die Barmherzigen Schwestern. Diese Ordensschwestern trugen in der Bevölkerung wesentlich zu einem neuen positiven Bild von Kirche bei. An vielen Orten konnte man diese Vorbilder christlicher Nächstenliebe aus nächster Nähe als Helferinnen in den verschiedensten Notlagen erleben, wodurch manches Mädchen inspiriert worden sein mag, selbst diesen Weg einzuschlagen. Welche Rolle die Vorbildfunktion spielte, zeigte sich auch daran, dass die von den Schwestern geführten Schulen, die Hauswirtschaftsschulen und die eigene Realschule in Indersdorf, zu bedeutenden Zentren für die Nachwuchsgewinnung wurden. Warum ließen sich die Mädchen nicht von dem für uns heute teilweise unvorstellbar schweren, ja auch häufig lebensgefährlichen Dienst abschre157 Festschrift der Barmherzigen Schwestern cken? Sieht man sich die Angaben zur sozialen Herkunft in den Personalbüchern des Ordensarchivs an, stellt man fest, dass sich die Barmherzigen Schwestern fast ausschließlich aus der ländlichen Bevölkerung Bayerns rekrutierten. Sie stammten in der überwiegenden Mehrheit aus kleinen bis mittleren Landwirtschaften oder aus kleinen Handwerksbetrieben. Hier war die oben schon angesproSchwestern und Kandichene tiefe und selbstverständlidatinnen che Frömmigkeit der Nährboden ziehen in für die künftigen Ordensschwesdie Muttertern. Hier waren aber auch hartes hauskirche Arbeiten und schwere Entbehein (1950er Jahre) rungen das Gewohnte. Dass dies eine gute Ausgangslage war, den Anforderungen des Lebens als Barmherzige Schwester gewachsen zu sein, hatten auch die Ordensoberen erkannt. So verfügten sie schon in den Statuten von 1835: „Bei gleichen geistigen und körperlichen Eigenschaften sollen arme Jungfrauen den vermöglichern vorgezogen werden; denn sie treten in den Orden der armen barmherzigen Schwestern und geloben Armuth.“ 99 Die alternativen Lebensmodelle als Bäuerin und Mutter oder als ledige Magd wären ebenfalls häufig geprägt gewesen von Armut und Arbeit. Auch die Lebenserwartung wäre angesichts der damals auf dem Land herrschenden hohen Frauensterblichkeit nicht unbedingt höher gewesen. Und man darf nicht übersehen, dass es neben der religiösen Motivation noch andere Faktoren gab, die den Beruf der Barmherzigen Schwester für so viele Mädchen erstrebenswert machte. Die kinderreichen Familien auf dem Land hatten oft Mühe, die Zukunft aller Kinder zu sichern. Ein möglicher Weg war schon immer der Weg ins Kloster gewesen, wodurch die Versorgung auf Lebenszeit gesichert war. Nicht zu unterschätzen ist auch die Tatsache, dass lange Zeit für Angehörige der ländlichen Unterschicht die Wahl eines geistlichen Berufes der einzige Weg war, aus dem ansonsten schon vorgezeichneten Leben auszu brechen und einen sozialen Aufstieg zu schaffen. Buben wurde ein Studium meist nur dann ermöglicht, wenn sie sich für den Priesterberuf entschieden. Für Mädchen war in der Regel der Klostereintritt die einzige Möglichkeit, einen höheren sozialen Status zu erlangen. 158 Blütezeit des Ordens zu Beginn des 20. Jahrhunderts Die Kongregation der Barmherzigen Schwestern übte wie die vergleichbaren Orden auf die jungen Frauen noch aus einem weiteren Grund eine sehr große Anziehungskraft aus. Hier konnten sie ihre Talente über den von der Herkunft vorgegebenen Weg hinaus einbringen und weiterentwickeln. Hier bot sich ihnen eine der wenigen Möglichkeiten, einen anerkannten Beruf zu erlernen und auszuüben, noch dazu in einem sozial abgesicherten und gesellschaftlich hoch angesehenen Rahmen. Zunächst wurden ihnen damit die Berufe der Krankenschwester, Köchin und Hauswirtschafterin zugänglich gemacht, später durch zunehmende Spezialisierung der Aufgabenbereiche auch weitere Berufe wie Diätassistentin, Sekretärin, Kinderkrankenschwester, Kindergärtnerin oder Lehrerin in den Krankenpflegeschulen oder in den Hauswirtschafts- und Nähschulen. Und das Erstaunliche war, sie schafften es trotz der minimalen Bildung, die sie durch ihre ländliche Volksschulbildung mitbrachten, diese Berufe zu erlernen und auszufüllen. Die besonders Begabten unter ihnen übernahmen das Amt einer Oberin oder sogar der Generaloberin, Ämter, in denen auch damals schon Managerfähigkeiten gefordert waren. Dass die Schwestern diesen Aufgaben gewachsen waren, macht einerseits deutlich, wie viele Talente in der ländlichen Bevölkerung ungenutzt brachlagen. Andererseits zeigt es auch, wie gekonnt die Kongregation es verstand, diese Fähigkeiten zu wecken und weiterzuentwickeln. Bei den Barmherzigen Schwestern waren Berufung und Beruf immer eng verbunden, standen aber immer auch in einem gewissen Spannungsverhältnis. Immer galt es, die richtige Balance zwischen beiden Polen zu halten. Einerseits beanspruchte der berufliche Dienst die ganze Kraft und einen Großteil der Zeit der Schwester, andererseits musste ihr auch immer an ihrer eigenen, geistlichen Vervollkommnung gelegen sein. Aber lag nicht gerade in diesem Spannungsverhältnis der Reiz dieser besonderen Art von Ordensleben? 10.3. Wer konnte Barmherzige Schwester werden? Es wurden keineswegs alle jungen Frauen, die einen Aufnahmeantrag stellten, als Kandidatinnen angenommen. Die in den Statuten von 1835 festgelegten Aufnahmebedingungen wurden in den ersten 100 Jahren weitgehend unverändert beibehalten: „Die Ordens-Obern werden jede, die sich zur Aufnahme melden, mit großer Sorgfalt ausforschen, ob sie von rechtschaffenen Eltern geboren, untadelhaft in ihrer Aufführung und fest entschlossen seyen, dem Geiste und den Sitten der Welt zu entsagen, um in frommer Zurückgezogenheit und in der genauen Beobachtung der Satzungen des Ordens zu verharren; ferner, ob sie gründ159 Festschrift der Barmherzigen Schwestern liche Religionskenntnisse besitzen, im Lesen und Schreiben wohl unterrichtet seyen und Gesundheit und Kraft haben zur Pflege der Kranken.“ 100 Das Aufnahmealter war in der Regel zwischen 18 und 24 Jahren. Nur in Ausnahmefällen wurden ältere Kandidatinnen angenommen. Neben der für den schweren Dienst als Barmherzige Schwester notwendigen körperlichen Eignung wurden auch gewisse Schulkenntnisse vorausgesetzt. Allerdings hatte schon die erste Generaloberin Schwester Ignatia Jorth erkennen müssen, dass man den Anspruch diesbezüglich in Bayern etwas reduzieren musste, wo lange Zeit die Volksschulbildung auf dem Land noch viel zu wünschen übrig ließ. Fehlende Kenntnisse brachte der Orden seinen Kandidatinnen selbst bei oder nahm die Hilfe der Englischen Fräulein in Anspruch. Auch noch nach dem 2. Weltkrieg absolvierte eine Reihe von Schwestern die Realschule dieses Ordens in Berg am Laim. Für uns ist heute schwer nachvollziehbar, dass nicht nur an die Kandidatin selbst ein hoher moralischer Anspruch gestellt wurde, sondern auch an ihr familiäres Umfeld, das die Anwärterin selbst ja nicht beeinflussen konnte und nicht zu verantworten hatte. So waren lange Zeit unehelich geborene Mädchen von der Aufnahme ausgeschlossen. Hier vollzog sich allerdings Anfang des 20. Jahrhunderts eine Wende. Zunächst wurde es vom Superior in einem inoffiziellen Schreiben festgelegt, solche Bewerberinnen nicht grundsätzlich auszuschließen, sondern nur auf den persönlichen Leumund zu sehen. Allerdings sollte vorerst noch nicht öffentlich über diese freiere Handhabung gesprochen werden. Erst bei der Änderung der Statuten im Jahr 1942 wurde auch offiziell festgelegt, Ausnahmen seien nach Prüfung des Einzelfalles möglich. Die Bewerberinnen hatten durch Zeugnisse zu belegen, dass sie die vorgeschriebenen Zulassungsvoraussetzungen mitbrachten. Neben Schul-, Gesundheits-, Impf- und Sittenzeugnissen hatten die Kandidatinnen bei ihrem Eintritt eine Mitgift in geringer Höhe und eine Mindestausstattung an Wäsche mitzubringen. Nach ca. einem Monat Probezeit wurden die neuen Kandidatinnen offiziell als Aspirantinnen bzw. unter der bald üblicheren Bezeichnung Postulantinnen in den Orden aufgenommen. In dieser Zeit trugen sie ursprünglich ihre weltliche Kleidung, bald aber wurde dafür eine einheitliche, einfache Kleidung eingeführt. Die Zeit des Postulats war eine Art Lehrzeit, in der die Kandidatinnen mit den verschiedenen Alltagsaufgaben einer Schwester vertraut gemacht wurden. In der Regel erfolgte nach einem Jahr Postulat bei Eignung die Einkleidung. Bei dieser erhielt die neue Schwester ihren Ordensnamen und ihr Ordenskleid und begann mit dem Noviziat. Dieses dauerte im Normalfall etwa zwei Jahre und war eine weitere Phase der Ausbildung, sowohl in geistlichen Dingen als auch im Beruf. Nach diesen zwei Jahren entschieden die Ordensoberen, ob die 160 Blütezeit des Ordens zu Beginn des 20. Jahrhunderts Novizin zur Ablegung der Gelübde zugelassen wurde. Sprach nichts dagegen, legte die Novizin vor dem Bischof und ihren Ordensoberen in einer feierlichen Zeremonie erstmals ihre Gelübde ab. Als vinzentinische Vereinigung waren die Gelübde bei den Barmherzigen Schwestern ursprünglich einfache Gelübde, die jährlich wiederholt wurden: „Die Gelübde der barmherzigen Schwestern sind keine auf Lebenszeit verbindlichen, sondern einfache, die jährlich erneuert werden, und bestehen in Angelobung der Armut, Keuschheit und des Gehorsams.“ 101 10.4.Überlegungen, das Mutterhaus zu verlegen Das Wachstum Ende des 19. Jahrhunderts führte dazu, dass es im Mutterhaus sehr eng wurde. Das Problem verschärfte sich noch, als die Kongregation im Krankenhaus links der Isar, wo ebenfalls großer Raummangel herrschte, Säle räumen musste, in denen bisher Schwestern untergebracht gewesen waren. Der daraufhin im Jahr 1901 erfolgte Dachausbau im Mutterhaus sorgte nur für eine kleine Entspannung der Situation, am grundlegenden Problem änderte es nichts. Dieses bestand darin, dass einerseits die Kongregation für ihre Schwestern mehr Raum benötigt hätte, andererseits auch das Krankenhaus l.d.I. und die aus ihm sich entwickelnden Kliniken immer mehr Platz beanspruchten. Wegen der besonderen, schon erwähnten Eigentumsverhältnisse, wonach das Mutterhaus auf städtischem Grund stand, hatten die Schwestern die schlechteren Karten. Sie mussten es hinnehmen, dass ein Bauvorhaben nach dem anderen zu Lasten ihres Mutterhausgartens ausgeführt wurde. So 1891, als wegen des Baus des Nußbaumpavillons erneut eine neue Einfahrt für das Mutterhaus angelegt werden musste. So auch 1893, als ein neues Direktorhaus errichtet wurde. Da es weiter zurückversetzt wurde als das alte Haus und Direktor Ziemssen einen größeren Garten wünschte, musste die Kongregation wieder einen Teil des von ihr genutzten Gartens abgeben. Auch eine Erweiterung der Lindwurmstraße und der Bau eines neuen Waschhauses für das Krankenhaus gingen zu Lasten des Ordens. Im Jahr 1900 zwang der Magistrat die Schwestern, ihre Landwirtschaft auf dem Mutterhausareal aufzugeben. Alle Ökonomiegebäude mussten, obwohl sie erst 1896 nach einem verheerenden Brand wieder aufgebaut worden waren, entfernt werden, da der Platz für den Bau der Psychiatrischen Klinik benötigt wurde. Daraufhin verlegte die Kongregation die Landwirtschaft nach Berg am Laim. Statt der Ökonomie betrieb der Orden nun beim Mutterhaus nur noch eine Gärtnerei mit Treibhaus und Gemüsegarten. Auch das Treibhaus hatte neu aufgebaut werden müssen, da das alte hatte weichen müssen. Als Ersatz für die ebenfalls abgerissene Gärtnerwohnung wurde 161 Festschrift der Barmherzigen Schwestern dem Orden genehmigt, einen Teil der Arkaden als Wohnung auszubauen. Durch die 1904 eröffnete Psychiatri sche Klinik und die 1917 in Betrieb genomDas Klinik areal rund mene Frauenklinik an um das der Lindwurmstraße Mutterhaus war das Mutterhaus (Ausschnitt endgültig von allen aus StadtSeiten eingekreist. Wie karte schon in der Zeit des 1950 – 1960) Kulturkampfes in den 1870er Jahren wurden auch jetzt wieder Forderungen laut, die Barmherzigen Schwestern hätten das Krankenhausgelände zu räumen, damit sich die Kliniken ungehindert entfalten könnten. Im Unterschied zu früher war die Ordensleitung nicht ganz abgeneigt, das Mutterhaus aufzugeben. Die Qualitätsminderungen aufgrund der Krankenhausexpansion waren inzwischen belastend geworden und man wünschte sich für die Ordensentwicklung bessere Bedingungen.Allerdings konnte an eine Rückgabe des Mutterhauses nur gedacht werden, wenn für einen erschwinglichen und gleichwertigen Ersatz gesorgt werden würde. In den folgenden Jahren führten die Ordensleitung auf der einen Seite und Klinikdirektion, Vertreter von Stadt und Staat auf der anderen Seite Verhandlungen, die sich eine Zeit lang Erfolg versprechend anließen. Es gab bereits sehr konkrete Planungen, das neue Mutterhaus in der Nähe des neuen Schwabinger Krankenhauses zu bauen. Der Staat war bereit, den Bau finanziell zu unterstützen. Die Stadt sollte der Kongregation den Bauplatz schenken. Am umstrittensten war die staatliche Forderung nach stärkerer finanzieller Beteiligung der Stadt, zumal sehr viele städtische Anstalten von den Schwestern versorgt würden. Der 1. Weltkrieg führte zunächst zu einem Stillstand der Verhandlungen. Allerdings schien sich 1917 eine Lösung abzuzeichnen, da sich der Orden mit dem von der Stadt angebotenen Bauplatz trotz einiger Bedenken einverstanden erklärte und bereit war, die Kosten für das neue Haus selbst zu übernehmen. Durch Kriegsende, Revolution und Inflation traten die Pläne zur Mutterhausverlegung völlig in den Hintergrund. Die Zusage der Kostenübernahme durch den Orden wurde gegenstandslos, weil das ersparte Vermögen in der Inflation wertlos geworden war. Gegen Ende der 20er Jahre wurden die Verhandlungen wieder aufgenommen. Beide Seiten verfolgten jedoch die 162 Blütezeit des Ordens zu Beginn des 20. Jahrhunderts Angelegenheit wegen der sich bereits wieder abzeichnenden Verschlechterung der Wirtschaftslage mit wenig Nachdruck.102 So berichtet die Mutterhauschronik 1930: „Für den geplanten Mutterhausbau gingen in diesem Jahr die Pläne ganz und gar zurück. Man hatte bei der Stadt kein Geld. Dies war kein Geheimnis. In der Chirurgischen Klinik war solcher Platzmangel, dass unsere Schwestern nicht einmal die notwendigen Betten hatten. 6 Schwestern mussten mit 3 Betten zurecht kommen, die Wächterinnen benützten sie bei Tag, die Tagschwestern bei Nacht. Einmalig in der Ordensgeschichte! Die göttliche Vorsehung wird dafür sorgen, dass die Frage des Mutterhausbaus zur rechten Zeit gelöst wird.“ 103 10.5. Erwerb wichtiger neuer Niederlassungen Ein eigenes Postulatsgebäude 1896 ließ die Kongregation in der Blumenstraße in München ein stattliches neues Gebäude erstellen. Der Orden hatte dafür zwei ältere Häuser, die schon seit Mitte des Jahrhunderts in seinem Besitz waren, abreißen lassen. Zur Arrondierung des Grundstückes kaufte er der Stadt einen Teil des Areals des Nockher’schen Armenhauses am Oberanger ab, das 1895 aufgelöst und abgerissen worden war. Der Neubau sollte als Altenheim für die steigende Zahl alter Schwestern und als Exerzitienhaus dienen. Als sich jedoch das Problem der Unterbringung der neuen Kandidatinnen Anfang des 20. Jahrhunderts trotz des Ausbaus der Mansarden im Mutterhaus weiter verschärfte, entschied sich die Kongregation, das neue Gebäude für das Postulat zu nutzen. So gab es nun neben dem Noviziat, das schon seit 1853 im Nordflügel der Josephsburg in Berg am Laim untergebracht war, auch ein eigenes PosDas Postulatsgebäude in der Münchner Blumenstraße war bis zu seiner Zerstörung (1944) fast 50 Jahre lang ein wichtiges Zentrum der Kongregation. 163 Festschrift der Barmherzigen Schwestern tulatsgebäude. Ab 1910 wurden in diesem Gebäude an der Blumenstraße erste Krankenpflegekurse abgehalten, 1920 offiziell die erste ordenseigene Krankenpflegeschule installiert. Bad Adelholzen – mehr als ein Erholungsheim für die Schwestern Die bedeutendste Neuerwerbung dieser Jahre war zweifellos der Kauf des Wildbads Adelholzen im Jahr 1907.104 Schon seit längerer Zeit hatte sich die Ordensleitung nach einem dringend benötigten Erholungsheim für kranke und erholungsbedürftige Schwestern umgesehen. Längst war die einst zu diesem Zweck erworbene Josephsburg in Berg am Laim für diesen Zweck nicht mehr zu verwenden, da es für die vielen, inzwischen alt und gebrechlich gewordenen Barmherzigen Schwestern als Ruhesitz diente und zudem das Noviziat beherbergte. Bei zwei gemeinnützigen Lotterien zur Förderung des Baus einer Kirche in Nürnberg bzw. in Tutzing, an denen der Orden im Jahr 1901 ausnahmsweise teilgenommen hatte, hatte er den 1. bzw. den 2. Preis mit 30.000 bzw. 10.000 Mark gewonnen. Dieses Geld wollte man nun für ein neues Erholungshaus für die inzwischen 1400 Schwestern verwenden. Da nun der nötige Grundstock für die Finanzierung gelegt war, sah sich die Ordensleitung auf Drängen des Münchner Erzbischofs von Stein nach einem geeigneten Objekt um. Bald ging eine Reihe von Angeboten ein. So standen u. a. das Kloster Schlehdorf, das ehemalige Kurbad der Amalie Hohenester in Mariabrunn bei Röhrmoos und das Wemdinger Wildbad zum Verkauf. Im Jahr 1907 schließlich griff die Ordensleitung zu, als ihr Das Wildbad Adelholzen, Ansicht von 1629 164 Blütezeit des Ordens zu Beginn des 20. Jahrhunderts Adelholzen bei Siegsdorf günstig angeboten wurde. Der Kauf des wunderschön gelegenen, aber etwas heruntergekommenen Bades wurde am 1. April 1907 abgeschlossen. Das Wildbad in Adelholzen gilt mit seiner über 1700-jährigen Geschichte als ältestes Heilbad Bayerns. Nach einer Legende sollen die Heilquellen bereits im 3. Jahrhundert n. Chr. vom hl. Primus „im Holze des Andlo“ entdeckt und als Heilwasser genutzt worden sein. Primus, der als römischer Legionär in den Chiemgau gekommen sei, habe hier als Einsiedler den Menschen der Umgebung den christlichen Glauben gelehrt und sie mit dem Quellwasser geheilt. Historisch belegt ist, dass Primus nach seiner Heimkehr nach Rom Opfer der Christenverfolgung durch Diokletian wurde und im Jahr 286 als Märtyrer starb. Wenn auch der Wahrheitsgehalt der Legende der Entdeckung der Quellen durch den Heiligen nicht mehr feststellbar ist, so ist doch die Berufung auf einen frühchristlichen Heiligen als Entdecker ein Hinweis darauf, dass die Geschichte der Heilquellen sehr weit zurückreichen muss. Namentlich belegbar sind die Besitzer von Adelholzen seit dem Jahr 959. Mehrere Jahrhunderte gehörte das Gut Adelholzen zum Besitz des Erzbistums Salzburg, das es der Familie von Schaumburg als Lehen überließ. Schon zu dieser Zeit scheint es ein Bad gewesen zu sein, allerdings nicht mit dem besten Ruf, wie sich aus einem Mahnschreiben des Herzogs Wilhelm V. an den damaligen Besitzer Hanns Christoph von Schaumburg im Jahr 1584 entnehmen lässt. Der Herzog beanstandete den allzu freizügigen, moralisch Anstoß erregenden Badebetrieb. Die Klientel des Badeortes scheint in dieser Zeit aus der einfacheren Bevölkerung der Umgebung bestanden zu haben. Dies sollte sich ab dem 17. Jahrhundert mit der Übernahme des Besitzes durch Otto Heinrich Lindl gründlich ändern. Lindl ließ das alte Bad von Grund auf renovieren und ein neues, schlossähnliches Kurhaus bauen. Zudem beauftragte er einen Arzt, den Medikus Bopp, mit einer Badbeschreibung und der Untersuchung der drei Heilquellen. Mit diesen Maßnahmen gelang es Lindl, aus Adelholzen einen Kurort mit bestem Ruf zu machen, der nun von vielen Gästen aus vornehmsten Kreisen besucht wurde. Wie sehr das Bad in dieser Zeit an Ansehen gewann, zeigt die Erhebung Adelholzens zu einer Hofmark mit eigener Gerichtsbarkeit durch den Kurfürsten Maximilian I. im Jahr 1629. Unter seinen neuen Besitzern, der Salzburger Architektenfamilie Zuccalli, wurden Schloss und Kapelle im 18. Jahrhundert vergrößert und noch prächtiger ausgebaut. Als Indiz für den damaligen Stellenwert des Kurortes gilt der wochenlange Aufenthalt der Kurfürstin Amalie mit einem großen Teil ihres Hofstaates im Jahr 1736. Als der Badeort Ende des 18. Jahrhunderts in den Besitz des Juristen Peter Sailer überging, entwickelte sich der Badeort zunächst weiterhin positiv. 165 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Dessen Sohn Franz Sailer allerdings scheint den Badebetrieb vernachlässigt zu haben. 1840 kam er bei einem Brand, bei dem das Schloss völlig zerstört wurde, ums Leben. Da er kurz vor dem Konkurs stand, wurde angenommen, dass er den Brand legte und Selbstmord beging. Nach dieser menschlichen Tragödie kaufte Georg Mayr den Besitz. Dieser betrieb bereits die Kaltwasserheilanstalt in Brunntal bei München. Er ließ das Kurhaus nicht an der Stelle des abgebrannten Schlosses, sondern in der heutigen freieren Lage erbauen. Trotz der Konkurrenz durch die inzwischen entstandenen Bäder in Traunstein, Reichenhall und Aibling verstand es Mayr, aus Adelholzen wieder ein florierendes Unternehmen zu machen. Dies blieb auch so, als Mayr den Besitz 1863 an den Münchner Magistrats rat Sauer verkaufte. Mit dem neuen Badearzt Dr. Liegl gewann das Bad ab 1878 sogar zusätzlich an Ansehen. Trotzdem mussten die Erben Sauers 1888 erneut Konkurs anmelden. Nun kaufte der Sohn Georg Mayrs den ehemaligen Familienbesitz wieder zurück. Aber auch er scheint kein unternehmerisches Glück gehabt zu haben. Als sein größtes Problem erwies sich die Konkurrenz durch den angesehenen ehemaligen Badearzt von Adelholzen, Dr. Liegl, der im Jahr 1900 in unmittelbarer Nähe des Kurhauses das „Ludwigsbad“ eröffnet hatte. So musste auch Mayr im Jahr 1906 Konkurs anmelden. Nach dieser wechselvollen Geschichte begann in Adelholzen im April 1907 mit der Übernahme des Besitzes durch die Barmherzigen Schwestern eine neue, inzwischen schon 100-jährige Ära der Stabilität und Blüte. Obwohl der alte Kurort bei der Übernahme einen stark vernachlässigten und heruntergekommenen Eindruck machte, erkannten die Schwestern sofort, welchen Schatz sie erworben hatten. Zunächst galt es aber, das Bad wieder in einen guten Zustand zu bringen. So entwickelten sie schon bald eine rege Bautätigkeit. Eines der ersten Bauvorhaben war die Renovierung der alten Primuskapelle, um die Feier des Gottesdienstes zu ermöglichen. Eine Reihe von Wirtschaftsgebäuden wurde neu erstellt. Am Kurhaus selbst musste der Dachstuhl erneuert werden. Die Seitenflügel bekamen ein drittes Stockwerk, und im Haus wurde eine zusätzliche Kapelle eingerichtet. Durch den Anbau einer Veranda im Jahr 1910, von der aus die Kurgäste einen herrlichen Blick auf die Berge hatten, gewann das Kurhaus zusätzlich an Attraktivität. Damit auch für eine gute medizinische Versorgung gesorgt war, stellte die Kongregation Dr. Otto Prey aus Siegsdorf als Badearzt an. Dieser sollte mehrmals in der Woche zur Betreuung der Kurgäste nach Adelholzen kommen. Schnell sprach sich herum, welchen Aufschwung Adelholzen mit der Übernahme durch die Schwestern erlebte, und so trafen bald wieder die ersten Kurgäste ein. Häufig waren es ehemalige Kurgäste, die sich über die 166 Blütezeit des Ordens zu Beginn des 20. Jahrhunderts Wiedereröffnung freuten, aber auch neue Gäste konnten gewonnen werden. So entwickelte sich erstaunlich rasch wieder ein reger Kurbetrieb. Häufig fuhren nun Fuhrwerke zu den Bahnstationen in Bergen oder Siegsdorf, um Gäste für das idyllisch gelegene Adelholzen abzuholen. Da nun aber das Kurhaus auch Barmherzige weiterhin in erster Linie für den Schwestern öffentlichen Kurbetrieb genutzt vor dem werden sollte, kaufte der Orden Mitte des 1912 das ehemalige „Ludwigsbad“ 19. Jahrdes früheren Badearztes Dr. Liegl, hunderts erbauten um hier das dringend benötigte Kurhaus in Erholungsheim für die eigenen Adelholzen Schwestern einzurichten. 1914 (Postkarte erwarb er zudem die ebenfalls nahe ca. 1920er gelegene Villa Hardt mit ihrem Jahre) schönen Park. Nach der Renovierung der Villa wohnten hier in erster Linie hohe kirchliche Würdenträger während ihres Kuraufenthalts in Adelholzen. Der Münchner Erzbischof von Stein hatte den Kauf von Adelholzen auch deshalb sehr begrüßt, weil er sich in seiner Diözese ein von Ordensschwestern geführtes Kurhaus für seinen Klerus wünschte. Sein Nachfolger, Kardinal von Faulhaber, nutzte in seiner Amtszeit häufig diese Möglichkeit zur Erholung. Durch seine zahlreichen Aufenthalte in Adelholzen, bei denen er viele der Schwestern schätzen lernte, wurde seine Beziehung zu den Barmherzigen Schwestern noch enger, als sie es ohnehin schon durch sein Amt als ihr oberster geistlicher Vorgesetzter gewesen wäre. Mit dem seit 1914 amtierenden Superior des Ordens, Prälat Pfaffenbüchler, verband ihn zudem eine enge Freundschaft. So lag dem Erzbischof diese Kongregation ganz besonders am Herzen, was sich auch darin zeigte, dass er auf seinen Firmungsreisen quer durch die Diözese stets Nachwuchswerbung für sie machte. Mit Adelholzen, das zum beliebten Kurort des Klerus wurde, bekamen die Schwestern Kontakt zu vielen Priestern in leitenden Funktionen der Kirche. Besonders bemerkenswert war die enge Beziehung, die sich zum päpstlichen Nuntius Eugenio Pacelli, dem späteren Papst Pius XII., entwickelte. Auch er, befreundet mit Kardinal von Faulhaber und Prälat Pfaf167 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Der päpstliche Nuntius Eugenio Pacelli vor der Villa Hardt in Adelholzen (sitzend, rechts hinter ihm stehend Superior Pfaffenbüchler) fenbüchler, genoss die Erholungsmöglichkeit im Chiemgau. Der Nuntius trug sich am 22. August 1922 in das Adelholzener Kurbuch ein: „In dankbarer Erinnerung an die unvergesslichen Tage in Adelholzen wünsche ich allen, die das Glück haben hierher zu kommen, die gleiche Erholung, welche ich da gefunden habe.“ 105 War beim Kauf von Adelholzen ursprünglich an den Erwerb eines Schwesternerholungshei mes gedacht worden, hatten die Schwestern sehr schnell die Bedeutung des Kurbetriebs als wichtige Einnahmequelle erkannt. Dem seit 1911 amtierenden Kuraten Alfons Haslberger, der sich nicht nur der geistlichen Belange der Schwestern annahm, sondern auch die gesamte Ökonomie verwaltete, gelang es durch geschicktes Marketing, viele neue Gäste zu gewinnen, darunter so prominente wie die letzte bayerische Königin Maria-Theresia. Haslberger erstellte 1913 einen kleinen Führer, in dem sich die Kurgäste über die Geschichte Adelholzens, die Wirkung der Primusquelle und Ausflugsmöglichkeiten in die Umgebung informieren konnten. Zudem legte er ein Kurbuch aus, in dem sich die Gäste verewigen sollten. Er hoffte nicht zu Unrecht darauf, dass viele darin ihre Zufriedenheit über ihren Kuraufenthalt ausdrücken würden. Ein besonders geschätzter Gast: Nuntius Eugenio Pacelli, der spätere Papst Pius XII. Nicht nur in Adelholzen, sondern auch im Postulat und im Mutterhaus war der päpstliche Nuntius häufig Gast. Mehrere Male feierte er bei den Schwestern den Heiligen Abend. Die besondere Freundschaft des Nuntius zu den Barmherzigen Schwestern entwickelte sich nicht zuletzt aus den familiären Beziehungen seiner Haushälterin, Schwester Pascalina Lehnert, einer Kreuzschwester aus Altötting. 168 Zwei leibliche Schwestern von Schwester Pascalina waren bei den Barmherzigen Schwestern eingetreten. Eine der Schwestern erkrankte schon kurz nach der Einkleidung und starb 1921 sehr jung. Der Nuntius besuchte die Kranke häufig im Mutterhaus und nahm Anteil an ihrem Schicksal. Die zweite Schwester bekam bei ihrer Einkleidung im Jahr 1922 wieder deren Ordensnamen Gradulpha. Schwes- Blütezeit des Ordens zu Beginn des 20. Jahrhunderts Nach einem vorübergehenden Einbruch des Kurbetriebs während des 1. Weltkriegs florierte er in den folgenden zwei Jahrzehnten, bis er Anfang der 1940er Jahre wegen kriegsbedingter Nutzung eingestellt werden musste. Während der Kurbetrieb von Anfang an Der Geistliche Rat ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor war und Alfons Haslauch der landwirtschaftlichen Nutzung des berger, Kurat großen Gutes immer eine große Bedeutung in Adelholzukam, spielte der Vertrieb des Heilwassers zen von 1911 zunächst nur eine untergeordnete Rolle. bis 1969 Der Primusquelle wird seit Jahrhunderten eine heilende Wirkung nachgesagt. Eigentlich handelt es sich nicht um eine einzige Quelle, sondern um drei Quellen, die wegen ihrer identischen Zusammensetzung als Mischquelle genutzt werden. Zahlreiche Votivtafeln und Berichte von Ärzten und Patienten dokumentieren Heilungen von Patienten nach dem Genuss des Wassers. Die Heilkraft wird in erster Linie bei Krankheiten im Bereich von Stoffwechselstörungen gesehen.Vor allem bei Blasen-, Nieren- und Gallensteinen soll es seine heilsame Wirkung entfalten. Die Primusquelle war der Grund, weshalb Menschen seit vielen Jahrhunderten nach Adelholzen kamen. Allerdings war das Wasser früher immer nur zur Behandlung direkt vor Ort genutzt worden. Erst 1895 begann Vorbesitzer Georg Mayer mit dem Vertrieb des Wassers. Er war damit so erfolgreich, dass er sogar bis nach Übersee lieferte. Auch die Barmherzigen Schwestern nahmen den Versand wieder auf, allerdings zunächst nur in bescheidenem Umfang, da ihnen nur ein kleiner Handfüllapparat zur Verfügung stand. ter Pascalina, die dem Nuntius nach Berlin und später nach Rom folgte, blieb schon allein wegen dieser leiblichen Schwester, aber auch durch ihre Freundschaft mit der Schreibschwester des Mutterhauses, Schwester M. Berthilia Hidringer, zeitlebens eng mit dem Mutterhaus verbunden. Auch Eugenio Pacelli hielt mit dem Superior der Schwestern, Prälat Pfaffenbüchler, von Rom aus Kontakt. Damit der päpstliche Staatssekretär auch in Rom die von ihm geliebte deutsche Weihnacht feiern konnte, schick- ten ihm die Barmherzigen Schwestern vom Mutterhaus München regelmäßig zu Weihnachten einen Christbaum. Anfang Januar 1932 bedankte er sich für den Christbaum und die Weihnachtsgeschenke vom Mutterhaus: „Auch ich denke mit einem Gefühl wehmütiger Freude an die Heiligen Nächte zurück, an denen ich im Mutterhause und in Ihrer Mitte das hl. Opfer darbringen durfte.“ 106 169 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Lager- und Versand raum der Primusquelle in den Anfangsjahren des Brunnenbetriebs Kurat Haslberger erkannte schnell das Potential, das im Vertrieb des Wassers steckte. Schon kurz nach seinem Amtsantritt setzte er sich für die Anschaffung einer neuen, wenn auch noch sehr einfachen Füllanlage ein. Er ließ das Wasser mit den neuesten wissenschaftlichen Methoden untersuchen, um die Heilwirkung werbewirksam wissenschaftlich belegen zu können. Den Kurgästen wurde nach Beendigung der Kur die Fortsetzung der Trinkkur zu Hause nahe gelegt. Als der Kurbetrieb im 1. Weltkrieg Verluste schrieb, beschloss der Kurat, den Sektor des Wasservertriebs als zusätzliches Standbein in Adelholzen auszubauen. Die Pläne zur weiteren Modernisierung der Füllerei konnten jedoch erst 1920 realisiert werden, nachdem die dafür erforderliche Elektrifizierung erfolgt war. Die neuen Maschinen übernahmen nun die Flaschenreinigung, die Abfüllung des Wassers und das Verschließen der Flaschen, Arbeitsgänge, die früher von den Schwestern per Hand erledigt werden mussten. Mit der neuen Anlage konnten die Füllmengen bereits erheblich gesteigert werden. Damit war der Grundstock gelegt für die zunehmende Bedeutung dieses Wirtschaftsektors in Adelholzen. Doch noch konnte keiner ahnen, welche ökonomische Bedeutung der Brunnenbetrieb in Zukunft für die gesamte Kongregation erhalten würde. Waldsanatorium bei Planegg Im Mai 1921 erwarb der Orden das Waldsanatorium bei Planegg. Um die stark verbreitete Krankheit Tuberkulose zu bekämpfen, hatte der damalige Direktor des Krankenhauses links der Isar, Dr. Hugo von Ziemssen, 1894 einen „Verein für Volksheilstätten“ initiiert. Dieser ließ 1896 die erste bayerische Volksheilstätte mitten im Kreuzlinger Forst bei Planegg errichten. 170 Blütezeit des Ordens zu Beginn des 20. Jahrhunderts Das Waldsanatorium bei Planegg, Ansicht von der Gartenseite um 1900 Ende 1898 wurde dieses Sanatorium mit über 100 Betten für Tuberkulosepatienten eröffnet. Die Pflege der Kranken und die Wirtschaftsführung des Sanatoriums und der angeschlossenen Landwirtschaft übernahmen die Barmherzigen Schwestern. Im 1.Weltkrieg musste dem Militär fast die Hälfte der Volksheilstätte als Militärkrankenhaus für tuberkulosekranke Soldaten zur Verfügung gestellt werden. Die Niederlassung in Planegg befindet sich heute noch im Besitz der Barmherzigen Schwestern. Allerdings wurde das Lungensanatorium wegen des starken Rückgangs von Tbc-Patienten im Jahr 1984 geschlossen. Seit 1986 dient es als Altenheim, zunächst für die eigenen Schwestern. Nach einer Generalsanierung wurde es 1997 als allgemeines Alten- und Pflegeheim ausgewiesen, das sowohl vollstationäre Pflege als auch Kurzzeitpflege anbietet. Immer weniger Heimbewohner sind Ordensangehörige. Auch beim Personal ersetzen immer mehr weltliche Mitarbeiter die Schwestern. Die Landwirtschaft ist für heutige Maßstäbe zu klein. Deshalb wird ein kleiner Teil der Flächen seit 2003 vom ordenseigenen Marxhof in Unterhaching bewirtschaftet, der größere Teil der Flächen und die Ökonomiegebäude wurden zur Stadtranderholung und für den Betrieb des Bauhofes an die Gemeinde Krailling verpachtet. Auch ein Kindergarten befindet sich neuerdings auf dem weiträumigen Gelände des Waldsanatoriums. Das Gut Marxhof Das Gut Marxhof in Unterhaching kauften die Schwestern 1924. In der unmittelbaren Nachkriegszeit und der folgenden Inflation hatten die Schwestern Schwierigkeiten, ausreichend Lebensmittel für ihre Nieder171 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Der Marxhof in Unterhaching (Postkarte ca. 1930er Jahre) lassungen zu besorgen. Mit den – trotz der Inflation gleich gebliebenen und somit lächerlich geringen – Zahlungen der Stadt für die Verköstigung der Pfründner in den städtischen Anstalten von 89 Pfennigen pro Tag und Heiminsasse konnten die Schwestern die Lebensmittelversorgung nicht mehr garantieren. Sie hatten deshalb zunächst einen Hof in Perlach gepachtet. Als dessen Pachtvertrag nicht verlängert wurde, entschlossen sie sich, den gerade zum Verkauf stehenden Marxhof in Unterhaching zu erwerben. In den folgenden Jahren mussten an den Gebäuden des Hofes zahlreiche Renovierungsarbeiten durchgeführt werden. Das Gut bot sich wegen seiner ländlichen und dennoch stadtnahen Lage für die Errichtung eines weiteren Erholungsheims für die Schwestern an. Dessen Bau wurde 1926 geneh migt. 1927 wurde zudem ein Nachbargrundstück zu einem günstigen Preis angekauft. Für den Bau der 1932 eingeweihten St. Altokirche stellte der Orden mit Genehmigung des Erzbischofs der Pfarrei das Baugrundstück zur Verfügung. 10.6.Veränderungen der Statuten und Einführung der Ewigen Gelübde Das enorme Wachstum der Kongregation in den Jahren zwischen 1895 und 1940 brachte nicht nur zahlreiche äußere Veränderungen mit sich, sondern wurde auch von bedeutenden internen Veränderungen begleitet.107 Bei der seit 40 Jahren amtierenden Generaloberin Schwester M. Regina Hurler machten sich zunehmend Anzeichen von Altersschwäche bemerkbar. Als sie dies selbst als Problem erkannt hatte, bot sie 1895 dem Erzbischof ihren Rücktritt an. Die freiwillige Resignation der Generaloberin nahm 172 Blütezeit des Ordens zu Beginn des 20. Jahrhunderts Superior Wendl mit Unterstützung des Erzbischofs Antonius von Thoma zum Anlass, einige organisatorische Veränderungen durchzusetzen. Der Superior entwarf eine Beilage zu den Statuten, die der Erzbischof 1895 genehmigte. 103 Im Vorwort begründete von Thoma die Ergänzung damit, dass für die stark angewachsene Kongregation die wenigen und einfachen Bestimmungen zur inneren Organisation die Statuten von 1835 nicht mehr ausreichend seien. Zudem wünschte er, dass die in den letzten Jahren vom apostolischen Stuhl erlassenen neuenVerordnungen für die religiösen Frauen gemeinschaften auch für die Barmherzigen Schwestern gelten sollten. Die Statutenbeilage von 1895 traf sehr konkrete und detaillierte Regelungen zu Bestellung und Aufgabenverteilung der Ordensleitung. Zunächst wurde die Stellung des Superiors explizit gestärkt: „Der Superior führt die Oberaufsicht über das ganze Institut.“ Bestellung einer neuen Oberin und Versetzungen von Schwestern sollten nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Superiors möglich sein, falls sie nicht sogar von ihm vorgenommen würden. Noch ausführlicher befasste sich die Statutenergänzung mit dem Amt der Generaloberin.Vor allem der Wahlmodus wurde ganz genau geregelt. In der Vergangenheit hatte es im Ermessen des Erzbischofs gelegen, entweder eine Wahl vornehmen zu lassen oder die Generaloberin selbst zu ernennen. Erst zweimal in der Ordensgeschichte war die Generaloberin durch Wahl bestimmt worden, nämlich 1845 die zweite Generaloberin Schwester M. Vinzentia Balghuber und 1855 die vierte Generaloberin Schwester M. Regina Hurler. In der langen Zeit ihrer Amtsführung wurde Schwester M. Regina immer nur vom Bischof in ihrem Amt bestätigt. In Zukunft sollten Delegierte der gesamten Schwesternschaft, das so genannte Generalkapitel, alle 6 Jahre die Generaloberin in einer geheimen Wahl unter Leitung des Erzbischofs oder des Superiors wählen. Wählbar sollten alle Schwestern über 40 sein, die seit mindestens 8 Jahren Professschwestern sind. Eine Wiederwahl sollte grundsätzlich möglich sein, außer es liegt ein Verbot der WiederGeneralobewahl vor. Für den Fall, dass auch nach rin Schwesdem dritten Wahlgang nicht die erforter M. Avila derliche absolute Mehrheit für eine Dorn (ÖlgeSchwester zustande kommen sollte, mälde im behielt sich der Erzbischof die ErnenMutterhaus) 173 Festschrift der Barmherzigen Schwestern nung der Generaloberin vor. Die Macht der Generaloberin wurde beschnitten, indem ausdrücklich festgelegt wurde, sie müsse sich bei allen wichtigen Entscheidungen mit ihrem ständigen Rat beraten. Dieser ständige Rat sollte aus vier gewählten Schwestern bestehen. Zwei dieser Ratsschwestern sollte die Generaloberin zu ihren Assistentinnen bestimmen, wovon eine das Amt der Stellvertreterin, die andere das Amt der Novizenmeisterin erhalten sollte. Alle drei Jahre sollte die Generaloberin zudem ein Generalkapitel einberufen, um über den Stand der Kongregation und die Vermögensverhältnisse Rechenschaft abzulegen. Mit Genehmigung des Erzbischofs könnte die Generaloberin auch ein außerordentliches Generalkapitel einberufen, falls besondere Ereignisse dies erforderten. Auch zur Wahl der Kapitelschwestern, der Wahlschwestern, wurden genaue Regelungen und eine Einteilung in Wahlbezirke vorgenommen. Das aktive Wahlrecht wurde jeder Schwester, deren Profess mindestens vier Jahre zurückliegt, zugestanden. Als Delegierte wählbar sollten jedoch nur Oberinnen sein. Zur Anwendung kamen diese Neuregelungen erstmals im Jahr 1896. Die vom Erzbischof nach dem Rücktritt von Schwester M. Regina Hurler zur neuen Generaloberin ernannte ehemalige Oberin am Passauer Krankenhaus, Schwester M. Avila Dorn, wurde bei der Wahl durch das Generalkapitel bestätigt. Sie wurde 1902 und 1908 wiedergewählt, trat jedoch in der Mitte ihrer 3. Amtszeit zurück. Ihre Nachfolgerin Schwester M. Seraphina Sellmayr blieb aus gesundheitlichen Gründen nur ein Jahr im Amt. 1912 und 1918 wurde Schwester M. Osmunda Rummel gewählt. Da sie 1924 noch während ihrer zweiten Amtszeit verstarb, stellte sich die Frage nach einer 3. Wahl nicht mehr. Denn eine Wiederwahl nach 12 Jahren Amtszeit wurde inzwischen von Rom als bedenklich eingestuft. So hatte die Religiosenkongregation in Rom 1920 ein Schreiben herausgegeben, wonach die Wiederwahl nach 12 Jahren grundsätzlich abgelehnt werden sollte. Nur in begründeten Fällen sollte der Bischof Dispens bei der Religiosenkongregation einholen können, um eine erneute Wiederwahl zu ermöglichen. Von dieser Möglichkeit wurde bei den folgenden beiden Generaloberinnen Schwester M. Desideria Weihmayer und Schwester M. Castella Blöckl Gebrauch gemacht. Schwester M. Desideria war somit insgesamt 17 Jahre bis zu ihrem Tod im Amt. Schwester M. Castella wurde zwar 1953 eine 3. Wahl ermöglicht, allerdings nur noch für drei Jahre Amtzeit. Seither wurden keine Ausnahmen mehr gemacht. Alle folgenden Generaloberinnen legten ihr Amt nach 12 Jahren nieder. Beim 10. Generalkapitel im Mai 1925 wurde für die Oberinnen der Niederlassungen festgelegt, dass sie nach 6 Jahren Amtszeit abgelöst bzw. ausgetauscht werden müssten. 174 Blütezeit des Ordens zu Beginn des 20. Jahrhunderts Von noch einschneidenderer Bedeutung war die Einführung der Ewigen Gelübde im Jahr 1934. Die Barmherzigen Schwestern hatten, wie schon erwähnt, als vinzentinische Gemeinschaft bisher zeitliche Gelübde abgelegt. Was bewegte die Kongregation nun, diesen Grundsatz fallen zu lassen? Die Initiative ging Generalnicht von den Schwestern selbst aus, oberin Schwester sondern vom Erzbischof von MünM. Osmunda chen und Freising, Michael KardiRummel nal Faulhaber. In einem Schreiben (Ölgedes Mutterhauses an alle Filialen im mälde im Oktober 1933 wurde den SchwesMutterhaus) tern mitgeteilt, die Ordensleitung plane die Einführung der Ewigen Gelübde. Die Schwestern wurden aufgefordert, ein Formular auszufüllen, ob sie bereit seien, diese abzulegen. Das Ergebnis der Umfrage war mehr als eindeutig. Nur zwei Schwestern lehnten die Ewigen Gelübde rundweg ab und wollten sie auf keinen Fall selbst ablegen. Zwei weitere lehnten sie grundsätzlich ebenfalls ab, erklärten sich aber bereit, sie abzulegen, falls die Ordensleitung sie einführen sollte. Beim folgenden Generalkapitel im Januar 1934 wurde die Einführung beschlossen. Bei der dreitägigen Feier anlässlich der Heiligsprechung der Ordensheiligen Luise von Marillac legten die ersten Barmherzigen Schwestern im Mutterhaus vor dem Erzbischof die Ewigen Gelübde ab. Den Schwestern, die vor der Einführung der Ewigen Gelübde eingetreten waren, wurde frei gestellt, ob sie diese ablegen wollten. Wer nach 1934 eintrat, musste jedoch nach 6 Jahren die Ewige Profess ablegen oder andernfalls den Orden wieder verlassen. Trotz der Freiwilligkeit legten fast alle Schwestern in den kommenden Jahren die Ewigen Gelübde ab. Die Mutterhauschronik berichtet 1935: „Die Ablegung der Ewigen Gelübde geht in schöner Ordnung weiter. Die wenigen, die sich nicht entschließen konnten, die „Ewigen Gelübde“ abzulegen, dürfen gemäß den Konstitutionen, wie bisher weiter machen. Sie werden nicht auffallen, da ja alle Schwestern am Schmerzhaften Freitag wie üblich ihre Gelübde erneuern.“ 108 Nach wie vor wurde die Tradition beibehalten, die Gelübde jährlich zu erneuern. War es früher jedoch eine jährliche Wiederholung des Gelübdes gewesen, hatte es nun für einen Großteil der Schwestern nur noch eine rein zustimmende Bedeutung. Im Grunde änderte sich für das alltägliche Ordensleben der Schwestern konkret nichts durch die Ersetzung der zeitlichen Gelübde durch 175 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Professfeier in der Mutterhauskirche mit Kardinal von Faulhaber 1939 die Ewigen. Auch vorher war es nicht so leicht gewesen die Kongregation zu verlassen. Dreimal musste die Schwester ihre Vorgesetzten ernsthaft um Entlassung bitten, bevor der Bischof Dispens erteilte. Diese Regelung wurde auch für die Dispens von den Ewigen Gelübden übernommen. Allerdings waren nun die vor der Ewigen Profess abgelegten zeitlichen Gelübde nicht mehr so bindend wie früher. Das Verlassen der Gemeinschaft, aber auch die Entlassung durch die Vorgesetzten war nun leichter. Hat sich das Selbstverständnis der Schwestern durch die Einführung der Ewigen Gelübde geändert? Das ist schwer zu sagen, aber es ist anzunehmen, dass die meisten Schwestern schon die zeitlichen Gelübde mit der Absicht abgelegt hatten, sich für ihr ganzes Leben an die Kongregation zu binden. Mit der Einführung der Ewigen Gelübde hatten sie nun zudem die Möglichkeit, nach außen deutlicher zu machen, dass sie „vollwertige“ Ordensfrauen waren. Die Chronistin notierte 1934: „Mit wenigen Ausnahmen hat die Einführung der Ewigen Gelübde die Schwestern tief beglückt.“ 109 Dass diejenigen, die es bedauerten, dass eine der wichtigsten Forderungen des hl.Vinzenz für seine Gründungen nun nicht mehr erfüllt wurde, die absolute Minderheit waren, zeigt, dass sich die Kongregation schon länger zu einem Orden im herkömmlichen Sinne entwickelt hatte. Welche Beweggründe hatte Kardinal von Faulhaber, die Einführung der Ewigen Gelübde bei den Barmherzigen Schwestern durchzusetzen? Er selbst nennt seine Gründe in einem Schreiben an die bayerischen Bischöfe vom 12. Juli 1934. Ein Grund sei gewesen, dass er „die stille Sehnsucht vieler Vinzenzschwestern nach Ewigen Gelübden kannte“. Außerdem wünschte er, die Schwestern den anderen Orden rechtlich gleichzustellen. So erläutert er: „da … das Kirchenrecht von 1918 zum ersten Mal im Ordensrecht Klarheit 176 Blütezeit des Ordens zu Beginn des 20. Jahrhunderts schuf, habe ich mich entschlossen, die Kongregation der Barmherzigen Schwestern, die im Sinne von can. 488,3 diözesanrechtlichen Charakter hat, die vota perpetua simplicia ablegen zu lassen, um auf diese Weise der Schwesternschaft die Privilegien einer wirklichen Kongregation von Religiosen unter Verpflichtung auf das kirchliche Ordensrecht, im besondern auf can. 538 – 631 und auf can. 669 – 672 zu verschaffen“. 110 Das neue kirchliche Gesetzbuch von 1918 hatte zum ersten Mal die vielen verschiedenen Ordensregeln zu einem klaren Ordensrecht zusammengefasst. Danach waren Ordenspersonen im eigentlichen Sinn nur diejenigen, die Ewige Gelübde abgelegt hatten. Nur diese sollten alle Rechte und Gnadenprivilegien dieses Standes genießen. Während andere vinzentinische Gemeinschaften wie das Pariser Mutterhaus oder auch das Straßburger Mutterhaus seit den 1880er Jahren päpstlich approbiert waren, war das Mutterhaus München nach wie vor keine Ordensgemeinschaft nach päpstlichem, sondern nach bischöflichem Recht. Ordensgemeinschaften, deren Mitglieder keine Gelübde auf Lebenszeit ablegen, werden nach dem Kirchenrecht nicht als Orden, sondern als Kongregationen bezeichnet. Allerdings hat auch eine Kongregation die Möglichkeit, beim Papst einen Antrag zu stellen, als eine Kongregation päpstlichen Rechts anerkannt zu werden. Als das Mutterhaus in Straßburg, zusammen mit einer Reihe weiterer von dort aus gegründeten Mutterhäusern, in den 1850er Jahren einen solchen Antrag auf päpstliche Approbation stellte, war zunächst auch das Münchner Mutterhaus dabei. Es dauerte allerdings bis 1872, bis die Straßburger Statuten approbiert wurden, und dies zunächst nur probeweise für 10 Jahre. Erst 1884 erfolgte die eigentliche Approbation. Das Münchner Mutterhaus war aber nun anscheinend nicht mehr besonders daran interessiert, die päpstliche Approbation zu erhalten. Was steckte dahinter? Eventuell befürchtete man in diesen Zeiten des Kulturkampfs, den politischen Gegnern damit Rückenwind zu verschaffen. Man wollte sich wohl keine Steuerung durch Rom vorwerfen lassen. Schon Ludwig I. hatte bei der Einführung der Barmherzigen Schwestern sehr viel Wert darauf gelegt, dass die neue Kongregation vom Ausland unabhängig war, sowohl vom Straßburger Mutterhaus als auch vom Papst in Rom. Während der Monarchie war es für die Münchner Kongregation eher von Vorteil als von Nachteil, eine Ordensgemeinschaft bischöflichen Rechts zu sein. So konnte man den Schwestern keinen Mangel an Loyalität gegenüber dem Staat vorwerfen und gleichzeitig hatten sie den Schutz aus Rom gegenüber den ihnen immer wohl gesonnenen Monarchen nicht nötig. Diese Voraussetzung hatte sich nun allerdings mit dem Ende der Monarchie 1918 geändert. Schon gegenüber den neuen republikanischen, erst recht aber gegenüber den nationalsozialistischen Machthabern mag der 177 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Kardinal es für sicherer gehalten haben, der Münchner Kongregation durch Anpassung der Statuten an das von Rom vorgegebene Ordensrecht auch den Schutz des Vatikans zu sichern. Zwar erfolgte auch jetzt nicht die päpstliche Approbation der Kongregation. Bis heute ist sie eine Kongregation bischöflichen Rechts. Durch die Einführung der Ewigen Gelübde wurde sie jedoch als Orden im eigentlichen Sinne anerkannt und erwarb die damit verbundenen, von Rom gesicherten Rechte. 10.7. Höhepunkte in der Ordensgeschichte: Hundertjahrfeier und Heilig-/Seligsprechung der Ordensheiligen Luise und Katharina Das für die Hundertjahrfeier der Kongregation am 10. März 1932 festlich geschmückte Mutterhaus 178 Als das Mutterhaus München im Jahr 1932 sein 100-jähriges Bestehen begehen konnte, hatte es allen Grund zum Feiern. Aus der von der Elsässer Schwester Ignatia Jorth gegründeten kleinen vinzentinischen Ordensgemeinschaft war inzwischen eine Kongregation mit 2638 Mitgliedern und 159 Niederlassungen geworden. Auch die Zahl der Kandidatinnen lag mit 164 erfreulich hoch.111 Schon 1930 hatte man mit Renovierungsarbeiten am Mutterhaus begonnen, um zumindest das Nötigste vor dem Jubiläum instand zu setzen. Auf eine gründlichere Renovierung wurde allerdings verzichtet, da immer noch eine Verlegung des Mutterhauses im Raum stand. Als Kardinal von Faulhaber 1930 ein Buch über das Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern in Fulda geschenkt bekommen hatte, regte er die Ordensoberen in München an, anlässlich ihres Jubiläums ebenfalls ein Buch über ihr Mutterhaus schreiben zu lassen.112 So beauftragen die Ordensoberen den Theologen Dr. Scherer, der auch schon ein Buch über die Geschichte des Straßburger Mutterhauses veröffentlicht hatte, eine Biographie der ersten Generaloberin in Bayern, Schwester Ignatia Jorth, zu verfassen. Prälat Pfaffenbüchler hatte statt einer Darstellung der geschichtlichen Entwicklung der Kongregation die Darstellung der Blütezeit des Ordens zu Beginn des 20. Jahrhunderts Lebensgeschichte der Gründerin gewünscht, allerdings nutzte Scherer diese, um die Gründungsgeschichte des Ordens anschaulich darzustellen. Der Superior selbst schrieb in seinem Festbrief zur Feier: „Große Ereignisse und weltbewegende Taten hat die Geschichte des Ordens nicht zu verzeichnen; wohl aber ein ständiges stilles Heldentum Stunde für Stunde, Tag für Tag, Tag und Nacht, werktags und feiertags, dem von vielen Seiten höchste Anerkennung und wärmstes Lob gespendet wurde und wird.“ 113 Am 10. März 1932 feierte die Kongregation ihr 100-jähriges Bestehen mit Freunden und Gönnern in ihrem festlich geschmückten Mutterhaus. Auch aus den auswärtigen Filialen kamen viele Barmherzige Schwestern zur Feier ins tief verschneite München. Schneefall in der Nacht hatte die Stadt mit einem halben Meter Neuschnee bedeckt. Der Erzbischof von Seligsprechung von Katharina Labouré im Petersdom Hl. Schwester Katharina Labouré (1806 – 1876) Katharina Labouré wurde als einfaches Bauernmädchen am 2. Mai 1806 in einem kleinen Dorf in Burgund geboren. Früh schon mutterlos und an hartes Arbeiten gewöhnt, entschloss sie sich mit 24 Jahren, bei den Barmherzigen Schwestern in der Rue du Bac in Paris um Aufnahme zu bitten. Als Novizin hatte sie im Juli 1830 in der dortigen Kapelle eine Marienerscheinung. Bei einer weiteren Erscheinung Marias im November des gleichen Jahres erhielt Katharina den Auftrag, eine Muttergottesmedaille prägen und verbreiten zu lassen. Auf ihr inständiges Bitten hin führte ihr Beichtvater, dem sie sich anvertraute, den Auftrag schließlich aus. Die kleine Medaille fand eine unwahrscheinlich schnelle Verbreitung nicht nur in Frankreich, sondern weltweit. Da immer wieder von Wundern im Zusammenhang mit der Medaille berichtet wurde, nannte sie das Volk bald „wundertätige Medaille“. Zu Katharinas Lebzeiten wusste die Öffentlichkeit nicht, wem die Muttergottes erschienen war und auf wen die Verbreitung der Medaille zurückging. Katharina führte über 40 Jahre das Leben einer einfachen und bescheidenen Barmherzigen Schwester. Die meiste Zeit davon arbeitete sie in einem Altenheim im Norden von Paris. Erst nach ihrem Tod am 31.12.1876 erfuhr die Öffentlichkeit von ihr. Schwester Katharina Labouré wurde 1933 selig und 1947 heilig gesprochen. Sie gilt neben dem hl. Vinzenz und der hl. Luise als bedeutendste Heilige der vinzentinischen Gemeinschaften. 179 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Links: Hl. Katharina Labouré (Gemälde im Mutterhaus) Rechts: Hl. Luise von Marillac (Ölgemälde im Mutterhaus) München und Freising, Michael Kardinal Faulhaber, leitete das feierliche Hochamt. Die Festpredigt am Nachmittag hielt Monsignore Konrad von Preysing, ein großer Freund des Ordens. Gegen Mittag war Oberbürgermeister Scharnagl in Begleitung zweier Stadträte ins Haus gekommen, um die Glückwünsche der Stadt zu überbringen. Als Dank und Anerkennung für die von den Barmherzigen Schwestern seit 100 Jahren in den städtischen Einrichtungen geleisteten Dienste übereignete die Stadt München der Kongregation ein drei Tagwerk großes Stück Land in Berg am Laim.Von einem vorher geplanten Geldgeschenk hatte die Stadt Abstand genommen, weil die Ordensleitung signalisiert hatte, sie könne und wolle dieses wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Lage und der angespannten finanziellen Lage der Stadt nicht annehmen. Hl. Luise von Marillac (1591 – 1660) Luise von Marillac wurde am 12. August 1591 als uneheliche Tochter eines französischen Adeligen geboren, der als hoher königlicher Beamter eine einflussreiche Stellung am Pariser Hof innehatte. Es ist anzunehmen, dass die Mutter Luises von bürgerlicher Herkunft war und eine Heirat deshalb aus gesellschaftlichen Gründen nicht in Frage kam. Der Vater erkannte Luise dennoch als Tochter an und nahm sie zu sich, was jedoch für das Mädchen bedeutete, ohne Mutter aufzuwachsen. Während ihr Vater sie sehr 180 liebte, scheint sie der Rest der adeligen Familie nie richtig akzeptiert zu haben. Umso größer war ihr Verlust, als sie den Vater schon als 13-Jährige verlor. Doch er hatte dafür gesorgt, dass seine Tochter eine standesgemäße Ausbildung erhielt. Zunächst wurde Luise von ihrer Tante im Kloster Poissy erzogen, später in einem Pariser Mädchenpensionat in der Haushaltsführung unterrichtet. Früh schon hatte sie den Wunsch, in einen Orden einzutreten, wurde aber wegen ihrer schwachen Gesundheit nicht aufgenom- Blütezeit des Ordens zu Beginn des 20. Jahrhunderts Die Romreisenden (von links): die Schwestern M. Clementia Schätz, M. Gradulpha Lehnert, M. Berthilia Hidringer, M. Pascalina Lehnert, Superior Pfaffenbüchler und Domkapitular Martin Grassl Besondere Freude bereitete den Schwestern das Glückwunschschreiben des Heiligen Vaters Pius XI. und die Geschenke ihres besonderen Gönners in Rom, Kardinal Pacelli. Er schickte ihnen zu ihrem Jubiläum zwei große Kerzen und ein Foto mit seinem Porträt und eigenhändiger Widmung. In den beiden dem Jubiläumsjahr folgenden Jahren sollte Rom den Münchner Barmherzigen Schwestern, zusammen mit allen vinzentinischen Gemeinschaften, eine noch weit größere Freude machen: im Mai 1933 wurde mit Schwester Katharina Labouré eine Barmherzige Schwester selig gesprochen und im März 1934 folgte die Heiligsprechung der Mitbegründerin der Vinzentinerinnen, Luise von Marillac. Zur Seligsprechung Katharinas durften den Superior drei Barmherzige Schwestern nach Rom begleiten: Schwester M. Berthilia Hidringer, Schwester M. Clementia Schätz und Schwester M. Gradulpha Lehnert. Besonders freudig wurden sie dort von der Haushälterin Pacellis, Schwester M. Pascalina Lehnert, der leiblichen Schwester von Schwester M. Gradulpha, empfangen. Zum Abschied men. Die Familie bestand schließlich auf der Heirat mit Antoine Le Gras, der als Geheimsekretär der Königin Maria de Medici großen politischen Einfluss hatte. Doch in dieser Ehe, aus der ein Sohn hervorging, um den sie sich ihr Leben lang große Sorgen machte, scheint sie keine Erfüllung gefunden zu haben. Getrieben von der Sehnsucht, ihr Leben in den Dienst Gottes zu stellen, kämpfte sie immer wieder gegen ihre innere Unruhe und Unzufriedenheit an. In dieser Situation fand sie in Vinzenz von Paul einen geistlichen Begleiter, der ihr den gesuchten seelischen Halt gab. Schon zu Lebzeiten ihres Mannes hatte Luise begonnen, karitativ zu wirken. Als ihr Mann nach zwölfjähriger Ehe verstarb, stellte sie ihr Leben ganz in den Dienst der Nächstenliebe. Ihr Seelsorger Vinzenz von Paul verstand es in den kommenden Jahren hervorragend, die Energie und Begeisterung Luises zu bündeln, indem er sie in sein im Aufbau befindliches Hilfswerk der christlichen Caritas mit einband. Zusammen mit Luise verwirklichte Vinzenz die Idee, Mädchen vom Land, die sich um die Armen, Kranken und anderen Notleidenden der französischen Hauptstadt annehmen sollten, in kleinen Gemein- >>> 181 Festschrift der Barmherzigen Schwestern überreichte Kardinal Pacelli den Schwestern ein Reliquiar der seligen Katharina. Zur Heiligsprechung von Luise von Marillac reisten nur Prälat Pfaffenbüchler und Kardinal von Faulhaber, aber im Juni feierte das Mutterhaus ein dreitägiges Fest, ein Triduum, zu Ehren der hl. Luise. Bei diesem Anlass wurden die ersten Ewigen Gelübde abgelegt. Die berechtigte Freude der Barmherzigen Schwestern, nun neben dem hl. Vinzenz von Paul mit der hl. Luise eine weitere Heilige als Ordensgründerin verehren zu können, wurde durch die inzwischen erfolgte Macht übernahme der Nationalsozialisten in Deutschland überschattet. Schon im Jubiläumsjahr 1932 waren Jubel und Dankbarkeit über das in den vergangenen 100 Jahren geschaffene Werk getrübt gewesen angesichts der drohenden politischen Veränderungen. Auch Kardinal Pacelli äußerte sich bereits im August gegenüber Superior Pfaffenbüchler äußerst besorgt über die politische Entwicklung in Deutschland: „Auch nach hierher dringt die Kunde von den Geschehnissen in Deutschland! „Der gerade Weg“ wird mir seit einiger Zeit zugesandt.Wir hoffen und beten, dass der liebe Gott Ihr schwergeprüftes Vaterland aus diesem Chaos heraus und einer glücklicheren Zeit entgegenführen möge.“ 114 Doch leider sollte erst noch eine sehr schwere Zeit anbrechen, als es der NSDAP 1933 gelang, die Macht zu übernehmen und alle anderen politischen Kräfte auszuschalten. * schaften in Pariser Mietswohnungen unterzubringen. Vinzenz übertrug Luise die Leitung und Koordination dieser Helferinnen, die sich „Filles de la Charite – Töchter der christlichen Liebe“ nannten. Die päpstliche Approbation dieser neuen Kongregation im Jahr 1668 erlebten weder Vinzenz noch Luise, die beide 1660 starben. Wie sehr diese neue Art von „Orden“ einem Bedürfnis der Zeit entsprach, zeigt die schnelle Ausbreitung. So entstanden aus den „Töchtern der Liebe“ bzw. nach ihrem Vorbild zahlreiche vinzentinische Gemeinschaften, die sich von Frankreich ausgehend zunächst europaweit, dann auch weltweit um Notlei- 182 dende aller Art annahmen und bis heute annehmen. (Siehe Beitrag zu Vinzenz von Paul, Kap.1) Das Leitmotiv, das sich Luise für ihr Leben gewählt hatte, das Pauluswort, „die Liebe Christi, des Gekreuzigten, drängt uns“, ist als „Caritas Christi urget nos“, der Wahlspruch ihrer geistlichen Töchter geblieben. Die von allen diesen vinzentinischen Frauenkongregationen als Ordensgründerin verehrte Luise von Marillac wurde 1920 zunächst selig und 1934 heilig gesprochen. Papst Johannes XXIII. ernannte sie zur Patronin aller im sozial-karitativen Bereich Tätigen. K a p i t e l 11 Die Barmherzigen Schwestern unter dem Nationalsozialismus 11.1. Verdrängung aus der Kinder- und Jugendarbeit Nach ihrer Machtergreifung schienen die Nationalsozialisten die katholische Kirche im Gegensatz zu ihren anderen Gegnern zunächst noch zu schonen. Mit Ausnahme von sehr exponierten Katholiken wie beispielsweise dem Publizisten Fritz Gerlich, der mit seinem „Geraden Weg“ vehement vor der drohenden Gefahr durch die NSDAP gewarnt hatte, wurden Katholiken vorerst nicht behelligt. Schon im Juli 1933 schloss die neue Reichsregierung das Konkordat mit dem Vatikan, das unter den Regierungen der Weimarer Republik trotz langer Verhandlungen mit dem päpstlichen Nuntius nicht zustande gekommen war. Ziel der Nationalsozialisten war, die einflussreiche katholische Kirche, die sich schon in den letzten Jahren der Weimarer Republik als Gegner der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) profiliert hatte, erst einmal ruhig zu stellen. Erst wollten sie sich auf die Ausschaltung ihrer anderen politischen Feinde wie der Kommunisten und Sozialdemokraten konzentrieren. Mit dem Vertragsabschluss mit dem Vatikan erhielt die neue Regierung zudem eine nicht unbeachtliche außenpolitische Anerkennung. Der Vatikan wiederum erhoffte sich durch das Konkordat, die katholische Kirche zu schützen und sie vor der Gleichschaltung zu bewahren. Doch trotz des Konkordats trauten viele deutsche Katholiken den neuen Machthabern nicht. So sorgten sich auch die Barmherzigen Schwestern um ihre Zukunft, obwohl den Orden im Konkordat freie Entfaltung zugesichert worden war. Ein Chronikeintrag von 1933 zeigt dies deutlich: „Die Regierung der nationalen Revolution tat sich immer mehr hervor. Unbeugsam nahmen sie unter dem Schein der Freundlichkeit allen die Macht aus der Hand… Jeden Tag 183 Festschrift der Barmherzigen Schwestern wurde die Sorge größer, jeden Tag auch die Vorsicht und Zurückhaltung, zu der die Schwestern nicht genug ermahnt werden konnten.“ 115 Die Ordensoberen gaben den Schwestern strikte Anweisung, sich zu politischen Dingen nicht zu äußern, selbst untereinander sollten sie vorsichtig sein. Schriftlich sollte politisch Brisantes möglichst gar nicht festgehalten werden, was zur Folge hatte, dass im Archiv zur NS-Zeit nicht viel an derartigem Material zu finden ist. Anzunehmen ist, dass vieles nur noch im kleinen Kreis der Ordensoberen besprochen worden ist, ohne es schriftlich festzuhalten. Schon bald sollte sich zeigen, dass die Nationalsozialisten nicht daran dachten, das Konkordat wirklich einzuhalten. In den kommenden Jahren zeigten die Nationalsozialisten immer offener ihre grundsätzliche Gegnerschaft zur katholischen Kirche und verstießen gegen zahlreiche Bestimmungen des Konkordats. Auch Papst Pius XI. (1857 – 1939), der 1937 mit der Enzyklika „Mit brennender Sorge“ gegen die Konkordatsbrüche protestierte, konnte die katholische Kirche in Deutschland nicht vor der Willkür der nationalsozialistischen Machthaber schützen. Eine geheime Anweisung des Reichssicherheitsdienstes vom 15. Februar 1938 macht mehr als deutlich, was die Nationalsozialisten mit den katholischen Orden vorhatten: „Die Orden sind der militante Arm der katholischen Kirche. Sie müssen daher von ihren Einflussgebieten zurückgedrängt, eingeengt und schließlich vernichtet werden.“ 116 Eines der ersten Angriffsziele der Nationalsozialisten waren die in der Erziehung tätigen Orden. Der NSDAP war sehr viel daran gelegen, den Erziehungsbereich ganz in die eigene Hand zu bekommen, um die Kinder in ihrem Sinne erziehen zu können. Einem Schreiben des Bayerischen Jugend so oder so? Sportliche junge Mädchen werden betenden Barmherzigen Schwestern gegenübergestellt (Ausschnitt aus der Zeitschrift „Der SA-Mann“ vom 8. Mai 1937). 184 Die Barmherzigen Schwestern unter dem Nationalsozialismus Kultusministeriums ist zu entnehmen, was die Regierung von der Erziehung durch Ordensangehörige hielt: „Bei der Eigenart des klösterlichen Erziehungsbetriebes ist eine Nationalsozialistische Gemeinschaftserziehung in klösterlichen Schülerheimen nicht durchführbar.“ 117 Noch weit deutlicher wird in der Zeitschrift „Der SA-Mann“ vom 8. Mai 1937 gegen die klösterliche Erziehung polemisiert: „… muß man Eine Barmuntersuchen, wie weit die Produkte einer herzige Schwessolchen welt- und lebensfremden, ja ter beim direkt naturwidrigen Erziehung für die Spielen mit Volksgemeinschaft überhaupt noch tragbar einem Kind, sind. Das auf einen engen Lebensraum Indersdorf zusammengedrängte deutsche Volk kann 1950er Jahre es sich einfach nicht mehr leisten, einen Teil seiner Jugend durch eine falsche lebensfremde Erziehung für die Erfüllung harter Gegenwartsaufgaben untüchtig machen zu lassen.“ 118 Der nationalsozialistischen Regierung gelang es, die Orden in den Jahren 1936/37 weitgehend aus dem Erziehungsbereich zu verdrängen. Auch die Barmherzigen Schwestern waren von dieser politischen Offensive betroffen: Zum einen indirekt durch die Schließung der Schülerheime der Salesianer bzw. Benediktiner in Amberg und Eichstätt, in denen die Schwestern die Hauswirtschaft geführt hatten, zum anderen in ihren eigenen Einrichtungen der Kinder- und Jugendpflege. In Strullendorf, einem dem städtischen Krankenhaus Bamberg angegliederten Walderholungsheim für schwächliche, unternährte und rachitische Kinder und Kinder mit geschlossener Tuberkulose, waren die Münchner Barmherzigen Schwestern seit der Eröffnung des Heims im Jahr 1920 für Hauswirtschaft und Betreuung der Kinder zuständig gewesen. Das Singen eines Adventslieds „Komm doch Emmanuel! Komm und erlös dein Israel!“ sorgte bei den eingeladenen Vertretern der Stadt und Partei für einen Eklat. Folge war, dass zur Unterstützung der Barmherzigen Schwester, die als Kindergärtnerin arbeitete, eine NS-Kindergärtnerin eingestellt wurde. Obwohl das Mutterhaus daraufhin noch eine weitere eigene Kindergartenschwester nach Strullendorf schickte, erklärte der Bamberger Oberbürgermeister im Mai 1935, die Barmherzigen Schwestern hätten sich ganz aus der Erziehungsarbeit zurückzuziehen und seien nur noch für die Hauswirtschaft zuständig. Diese wurde ihnen schließlich im März 1937 ebenfalls gekündigt. Zusammen mit einer Barmherzigen Schwester, die in 185 Festschrift der Barmherzigen Schwestern der ambulanten Pflege gearbeitet hatte, wurden die Schwestern aus Strullendorf abgezogen. Auch das Bezirkskinderheim Bogen, das die Schwestern 1915 als ärmliche Kleinkinderbewahranstalt übernommen und zu einem angesehenen Kinderheim entwickelt hatten, wurde ihnen 1937 überraschend gekündigt. Nach einer Protestaktion der Bevölkerung wurde die Kündigung vorübergehend wieder aufgehoben, wenig später aber erneut ausgesprochen. Da ihnen zunächst signalisiert worden war, auch die zweite Kündigung sei nicht ernst zu nehmen, waren die Schwestern umso härter betroffen, als ihnen am 1. März 1938 schriftlich mitgeteilt wurde, sie hätten das Haus umgehend zu verlassen. Nachdem sie noch einen kleinen Aufschub erreichen konnten, verließen sie am 10. März endgültig das Kinderheim in Bogen, das daraufhin wie schon Strullendorf von der NSV, der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt, übernommen wurde. Auch die Marienanstalt im Kloster Indersdorf blieb nicht unbehelligt. Schon seit 1933 machte den Schwestern dort einer der weltlichen Lehrer zu schaffen, der offen nationalsozialistisches Gedankengut vertrat, ja sogar eine Hitlerjugend innerhalb der Klostermauern organisierte. Die Schwestern mussten hilflos mit ansehen, wie er nach eigenem Gutdünken schaltete und waltete. Spätestens seit 1936 war eine zunehmend feindselige Haltung der staatlichen Behörden gegenüber den Schwestern in Indersdorf festzustellen. Bei einer Visitation der Schulbehörde am 26.11.1936 hatte der Schulrat einiges zu beanstanden.119 In der Bücherei sei kein nationalsozialistisches Schriftgut zu finden, die Bildnisse des Führers seien zwar vorhanden, aber gegenüber dem sonstigen Wandschmuck zu sehr im Hintergrund, statt mit dem Hitlergruß sei er von den Schwestern und den Kindern mit „Gelobt sei Jesus Christus“ oder „Grüß Gott“ begrüßt worden. Den Deutschen Gruß hätte bis auf eine Gruppe von Knaben keiner verwendet. Diesen negativen Visitationsbericht nahm das Bayerische Finanzministerium zum Anlass, den Schwestern völlig widerrechtlich den langfristig geschlossenen Vertrag am 30.12.1937 zu kündigen. So mussten die Barmherzigen Schwestern am 15. Juli 1938 die Anstalt schweren Herzens verlassen. Die Marienanstalt wurde daraufhin eine N.S.-Kinderheimstätte. Im Jahr 1943 wurde den Schwestern von der Stadt München die Kündigung für die Kinderkrippen St. Josef und St. Peter ausgesprochen. Nur die St. Annakrippe wurde ihnen noch belassen. Warum die Nationalsozialisten nicht auch versuchten, das Kinderheim in Landshut an sich zu bringen, ist nicht ganz zu klären. Wahrscheinlich wäre es in diesem Fall nicht ganz so einfach gewesen, da es dem Marienverein gehörte und nicht wie Indersdorf dem Staat bzw. wie Strullendorf der Stadt Bamberg. Auf staatliche und städtische Behörden war sicher leichter 186 Die Barmherzigen Schwestern unter dem Nationalsozialismus Einfluss zu nehmen als auf diesen Verein. Und hier hatten die Schwestern auch keine eigene allgemeinbildende Schule, so dass der Staat immer noch die Möglichkeit hatte, über die Schulen die Kinder ideologisch in seinem Sinne zu formen. 11.2. Die Braunen Schwestern – eine Bedrohung für Barmherzige Schwestern? Traditionell hatten die Barmherzigen Schwestern in den von ihnen übernommenen Einrichtungen die so genannte Kostregie. Das heißt, sie waren eigenverantwortlich für Einkauf und Vorratshaltung zuständig. In München begannen die städtischen Behörden schon bald nach der Machtergreifung, den Schwestern durch schikanöse Kontrollen ihrer Wirtschaftsführung das Leben schwer zu machen. Diese Entwicklung gipfelte darin, dass den Barmherzigen Schwestern ab 1. Oktober 1936 die Kostregie in allen städtischen Altenheimen und Spitälern entzogen wurde. Mit einem neuen Vertrag zwischen der Stadt und dem Orden 120, der zum 1. April 1937 in Kraft trat und alle alten Verträge außer Kraft setzte, wurde die eigenständige Kostregie der Schwestern auch in den städtischen Krankenhäusern und einigen Münchner Privatkliniken eingeschränkt. Während die Nationalsozialisten keinerlei Interesse daran hatten, den Ordensschwestern die Pflege in den vielen Altenheimen und Spitälern streitig zu machen, verfolgten sie ab 1935 mit Vehemenz das Ziel, die katholischen Orden und die Diakonissen aus den Krankenhäusern zu verdrängen. Doch um dieses Ziel zu erreichen, mussten sie erst für einen geeigneten Ersatz sorgen. Dafür sollten eigene nationalsozialistische Krankenschwestern ausgebildet werden. Deshalb starteten sie ab 1935 eine große Werbekampagne, um junge Frauen für die Ausbildung zu gewinnen. Ganz gezielt dienten in dieser Propaganda die Krankenschwestern der beiden christlichen Kirchen als negatives Gegenmodell für den neuen Typus von Krankenschwester. Die Werbung für die so genannten Braunen Schwestern ging deshalb oft einher mit einer Diffamierung der katholischen Ordensschwestern und der Diakonissen: „An Stelle der weltabgewandten Diakonisse und Ordensschwester tritt die lebensbejahende neue Deutsche Schwester, wie wir sie in der NS-Schwesternschaft, im Deutschen Roten Kreuz und im Reichsbund der freien Schwestern und Pflegerinnen sehen. Für sie ist der Schwesternberuf nicht Flucht aus dem Leben, sondern Lebensbejahung, Arbeit für das Leben unseres Volkes.“ 121 Die Werbekampagne hatte in Südbayern weit weniger Erfolg als in Nordbayern. Hier wurde auch die erste bayerische NS-Schwesternschule am 19.01.1936 in Bamberg eröffnet. Die erste Übernahme eines bayerischen 187 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Krankenhaus Schwabing (ca. 1960) Stadtkrankenhauses durch die NSV erfolgte ebenfalls im bekanntermaßen sehr „braunen“ Franken, nämlich in Ansbach. Trotz der Einrichtung der NS-Schwesternschule am Krankenhaus in Bamberg blieben die Barmherzigen Schwestern weiterhin dort tätig. Der Chefarzt des Krankenhauses hatte nach der langen Zusammenarbeit mit den Ordensschwestern an deren Weiterbeschäftigung festgehalten. Nach Berichten älterer Schwestern gestaltete sich das Nebeneinander der Ordensschwestern und der jungen Braunen Schwestern nicht nur in Bamberg, sondern auch an anderen Krankenhäusern meist nicht problematisch. Die unerfahrenen Braunen Schwestern suchten häufig den Rat der erfahrenen Barmherzigen Schwestern. Für die Ordensschwestern waren weniger die einzelne Braune Schwester und die Zusammenarbeit mit ihr in der Praxis das Problem als vielmehr die politische Zielsetzung, die hinter der gezielten Förderung der NS-Schwesternschaft stand. Das Ziel war nun einmal, die Ordensschwestern ganz aus den Krankenhäusern zu drängen und durch die Braunen Schwestern zu ersetzen. Gerade in München, wo alle städtischen Krankenhäuser in der Hand der Barmherzigen Schwestern waren, arbeitete die NSV hinter den Kulissen schon lange daran, für die Braunen Schwestern Terrain zu gewinnen. Immer wieder stellte die Gauleitung der NSDAP Anträge bei der Münchner Stadtverwaltung, so viele städtische Krankenhäuser wie möglich mit Braunen Schwestern zu besetzen.122 Die Nationalsozialisten erreichten schließlich, dass Braune Schwestern im Krankenhaus rechts der Isar und im Schwabinger Krankenhaus ausgebildet wurden. Die Direktion des Krankenhauses Schwabing hatte zunächst generell den Antrag, dort auch Braune 188 Die Barmherzigen Schwestern unter dem Nationalsozialismus Schwestern einzusetzen, mit dem Hinweis abgelehnt, diese seien überflüssig, schließlich aber eine Einsatzmöglichkeit in der Kinderabteilung angeboten. Gerade daran war die NSV besonders interessiert, da sie damit eine Möglichkeit für die Ausbildung von Kinderkrankenschwestern bekam. Doch die Gauleitung gab sich damit noch nicht zufrieden. Sie wollte weit mehr und machte Druck mit dem Hinweis auf das Gesetz zur Ordnung der Krankenpflege vom 28.09.1938, dessen Ziel vor allem sei, „die Krankenhäuser so weit wie möglich mit Schwestern zu besetzen, die neben einer sorgfältigen und gründlichen Ausbildung auch weltanschaulich die Voraussetzungen, die der Nationalsozialismus an sie stellt, erfüllen“.123 Immer wieder wurde angemahnt, dass dies doch gerade in der „Hauptstadt der Bewegung“ möglich sein sollte. Das Krankenhaus rechts der Isar sollte nach den Vorstellungen der NSDAP vollständig übernommen werden und als Gaumutterhaus dienen. Der Gauleiter hatte bereits einen vorgefertigten Vertrag zur Übernahme zum 1. April 1940 vorbereitet und dem Oberbürgermeister zum Unterschreiben vorgelegt. So unter Druck geraten forderte die Stadtverwaltung eine Stellungnahme der Verwaltung des Krankenhauses rechts der Isar an. Diese stellte in einem detaillierten Plan die Kosten, die die Stadt bisher für die Barmherzigen Schwestern aufbringen musste, den Kosten, die für die neuen weltlichen Schwestern veranschlagt wurden, gegenüber. Dabei kam sie zu dem Ergebnis, dass mit der Einführung der neuen Schwestern erheblich höhere Kosten verbunden wären. Da die Barmherzigen Schwestern nicht nur die Pflege innehätten, sondern auch die Hauswirtschaft und Verwaltung, müssten auch dafür neue Kräfte eingestellt werden. Die Schwestern, denen „eine denkbar sparsame Wirtschaft im Interesse des Hauses“124 attestiert wurde, kämen im Durchschnitt auf eine Arbeitszeit von 122 Stunden in der Woche. Für die neuen Schwestern könnte man nur die 60-Stundenwoche ansetzen. Bei Urlaub und Krankheit würde der Orden ohne Mehrkosten einen Ersatz stellen. Für die Ordensschwestern müssten zudem keine Sozialabgaben bezahlt werden. Hinzu käme, dass man für das weltliche Personal neue Personalwohnungen zur Verfügung stellen müsste, da ihm eine Unterbringung wie den Barmherzigen Schwestern in einem Gemeinschaftszimmer von 8-10 Personen nicht zuzumuten wäre. Alles in allem kämen die jährlichen Personalkosten auf 457.000 RM, statt der bisherigen Kosten von knapp über 74.000 RM. Angesichts dieser Zahlen gab sich nicht nur die Stadtverwaltung, sondern auch der Sachbearbeiter der NSV geschlagen. Allerdings unternahm der Gauleiter ein Jahr später einen erneuten Vorstoß. In der Antwort des Oberbürgermeisters wird in Aussicht gestellt, dass die Braunen Schwestern in Zukunft einzelne Abteilungen in den städtischen Krankenhäusern übernehmen könnten. Konkrete Verhandlungen darüber wollte die Stadt jedoch erst nach Kriegsende führen. 189 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Das Mutterhaus um das Jahr 1930 Der Versuch der Nationalsozialisten, die Barmherzigen Schwestern aus den Münchner Krankenhäusern zu verdrängen, war also zum einen daran gescheitert, dass die Krankenhausdirektoren kein Interesse daran hatten, ihr qualifiziertes Personal gegen die neuen Braunen Schwestern einzutauschen. Zum anderen wollte auch die Stadtverwaltung nicht riskieren, aus rein ideologischen Gründen die Stadtkasse mit erheblichen Mehrkosten zu belasten und eine funktionierende Gesundheitsversorgung zu gefährden. Nach Kriegsbeginn mit der zusätzlichen Belastung durch die Heimatlazarette war daran schon gar nicht mehr zu denken. Denn so sehr die Nationalsozialisten die Werbetrommel für die Braunen Schwestern rührten, schafften sie es doch nicht, genügend Schwestern zu rekrutieren, um die Ordensschwestern auch nur rein zahlenmäßig ersetzen zu können. An dieser Tatsache, dass es der NSV nicht gelang, den Bedarf an Pflegekräften mit ihren Braunen Schwestern zu decken, scheiterte auch der Versuch der Nationalsozialisten, die Barmherzigen Schwestern aus ihrem Mutterhaus zu verteiben.125 Ab 1936 gab es wieder sehr konkrete und großzügige Neubaupläne für das Krankenhaus links der Isar. Obwohl eine Bebauung denkbar gewesen wäre, der das Mutterhaus nicht hätte weichen müssen, planten Kultusministerium und Oberbürgermeister, die neue Überbauung des Geländes zum Anlass zu nehmen, das Mutterhaus endgültig zu beseitigen. Der Oberbürgermeister ließ zu diesem Zweck vom städtischen Fiskalreferat ein Rechtsgutachten ausarbeiten, das die Eigentumsfrage des Mutterhauses klären sollte. Das Gutachten vom 2.10.1937 126 kam zu dem Ergebnis, die Krankenhausstiftung habe dem Orden den Platz nur leihweise überlassen. Da die Eigentümerin diesen jetzt selbst dringend benötige, könne man dem Orden das auf dem Platz stehende Mutterhaus jederzeit 190 Die Barmherzigen Schwestern unter dem Nationalsozialismus und ohne Entschädigung wegnehmen. Der Oberbürgermeister war mit diesem Rechtsgutachten im Rücken bereit, die Räumung des Hauses notfalls auch auf dem Rechtsweg durchzusetzen. Konkret wurde schon überlegt, welche Kündigungsfrist man dem Orden kulanterweise einräumen wolle. Die einzigen Bedenken, die der Oberbürgermeister hatte, entsprangen nicht der Rücksicht gegenüber den Schwestern, sondern der Angst, der Orden könnte seinerseits den erst am 2.3.1937 geschlossenen Vertrag mit der Stadt, die Pflege in den städtischen Krankenhäusern betreffend, kündigen, bevor die Barmherzigen Schwestern durch genügend andere Pflegekräfte ersetzt werden könnten. Es ging schließlich um nicht weniger als den Ersatz von über 700 Schwestern und 7 Oberinnen. Der Oberbürgermeister hatte berechtigte Zweifel, ob dies gelingen würde, zumal ein vertrauliches Rundschreiben des Reichs- und Preußischen Innenministeriums vom 30. Juli 1937 gewarnt hatte, dass „der Ersatz der Ordensangehörigen durch andere Pflegepersonen augenblicklich auf größte Schwierigkeiten“ stoße und deshalb „die örtlichen Stellen an der Einleitung übereilter und wegen ihrer Auswirkungen unerwünschter Maßnahmen verhindert werden sollen“.127 Auf direkte Anfrage bei NSV-Hauptamtsleiter Hilgenfeldt erhielt der Oberbürgermeister Ende Dezember 1937 Folgendes mitgeteilt: „Aus den mir unterstellten Schwesternschaften bin ich nicht in der Lage, Ersatz für die bei Ihnen tätigen Ordensschwestern zu stellen. Ich habe mich jedoch sofort an den Herrn Reichs- und Preußischen Minister des Innern gewandt, um durch diesen zu erreichen, dass einer Vertragskündigung durch den Orden vorgebeugt wird. Der Herr Reichs- und Preußische Minister des Innern hat mir mit Schreiben vom 23. ds. Mts. mitgeteilt, dass eine grundsätzliche Regelung in den Fragen der freien Wohlfahrtspflege in Kürze zu erwarten sei.“ 128 Da der Orden im Stadtrat noch einige Freunde hatte, erfuhr die Ordensleitung bereits frühzeitig durch eine vertrauliche Mitteilung von der geplanten Enteignung. Die Beunruhigung war groß. Offizielle Verhandlungen mit dem Superior wurden erst Ende 1937 aufgenommen. In der entscheidenden Frage, wie sich der Orden im Falle einer Räumung des Mutterhauses verhalten werde, verhielt sich Prälat Pfaffenbüchler äußerst zurückhaltend und abwartend. Stadt und Kultusministerium ließen schließlich von dem riskanten Plan ab, der die städtische Gesundheitsversorgung hätte gefährden können. Sie wandten sich lieber neuen, noch attraktiveren Plänen zu. Diese sahen vor, in Nymphenburg ein neues Universitätsviertel mit verschiedenen Universitätskliniken zu errichten, Pläne, die letztlich aber am Kriegsausbruch scheiterten. Auch wenn die drohende Enteignung des Mutterhauses noch einmal abgewendet werden konnte, war deutlich geworden, dass die Stadt München und das Kultusministerium sofort bereit gewesen wären, die Barmher191 Festschrift der Barmherzigen Schwestern zigen Schwestern aus ihrem Mutterhaus zu vertreiben, wenn die Nationalsozialistische Schwesternschaft einen Ersatz hätte stellen können. Den Barmherzigen Schwestern war damit klar geworden, dass sie, sobald es ausreichend Braune Schwestern geben würde, umgehend aus dem Krankendienst verdrängt würden. Klar war ihnen aber auch geworden, dass ihr Orden nur so lange einen gewissen Schutz vor der Willkür der NS-Machthaber haben würde, so lange diese auf ihn angewiesen waren und er die benötigte hohe Zahl an Pflegekräften bereitstellen konnte. Umso beunruhigter waren die Ordensoberen über den deutlich spürbaren Rückgang der eigenen Kandidatinnenzahlen seit der Machtergreifung der Nationalsozialisten. 11.3. Beschränkung des Ordensnachwuchses Es war kein Wunder, dass in dem von den Nationalsozialisten geschaffenen Klima der Verachtung alles Kirchlichen und insbesondere alles Klösterlichen die Kandidatinnenzahl rückläufig war. Das Bild der Braunen Schwester dagegen war in der öffentlichen Darstellung äußerst positiv besetzt. Auch der Krankendienst wurde in den NS-Werbekampagnen als weit weniger beschwerlich und gefährlich dargestellt, als ihn die Barmherzigen Schwestern ihren Anwärterinnen ehrlicherweise beschrieben. Manche an der Krankenpflege interessierte Bewerberin mag nun leichter den Weg in die Nationalsozialistische Schwesternschaft gefunden haben. 1936 schrieb die Mutterhauschronistin dazu: „Mit wachsender Sorge sah man den Nachwuchs sich verringern. Diese Zeit ist nicht angetan, Ordensberufe hervorzubringen.“ 129 In diesem Jahr traten außerdem 7 Professschwestern und 5 Novizinnen aus. Über den Austritt einer der Schwestern war man mehr erleichtert als traurig, da sie offen mit dem Nationalsozialismus sympathisiert hatte. Die Nationalsozialisten starteten ganz gezielte Abwerbeversuche. So luden sie junge Schwestern vor, in erster Linie Kinderkrankenschwestern, um sie anhand eines Fragebogens zu verhören. Mit Fragen wie: „Wünschen Sie eine bessere Stellung? Haben Sie früher einer Partei angehört? Haben Sie etwas einzuwenden gegen die jetzige Regierung? Sind Ihre Geschwister bei BDM oder HJ?“ 130 sollten die Schwestern teils unter Druck gesetzt, teils gelockt werden, von den Barmherzigen Schwestern zu den Braunen Schwestern zu wechseln. Diese Versuche wurden wieder eingestellt, nachdem das Ordinariat die Schwestern darauf hingewiesen hatte, sie müssten auf diese Fragen nicht antworten. Der NS-Staat griff schließlich zu wirksameren Mitteln, den Ordensnachwuchs zu beschränken. Am 29. September 1940 wies der Arbeitsminister per Erlass alle Landesarbeitsämter an, den Eintritt von arbeitsfähigen Deut192 Die Barmherzigen Schwestern unter dem Nationalsozialismus schen in einen Orden zu unterbinden.131 Die Maßnahme wurde begründet mit dem hohen Bedarf an Arbeitskräften für kriegsbedingte Aufgaben und der Tatsache, dass in den kommenden Jahren geburtenschwache Jahrgänge ins Berufsleben eintreten würden. Die Ortsgruppen der NSDAP wurden angewiesen, jeden Fall von einem geplanten Ordenseintritt unverzüglich an das Arbeitsamt zu melden. Dieses sollte auf jeden Fall den Eintritt verhindern, indem es den potentiellen Ordenskandidaten strikt untersagte, ein schon bestehendes Arbeitsverhältnis zu lösen. Auch wenn es sich um mithelfende Familienangehörige handelte, wurde dies als nicht zu lösendes Dienstverhältnis betrachtet. Für den Fall, dass sich der Arbeitgeber selbst mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses einverstanden erklären sollte, war das Arbeitsamt angewiesen, sofort ein neues Dienstverhältnis zuzuweisen. Wer aber keine Arbeitsstelle hätte, wäre sofort zum Arbeitsdienst heranzuziehen. Die Bischöfe hofften vergeblich, der Erlass käme wegen des eklatanten Mangels an Krankenpflegekräften wenigstens bei den Krankenpflegeorden nicht zur Anwendung. Resigniert mussten sie schließlich feststellen: „Der Kampf gegen die Orden scheint notwendiger als eine ausreichende und fachgemäße Pflege unserer Kranken und auch unserer Soldaten.“ 132 Die Bischöfe rieten den Orden daraufhin, die einzige Lücke zu nützen, die dieser Erlass bot: Sie sollten mit ihren Kandidaten bzw. Kandidatinnen ein Ausbildungsverhältnis eingehen. Nur für den Fall, dass ein Ausbildungsverhältnis eingegangen wurde, konnte nämlich ein bestehender Dienstvertrag gelöst werden. Gerade für einen karitativ tätigen Orden wie die Barmherzigen Schwestern bot sich hier eine kleine Möglichkeit, den Erlass zu unterlaufen, indem er mit Kandidatinnen einen Ausbildungsvertrag abschloss. Allerdings traf die Kongregation, die die meisten ihrer Kandidatinnen traditionell aus ländlichen Gebieten rekrutierte, der kriegsbedingte Mangel an männlichen Arbeitskräften auf den Bauernhöfen besonders hart. Viele junge Frauen mussten zu Hause ihre Väter oder Brüder ersetzen, die als Soldaten eingezogen worden waren. Manche potentielle Ordensbewerberin musste erst das Ende des Krieges und die Rückkehr der männlichen Arbeitskräfte auf den Hof abwarten, bevor sie an einen Klostereintritt denken konnte. 11.4. Übergriffe auf das Ordensvermögen Noch bevor sie Ordenseintritte zu unterbinden versuchten, hatten die Nationalsozialisten schon einige Jahre daran gearbeitet, an das Vermögen der Orden zu kommen. Durch neue Steuergesetzgebung und schikanöse Überprüfung der Bücher machten sie kirchlichen Einrichtungen das Leben schwer. 193 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Generaloberin M. Desideria Weihmayr (vorn) mit den Schwestern M. Emma Mayer, M. Timothea Ridinger und M. Berthilia Hidringer (von links) vor dem Mutterhaus vermutlich 1938 194 In den Jahren 1935 – 37 führte der NS-Staat eine gezielte Kampagne durch, indem er katholischen Geistlichen groß aufgemachte Sittlichkeitsprozesse und Devisenprozesse anhängte. Beinahe wären die Barmherzigen Schwestern vom Mutterhaus München in einen solchen Devisenprozess geraten. Sie hatten nämlich gerade in diesen kritischen Jahren ein Projekt im Ausland gestartet. Der Papst hatte Anfang der 1930er Jahre die Münchner Ordensoberen angeregt, neue Niederlassungen im Ausland zu gründen. Das Mutterhaus München beschloss, in Zusammenarbeit mit dem St. Bonifatiuswerk und dessen Generalsekretär Scherer, dem Autor der Jubiläumsschrift zur Hundertjahrfeier, in Bukarest ein Krankenhaus zu bauen. Dieses Projekt sollte sich von Anfang an als sehr schwierig erweisen. Waren schon die Verhandlungen mit den rumänischen Behörden nicht einfach, hätten ihnen die deutschen Behörden beinahe größte Probleme wegen der Devisen gemacht. Sie mussten sehr vorsichtig vorgehen, um nicht in den Verdacht zu geraten, gegen das Auslandsdevisengesetz zu verstoßen. Das Erzbischöfliche Ordinariat nahm sich der Sache an, um Schlimmeres zu verhindern. Der Domkapitular und spätere Weihbischof Johannes Neuhäusler verhandelte mit den Behörden und sorgte für einen formal unangreifbaren Ablauf der Finanzierung des neuen Projekts.133 Im Februar 1938 wurden die Schwestern erneut sehr beunruhigt, als zwei Männer, die sich als Gestapobeamte auswiesen, im Mutterhaus auftauchten, sich die Kassenschränke aufsperren und die Bücher vorlegen ließen. Da kurz vorher die Aktion der Nationalsozialisten zur Beschlagnahmung von Vereinsvermögen stattgefunden hatte, befürchteten die Schwestern das Schlimmste. Nach dem Abzug der beiden Beamten fehlte Geld. Das vom Mutterhaus eingeschaltete Ordinariat versuchte in den kommenden Tagen, bei der Gestapo mehr über die Hintergründe des Besuchs in Erfahrung zu bringen. Dort stellte man sich unwissend, so dass nie ganz geklärt werden konnte, wer diese Gestapobeamten geschickt hatte bzw. ob es sich wirklich um Leute von der Gestapo handelte. Der Vorfall hatte keine weiteren Folgen, außer dass das Ordinariat die Orden der Diözese aufforderte, sich in einem derartigen Fall die Ausweisplakette der Gestapobeamten genau anzusehen und dem Ordinariat sofort Bescheid zu geben.134 Die Barmherzigen Schwestern unter dem Nationalsozialismus Kaum war die ursprünglich geplante Enteignung des Mutterhauses ad acta gelegt worden, sah sich der Orden schon wieder mit der Gefahr konfrontiert, Staat oder NSDAP könnten ordenseigene Häuser für ihre Zwecke in Anspruch nehmen oder gar enteignen. Seit Kriegsbeginn wurden zahlreiche kirchliche Einrichtungen, mit Vorliebe auch Klöster, durch nationalsozialistische Organisationen, die Wehrmacht oder staatliche Behörden konfisziert und zweckentfremdet. Um nur zwei Beispiele zu nennen, die auch die Barmherzigen Schwestern nicht unberührt ließen: Im Jahr 1941 wurden sowohl das Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern von Untermarchtal als auch das Kloster der Missionsbenediktinerinnen von Tutzing beschlagnahmt. Als die Tutzinger Schwestern quasi von heute auf morgen ihr Kloster verlassen mussten, fanden sie liebevolle Aufnahme zunächst im Mutterhaus in der Nußbaumstraße, bevor sie auf die verschiedenen Niederlassungen der Kongregation der Barmherzigen Schwestern verteilt wurden. Das Schicksal der Missionsbenediktinerinnen so hautnah mit zu erleben, hat sicher zur Angst der Schwestern vor demselben Schicksal beigetragen. Und diese Angst war durchaus berechtigt, gerade angesichts der doch sehr attraktiven Häuser der Barmherzigen Schwestern, die durchaus Begehrlichkeiten von Staat und Partei wecken konnten. Sofort bei Kriegsbeginn wurde das Kurhaus von Adelholzen als Lazarett beschlagnahmt. Nach einigen Monaten konnte für kurze Zeit noch einmal der Kurbetrieb aufleben, um dann endgültig eingestellt zu werden, zugunsten einer Nutzung, die der Staat gerade als notwendig erachtete. Neben der Verwendung als Lazarett diente Adelholzen 1940 für einige Monate als Übergangsheim für bessarabische Familien, Rumäniendeutsche, die auf ihre Umsiedlung in die besetzten polnischen Gebiete warteten. Als der Staat für die groß angelegte Aktion der Kinderlandverschickung Häuser suchte, geriet Adelholzen wieder ins Visier. Beinahe wäre es jetzt zu einer vollständigen Beschlagnahmung des Kurorts gekommen. Die Schwestern waren bereit, einen Teil der Gebäude für 260 Kinder zur Verfügung zu stellen. Dem Beauftragten für die Kinderlandverschickung im Gau München-Oberbayern der NSDAP, Oberstaller, war dies nicht genug. Er forderte die Aufnahme von 400 Kindern und die Bereitstellung aller Räumlichkeiten. Als sich die Schwestern dazu wegen ihres eigenen Bedarfs außer Stande sahen und sich weigerten, teilte ihnen Oberstaller unverzüglich am 31. März 1941 schriftlich die Beschlagnahmung des gesamten Anwesens mit. Sie wurden aufgefordert, die Niederlassung bis zum 10. April zu räumen.135 Der Brief versetzte die Schwestern in große Aufregung, die noch gesteigert wurde, als am gleichen Abend ein Herr Leonhardt aus Alzing sich als Lagerleiter für die Kinderlandverschickung ausgab und zusammen mit anderen, den Schwestern nicht bekannten Personen alles im Haus bis hin zum Weinkeller 195 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Seit 1919 haben die Barmherzigen Schwestern eine Begräbnisstätte auf dem Waldfriedhof. 1924 wurden die weit über 500 auf dem Alten Südfriedhof beerdigten Schwestern hierher überführt. inspizierte. Inwieweit Leonhardt überhaupt offiziell befugt war, ist unklar. Als er gegenüber der Oberin in unverschämter Weise auftrat und mit der Beschlagnahmung von Wertgegenständen und Lebensmitteln drohte, verwies sie ihn, um Zeit zu gewinnen, an das Mutterhaus in München. Als sich das unverschämte Vorgehen von Oberstaller und Leonhardt gegenüber den Adelholzener Schwestern herumgesprochen hatte, reagierte die Bevölkerung der Umgebung empört. Zusammen mit Josef Zett, dem langjährigen Leiter der Adelholzener Ökonomie, legte der Siegsdorfer Bürgermeister beim Traunsteiner Landrat Widerspruch gegen die Enteignung Adelholzens ein. So unter Druck geraten, machte Oberstaller einen Rückzieher. Als er am 3. April wieder nach Adelholzen kam, war die drei Tage vorher angekündigte Beschlagnahmung kein Thema mehr und er akzeptierte den Vorschlag der Schwestern, 250 Kinder aufzunehmen. Auch der Versuch des Luftgaukommandos, das Postulatsgebäude in München zu konfiszieren, konnte im Februar 1942 erfolgreich abgewendet Ein herber Verlust – der Tod der Generaloberin Gerade in dieser Zeit der drohenden Beschlagnahmungen und der Angst vor einem beginnenden Luftkrieg hatte der Orden einen herben Verlust zu verkraften. Die seit 1924 amtierende Generaloberin Schwester M. Desideria Weihmayr, die sich trotz ihrer 77 Jahre nach wie vor umsichtig und tatkräftig um die Belange der Kongregation gekümmert hatte, starb am 10. Oktober 1941 196 nach einer verschleppten Erkältung an Lungenentzündung. So trat die vom Generalkapitel am 16. November 1941 gewählte Schwester M. Castella Blöckl ihr Amt als Generaloberin an. Sie sollte sich als würdige Nachfolgerin erweisen, die den Orden sicher durch die gefahrvollen und beschwerlichen Kriegs- und Nachkriegsjahre führte. Die Barmherzigen Schwestern unter dem Nationalsozialismus werden. Superior Pfaffenbüchler machte dringenden Eigenbedarf geltend. Schließlich sei im Gebäude in der Blumenstraße die staatlich anerkannte ordenseigene Krankenpflegeschule untergebracht, die für den dringend benötigten Nachschub an Pflegekräften sorge.136 Auch das Erholungsheim der Schwestern in Unterhaching war gefährdet. Doch in diesem Fall setzte sich sogar der Münchner Oberbürgermeister Fiehler dafür ein, dieses Haus den im anstrengenden Krankendienst stehenden Schwestern für ihre dringend benötigte Erholung zu belassen, um ihre Arbeitskraft zu erhalten. 137 Eine andere Konfiszierungsmaßnahme konnte dagegen nicht verhindert werden. Die nach dem Mutterhaus älteste ordenseigene Niederlassung in Berg am Laim geriet ins Visier der Nationalsozialisten. Der Orden hatte dort in den 1920er Jahren umfangreiche Renovierungsarbeiten durchführen und 1936 einen zusätzlichen, stattlichen Neubau errichten lassen. Ihr neues Haus konnten die Schwestern nicht lange nutzen, da ihnen der Leiter der Münchner „Arisierungsstelle“ am 25.10.1941 einen Vertrag aufzwang, nach dem ein großer Teil des Gebäudes für eine so genannte „Heimanlage für Juden“ zur Verfügung gestellt werden musste. 11.5. Konfrontation der Schwestern mit NS-Verbrechen Judenlager in Berg am Laim Anlässlich der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 notierte die Mutterhauschronistin: „Eine schlimme Judenverfolgung begann. Es war grausam, als bestimmte Leute nachts durch die Sendlingerstraße fuhren, mit großen Ziegelsteinen die Schaufenster demolierten und die Läden ausraubten, wie sie unbescholtene Geschäftsleute festnahmen, die Stoffe herauswarfen und mitnahmen. Dazu musste man schweigen, wenn man nicht nach Dachau kommen wollte. Wie es in Dachau aussah? Man konnte es ahnen, weil doch manches durchdrang; aber man kann sich wohl kaum die Wirklichkeit vorstellen.“ 138 Durch die Errichtung der „Heimanlage für Juden in Berg am Laim“, die vom 21. Juli 1941 bis zum 1. März 1943 bestand und nichts anderes war als ein Sammellager für Juden vor ihrer Deportation in die Vernichtungslager, wurden die Barmherzigen Schwestern nun in ihrem eigenen Kloster hautnah mit dem größten Verbrechen der Nationalsozialisten, dem Holocaust an den Juden, konfrontiert. Den Schwestern war von der Gestapo strikte Geheimhaltung auferlegt worden. Nicht zuletzt hatten die Nationalsozialisten das Kloster wegen seiner abgeschiedenen Lage ausgesucht. Die Öffentlichkeit sollte davon nicht allzu viel mitbekommen. 197 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Das Noviziatsgebäude in Berg am Laim in den 1960er Jahren. Hier befand sich von 1941 bis 1943 die Heimanlage für Juden. Sicher, die Situation in Berg am Laim war nicht mit Dachau oder den zukünftigen Bestimmungsorten der Lagerinsassen vergleichbar. Es war um einiges humaner als das große Münchner Sammellager in Milbertshofen und noch ein einigermaßen erträglicher „Vorhof“ zur Hölle. Allerdings waren statt der im Vertrag vereinbarten 170 Personen zeitweise bis zu 320 Menschen in der „Heimanlage“ einquartiert. Durch diese Überbelegung wurde es auch im ursprünglich sehr geräumigen neuen Schwesternhaus schnell bedrückend eng. Wie in Milbertshofen verlangte die Gestapo, dass die Jüdische Gemeinde selbst für die Finanzierung des Heims und die Verwaltung des Lagers sorgte. Die Leitung übernahmen formal der Bankkaufmann Curt Metzger und die als Wirtschafterin eingesetzte Else BehrendRosenfeld, eine promovierte Historikerin, die in der jüdischen Fürsorge arbeitete. Doch die eigentliche Kontrolle des Lagers hatte die gefürchtete Gestapo. Die klösterliche Idylle wurde zudem von der Angst der Heim insassen vor ihrer ungewissen Zukunft überschattet. Mancher Bewohner war so verzweifelt, dass er Selbstmord beging. Wie verhielten sich die Schwestern in dieser auch für sie bedrückenden Situation? Else Behrend-Rosenfeld, der kurz vor ihrer eigenen Deportation die Flucht in die Schweiz gelang, stellte den Barmherzigen Schwestern in ihrem Buch, in dem sie auch über die Zeit in Berg am Laim berichtete, ein hervorragendes Zeugnis der Menschlichkeit aus: „Die stets gleich freundlichen Gesichter der Nonnen, die nie ohne lächelnden Gruß an uns vorübergehen, und das wohltuende Bewusstsein, von ihnen nicht gehasst oder verachtet, sondern mit schwesterlicher Zuneigung betrachtet zu werden, bedeutete eine große Entlastung.“ 139 Obwohl den Schwestern strikt verboten war, mehr als den für den organisatorischen Ablauf nötigen Umgang mit den Heimbewohnern 198 Die Barmherzigen Schwestern unter dem Nationalsozialismus zu pflegen, und sie sich einer ständigen Beobachtung ausgesetzt sahen, ließen sie es sich nicht nehmen, ihren jüdischen Mitbewohnern menschliche Anteilnahme zu zeigen. Wo es ihnen möglich war, im Verborgenen etwas für sie zu tun, geschah es. So erlaubten sie ihnen beispielsweise, den Garten zur Erholung und die Kirche für ihren jüdischen Gottesdienst zu benützen. Heimlich ließen sie ihnen zusätzliche Lebensmittel zukommen. Ein weiterer Heiminsasse, der als orthodoxer Jude zunächst große Vorbehalte gegen die Einlieferung in ein katholisches Kloster hatte, war beeindruckt von den Ordensschwestern: „Ich sah, mit welcher schlichten und selbstverständlichen Hingabe sie ihre Arbeit machten, ich fühlte ihre Sympathie für uns, ihr Mitfühlen bei allem, was wir erduldeten, und ihre Hilfsbereitschaft.“ 140 Doch die Schwestern konnten nichts gegen die Schikanen machen, denen sich die Einquartierten ausgesetzt sahen. Diese mussten nun als Juden in der Öffentlichkeit den Judenstern tragen und durften, trotz ihrer häufig sehr langen Arbeitswege, keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr benutzen. Es stand auch nicht in der Macht der Schwestern, die seit November 1941 einsetzenden regelmäßigen Deportationen zu verhindern. Else Behrend-Rosenfeld schreibt, wie groß die Betroffenheit der Mitbewohner war, als die ersten Juden aus dem Lager in Berg am Laim nach Milbertshofen gebracht wurden, um von dort aus nach Osteuropa deportiert zu werden. Auch die Schwestern hätten große Anteilnahme gezeigt und zwei Säcke mit Kakao und Zucker zur Verfügung gestellt. Bei der ersten Deportation Münchner Juden am 20. November 1941 wurden 1000 Menschen, davon etwa 85 aus dem Heim in Berg am Laim, in Züge gepfercht, und Rich- Seit 1987 erinnert als Mahnmal ein großer Stein, der das erhalten gebliebene Eingangsportal des in den 1970ern abgerissenen Gebäudes versperrt, an die NS-Vergangenheit. Die Inschrift des Steins ist ein Zitat aus dem Buch von Else Behrend-Rosenfeld: „Wieviel leichter ist es, unter denen zu sein, die Unrecht erleiden, als unter denen, die Unrecht tun.“ Als Mahnung und Erinnerung an das Sammellager für jüdische Bürger in den Jahren 1941 – 1943. 199 Festschrift der Barmherzigen Schwestern tung Riga transportiert. Wie man heute weiß, wurde der Zug, da Riga auf so viele Deportierte nicht vorbereitet war, stattdessen ins litauische Kaunas umgeleitet. Hier hatten deutsche Spezialeinheiten bereits seit Sommer 1941 Tausende litauischer Juden erschossen. Auch die 1000 Münchner Juden wurden schon zwei Tage nach ihrer Ankunft von einem deutschen SS-Einsatzkommando erschossen. Zwar wussten die Schwestern in Berg am Laim damals nichts Genaueres über das weitere Schicksal der Deportierten, aber sie befürchteten und ahnten sicher Schlimmstes. Wie hilflos mögen sie sich gefühlt haben, diesen Menschen nicht mehr helfen zu können? Doch ihre jüdischen Mitbewohner wussten um die beschränkten Möglichkeiten der Schwestern. Umso dankbarer waren sie, dass sie diese wenigen Möglichkeiten zur Hilfe auch wirklich nutzten. Noch Anfang der 1990er Jahre nahm Helmut Lisberger, einer der wenigen Überlebenden der Deportationen, wieder Kontakt mit den Barmherzigen Schwestern auf und drückte seine Dankbarkeit aus „für die Hilfe und Tröstung, die wir Insassen des Lagers damals durch die Schwestern im Kloster erhielten“.141 Zwangsabtreibungen in Hutthurm Mit einem weiteren NS-Verbrechen konfrontiert, gerieten einige Schwestern im Krankenhaus Hutthurm in der Nähe von Passau in schwerste Gewissensnöte.142 Ein Arzt hatte sich dort für Zwangsabtreibungen bei Fremdarbeiterinnen zur Verfügung gestellt. Die zunächst praktizierte Verfahrensweise, schwangere Fremdarbeiterinnen wieder in ihre Heimat Maria-Theresia-Klinik – ein Hort der Humanität Auch bei der Unterstützung von Prof. Dr. Max Lebsche bewiesen die Barmherzigen Schwestern Zivilcourage. Prof. Lebsche, ein Chirurg von Weltformat, hatte auf eine glänzende Karriere verzichtet, weil er aus seiner katholisch-konservativen Weltsicht und aus seiner Gegnerschaft zur nationalsozialistischen Ideologie nie ein Hehl machte. Nach seiner erzwungenen Emeritierung als Professor für Chirurgie in der Poliklinik in der Pettenkoferstraße im Jahr 1936 konnte er nur noch in seiner kleinen Privatklinik, die er 1930 in einer Villa am Bavariaring eingerichtet hatte, 200 unter erschwerten Bedingungen praktizieren. Ohne Rücksicht auf seine eigene Gefährdung leistete er dem nahe gelegenen Israelitischen Krankenhaus Hilfsdienste und behandelte jeden Patienten, unabhängig von Rasse- und Religionszugehörigkeit. So verarztete er beispielsweise in der Reichspogromnacht 1938 Juden, die sich vor den NS-Schlägern in seine Klinik geflüchtet hatten. Regelmäßig traf sich bei ihm ein Kreis von Freunden, die seine politische und religiöse Weltanschauung teilten und dezidierte Gegner des NS-Regimes waren, unter ihnen auch Die Barmherzigen Schwestern unter dem Nationalsozialismus zu schicken, hatte zur Folge, dass die Zahl der Schwangerschaften unter den Zwangsarbeiterinnen ab 1943 deutlich anstieg. Daraufhin erfolgte eine andere Handhabung dieses „Problems“. Statt die Schwangeren heimreisen zu lassen, gab es einen Erlass, Abtreibungen, die ansonsten grundsätzlich verboten waren, für diese Frauen straffrei durchzuführen. Obwohl die Frauen dafür eine Einverständniserklärung unterschreiben mussten, kann man kaum von einer wirklich freien Entscheidung ausgehen. Wurde Druck auf sie ausgeübt zu unterschreiben oder reichte schon der Druck, unter den gegebenen Umständen ein Kind zu bekommen? Der Hutthurmer Arzt soll zwischen Ende 1943 und April 1945 mindestens 220 Schwangerschaftsabbrüche an Fremdarbeiterinnen vorgenommen haben.Aus weitem Umkreis wurden Schwangere zu ihm geschickt, weil sich andere Ärzte geweigert hatten, die Abtreibungen durchzuführen. In Hutthurm sollen Embryos noch im 7. und 8. Monat, also schon lebensfähige Kinder, abgetrieben worden sein. Die Barmherzigen Schwestern, die am Krankenhaus in der Hauptsache das Pflegepersonal stellten, wollten sich an diesen Morden nicht beteiligen. Mehr oder weniger überrumpelt von der neuen Praxis an ihrem Krankenhaus, hatten zwei der Schwestern bei drei Abtreibungen assistiert bzw. die Narkose gegeben. Eine der Schwestern der später im Konzentrationslager inhaftierte Domkapitular Johannes Neuhäusler. Dass Prof. Lebsche, der aufgrund seiner Haltung und seiner Aktivitäten immer wieder ins Visier der Nationalsozialisten geriet, ein solches Schicksal erspart blieb, scheint er seinen außerordentlichen chirurgischen Fähigkeiten verdankt zu haben, auf die auch die Nationalsozialisten nicht verzichten wollten. Die Barmherzigen Schwestern setzten sich durch die Zusammenarbeit mit Prof. Lebsche einer gewissen Gefahr aus. So galt ja auch für Krankenschwestern das strikte Verbot, nichtarische Patienten zu versorgen. Doch die Schwestern ließen Professor Dr. Max Lebsche (1886 – 1957) sich nicht einschüchtern und hielten immer, auch bei Verhören, treu zu ihm. Der Orden war aber auch in anderer Hinsicht für den Professor und seine Klinik eine wichtige Stütze. Da die Maria-Theresia-Klinik keine Lebensmittelkarten zugeteilt bekam, war die Versorgung mit Nahrungsmitteln aus den ordenseigenen landwirtschaftlichen Betrieben eine wichtige Überlebenshilfe. Dabei bewiesen die Schwestern durchaus Einfallsreichtum: Um hinter dem Rücken des Staates ein Schwein zur verbotenen Schwarzschlachtung ins Krankenhaus zu schmuggeln, wurde es als Neuzugang getarnt im Krankenwagen angeliefert.146 201 Festschrift der Barmherzigen Schwestern war daraufhin weinend zusammengebrochen. In ihrer Not wandten sich die Ordensschwestern an ihre Vorgesetzten im Münchner Mutterhaus und an das Passauer Ordinariat. Von beiden Seiten bekamen die Hutthurmer Schwestern die klare Anweisung, in Zukunft die Assistenz bei derartigen Operationen zu verweigern. Als sie dies so handhabten, mussten sie sich nicht nur vom Arzt übelste Beschimpfungen wie „Mistviecher“, „christliche Hauben“ und „wenn ich euch nur draußen hätte“ 143 anhören, sondern wurden auch vom Landratsamt mit der Drohung, die Gestapo werde sich schon darum kümmern, unter Druck gesetzt. Generaloberin Schwester M. Castella Blöckl legte daraufhin dem Passauer Ordinariat eine schriftliche Stellungnahme vor, die ihr der Erzbischof von München und Freising ausgearbeitet hatte. Aus der Zusicherung des Reichskirchenministeriums gegenüber der Bischofskonferenz am 18.10.1943, dass kein Arzt gezwungen werde, eine Abtreibung durchzuführen, leitete Kardinal von Faulhaber ab: „Dann darf auch auf die Schwestern in der Krankenpflege ein Gewissensdruck nicht ausgeübt werden. Für das Gewissen der Schwester … gelten die gleichen Grundsätze wie früher für die Mitwirkung bei der … Euthanasie und für die … Sterilisation.“ Schließlich wurde vereinbart, dass die Barmherzigen Schwestern zwar „entfernte Vorbereitungen zu derartigen Operationen und auch die Pflege der Operierten … übernehmen, dass sie aber … eine unmittelbare Mitwirkung im Gewissen ablehnen müssen.“ 144 Die als durchaus kirchenkritisch bekannte Autorin Anna Rosmus, die ihre Recherchen zu den Zwangsabtreibungen in Hutthurm 1993 veröffentlichte, sagt zur Rolle der katholischen Kirche in dieser Sache: „Die haben genügend Dreck am Stecken, aber in diesem Fall sind sie ein Musterbeispiel an Zivilcourage und Konsequenz.“ 145 Beschäftigung von Fremdarbeitern In der gesamten deutschen Wirtschaft herrschte bald nach Beginn des 2. Weltkriegs ein eklatanter Arbeitskräftemangel. Zunächst wurden deshalb im Ausland so genannte Fremdarbeiter angeworben, wobei jedoch bald in den besetzten Gebieten zum Instrument der Zwangsrekrutierung gegriffen wurde. Diese heute deshalb meist als Zwangsarbeiter bezeichneten Arbeitskräfte wurden von den deutschen Arbeitsämtern auf Antrag der Arbeitgeber den verschiedenen Betrieben zugeteilt. Auch kirchliche Einrichtungen, in denen der Arbeitskräftemangel durch staatliche Beschränkung des Nachwuchses und vielfach vom Staat auferlegten zusätzlichen Aufgaben besonders hoch war, machten von dieser Möglichkeit Gebrauch. So beschäftigten auch die Barmherzigen Schwestern in Bad Adelholzen und in Planegg 202 Die Barmherzigen Schwestern unter dem Nationalsozialismus Zwangsarbeiter, die überwiegend in der Landwirtschaft, vereinzelt auch in der Hauswirtschaft, eingesetzt wurden. Im Mutterhaus arbeiteten zwei Russinnen im Garten und zwei Kroatinnen im Haus.147 Während die in großen industriellen Betrieben eingesetzten Zwangsarbeiter meist unter sehr unmenschlichen Bedingungen zu leiden hatten, ging es den in der Landwirtschaft eingesetzten Arbeitern in der Regel etwas besser, was Verpflegung und Unterkunft anbelangte. Die Behandlung war jedoch sehr unterschiedlich und hing ganz von den jeweiligen Arbeitgebern ab. Die enge Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern barg einerseits die Gefahr, deren Willkür noch stärker ausgesetzt zu sein, andererseits aber auch die Chance der menschlicheren, ja teilweise familiären Behandlung. Man kann wohl mit Recht annehmen, dass die Barmherzigen Schwestern ihre Fremdarbeiter nicht unmenschlich behandelt haben. Wie auch die anderen kirchlichen Arbeitgeber nahmen die Schwestern darauf Rücksicht, dass Familien nicht getrennt, sondern gemeinsam beschäftigt wurden. Für eine gute Behandlung durch die Schwestern spricht auch die Tatsache, dass die im Mutterhaus eingesetzten Frauen nach Kriegsende freiwillig noch mehrere Monate, teilweise sogar Jahre dort blieben. Allerdings konnten die Schwestern das tragische Schicksal eines ihrer Zwangsarbeiter in Adelholzen nicht verhindern. Ein Pole nahm im September 1942 Anstoß daran, dass seine Frau vom Verwalter bei einem Streit ins Gesicht geschlagen worden war. Auf die deutsche Rechtsprechung vertrauend, erstattete er Anzeige gegen den Verwalter. Statt gegen diesen ging die Justiz gegen den polnischen Zwangsarbeiter vor. Obwohl der Verwalter sich vor Gericht ausdrücklich für ihn einsetzte, wurde der polnische Familienvater zu zwei Jahren Straflager verurteilt und starb kurz vor Kriegsende in einem Außenlager des Konzentrationslagers Flossenbürg. 11.6. Einsatz in Lazaretten und Ausweichkrankenhäusern Schon in den Jahren 1936 und 1937 gab es Hinweise auf einen drohenden Krieg. 1936 wurden die Barmherzigen Schwestern von den Behörden aufgefordert, eine Luftschutzausbildung zu machen.148 Dazu die Chronik: „Laufend wurden von Hofrat Dr. Schöner im Mutterhaus und in den größeren Häusern Gas- und Sanitätskurse für alle Münchener Schwestern abgehalten. Von Luftschutzwarten und vom Wehrkreis selbst wurden Gaskurse anberaumt, bei denen die Schwestern im Feuerwehranzug mitmachen mussten.“ 149 Bereits 1937 musste der Orden Listen für das Rote Kreuz erstellen, wie viele Schwestern im Kriegsfall für den Lazarettdienst freigestellt werden könnten. Im Sep203 Festschrift der Barmherzigen Schwestern tember 1938 ging ein Schreiben an die in Frage kommenden Schwestern, wie sie sich im Falle einer Mobilmachung zu verhalten hätten.150 Denn auch die Nationalsozialisten konnten und wollten nicht auf die Hilfe der Ordenskrankenschwestern in den Lazaretten verzichten. Allerdings wurden sie im 2. Weltkrieg nur hinter der Front in den Heimatlazaretten eingesetzt. Schließlich hätten sie nicht zum nationalsozialistischen Erscheinungsbild gepasst. Die Schwestern waren alles andere als traurig darüber, nicht auch noch in den Frontlazaretten eingesetzt zu werden. Sie hatten in den Heimatlazaretten mehr als genug zu tun. Da diese Lazarette häufig in den bestehenden Krankenhäusern eingerichtet wurden, mussten für die Zivilbevölkerung so genannte Ausweichkrankenhäuser geschaffen werden. Da für diese die Stammkrankenhäuser zuständig waren, in denen die Barmherzigen Schwestern die Pflege hatten, waren sie automatisch auch für die Pflege in diesen häufig aufs Land ausgelagerten Hilfskrankenhäusern zuständig, was eine ungeheure Mehrbelastung für die Pflegeschwestern und die Verwaltung bedeutete. Hatten die Barmherzigen Schwestern schon in Friedenszeiten die Hauptlast der Krankenversorgung in München getragen, so trugen sie jetzt auch die Hauptlast der zusätzlichen Belastung durch die Lazarette und Hilfskrankenhäuser. Der Chefarzt einer Münchner Klinik, der dringend um weitere Schwestern bat, die ihm aber das Mutterhaus nicht stellen konnte, warnte: „Die Arbeitsbelastung der Schwestern in den Ausweichkrankenhäusern und im Stammkrankenhaus ist so außerordentlich groß, daß ich um ihre Gesundheit in Sorge bin.“ 151 Wenigstens konnte die Ordensleitung 1940 mit einer Eingabe beim Oberkommando der Wehrmacht – unterstützt durch Schreiben von einer Reihe von Krankenhausdirektoren – erreichen, dass Kandidatinnen und Novizinnen nicht mehr wie bisher zum Reichs arbeitsdienst herangezogen wurden.152 Kardinal von Faulhaber versuchte, den Barmherzigen Schwestern ihren schweren Arbeitseinsatz etwas zu erleichtern, indem er für sie, die er als „Handlanger der göttliche Liebe“ sah, eine Reihe von Dispensen aussprach. So wurden sie vom regelmäßigen Empfang der Beichte, dem Nüchternheitsgebot vor der Kommunion, Pflichtgebeten und in besonderen Fällen sogar vom Tragen der Ordenskleidung befreit.153 Bereits kurz nach Kriegsbeginn hatten die karitativen Orden auf Anraten des Kardinals weibliche Lehr-, Klausur- und Missionsorden um Unterstützung gebeten. Im November 1939 schrieb Domkapitular Dr. Johannes Neuhäusler einige Orden an, von denen er annahm, dass sie – beispielsweise durch ihre von den Nationalsozialisten erzwungene Freistellung aus der Lehrtätigkeit – Kapazitäten frei hätten. Zunächst blieb die Resonanz jedoch sehr gering. Als der Mangel an Pflegeschwestern noch größer geworden war, wandte sich das Mutterhaus im Jahr 1941 erneut an zahlreiche Klöster 204 Die Barmherzigen Schwestern unter dem Nationalsozialismus mit der dringenden Bitte, ihnen Hilfsschwestern zur Verfügung zu stellen.154 Dieser Aufruf zeigte endlich eine größere Wirkung. Nicht nur aus Bayern, sondern aus ganz Deutschland kamen den Barmherzigen Schwestern nun andere Ordensschwestern zu Hilfe. Neben den schon erwähnten Tutzinger Missionsschwestern, die nach ihrer Vertreibung aus Tutzing im April 1941 in verschiedenen Niederlassungen der Barmherzigen Schwestern mitarbeiteten, zeigte sich eine Reihe von Orden zur Hilfe bereit. So unterstützten in den kommenden Jahren zeitweise über 200 Hilfsschwestern anderer Orden die Münchner Barmherzigen Schwestern im Krankendienst. 155 Allein die Tutzinger Schwestern stellten eine Zeit lang 60 Hilfsschwestern und ein Mutterhaus aus dem Rheinland 40 Schwestern. Besonders freuten sich die Münchner Schwestern auch, als sich das gesamte 13-köpfige Noviziat eines Dominikanerinnenklosters für ein Aushilfskrankenhaus zur Verfügung stellte. Nicht wenige dieser Hilfsschwestern nutzten diese Zeit, um sich in der Krankenpflege ausbilden zu lassen. Auch wenn diese Helferinnen erst noch angeleitet und ausgebildet werden mussten, bedeuteten sie dennoch eine Entlastung der Barmherzigen Schwestern, die diesen und ihren Ordensleitungen sehr dankbar für diese Unterstützung waren. Der Luftkrieg hinterließ in der Münchner Innenstadt nur noch Ruinen. Am 31.12.1944 waren noch 159 Hilfsschwestern von folgenden Orden registriert Arme Schulschwestern (10) Augustinerinnen aus dem Rheinland (5), Benediktinerinnen von Tutzing (9) und Frauenchiemsee (12) Birgittinnen von Altomünster (4) Dominikanerinnen von Donauwörth (6), Schlehdorf (12), Strahlfeld (12) und Volkersberg (8), Elisabethinerinnen aus dem Rheinland (3) Franziskanerinnen von Mallersdorf (8), der Mutter Schervier (46) und Reutberg (3), Kapuziner-Klarissinnen (6) Klaraschwestern von Aiterhofen (3) Salesianerinnen von Dietramszell (2) und Zangberg (1) Servitinnen vom Herzogspital (6) Solanusschwestern (3) 205 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Allerdings sorgten schon bald die feindlichen Fliegerangriffe dafür, dass die Arbeit der Schwestern, insbesondere in den Münchner Niederlassungen, in einem unvorstellbaren Ausmaß erschwert wurde: „In Kellern und Bunkern halbzerstörter Krankenhäuser und Kliniken Münchens – und anderer Städte – versorgten Barmherzige Schwestern Tag und Nacht unter unsäglichen Mühen die Kranken.“ 156 Für die Münchner Krankenhäuser entstand wegen des Luftkrieges noch eine Reihe weiterer Ausweichkrankenhäuser auf dem Land, die alle mitversorgt werden mussten. 11.7. Verluste des Ordens durch die Luftangriffe Wegen der vielen Luftschutzübungen war die Angst vor Luftangriffen bei den Schwestern schon lange präsent.157 Dennoch waren sie nicht auf das Ausmaß der Gefahr vorbereitet. Erst nach den ersten Angriffen im Jahr 1940 wurde im Mutterhaus ein Luftschutzkeller eingerichtet. So war man, als nach einer längeren Pause die Alliierten die Angriffe auf München ab Sommer 1942 wieder aufnahmen, im Mutterhaus etwas besser gerüstet. Bei jedem Alarm suchten nun alle Schwestern, die nicht als Brandwachen eingeteilt waren, den Keller auf. Kardinal von Faulhaber hatte den Frauenorden eine Genehmigung erteilt, dass bei Fliegeralarm, sofern kein Priester im Haus war, die Oberin oder eine andere Schwester das Allerheiligste mit in den Luftschutzkeller tragen durfte. Die Chronistin erinnert sich, „wie tröstlich diese Prozessionen waren, da wir den Herrn bei uns wussten.“ 158 Der Kardinal bestimmte zudem, dass zehn Minuten nach jedem Fliegerangriff eine Generalabsolution durch alle Priester der Stadt erfolgen sollte.159 Beim ersten größeren Angriff auf die Münchner Innenstadt im September 1942 kam das Mutterhaus mit einem Schaden von 67 Fensterscheiben noch glimpflich davon. Am 7. September 1943 wurde das Mutterhaus zum ersten Mal getroffen. Eine Hausecke war von oben bis unten gesprengt. Zum Glück war niemand verletzt worden. Nach und nach trafen Meldungen aus den vielen Münchner Niederlassungen ein.Vor allem die Innenstadtkliniken waren zum Teil schwer beschädigt worden. Großes Glück hatten die in der Maria-Theresia-Klinik von Prof. Lebsche eingesetzten Barmherzigen Schwestern. Eine Phosphorbombe hatte in einem Gartenhäuschen in die dort gelagerten 300 Flaschen Adelholzener Wasser eingeschlagen, woraufhin das Mineralwasser das Feuer löschte, bevor es Schaden anrichten konnte. Nicht auszudenken, wenn die Bombe statt dessen die nur einige Meter entfernten Ätherbehälter getroffen hätte. Nach dem Schock dieses Angriffes beschlossen die Ordensoberen, nur noch die unteren Stockwerke des Mutterhauses zu benützen. Es wurde 206 Die Barmherzigen Schwestern unter dem Nationalsozialismus außerdem damit begonnen, wertvolle Bilder, Statuen, Bücher, Nähmaschinen, nicht benötigte Wäsche etc. in andere Häuser auszulagern, vor allem in das als besonders sicher geltende Adelholzen. 1944 wurde die Schreibschwester M. Berthilia Hidringer mit der gesamten Buchhaltung der Kongregation ebenfalls dorthin evakuiert. Um dem Mutterhaus dennoch schnellen Zugriff auf die Personaldaten zu ermöglichen, wurden die Daten aus den alten Personalbüchern auf Dateikarten übertragen, die vor Ort bleiben sollten. Wegen ihrer zentralen Lage waren vom 1944 noch forcierten Bombenkrieg zunächst in erster Linie das Mutterhaus in der Nußbaumstraße und das Postulat in der Blumenstraße betroffen. Das Postulatsgebäude wurde bei fünf Angriffen schwer getroffen und erlitt schließlich am 27.11.1944 einen Totalschaden. Das Mutterhaus wurde siebenmal bombardiert, wobei am 17.12.1944 die Mutterhauskirche völlig zerstört wurde und das übrige Mutterhaus so schwer beschädigt wurde, dass nach dem Angriff vom 17.1.1945 kaum noch Räume bewohnbar waren. Glücklicherweise waren keine Todesopfer zu beklagen. Ausgerechnet im Erholungsheim Unterhaching, das wegen seiner Randlage als relativ sicher galt, musste die Kongregation die ersten Kriegsopfer beklagen. Da man dort nicht mit Luftangriffen gerechnet hatte, war auch der Luftschutzbunker nicht ganz vorschriftsmäßig. In diesem Schutzraum saßen am Vormittag des 13. Juni 1944 insgesamt 30 Barmherzige Schwestern, darunter 26 Schwestern, die zur Erholung auf den Marxhof gekommen waren, betend zusammen und hofften, dass der schon seit fast zwei Stunden anhaltende Angriff auf München bald zu Ende gehen würde. Die Angst der Schwestern war groß, da sie die Flieger immer in der Nähe hörten. Als sie schon mit einem baldigen Ende des Angriffs rechneten, schlug eine Bombe direkt neben dem Bunker ein, so dass die Schwestern verschüttet wurden. Obwohl die nur leicht verletzte Oberin Schwester M. Amarantha Saxinger sich schnell befreien und Helfer für die Bergung holen konnte, kam für einen Teil der Schwestern jede Hilfe zu spät. Elf Schwestern konnten nur noch tot geborgen werden, eine verstarb kurze Zeit nach der Bergung. 16 zum Teil schwer Verletzte konnten trotz des herrschenden Bettenmangels in der Münchner Chirurgischen Klinik untergebracht werden. Generaloberin Schwester M. Castella Blöckl, die unmittelbar nach dem Angriff telefonisch von dem Unglück verständigt worden war, hatte sich sofort vom Ökonomieleiter von Berg am Laim mit dessen Lastwagen nach Unterhaching bringen lassen. Dieser transportierte die ersten Verletzten in die Klinik in der Nußbaumstraße, bevor mit dem Sanitätsauto die weiteren Opfer folgten. Noch am gleichen Abend verstarb dort Schwester M. Polyxena Prager, die als ambulante Krankenschwester in Unterhaching sehr beliebt war. Zwei wei207 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Gedenkstätte auf dem Waldfriedhof für die durch Fliegerangriffe getöteten Schwestern. 208 tere Schwestern erlagen ihren Verletzungen am 23. Juni und am 5. Juli. So waren insgesamt 15 Tote bei diesem Angriff zu beklagen.Von den verletzten Schwestern waren viele noch lange leidend. Nur drei Schwestern, unter ihnen die Oberin, waren so gut wie unverletzt geblieben. Trauer und Betroffenheit waren groß: „Die Anteilnahme von nah und fern war groß und rührend: Von der Durchgabe der telegrafischen Meldungen an die verschiedenen Angehörigen – die Beamten im Telegrafenamt waren erschüttert – von den Einwohnern Unterhachings, den Ärzten, Behörden, geistlichen und weltlichen Stellen, bis zu den Bekannten und Unbekannten – eine allgemeine Trauer.“ 160 Die Schwestern schmückten ihre toten Mitschwestern mit weißen Schleiern und Myrtenkränzen. Jede bekam einen Rosenkranz in die Hand, die Jüngste, „unsere lebensfrohe Schwester M. Ingolda“ 161, einen roten. Erschütternd war auch die Beerdigung von den inzwischen 13 verstorbenen Schwestern am 17. Juni 1944 auf dem Waldfriedhof. Domkapitular Grassl hielt eine ergreifende Grabrede: „Der Orden der Barmherzigen Schwestern steht heute mit seiner Generaloberin vor einem ausgeschaufelten Grab, so groß, so weit, so weheund schmerzvoll, wie noch nie ein Grab sich geöffnet in den 112 Jahren seines Bestehens in Bayern.“ 162 Als besonders tragisch wurde empfunden, dass bei diesem Angriff Schwestern ums Leben kamen, die an wesentlich gefährlicheren Orten gearbeitet hatten und zur Erholung in das als sicher geltende Unterhaching kamen. Drei Schwestern wollten zudem schon am Morgen ihre Heimreise antreten, mussten aber wegen des Fliegeralarms wieder vom Bahnhof auf den Marxhof zurückkehren. Die Luftangriffe nahmen in den folgenden Wochen und Monaten an Zahl und Intensität weiter zu. Waren in den Jahren 1942 und 1943 je drei Angriffe auf München geflogen worden, wurden im Jahr 1944 insgesamt 29 Bombardements registriert. Die Tragödie in Unterhaching hatte Angst und Sorge um das Leben der Mitschwestern noch erhöht. So war es allen Niederlassungen ein besonderes Anliegen, über das Mutterhaus miteinander Kontakt zu halten. Das Mutterhaus verschickte unmittelbar nach jedem Angriff knapp gefasste „Lebenszeichen“-Karten mit bis zu zehn erlaubten Worten an die auswärtigen Niederlassungen, um sie über den Zustand der Münch- Die Barmherzigen Schwestern unter dem Nationalsozialismus ner Niederlassungen auf dem Laufenden zu halten. Später folgten ausführlichere Berichte. Als Post- und BahnLebenszeiverkehr in München chenkarte immer mehr zum des Mutterhauses Erliegen kamen, mussan Superior ten diese Karten zu PfaffenFuß weit außerhalb büchler vom Münchens transportiert 17. Dezember werden, bis sie von der 1944 Bahn an ihre Zielorte mitgenommen werden konnten. Auch die Verbindung nach Adelholzen, wo der gesundheitlich angeschlagene Ordenssuperior Pfaffenbüchler fast die gesamte Kriegszeit zubrachte, wurde immer mehr erschwert. Dabei machten sich der Prälat und die Schwestern im Chiemgau große Sorgen um die Münchner Schwestern, wenn sie die feindlichen Flugzeuge im Anflug auf München beobachteten. So schrieb der Superior im Juli 1944 an Herrn Hirschmann, den äußerst zuverlässigen Ökonomieverwalter von Berg am Laim, der ihm regelmäßig Bericht erstattete: „Sie können sich denken, dass meine Gedanken oft und oft in München und in Berg am Laim weilen, besonders dann, wenn ich von einer Gefahr höre oder gar voraussehe wie es der Fall ist, wenn die Flieger hoch über Adelholzen gehen nach Norden und dann nach Westen schwenken, worauf ich dann die Detonationen der Geschosse zu Gehör bekomme; die Erholungsschwestern, welche solche Angriffe erlebt haben, sind dann, je nach ihren Nerven, mehr oder weniger aufgeregt.“ 163 Selbst zwischen den Münchner Niederlassungen wurde es mit zunehmender Intensität des Kriegsgeschehens immer schwieriger, Verbindung zu halten. Schon der kurze Weg vom Postulat zum Mutterhaus durch die nach einem Bombardement brennende Stadt konnte lebensgefährlich sein. In einem Bericht an die auswärtigen Filialen beschreibt die Generaloberin diese Ausnahmesituation: „Soweit, meine lieben Schwestern, sind uns Nachrichten zugegangen. Es konnte nur durch Boten geschehen, die mühsam durch die zerstörten Stadtteile kommen; denn München ist ohne Telefon, ohne Licht, ohne Gas, ohne Sirene, ohne Wasser… Ich weiß nicht, ob Ihr ermessen könnt, in welcher Bedrängnis unsere Schwestern waren, namentlich der betroffenen Anstalten; diese Not und Angst und Sorge um die Anvertrauten; dann die viele Arbeit nach den Angriffen.“ 164 Die Schwestern in den Niederlassungen mussten sich trotz ihrer eigenen Angst erst um die ihnen anvertrauten Kranken, Kinder und alten Leute 209 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Das Mutterhaus nach dem schweren Luftangriff vom 17. Dezember 1944 kümmern: „Wenn auch die Kranken zum Teil in den Kellern blieben, so war es doch eine übergroße Belastung, die Operierten, die Schwerkranken, die Kinder alle zu bergen.“ 165 Und nach dem Angriff mussten die Schwestern die Brände löschen, wobei häufig die Erschwernis hinzukam, dass das Löschwasser ausging. Sehr dankbar waren die Schwestern im Mutterhaus und im Postulat, als ihnen immer wieder Soldaten aus der Kaserne in der Blumenstraße zu Hilfe kamen. Bei dem durch Phosphorbomben ausgelösten verheerenden Brand der Mutterhauskirche, der auch das Mutterhaus selbst zu zerstören drohte, standen die Schwestern zunächst jedoch ganz ohne Hilfe. Die Löschtrupps mussten verständlicherweise zunächst versuchen, die in Brand stehenden umliegenden Kliniken zu retten. Erst als ein Löschtrupp, der für die Chirurgische Klinik anrückte, gesehen hatte, dass dort jede Hilfe zu spät kam, konnte mit seiner Hilfe ein Teil des Mutterhauses gerettet werden. Aber wie sah es nach den Bränden aus? Die Häuser mussten notdürftig wieder abgedichtet werden. Häufig blieben offene Stellen im Dach, so dass bei jedem Regen trotz Fliegergefahr Wasser geschöpft werden musste. Und wie war bei diesem Chaos noch der Alltag zu bewältigen? Es gab kaum noch Möglichkeiten, die viele Wäsche der Krankenhäuser zu waschen. Zum Kochen kamen viele Bewohner der umliegenden Häuser ins Mutterhaus, da sie nach dem Ausfall der Gasversorgung zu Hause nicht mehr kochen konnten. Zum Schlafen hatte man im Mutterhaus nur noch einige Gemeinschaftsräume notdürftig hergerichtet. Gegen Ende des Krieges zog man ganz in den Keller. An Schlaf war wegen der vielen nächtlichen Angriffe sowieso häufig nicht mehr zu denken. Obwohl ihre Schwestern sie immer wieder darum baten, lehnte es die Generaloberin ab, sich außerhalb Münchens, gedacht wurde in erster 210 Die Barmherzigen Schwestern unter dem Nationalsozialismus Die Ruinen der Münchner Frauenkirche Linie an Planegg, in Sicherheit zu bringen. Sie wollte mit ihren Mitschwestern im Mutterhaus ausharren. Besonders eindrucksvoll ist der Bericht des Mutterhauses über die letzten Kriegsmonate. Den Heiligen Abend 1944, einige Tage nach dem Verlust der Mutterhauskirche und eines Teils des Hauses, begingen die Schwestern wegen eines mehrstündigen Angriffs im Keller. Auch am Weihnachtstag mussten sie dort Schutz suchen.Trotz der Gefahr kamen an diesem Tag viele Besucher, unter ihnen auch Kardinal von Faulhaber, um die Schwestern zu trösten. Bis zum Dreikönigstag herrschte Ruhe, die die Schwestern nutzten, einige Räume notdürftig wieder herzurichten. Doch schon am Abend des 6. Januars entbrannte der Luftterror erneut mit größter Vehemenz. Wieder brannte das Mutterhaus. In den kommenden Wochen verstärkte sich die Sorge um die auswärtigen Niederlassungen, denn nun wurden von den alliierten Bombern auch kleinere Orte angegriffen. Und bei diesen Angriffen in den letzten Kriegsmonaten sollten die Schwestern weitere Todesopfer zu beklagen haben. Am 22. Januar 1945 warfen die feindlichen Flieger über Sonthofen, das sie vorher immer nur überflogen hatten, Bomben ab. Die Zerstörung des dortigen Heilig-Geist-Spitals kostete drei der fünf in dieser Niederlassung tätigen Barmherzigen Schwestern und einigen der ihnen anvertrauten alten Menschen das Leben. Nur drei Tage später kamen bei der Bombardierung des Münchner Ostens drei weitere Barmherzige Schwestern in Berg am Laim ums Leben. Zwei Schwestern hatte man nur noch tot unter einer eingestürzten Treppe bergen können. Eine ältere Schwester erlitt durch die Aufregung einen Herzstillstand. Am 9. April 1945 traf es das als sicher geltende Planegg. Trotz des großen materiellen Schadens war man dankbar, dass dieser Angriff kein Menschenleben forderte. In Aschaffenburg, das bereits seit 211 Festschrift der Barmherzigen Schwestern 1942 Angriffsziel gewesen war, war im November 1944 das Krankenhaus zerstört worden. Immer mehr auswärtige Niederlassungen wie beispielsweise Bamberg, Passau, Erding, Landshut, Regensburg und Ingolstadt waren nun von Luftangriffen betroffen. Bei dem Bombardement von Donauwörth am 19. April 1945, bei dem sowohl das Spital als auch das Krankenhaus vernichtet wurden, wurden zwei Barmherzige Schwestern verletzt. Die Oberin der ambulanten Station, Schwester M. Ismeria Rosenbaum, galt als vermisst und konnte erst nach Wochen, als der Krieg bereits zu Ende war, tot unter den Trümmern geborgen werden. Am 29. April, als die Amerikaner bereits vor München standen, geriet die Niederlassung in Berg am Laim noch einmal in höchste Gefahr. Die erzwungene Unterbringung des Flak-Überprüfungskommandos in einem Teil des Klosters hatte sich während des Krieges als sehr günstig erwiesen, da die Soldaten nach den Angriffen immer schnelle Hilfe beim Löschen der Brände und der Bergung Verschütteter leisteten. Am Kriegsende hätte diese Einquartierung beinahe fatale Folgen gehabt. Ein großer Teil der Soldaten hatte den Krieg bereits verloren gegeben und sich Zivilkleidung besorgt, um sich vor dem Einmarsch der Amerikaner abzusetzen. Allerdings war kurz vorher ein neuer Befehlshaber eingesetzt worden, der darauf bestand, zusammen mit den Luftwaffenhelfern, 16- und 17-jährigen Jugendlichen, die Stellung bis zum letzten Mann zu verteidigen. Durch das heftige Flakfeuer direkt hinter dem Kloster wurde dieses zum Angriffsziel für die Amerikaner. Bei dem schweren Beschuss wurde die St. Michaelskirche getroffen und das Altarbild stark beschädigt. Die Schwestern waren erschüttert über diese sinnlose Zerstörung. Glücklicherweise setzten sich die Offiziere und erwachsenen Soldaten schließlich doch ab und so konnten die amerikanischen Soldaten das Kloster widerstandslos einnehmen. Als sie in dem „Widerstandsnest“ nur noch die Schwestern und Flakjungen entdeckten, entspannte sich die Lage. Ein Fall von „Selbsterhöhung“ Dass die Schwestern selbst unter widrigsten Umständen im Luftschutzkeller nie ganz ihren Humor verloren, zeigt folgende Anekdote: Die Schwestern mussten sich im Mutterhauskeller notdürftige Schlafstätten einrichten, wobei sie sich als recht einfallsreich erwiesen. Schwester M. Tertulliana Berghofer, Mesnerin und Nähschwester, stapelte mehrere Kisten mit Nähutensilien 212 übereinander und legte ihre Matratzen obenauf. Die Schwester, von recht kleiner Statur, konnte ihr so hochgelegenes Bett nur noch mit Hilfe einer Staffelei erreichen, fühlte sich aber offensichtlich dort oben recht wohl. Allerdings sorgte sie mit dieser ausgefallenen Bettstatt für Aufsehen und wurde nun ausgiebig wegen ihrer „Selbsterhöhung“ geneckt.167 Die Barmherzigen Schwestern unter dem Nationalsozialismus Nach kurzem Misstrauen zeigten sich die Amerikaner schnell sehr freundlich gegenüber den Schwestern und den „Children“. Ähnliche Erfahrungen machten auch die in den letzten Wochen im Mutterhauskeller ausharrenden Schwestern. Hin und Her gerissen zwischen dem Hoffen auf ein baldiges Kriegsende und dem Bangen, wie die einmarschierenden Amerikaner sich verhalten würden, hatten sie dort betend abgewartet, was passieren würde. Wie froh waren sie, als sie bald nach dem Einmarsch der Amerikaner erfahren durften, dass diese ihnen grundsätzlich freundlich gesinnt waren. Und vor allen Dingen war die Erleichterung unendlich groß, dass endlich der lang ersehnte Friede herrschte: „Wenn auch alles Schutt und Asche war und München eine einzige Ruine zu sein schien: es war Friede, das war genug. Man hatte ruhiges Arbeiten, man hatte ungestörte Nächte, man hatte den Frieden.“ 166 Traurig war die Bilanz des Mutterhauses am Ende dieses schrecklichen Krieges: 21 Barmherzigen Schwestern brachte er durch die Bombenangriffe den Tod. Zudem starben viele Schwestern aufgrund der übermenschlichen Belastung in diesen Jahren frühzeitig. So sank die durchschnittliche Lebenserwartung von 57,2 Jahren (1938) auf 52,5 Jahre (1945), die Zahl der verstorbenen Schwestern stieg von 26 (1938) auf 62 (1945).168 Der Gesamtschaden an den ordenseigenen Gebäuden betrug grob geschätzt 1,6 Millionen Reichsmark. Das Postulatsgebäude war zu 100 % zerstört, das Mutterhaus zu zwei Dritteln beschädigt. In München waren fast alle Niederlassungen nur noch Ruinen. Die einzige Münchner Niederlassung, die den Bombenkrieg fast unbeschädigt überstanden hatte, war die Maria-Theresia Klinik von Prof. Lebsche am Bavariaring. Viele gläubige Katholiken sahen in der Verschonung dieser Klinik inmitten der um sie herum entstandenen Trümmerwüste das Wirken der Muttergottes. Prof. Lebsche, ein glühender Marienverehrer, hatte dem Gnadenbild der Schmerzhaften Muttergottes der zerstörten Herzogspitalkirche, von der eine wundersame Augenwende überliefert ist, in seinem Krankenhaus Asyl gewährt. Die Maria-Theresia-Klinik wurde in den letzten Kriegsmonaten ein Ort intensivsten Gebetes.Viele gläubige Münchner kamen wegen der seit Januar 1945 aus der zerbombten Fronleichnamskapelle hierher verlegten Ewigen Anbetung und wegen der Madonna in die Klinik. * 213 K a p i t e l 12 Wiederaufbau und neue Wege 12.1. Beseitigung der Trümmer Die Generaloberin beschloss, am 8. Mai 1945 mit der Beseitigung der Trümmer zu beginnen. Sie hatte dieses wahrhaft historische Datum gewählt, ohne vorher zu ahnen, dass an diesem Tag der Krieg in Deutschland offiziell zu Ende gehen sollte. Als erstes sollte der Schutt aus der zerstörten Mutterhauskirche entfernt werden. Mit einer kaum vorstellbaren Energie machten sich die Schwestern an die Arbeit, um ihr Ziel zu erreichen, das Fest Christi-Himmelfahrt am 10. Mai in der Ruine der Mutterhauskirche feiern zu können. Angespornt durch die Generaloberin, die es sich nicht nehmen ließ, mit anzupacken und den ersten Schubkarren mit Schutt belud und wegfuhr, überboten sich die Schwestern gegenseitig in ihrem Arbeitseifer. Schnell fanden sich auch noch Krankenhausangestellte und Geistliche als Helfer ein. Mit diesem ungeheuren Arbeitseinsatz gelang es tatsächlich, in zwei Tagen die Mutterhauskirche so weit von Trümmern zu befreien, dass das hochgesteckte Ziel erreicht wurde: am 10. Mai 1945 feierten die Barmherzigen Schwestern voll DankbarGeneralobekeit und Freude den Himmelfahrtstag rin Schwesunter freiem Himmel in den Ruinen ter M. Casihrer Mutterhauskirche. Glücklichertella Blöckl weise war schönes Wetter. Die ameführte die rikanischen Flugzeuge am Himmel Kongregation in den stellten glücklicherweise keine Bedroschweren hung mehr dar. Zeiten des Nach diesem Fest ging das Krieges und Schutträumen unvermindert weiter. der ersten Bis Pfingsten sollte auch der Schutt Nachkriegszeit. im Mutterhaus und im Lichthof besei 214 Wiederaufbau und neue Wege Prozession in der zerstörten Stadt tigt werden. Während auch das Pfingstfest bei schönem Wetter am 20. Mai festlich begangen werden konnte, mussten die Prozessionen am Fronleichnamstag, dem 31. Mai 1945, um einige Tage verschoben werden. Am Tag davor hatte ein schwerer Hagel gewütet und unter anderem das Getreidefeld in Berg am Laim und den Gemüsegarten im Mutterhaus schwer geschädigt. Nach dem Unwetter setzte starker Dauerregen ein, so dass die Schwestern, deren Mutterhaus auf der Nordseite immer noch kein Dach hatte, mit dem Wasserschöpfen kaum mehr nachkamen. Umso erleichterter war man, als am 1. Juni das Wetter wieder schön wurde. Zwei Tage später, am 3. Juni, fand mit rund 20.000 Teilnehmern in aller Feierlichkeit die Fronleichnamsprozession in München statt. Sie wurde von den Katholiken als wahrer Triumphzug erlebt. Unendlich groß war die Freude, den Glauben nach all den dunklen Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft wieder in der Öffentlichkeit zeigen zu können. Wie schon in den letzten Kriegswochen war in den ersten Nachkriegswochen eine der größten Sorgen des Mutterhauses der Kontakt mit den auswärtigen Filialen. Besondere Freude herrschte deshalb, als die Generaloberin am 1. Juni endlich die Schwestern und Superior Pfaffenbüchler in Adelholzen besuchen konnte. Die amerikanische Militärregierung hatte ihr die Sondergenehmigung erteilt, für notwendige Fahrten das Auto von Berg am Laim zu benützen.Vorher hatte Prof. Lebsche, der als einer der wenigen sehr schnell sein Auto wieder benützen durfte, für wichtige Fahrten den Chauffeur gemacht. Da der Bahn- und Postverkehr immer noch unterbrochen war, konnte die Verbindung zu den meisten Niederlassungen nur über Boten hergestellt werden. So dauerte es lange, bis endlich auch zu den weiter entfernten Niederlassungen wie Bayreuth und Regensburg wieder Kontakt hergestellt werden konnte. Die größten Sorgen machte man sich um die 215 Festschrift der Barmherzigen Schwestern beiden Schwestern, die Bischof von Preysing in Berlin den Haushalt führten. Im Krieg waren sie ausgebombt worden und hatten mehrmals ihre Notunterkünfte wechseln müssen. Schon damals hatte man in München oft wochenlang nichts mehr von ihnen gehört. Jetzt, nach Kriegsende, blieb das Mutterhaus mehrere Monate im Ungewissen über ihr Schicksal. Erst im September kamen beruhigende Nachrichten aus Berlin. 12.2. Sondereinsätze in der unmittelbaren Nachkriegszeit Trotz der eigenen Sorgen kümmerten sich die Schwestern um die vielen Mitmenschen, die gerade in diesen ersten Nachkriegswochen ihre Hilfe brauchten. Da in München die Nahrungsmittelversorgung sehr mangelhaft war, herrschte großer Andrang an der Mutterhauspforte, wo die Barmherzigen Schwestern Tee und Suppe für die Hungrigen ausgaben. Diese Notversorgung nahmen nicht nur Arme in Anspruch, sondern auch Reisende, die sonst keine Möglichkeit sahen, in München an etwas Essbares zu kommen: „In der Großstadt war die Beschaffung von Lebensmitteln fast unmöglich, besonders der Produkte, die täglich frisch vom Lande kamen. In keinem Gasthaus der Stadt gab es Suppe, Brot etc. Nur bei den Barmherzigen Schwestern in der Nußbaumstraße gab es warme Suppe, das sprach sich herum. Unsere Pfortenspeisung dehnte sich nicht nur auf die Armen aus. Es kamen Handwerker und Geschäftsleute und manch besserer Herr war froh, wenn er eingeladen wurde, an der Pforte Mittag zu machen. Leute, die am Bahnhof ankamen, fragten gleich nach der Nußbaumstraße, weil sie in Würzburg oder Nürnberg gehört hatten, dort gäbe es Suppe.“ 169 Auch viele ehemalige Häftlinge aus dem Konzentrationslager in Dachau kamen an die Pforte und berichteten den erschütterten Schwestern von ihren Erlebnissen. Keiner konnte am Kriegsende mehr die Augen davor verschließen, wohin die NS-Ideologie geführt hatte: „Aus den Konzentrationslagern strömten die Gefangenen heraus, furchtbare Dinge wurden offenbar.“ 170 Kaum einem jedoch wurde das Ausmaß der Grausamkeit in den Lagern so deutlich vor Augen geführt, wie einigen Barmherzigen Schwestern, die von den amerikanische Behörden zu Sondereinsätzen bei der Pflege von ehemaligen KZ-Häftlingen herangezogen wurden. So mussten die Schwestern der ambulanten Pflegestation in Landsberg auf Befehl der amerikanischen Behörden die Pflege der schwerkranken Juden des befreiten KZ Kaufering-Landsberg übernehmen. Der Bürgermeister war angewiesen worden, für die Pflege der Lagerinsassen Ordensschwestern ins Lager zu schicken. So machten sich am 29. April 1945 Schwester M. Betha Blöchl und Schwester M. Reinlinde Rast in Begleitung eines 216 Wiederaufbau und neue Wege Arztes, zweier Sanitäter und der Schwester des Bürgermeisters zum Lager auf. Schon der Weg dorthin war sehr beschwerlich, da wegen der Sprengung der Brücken durch die Deutschen große Umwege gemacht werden mussten. Schwester M. Betha berichtete später ans Mutterhaus: „Schwester M. Reinlinde und ich beteten im Stillen ohne Unterlass auf dem Weg dorthin. Wir fühlten, dass wir vor eine große Aufgabe gestellt wurden. Aber, wie konnten wir auch nur ahnen, was Schreckliches auf uns wartete.“ 171 Im Lager befanden sich 885 Menschen, darunter an die 300 Schwerkranke. Schwester M. Betha beschreibt das Krankenrevier, in dem etwa 50 Kranke lagen: „Unvergesslich bleibt uns der grauenvolle Anblick, unbeschreiblich der Jammer und das Elend, das uns hier empfing, das Heulen und Schreien der Kranken. Wir fanden hier etwa 50 Kranke, total verkommen und verwahrlost, starr von Schmutz und Läusen, zum Skelett abgemagert, in Lumpen gehüllt… Großes Entsetzen befiel uns, als wir die Kranken in solch menschenunwürdigen Unterkünften antrafen.“ Obwohl die Amerikaner sie eindringlich vor dem im Lager grassierenden Fleckfieber gewarnt hatten, dachten sie nicht mehr an ihre eigene Gefährdung: „Beim Anblick all dieses Elends hatten wir all die Gefahren der Ansteckung vergessen. Aber was waren hier auf diesen ausgedehnten Arbeitsfeldern zwei armselige Schwestern? Im ganzen Lager kein Tropfen Wasser, kein Licht – Verbandmaterial hatten wir mitgebracht.“ Strömender Regen, der in Schnee überging, erschwerte die Lage zusätzlich. Einige Tage arbeiteten die beiden Schwestern, im Wechsel mit zwei weiteren Barmherzigen Schwestern, Schwester M. Jolenta Beyer und Schwester M. Ursinella Fleischmann, unter unvorstellbar schweren Bedingungen, um den Kranken und Sterbenden nach ihren Kräften beizustehen. „Tief beschämte uns die wiederholte Anklage, dass es Deutsche waren, die diese Verhältnisse zugelassen und geduldet haben. Nun hatten wir Gelegenheit ein wenig gut zu machen, was andere verbrochen hatten.“ Da auch die Amerikaner einsahen, dass im Lager keine ordentliche Krankenpflege möglich war, transportierten sie die Kranken nach und nach in die Landsberger Kaserne. Allerdings war auch diese völlig überbelegt und in einem jämmerlichen Zustand. Zunächst fehlten auch hier Strom und Wasser, aber immerhin hatten nun alle ein Dach über dem Kopf. Die Barmherzigen Schwestern blieben hier weiterhin für die Pflege der Kranken zuständig, unter denen viele an Typhus und Fleckfieber litten. Während die Schwestern M. Betha und M. Reinlinde nach einigen Wochen wieder in ihre ambulante Pflegestation zurückkehren durften, mussten die beiden anderen Schwestern noch bis Anfang August in der Kaserne durchhalten. Auch im Krankenhaus Eggenfelden pflegten die Barmherzigen Schwestern viele ehemalige KZ-Häftlinge, die dort von den Amerikanern eingewiesen worden waren. Die meisten von ihnen waren typhuskrank und befanden sich in einem grauenvollen Allgemeinzustand. 217 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Sterbezimmer des seliggesprochenen Priesters Karl Leisner im Wald sanatorium bei Planegg Da die Amerikaner schnell Vertrauen zu den Barmherzigen Schwestern gefasst hatten, übertrugen sie ihnen in vielen Krankenhäusern die Pflege der ausländischen Patienten. Auch im Münchner Ausländerkrankenhaus in der Schwabinger Rümannstraße waren die Schwestern tätig. Dieses Haus war ursprünglich als städtisches Altenheim gebaut, aber nach Fertigstellung als Lazarett genutzt worden.Von Juni 1945 bis März 1951 diente es als Krankenhaus der UNRRA (United Nations Relief and Rehabilitation Administration), einer Organisation der Vereinten Nationen (UNO), die für die so genannten „displaced persons“ zuständig war. Diese entwurzelten und heimatlos gewordenen Menschen waren in erster Linie ehemalige KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter, die nicht mehr in ihre Heimat zurück konnten oder wollten. Auch der Strom der Flüchtlinge und Vertriebenen aus den deutschen Ostgebieten stellte für die Schwestern eine große Herausforderung dar. Bei der Pflege der vielen typhuskranken KZ-Häftlinge und Flüchtlinge war es nicht verwunderlich, dass zwischen 1945 und 1947 auch zwölf Barmherzige Schwestern an Typhus starben.172 Darunter war auch die schon mehrfach erwähnte Schwester M. Gradulpha Lehnert, die leibliche SchwesDie Rettung kam zu spät: Der selig gesprochene Priester Karl Leisner Im Waldsanatorium der Barmherzigen Schwestern in Planegg starb am 12. August 1945 der 1996 selig gesprochene Priester Karl Leisner (1915-1945). Auch er war ein Opfer der Nationalsozialisten, die ihn als jungen Diakon wegen systemfeindlicher Äußerungen im November 1939 verhaftet hatten. Ab Dezember 1940 war er im Konzentrationslager Dachau inhaftiert, wo er im Dezember 1944 geheim und unter schwierigsten 218 Umständen durch einen inhaftierten französischen Bischof zum Priester geweiht wurde. Während der Haft verschlechterte sich sein Gesundheitszustand zunehmend. Bei der Befreiung aus dem Konzentrationslager war seine Tuberkulose schon so weit fortgeschritten, dass es keine Rettung mehr gab. Freunde brachten ihn zu den Barmherzigen Schwestern in Planegg, die ihn bis zu seinem Tod liebevoll pflegten. Wiederaufbau und neue Wege ter von Schwester Pascalina, der Haushälterin von Papst Pius XII. Schwester M. Gradulpha hatte am Städtischen Krankenhaus in Traunstein die Isolierstation geleitet, bis sie selbst an Typhus erkrankte und im November 1946 verstarb.173 Auch ohne diese sehr belastenden Sonderaufgaben wären die Schwestern ausgelastet gewesen. Weiterhin mussten sie, teilweise noch Jahre lang, die vielen Ausweichkrankenhäuser aufrechterhalten, bis die Kliniken in München wieder aufgebaut waren. Die Hilfsschwestern der anderen Orden aber waren für Aufgaben ihrer eigenen Gemeinschaften abgezogen worden. Auch in München selbst gab es viel zu tun. So arbeiteten die Barmherzigen Schwestern weiterhin im Schwabinger Krankenhaus, das die Amerikaner beschlagnahmt und zum Amerikanischen Hospital umfunktioniert hatten. Hier waren ein gewisses Maß an Englischkenntnissen und Flexibilität gefordert. Die Maria-Theresia-Klinik wurde in der unmittelbaren Nachkriegszeit zum Zentrum der Gesundheitsversorgung in München. Die Amerikaner hatten dem politisch unbelasteten Chirurgen Prof. Lebsche eine zentrale Rolle bei der Neuorganisation der Münchner Gesundheitsversorgung eingeräumt. Seine kleine Privatklinik hatte zudem als einziges Krankenhaus weit und breit die Bombenangriffe unbeschädigt überstanden, wodurch sie ein wichtiges Auffangbecken für Patienten aus weitem Umkreis wurde. Viele Operationen wurden hier durchgeführt, die sonst nur in den Universitätskliniken üblich waren. Für die Barmherzigen Schwestern an der Klinik bedeutete diese Sonderstellung der Klinik und ihres Chefs eine große Mehrbelastung in der Pflege und Verwaltung. 12.3. Wiederaufbau des Mutterhauses Die Barmherzigen Schwestern gingen mit viel Elan den Wiederaufbau ihres Mutterhauses an. Im Februar 1946 erhielten sie die Baugenehmigung. Allerdings erwies sich das Unternehmen wegen der großen Materialknappheit als sehr schwierig. Für alles benötigte man Bezugsscheine. Wegen des großen Mangels an Nägeln mussten die Schwestern in allen ihren Filialen eine Nagelsammelaktion durchführen. Hatte man endlich die dringend benötigten Materialien, musste man sie gut bewachen, damit sie nicht über Nacht wieder verschwanden. Dementsprechend groß war die Freude, als nach all den Schwierigkeiten die wieder aufgebaute Mutterhauskirche eingeweiht werden konnte: „Der Weiße Sonntag (24. April) 1949 wird zum Meilenstein in der Geschichte unseres Ordens und er wird davon zeugen, dass auch die furchtbaren Erschütterungen der 219 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Einweihung der wiederaufgebauten Mutterhauskirche 1949: Kardinal von Faulhaber zieht mit den Schwestern und Superior Nißl in die Kirche ein. vergangenen Jahre das Werk des hl. Vinzenz in unserem Vaterlande nicht zerstören konnten, sondern dass aus den Ruinen neues Leben blüht.“ 174 1950 wurden auch die Bauarbeiten am Mutterhaus abgeschlossen. Der seit 1914 amtierende Superior Prälat Pfaffenbüchler durfte den Abschluss des Wiederaufbaus der Ordenszentrale nicht mehr erleben. Er verstarb am 3. Februar 1947 in Adelholzen. Zum neuen Superior wurde im Juli 1947 der Stadtpfarrer von St. Ludwig in München, Karl Nißl, ernannt. Zusammen mit der beim Generalkapitel im November 1947 wiedergewählten Generaloberin Schwester M. Castella Blöckl stellte dieser nun die Weichen für die Zukunft, die zunächst sehr hoffnungsvoll aussah. In den ersten drei Nachkriegsjahren war die Zahl der Neueintritte erfreulich hoch. Im Jahr 1947 stieg die absolute Zahl der Ordensschwestern mit dem Eintritt von 55 Kandidatinnen noch ein letztes Mal auf insgesamt 2645 an. Seit dem Höchststand von 1938 mit 2837 Mitgliedern war die Zahl kontinuierlich zurückgegangen.175 Die Zunahme der Neueintritte unmittelbar nach dem Krieg lässt sich mit einem gewissen Überhang aus den letzten Kriegsjahren erklären. Viele junge Frauen hatten ihren Ordenseintritt bis nach Kriegsende zurückgestellt, meist aus Rücksicht auf ihre Familien, die ihre Mithilfe beispielsweise in ihrem landwirtschaftlichen Betrieb benötigten. Schon unmittelbar nach dem Krieg kamen die ersten Anmeldungen. Die Chronik berichtet von einer Bewerberin aus Aschaffenburg, die sich zu Fuß bzw. per Anhalter auf den Weg nach München machte. In diesen ersten Nachkriegsjahren wurden die Einkleidungs- und Professfeiern in St. Michael in Berg am Laim gefeiert. Groß war die Freude, als 1949 diese Feiern in die wieder aufgebaute Mutterhauskirche zurückverlegt werden konnten. Die erste Einkleidungsfeier darin fand schon zwei Wochen nach der Einweihung statt. 220 Wiederaufbau und neue Wege Das wiederaufgebaute Mutterhaus 1950. Der Chor der Mutterhauskirche wurde beim Wiederaufbau verlängert. Die neu eingekleideten Novizinnen erhielten die Namen der 21 im Krieg getöteten Schwestern. 1946 kehrte nach 34 Jahren das Noviziat nach Berg am Laim zurück. 1912 war es von dort für drei Jahre nach Adelholzen verlegt worden. Von 1915 bis 1944 befand es sich im Mutterhaus, wurde aber 1944 wegen der Fliegerangriffe nach Planegg ausgelagert. Da das Postulatsgebäude zerstört worden war, wurde auch das Postulat in Berg am Laim untergebracht. Nach dem „Boom“ von 1947 ging die Zahl der Kandidatinnen allerdings kontinuierlich zurück. Der Nachwuchsmangel und der damit verbundene Rückgang der Schwesternzahl machten sich in den folgenden Jahren bereits bemerkbar und nahm immer größeren Einfluss auf die Entscheidungen der Ordensleitung. Pilgerreisen nach Rom im Heiligen Jahr 1950 Im Mai 1950 reiste die Ordensleitung nach Rom. Schwester M. Berthilia Hidringer durfte sie begleiten. Schwester Pascalina Lehnert, die schon mehrmals erwähnte Haushälterin des früheren Nuntius Pacelli, des nun seit 1939 amtierenden Papstes Pius XII., hatte alles für einen angenehmen Aufenthalt vorbereitet. Kardinal von Faulhaber, ebenfalls gerade in der Ewigen Stadt, empfing die Delegation und ernannte bei die- sem Anlass den neuen Superior Karl Nißl zum Prälaten. Höhepunkt des Aufenthalts war die Audienz beim Heiligen Vater, der nach wie vor großen Anteil an der Münchner Kongregation nahm. Nicht nur die Ordensleitung pilgerte im Heiligen Jahr nach Rom, sondern auch eine große Anzahl der Schwestern, nämlich insgesamt 120, durfte diese besondere Freude erleben. 221 Festschrift der Barmherzigen Schwestern 12.4. Neue Entwicklungen in Indersdorf und Landshut Schon kurz nach Kriegsende nahm Superior Pfaffenbüchler Verbindung mit dem Ordinariat auf, um die Möglichkeit einer Rückkehr der Barmherzigen Schwestern nach Indersdorf zu besprechen. Und tatsächlich sollte diese bald erfolgen, allerdings unter anderen Bedingungen, als die Schwestern sie erhofft hatten. Anfang Juli wurde die Ordensleitung von der amerikanischen Besatzungsmacht verständigt, dass das Kloster Indersdorf von der UNRRA beschlagnahmt worden sei. Es sollten dort ca. 300 Kinder betreut werden, deren Eltern in den Konzentrationslagern getötet worden waren oder als vermisst galten. In Indersdorf sollten sie bleiben, bis sich entweder doch noch die Eltern meldeten oder eine Adoption zustande kam. Die Amerikaner ordneten an, das Mutterhaus solle für diese Aufgabe Schwestern zur Verfügung stellen. So machten sich am 11. Juli 1945 fünf Schwestern auf den Weg nach Indersdorf. Fünf weitere sollten in Kürze folgen. Die Schwestern wurden von der Indersdorfer Bevölkerung freudig begrüßt. Immer wieder hörten sie: „Mei Schwestern, weil’s no wieder da seid’s.“ 176 Die Ordensfrauen kamen zwar mit ihren amerikanischen Vorgesetzten gut zurecht, konnten sich aber mit dem Mangel an Ordnung und Erziehung, der in dem Heim herrschte, nur schwer identifizieren. Als die UNRRA im Sommer 1946 mit den Kindern nach Prien am Chiemsee umzog, konnten die Barmherzigen Schwestern wieder ins Mutterhaus zurückkehren. Nach dem Abzug der UNRRA nutzte eine andere Flüchtlingsorganisation der UNO, die IRO (International Refugee Organization), das Kloster für die Unterbringung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, im Alter von 16-26 Jahren. Diese jungen Menschen waren Vollwaisen, meist jüdischer Abstammung, die unter der nationalsozialistischen Herrschaft Furchtbares erlebt hatten. Nicht wenige hatten die Ermordung ihrer Eltern mit ansehen müssen und selbst nur überlebt, weil ihre Arbeitskraft noch ausgebeutet werden sollte. Ihren Hass und ihre Zerstörungswut ließen sie am Inventar des Klosters aus, wohl in der irrigen Annahme, es handle sich um NS-Eigentum. Nach ihrem Abzug im August 1948 ließen sie das Haus völlig verwüstet zurück. Die Ordensleitung hatte seit Jahren mit dem Eigentümer des Klosters, dem Freistaat Bayern, Verhandlungen wegen einer erneuten Übernahme geführt. Allerdings bestand sie darauf, die Niederlassung käuflich zu erwerben.Auf einen Pachtvertrag wollte man sich nach den Erfahrungen von 1938 nicht mehr einlassen. Gerade angesichts des heruntergekommenen Zustands und der damit nötigen Investitionen an Geld und Arbeit wollte man nicht riskieren, bald wieder vor die Tür gesetzt zu werden. Auch der neue Superior Karl Nißl war als gebürtiger Indersdorfer sehr an dem Kauf des Klosters interessiert. Am 1. August 1949 ging das Kloster schließlich in den Besitz des 222 Wiederaufbau und neue Wege Ordens über. Schon im November 1948 hatten Schwester M. Schwester M. AdelgunAdo Ehrensberger und de Flier mit Schwester M. Sentiaukrainischen, na Kundler die mühekroatischen volle Arbeit übernomund franmen, das Haus wieder zösischen Kleinkinbewohnbar zu machen. dern beim Bald wurden sie dabei UNRRAvon der neuen Oberin Einsatz in Schwester M. Adrama Indersdorf Kuchler unterstützt. 1946 Nun stand die Frage im Raum, wie man das Kloster in Zukunft nutzen sollte. Als Erstes knüpften die Schwestern an die Tradition der Kinderbetreuung an, indem sie bereits im November 1949 einen Kindergarten eröffneten. Dafür wurden die Schwestern M. Edhilda Hillenmeyer und M. Humilitas Käsbauer, beide ausgebildete Kindergärtnerinnen, nach Indersdorf geschickt. Sie beschäftigten 60 Kinder in einem einzigen 90 m² großen Raum unter zunächst sehr primitiven Bedingungen mit den wenigen zur Verfügung stehenden Spielsachen und Materialien wie Papier- und Schreinerabfällen. Auch mit dem Angebot eines Winterkurses für Landfrauen, der ebenfalls im November 1949 begann, nahm der Orden eine seit Ende 1922 in Indersdorf gepflegte Tradition wieder auf. Bis zu ihrem unfreiwilligen Abzug 1938 hatten die Schwestern jeweils von November bis April Winterkurse, bei entsprechender Nachfrage zusätzlich auch noch dreimonatige Sommerkurse angeboten. Auch in Adelholzen hatte der Orden 1930 mit solchen Kursen begonnen, zunächst nur für den eigenen Ordensnachwuchs, dann auch für Nichtordensangehörige. Diese Kurse wurden schon 1933 wieder eingestellt, nach dem Krieg noch einmal von 1946 – 1949 aufgenommen. Zweck dieser Kurse, die auch bereits als Haushaltungsschule bezeichnet wurden, war laut einem Prospekt aus Indersdorf, „katholische Mädchen aus bäuerlichen Familien … zu pflichtgetreuen christlichen Hausfrauen und sachverständigen Landwirtinnen heranzubilden“.177 Auch wenn dies für heutige Ohren recht antiquiert klingen mag, so waren doch bei genauerem Hinsehen die Unterrichtsinhalte, besonders was den Ernährungs- und Gesundheitsbereich anbelangte, schon erstaunlich fortschrittlich. Neben den Barmherzigen Schwestern übernahmen auch weltliche Fachlehrkräfte einen Teil des Unterrichts. 223 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Vorübergehend stellte der Orden in seinem Indersdorfer Kloster ab Januar 1951 Räume für die katholische Landvolkshochschule für Frauen zur Verfügung. Diese Initiative zur Erwachsenenbildung der ländlichen Bevölkerung ging von Weihbischof Johannes Neuhäusler aus und wurde von Organisationen wie dem Frauenbund und dem Bauernbund, aber auch von staatlicher Seite unterstützt. 1953 wurde diese erste katholische Volkshochschule in Oberbayern in das neu gebaute Haus auf dem Petersberg verlegt. Nach Abzug der Volkshochschule baute der Orden den Bereich der Hauswirtschaftsschule weiter aus. Ende 1952 richtete er eine einjährige Hauswirtschaftliche Berufsschule in Indersdorf ein. Gedacht war diese für 14- bis 17-jährige Mädchen, die unmittelbar nach ihrer Schulentlassung mit dem einen Jahr in der Hauswirtschaftsschule ihre Berufsschulpflicht ableisten und die Zugangsberechtigung zu verschiedenen Ausbildungsberufen wie Kinderpflegerin, Krankenschwester oder Säuglingsschwester erwerben konnten. Die zunächst noch parallel dazu fortbestehenden Landfrauenkurse, die sich an 18- bis 25-jährige Frauen richteten, wurden nach einiger Zeit wegen mangelnder Nachfrage wieder eingestellt. Die einjährige Hauswirtschaftsschule dagegen erfreute sich über mehrere Jahrzehnte einer großen Resonanz. Erst 1984 gab der Orden seine Indersdorfer Hauswirtschaftsschule endgültig auf, da seit Beginn der 1980er Jahre die Anmeldungen stark zurückgingen. Als noch zukunftsweisender als die Einrichtung der Berufsfachschule für Hauswirtschaft sollte sich ein anderer Weg erweisen, den die Schwestern auf Anraten des Erzbischöflichen Ordinariats von München und Freising bei ihrem Neubeginn in Indersdorf beschritten. Während die Schwestern noch darüber nachdachten, ob man in der Tradition der alten Marienanstalt ein Heim für die vielen Kriegs- und Flüchtlingswaisen einrichten oder Schwester M. Amanda Padberg beim Kochunterricht in der Haushaltungsschule Indersdorf in den 1950er Jahren. Eine der Schülerinnen (3. von links) wurde später selbst Barmherzige Schwester: Schwester M. Felana Stichlmair arbeitet heute in der ambulanten Station in Oberstdorf. 224 Wiederaufbau und neue Wege das Kloster lieber als Erholungs- und Exerzitienhaus nutzen sollte, trat das Schulreferat des Ordinariats mit dem Vorschlag an die Kongregation heran, eine im Landkreis Dachau dringend benötigte Mittelschule zu eröffnen. Eine allgemeinbildende weiter führende Schule stellte für den Orden trotz seiner Erfahrungen mit Landfrauen-, Näh- und KrankenpflegeErdkundeunkursen völliges Neuland und somit terricht bei Schwester eine große Herausforderung dar. Da M. Borromäa die Kongregation nach Möglichkeit Raabe an der mit ihren eigenen Schwestern als Realschule Lehrpersonal arbeiten wollte, mussIndersdorf ten zunächst geeignete Schwestern (1962) gefunden und zu Lehrerinnen ausgebildet werden. Die Entscheidung für die Realschule in Indersdorf erforderte viel Mut, einen hohen Einsatz an finanziellen Mitteln und vor allem viel Engagement der dort eingesetzten Barmherzigen Schwestern. Doch es sollte sich lohnen: Indersdorf wurde zu einem wichtigen Bildungszentrum im Dachauer Land. Die lange Zeit an der Realschule als Lehrerin und Direktorin tätige Schwester M. Borromäa Raabe, eine profunde Kennerin der Geschichte des Klosters Indersdorf, beschreibt den anstrengenden Alltag der Lehrschwestern: „30 Wochenstunden und mehr bei Klassenstärken von oft über 40 Schülerinnen – dazu Mithilfe im Internat und während der Ferien auch kräftig in Haus und Garten. Da mussten die Holzfußböden abgespänt, eingelassen, gebohnert werden, ohne Maschinen versteht sich! … Außer Klassenstöbern, Schränke auswischen und Möbeltragen gab es für uns noch andere „Ferienjobs“: Caritasverband und Kreisjugendring haben viele Jahre dafür gesorgt, dass wir den Umgang mit Kindern nicht verlernten.“ 178 Erst Anfang der 1980er Jahre gaben die Schwestern diese zusätzlichen Betreuungsangebote während der Ferien auf, da die Schwestern nicht mehr die Jüngsten waren und die Schulferien zur Erholung brauchten. Doch als sie 1987 das Internat endgültig aufgaben, stellten sie die Internatsräume drei weitere Jahre verschiedenen Gruppen preiswert zur Verfügung. Auch nach 1990 blieb das Kloster Indersdorf ein offenes Haus. Bis zu ihrem Abzug 1995 gewährten die Schwestern hier Menschen in Ausnahmesituationen Unterkunft. So nahmen sie zwei Jahre lang 25 Asylbewerber auf. Auch bei besonderen Anlässen wie dem Kirchentag und dem Taizé-Treffen in München stellten sie Räume zur Verfügung. 225 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Das Engagement des Ordens in Indersdorf trug reiche Früchte. Die Mädchenrealschule erlangte schnell einen hervorragenden Ruf. Durch die staatliche Bildungsoffensive in den 70er Jahren wuchs die Zahl der Schülerinnen stetig an. Die Realschule nahm immer mehr Raum ein. So waren die nach der Schließung der Berufsfachschule und des Internats frei gewordenen Räume schnell wieder belegt. Eine Erweiterung und Modernisierung der Schule war unabdingbar. Zudem drängte die Öffentlichkeit schon längst darauf, die Schule auch für Buben zu öffnen. Angesichts des fortgeschrittenen Alters der in Inderdorf tätigen Schwestern und des allgemeinen Nachwuchsmangels in der Kongregation entschloss sich die Ordensleitung im Interesse der Zukunftssicherung der Einrichtung, die Trägerschaft zum 1. September 1987 an das Katholische Schulwerk der Erzdiözese abzugeben. Ende der 80er Jahre kaufte der Landkreis für die Schule den ehemaligen Klostermeierhof an. In den folgenden Jahren folgten Sanierung und Ausbau des denkmalgeschützten Anwesens. Nach dieser Erweiterung konnte im Herbst 1992 die Öffnung der Mädchenrealschule für Buben realisiert werden. Die Schwestern halfen auch nach Abgabe der Trägerschaft weiterhin nach Kräften mit. Im August 1995 jedoch ging die Geschichte der Barmherzigen Schwestern im Kloster Indersdorf endgültig zu Ende. Schweren Herzens verließen sie diesen Ort, an dem sie seit 1856 gewirkt hatten. Sie hinterließen eine gut funktionierende, allgemein anerkannte Realschule, die wesentlich zur Bereicherung der Bildungslandschaft des Dachauer Landkreises beiträgt. Den Kindergarten in Indersdorf, der aus den bescheidenen Anfängen von 1949 längst zu einer modernen Vorzeigeeinrichtung geworden ist, führte die Kongregation noch einige Jahre weiter. Zum 1. Januar 2003 übergab sie ihn an das Franziskuswerk in Schönbrunn. Marienanstalt in Landshut Auch in der Marienanstalt in Landshut übernahm der Orden in der Nachkriegszeit selbst die Trägerschaft.179 Der Grund dafür war die miserable finanzielle Lage der Anstalt. In der Kriegs- und Besatzungszeit herrschte große Not im Kinderheim. Das alte Modell der Finanzierung durch den Marienverein erwies sich als nicht mehr tragfähig. Mit den zur Verfügung stehenden Mitteln konnte kaum noch der Betrieb, geschweige denn die dringend anstehende Sanierung finanziert werden. Um die Zukunft des Kinderheims zu sichern, entschloss sich die Kongregation, die Trägerschaft selbst zu übernehmen. Nachdem der Marienverein dem Orden die Anstalt per Schenkung zum 1. Januar 1953 übertragen hatte, machte sich 226 Wiederaufbau und neue Wege Links: Die alte Marienanstalt in Landshut Rechts: Das Kinderheim in Landshut in den 1960er Jahren dieser an die notwendigen Um- und Ausbauten. Auch in den 1960er Jahren wurde kräftig weitergebaut. So entstand 1966 ein neues Säuglingsheim für Kinder bis sechs Jahren und nach der Auflösung der Landwirtschaft an der Stelle der Ökonomiegebäude u. a. ein neuer Kindergarten. Waren im Heim vor dem Krieg 50 Kinder und während des Krieges an die 90 Kinder untergebracht worden, konnten nun nach den Umbauten ca. 140 Kinder betreut werden. Um die Einrichtung trotz Schwesternmangels weiterhin zu erhalten, schenkten die Barmherzigen Schwestern ihr 1973 in St. Vinzenz umbenanntes Kinderheim zum 1. Januar 2002 dem Caritasverband Landshut. Die Schwestern blieben allerdings auch unter dem neuen Träger dort tätig. Heute sind noch fünf Barmherzige Schwestern in der Einrichtung im Einsatz. 12.5. Krankenhäuser und Altenheime in eigener Trägerschaft „Notkrankenhaus“ Adelholzen Nicht nur die wichtigsten Einsatzorte der Kinder- und Jugendpflege der Barmherzigen Schwestern, die Einrichtungen in Indersdorf und Landshut, übernahm der Orden in eigener Trägerschaft, auch im Bereich der Krankenpflege ist eine ähnliche Entwicklung zu beobachten. Das erste ordenseigene Krankenhaus eröffnete das Mutterhaus im Jahr 1946 in dem im selben Jahr als Bad anerkannten Adelholzen.180 Die Idee der Ordensleitung, im Kurhaus ein Krankenhaus für Innere Medizin einzurichten, bedeutete jedoch noch 227 Festschrift der Barmherzigen Schwestern keine bewusste Weichenstellung, in Zukunft eigene Krankenhäuser zu führen, sondern war aus der Not der unmittelbaren Nachkriegszeit entstanden. So konnten die Ordensleitung und Kardinal von Faulhaber die Beschlagnahmung des Kurhauses durch die Amerikaner nur dadurch verhindern, dass das in der Kriegszeit eingerichtete Lazarett als Krankenhaus weitergeführt wurde. Nach Schließung des Lazaretts Ende August 1945 begannen die nötigen Umbau- und Renovierungsarbeiten, in einer Zeit knapper Baumaterialien kein leichtes Unterfangen. Schon im Juni 1946 konnten die ersten Patienten aufgenommen werden. Da das Wasser der Primusquelle für seine Heilkraft bei Stoffwechselkrankheiten bekannt war, setzte man den entsprechenden Schwerpunkt und ließ das Krankenhaus 1947 unter der Bezeichnung „Stoffwechselkrankenhaus Bad Adelholzen“ ins Handelsregister eintragen. Obwohl sich das Kurhaus trotz der Umbauten für ein modernes Krankenhauses wenig eignete, blieb das Notkrankenhaus wegen seiner Beliebtheit bei Patienten und einweisenden Ärzten, aber auch wegen des großen Bettenmangels in der Nachkriegszeit bis zum 1. April 1969 in Betrieb. Lange Zeit war das Krankenhaus nicht einmal an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen, sondern deckte seinen Bedarf mit dem Wasser der Primusquelle. Nachdem in Traunstein und Trostberg zwei große neue Krankenhäuser entstanden waren und der Orden in Ruhpolding selbst einen Krankenhausbau plante, entschloss sich die Ordensleitung zur Schließung des Adelholzener Krankenhauses, zumal dort schon längst eine Sanierung anstand. Nach der Renovierung wurde Adelholzen 1970 als Fortbildungs- und Exerzitienhaus wiedereröffnet. Maria-Theresia-Klinik Auch die Entscheidung, mit dem Kauf der Maria-Theresia-Klinik die Trägerschaft für ein weiteres Krankenhaus zu übernehmen, traf die Ordensleitung weniger aus dem Wunsch nach mehr ordenseigenen Krankenhäusern als vielmehr aus dem Bestreben, die Zukunft der Klinik zu sichern.181 Der Orden wollte mit dem Kauf der chirurgischen Privatklinik am Bavariaring im Jahr 1952 das Lebenswerk des kinderlosen Prof. Lebsche erhalten. Um die Klinik zukunftsfähig zu machen, ließ die Kongregation in den Jahren 1952 und 1953 die notwendig gewordenen umfangreichen Sanierungsarbeiten durchführen. Durch einen großzügigen Anbau wurde die Kapazität des Hauses verdoppelt. Auch unter dem neuen Träger leitete Prof. Lebsche die Klinik weiterhin wie gewohnt. Erst nach seinem Tod im Jahr 1957 ging die Verwaltung des Hauses in die Hände des Mutterhauses über. Für die ärztliche Leitung konnten die Barmherzigen Schwestern Prof. Dr. Karl Tauber als 228 Wiederaufbau und neue Wege neuen Chefarzt gewinnen. Auch unter Prof. Tauber blieb der Ruf der Klinik ausgezeichnet. Nach seinem Tod im Jahr 1974 entschloss sich das Mutterhaus, die bereits Die MariaTheresiawieder fällige ModerKlinik nisierung der Klinik in nach dem Angriff zu nehmen. Um Umbau in den gestiegenen Komden 1970er fortbedürfnissen der Jahren Patienten, aber auch dem technischen Fortschritt in Haus- und Medizintechnik gerecht zu werden, musste eine umfassende Renovierung vorgenommen werden. Ein für die Klinikerweiterung angekauftes Nachbarhaus in der Güllstraße wurde durch einen kostenintensiven unterirdischen Tunnel unter der Straße mit dem Stammhaus verbunden. Da ein Klinikbetrieb unter diesen Umständen nicht mehr möglich gewesen wäre, musste das Haus 1975 für eineinhalb Jahre geschlossen werden. Eine solche Klinikschließung war ein großes Risiko, aber bei der Wiedereröffnung des Hauses 1977 zeigte sich, dass sowohl die Patienten als auch die einweisenden Ärzte der Klinik treu geblieben waren. Auch unter dem neuen Chefarzt Prof. Dr. Alfred Schaudig, einem Spezialisten für Herzschrittmacherimplantationen, florierte die Klinik weiter. Nach seinem Abschied übertrug die Kongregation die Leitung zwei Chefärzten. Seit 1995 bzw. seit 1997 bestimmen Dr. Michael Zimmermann und Prof. Dr. Dr. Tomas F. Hoffmann die Geschicke der Klinik maßgeblich mit. In den Jahren 2001-2003 erfolgte erneut eine Sanierung des Hauses. Weil eine Schließung nicht möglich war, musste der Umbau bei laufendem Klinikbetrieb weiterlaufen, eine sehr strapaziöse Zeit, die dank des Einsatzes der Mitarbeiter gemeistert werden konnte. Krankenhaus Vinzentinum Mitte der 1960er Jahre suchte die Gemeinde Ruhpolding einen neuen Träger für ihr völlig veraltetes Gemeindekrankenhaus.182 Dem neuen Träger sollte das alte Gebäude unentgeltlich überlassen werden unter der Auflage, innerhalb der nächsten fünf Jahre ein neues Krankenhaus zu errichten.Verhandlungen der Gemeinde mit anderen potentiellen Trägern wie dem Roten Kreuz, Caritas und auch den am alten Krankenhaus tätigen Mallersdorfer 229 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Das Krankenhaus Vinzentinum in Ruhpolding Schwestern waren an der mit dem Geschenk verbundenen hohen finanziellen Belastung für den Neubau gescheitert. Die Barmherzigen Schwestern nahmen schließlich die Schenkung des Gemeindekrankenhauses samt eines Grundstückes von 11.000 m² zum 1. Januar 1966 an. Da der neue Bau mit Rücksicht auf Landschafts- und Ortsbild nicht hoch werden durfte, war ein großer Baugrund nötig. Deshalb kaufte der Orden Nachbargrundstücke auf, so dass ein Grund von 20.000 m² für den Neubau zur Verfügung stand. Nach Abriss des alten Krankenhauses ließ die Kongregation einen Neubau in Atriumbauweise errichten. Das „Vinzentinum“ der Barmherzigen Schwestern konnte am 1. Februar 1971 bezogen werden. Das neue Ruhpoldinger Krankenhaus wurde wie das kurz vorher aufgelassene Adelholzener Krankenhaus ein Krankenhaus für Innere Medizin. Hinter den Kreiskliniken in Traunstein und Trostberg ist es das drittgrößte Krankenhaus im Landkreis Traunstein. Nach einer Überflutungskatastrophe im August 1991 wurde es gründlich saniert und den modernen Erfordernissen angepasst. Krankenhaus Neuwittelsbach 1885 hatte der Geheimrat Dr. Rudolf von Hößlin eine Kuranstalt eröffnet, die 1914 in die Stiftung „Kuranstalt Neuwittelsbach R. von Hößlin’sche Stiftung“ umgewandelt und ab 1932 als „Klinik für Innere Krankheiten“ geführt wurde.183 Bei Luftangriffen wurde die Klinik Anfang Januar 1945 zerstört. Von 1948 bis 1951 betrieb die Stiftung als Ersatz das „Kurhaus Brendel“ in Tutzing, um sich schließlich 1957 aufzulösen. Das Stiftungsvermögen ging an die Rotkreuzschwestern in München. Das Ruinengrundstück an der Renatastraße im Stadtbezirk NeuhausenNymphenburg hatte die Stiftung bereits im März 1947 an die Kongregation der Barmherzigen Schwestern verkauft. Zur Arrondierung kauften die Schwestern noch weitere Nachbargrundstücke in der Romanstraße und begannen im November 1970 mit dem Bau einer weiteren ordenseigenen 230 Wiederaufbau und neue Wege Fachklinik für Innere Medizin. Im Mai 1973 wurde das neue Krankenhaus Neuwittelsbach an der Ecke Romanstraße/ Renatastraße von KardiDas Krannal Döpfner eingeweiht. kenhaus Einzigartige BesonderNeuwittelsheiten im Raum Münbach nach chen sind heute die der letzten Rheuma-Tagklinik des Sanierung Krankenhauses und eine 2005 Ganzkörper-Kältekammer zur Schmerzlinderung. Auch das Krankenhaus Neuwittelsbach wurde durch Sanierungsmaßnahmen immer wieder auf den modernsten Stand gebracht. So fanden Umbaumaßnahmen von 1994 bis 1998 statt. 2005 konnte der Abschluss einer weiteren Sanierung, bei der unter anderem die Fenster und die Fassade erneuert wurden, gefeiert werden. Den Bau der neuen ordenseigenen Krankenhäuser in Ruhpolding und München kann man als Teil einer neuen Ordensstrategie ab den 1960er Jahren sehen. Zu einer Zeit, als ein sich verschärfender Nachwuchsmangel bereits dazu geführt hatte, dass sich die Schwestern aus Niederlassungen zurückziehen mussten, entschied sich die Ordensleitung dafür, eigene Häuser zu bauen, in denen in der Zukunft die Kräfte konzentriert werden sollten. Eine weitere Folge dieser Richtungsentscheidung war der Bau von Altenheimen. Altenheime in Teisendorf und Ruhpolding Das erste öffentliche Altenheim der Kongregation entstand in Teisendorf.184 Schon seit der Eröffnung des Teisendorfer Krankenhauses im Jahr 1905 waren dort Barmherzige Schwestern tätig. In den 60er Jahren entsprach das alte Haus längst nicht mehr den Anforderungen moderner Krankenpflege. Staatliche Zuschüsse für einen Krankenhausneubau wurden der Gemeinde verweigert, da die Regierung von Oberbayern keinen Bedarf mehr für ein Krankenhaus in der Region sah. Wie Ruhpolding machte nun auch die Gemeinde Teisendorf den Barmherzigen Schwestern das Angebot, ihnen das alte Gemeindekrankenhaus samt Grundstück unentgeltlich zu überlassen. Anders als in Ruhpolding sollte der Orden aber als Gegenleistung ein moder231 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Das Altenund Pflegeheim St. Adelheid in Ruhpolding nes Altenheim errichten. Die Ordensleitung erklärte sich einverstanden und so kam im November 1966 der Schenkungsvertrag zustande. Nach dem Abriss des Krankenhauses begannen schon bald die Arbeiten und im August 1968 konnte das neue Alten- und Pflegeheim St. Elisabeth eingeweiht werden. Da sich in den letzten Jahrzehnten die Anforderungen an ein Altenheim stark gewandelt haben, entschloss sich die Kongregation, das Haus im Jahr 2000 nach gerade mal 30 Jahren abzureißen und einen Neubau zu errichten, der die zeitgemäße Seniorenbetreuung ermöglicht. Während der Bauzeit wurden die Bewohner vorübergehend in Wohncontainern beim Schwesternheim St. Vinzenz in Inzell untergebracht. Groß war die Freude, als die Bewohner am 1. Juli 2001 zurückkehren und die neue Seniorenwohnanlage mit Pflegeheim St. Elisabeth beziehen konnten. Im neuen Gebäude sind sowohl Betreutes Wohnen als auch stationäre Voll- und Kurzzeitpflege sowie Tagespflege möglich. Als der Orden in Ruhpolding das Krankenhaus Vinzentinum baute, errichtete er gleichzeitig auch das Alten- und Pflegeheim St. Adelheid.185 Der Orden hatte dem Ruhpoldinger Verkehrsverein das Altenheim Dr. Barth abgekauft und Nachbargrundstücke erworben, um das neue Haus zu bauen. Als das Vinzentinum in den 1990er Jahren saniert wurde, wurde auch die notwendig gewordene Modernisierung des Alten- und Pflegeheim durchgeführt. Altenheime in Berg am Laim, Unterhaching, Planegg und Alzing In Berg am Laim hatte das Mutterhaus schon im 19. Jahrhundert, als die erste Generation der Barmherzigen Schwestern alt geworden war, ein Altenheim für die eigenen Schwestern. In den 1950er Jahren zeichnete sich ab, dass die dortigen Räumlichkeiten nicht ausreichen würden, wenn die vielen zur Blütezeit zwischen 1895 und 1930 eingetretenen Schwestern das Ruhestandsalter erreichen würden. Die Ordensleitung fasste deshalb 1963 den Beschluss, 232 Wiederaufbau und neue Wege in Unterhaching ein neues Schwesternaltenheim zu bauen.186 Nach dem Abriss einiger baufällig gewordener Ökonomiegebäude entstand dort eine großzügige Anlage für 150 SchwesDas Schwestern. Das neue Heim, ternheim St. das nach der OrdensheiKatharina ligen Katharina Labouré Labouré in benannt wurde, konnte Unterha1967 bezogen werden. ching Da damit der wachsende Bedarf noch nicht gedeckt war und die Räumlichkeiten in Berg am Laim den Anforderungen nicht mehr entsprachen, wurde an diesem wichtigen Ordensstandort in den Jahren zwischen 1977 und 1982 ebenfalls ein neues Altenheim errichtet. 1970 war der landwirtschaftliche Betrieb in Berg am Laim aufgegeben worden, so dass alle Ökonomiegebäude abgerissen und an ihrer Stelle der Neubau des Alten- und Pflegeheims St. Michael gebaut werden konnte. Das große moderne Gebäude wurde zwar mit einem Architekturpreis ausgezeichnet, erregte aber bei der Bevölkerung wegen der unmittelbaren Nähe zur Michaelskirche, eines prächtigen Rokoko-Bauwerks, zunächst etwas Unmut. Als in Planegg der Sanatoriumsbetrieb eingestellt wurde, wurde auch dieses Haus im Jahr 1985 zu einem Altenheim für die Schwestern umgebaut.187 Zusätzlich wurde 1989 noch das Schwesternheim St. Hildegard in Alzing, Gemeinde Siegsdorf, nahe bei Adelholzen, für die Ruhestandsschwestern eröffnet.188 Nun hatte man genügend Platz für die Ruhestandsschwestern Das geschaffen, ja es zeichAlten- und nete sich schon in den Pflegeheim St. Michael 90er Jahren ab, dass in Berg am bald wieder Kapazitäten Laim (Luftin den ordenseigenen bild Anfang Altenheimen frei würder 1980er den. Inzwischen waren Jahre) 233 Festschrift der Barmherzigen Schwestern bereits viele Barmherzige Schwestern, die in den Boomzeiten der Kongregation beigetreten waren, verstorben. Der Rückgang seit den 1940er Jahren begann sich nun auch bei der Zahl der in den Ruhestand kommenden Schwestern auszuwirken. Deshalb beschloss die Ordensleitung, die Häuser in Berg am Laim, Unterhaching und Planegg als öffentliche Alten- und Pflegeheime ausweisen zu lassen. In den letzten Jahren nutzen vermehrt zivile Bewohner die Möglichkeit, in diesen Heimen ihren Lebensabend zu verbringen. Eine Besonderheit der Häuser in Berg am Laim und Unterhaching ist, dass hier alt gewordenen Mitgliedern fremder Orden, die über keine eigenen Altenheime verfügen, die Möglichkeit eröffnet wurde, ein gemeinschaftliches Leben zu führen. Von den ordenseigenen Altenheimen ist heute nur noch das Schwesternheim St. Hildegard in Alzing den eigenen Schwestern vorbehalten. 12.6. Eigene Berufsfachschulen für Pflegeberufe Wie schon erwähnt, hatte die Kongregation bereits seit den 1920er Jahren eine staatlich anerkannte ordenseigene Schule für Krankenpflege, in der sie ihren eigenen Schwesternnachwuchs ausbildete.189 Da das Postulatsgebäude in der Blumenstraße, in der die Schule untergebracht war, bei den Luftangriffen im 2. Weltkrieg zerstört worden war, wurde die Schule ab 1948 in das Mutterhaus verlegt. Seit 1970 ruht diese Schule aus Mangel an Nachwuchs. Schon ab 1910 hatten die Barmherzigen Schwestern zudem die städtische Krankenpflegeschule am Schwabinger Krankenhaus bzw. nach deren Verlegung ab 1946 bis 1959 am Krankenhaus rechts der Isar geleitet, an der sowohl eigene Schwestern als auch freie Schwestern ausgebildet wurden. In der Nachkriegszeit wurde bald deutlich, dass die Barmherzigen Schwestern den großen Bedarf an Pflegekräften nicht mehr allein würden decken können. Beim Jahresschluss 1957 arbeiteten in den immerhin noch 150 Niederlassungen der Barmherzigen Schwestern neben den 2295 Ordensschwestern bereits 846 weltliche Schwestern.190 Ihr Anteil betrug demnach bereits 36%. Auf Anregung des Ordens wurden an einigen der kommunalen Krankenhäuser, in denen die Ordensschwestern tätig waren, Krankenpflegeschulen für die Ausbildung von freien Schwestern eröffnet. Lehrschwestern der Kongregation übernahmen den Unterricht und meist auch die Leitung an diesen Schulen. Zudem entschloss sich die Ordensleitung, selbst eine Krankenpflegeschule für katholische freie Schwestern zu gründen. Als Bauplatz wählte der Orden wegen seiner günstigen Lage zu den Innenstadtkliniken das Rui234 Wiederaufbau und neue Wege nengrundstück in der Thalkirchner Straße, auf dem bis zu seiner Zerstörung durch Bomben im Januar 1945 das „Maria-Regina-Stift“ gestanDie Schwestern M. den hatte. Nach dem Ankauf Jonilla weiterer benachbarter RuiPühringer nengrundstücke begannen und M. Vindie Bauarbeiten. Anfang 1959 zentia Moll konnte der Neubau bezogen (von links) werden und im März begann begrüßen neue Schülebereits der erste Kurs. Die rinnen der praktische Ausbildung sollte Berufsfachin den Innenstadtkliniken und schule Maria in der ordenseigenen MariaRegina Theresia-Klinik durchgeführt (1966) werden. Da viele weltliche Schwestern eine Unterkunft in München suchten, bauten die Schwestern auch noch ein Schwesternwohnheim, das 1962 eingeweiht werden konnte. Wurden zunächst nur katholische Schwesternschülerinnen aufgenommen, ist die Zulassung inzwischen unabhängig von der Konfession. In der seit 1980 als Berufsfachschule für Krankenpflege Maria Regina bezeichneten Schule hatte zunächst der Orden die Leitung und den Großteil der Lehrschwestern gestellt. Heute sind an der Schule ausschließlich weltliche Lehrkräfte tätig. Zusammen mit dem Krankenhausbetrieb eröffneten die Barmherzigen Schwestern im Jahr 1971 in Ruhpolding auch eine Berufsfachschule für Krankenpflegehilfe. Diese einjährige Ausbildung ermöglicht Hauptschülern, ausgebildete Krankenpflegehelfer/innen zu werden und zugleich Kommunale Krankenpflegeschulen, an denen Barmherzige Schwestern unterrichteten191 Aschaffenburg (1954 – 1969) Bamberg (1957 – 1980) Altötting (1957 – 1987) Landshut (1953 – 1975) Neumarkt Opf. (1960 – 1981) Schongau (1958 – 1980) Traunstein (1960 – 1981) Donauwörth (1964 – 1967) Krankenhaus Schwabing (1910 – 1964) Krankenhaus Mü. r.d.I. (1946 – 1959) Kreiskrankenhaus Eggenfelden (1972 – 1973) Auch an der Krankenpflegeschule der Barmherzigen Brüder in Regensburg unterrichteten Barmherzige Schwestern 1959 – 1976. 235 Festschrift der Barmherzigen Schwestern die Zugangsvoraussetzungen zur Ausbildung als Krankenschwester oder Krankenpfleger zu erwerben. Nachdem der Orden 1979 den Schulbetrieb für mehr als ein Jahrzehnt eingestellt hatte, eröffnete er 1991 die Schule wieder. 1995 gründeten die Schwestern eine weitere Schule in Ruhpolding, die Berufsfachschule für Altenpflege. Beide Schulen befinden sich in einem Nebengebäude des Alten- und Pflegeheims St. Adelheid. 12.7. Adelholzener Alpenquellen – Ausbau des Betriebs Barmherzige Schwestern an der Primusquelle in Adelholzen in den 1950er Jahren 236 In der Zeit nach dem 2. Weltkrieg vollzog sich eine bemerkenswerte Entwicklung in dem einzigen rein gewerblichen Betrieb der Barmherzigen Schwestern, dem Adelholzener Brunnenbetrieb.192 Durch die Bereitschaft der Ordensleitung, immer wieder die nötigen, oft sehr hohen Investitionen zu tätigen, um die Füllanlagen auf den neuesten Stand der Technik zu bringen, und durch die Anpassung der Produktpalette an die sich verändernden Kundenwünsche blieb das Unternehmen nicht nur konkurrenzfähig, sondern erlangte eine führende Position unter den deutschen Brunnenbetrieben. In der unmittelbaren Nachkriegszeit hatte der Betrieb zunächst ebenso wie die Konkurrenzbetriebe Probleme, genügend Glasflaschen zu bekommen. Millionen Glasflaschen waren während des Krieges zu Bruch gegangen oder zweckentfremdet worden. Es dauerte, bis die Glasproduktion den Bedarf wieder decken konnte. Die Produktion von Limonade wurde erschwert, weil es an Zucker und Essenzen dafür fehlte. Treibstoffmangel erschwerte den Vertrieb. Dennoch gelang es den Schwestern, 1945 und 1946 Produktion und Vertrieb sowohl von Wasser als auch von Brause aufrecht zu erhalten. In den folgenden von Not geprägten Nachkriegsjahren ging der Absatz durch den weitgehenden Wegfall der Limonadenproduktion zurück. Die Vorräte an Zucker und Essenzen für die Brauseproduktion waren inzwischen weitgehend aufgebraucht. Erst 1950, als die Limonadenproduktion wieder in groß- Wiederaufbau und neue Wege em Umfang einsetzte, begann der Aufschwung. Der Adelholzener Brunnenbetrieb wurde Mitglied in dem bayerischen Verband „Brunnengebiet Bayern“, dem noch 14 andere Betriebe angehörten, und beteiligte sich an der GenossenSchwester schaft Deutscher Brunnen. Die M. Iphigedeutschen Betriebe hofften, durch nia Insam, Zusammenarbeit, vor allem durch General gemeinsame Werbekampagnen, der ökonomin übermächtigen amerikanischen 1966 – 1987 Konkurrenz besser gewachsen zu sein. Gemeinsam vertrieben sie vor allem die neu entwickelte Orangenlimonade „Raspa“, die intensiv beworben wurde. Obwohl die Schwestern über die Werbekampagne nicht immer glücklich waren, entschlossen sie sich schließlich zur Produktion. Während der Vertrieb dieser Limonade in Deutschland insgesamt nicht besonders erfolgreich lief, konnte Adelholzen den Vertrieb von „Raspa“ bis 1964 ständig steigern. In den 60er Jahren entwickelte Adelholzen mit „Primella“ eine eigene Limonade. Ein Erfolg wurde auch die erste kalorienreduzierte Limonade „bleib in form“, die Adelholzen bis heute im Sortiment hat. Der Brunnenbetrieb profitierte vom Wirtschaftswunder der Nachkriegsjahrzehnte, aber auch von dem Geschick einer fähigen Geschäftsführung. Kurat Haslberger, der sich viele Jahrzehnte äußerst umsichtig und vorausschauend um die ökonomischen Belange kümmerte, hatte rechtzeitig die fähige Schwester M. Iphigenia Insam, die in den 60er Jahren die Geschäftsführung übernahm, als Nachfolgerin aufgebaut. Die Geschäftsleitung erkannte früh, dass die Zukunft weniger im Bereich des Tafel- und Heilwassers als vielmehr im Bereich der gesüßten Getränke liegen würde. Außerdem sah sie, dass die Produktionsbedingungen ständig den neuesten technischen Möglichkeiten angepasst werden mussten. So war 1960, immerhin 30 Jahre nach der letzten Modernisierung der Füllerei, die Investition in eine neue Anlage dringend geboten. Nachdem der Einbau der damaligen neuesten Technik erfolgt war, konnte die Produktion verdoppelt werden. Mit dem sich in den kommenden Jahrzehnten immer schneller vollziehenden technischen Fortschritt sollten die Abstände bis zur nächsten Modernisierung immer kürzer werden. Ein entscheidender Schritt erfolgte 1970, als sich der Orden entschloss, eine großzügige neue Produktionsanlage im Tal unterhalb des Kurhauses zu errichten. Mit der neuen Anlage, mit der wiederum eine Verdopplung der Produktion möglich war, wurde endgültig die Industrialisierung des 237 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Die Produktionsstätte des Brunnenbetriebs vor 1970 Die Füllerei in den 1960er Jahren 238 Betriebs vollzogen. Auch in der Verwaltung fand eine Umstrukturierung statt. Zur Unterstützung von Schwester M. Iphigenia, die in ihrer Funktion als Generalökonomin der Kongregation auch noch zahlreiche andere Aufgaben hatte, wurde als weltlicher Betriebsleiter Vero Kriesche eingestellt. Die Großzügigkeit der neuen Anlage war auf weiteren Zuwachs in der Zukunft angelegt und durchaus nicht risikofrei. Doch die Verkaufszahlen stiegen weiter, obwohl inzwischen das Wirtschaftswachstum in Deutschland seit der Ölkrise 1973 gebremst worden war und die Zahl der Arbeitslosen anstieg. Schon 1973 war mit der Füllung von 30 Millionen Flaschen im Jahr die Kapazität der Anlage voll ausgeschöpft. Gerade rechtzeitig vor dem Jahrhundertsommer von 1976 mit Hitzerekorden wurde die bereits beim Bau der neuen Produktionsstätte geplante zweite Abfüllanlage eingerichtet. Nun waren weitere 40.000 Füllungen pro Stunde möglich. Der steigende Wasserbedarf konnte mit den bisher genutzten Quellen nicht mehr gedeckt werden, deshalb musste eine 5 km entfernte Quelle im Bergener Moos erschlossen und über eine Leitung mit dem Betrieb verbunden werden. Und laufend gingen die Anpassungen an die modernste Technik weiter. 1986 wurde zur 1700-Jahr-Feier von Adelholzen eine weitere Füllanlage in Betrieb genommen. Die inzwischen drei Füllanlagen erreichten nun schon eine Kapazität von über 100.000 Flaschen in der Stunde. Kaum war die neue Anlage installiert, kam es im Jahr 1987 zu einer großen Krise der Mineralwasserwirtschaft. Ausgelöst worden war diese durch einen Artikel in der Zeitschrift „natur“, in dem davor gewarnt wurde, Mineralwasser zu trinken, da die Werte für Natrium und Nitrat in vielen Fällen teils Wiederaufbau und neue Wege weit über den Grenzwerten lägen und somit ein Gesundheitsrisiko darstellten. Eine große Verunsicherung bei den Verbrauchern und erhebliche Umsatzeinbrüche bei vielen Brunnenbetrieben waren die Folgen. Der Adelholzener Primusquelle schadete diese Diskussion jedoch nicht, sondern führte im Gegenteil zu einer enormen Umsatzsteigerung, weil das Adelholzener Wasser als eines der natriumärmsten Wasser in den Testberichten ausdrücklich als besonders empfehlenswert bezeichnet wurde. So konnte die Füllmenge von 144 Millionen Flaschen im Jahr 1986 auf über 200 Millionen im Jahr 1988 gesteigert werden. Damit stieß die Primusquelle schon wieder an ihre Kapazitätsgrenzen und eine erneute Erweiterung war unumgänglich. Die Installation weiterer Anlagen oder Maschinen reichte dieses Mal nicht aus, es musste wie 1971 ein Neubau, das Werk II, in Angriff genommen werden. Das Jahr 1989 markiert den Beginn einer neuen Ära der Adelholzener Primusquelle. Schwester M. Iphigenia, maßgeblich an der Entwicklung der Primusquelle von einer kleinen Füllerei zu einem großen, modernen Brunnenbetrieb beteiligt, schied im Alter von 80 Jahren endgültig aus der Geschäftsleitung aus. Ihre Nachfolge trat Schwester M. Theodolinde Mehltretter an. Zudem wurden mit dem Bau des Werks II, den Schwester M. Iphigenia noch auf den Weg gebracht hatte, die Weichen für das kommende Jahrzehnt gestellt. Die neue computergestützte Anlage war zusammen mit den Technikern des Betriebes entwickelt und somit die Steuerungs- und Prozessüberwachung den besonderen Firmenbedürfnissen angepasst worden. Im Dezember 1989 wurde das neue Werk von Erzbischof Friedrich Kardinal Wetter feierlich eingeweiht. Mit zwei unabhängigen Füllanlagen war die Flexibilität des Betriebs entscheidend erhöht worden. Mit dem kostenintensiven Neubau war der Orden durchaus ein hohes Risiko eingegangen. Nur wenn es gelingen würde, den Umsatz zu steigern oder zumindest auf dem erreichten Stand zu halten, wäre das neue Werk rentabel. Die letzten Jahrzehnte hatte man sich daran gewöhnt, dass die Füllmengen von Jahr zu Jahr stetig anstiegen. Dementsprechend groß war der Schock, als die Primusquelle 1993, erstmals seit 30 Jahren, einen leichten Rückgang der Füllmengen zu verzeichnen hatte. Die Stagnation Betriebsgebäude der Adelholzener Alpenquellen GmbH 239 Festschrift der Barmherzigen Schwestern traf nicht nur den Adelholzener Betrieb, sondern die gesamte Mineralwasserbranche, da eine weitgehende Sättigung des Marktes erreicht war. Die kleine Krise von 1993 hatte der Ordensleitung das Risiko der bisherigen Rechtsform der Firma bewusst gemacht. Zum 1. Januar 1994 wurde deshalb der Brunnenbetrieb Adelholzener Primusquelle in eine GmbH umgewandelt, in die Adelholzener Alpenquellen GmbH mit Sitz in München und Zweigniederlassung in Siegsdorf. Ein Aufsichtsrat, in dem Schwestern aus der Ordensleitung und Fachleute aus der Wirtschaft vertreten sind, übt die Kontrolle aus. Infolge der GmbH-Gründung haftet nun der Orden nicht mehr unbeschränkt mit seinem gesamten Vermögen, sondern nur noch mit dem dafür angelegten Stammkapital. Den Vorsitz der Geschäftsführung übernahm Schwester M. Theodolinde Mehltretter, die auch für die Personalabteilung zuständig war. Vero Kriesche übernahm die Geschäftsführung für den Bereich Produktion und Technik, Franz Demmelmair für das Ressort Finanzen und Verwaltung. Die Firmenverwaltung, die immer noch im Kurhaus untergebracht war, zog nun in das neue Firmengebäude um. 1994 erfolgte die Zertifizierung des Qualitätsmanagements des Betriebes nach DIN ISO 9001. Doch, um auf dem gesättigten und hart umkämpften deutschen Getränkemarkt weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben, mussten Ordensleitung und Geschäftsführung des Betriebs in den nächsten Jahren neue Ideen entwickeln und sehr flexibel auf veränderte Verbraucherwünsche reagieren. Als Erstes setzte die Firmenleitung auf die Entwicklung neuer Produkte. Es zeigte sich ein neuer Trend in der Branche, Mineralwasser mit Fruchtsäften zu mischen. Auch in Adelholzen schloss man sich diesem Trend mit der Reihe „Adelholzener PLUS“ an und brachte 1995 eine Apfelschorle auf den Markt. Als sich diese als großer Erfolg erwies, erweiterte der Betrieb diese Reihe durch rote Schorlen, die ebenfalls großen Anklang fanden. Aber nicht nur bei der Erweiterung des Produktsortiments musste die Firmenleitung flexibel auf neueste Entwicklungen reagieren, sondern auch bei den Verpackungen. Mitte der 90er Jahre kamen neue PET-Kunststoffflaschen auf den Markt. Die in den 70er und 80er Jahren in der deutschen Mineralwasserwirtschaft fast ausschließlich benutzte, genormte 0,7-LiterPerlen-Einheitsglasflasche wurde immer mehr verdrängt. Die Ordensleitung stand den Kunststoffflaschen zunächst äußerst skeptisch gegenüber. Auf keinen Fall wollte man damit die gute Umweltbilanz des Unternehmens oder das Image der Adelholzener Getränke als hochwertige und gesundheitsfördernde Getränke gefährden. Aus Verantwortung für den Betrieb und seine Mitarbeiter musste jedoch auch an die Konkurrenzfähigkeit gedacht werden und so konnte man den Trend zur PET-Flasche nicht einfach ignorieren. Allerdings war zunächst noch nicht absehbar, ob sich die Kunststoffflasche 240 Wiederaufbau und neue Wege wirklich würde durchsetzen können. Deshalb entschlossen sich Ordensund Betriebsleitung mit der Installation einer kleinen PET-Füllanlage mit einer stündlichen Füllkapazität von 16.000 Liter im Jahr 1997 zu einem „sanften“ Einstieg. Der Trend zu Kunststoffflasche hielt nicht nur an, sondern es kam in den folgenden Jahren zu einem wahren Boom. Die Adelholzener Alpenquellen zogen aus dieser Entwicklung Konsequenzen und ließen 2002 und 2004 neue PET-Mehrweganlagen installieren. Dabei gingen sie einen neuen, zukunftsweisenden Weg. Als einer der ersten Brunnenbetriebe arbeiteten sie bei der Abfüllung mit der Reinraumtechnik, durch die ein aseptisches Klima im Füllraum geschaffen wird, das den Bedingungen in einem OP-Saal vergleichbar ist und die Abfüllung von Fruchtsaftgetränken ohne Konservierungsmittel ermöglicht. Auch in Bezug auf die Flaschengrößen zeigten sich die Adelholzener einfallsreich. So erschlossen sie sich mit den 0,5-l-PET-Flaschen unter dem Label „Die Leichten für unterwegs“ einen neuen Markt. Eine Idee der Brauereien aufgreifend, führten sie teilbare Getränkekästen für einen Teil ihrer Produkte ein. Schwer tat sich die Ordensleitung zunächst mit ihrer Zustimmung zu dem Einstieg in das PET-Einwegsystem. Die großen Discounter, die die Logistikprobleme bei der Rücknahme der Pfandflaschen vermeiden wollten, übten zunehmend Druck auf die Getränkehersteller aus, auch Einwegsysteme anzubieten. Nach langen Diskussionen befürwortete die Ordensleitung die Installierung einer ersten Einweganlage im Jahr 2000. Allerdings sollte in den Einwegflaschen keines der traditionellen Getränke der Adelholzener angeboten werden. Da sowohl der Markt für Mineralwasser als auch für Schorlen stark durch jeweilige regionale Anbieter besetzt und nahezu gesättigt war, sollte für die Einwegflasche, die auf dem ganzen deutschen Markt vertrieben werden sollte, ein neues Produkt entwickelt werden. In den USA war die Idee entwickelt worden, Wasser mit zusätzlichem Sauerstoff anzureichern. Die Geschäftsführung gab ein wissenschaftliches Gutachten in Auftrag, das klären sollte, ob durch diese Sauerstoffanreicherung tatsächlich eine gesundheitsfördernde Wirkung nachgewiesen werden könne. Erst nachdem die Wissenschaftler dies bestätigt hatten, genehmigte die Ordensleitung den Einstieg in die Produktion von sauerstoffangereicherten Erfrischungsgetränken, die unter dem Namen ACTIVE 02 zunächst als sauerstoffangereichertes Wasser, nach dessen Erfolg auch in verschiedenen Geschmacksrichtungen auf den Markt kamen. Als besonders pfiffig erwies sich für diese neuartigen Getränke, die mit dem Image von Sportlichkeit und Jugendlichkeit beworben werden, der so genannte Sportslock-Verschluss, ein neuer, nur mit einer Hand zu öffnender Trinkverschluss. Diese so genannte „Sport Linie“ wurde 2003 durch die „Fitness Linie“ (kohlensäurefreie und kalorienarme Getränke) ergänzt. Inzwischen gehören 241 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Inbetriebnahme einer neuen PET-Einweganlage im Jahr 2005: Schwester M. Theodolinde Mehltretter mit Pater Leopold Mader OFMConv (rechts) und Volker Kronseder vom Anlagenbauer Krones zu der Produktpalette von ACTIVE 02 auch die Reihen „Active Fresh“ und „Active Live“. Diese kohlensäurefreien und diätetischen Getränke sind von der 2003 per Gesetz eingeführten Pfandpflicht ausgenommen. Auch wenn die Bedeutung der klassischen Perlenglasflasche durch die neuen Kunststoffflaschen erheblich eingeschränkt wurde, wurde sie in Adelholzen doch nicht ganz verdrängt. Neben den PET-Einwegflaschen mit einem Anteil von 17,7% und den PET-Mehrwegflaschen mit einem Anteil von 33,6% im Jahr 2005 spielt die klassische Glasflasche nach wie vor eine große Rolle. Früher war der Betrieb äußerst zurückhaltend mit Werbung umgegangen. Um konkurrenzfähig zu bleiben, hielt die Unternehmensleitung Mitte der 90er Jahre den Ausbau der Werbemaßnahmen für unumgänglich. Die Unternehmensleitung mit Geschäftsführerin Schwester M. Theodolinde Mehltretter ging dabei mutig neue Wege. Da die Werbung im Fernsehen von Fachleuten als besonders effektiv angesehen wird, entschied man sich für Werbespots im Bayerischen Fernsehen. Schwester M. Theodolinde scheute sich nicht, sich selbst dafür zur Verfügung zu stellen.Welchen Stellenwert die Werbung inzwischen einnimmt, zeigt das neu geschaffene Ressort Marketing und Vertrieb unter der Leitung eines weiteren Geschäftsführers, Stefan Hoechter. Früher beschränkte sich die Werbung weitgehend auf das Absatzgebiet Südbayern mit Schwerpunkt München. Dort fahren schon seit Anfang der 70er Jahre die städtischen Busse und Straßenbahnen mit Adelholzener Werbung. Nachdem Ende der 90er Jahre die fränkischen Brunnenvertriebe, entgegen früherer Gepflogenheit, auch auf den südbayerischen Absatzmarkt drängten, beschloss die Unternehmensleitung, nun ebenfalls die Werbung auf ganz Bayern auszudehnen. Besonders wichtig war es in den letzten Jahren geworden, sich von der Konkurrenz durch ganz individuelle Produkte 242 Wiederaufbau und neue Wege und Flaschenformen abzuheben und ein einheitliches Erkennungszeichen für alle Firmenprodukte mit hohem Wiedererkennungswert zu entwickeln. Dies ist den Adelholzener Alpenquellen sehr gut gelungen mit dem Bild der Berge, die die Reinheit des Wassers assoziieren sollen. Die neuen Unternehmensstrategien erwiesen sich als äußerst erfolgreich: Inzwischen ist Adelholzen der Marktführer in Bayern für Mineralwasser, Heilwasser, Schorle und kalorienarme Erfrischungsgetränke. Deutschlandweit zählt der Betrieb zu den führenden Anbietern für „Wasser mit Geschmack“ und im Segment Schorle. Ja, mit den neuen, voll im Trend der Zeit liegenden Produkten in der Einwegflasche gelang den Adelholzener Alpenquellen sogar die Erschließung internationaler Absatzmärkte. Seit 2002 exportiert das Unternehmen nicht nur in europäische Länder wie die Schweiz, Österreich, Italien, Irland und Luxemburg, sondern auch nach Japan, Südkorea und in die Vereinigten Arabischen Emirate. Mit der neuen, 2005 installierten vollaseptischen PET-Einweganlage mit einer Füllleistung von stündlich 30.000 Flaschen betreiben die Adelholzener Alpenquellen die weltweit größte Abfüllanlage für sauerstoffangereicherte Getränke. Zuletzt wurde im Juni 2007 eine neue PET-Einweganlage eröffnet. Für die Barmherzigen Schwestern stellte sich mit wachsendem Erfolg ihres Brunnenbetriebs immer mehr die Frage, wie ein auf Gewinnmaximierung angelegtes Wirtschaftsunternehmen zum Selbstverständnis ihres Ordens passt. Die Ordensleitung entwickelte im Rahmen dieser Diskussionen eine Unternehmensphilosophie, die bei allen Entscheidungen zum Tragen kommen soll. Die Ordensleitung muss Sorge dafür tragen, dass das Unternehmen, das schon längst zu der wichtigsten Einnahmequelle des Ordens und zu einem der wichtigsten Arbeitgeber im Chiemgau geworden ist, wirtschaftlich „gesund“ bleibt. Deshalb werden von den Gewinnen der Adelholzener Alpenquellen zuallererst die für die Zukunft des Betriebs nötigen Investitionen getätigt. Die Entscheidungen der Unternehmensleitung müssen aus Verantwortung gegenüber den rund 420 Mitarbeitern immer auch unter dem unternehmerischen Aspekt getroffen werden. Die für neue Investitionen nicht benötigten Gewinne aber verwendet der Orden nicht nur zur Finanzierung der eigenen karitativen Werke, sondern fördert damit auch ordensfremde soziale Einrichtungen und Projekte. Zur Unternehmensphilosophie gehört außerdem, dass neben Kundenzufriedenheit und Gewährleistung von Qualitätsprodukten auch die Zufriedenheit der Mitarbeiter ein zentrales Anliegen bleiben muss. Während in vielen anderen Firmen schon längst alle Zusatzleistungen gestrichen worden sind, zeugen in Adelholzen weiterhin freiwillige soziale Leistungen, beispielsweise die kostengünstige Versorgung in der Betriebskantine mit biologischem Essen aus den eige243 Festschrift der Barmherzigen Schwestern nen Landwirtschaften, von einem sozial verantwortlichen Umgang mit den eigenen Mitarbeitern. Nicht nur mit den Mitarbeitern, auch mit der Umwelt will man verantwortungsvoll umgehen. Der Umweltschutz hat in Adelholzen bereits eine lange Tradition. Schon Anfang der 70er Jahre wurde eine eigene Kläranlage für den Betrieb gebaut. Bei der Expansion des Werks in den 90er Jahren gelang es durch eine eigene Umweltstrategie, den Verbrauch von Wasser und Energie zu senken, Müll zu reduzieren und Reinigungsmittel möglichst sparsam zu verwenden. Ein großer Teil des Mülls wird recycelt, durch Kraft-Wärme-Kopplung wird Energie besonders effizient genutzt. Schon 1997 legte das Unternehmen als eines der ersten in der Branche eine Umwelterklärung nach dem EG-Öko-Audit ab, verbunden mit regelmäßigen Validierungen in den folgenden Jahren. Für ihr besonderes umweltpolitisches Engagement erhielt der Betrieb im Jahr 2004 die „Staatsmedaille für Umwelt und Gesundheit“ des Bayerischen Umweltministeriums. * 244 K a p i t e l 13 Neue Herausforderungen für den Orden in einer säkularisierten Gesellschaft 13.1. Nachwuchsmangel: Ursachen und Folgen Die Geschichte der Barmherzigen Schwestern nach dem 2. Weltkrieg kann man durchaus als eine Erfolgsgeschichte sehen. Der Orden hatte durch hohe Eintrittszahlen viele arbeitsfähige Schwestern, die in zahlreichen kommunalen und staatlichen sozialen Einrichtungen Dienst leisteten. Die Anzahl der ordenseigenen Häuser erhöhte sich stark und deren Entwicklung verlief sehr positiv. Der einzige rein gewerbliche Betrieb, die Adelholzener Alpenquellen GmbH, entwickelte sich von einem kleinen Brunnenbetrieb mit Handfüllapparaten zu einem international agierenden Getränkehersteller mit Produktionsanlagen, in denen modernste Technik eingesetzt wird. Karte von den Niederlassungen der Kongregation zu Beginn der 1950er Jahre 245 Festschrift der Barmherzigen Schwestern +ANDIDATINNEN *AHR Entwicklung der Zahl der Kandidatinnen von 1828 bis 2007 1UELLE"3-~!-ITGLIEDERVERZEICHNISSE In der Gesellschaft genießen die Barmherzigen Schwestern Respekt und Ansehen. Der Staat honorierte das hohe soziale Engagement der Kongregation mehrfach durch die Verleihung von Verdienstorden an die jeweiligen Generaloberinnen. Und dennoch sah sich der Orden schon seit den Anfangsjahren der Bundesrepublik Deutschland mit einem Problem konfrontiert, das alle Erfolge überschattete und die Zukunft des Ordens immer mehr in Frage stellen sollte: der Nachwuchs blieb zunehmend aus. Schon in der ersten Hälfte der 50er Jahre fielen die jährlichen Eintritte unter 30, in der zweiten Hälfte unter 20. Das Problem des Nachwuchsmangels wurde immer deutlicher. Ab Mitte der 60er Jahre erfolgte ein noch größerer Einbruch. Jetzt traten nur noch ein bis zwei junge Frauen jährlich ein. In den 70er Jahren gab es erstmals Jahre, in denen kein Eintritt zu verzeichnen war. In den 80er Jahren waren Eintritte nur noch die Ausnahme und seit 1988 gab es überhaupt keinen Neuzugang mehr.193 Was waren die Ursachen für den Rückgang des Nachwuchses? Einige der oben genannten gesellschaftlich bedingten Faktoren, die früher einen Ordenseintritt für eine junge Frau attraktiv gemacht hatten, fielen im Nachkriegsdeutschland weg, da sich seit den 60er Jahren die Rahmenbedingungen grundlegend änderten. Als Frauenkongregation waren die Barmherzigen Schwestern insbesondere von der Veränderung des Rollenbildes der Frau betroffen. Auch Frauen wurde nun das Recht auf eine gute Ausbildung und die Ausübung eines Berufes zugestanden. Durch die Bildungsreform in den 70er Jahren wurde dieses Recht auch für Mädchen aus 246 Neue Herausforderungen für den Orden in einer säkularisierten Gesellschaft unteren Schichten in reale Chancen umgesetzt. Nun standen Frauen immer mehr Berufe offen, mit denen sie ihren Lebensunterhalt sichern konnten und durch die sozialen Sicherungssysteme auch für den Fall von Krankheit und Alter versorgt waren. Mit dem Wandel der äußeren Rahmenbedingungen ging gleichzeitig ein grundlegender Wertewandel in der Gesellschaft einher. Alte Tugenden wie Pflichterfüllung und Gehorsam wurden auf dem Hintergrund, welche verheerende Rolle sie beim Funktionieren des NS-Staates gespielt hatten, immer mehr hinterfragt. Auch christliche Werte wie Demut und Nächstenliebe schienen nicht mehr in eine Zeit zu passen, in der die Selbstverwirklichung des Individuums als oberstes Ziel propagiert wurde. Und wie waren die traditionellen Ordensgelübde von Gehorsam, Armut und Keuschheit mit den neuen Wertvorstellungen zu vereinbaren? Immer mehr Bürger forderten die demokratischen Prinzipien nicht nur in der Politik, sondern auch in der Gesellschaft ein. Die in vielen Gesellschaftsbereichen, beispielsweise in den Schulen und in den Kirchen, noch vielfach vorhandenen autoritären Strukturen wurden zunehmend in Frage gestellt. Gehorsam als Wert an sich erschien fragwürdig und nicht vereinbar mit der Selbstbestimmung des Menschen. In der Wohlstandsgesellschaft aufgewachsene Menschen, die an ein bestimmtes Konsumverhalten gewöhnt waren, konnten auch das Gelübde der Armut immer schwerer nachvollziehen. Erst recht galt dies für das Gelübde der Keuschheit. Seit der sexuellen Revolution der 60er Jahre konnten mit diesem Begriff viele überhaupt nichts mehr anfangen. An die Stelle einer früheren Leibfeindlichkeit und Verteufelung der Sexualität trat nun das andere Extrem einer völligen Enttabuisierung und einer starken Überbetonung der Bedeutung der Sexualität. Der bewusste Verzicht auf das Ausleben der Sexualität, den es in der Geschichte in allen Kulturen gegeEwige ben hat und der meist mit Respekt Profess von honoriert wurde, wurde nun vielfach Schwester als geradezu naturwidrig angesehen. M. Katharina Der Einfluss der Kirchen auf Blümlhuber, Politik und Gesellschaft wurde in dem jüngsten Mitglied den letzten Jahrzehnten zurückgeder Kongredrängt. Die Gesellschaft entwickelte gation, vor sich immer mehr zu einer säkulariSuperior sierten Gesellschaft. Immer weniger König im junge Menschen wachsen heute in Jahr 1992 247 Festschrift der Barmherzigen Schwestern einer christlich geprägten Umgebung auf. Falls sich heutzutage jemand für den Ordensberuf entscheidet, erfährt er statt der früheren Anerkennung und Unterstützung meist völliges Unverständnis oder sogar Ablehnung. Ein solcher Lebensentwurf ist den meisten Menschen absolut fremd geworden. Folgen des Nachwuchsmangels Die Folgen des Nachwuchsmangels waren für das Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern gravierend. Gerade in den Wiederaufbaujahren in den 50er Jahren war eine große Zahl an Krankenschwestern gefragt. So vermerkte die Ordenschronik im Jahr 1955: „Im Hinblick auf den großen Baueifer vieler Gemeinden bzw. Träger der Anstalten wäre es notwendig, zahlreichen Nachwuchs zu haben; denn unaufhörlich kommen Bitten um Vermehrung der Schwestern… Es ist ein Schmerz für das Mutterhaus, die Bitten um Ordensschwestern nicht erfüllen zu können. Wir müssen gemeinsam dieses Kreuz unserer Zeit tragen… „Herr, sende Arbeiter in deinen Weinberg!“ – mit dieser innigen Bitte beschließen wir das alte Jahr.“ Und 1956 heißt es dort: „Die größte Sorge ist die Nachwuchssorge. Es können nicht einmal die durch Sterbefälle erledigten Posten besetzt werden.“ 194 Der Schwesternmangel zwang die Barmherzigen Schwestern, sich aus immer mehr Niederlassungen zurückzuziehen. Der Rückzug begann Ende der 50er Jahre mit der Kündigung des Krankenhauses in Burghausen und erfasste in den kommenden Jahrzehnten praktisch alle ordensfremden Krankenhäuser und Altenheime. Hatte der Orden 1960 noch 154 Niederlassungen, sank die Zahl im Jahr 1970 auf 140 und im Jahr 1980 auf 105.195 In den 80er Jahren beschleunigte sich diese Entwicklung und erreichte mit 40 Abgaben den Höhepunkt der Kündigungswelle. In den 90er Jahren wurden weitere 30 Niederlassungen aufgegeben. Heute, im Jahr 2007, ist die Zahl der Niederlassungen auf 28 geschrumpft. Auch in München, wo die Alten- und Krankenpflege lange Zeit fast ausschließlich in der Hand der Barmherzigen Schwestern war, blieb ihnen die Aufgabe von immer mehr Häusern nicht erspart. Zunächst trennten sie sich von den städtischen Krankenhäusern. So erfolgte bereits 1960 die Kündigung des Sanatoriums in Harlaching und 1964 des Schwabinger Krankenhauses. In den 70er Jahren gaben sie das Krankenhaus rechts der Isar und das Krankenhaus am Biederstein ab. In den 80er Jahren zogen sich die Barmherzigen Schwestern aus den Altenheimen der Stadt München zurück, in denen sie teilweise – wie im Heilig-Geist-Spital – schon seit den Gründungsjahren ihrer Kongregation tätig gewesen waren. Auch der Rückzug aus den Münchner Universitätskliniken, den die Schwestern möglichst lange hinausgezögert hatten, ließ sich schließlich nicht vermeiden. 248 Neue Herausforderungen für den Orden in einer säkularisierten Gesellschaft Von der Chirurgischen Klinik trennte sich die Kongregation bereits 1974. 1979 gab sie die Gynäkologische Klinik auf, 1981 die Haunersche Kinderklinik, 1985 und 1986 zog sie sich Tafel im Eingangsaus der Frauenklinik und der Orthobereich pädischen Klinik zurück. In den 90er der MediJahren erfolgte noch die Aufgabe der zinischen Psychiatrischen und der DermatoloKlinik, die gischen Klinik. Als letzte Münchner an das lange Universitätsklinik verließen die BarmWirken der Barmherzigen Schwestern im Juni 2000 die herzigen Medizinische Klinik der Innenstadt, das Schwestern ehemalige Allgemeine Krankenhaus, in dieihre erste Wirkungsstätte in Bayern bei sem Haus ihrer Gründung 1832. Schon in den erinnert 60er Jahren hatte die Kongregation die Verantwortung für die Hauswirtschaft in der Medizinischen Klinik abgegeben. Seit Ende der 1970er Jahre hatten sich die Schwestern sukzessive auch aus der Pflege zurückgezogen, indem sie eine Station nach der anderen in die Hände weltlicher Pflegekräfte gaben. Zum 30. Juni 2000 schieden nun endgültig die letzten sieben Barmherzigen Schwestern aus dieser Klinik aus, die so eng wie kein anderes Haus mit dem Wirken der Schwestern in Bayern verbunden ist. Dieser Abschied war besonders schmerzvoll, machte er doch mehr als deutlich, dass endgültig eine Ära zu Ende ging. Eine Ära, in der die Barmherzigen Schwestern lange Zeit fast ausschließlich das gesamte nichtärztliche Personal an den Münchner Universitätskliniken gestellt und zu deren Erfolgsgeschichte wesentlich beigetragen hatten. Jeder einzelne Abschied aus den vielen Niederlassungen in ganz Bayern war stets mit Trauer verbunden. Der Ordensleitung fiel jede einzelne Entscheidung schwer, da die Niederlassungen oft schon mehr als hundert Jahre von den Barmherzigen Schwestern betreut worden waren. Aber sie sah, dass die immer weniger und immer älter werdenden Schwestern ihre Kräfte auf weniger Niederlassungen, vorwiegend die eigenen, konzentrieren mussten. Und wie hart kam erst mancher Schwester der Rückzug aus einem Haus an, das ihr oft jahrzehntelang Heimat gewesen war? Groß war auch meist das Bedauern der örtlichen Bevölkerung, die sich an die lange Präsenz der Schwestern gewöhnt hatte und sich nicht vorstellen konnte, auf sie verzichten zu müssen. Für die Träger der Einrichtungen bedeutete der Weggang der Schwestern ebenfalls einen großen Verlust. Zwar war es im Gegensatz zu früher 249 Festschrift der Barmherzigen Schwestern kein Problem mehr, geeignetes und qualifiziertes weltliches Personal zu finden, aber die Umstellung bedeutete auf jeden Fall eine nicht unerhebliche Erhöhung der Personalkosten. Da die Ordensschwestern nicht an tarifliche Arbeitszeiten gebunden waren und Belastungen durch Urlaubszeiten, Krankheit und Alter von der Kongregation selbst getragen wurden, waren sie für den Träger relativ kostengünstige Mitarbeiter. Diesen Aspekt hatten schon die Klinikdirektoren der Münchner Krankenhäuser den Nationalsozialisten entgegengehalten, die an Stelle der Ordensschwestern Braune Schwestern hatten einführen wollen. Auch in den 50er und 60er Jahren, als wegen des Mangels an Ordensschwestern immer mehr weltliche Krankenschwestern angestellt werden mussten, hatten die Direktionen immer wieder darauf hingewiesen, dass ein 1:1-Ersatz einer Barmherzigen Schwester durch eine weltliche Schwester nicht ausreiche und schon deshalb höhere Personalkosten unumgänglich seien. So schrieb der Direktor der Frauenklinik im Oktober 1966 an die Universitätsverwaltung: „Ohne die Qualität der freien Schwestern in Frage stellen zu wollen, muss jedoch gesagt werden, dass sie keinen vollen Ersatz für die ausgeschiedenen Ordensschwestern darstellen: Die Ordensschwestern haben sich im Gegensatz zu den freien Schwestern nicht an die 47-Stundenwoche gehalten, sondern darüber hinaus so lange gearbeitet, als ihre Anwesenheit notwendig war. Außerdem waren in Notfällen die Ordensschwestern durch ihre Unterbringung im Klinikgebäude auch außerhalb ihrer Arbeitszeit ständig einsatzbereit.“ 196 Die Universitätsverwaltung bestätigte diese Sichtweise in einem Schreiben an das Kultusministerium im November 1966: „Die Universität kann die Richtigkeit der Behauptung bestätigen, dass der Ersatz einer Ordensschwester durch eine geprüfte weltliche Schwester im Verhältnis 1:1 unzureichend ist. Eine Verhältniszahl von 1:1,5 entspricht den praktischen Notwendigkeiten eher.“197 Dieses Problem wurde mit weiteren gesetzlichen Arbeitszeitverkürzungen noch verschärft. So beantragte die Universitätsverwaltung beim Kultusministerium im Februar 1970, dass bei dem ab Juli 1970 angekündigten sukzessiven Rückzug des Ordens die in der Frauenklinik tätigen 38 Barmherzigen Schwestern nicht nur durch 38 weltliche Schwestern, sondern durch weitere 32 ersetzt werden sollten.198 13.2. Nachkonziliare Umbruchsituation Die gesellschaftlichen Veränderungen führten nicht nur zu einem Rückgang des Ordensnachwuchses mit allen seinen Folgen für das Wirken des Ordens nach außen, sondern auch zu Veränderungen innerhalb des Ordens. Nach und nach setzten sich Lockerungen bei den vorher noch recht strengen 250 Neue Herausforderungen für den Orden in einer säkularisierten Gesellschaft Regelungen des Alltagslebens durch. Schon Anfang der 50er Jahre stellte die damalige Ordenschronistin Schwester M. Emma Mayer bedauernd fest, dass die formal noch bestehende, sehr restriktive Regelung für den Heimaturlaub in der Praxis durch immer mehr Ausnahmen unterlaufen wurde. So häuften sich Fälle, in denen Geistliche die Ordensleitung um die Genehmigung baten, dass eine Barmherzige Schwester an Primizfeiern oder Priesterjubiläen in ihrem Heimatort teilnehmen durfte. Immer mehr geriet die Leitung durch derartige Anfragen unter Druck und wünschte deshalb eine Klärung der Regelung beim Generalkapitel von 1953.199 Kardinal von Faulhaber riet dem Orden zu äußerster Zurückhaltung, was die Heimfahrten betraf. So bestätigte das Generalkapitel die alte strenge Regelung, wonach eine Schwester zu Lebzeiten der Eltern nur ein einziges Mal in die Heimat reisen durfte und nach dem Tod der Eltern noch ein einmaliger Grabbesuch gestattet war. Auch für Primizfeiern und Priesterjubiläen sollte es keine Ausnahmen mehr geben, außer es handelte sich um einen Bruder der Barmherzigen Schwester. Aber die neue Zeit war nicht aufzuhalten. So wurde schon beim Generalkapitel 1959 eine wesentlich liberalere Heimfahrtsregelung erlassen. Nun durften die Schwestern bei Lebzeiten der Eltern alle drei Jahre, nach dem Tod der Eltern alle fünf Jahre zu den Geschwistern in die Heimat reisen und dort bis zu fünf Tage Urlaub verbringen. Schwerkranke Eltern sollten jederzeit besucht werden dürfen und die Teilnahme an ihrer Beerdigung sollte auf jeden Fall ermöglicht werden. 200 Außerdem bürgerte es sich ein, dass an Einkleidungs-, Profess- und Jubiläumsfeiern, zu denen früher nur eine kleine Zahl nächster Verwandter zugelassen worden war, ein größerer Kreis Angehöriger teilnehmen durfte. Vergleichbar mit der gesamtgesellschaftlichen Tendenz wurde beim Ordensnachwuchs mehr Wert auf einen mittleren und höheren Bildungsabschluss gelegt. So besuchten immer mehr junge Schwestern die Mittelschule, zunächst die der Englischen Fräulein in Berg am Laim und ab 1955 auch die ordenseigene Mittelschule in Indersdorf. Einige absolvierten das Gymnasium bei den Armen Schulschwestern. Da für die Realschule in Indersdorf dringend eigenes Lehrpersonal benötigt wurde, wurden einige Schwestern für das Lehramt ausgebildet. So nutzte beispielsweise Schwester M. Borromäa Raabe die vom Kloster Seligenthal in Landshut angebotene Möglichkeit, in einer zweijährigen Ausbildung die Lehrbefähigung zu erlangen. Als externe Schülerin wohnte die junge Schwester im nahe gelegenen Heilig-Geist-Spital, das von den eigenen Mitschwestern geleitet wurde. Der weiteren Ausdifferenzierung der Berufswelt wurde durch die Ausbildung von Schwestern für neue Berufe und durch berufliche Weiterbildung Rechnung getragen. 251 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Änderung der Ordenstracht Bereits in den frühen 50er Jahren setzte die Diskussion über eine Änderung der Ordenskleidung ein. Anlass dazu waren Äußerungen von Papst Pius XII., wonach er die Einführung schlichterer Trachten begrüßen würde. Die Münchner Ordensleitung, die wie der Großteil ihrer Schwestern an der traditionellen Flügelhaube festhalten wollte, wandte sich beunruhigt an ihre langjährige Kontaktperson in Rom, Schwester Pascalina Lehnert. Diese konnte die Münchner Schwestern vorläufig beruhigen. Für den Fall, dass eine Ordensgemeinschaft eine Änderung ihrer Tracht wünschte, würde der Papst seine Zustimmung geben. Er denke aber nicht an eine verbindliche Auflage für alle Orden, ihre Kleidung zeitgemäßer zu gestalten.201 Doch das Thema blieb aktuell, zumal das Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern in Untermarchtal 1954 eine neue Tracht einführte, wenn auch zunächst nur für neu Eingekleidete. Das Mutterhaus München ersetzte 1959 die doch recht altertümlich wirkende Tracht der Postulantinnen durch eine einfachere Kandidatinnentracht. Nach dieser zaghaften kleinen Veränderung brach mit den 60er Jahren eine Zeit von großen, grundlegenden Reformen an. Der Anstoß ging jedoch nicht von den Schwestern selbst aus, sondern von der obersten Kirchenleitung, dem neuen Papst Johannes XXIII. Der Nachfolger des 1958 verstorbenen Papst Pius XII. nahm wider Erwarten trotz seines fortgeschrittenen Alters schon unmittelbar nach seinem Amtsantritt eine grundlegende Erneuerung der katholischen Kirche in Angriff. Er forderte, die Kirche müsse sich der neuen Zeit stellen und in der Gegenwart ankommen, wofür er den Begriff „Aggiornamento“ („Heutigwerden“) prägte. Im Januar 1959 gab er seine Absicht kund, ein neues Konzil einzuberufen. Nach den notwendigen Vorbereitungen eröffnete Johannes XXIII. im November 1962 das Zweite Vatikanische Konzil, das sich ohne Vorgaben, in möglichst freiem Diskurs, zu den unterschiedlichsten Fragenkomplexen Gedanken machen und neue, auch für die Zukunft tragfähige Antworten finden sollte. Wie von Papst Johannes KandidaXXIII. erhofft, entwickelte das Konzil tinnentracht bis 1959 eine große reformerische Eigendynamik, (Puppe aus die auch durch den Tod des Papstes im dem SchauJuni 1963 nicht gestoppt werden konnkasten im te. Sein Nachfolger Papst Paul VI. führte Mutterhaus) 252 Neue Herausforderungen für den Orden in einer säkularisierten Gesellschaft das Konzil in diesem Sinne bis zu dessen Abschluss im Dezember 1965 weiter. In dieser Zeit des Aufbruchs der Kirche in die Moderne konnte sich die Ordensleitung der Barmherzigen Schwestern nicht länger gegen die schon lange diskutierte und von vielen Schwestern befürchtete Änderung der Tracht stellen. Die ersten Der neue Erzbischof von München und KandidaFreising, Julius Kardinal Döpfner, drängte tinnen in der neuen die Barmherzigen Schwestern zur ÄndeTracht im rung ihrer Ordenskleidung, noch bevor Treppenhaus das 1965 erlassene Dekret des Zweiten des MutterVatikanischen Konzils dies ausdrücklich hauses im forderte: „17. Das Ordensgewand als ZeiJahr 1959 chen der Weihe sei einfach und schlicht, arm und zugleich schicklich, dazu den gesundheitlichen Erfordernissen, den Umständen von Zeit und Ort sowie den Erfordernissen des Dienstes angepasst. Ein Gewand, das diesen Richtlinien nicht entspricht, muss geändert werden. Das gilt sowohl für Männer wie für Frauen.“ 202 Im Jahr 1963 bekamen zunächst nur die neu eingekleideten Novizinnen ein neues Ordenskleid. Die Mutterhauschronistin, die den Bruch mit der alten Tradition sehr bedauerte, notierte dazu: „1963 brachte dem Orden das, vor dem schon lange gebangt wurde: den Verlust der Flügelhaube.“ Ab 1964 folgte die Umkleidung aller Schwestern: „Wir vollzogen den Akt der Umkleidung im Gehorsam gegen die Kirche, von deren Oberhaupt sie empfohlen und gegenüber dem Erzbischof unserer Diözese, Julius Kardinal Döpfner, von dem sie strengstens verlangt wurde.“ 203 Die alte Flügelhaube wurde durch einen einfachen wei- Generaloberin Schwester M. Mildgitha Bachleitner bei einer Audienz bei Papst Johannes XXIII. (1961) 253 Festschrift der Barmherzigen Schwestern ßen Schleier ersetzt, der nur das Gesicht frei ließ. Nach 1972 konnten sich die Schwestern wahlweise zwischen diesem Schleier und dem neu eingeführten Schleier entscheiden, der auch den Haaransatz sichtbar machte. Das weiße Schultertuch der alten Tracht wurde durch einen kleinen weißen Kragen ersetzt. Nicht alle Schwestern waren gegen die Einführung des schlichteren Schleiers an Stelle der alten Flügelhaube: „Der Verlust und das Verschwinden der Flügelhaube wurde von vielen bedauert und betrauert, von manchen begrüßt.“ 204 Manche Schwester mag die Abschaffung der alten Kopftracht auch als Erleichterung angesehen haben. Waren die Flügelhauben doch alles andere als pflegeleicht gewesen. Aufwändig mussten sie gestärkt werden, und das Feststecken der Haube war eine Kunst, die junge Schwestern erst erlernen mussten. Allerdings verloren die Barmherzigen Schwestern mit ihren Flügelhauben auch ihr „Markenzeichen“, das sie vorher unverwechselbar gemacht hatte. Die neue Tracht konnte nun leicht mit der Ordenskleidung anderer Gemeinschaften verwechselt werden. Das Ordenskleid, das „heilige Kleid“, blieb auch weiterhin ein einfaches schwarzes Gewand. Dieses wird nach wie vor in der Kirche getragen. Für den Arbeitsalltag wurde das weiße Arbeitsgewand der Schwestern beibehalten. Neu hinzu kamen in den kommenden Jahren das pflegeleichte, aber dennoch festliche dunkelblaue Kleid und das graue Kleid für Urlaub und Freizeit. Neue Lebensordnung für die Schwestern Neue Ordenstracht ab 1964 (Puppe aus dem Schaukasten im Mutterhaus) 254 Das Zweite Vatikanische Konzil sollte noch weiter reichende Folgen für die Kongregation haben. Neben thematischen Schwerpunkten wie der Erneuerung der Liturgie, dem Selbstverständnis der Kirche allgemein, der christlichen Ökumene und dem Umgang der Kirche mit nichtchristlichen Religionen befasste sich das Konzil auch mit der Frage nach einer Reform des Ordenslebens. Von dem dazu im Oktober 1965 veröffentlichten Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens „Perfectae Caritatis“ waren auch die Barmherzigen Schwestern betroffen. Alle Ordensgemeinschaften wurden aufgefordert, in den nächsten Jahren ein Generalkapitel einzuberufen, das die Ordensregeln und -statuten darauf überprüfen sollte, ob sie noch zeitgemäß wären. Neue Herausforderungen für den Orden in einer säkularisierten Gesellschaft In den folgenden Jahren setzten sich die Barmherzigen Schwestern in mehreren außerordentlichen Reformkapiteln mit der Erneuerung ihrer Gemeinschaft auseinander. Ein erstes Ergebnis dieser Beratungen war die 1970 vom Erzbischof approbierte neue Lebensordnung. Sie ist in erster Linie eine Überarbeitung der alten Einkleidung Ordensregeln, die rechtlichen Bestimund Profess in der neuen mungen wurden nur in den Anhang Ordensaufgenommen und in den folgenden tracht im Jahren weiter überarbeitet. Die heute Mai 1965 mit gültige Lebensordnung von 1985 ist Julius Kardidas Ergebnis dieses langen Prozesses. nal Döpfner Viele der neuen Regelungen betrafen das alltägliche Leben der Schwestern.207 War früher der Alltag einer Barmherzigen Schwester stark reglementiert, sollte nun der einzelnen Schwester mehr persönliche Freiheit eingeräumt werden. An die Stelle der früher üblichen starken Kontrolle, die bis zur Zensur der Post gereicht hatte, sollte nun die weitgehende Eigenverantwortlichkeit der Schwester treten. So fielen die früher sehr strengen Beschränkungen von Fernseh- und Radiokonsum. Die Urlaubs- und Taschengeldregelungen wurden weiter gelockert. Ab 1973 durften die Schwestern, wenn sie es wünschten, ihren gesamten Urlaub in ihrer Heimat verbringen. Zunehmend wurde ihnen auch gestattet an Freizeitaktivitäten wie Bergwandern teilzunehmen, wofür das Tragen von Freizeitkleidung erlaubt wurde. Seit 1969 war es den Schwestern freigestellt, ihren Taufnamen beizubehalten, selbst einen Ordensnamen zu Kandidatinnen beim Federballspiel im Mutterhausgarten (ca. 1960) 255 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Ordenstracht bis 1964 (Puppe aus dem Schaukasten des Mutterhauses) wählen oder sich für einen Doppelnamen zu entscheiden. 1971 wurde die Kandidatinnentracht abgeschafft. Bis zur Einkleidung trugen die Kandidatinnen nun ihre eigene zivile Kleidung. Für die Zeit zwischen der ersten zeitlichen Profess und der Profess auf Lebenszeit wurde die Bezeichnung „Juniorat“ eingeführt. Während dieses Juniorats sollten die jungen Schwestern nicht nur fachlich, sondern auch spirituell unter Anleitung einer dazu bestimmten Junioratsleiterin weitergebildet werden. Die Lebensordnung von 1970 beschränkte die Arbeitszeit auf höchstens 54 Wochenstunden. Damit lag die Höchstarbeitsdauer zwar noch um einiges über der tariflichen Arbeitszeit, aber die Regelung sicherte den Schwestern erheblich mehr Zeit für Erholung als früher. Das Radfahren, das den Augsburger Barmherzigen Schwestern bereits 1954 genehmigt worden war, wurde nun auch den Münchner Schwestern erlaubt. Diese Neuerung war für die Schwestern nicht nur ein weiteres Freizeitvergnügen, sondern für manche Schwester – beispielsweise in der ambulanten Pflege – auch eine sehr große Erleichterung. Ein Teil der Schwestern, in erster Linie die älteren, sah die vielen neuen Freiheiten mit Besorgnis. Die Flügelhaube der Barmherzigen Schwestern Vinzenz von Paul hatte für die von ihm gegründeten neuen Ordensgemeinschaften gefordert, sie sollten auf Ordenskleidung verzichten und stattdessen Alltagskleidung tragen. So beruht die Kleidung der vinzentinischen Gemeinschaften auf der damals in den unteren Schichten üblichen Bekleidung. Während diese Kleidung jedoch der Mode unterworfen war und sich im Laufe der Jahrhunderte änderte, blieben die Ordensleute bei der alten Kleidung. Mädchen und Frauen hatten früher alle eine Kopfbede- 256 ckung zu tragen. So geht die Flügelhaube der Barmherzigen Schwestern auf die Kopfhaube der bretonischen Landmädchen zurück, erfuhr allerdings im Laufe der Zeit einige Abänderungen. Die auffällige Haube wurde schnell zum Erkennungs- und Markenzeichen der Barmherzigen Schwestern. Allerdings erregte sie bei manchem auch Anstoß. Der Hildesheimer Bischof hatte deshalb bei der Gründung des dortigen Mutterhauses auf einer Änderung der Ordenstracht bestanden. Aus Rücksicht auf die Neue Herausforderungen für den Orden in einer säkularisierten Gesellschaft Doch ein Großteil, vorwiegend die jüngeren, freute sich über die neuen Bestimmungen und traute sich einen verantwortlichen Umgang mit den neuen Freiheiten zu. Auch sie waren Kinder ihrer Zeit und hätten die alten restriktiven Regelungen, die die älteren Generationen noch als selbstverständlich akzeptiert hatten, immer weniger verstanden und als Schikanen empfunden. Die ehemalige Generaloberin Schwester M. Gundebalda Engelhart bei ihrer Diamantenen Profess im Jahr 1990. Neben ihr steht ihre Nachfolgerin, die damals amtierende Generaloberin Schwester Maria Siglinde Reichart. Wandel des Superiorenamtes Auch in der Ordensleitung waren die Schwestern gewillt, mehr Eigenverantwortung zu übernehmen. So begannen sie, die Notwendigkeit des Superiors als einer Art männlichen Geschäftsführers des Ordens zu hinterfragen. Der tatsächliche Einfluss des Superiors war auch früher schon abhängig gewesen von den jeweiligen Persönlichkeiten des Amtsinhabers und der Generaloberin. Das Amt an sich war jedoch nie in Frage gestellt worden. Immer war die Notwendigkeit anerkannt worden, dass die Barmherzigen Schwestern als Frauenkongregation einen vom Bischof eingesetzten PriesDiasporasituation der katholischen Kirche in der überwiegend protestantischen Umgebung mussten die Schwestern auf die Aufsehen erregende Haube verzichten und stattdessen schwarze Schleier tragen.205 Auch mancher Arzt beanstandete die Flügelhaube. In erster Linie hielten die Chi rurgen die ausladende Haube beim Einsatz im Operationssaal für unpraktisch und unhygienisch. So berichtet die Mutterhauschronik, dass Prof. Dr. Lexer, der Nachfolger Prof. Sauerbruchs an der Chi rurgischen Klinik, bei seinem Amtsantritt 1928 darauf bestanden habe, die Schwes- tern müssten sich von ihrer Haube trennen: „Die müsst ihr weg tun!“ 206 General oberin Schwester M. Desideria Weihmayer besprach das Problem mit Kardinal von Faulhaber, der ihr riet, der Forderung des Professors zu entsprechen. Nur dem Einfallsreichtum der erfahrenen Schwester M. Potamiena Maier war es zu verdanken, dass sich die Operationsschwestern nicht damals schon von ihrer Flügelhaube trennen mussten. Sie ließ einen Überzug aus einem feinen, waschbaren Stoff anfertigen, den die OP-Schwestern über ihre Haube ziehen konnten. Mit dem Ergebnis gab sich auch der Professor zufrieden. 257 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Verabschiedung von Superior Prälat Joseph König im Juli 2001 durch Schwester M. Adelinde Schwaiberger und Schwester M. Hiltrudis Zehetmaier in ihren damaligen Funktionen als Generaloberin bzw. Generalvikarin ter benötigten, der ihre Interessen nach außen vertrat und die Ordensgeschäfte beaufsichtigte. Noch bei der Änderung der Statuten im Jahr 1942 war unter dem sehr einflussreichen Superior Pfaffenbüchler und dem stark in die Geschicke des Ordens eingreifenden Kardinal von Faulhaber das Amt des Superiors gestärkt worden. In der Nachkriegszeit emanzipierten sich die Schwestern nach und nach von diesem männlichen Führungsanspruch. Das Generalkapitel im Februar 1966 stellte die Weichen für die Zukunft, indem es das Amt der Generalökonomin mit umfassenden Kompetenzen für die Leitung der gesamten Ökonomie der Kongregation einrichtete. In Schwester M. Iphigenia Insam hatte der Orden eine sehr fähige Schwester für dieses Amt gefunden, die von Bad Adelholzen aus über zwei Jahrzehnte kompetent und selbstständig die wirtschaftlichen Geschicke leitete. Als sie 1987 in den Ruhestand ging, übernahm Schwester M. Theodora Werner dieses verantwortungsvolle Amt vom Mutterhaus aus, in dessen Verwaltung sie schon seit 1981 tätig war. Das Amt des Superiors hatte immer aus zwei unterschiedlichen Aufgabenbereichen bestanden, der Beratung der Schwestern in wirtschaftlichen und geistlichen Fragen. Mit der Einführung des Amts der Generalökonomin nahm der Einfluss des seit 1947 amtierenden Superior Karl Nißl auf die Geschäftsführung des Ordens ab. Somit trat seine Funktion als geistlicher Begleiter der Schwestern mehr in den Vordergrund. Auf Wunsch der Schwestern genehmigte Kardinal Döpfner 1965 zudem das Amt eines Spirituals für die Kongregation. So erhielten sie in dem Priester Dr. Peter Kern einen weiteren spirituellen Begleiter. Als jedoch im Jahr 1972 sowohl Superior Nißl als auch Spiritual Dr. Peter Kern ihr Amt niederlegten, fasste Kardinal Döpfner beide Ämter wieder unter der Bezeichnung Superior zusammen. Doch im Grunde wurde nur noch die alte Bezeichnung übernommen. Der Aufgabenbereich des neu ernannten Superiors Joseph König entsprach 258 Neue Herausforderungen für den Orden in einer säkularisierten Gesellschaft weit mehr dem eines Spirituals als dem des Superiors im herkömmlichen Sinne. Er sollte in erster Linie geistlicher Begleiter der Ordensschwestern sein. Der Superior wurde in der neuen Lebensordnung von 1970 nicht mehr als Teil der Ordensleitung aufgeführt. Im Ordensrat hatte er nur noch eine beratende Stimme. Bis zu seinem Ruhestand im Jahr 2001, also ganze 29 Jahre lang, begleitete Prälat König die Kongregation als Superior „der neuen Art“ durch eine Zeit, die mit vielen Veränderungen und Umwälzungen für die Schwestern verbunden war. Er sollte der letzte Superior sein. Sein Nachfolger Pater Prof. Dr. Robert Lachenschmid SJ steht den Schwestern seit dem 1. September 2001 als Spiritual zur Seite. Demokratische Gestaltung der Ordensleitung Das Generalkapitel von 1966 führte nicht nur das Amt der Generalökonomin ein, sondern gestaltete die Ordensleitung gemäß der Vorgaben des Konzils demokratischer.208 Die oberste Autorität des Ordens sollte nicht mehr die Generaloberin sein, sondern das Generalkapitel. Dieses wird alle sechs Jahre von allen Professschwestern gewählt. Wählbar sind alle Schwestern, die bereits die Profess auf Lebenszeit abgelegt haben. Dem Generalkapitel gehören neben den gewählten Schwestern kraft ihres Amtes die amtierende Generalleitung und die ehemaligen Generaloberinnen an. Wie viele Delegierte in das Generalkapitel zu wählen sind, kann der Generalrat festlegen, allerdings sollen die gewählten Delegierten imVerhältnis zu der amtierenden Generalleitung mindestens zwei Drittel des Generalkapitels ausmachen. In der Regel sitzen etwa 30 Schwestern im Generalkapitel. Dieses Gremium berät und entscheidet alle wichtigen Ordensangelegenheiten und legt für alle Schwestern verbindliche Richtlinien fest.Wenn besonders schwerwiegende Die seit 2004 amtierende Ordensleitung. Von links: Generalsekretärin Schw. Anna Maria Burgauer, Schw. M. Vinzentia Moll, Generalökonomin Schw. M. Theodora Werner, Generaloberin Schw. M. Theodolinde Mehltretter, Schw. M. Adelinde Schwaiberger, Schw. M. Epiphania Böhm, Schw. M. Evelina Franzl und Generalvikarin Schw. M. Veneranda Sachsenhauser; nicht auf dem Bild: Schw. Rosa Maria Dick, Beauftragte für Fortund Weiterbildung 259 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Entscheidungen anstehen, kann die General oberin auch ein außeror3CHWESTERNSCHAFT WAHLBERECHTIGTALLE0ROFESSSCHWESTERN dentliches Generalkapitel WiHLBARALLE3CHWESTERNMIT%WIGER0ROFESS einberufen, das allerdings WiHLTALLE*AHRE dann wieder neu gewählt werden muss. Eine der wichtigsten 'ENERALKAPITEL BESTEHTAUSDENGEWiHLTEN$ELEGIERTENMINDESTENS Aufgaben des GeneralUNDDERAMTIERENDEN'ENERALLEITUNG kapitels ist die Wahl des WiHLTALLE*AHRE neuen Generalrats. Dieser besteht aus der General oberin und fünf Gene'ENERALRAT ralrätinnen. Die Gene'ENERALOBERIN'ENERALRiTINNEN raloberin war zwar auch 'ENERALOBERINERNENNTEINEDER'ENERALRiTINNENZUR 'ENERALVIKARIN früher schon von den 3TELLVERTRETERINDER'ENERALOBERIN Schwestern des OrdensUND/BERINDES-UTTERHAUSKONVENTS rates unterstützt und 'ENERALOBERINERNENNT3CHWESTERN beraten worden, seit 1966 F~RDIEFOLGENDEN_MTER wurden die Ratsschwes'ENERALyKONOMINDARFKEINE'ENERALRiTINSEIN tern jedoch stärker mit in die Verantwortung einge'ENERALSEKRETiRIN bunden. Der in Generalrat umbenannte Ordens"EAUFTRAGTEF~RDIE&ORTUND7EITERBILDUNG rat wurde von einem rein beratenden Gremium zu einem beschlussfähigen Gremium mit echter Mitbestimmung. 1966 wurde auch das neue Amt der Generalvikarin eingeführt. Die Generaloberin ernennt eine ihrer Generalrätinnen zur Vikarin, die sie als ihre Stellvertreterin und Hausoberin des Mutterhauskonvents entlasten soll. Die Generaloberin ernennt mit Zustimmung des Generalrats Schwestern für die Ämter der Generalökonomin, der Generalsekretärin und der Beauftragten für die Fort- und Weiterbildung. Als weitere Ämter sind vorgesehen die Leiterinnen des Postulats, des Noviziats und des Juniorats. Diese Ämter sind wegen des fehlenden Nachwuchses derzeit jedoch nicht besetzt. Die in die Ämter berufenen Schwestern können dem Generalrat angehören, müssen es aber nicht. Eine Ausnahme stellt die Generalökonomin dar. Sie darf nicht gleichzeitig dem Generalrat angehören. Der Generalrat tagt in der Regel einmal monatlich. Die Inhaberinnen der Ämter nehmen, falls sie keine Generalrätinnen sind, an diesen Beratungen nur teil, wenn es um 'ENERALLEITUNG $IE/RDENSLEITUNG Aufbau der Ordens leitung 260 KyNNEN'ENERALRiTINNENSEIN 1UELLE%IGENER%NTWURFDER!UTORINAUFDER'RUNDLAGEDER,EBENSORDNUNGDER+ONGREGATION DER"ARMHERZIGEN3CHWESTERNVOMHL6INZENZVON0AUL-UTTERHAUS-~NCHENVON Neue Herausforderungen für den Orden in einer säkularisierten Gesellschaft Belange geht, die ihr Amt betreffen. Eine Ausnahme bildet die Generalsekretärin, die zur Unterstützung des Generalrats bei allen Sitzungen zugegen ist. Die Generalleitung wird gebildet aus dem Generalrat mit der Generaloberin und den Inhaberinnen der genannten Ämter. Der aktuellen, im Jahr 2004 gewählten Generalleitung gehören neun Schwestern an. Die nach den Veränderungen in der Ordensleitung ins Amt gewählten Generaloberinnen wollten die gewandelte Stellung der Generaloberin auch in ihrer Anrede deutlich machen. Die ab 1968 amtierende Generaloberin Schwester M. Gundebalda Engelhart ließ sich nicht mehr mit der früher üblichen Bezeichnung „Ehrwürdige Mutter“ ansprechen, sondern wünschte nur noch „Mutter Gundebalda“ genannt zu werden. Ihre Nachfolgerin Schwester M. Siglinde Reichart bat ihre Mitschwestern, weiterhin bei der Anrede „Schwester“ zu bleiben. Da es mancher Schwester schwer fiel, die Generaloberin wie jede andere Mitschwester anzusprechen, entsprach die neue Generaloberin schließlich dem Wunsch vieler Schwestern, auch den ersten Teil ihres Ordensnamen „Maria“ auszusprechen und ließ sich Schwester Maria Siglinde nennen. Bei ihren beiden Nachfolgerinnen im Amt, Schwester M. Adelinde Schwaiberger und Schwester M. Theodolinde Mehltretter, war die Beibehaltung der Anrede „Schwester“ schon kein Thema mehr. Schwierige Phase nach dem Konzil Nicht wenige Katholiken bedauerten, dass mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil, das viele Neuerungen und Änderungen nach sich zog, manche alte Traditionen aufgegeben wurden. Außerdem befürchteten etliche Gläubige eine mit dem Glauben nicht zu vereinbarende Anpassung an den Zeitgeist. Kritik gab es auch aus den Reihen der Barmherzigen Schwestern. Zeitweise war sogar die Einigkeit der Schwesternschaft gefährdet. Viele, vorwiegend ältere Schwestern standen den Veränderungen skeptisch gegenüber. Besorgt und verunsichert beobachteten sie die Entwicklung. Auf der anderen Seite standen Schwestern, die voll Hoffnung und Aufbruchstimmung in die Zukunft blickten und denen teilweise die Reformen noch zu wenig waren. Hinzu kam, dass sich alle Ordensangehörigen gezwungen sahen, sich mit ihrem bisherigen Selbstverständnis auseinanderzusetzen. Das Zweite Vatikanische Konzil sieht jeden getauften Christen in gleicher Weise zur Heiligkeit berufen. Dadurch wurde das bisherige Selbstverständnis von Ordensangehörigen von ihrer besonderen Berufung in Frage gestellt. Nach früherer Auffassung gab es grundsätzlich zwei Wege, das Heil zu erlangen: 261 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Links: Mutterhauskirche nach der Neugestaltung im Jahr 1971 Rechts: Madonna in der Mutterhauskirche (1978) Den Weg eines gewöhnlichen Christen, der durch die Befolgung der Gebote das ewige Heil erlangen konnte, und den besonderen Weg der Ordensleute, die durch die Einhaltung der drei Evangelischen Räte, der Ehelosigkeit, der Armut und des Gehorsams, ihre Heiligung erreichten. Dieser zweite Weg galt als der höherwertige. Der Stand der Ordensleute wurde bereits im Diesseits als ein Stand der Vollkommenheit angesehen. Das Konzil räumte mit diesen Vorstellungen auf und sah das Leben als Mönch oder Nonne als eine mögliche Form von vielen gleichwertigen Lebensformen, in denen ein Christ sich vervollkommnen könne. Dieses gewandelte Bild von Berufung mag mit dazu beigetragen haben, dass die Lockerung der früheren strengen Regeln für das Alltagsleben der Schwestern nicht den erhofften Anstieg von Eintritten zur Folge hatte. Im Gegenteil, die Zahl der Kandidatinnen ging weiter drastisch zurück. Waren 1967 noch acht Kandidatinnen eingetreten, waren es 1968 nur noch drei, 1969 zwei und 1970 eine Kandidatin. Noch deutlicher zeigt die ungewöhnlich hohe Zahl an Austritten in den Jahren 1969 mit acht und 1970 mit neun, wie groß die Verunsicherung der Barmherzigen Schwestern in dieser Zeit des Umbruchs war.209 Aber wie jede Krise barg auch diese die Chance eines Neuanfangs. Die Barmherzigen Schwestern nutzten diese zur Entwicklung eines neuen Selbstverständnisses und zur spirituellen Erneuerung. Sie besannen sich in zunehmendem Maße auf ihre vinzentinischen Wurzeln. Einerseits versuchten sie, neu zu definieren, wie das vinzentinische Apostolat der tätigen 262 Neue Herausforderungen für den Orden in einer säkularisierten Gesellschaft Nächstenliebe in einer veränderten Zeit mit immer weniger Barmherzigen Schwestern zu erfüllen sei. Andererseits setzten sie sich verstärkt mit der besonderen Spiritualität des Ordensgründers auseinander.Vinzenz von Paul hatte das Gebet und das Leben mit dem Evangelium, das heißt, seine enge Verbindung zu Gott, immer als Basis seiner Arbeit für den Nächsten gesehen: „Je mehr wir an der eigenen Vervollkommnung arbeiten, um so besser sind wir fähig, dem Nächsten gut zu sein.“ 210 Die spirituelle Weiterentwicklung der Schwestern trat nun mehr in den Mittelpunkt und neben der fachlichen Weiterbildung wurden nun auch die spirituellen Angebote weiter ausgebaut. Eine weitere Folge dieser Rückbesinnung auf die vinzentinischen Wurzeln war die verstärkte Zusammenarbeit mit den anderen von Straßburg ausgegangenen Mutterhäusern ab Mitte der 1960er Jahre. In der Bündelung ihrer Kräfte sahen die Barmherzigen Schwestern einen wichtigen Lösungsansatz, ihre Gemeinschaften zukunftsfähig zu machen. 13.3. Zusammenarbeit in der Vinzentinischen Föderation Der Kontakt zwischen den von Straßburg aus gegründeten Mutterhäusern mit ihrem Stammmutterhaus in Straßburg und auch untereinander war nie ganz abgerissen. In der Amtszeit von Schwester Marie Ange Vogel als Straßburger Generaloberin (1946 – 1964) intensivierten sich diese Beziehungen. So notierte die Ordenschronistin 1956: „In Straßburg knüpft man seit der Ernennung von Sr. Marie Ange zur Generaloberin immer mehr Verbindung mit den von Straßburg ausgegangenen Mutterhäusern, so auch mit München. Am 28. Juni kamen abends per Wagen die Mutter Ange mit 2 Begleitschwestern an… Der Eindruck der Besucherinnen war denkbar gut. Sie besitzen spürbar den Geist, den man aus dem Buch von Mutter Ignatia lesen kann.“ Die Münchner trugen auch ihren Teil zur weiteren Verbesserung der Beziehungen bei, wobei man auf ein bewährtes bayerisches Mittel zurückgriff: „Vor der Abreise von Mutter Ange sandte Hängende man gutes Münchener Bier (Export) nach Statue des Straßburg, das am Vinzenztag ankam und hl. V inzenz große Freude machte.“ 211 in der In der nachkonziliaren UmbruchsiMutterhaus tuation entschlossen sich die Straßburger kirche 263 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Gründungen, noch enger zusammenzuarbeiten, um gemeinsam den Konzilsauftrag der Erneuerung des Ordenslebens umzusetzen. Im Mai 1966 hatte auf Anregung des Konzils ein Treffen aller Generaloberinnen der Bundesrepublik Deutschland stattgefunden. Neben dem offiziellen Tagungsgeschehen kam es dabei zu einer vorsichtigen Annäherung der Angehörigen der vinzentinischen Gemeinschaften. Die Idee eines Zusammenschlusses wurde hier bereits geboren. In der Folge trafen sich die von Straßburg aus gegrünDas Föderationskreuz deten Gemeinschaften zu regelmäßigen Tagungen, auf denen sie die anstehenden Reformen diskutierten und ab 1968 begannen, eine gemeinsame Lebensordnung auszuarbeiten. Ergebnis war die Lebensordnung von 1970. Im November 1970 schlossen sich zunächst zehn von Straßburg mittelbar oder unmittelbar gegründete Mutterhäuser an historischem Ort, im Mutterhaus Straßburg, zur Vinzentinischen Föderation zusammen.212 Inzwischen gehören der Föderation zwölf Mutterhäuser an. Zu den zehn Gründungsmitgliedern (Straßburg, Augsburg, Freiburg, Fulda, Heppenheim, München, Paderborn, Hildesheim, Untermarchtal und Innsbruck mit den Provinzen Meran und Treviso) kamen die Mutterhäuser Mananthavady/ Indien und Dong-Suwon/Südkorea hinzu. Als Zeichen ihrer Zusammengehörigkeit tragen die Schwestern eine kleine Silberplakette als Anhänger. Ein Kreuz ruht auf einem Anker, dem Symbol für Halt und Hoffnung. Der Anker verweist mit seiner V-Form auch gleichzeitig auf den Ordensgründer Vinzenz von Paul. Rund um das Kreuz, das symbolhaft die Mitte bildet, sind viele Menschen zu erkennen, womit die vinzentinische Idee der Gottesliebe durch praktizierte Nächstenliebe versinnbildlicht ist. Ziel der Föderation war und ist, die Unabhängigkeit der einzelnen Mutterhäuser in ihren unterschiedlichen Ausprägungen beizubehalten und dennoch die Zusammenarbeit auszubauen. Die Kooperation reicht von gemeinsamen Noviziatsschulungen, Fort- und Weiterbildungen, Begegnungstagen bis zur Veröffentlichung der gemeinsamen Zeitschrift „heute“. Ab 1979 überarbeitete die Föderation die Lebensordnung von 1970. Ergebnis war die gemeinsame Lebensordnung von 1984, deren Approbation je nach 264 Neue Herausforderungen für den Orden in einer säkularisierten Gesellschaft &ULDA %RFURT )NDIEN &REIBURG 3TRABURG (EPPENHEIM +AMERUN :AMS 0ADERBORN +OREA (ILDESHEIM 0ERU 5NTERMARCHTAL -~NCHEN )NNSBRUCK 4ANSANIA -ERAN 7IEN 'RAZ 0ROVINZVON)NNSBRUCK 4REVISO 3ZATHMAR 3ALZBURG :AGREB !UGSBURG 0ROVINZVON)NNSBRUCK 1UELLE6ORLAGEAUS"3-~!VON!UTORINUMGESTALTET Alle direkt oder indirekt von Straßburg aus gegründeten Gemeinschaften Zuständigkeit durch den Bischof bzw. durch Rom in den Jahren zwischen 1984 und 1986 erfolgte. Die Lebensordnung der Münchner Kongregation wurde 1985 vom Erzbischof von München und Freising approbiert. Auf jährlichen Tagungen pflegen die Mitglieder der Föderation einen regen Gedankenaustausch. Sie arbeitet auch mit den übrigen vinzentinischen Gemeinschaften zusammen, beispielsweise durch die Mitarbeit bei MEGVIS, der Mittel-Europäischen Gruppe für Vinzentinische Studien, die ihren Sitz in Köln hat. MEGVIS veröffentlicht Studienberichte rund um den hl.Vinzenz und seine Spiritualität. Jede Vinzentinerin, jeder Vinzentiner kann dafür Beiträge liefern. Seit 1994 gehören alle Mitglieder der Föderation offiziell auch zu der großen Vinzentinischen Familie der „Töchter der Liebe“ und der Lazaristen, die auf die direkte Gründung durch den hl.Vinzenz von Paul zurückgehen. In Rom wurde 1994 die Affiliation der vinzentinischen Gemeinschaften mit einer Urkunde besiegelt, wodurch nun alle Gemeinschaften gegenseitig Anteil an den geistigen Gütern haben: „Affiliation ist die gegenseitige 265 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Teilnahme an allen geistlichen Verdiensten durch Gebete und Augsburg 187 – – gute Werke und die Teilnahme Freiburg 240 – – an den Früchten der EuchaFulda 180 – – ristiefeiern, die die Mitglieder Heppenheim 66 – – der beteiligten Gemeinschaften Hildesheim 155 1 – vollbringen.“ 213 Perú 40 6 3 Einige Mutterhäuser der Innsbruck 158 – – Meran 102 – – Föderation hatten versucht, Treviso 26 1 – ihr Nachwuchsproblem Tansania 83 12 15 durch den Einstieg in die Dong-Suwon/ 217 4 10 Mission zu beheben. Auch Südkorea im Münchner Mutterhaus Mananthavady 227 4 15 München 453 – – wurde eine Zeitlang diese Paderborn 399 – – Idee diskutiert, aber wieder Straßburg 149 – – fallen gelassen, da die betrefUntermarchtal 463 3 3 fenden Mutterhäuser inzwiTansania 183 17 10 schen erkannt hatten, dass die Quelle: „heute“ 1/2007 Mission kein zukunftsträchtiger Weg war, um Nachwuchs für Deutschland zu gewinnen. Schnell hatten sie einsehen müssen, dass es mehr Sinn machte, die Schwestern in ihrer Heimat zu belassen und vor Ort wirken zu lassen. Bald entwickelten sich Missionen zu selbstständigen Mutterhäusern. In München gab es Anfang der 1970er Jahre Versuche, kleine Schwesterngemeinschaften in den herkömmlichen Aufgabenbereichen in den Niederlassungen neben dem mehrheitlich weltlichen Personal zu belassen. Dieser Ansatz wurde wegen verschiedener damit verbundener Probleme wieder aufgegeben.214 ProfessSchwestern Schwesternzahl der Föderation bei der Föderationstagung im Oktober 2006 in Hildesheim Novizinnen Postulantinnen * 266 K a p i t e l 14 Die Kongregation heute Das Nachwuchsproblem wurde in den letzten 20 Jahren immer gravierender. 1988 war zum letzten Mal eine Kandidatin eingetreten, verließ aber einige Jahre später den Orden wieder. Somit ist die 1960 geborene und 1983 eingetretene Schwester M. Katharina Blümlhuber heute die jüngste Schwester. Das Gros der Schwestern ist bereits älter als 65 Jahre. Aufgrund des fehlenden Nachwuchses waren der Mitgliederschwund und die starke Überalterung schon seit den 60er Jahren absehbar. Die erste und wichtigste Konsequenz, die die Ordensleitung aus dieser Entwicklung zog, war die Konzentration der Kräfte auf die ordenseigenen Häuser. Der Rückzug aus den nichtordenseigenen Niederlassungen der Kranken- und Altenpflege ist heute beinahe abgeschlossen. Von den im Jahr 2007 verbliebenen 28 Niederlassungen sind 15 ordenseigen. Von den 13 nichtordenseigenen Niederlassungen sind nur noch 6 aus dem traditionellen Aufga!UFGABENBEREICHE 3ONSTIGE .EUE0ROJEKTE %RHOLUNGSHEIM 3CHULE ,ANDWIRTSCHAFT +INDERUND *UGENDPFLEGE !LTENPFLEGE (AUSHALT +RANKENPFLEGE AMBULANT +RANKENPFLEGE Tätigkeitsfelder der Kongregation im Jahr 2007 267 Festschrift der Barmherzigen Schwestern bengebiet der Barmherzigen Schwestern und nur noch mit sehr kleinen Konventen besetzt. Neben der Konzentration auf die eigenen Häuser schlug die Ordensleitung noch einen zweiten Weg für die Zukunft ein. So erschloss sich der Orden in den letzten zwei Jahrzehnten neue Tätigkeitsfelder, einerseits den Bereich der Seelsorge und der spirituellen Lebenshilfe, andererseits den Bereich sozialer und psychologischer Hilfe für verschiedene Randgruppen der Gesellschaft. Für diese Aufgaben stellte der Orden einzelne Schwestern oder kleine Gruppen ab. Zum überwiegenden Teil sind andere Organisa tionen die Träger dieser Initiativen. So sind die weiteren sieben nichtordenseigenen Einrichtungen, für die die Kongregation heute noch Schwestern stellt, im Bereich neuer Projekte zu finden.215 14.1. Rückzug aus den traditionellen Einsatzbereichen in nichtordenseigenen Niederlassungen Nur wenige Schwestern sind heute noch in ordensfremden Einrichtungen in den traditionellen Aufgabengebieten tätig. Heute arbeiten noch zwei Schwestern in der ambulanten Sozialstation in Oberstdorf. Auch in den Haushalten des Spätberufenenseminars St. Matthias in Waldram und im Herzoglichen Georgianum in München sind ebenfalls je zwei Schwestern beschäftigt. Im Münchner Bischofshof arbeiten nach wie vor Schwester M. Adelberga Öttl im Haushalt und Schwester M. Solemnis Simmelbauer als Sekretärin. Als einzige in der Krankenpflege in einer Münchner Universitätsklinik verbliebene Schwester ist Schwester M. Belanda Schneider an der Psychiatrischen Klinik tätig. Nur im inzwischen von der Caritas geführten Kinderheim St. Vinzenz in Landshut besteht in einem ordensfremden Haus und in einem traditionellen Aufgabengebiet noch ein größerer Konvent von fünf Barmherzigen Schwestern. Im Kinderheim werden heute an die 60 Kinder betreut, für die das Jugendamt aufgrund problematischer Familienverhältnisse zumindest vorübergehend eine Heimunterbringung für die bessere Lösung hält. Daneben wurden in den letzten Jahren Betreuungsangebote wie Krippe und Hort weiter ausgebaut, da diese wegen der häufigeren Berufstätigkeit beider Elternteile immer mehr nachgefragt werden. Das neueste Hilfsangebot richtet sich an jugendliche allein erziehende Frauen, denen durch die Betreuung ihrer Kleinkinder die Möglichkeit gegeben wird, die eigene Ausbildung abzuschließen. Damit soll jungen Frauen bei einer ungewollten Schwangerschaft die Entscheidung für das Kind erleichtert werden. Zwei der Barmherzigen Schwestern in Landshut leisten noch pädagogische 268 Die Kongregation heute Schwester M. Irene Reidinger mit Kindern ihrer Gruppe im Landshuter Kinderheim St. Vinzenz (2006) Arbeit in den Kindergruppen. Die anderen drei Schwestern arbeiten in der Verwaltung bzw. kümmern sich um alles, was in Haus und Garten anfällt. Auch die bereits weit im Rentenalter stehende Oberin Schwester M. Tyella Eichstetter, die bis zur Übernahme durch die Caritas die Heilpädagogische Einrichtung geleitet hatte, lässt es sich nicht nehmen, überall mit anzupa cken, wo es nötig ist.216 14.2. Ordenseigene Häuser Nach wie vor liegt der Tätigkeitsschwerpunkt der Barmherzigen Schwestern in ihren eigenen Häusern in den Bereichen Krankenpflege und Altenpflege. In ihren drei Kliniken sowie sechs Alten- und Pflegeheimen ist neben den inzwischen unverzichtbaren weltlichen Mitarbeitern auch noch eine größere Zahl an Schwestern tätig. Zufriedene Patienten der Kliniken betonen in ihren Dankesbriefen häufig, wie wohltuend sie neben der kompetenten medizinischen Versorgung die besondere, durch die Barmherzigen Schwestern geprägte Atmosphäre empfunden hätten. Zum 1. Januar 1990 wurde die Zentralverwaltung der ordenseigenen Kliniken und derjenigen Altenheime, in denen ausschließlich weltliche Bewohner leben, zur Krankenhaus- und Altenheimdirektion zusammengelegt. Krankenhäuser In den letzten Jahren intensivierte sich die Zusammenarbeit der beiden Münchner Kliniken. Sie erstreckt sich unter anderem auf die Bereiche Küche, Labor und EDV. Kooperationen gibt es aber auch mit Kliniken 269 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Maria-Theresia-Klinik am Bavariaring in München nach Abschluss der Sanierung 2003 anderer kirchlicher Träger. So betreiben das Krankenhaus Neuwittelsbach und die Maria-Theresia-Klinik zusammen mit dem Klinikum Dritter Orden das Zentrum für Radiologie und Nuklearmedizin Nymphenburg, um bei der Anschaffung und beim Betrieb teurer Spezialgeräte Kosten zu sparen. Maria-Theresia-Klinik In der chirurgischen Fachklinik an der Theresienwiese sind noch 22 der rund 100 Beschäftigten Barmherzige Schwestern. Kurz vor der Feier ihres 75-jährigen Bestehens erfuhr die 68-Betten-Klinik eine besondere Auszeichnung. Seit 1. April 2005 ist sie offizielles Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilian-Universität, in dem Medizinstudenten den chirurgischen Teil ihres Praktischen Jahres ableisten können. Krankenhaus Neuwittelsbach In der Fachklinik für Innere Medizin im Münchner Stadtbezirk Neuhausen-Nymphenburg ist der Anteil der Ordensschwestern mit 15 von ca. 180 Beschäftigten geringer als in der Maria-Theresia-Klinik. Das Krankenhaus hat neben den 132 Betten für die stationäre Behandlung 10 teilstationäre Plätze in der angeschlossenen Rheuma-Tagklinik. Neuwittelsbach ist die einzige Rheumaklinik im Großraum München, die über eine Kältekammer verfügt. Sie wird zur Schmerzlinderung eingesetzt. Seit Beginn des Jahres 2007 ist das Krankenhaus als erste nicht-universitäre Klinik Münchens mit einem PET/CT (Positronen-Emissions-Tomographie/Computertomographie) zur Untersuchung von Tumorpatienten ausgestattet. Krankenhaus Vinzentinum In der 82-Betten-Klinik für Innere Medizin in Ruhpolding sind noch acht Barmherzige Schwestern im Einsatz. Als Besonderheit verfügt das Krankenhaus Vinzentinum seit Oktober 2005 über ein Schlafmedizinisches Zentrum, in dem in einem mit 4 Messplätzen ausgestatteten Schlaflabor Schlafstörungen diagnostiziert werden. 270 Die Kongregation heute Alten- und Pflegeheime Ein Großteil der Schwestern befindet sich inzwischen im Ruhestand. Ungefähr die Hälfte der Ruhestandsschwestern verbringt ihren Lebensabend in dem größBetreutes ten ordenseigenen AltenWohnen in und Pflegeheim St. MichaSt. Elisabeth el in Berg am Laim. Die in Teisendorf übrigen leben in den Altenund Pflegeheimen in Unterhaching, Planegg und Alzing. In diesen Häusern bilden die Ruhestandsschwestern etwa zwei Drittel der dort lebenden Ordensschwestern. Das andere Drittel besteht aus arbeitsfähigen Schwestern, die sich zusammen mit dem weltlichen Personal um ihre Mitschwestern und die übrigen Heimbewohner kümmern. In den beiden Alten- und Pflegeheimen in Ruhpolding und Teisendorf leben keine Ruhestandsschwestern, aber zehn bzw. sechs berufstätige Schwestern arbeiten dort bzw. sind in der Leitung tätig. Alle Alten- und Pflegeheime wurden in den letzten Jahren gründlich saniert und den neuesten Erfordernissen angepasst. Kurzzeitpflege ist in allen Häusern möglich. An den Standorten Berg am Laim und Teisendorf wurden zudem Wohneinheiten für Betreutes Wohnen geschaffen. Eine Besonderheit unter den Altenheimen stellt das Schwesternheim St. Hildegard im Siegsdorfer Ortsteil Alzing dar. Das ordensinterne Altenheim dient nicht nur als Alterssitz für über 50 Schwestern, sondern zudem als Erholungshaus für die eigenen Schwestern und für Angehörige anderer Ordensgemeinschaften. Schulen Die Barmherzigen Schwestern betreiben drei Berufsfachschulen: die Berufsfachschule für Krankenpflege Maria Regina in München sowie die Berufsfachschulen für Altenpflege und Krankenpflegehilfe in Ruhpolding. Darin wurde und wird ein großer Teil der später in den eigenen Krankenhäusern und Alteneinrichtungen eingesetzten weltlichen Pflegekräfte ausgebildet. Und die Schwestern legen Wert darauf, dass ihre Schulen weiterhin eine besondere christliche Prägung haben. Dafür wurde ihre Berufsfachschule für Krankenpflege Maria Regina im Jahr 2005 mit dem ersten Preis eines 271 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Praktische Ausbildung zur Krankenpflege (2002) gemeinsamen Wettbewerbs des LandesCaritasverbandes und der Liga Bank ausgezeichnet. Bei diesem Wettbewerb konnten katholische Fachschulen für Pflegeberufe ihr christliches Profil und ihre religiösen Angebote präsentieren. Die Münchner Schule der Barmherzigen Schwestern stellte sich mit ihrem Kursprojekt „Ethik ohne Grenzen“ vor. Dieses einwöchige Seminar bietet die Schule im Rahmen des alljährlichen vierwöchigen Austauschs mit den Schülerinnen und Schülern der Krankenpflegeschulen der Barmherzigen Schwestern in Linz und in Wien an. Das Seminar soll christlich sozialisierten Schülern ihren Glauben neu erfahrbar machen und nichtgläubigen Schülern die Chance geben, den christlichen Glauben kennen zu lernen. Das im Gebäude der Berufsfachschule Maria Regina befindliche Schwesternheim hat einen eigenen Konvent mit elf Barmherzigen Schwestern. Ein Teil davon kümmert sich um das Schwesternheim, dessen Zimmer zu etwa einem Drittel von Schülerinnen der Berufsfachschule belegt sind, die hier wohnen können und verpflegt werden. Der Rest der Zimmer wird an andere junge Auszubildende und Studierende vermietet. Landwirtschaft Die Kongregation betreibt nach wie vor drei landwirtschaftliche Betriebe, die mit ihren Produkten die ordenseigenen Häuser versorgen. So liefert der Primushof Fleisch und Wurstwaren aus der eigenen Metzgerei. Der reine Grünlandbetrieb mit ca. 100 Hektar Weiden und 60 Hektar Wald betreibt in erster Linie Rinderaufzucht und -mast, hält aber auch Schweine und Schafe. Den Sommer verbringen die Jungrinder auf der Bäckeralm. Der Primushof arbeitet eng mit dem Katharinenhof zusammen, der über 140 Hektar Grünund Ackerland und 27 Hektar Wald bewirtschaftet. Beide Betriebe sind zertifizierte Naturland-Betriebe. Der Katharinenhof im Ortsteil Fachendorf der Gemeinde Pittenhart wurde von der Kongregation 1992 nach ökologischen 272 Die Kongregation heute Gesichtspunkten neu aufgebaut. Der Milch erzeugungsbetrieb überlässt die auf dem Katharinenhof geborenen Kälber dem Primushof zur Aufzucht. Die trächtigen Jungkalbinnen kehren wieder auf den Katharinenhof zurück. Der Primus Auch der 130 hof in Hektar große MarxAdelholzen hof in Unterhaching spielt für die Kongregation als Kartoffellieferant für die ordenseigenen Häuser eine große Rolle. Zwar musste die historische Hofanlage in den 1960er Jahren dem Bau des Alten- und Pflegeheimes St. Katharina Labouré weichen, aber dem reinen Anbaubetrieb stehen Wirtschaftsgebäude neben dem Altenheim und seit einigen Jahren zusätzlich eine große Halle auf den Feldern zur Verfügung. Der Marxhof betreibt integrierten Landbau, d.h., durch Berücksichtigung der Boden- und Klimaverhältnisse und entsprechende Wahl der Kulturen und Sorten kann die Verwendung von Düngemitteln und Pflanzenschutzmitteln so gering wie möglich gehalten werden. Vom Marxhof aus werden auch die landwirtschaftlichen Flächen des Waldsanatoriums bei Planegg mitbewirtschaftet. Durch eine Betriebskooperation mit dem Weise-Hof in Unterhaching seit 2002 kann der Betrieb noch effizienter arbeiten. In den ordenseigenen landwirtschaftlichen Betrieben arbeitet heute keine Barmherzige Schwester mehr mit. Adelholzener Alpenquellen GmbH Auch im ordenseigenen Brunnenbetrieb ist heute keine Schwester mehr tätig, seit sich Schwester M. Theodolinde Mehltretter nach ihrer Wahl zur Generaloberin aus der Geschäftsführung zurückgezogen hat. Der Orden weiß sehr zu schätzen, welche Möglichkeiten der erfolgreiche Betrieb ihm bietet, Menschen in Not zu helfen. In großzügiger Weise unterstützen die Barmherzigen Schwestern mit den erwirtschafteten Gewinnen, die nicht für Investitionen benötigt werden, soziale Einrichtungen und Hilfsinitiativen verschiedenster Art. Als ein Beispiel von vie273 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Den ersten Preis des Vinzenz-von-PaulFörderpreises in der Region Süd belegte das Projekt „PROFI“, das in Niederbergkirchen die Familien der Gemeinde unterstützt. Ausgezeichnet wurden die Vertreter des Projekts von Weihbischof Dr. Franz Dietl (2.v.r.), Caritasdirektor Hans Lindenberger (l.) und Schwester M. Theodolinde Mehltretter. len sei der „Vinzenz-von-Paul-Förderpreis“ 217 genannt, den die Kongrega tion zusammen mit der Adelholzener Alpenquellen GmbH gestiftet hat. In Zusammenarbeit mit dem Caritasverband der Erzdiözese München und Freising wird mit dem Preis herausragendes soziales Engagement Ehrenamtlicher honoriert, z. B. in Nachbarschaftshilfen, Besuchsdiensten, Hospizkreisen oder in Flüchtlingshilfen. Bei der erstmaligen Preisvergabe im Jahr 2005 wurden insgesamt 15 Initiativen gefördert. Auch am Ende des Jubiläumsjahres 2007 soll wieder der „Vinzenz-von-Paul-Förderpreis“ im Gesamtumfang von 25.000 € vergeben werden. Innerbetriebliche Fortbildung Die Kongregation beschäftigt in ihren ordenseigenen Häusern und Einrichtungen inzwischen insgesamt etwa 1500 weltliche Mitarbeiter. Auf diese ist sie wegen ihres fehlenden Nachwuchses und ihrer immer älter werdenden Schwestern in steigendem Maße angewiesen. Der Orden zeigt die Wertschätzung für seine Mitarbeiter durch die Gewährung von freiwilligen Sozialleistungen, aber auch die preisgünstige Versorgung in den Kantinen, u. a. mit Bioprodukten aus den eigenen Landwirtschaften und Getränken aus Adelholzen. Doch das ist nicht alles. Die Schwestern bemühen sich, ihre Mitarbeiter an ihrem geistlichen Leben teilhaben zu lassen, in dem sie diese beispielsweise zu besonderen festlichen Anlässen einladen, gemeinsam mit ihnen Gottesdienst zu feiern. Viel liegt den Schwestern daran, den besonderen vinzentinischen Geist ihrer Einrichtungen zu erhalten. Ihr Ziel ist 274 Die Kongregation heute es, auch ihren zivilen Mitarbeitern den vinzentinischen Auftrag näher zu bringen. Großen Wert legt die Kongregation deshalb auf die innerbetriebliche Fortbildung, wofür sie ein eigenes Bildungsreferat eingerichtet hat. Neben dem thematisch sehr breit gefächerten Kursangebot zur fachlichen Fortbildung nutzen die Mitarbeiter gerne auch spirituelle Angebote wie Kurzexerzitien und Besinnungswochenenden. Spirituelle Angebote Spirituelle Angebote, nicht nur für die eigenen Schwestern und Mitarbeiter, sondern für jeden Interessierten, sind in den letzten Jahren ein wichtiger Tätigkeitsbereich der Kongregation geworden. Bevorzugte Veranstaltungsorte für diese Veranstaltungen sind das Haus Mechtild in der Augsburger Straße in München und das Exerzitien- und Bildungshaus in Bad Adelholzen. Aber auch die anderen Erholungsheime der Schwestern, St.Vinzenz in Inzell, Haus Luise in Unterwössen und St. Hildegard in Alzing stehen für Exerzitien und Besinnungswochenenden zur Verfügung. Wie weit gefächert das von Schwester Rosa Maria Dick konzipierte und geleitete spirituelle Angebot des Ordens inzwischen ist, zeigt ein Blick in das Programm. So reicht das Angebot von regelmäßig stattfindenden Treffen wie „Rast und Besinnung am Abend“ im Haus Mechtild über ein Besinnungswochenende in Inzell, das sich mit dem Ostergeheimnis befasst, bis zu Schweigeexerzitien in Bad Adelholzen. Fußwallfahrten bereichern das Programm. Wählen kann man beispielsweise zwischen einer Fußwallfahrt von München nach Andechs oder einer zweitägigen Wallfahrt von Bad Adelholzen nach Altötting. Seit September 2006 bieten die vier Schwestern des neuen Konvents im Haus Mechtild sowohl Menschen, die aus welchen Gründen auch immer Der Konvent des Hauses Mechtild (von links) Schwester M. Andrea Leyrer, Schwester M. Adelgundis Semmler, Schwester M. Belanda Schneider und Schwester Rosa Maria Dick 275 Festschrift der Barmherzigen Schwestern eine Auszeit benötigen, als auch Menschen, die sich für das Leben in einer geistlichen Gemeinschaft interessieren, die Möglichkeit, eine Zeit lang mit ihnen zu wohnen und ihr Leben zu teilen. Solche Auszeiten bzw. Einzel exerzitien unter dem Motto „Komm und sieh!“ sind das ganze Jahr über möglich. 14.3. Neue Projekte – Schwestern in Einzelaufgaben Das neue Angebot im Haus Mechtild kann man als Teil eines Weges sehen, den die Kongregation in den letzten beiden Jahrzehnten eingeschlagen hat: Einzelne Schwestern oder kleine Schwesterngemeinschaften übernehmen innerhalb eines neuen Projekts Aufgaben jenseits der herkömmlichen Tätigkeitsfelder der Kongregation.218 Teils entwickeln die Schwestern selbst die Idee für eine Initiative, teils lassen sie sich von Ideen anderer begeistern. Gemeinsam ist diesen neuen Projekten, dass es sich meist um eine Einzelaufgabe für eine Schwester handelt und dass damit Defizite des staatlichen sozialen Netzes ausgeglichen werden sollen. Die Hilfe richtet sich häufig an vernachlässigte gesellschaftliche Randgruppen oder Menschen in besonderen Notsituationen, für die sich sonst niemand zuständig fühlt. Der Orden unterstützt diese Initiativen, in dem er dafür seine engagierten Schwestern zur Verfügung stellt. In vielen Fällen leistet er zudem noch organisatorische und finanzielle Hilfen. Der Ordensleitung ist wichtig, dass die Schwestern trotz ihres Einzeleinsatzes einer Schwesterngemeinschaft, einem Konvent, angehören. So sind alle Schwestern, die in München in Einzelaufgaben der neuen Projekte eingesetzt sind, Teil des Konvents Maria Regina. Auch wenn diese Schwestern während ihres Dienstes teilweise an ihren Einsatzorten wohnen, haben sie dennoch ein zusätzliches Zimmer im Haus Maria Regina, wo sie sich an ihren freien Tagen zurückziehen und am gemeinschaftlichen Leben ihrer Mitschwestern teilnehmen können. Haus Benedikt Labré e.V. Walter Lorenz, ein ehemaliger Lokführer, hatte nach einem einschneidenden persönlichen Erlebnis mit Obdachlosen, in denen er Christus zu sehen meinte, Anfang der 1980er Jahre begonnen, sein Leben in den Dienst dieser Randgruppe zu stellen. Er gründete den Verein Benedikt Labré e.V., benannt nach einem französischen Heiligen, der im 18. Jahrhundert mit Armen und Bettlern gelebt hatte. Lorenz wollte Obdachlosen in München 276 Die Kongregation heute nicht nur ein Heim bieten, sondern mit ihnen unter einem Dach leben. Früh schon hatten die Barmherzigen Schwestern die Initiative sowohl finanziell als auch personell unterstützt. Heute arbeitet mit Schwester M. Timothea Heitzer noch eine Barmherzige Schwester im Haus des Vereins in der Pommernstraße. Haus St. Benno in Oberschleißheim 1996 eröffnete die Erzdiözese München und Freising das Haus St. Benno in Oberschleißheim in der Trägerschaft des Katholischen Männerfürsorgevereins e.V.219 Dieses Haus dient als Alten- und Pflegeheim für ehemalige Obdachlose. Hier sollen sie in Würde ihren Lebensabend verbringen können. Häufig sind diese Menschen, die teilweise jahrzehntelang auf der Straße gelebt haben, frühzeitig gealtert und gesundheitlich stark angegriffen. Auch psychische Krankheiten sind keine Seltenheit. Von Anfang an unterstützte das Mutterhaus dieses Projekt personell. Heute kümmert sich Schwester M. Dagmar Raab, eine gelernte Krankenschwester, hauptsächlich im Nachtdienst um die kranken und alten Heimbewohner. Da sie während ihres Dienstes im Haus lebt, absolviert sie dort nicht nur Nachtdienste, sondern übernimmt auch weitere Aufgaben wie Besuche im Krankenhaus. Auch eine liebevolle und würdige Sterbebegleitung ist Teil ihrer Aufgaben. Sehr liegt ihr das seelische Wohl der ihr Anvertrauten am Herzen. So organisiert sie Andachten und versucht, durch ihren gelebten Glauben ansteckendes Vorbild zu sein. Zum Engagement der Barmherzigen Schwestern für die Obdachlosen gehören auch heute noch die schon erwähnten „Pfortenspeisungen“, vor allem die „Vinzenzstube“ in Berg am Laim und die Suppenstube im Haus Mechtild. Schwester M. Dagmar Raab mit einem Bewohner des Hauses St. Benno 277 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Der Jakobsbrunnen – Gemeinde für Menschen in seelischer Not e.V. Initiatoren des Projekts „Jakobsbrunnen“ waren die Barmherzige Schwester M. Clementine Rodler und der Jesuitenpater Arnold Brychcy.220 Beide hatten in ihrer beruflichen Tätigkeit als Stationsschwester in der psychiatrischen Universitätsklinik bzw. als Seelsorger in einem Reha-Zentrum für psychisch Kranke die Erfahrung gemacht, dass es ein großes Defizit in der ambulanten Nachsorge für Psychiatriepatienten gab. In ihren 14 Jahren an der Klinik hatte Schwester M. Clementine häufig erleben müssen, dass sich Psychiatriepatienten nach ihrer Entlassung in ihrem Alltag allein nicht zurechtfanden. Der Weg zurück in die stationäre Behandlung, nicht selten aber auch Selbstmorde, waren die Folgen. Mitte der 80er Jahre entwickelte Schwester M. Clementine zusammen mit Pater Brychcy die Idee, selbst etwas gegen diesen Missstand zu unternehmen. Sie orientierten sich dabei am amerikanischen Fountain House Modell. Chronische Psychiatriepatienten können sich dort einem Club anschließen, in dem sie durch gemeinsame Aktivitäten und den Austausch mit anderen Patienten stabilisiert werden. Zudem erhalten sie dort Hilfe bei ihrer Wiedereingliederung in den normalen Alltag. Allerdings wollten Schwester M. Clementine und Pater Brychcy einen anderen Schwerpunkt setzen als das amerikanische Vorbild. Selbst vom Glauben getragen, sahen sie in der seelsorgerischen Begleitung der Kranken einen wichtigen Ansatzpunkt, den Patienten Kraft und Halt zu geben. Am 1. März 1988 eröffneten sie in einem Haus im Münchner Stadtteil Laim das „Religiöse Zentrum für Psychisch Kranke“. Ende desselben Jahres zogen sie in das ordenseigene Haus Mechtild in der Augsburger Straße um, wo ihnen das Mutterhaus unentgeltlich Räume zur Verfügung stellte. Von Anfang an stießen die Initiatoren bei der damaligen Generaloberin Schwester Maria Ein Ort der Begegnung für Menschen in seelischer Not ist der Jakobsbrunnen. Schwester M. Clementine Rodler mit einigen engagierten ehrenamtlichen Mitarbeitern des Vereins im Garten seines Hauses (rechts: Pater Arnold Brychcy) 278 Die Kongregation heute Siglinde Reichart auf offene Ohren. Als 1990 schließlich die Gründung des Vereins „Der Jakobsbrunnen – Gemeinde für Menschen in seelischer Not“ unter dem Dach des Caritasverbandes erfolgte, gehörte auch die Kongregation zu den Gründungsmitgliedern. Bis heute unterstützt sie den Verein, dessen Aufgabe laut Satzung „die seelsorgliche Begleitung und die Betreuung von psychisch kranken Menschen in Krisen und in seelischer Not“ ist. Nicht zuletzt dank eines finanziellen Beitrags der Kongregation konnte der Verein 1997 ein Haus im Münchner Vorort Lochham erwerben, das nun als Begegnungs- und Beratungsstätte dient. Das Hilfsangebot richtet sich nicht nur an die Patienten selbst, sondern auch an ihre Angehörigen. Es reicht von individueller Einzelberatung bis hin zu Gruppenangeboten wie Gebetskreisen, Bibelkreisen, Seminaren, Exerzitien, Wallfahrten und gemeinsamen Gottesdiensten. Bei allem Vertrauen auf die heilende Liebe Gottes versprechen Pater Brychcy und Schwester M. Clementine den Patienten keine schnelle und wundersame Heilung und betonen die Notwendigkeit begleitender therapeutischer und medizinischer Maßnahmen. Sie sehen den Jakobsbrunnen als Teil eines sozialen Netzes für die Patienten. So halten sie Verbindung zu Ärzten und Kliniken, vermitteln den Patienten Kontakt zu sozialen Diensten und leisten pragmatische Hilfe bei der Wiedereingliederung in den Alltag. Projekt Omnibus Seit 1. März 2002 arbeitet Schwester Daniela Maria Holzner beim Projekt „Omnibus“ der Franziskaner an der Hauner’schen Kinderklinik mit.221 Die Kinderklinik hat ein weites Einzugsgebiet. So kommen Patienten nicht nur aus ganz Deutschland, sondern auch aus anderen Staaten, in denen die medizinische Versorgung nicht so gut ist, beispielsweise aus Russland und Arabien. Für Eltern, die ihrem Kind während des Klinikaufenthalts möglichst nahe sein wollten, gab es in der bereits Schwester 1886 gebauten Kinderklinik Daniela kaum UnterbringungsmögMaria Holzner mit lichkeiten. Zu der Sorge Gästen des um das schwerkranke Kind Hauses am kam für die Eltern deshalb Frühstückshäufig der Stress, vorübertisch 279 Festschrift der Barmherzigen Schwestern gehend eine kostengünstige Unterkunft in Kliniknähe zu finden. Als Krankenhausseelsorger sah der Franziskanerpater Michael Först diese Not und wollte etwas dagegen unternehmen. So rief er 1985 die Initiative „Omnibus“ ins Leben. Mit Hilfe von Spendengeldern mietete er Wohnungen an, wo Eltern und Geschwister der kleinen Patienten nicht nur umsonst wohnen konnten, sondern auch betreut wurden. Pater Michael erlebte nicht mehr, dass 1999 in einem Neubau an der Lindwurmstraße zwei Stockwerke erworben werden konnten. Dort stehen nun 25 Zimmer zur Verfügung für Eltern und Geschwister von Kindern, die in der Hauner’schen Kinderklinik oder auch in einer anderen Klinik in stationärer Behandlung sind. Bei „Omnibus“, inzwischen eine Stiftung des bürgerlichen Rechts, ging es nie ausschließlich um eine günstige Übernachtungsmöglichkeit, sondern um seelischen Beistand für Menschen in einer extrem belastenden Situation. Die Eltern können sich, wenn sie es wünschen, zurückziehen, haben aber auch die Möglichkeit, sich mit anderen betroffenen Eltern auszutauschen. Die Betreuer bieten ihnen unaufdringlich seelsorgerische Begleitung an. Die Verstärkung des Betreuerteams, neben den Franziskanern auch ehrenamtliche Helfer, durch Schwester Daniela wird als Bereicherung für „Omnibus“ empfunden. Die gelernte Kinderkrankenschwester und Heilpädagogische Erzieherin kümmert sich kompetent und liebevoll um die Geschwisterkinder. Auch die betreuten Erwachsenen wissen die Möglichkeit zu schätzen, je nach Wunsch und Situation zwischen einem männlichen oder weiblichen Ansprechpartner wählen zu können. Krankenhausseelsorge – Schwester Mirjam im Herzzentrum Schwester Mirjam Riesbeck bereitet den Gottesdienst in der Kapelle des Deutschen Herzzentrums vor. 280 Schwester Mirjam Riesbeck, ausgebildete Gemeindereferentin, ist als Klinikseelsorgerin am Deutschen Herzzentrum in München tätig. Als solche hat die Barmherzige Schwester die Aufgabe, Gottesdienste vorzubereiten und durchzuführen. Patienten, die nicht an Gottesdiensten teilnehmen können, bringt sie die Heilige Kommunion ans Krankenbett. Liebevoll schmückt sie den Andachtsraum der Klinik entsprechend dem Verlauf des Kirchenjahres und hält ihn als Ort der Stille Tag und Nacht offen. Die Kongregation heute Ihre Hauptaufgabe aber besteht darin, den Patienten und ihren Angehörigen als Seelsorgerin beizustehen. Das kann die Organisation der Taufe eines Kindes vor einer Operation sein, aber auch Sterbe- und Trauerbegleitung. Manchmal geht es aber auch nur darum, Menschen Aufmerksamkeit zu schenken, ihnen durch Gespräche die Möglichkeit zu geben, ihr Herz zu erleichtern. „Oase“ in der Pfarrgemeinde St. Margaret München-Sendling Schwester M. Werrica Rauch, vorher in der Krankenpflege und in der Ausbildung von Krankenschwestern an der Krankenpflegeschule Maria Regina eingesetzt, gründete im Januar 1991 zusammen mit Pfarrer Valentin Königbauer die „Oase“ in der Sendlinger Pfarrei St. Margaret. Mit der Oase wollte sie einen Ort der Besinnung, des Gebetes und der Glaubensorientierung schaffen, eine geistliche Oase mitten in dem Getriebe der Großstadt München. Ziel der Initiative ist es u. a., Menschen in schwierigen Lebenssitua tionen sowohl seelsorgerische Begleitung als auch praktische Unterstützung im Alltag anzubieten. So unterschiedlich der angesprochene Personenkreis, so vielfältig ist auch das Angebot der „Oase“. Für Kontaktangebote wie „Mutter-Kind Tea Time“ oder „Frauen treffen Frauen“ bis hin zu Gebetsabenden und Bibelgesprächskreisen bietet die „Oase“ Raum. Den Mittelpunkt der „Oase“ bildet die seelsorgerische Betreuung durch Schwester Werrica, die stets für persönliche Glaubensgespräche zur Verfügung steht. Zusammen mit einem festen Team aus ehrenamtlichen Helfern, die nach und nach Mitglied der „Oase“ geworden sind, bereitet sie die Themen für das spirituelle Angebot vor. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den so genannten „Alpha-Kursen“, einer Art Einführungskurs in den Glauben. Ist es doch erklärtes Ziel des Schwester Projekts, Menschen, M. Werrica Rauch im die Gott suchen und Gespräch der Kirche entfremmit Teilnehdet wurden, wieder mern eines an den Glauben Glaubensheranzuführen. kurses 281 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Die Kongregation unterstützte die Initiative von Anfang an, nicht nur durch die Freistellung von Schwester Werrica, sondern durch finanzielle Hilfe beispielsweise bei der Anmietung und Renovierung der Räumlichkeiten. Der Dienst Schwester M. Werricas beschränkt sich nicht mehr nur auf die Sendlinger Pfarrei. Sie betreut neu in die Kirche aufgenommene Menschen im gesamten Stadtgebiet. Zudem stellt sie die Alphakurse auch in anderen Pfarreien vor und bietet Starthilfe für die Kurse an. Unterstützung der Hospizbewegung Auch bei der Gründung des ersten Hospizes in Bayern, dem 1991 eröffneten Hospiz Johannes von Gott im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder im Münchner Stadtteil Nymphenburg, waren die Barmherzigen Schwestern beteiligt. In den ersten Jahren bemühten sich dort zwei, zeitweise auch drei Barmherzige Schwestern darum, schwerstkranke Menschen im letzten Stadium ihrer unheilbaren Krankheit ein würdiges und möglichst schmerzfreies Sterben zu ermöglichen. Schweren Herzens musste sich die Kongregation zum Jahresende 1995 aus dem aktiven Einsatz im Johanneshospiz wieder zurückziehen. Allerdings unterstützt die Kongregation als Mitglied des Fördervereins nach wie vor diese für viele Schwerstkranke und ihre Angehörigen so wichtige Einrichtung. Projekt Tschechien Schwester M. Tabitha Götschl, langjährige Oberin an der Psychiatrischen Universitätsklinik in München, hatte bei einer Reise nach Tschechien Der neue Konvent von Kajov, kurz nach der Ankunft im Juli 1999: die Schwestern M. Tabitha Götschl (links), M. Raphaela Schreml (2. v. l.), M. Bonavita Wolf (3. v. r.) und M. Leonarda Seitz (2. v. r.). Mit auf dem Foto: Generaloberin Schwester M. Adelinde Schwaiberger (3. v. l.) und Generalökonomin Schwester M. Theodora Werner (rechts), die die Schwestern zu ihrer neuen Wirkungsstätte begleiteten, und der Pfarrer von Krumlov. 282 Die Kongregation heute den früher sehr bekannten MarienWallfahrtsort Gojau, tschechisch Kajov, gesehen. Erschüttert über die Vernachlässigung des Ortes in vierzig Jahren kommunistischer Herrschaft entstand bei ihr der Wunsch, hier eine Gemeinschaft der Barmherzigen Schwestern zu gründen und den Ort wieder zu einem Zentrum geistlichen Lebens zu machen. Sie fand mit ihrer Idee sowohl bei ihren Der InnenOrdensoberen als auch beim Bischof von hof des Budweis Gehör. Man einigte sich darauf, Pfarrhofs dass dem neuen Schwesternkonvent das von Kajov stark renovierungsbedürftige Pfarrhaus vor der des Wallfahrtortes zur Verfügung gestellt Renovierung werden sollte. Die Münchner Ordensleitung erklärte sich einverstanden, vier Schwestern nach Tschechien zu schicken. Ende Juli 1999 machten sich Schwester M. Tabitha Götschl, Schwester M. Raphaela Schreml, Schwester M. Leonarda Seitz und Schwester M. Bonavita Wolf zu ihrem neuen Einsatzort auf. Der Anfang in Kajov erforderte einiges an Pioniergeist und erinnerte an die Anfänge der Kongregation in Bayern. Während die Kirche bereits renoviert war, war der Pfarrhof in einem so schlechten Zustand, dass sich die vier Schwestern zwei Jahre lang ein einziges, unbeheiztes Zimmer teilen mussten. Erschwerend kamen die Verständigungsprobleme hinzu. Alle Schwestern mussten erst einmal Tschechisch lernen. Als Erstes wurde die Renovierung des Pfarrhofes in Angriff genommen. Finanziert wurde diese aus Spendenmitteln und aus Mitteln der Kongregation. Auch die Ausstattung mit Möbeln übernahm zu einem Teil das Mutterhaus. Nach und nach konnten sich die Schwestern in Kajov ihren eigentlichen Aufgaben, der Pfarrseelsorge und der Gemeindecaritas, widmen. In Zusammenarbeit mit der inzwischen in Tschechien aufgebauten Caritas kümmern sich die Schwestern um die Die Kirche ambulante Versorgung von kranken und des Marienalten Bürgern des Ortes. Gleichzeitig wallfahrtsliegt ihnen die Arbeit mit den Kindern ortes Kajov 283 Festschrift der Barmherzigen Schwestern der Gemeinde am Herzen. Durch Beschäftigungsangebote wie Basteln und die Übernahme des Patronats für den Jugendchor halten sie Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen des Ortes. Der Elterngeneration, die im Kommunismus aufwuchs und sich nun in der neuen demokratischen Gesellschaftsordnung mehr und mehr am westlichen Materialismus orientiert, liegt meist wenig an einer religiösen Erziehung ihrer Kinder, selbst wenn diese getauft sind. Die Schwestern versuchen, ihnen die Grundlagen des Glaubens zu vermitteln. Ihr Pfarrhaus soll ein offenes Haus sein, nicht nur für tschechische Priester, sondern auch für Obdachlose und Hilfe suchende Straßenprostituierte von der nahe gelegenen deutsch-tschechischen Grenze. Die Schwestern schafften es innerhalb kurzer Zeit, den Wallfahrtsort Kajov nicht nur äußerlich wieder in alter Schönheit erstehen zu lassen, sondern ihn auch geistlich neu zu beleben. Heute ist Kajov nicht nur für tschechische Wallfahrer, sondern auch für Pilger aus Österreich und Deutschland ein neuer Anziehungspunkt. Vor allem Jugendliche aus den drei Ländern kommen im Sommer mit Zelten und Schlafsäcken auf der Suche nach einem Sinn für ihr Leben, der über die atheistische oder materialistische Einstellung ihrer Umgebung hinausgeht. 14.4.Neues Mutterhaus Im Jahr 2003 berief Generaloberin Schwester M. Adelinde Schwaiberger ein außerordentliches Generalkapitel ein, das über die Zukunft des Mutterhauses in der Nußbaumstraße entscheiden sollte.222 Konkreter Anlass war ein Schreiben der Universität vom August 2002, in dem vom Orden die Abtre- Generaloberin Schwester M. Theodolinde Mehltretter, Generalökonomin Schwester M. Theodora Werner und Friedrich Kardinal Wetter bei der Grundsteinlegung des neuen Mutterhauses im Juli 2005. Links Architekt Anton Zeller 284 Die Kongregation heute Das neue Mutterhaus in MünchenBerg am Laim, Vinzenz-von-PaulStraße 1 tung des restlichen Mutterhausgartens für einen geplanten Spielplatz der jugendpsychiatrischen Abteilung der ans Mutterhaus angrenzenden Psychiatrischen Klinik gefordert wurde. Dieses Schreiben führte den Schwestern wie schon so oft in der Vergangenheit die rechtlich unsicheren Eigentumsverhältnisse deutlich vor Augen. Auch wenn das Grundstück, auf dem das Gebäude steht, früher Eigentum der städtischen Krankenhausstiftung war und heute Eigentum des bayerischen Staates ist, war bisher zumindest das Nutzungsrecht der Schwestern unstrittig gewesen. Dieses Nutzungsrecht war jedoch von Anfang an mit der Bedingung verknüpft gewesen, dass die Schwestern im damaligen Allgemeinen Krankenhaus, der heutigen Medizinischen Klinik, den Krankenpflegedienst leisteten. Mit dem endgültigen Rückzug aus dieser Klinik im Juni 2000 hätte nun auch das Nutzungsrecht in Frage gestellt werden können. Bei den Überlegungen des Generalkapitels musste auch die Tatsache berücksichtigt werden, dass das alte Mutterhaus aus dem Jahr 1839 in den kommenden Jahren gründlich hätte saniert werden müssen, um auch in Zukunft als Zentrale der Kongregation fungieren zu können. Wegen der ungeklärten rechtlichen Situation wäre jedoch eine solche kostenintensive Investition mit unwägbaren Risiken verbunden gewesen. Angesichts dieser Lage war es nicht weiter verwunderlich, dass das Generalkapitel in geheimer Abstimmung einstimmig für den Bau eines neuen Mutterhauses in Berg am Laim votierte. Bei der seit über 100 Jahren immer wieder diskutierten Frage nach Verlegung des Mutterhauses war seit den 1960er Jahren der Standort Berg am Laim favorisiert worden. Für den östlichen Stadtteil Münchens sprach einiges: Immerhin befindet sich dort die zweitälteste Ordensniederlassung, die in der 285 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Geschichte der Kongregation immer eine besondere Rolle gespielt hat. Mit der Aufgabe der Ökonomie stand auch der nötige Baugrund zur Verfügung. Inzwischen war auch die Verkehrsanbindung durch zwei U-Bahnlinien äußerst günstig. Im Mai 2005 begannen die Bauarbeiten auf einem ca. 11.000 Quadratmeter großen Grundstück in der Nähe des ordenseigenen Altenheimes Die Kapelle St. Michael. Die feierliche Grundsteindes neuen Mutterlegung für das mit 7000 Quadratmeter hauses Wohn- und Nutzfläche sehr großzüwurde dem gig geplante neue Mutterhaus erfolgte hl. Vinzenz am 13. Juli 2005. Nach fast 170 Jahren von Paul nahmen die Schwestern Anfang 2007 geweiht. Abschied von ihrem angestammten Mutterhaus und zogen in ihre neue Zentrale um. Das vom Architekturbüro Zeller & Romstätter konzipierte neue Mutterhaus ist ein architektonisch interessanter Bau. Für den Grundriss verwendeten die Architekten die griechischen Buchstaben Alpha und Omega, die aus der Offenbarung des Johannes entnommene Symbolik für Gott als Anfang und Ende allen Seins. Den unteren Querbalken des Omega bildet das Eingangsgebäude, in dessen Mitte sich der Eingangsbereich mit Foyer befindet. Von hier gewährt eine Sichtachse den Blick auf die gegenüberliegende Mutterhauskapelle, die das Alpha darstellt. Das neue Mutterhaus bietet mehr Platz als das alte. So konnten hier neben den Schwesternwohnungen, der Ordensverwaltung und der Schneiderei auch die bisher wegen Platzmangels ausgelagerten Bereiche der Innerbetrieblichen Fortbildung und der Krankenhaus- und Altenheimdirektion untergebracht werden. Gästezimmer und Gruppenräume für größere Veranstaltungen ergänzen das Raumangebot. Den Mittelpunkt des Gebäudes bildet die neue Mutterhauskapelle St. Vinzenz, die – wesentlich kleiner als die alte Mutterhauskirche – den Anforderungen des ebenfalls kleiner gewordenen Mutterhauskonvents besser entspricht. Frei im würfelförmigen Raum schwebend, hängt das große Kreuz der alten Kirche in der neuen Kapelle und kontrastiert mit dem bunten Glasfenster der Altarwand, das die Auferstehung symbolisieren soll. Auch Altar, Ambo und Tabernakel der alten Mutterhauskirche haben wieder ihren Platz gefunden. 286 Die Kongregation heute Mehrere hundert Gäste begrüßte Schwester M. Theodolinde Mehltretter am 10. März 2007 zur Einweihung des neuen Mutterhauses, u. a. Friedrich Kardinal Wetter, Christa Stewens, die Bayerische Staatsministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen, sowie Abt Dr. Johannes Eckert. Am 10. März 2007, auf den Tag genau 175 Jahre nach Ankunft der ersten beiden Barmherzigen Schwestern aus Straßburg, feierte die Kongregation die Einweihung ihres neuen Mutterhauses. An die 400 Gäste nahmen an der feierlichen Segnung des Hauses durch Friedrich Kardinal Wetter teil. Benediktinerabt Dr. Johannes Eckert aus der Münchner Abtei St. Bonifaz konnte für die Festansprache gewonnen werden, die er unter das Motto „Der Barmherzigkeit Raum geben“ stellte. Mit dem Umzug in ihre neue Ordenszentrale zu Beginn des Jubiläumsjahres 2007 setzten die Barmherzigen Schwestern ein Zeichen der Hoffnung. Sie demonstrierten mit diesem Neubeginn in Berg am Laim, dass sie an die Zukunft ihrer Gemeinschaft glauben. 14.5. Wie wird die Zukunft aussehen? Der früher das Leben der Kongregation beherrschende Dienst in städtischen und staatlichen Krankenhäusern und Altenheimen wird inzwischen von einem ebenso gut ausgebildeten weltlichen Pflegepersonal geleistet. Abgesehen davon, dass die Barmherzigen Schwestern in diesem Bereich ersetzbar geworden sind, könnten sie diese Aufgabe mit ihrem stark zurückgegangenen Personalstand heute nicht mehr leisten. Das vinzentinische Apostolat ist jedoch nach wie vor höchst aktuell. Der hl. Vinzenz von Paul fasste seinen Auftrag sehr weit: Den Mitmenschen in Not zu helfen. Diese Not kann sehr viele und zu verschiedenen Zeiten sehr 287 Festschrift der Barmherzigen Schwestern unterschiedliche Ausprägungen erfahren. Hier gilt es, aufmerksam zu sein, um die Nöte der Zeit zu erkennen. Schon der Heilige hatte gesehen, dass Menschen nicht nur Hilfe zur Erhaltung ihrer physischen Gesundheit, sondern auch ihrer seelischen und geistlichen Gesundheit benötigen: „Weder Gott noch die Menschen sind damit zufrieden, wenn wir armen Kranken nur Nahrung und Heilmittel bringen. Wir haben nach Gottes Willen auch eine seelsorgliche Aufgabe an ihnen zu erfüllen.“ 223 Sogar in unserer reichen Gesellschaft mit ihrem gut ausgebauten sozialen Netz gibt es viele Mitmenschen in Not. Psychische Probleme und Orientierungslosigkeit können durch materielle Absicherung nicht beseitigt werden. Zudem ist absehbar, dass auch die Zahl der materiell Notleidenden in Zukunft mit einem Abbau des sozialen Netzes und hoher Arbeitslosigkeit weiter ansteigen kann. So wird es für Menschen, die sich für ihre Mitmenschen engagieren möchten, auch in Zukunft viel zu tun geben. Dabei wird Offenheit gefragt sein, nicht nur um die Not zu erkennen, sondern auch für neue Formen der Hilfe. Doch was kann dabei die Kongregation noch leisten mit ihren immer mehr abnehmenden personellen Kräften? Sie kann weiterhin in der schon praktizierten Weise Projektarbeit betreiben: Not erkennen, darauf aufmerksam machen und Initiativen zur Abhilfe starten. Über die personelle Hilfe hinaus unterstützt die Kongregation Hilfsprojekte bereits heute durch Bereitstellung von Geldmitteln, Räumen, Material etc. Auch dies wird ein Weg für die Zukunft darstellen, wenn die Zahl der arbeitsfähigen Ordensschwestern weiter zurückgeht. Als weitere wichtige Aufgabe, auch in der Zukunft, sehen die Barmherzigen Schwestern die Erfüllung des vinzentinischen Auftrags, Seelsorger für ihre Mitmenschen zu sein. So möchten sie Menschen, die orientierungslos geworden sind und den Sinn ihres Lebens hinterfragen, dabei helfen, Gott zu finden. Dabei kommt ihnen als Ordensleuten, die ihr ganzes Leben in den Dienst Gottes gestellt haben, eine ganz besondere Rolle als Zeugen eines gelebten Glaubens zu, im Sinne des Vinzenzwortes: „Nichts entspricht dem Evangelium mehr, als auf der einen Seite Erleuchtung und Kräfte für die eigene Seele zu sammeln, dann aber den Menschen von dieser geistigen Nahrung mitzuteilen.“ 224 In den ordenseigenen Einrichtungen der Alten- und Krankenpflege sehen die Schwestern ihren Auftrag darin, den gewachsenen Anforderungen in diesen Bereichen auch in Zukunft gerecht zu werden und ihren weltlichen Mitarbeitern den vinzentinischen Geist zu vermitteln, damit die Einrichtungen trotz des allmählichen Rückzugs der Barmherzigen Schwestern in diesem Sinne weitergeführt werden. Auch den nicht mehr arbeitsfähigen Schwestern kommt innerhalb der Kongregation mit dem Apostolat 288 Die Kongregation heute des Gebets und des Opfers noch eine wichtige Aufgabe zu. Die Kongregation versucht, den bei ihrer Gründung vor 175 Jahren eingeschlagenen Weg in Treue weiter zu gehen, dabei aber offen zu bleiben für neue Herausforderungen. Schwer überschattet das Fehlen des Nachwuchses die Zukunft der Kongregation. Auf dem letzten Generalkapitel im November 2004 bekannte die damalige Generaloberin Schwester M. Adelinde Schwaiberger: Hl. Vinzenz „Das Ausbleiben von neuen Beruvon Paul fungen in dieser Zeit ist für unsere (WandKongregation eine Grenzerfahrung, teppich im die ich persönlich und, ich glaube, die Mutterhaus) gesamte Gemeinschaft als die größte spürbare Armut erleben, die es zu tragen gibt.“ 225 Aber es war dieselbe Generaloberin, die den Bau des neuen Mutterhauses in Angriff genommen und damit ihren Glauben an die Zukunft bekundet hat. Denn trotz aller Unsicherheit vertrauen die Barmherzigen Schwestern darauf, dass Gott auch in Zukunft Menschen berufen wird, die ihr Leben ganz in seinen Dienst stellen wollen. Sie glauben fest daran, dass sich ein Teil dieser berufenen Menschen auch von dem zeitlos modernen Auftrag des hl. Vinzenz ansprechen lassen wird, den Dienst an Gott durch den Dienst an den Mitmenschen, durch tätige Nächstenliebe zu verwirklichen. Ihre Zuversicht stützt sich auf den festen Glauben daran, dass Gott für alles sorgen wird. Den Menschen kommt dabei nur die Aufgabe zu, mit den eigenen, beschränkten Möglichkeiten zu versuchen, den Willen Gottes zu erkennen und umzusetzen. Denn wie ihr geistiger Gründervater Vinzenz von Paul sind die Barmherzigen Schwestern vom Mutterhaus München überzeugt: „Gottes Dinge geschehen von selbst. Die wahre Weisheit besteht darin, der Vorsehung Schritt für Schritt zu folgen.“ 226 * 289 Anhang Generaloberinnen des Mutterhauses München 1. Schwester Ignatia Jorth 2. Schwester M.Vinzentia Balghuber 3. Schwester M. Benonia Stanglmaier 4. Schwester M. Regina Hurler 5. Schwester M. Avila Dorn 6. Schwester M. Seraphina Sellmayer 7. Schwester M. Osmunda Rummel 8. Schwester M. Desideria Weihmayr 9. Schwester M. Castella Blöckl 10. Schwester M. Mildgitha Bachleitner 11. Schwester M. Gundebalda Engelhart 12. Schwester Maria Siglinde Reichart 13. Schwester M. Adelinde Schwaiberger 14. Schwester M. Theodolinde Mehltretter Amtszeit 1832 – 1845 1845 – 1848 1848 – 1855 1855 – 1895 1895 – 1911 1911 – 1912 1912 – 1924 1924 – 1941 1941 – 1956 1956 – 1968 1968 – 1980 1980 – 1992 1992 – 2004 seit 2004 Oberin des Allgemeinen Krankenhauses (bzw. des Krankenhauses l.d.I. bzw. der Medizinischen Klinik in der Innenstadt) waren, bevor sie Generaloberin wurden: Sr. Ignatia (gleichzeitig beide Ämter) und die 3.,4.,7.,12. Generaloberin Superioren des Mutterhauses München 1. Superior J. Michael Rädlinger 2. Superior Michael Hauber 3. Superior Josef Riedl 4. Superior Herenäus Haid 5. Superior Peter Paul Gradler 6. Superior Karl von Prentner 7. Superior Anton Etzinger 8. Superior Johann Paul Wendl 9. Superior Konrad Hiller 10. Superior Prälat Johann Pfaffenbüchler 11. Superior Prälat Karl Nißl 12. Superior Prälat Joseph König 290 Amtszeit 1832 – 1833 1833 – 1843 1843 – 1846 1846 – 1848 1848 – 1853 1853 – 1857 1857 – 1884 1884 – 1900 1900 – 1914 1914 – 1947 1947 – 1972 1972 – 2001 Anhang Spirituale des Mutterhauses München 1. Spiritual Dr. Peter Kern 2. Spiritual Pater Prof. Dr. Robert Lachenschmid SJ Amtszeit 1965 – 1972 seit 01.09.2001 Personalstand Jahr 1832 1835 1840 1845 1850 1855 1860 1865 1870 1875 1880 1885 1890 1895 1900 1905 1910 1915 1920 1925 1930 1932 1935 1940 1945 1950 1955 1960 1965 1970 1975 Schw. 2 30 65 121 183 260 368 447 487 543 548 587 592 660 767 927 1120 1433 1590 1757 2099 2246 2324 2672 2526 2509 2501 2432 2283 2062 1797 Nov. 14 22 39 35 25 77 63 41 62 50 57 54 78 93 141 130 186 208 146 202 211 246 229 91 25 95 78 40 31 5 2 Kand. 33 15 39 30 30 33 36 34 44 27 36 42 60 67 76 95 132 113 109 119 146 139 129 39 40 24 28 18 7 1 0 Gesamt 49 67 143 186 238 370 467 522 593 620 641 683 730 820 984 1152 1438 1754 1845 2078 2456 2631 2682 2802 2591 2628 2607 2490 2321 2068 1799 291 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Jahr 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2006 Schw. 1555 1273 1056 828 627 474 449 Nov. 1 1 1 0 0 0 0 Kand. 2 0 0 0 0 0 0 Gesamt 1558 1274 1057 828 627 474 449 Schw. = Professschwestern; Nov. = Novizinnen; Kand. = Kandidatinnen Quelle: BSMüA 30 und statistische Angaben der Mutterhausverwaltung Stand jeweils 31.12. des Jahres Verzeichnis der Niederlassungen Über- Ort nahme 1832 München 1835 1836 1837 1837 1839 1840 1840 1841 1841 1842 1842 1842 1843 1843 1844 292 Name der Einrichtung Allgemeines Krankenhaus, Städt. Krankenhaus links der Isar, Uniklinik Medizinische Klinik der Innenstadt, Ziemssenstraße Landshut Städt. Krankenhaus An der Lände, Neubau 1965 München Heilig-Geist-Spital in Mathildenstr., ab 1907 am Dom-Pedro-Platz Aschaffenburg Städt. Krankenhaus Neumarkt/Opf. Städt. Krankenhaus München Mutterhaus (Nußbaumstraße), ordenseigen München Krankenhaus Haidhausen, Städt. Krankenhaus rechts der Isar Orb Krankenhaus (1875 Übernahme durch Mutterhaus Fulda) Eichstätt Städt. Krankenhaus/Kreis-Krankenhaus München Nockher’sche Armenanstalt in der Blumenstraße München Erholungsheim in Berg a. Laim, Alters- u. Rekonvaleszenten-Heim, Neubau 1980 Altenund Pflegeheim St. Michael, ordenseigen München Städt. St. Josef-Spital Neunburg v. W. Armen- u. Krankenhaus Bad Tölz Städt. Krankenhaus Landshut Waisenhaus, mit Krankenhaus verwaltet Ingolstadt Krankenhaus Ab- gabe 2000 1984 1984 1969 1986 2007 1977 1875 1994 1895 1934 1872 1983 1922 1917 Anhang Über- Ort nahme 1845 Ingolstadt 1846 Amberg 1846 1846 1847 Donauwörth Donauwörth Augsburg 1847 Erding 1847 1847 1848 1849 Landshut Sünching Lichtenfels Landsberg 1850 1850 1850 1851 Amberg Landsberg Ottobeuren Vilsbiburg 1853 1853 Amberg Amberg 1853 1853 1853 1853 1853 Deggendorf Dinkelscherben Kempten Kempten München 1853 1854 1854 1854 1854 1854 Regensburg Bamberg Deggendorf Eggenfelden Eichstätt Haimhausen 1855 1855 1855 Landshut München München Name der Einrichtung Städt. Heilig-Geist-Spital Gefangenen-Strafanstalt (1862 nach Wasserburg verlegt) Städt. Krankenhaus Lungenspital/Städt. Bürgerspital Ambul. Pflege Bachsches Seelhaus (Anfänge Mtths. Augsburg) Städt. Krankenhaus, seit 1888 zusätzlich städtische Josefsanstalt Kinderbewahranstalt, mit Krankenhaus verwaltet Bezirks-Krankenhaus/Altenpflegeheim Städt. Krankenhaus Städt. Heilig-Geist-Spital, Kinderabteilung 1970 aufgegeben Marienspital/Städt. Marien-Krankenhaus Städt. Krankenhaus Spital/Gemeindl. Josefs-Pensionat Bezirks-Krankenhaus, seit 1860 zusätzlich Heilig-Geist-Spital Rettungsanstalt St. Maximilian/Säuglingsheim Waisenhaus, Neubau 1966 Kinderheim Joh.-Heinrich-Werner-Haus Städt. Krankenhaus Heilig-Geist-Spital Kreis-Krankenhaus und Bezirks-/Kreis-Spital-Stiftung Hauner’sches Kinderspital/ Universitäts-Kinderklinik Kindheit Jesu Anstalt, 1967 Neubau Städt. Krankenhaus Städt. Waisenhaus/Kinderheim Bezirks-Krankenhaus Kindererziehungsanstalt, Rettungsanstalt Kinder-Erziehungsanstalt (nach Indersdorf verlegt) Magdalenenheim, Armenbeschäftigungs-Anstalt Krippenanstalt St. Anna Armenversorgungsanstalt Ab- gabe 1995 1862 1967 1983 1862 1973 1921 1979 1973 1994 1974 1983 1987 1988 1937 1998 1967 1980 1980 1983 1981 1976 1980 1978 1974 1857 1856 1988 1958 1973 293 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Über- Ort nahme 1855 Regensburg 294 1855 1855 1855 1856 1856 1856 1857 1857 Sonthofen Tirschenreuth Tirschenreuth Dillingen Indersdorf Passau Passau Landshut 1857 1857 1857 1858 1858 München München Traunstein Burghausen Immenstadt 1858 1859 1859 1859 1859 Landshut München Augsburg Landau/Isar München 1860 1860 1860 1861 1861 1861 1862 Wasserburg Dingolfing Regensburg Griesbach Hengersberg Schongau Altötting 1862 Wasserburg 1862 1863 Wasserburg Palling 1863 Weilheim Name der Einrichtung Domkapitel’sches Waisenhaus/Katholisches Kinderheim Heilig-Geist-Spital Bezirks-/Kreis-Krankenhaus Invalidenheim Heilig-Geist-Spital/Hospital-Stiftung Kloster/Marienanstalt Städt. Krankenhaus Armenlazarett, 1907 in Maierhof aufgegangen Marienanstalt, 1973 in Kinderheim St.Vinzenz umbenannt, von 1952 – 2001 ordenseigen, 2002 Schenkung an Caritasverband Städt. amb. Pflegestation bei St. Ludwig Ambulante Pflegestation St. Bonifaz Städt. Krankenhaus Städt. Krankenhaus Bezirks-Spital, Pfründner-/Waisenanstalt, 1874 – 1971 auch Kinderbewahranstalt Heilig-Geist-Spital Armenhaus/Städt. Altenheim an der Kreuzkirche Katholisches Krankenhaus (Mtths. Augsburg) Bezirks-Krankenhaus Versorgungs-Anstalt für Unheilbare St. Nikolai am Gasteig Städt./Kreis-Krankenhaus Distr.-/Bezirks-/Kreis-Krankenhaus Katharinenspital Bezirks-/Kreis-Krankenhaus Bezirks-Krankenhaus Bezirks-/Kreis-Krankenhaus Städt. Krankenhaus, Neubau 1985, Zusammen legung mit Neuötting Städt. Heilig-Geist-Spital, seit 1971 CaritasAltenheim St. Konrad Gefangenenanstalt Distriktarmenhaus u. Gemeinde-Krankenhaus, Pflegeheim Krankenhaus Ab- gabe 1976 1991 1982 1988 1984 1938 1972 1907 1945 1922 1989 1957 1987 1981 1944 1862 1979 1941 1985 1982 1980 1971 1969 1980 1997 1992 1909 1994 1887 Anhang Über- Ort nahme 1863 Frontenhausen 1863 Passau 1864 1864 1864 1865 1865 1865 1865 1865 1865 München Plattling Regensburg Frontenhausen Bamberg Miesbach Regensburg Schongau Trostberg 1865 1865 1865 1866 1866 München München Schongau Moosburg München 1866 1868 1868 1868 1868 1868 Velden Burghausen Dillingen Dorfen Haag/Obb. Neuötting 1869 1869 1869 1869 1869 1870 1871 1871 Bamberg Indersdorf Wegscheid Wasserburg Wegscheid Holzkirchen München Gundelfingen 1872 Lauingen 1874 München Name der Einrichtung Gemeinde-Spital/Kreis-Krankenhaus, ab 1981 Mechtildisheim (Altenheim) Josefspital in der Heilig-Geist-Gasse, seit 1907 Josefspensionat Maierhof in der Innstraße Ambulante Pflegestation i. d. Pfarrei St. Peter Bezirks-/Kreis-Krankenhaus Bischof W ittmanns Erziehungs-Anstalt Bürgerheim Städt. Antonistift für Unheilbare Distriktskrankenhaus/Städt. Krankenhaus Domkapitel’sches Krankenhaus Städt. Heilig-Geist-Spital Bezirks-Krankenhaus, von 1870 bis 1942 auch Bruderhaus Krippenanstalt St. Josef Krippenanstalt St. Bonifaz ambulante Pflegestation Bezirks-Krankenhaus Chirurgische Klinik, Beginn als Aushilfskrankenhaus von l. d. Isar Bezirks-Krankenhaus, ab 1977 Pflegeheim Heilig-Geist-Spital Städt. Krankenhaus Gemeinde-Krankenhaus Bezirks-Krankenhaus Städt. Krankenhaus, 1985 zusammenlegt mit Altötting Irrenanstalt, Nervenklinik St. Getreu Bezirks-Krankenhaus Bezirks-Krankenhaus Bruder- und Armenhaus ambulante Pflegestation Distrikts-/Gemeinde-Krankenhaus Krippenanstalt St. Peter Städt. Spital u. Krankenhaus mit ambul. Pflegestation (bis 1976) Städt. Spital, ambul. Pflegestation, ab 1989 Caritas-Sozialstation St. Georgiritter Krankenhaus Nymphenburg Ab- gabe 1982 1985 1944 1987 1976 2000 1981 1973 1930 1987 1967 1943 1922 1970 1982 1974 1978 1979 1958 1989 1986 1985 1997 1992 1988 1970 1966 1983 1943 1991 2000 1912 295 Festschrift der Barmherzigen Schwestern 296 Über- nahme 1875 1876 1883 1884 1888 1890 1895 1896 Ort Name der Einrichtung Hutthurm Rotthalmünster München München Altötting Landsberg München Haag/Obb. 1896 1898 München Dorfen 1898 Planegg 1899 1899 1901 Immenstadt München Bogen 1901 1901 1901 1901 1902 Erding Grafenau Oberstdorf Oberstdorf Erding 1902 1903 1904 1905 Peiting Plattling München Landau/Isar 1905 1905 Landshut/Achdorf Teisendorf Bezirks-Krankenhaus Bezirks-Krankenhaus Johannis-Spital, Sendlingerstraße Städt. Mathilden-Pensionat Städt. Marienstift Ambulante Pflegestation Marienheim Städt. Altersheim St. Martin Gemeindl. Pfründner-Anstalt, 1960 CaritasAltenheim St. Kunigund Postulat, ordenseigen Gemeindl. Marienstift mit ambulanter Pflege station (bis 1967) Waldsanatorium, Lungenheilstätte bis 1984, seit 1986 Alten- und Pflegeheim, seit 1921 ordenseigen Städt. ambulante Krankenpflegestation Städt. Sanatorium Harlaching Bezirks-Krankenhaus mit ambulanter Pflege station (bis 1967) Fischersche Bezirks-Armenanstalt Bezirks-Krankenhaus Gemeindliches Krankenhaus Ambulante Pflegestation, ab 1953 Vinzenz Haus Städt. Heiliggeist-Spital mit ambulanter Pflegestation (bis 1967) Gemeindliches Krankenhaus Städt. Josefsheim (angebunden ans Krankenhaus) Universitätsklinik für Psychiatrie Städt. Heilig-Geist-Spital mit ambulanter Pflegestation (bis 1967) Bezirks-/Kreis-Krankenhaus 1906 Altötting 1906 Bärnau 1906 Donauwörth Gemeindl. Krankenhaus mit ambulanter Pflegestation Städt. Bruderhaus (1973 mit Marienstift zusammengelegt) Städt. Krankenhaus mit ambulanter Krankenpflegestation Ambulante Pflegestation Ab- gabe 1980 1984 1895 1980 1989 1970 1983 1996 1944 1983 1986 1960 1973 1986 1989 1977 1990 1972 1981 1991 1986 1992 1967 1973 1969 1991 Anhang Über- Ort nahme 1906 München 1906 Sonthofen 1907 1907 1908 1908 1908 1908 1909 1909 1909 1910 1910 1910 1910 1911 1911 1912 1912 1912 1913 1913 1913 1915 1916 1917 1919 1919 Name der Einrichtung Chirurgische Klinik an der Mandlstraße Ambul. Pflegestation, seit 1993 Caritas-Sozialzentrum St. Hildegard Bad Adelholzen Kurhaus, Lazarett, Krankenhaus 1946 – 1969, seit 1970 Bildungs- und Exerzitienhaus, Primusquelle bzw. seit 1994 Adelholzener Alpenquellen GmbH, Landwirtschaft (Primushof), ordenseigen Waldkirchen Bezirks-Krankenhaus Passau Städt. Josefs-Pensionat/Bürgerliche Heilig-Geist-Stift Immenstadt Bezirks-/Kreis-Krankenhaus Ingolstadt Garnison-Lazarett München I. Univ. Frauenklinik Lauingen Bezirk-Krankenhaus Marienhöhe Erholungsheim Velden Gemeindliche Johannesanstalt Bad Tölz Städt. Josefs-Pensionat München Städt. Krankenhaus Schwabing München Kinder-Krankenhaus Schwabing Siegenburg Gemeindliches Krankenhaus Alzing Genesungsheim der LVA, seit 1967 ordenseigen Schwesternheim St. Ludovika, seit 1989 Schwesternheim St. Hildegard München Städt. Bürgerheim Bayreuth Kinderheim, -garten, ambul. Pflegestation, Caritas-Sozialstation München Herzogliches Georgianum (1912 – 1939; 1950 – 1973; seit 1983) Peiting Marienheim Hausstein Sanatorium am Hausstein bei Deggendorf München Orthopädische Klinik Reit im Winkl Gemeindliches Krankenhaus Bogen Bezirks-Kinderheim/Bewahranstalt Scheidegg i. Allg. Kinderheilstätte, Prinz-Luitpold-Kinderklinik München Gynäkologische Klinik Dietfurt Städt. Krankenhaus mit ambul. Krankenpflegestation (bis 1987) München Gilmer’sche Klinik und Schlösser’sche Augenklinik Ab- gabe 1907 2006 1992 1978 1991 1921 1985 1977 1909 1978 1989 1964 1969 1977 1991 2007 1971 1975 1986 1970 1938 1982 1979 1974 1943 297 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Über- nahme 1919 1919 1920 1920 1920 1922 1922 1923 1923 1925 1926 1927 1928 1928 1928 1929 1929 1929 1929 1930 1930 1931 1931 1932 1933 1934 1934 1934 298 Ort Ströging Traunstein Regensburg Sonthofen Strullendorf Amberg Bamberg Name der Einrichtung Altersheim Maria-Theresia-Anstalt Städt. Bürgerheim Städt. Krankenhaus an der Greflingerstraße Gemeindl. Krankenhaus Wald-Erholungsstätte Säuglingsheim Entbindungsanstalt u. Hebammenschule, Staatl. Frauenklinik Schongau Städt. Altersheim/Bürgerheim Unterhaching Marxhof, Erholungsheim, 1967 Neubau Schwesternheim St. Katharina Labouré, ordenseigen München Bischöfliches Palais, Haushalt (1925 – 1952; seit 1977) Partenkirchen Sanatorium Haus St. Hildegard Emmering Kinder-Erholungsheim „Walburga-Heim“ Grafenau Marienanstalt, Kinderbewahranstalt, Kindergarten München Städt. Altersheim St. Josef am Luise-Kiesselbach-Platz Schrobenhausen Pensionat St. Georgstift Fuchsmühl Marienheim, Kinderbewahranstalt, ambul. Pflegestation, ab 1953 auch Altenpflege München Krankenhaus l.d.I., Dermatologische Abteilung, Thalkirchner Straße Regensburg Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, Frauenabeilung Traunstein Erzbischöfliches Studienseminar, Haushalt München Maria-Theresia-Klinik, Chirurgische Privatklinik Prof. Lebsche, seit 1952 ordenseigen Regensburg Domkapitel’sches Josefsheim/Pensionat Amberg Don Bosco Heim, Schülerheim München Ambul. Pflege beim Altenheim in Berg a. L., ab 1971 Sozialstation Eichstätt Bischöfliches Palais, Haushalt München Reginastift Neumarkt/Rott Gut und Stift St.Veit München Kuranstalt/Chirurgische Privatklinik Dr. Rinecker München Kuranstalt/Medizinische Privatklinik Dr. Müller Ab- gabe 1921 1970 1929 1970 1937 1936 1971 1991 1975 1956 1977 1979 1994 1994 1995 1995 2003 1978 1937 1985 1935 1945 2004 1971 1985 Anhang Über- Ort nahme 1934 München 1934 1935 1935 1935 1936 1936 Siegenburg Berlin München München Eichstätt München 1937 1939 1939 1940 1940 1942 München München München Landshut München München 1943 1944 1945 1945 1946 1946 1947 München Burgellern Indersdorf München Bogen München Achatswies 1947 1948 1949 Bad Tölz Ohlstadt Indersdorf 1950 München 1955 1959 München München Name der Einrichtung Albertus-Stift (Leopoldstraße bzw. Werneckstraße) Kinderheim u. -garten Bischöfliches Palais Schwesternheim Sollner Straße, ordenseigen Kinderheim St.Vinzenz Studienseminar St. Benedikt Ambul. Krankenpflegestation St. Georg in Bogenhausen Villa Rosipal Hilfs-Krankenhaus Max-Josef-Stift Hilfs-Krankenhaus Pullach, Berchmanskolleg Hilfs-Krankenhaus Adelmannschloss Hilfs-Krankenhaus Nymphenburg Städt. Altersheim Schwabing, 1942 Lazarett, 1945 Ausländerkrankenhaus der UNRRA, IRO, ab 1951 Altenheim Hilfs-Krankenhaus Waldtrudering Ausweich-Krankenhaus* Marienheim im Auftrag der UNRRA Krankenhaus am Biederstein Kinderheim, ab 1972 Pfarr-Kindergarten Privatklinik Krecke-Klinik Kinder-Krankenhaus bei Fischbachau (zu Schwabing gehörend) Darlappheim, Altenheim Ausweich-Krankenhaus der Kinderklinik Kloster Indersdorf (Marienanstalt), Landfrauenschule, 1952-1984 Haushaltungsschule, seit 1952 Realschule (1989 an Erzdiözese abgegeben), seit 1949 Kindergarten St.Vinzenz (2003 an Franziskuswerk Schönbrunn abgegeben), ordenseigen von 1949 bis 1989 bzw. Kindergarten bis 2002 Röntgen-Institut (zur Chirurgischen Klinik gehörend) Kindergarten in Berg am Laim Schwesternheim Maria Regina, Schwesternwohnheim Ab- gabe 1977 1977 1951 1967 1945 1941 1952 1944 1948 1943 1965 1950 1977 1948 1965 1946 1973 1992 1958 1970 1968 1966 1995 1959 1986 299 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Über- Ort nahme 1959 München 300 1961 1964 1964 Deggendorf Hengersberg Inzell 1965 1966 Unterwössen Ruhpolding 1967 1968 Regensburg Teisendorf 1971 1971 Ruhpolding Ruhpolding 1972 München 1972 München 1972 1973 1973 München Lichtenfels München 1973 1974 1974 München Dietfurt Trostberg 1975 1976 Indersdorf Regensburg 1977 1977 1979 1981 1982 1983 1986 1986 Gräfelfing Inzell München Plattling Frontenhausen München München München Name der Einrichtung Krankenpflegeschule Maria Regina für freie katholische Schwestern, seit 1980 BFS für Krankenpflege Pfarrkindergarten St. Martin Altersheim Schwesternerholungsheim St.Vinzenz, ordenseigen Schwesternerholungsheim Bichlhof, ordenseigen Altenheim St. Anna, 1971 Neubau Altenheim St. Adelheid, ordenseigen Bischöfliches Studienseminar, Haushalt Seniorenwohnanlage mit Pflegeheim St. Elisabeth Krankenhaus Vinzentinum Krankenpflegehilfe-Schule, ab 1991 BFS für Krankenpflegehilfe Städt. Krankenhaus Neuperlach, Onkologische Abteilung Berchmanskolleg, Altenpflege (nach Unterhaching verlegt) Ambulante Krankenpflege St. Gertrud Städt. Altersheim/Mayacher Stiftung Internes Krankenhaus Neuwittelsbach, ordenseigen Städt. Altenheim Caritas-Altenheim Kreis-Krankenhaus (kleine Gruppe von Schwestern) Sozialstation Dachau Kinder-Zentrum St.Vinzenz, Heilpädagogisches Kinderheim Caritas-Altenheim St. Gisela Gemeinde-Krankenhaus Caritas-Sozialstation Sendling Caritas-Sozialstation St.Vinzenz Mechtildisheim Deutsches Herzzentrum (Krankenhausseelsorge) Caritas-Sozialstation Haidhausen Haus Benedikt Labré, Obdachlosen-Betreuung Ab- gabe 1986 1969 1989 1984 1997 1974 1994 1987 1997 1976 1978 1997 1996 1998 1987 2004 2001 1987 Anhang Über- Ort nahme 1987 Unterwössen 1987 1988 1988 1988 1990 1991 1995 1995 1996 1997 1999 2002 2007 Name der Einrichtung Ab- gabe Schwesternerholungsheim Haus Luise, ordenseigen Wolfratshausen Erzbischöfliches Spätberufenen-Seminar St. Matthias in Waldram München Passionisten-Kloster St. Gabriel (Haushalt) 2001 München Haus Mechtild/Noviziat, seit 2007 Haus der Stille, ordenseigen München Der Jakobsbrunnen, erst Laim, dann Haus Mechtild, seit 1997 in Lochham München Johannes-Hospiz der Barmherzigen Brüder 1995 München „Oase“ Pfarrgemeinde St. Margret Ruhpolding BFS für Altenpflege, ordenseigen Fachendorf Katharinenhof in Pittenhart, ordenseigen Oberschleißheim Alten- und Pflegeheim für Obdachlose, Haus St. Benno München Caritas-Sozialstation in Berg am Laim 1999 Kajov Projekt Tschechien, Pfarrseelsorge, Gemeindecaritas München Projekt OMNIBUS München Neues Mutterhaus in Berg am Laim, ordenseigen ambul. = ambulante; städt. = städtisch; staatl. = staatlich; Mtths. = Mutterhaus * Auf die Auflistung der zahlreichen Ausweichkrankenhäuser der Münchner Kliniken, in denen die Schwestern tätig waren, wurde hier aus Platzgründen verzichtet. Quelle: BSMüA 017, Niederlassungsverzeichnisse 301 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Die Barmherzigen Schwestern Gedicht König Ludwig I. Gedruckt 1844 in der Zeitschrift „Sion“ Engel, die im irdischen Gefilde nur allein dem Wohl der Menschen leben, Güte sind sie, sie sind Liebe, Milde, haben sich den Leidenden gegeben. Gott anbeten und die Kranken pflegen, ein ununterbrochenes Selbstverleugnen ist ihr Daseyn, keinen Wunsch sie hegen, sind sich gleich, was sich auch mag ereignen. Nicht die Körper, die allein genesen, auch die Seelen ihr Bemühen rettet, sie verändern ganz des Menschen Wesen, lösen, was ihn an die Sünde kettet. Endelos ihr gänzliches Entsagen, geh‘n dem Tode immerfort entgegen, unaufhörlich sie das Leben wagen, überall verbreitend Ruh‘ und Segen. Heil‘ge Jungfrau‘n, Gottes muth‘ge Schaaren, heldenhafter als des Krieges Helden; denn kein Ruhm, wie groß auch die Gefahren, ihre Todsverachtung wird vergelten. Ihnen wird kein Lohn jemals auf Erden, was auch wären ihnen ird‘sche Kronen! Jenseits nur kann Lohn denselben werden, Himmlisches sich bloß im Himmel lohnen. Christus, Du nur kannst die Willen lenken, Du nur kannst die Herzen so entzünden, dass, sich selbst vergessend, sie sich senken ganz in Liebe, die nicht zu ergründen. 302 Literaturverzeichnis Adelholzener Alpenquellen GmbH, Manuskript der Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum der Übernahme des Betriebs durch die Barmherzigen Schwestern (2007) Bartholmä, Friedrich, Die Barmherzigen Schwestern in München in bezug auf Krankenpflege. Eine Stimme an unsere Zeit, V erlag M. S. Kreuzer, Augsburg 1838. Behrend-Rosenfeld, Else R., Ich stand nicht allein, Leben einer Jüdin in Deutschland 1933-1944, Verlag C.H.Beck, München 1988, Tagebuchaufzeichnungen, erstmals erschienen 1945. Brentano, Clemens von, Die Barmherzigen Schwestern, 2. Auflage, Mainz 1852. Buchberger, Michael (Hg.), Die Kulturarbeit der katholischen Kirche in Bayern, München 1920. Buchborn, Eberhard (Hg.), V om Allgemeinen Krankenhaus zur Medizinischen Klinik Innenstadt der Ludwig-Maximilians-Universität, München 1988. 300 Jahre Barmherzige Schwestern vom Heiligen Vinzenz von Paul 16331933, 100 Jahre Welt-Vinzenz-Verein 1833-1933, Hanns Eder-Verlag, München 1933. Eder, Manfred, Helfen macht nicht ärmer, Von der kirchlichen Armenfürsorge zur modernen Caritas in Bayern, Altötting 1997. Förg, Gabriele (Hg.), Bayern – Land mit Löwenspuren, Geschichten aus der bayerischen Geschichte, Allitera Verlag, München 2005. Frings, Bernhard, Mit ganzem Herzen, Hundert Jahre Missionsschwestern vom Heiligen Herzen Jesu von Hiltrup, Laumann-Verlag, 2000. Gebhardt, M. Caritas Schwester, Die Barmherzigen Schwestern in der NS-Zeit, in: Das Erzbistum München und Freising in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft, hrsg.Von Georg Schwaiger, Sonderdruck,Verlag Schnell & Steiner, München, Zürich 1984. Dies., Geschichte der barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul, Mutterhaus München, Typoskript, kurz Mutterhauschronik genannt, Fortführung (bis 1974) und Überarbeitung einer im Jahr 1953 handgeschriebenen Chronik von Sr. M. Emma Mayer (starb 1978). Diese Barmherzige Schwester war von 1925 – 1967 im Schreibzimmer des Mutterhauses beschäftigt, hatte also engen Kontakt mit der Ordensleitung. Diese Chronik basiert auf der Briefchronik und schöpft aus persönlichen Erinnerungen von Schwester Emma ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Da der Autorin nur die digitale Form der Mutterhauschronik vorlag, bezeichnen alle Seitenangaben die jeweiligen Bildschirmseiten. Glowatzki, Herbert CM (gesammelt), Gedrängt vom Erbarmen, Worte des heiligen Vinzenz von Paul, Salzkotten 1959. 303 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Häberl, Franz Xaver, Abhandlung über öffentliche Armen- und Krankenpflege, München 1813 Hauber, Michael, Allgemeine Statuten des Ordens der Barmherzigen Schwestern des hl.Vinzenz von Paul im Königreich, München 1835. Ders., Zwölf gottselige Betrachtungen über die Vorzüge und Pflichten des Ordens der BS als Armen- und Krankenpflegerinnen in den Spitälern, Sulzbach 1835. Hausberger, Karl / Hubensteiner, Benno, Bayerische Kirchengeschichte, Süddeutscher Verlag GmbH, München 1985. Hubensteiner, Benno, Bayerische Geschichte, Staat und Volk, Kunst und Kultur, München 1980 Kasberger, Erich / Knauer-Nothaft, Christl, Berg am Laim. Von den Siedlungsanfängen zum modernen Stadtteil Münchens,Volk Verlag, 2006. Kerschensteiner, Hermann, Geschichte der Münchner Krankenanstalten, Verlag J.F. Lehmann, München, Berlin 1939. Kobell, Luise von , Luise von Kobell und die Könige von Bayern, Historien und Anekdoten anno 1790 – 1890, Hg. Kurt Wilhelm, Ehrenwirtverlag, München 1980. Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom hl.Vinzenz von Paul, Mutterhaus München (Hg.), Alten- und Pflegeheim Waldsanatorium Planegg, Festschrift zur Einweihung am 19.02.2003, anlässlich des Abschlusses der Generalsanierung, München 2003. Dies. (Hg.), Alten- und Pflegeheim St. Michael Berg a. Laim, Festschrift zur Einweihung am 22.07.2004, anlässlich des Abschlusses der Generalsanierung, München 2004. Dies. (Hg.), Gedenkfeier anlässlich des 150jährigen Wirkens der Barmherzigen Schwestern in Bayern am 10.März 1982, Seitz-Verlag, München 1982. Dies. (Hg.), Lebensordnung der Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom hl.Vinzenz von Paul Mutterhaus München, München 1985. Dies. / St. Vinzentius Zentralverein München (Hg.), 400 Jahre Vinzenz von Paul 1581-1981, Predigten und Ansprachen, München 1981. Kopp, Franz Xaver, Generalbericht über die Choleraepidemie 1836-1837 in München, München 1837. Kunz, Irene, Grundausbildung und Spezialisierung in der Krankenpflege. Zwischen 1800 und 1960. Med. Diss. Freiburg 1984. Laube, Volker, Fremdarbeiter in kirchlichen Einrichtungen im Erzbistum München und Freising, 1939 – 1945, Eine Dokumentation, Schriften des Archivs des Erzbistums München und Freising, Bd. 7, Regensburg 2005. Locher, Wolfgang Prof. Dr., 100 Jahre Chirurgische Universitätsklinik München an der Nußbaumstraße, München 1991. Ders., 150 Jahre Dr. von Haunersches Kinderspital 1846 – 1996, München 1996. Ders. / Scriba, Peter C., Prof. Dr. Dr. hc. (Hg.), Zum Abschied der Barmherzigen Schwestern, Feierstunde zur Verabschiedung der Barmherzigen Schwestern vom Hl. 304 Literaturverzeichnis Vinzenz von Paul aus der Medizinischen Klinik Innenstadt in München am 8.Juni 2000, München 2000. Martin, Anselm, Geschichtliche Darstellung der Kranken- und Versorgungsanstalten zu München mit medizinisch-administrativen Bemerkungen aus dem Gebiet der Nosokomialpflege, Georg Franz Verlag, München 1834. Nicolai, Frauke, 650 Jahre Fürsorge und Pflege, Ein Bericht zum Jubiläum der HeiligGeist-Spital-Stiftung der Stadt Landsberg, Landsberg/Augsburg 1999. Riehl, Hans, Märchenkönig und Bürgerkönige, Wittelsbacher Geschichte(n) 1808 – 1918,Verlag W. Ludwig, Pfaffenhofen 1979. Rosmus, Anna, Wintergrün,Verdrängte Morde, Konstanz 1993. Sauer, Sr. M. Sigram O.S.B. (zusammengestellt), Das Mutterhaus der Missionsbenediktinerinnen von Tutzing in schwerer Zeit, Tutzing 2003. Schad, Martha, Bayerns Königinnen, Piper-Verlag, München/Zürich 2005. Scherer, Emil Clemens, Die Kongregation der Barmherzigen Schwestern von Straßburg. Ein Bild ihres Werdens und Wirkens von 1734 bis zur Gegenwart. (Forschungen zur Kirchengeschichte des Elsaß Bd. 2), Butzon & Bercker, Kevelaer 1930. Ders., Schwester Ignatia Jorth und die Einführung der Barmherzigen Schwestern in Bayern, Gilde-Verlag, Köln 1932. Seidler, Eduard, Geschichte der Pflege des kranken Menschen, 3. Aufl., Stuttgart 1966. Sintzel, Michael, Erinnerungen an die wohlerwürdige Frau Ignatia Jorth, Gründerin und erste General-Oberin des Ordens der Barmherzigen Schwestern in Bayern, München 1845. Ders., Geschichte der Entstehung,Verbreitung und Wirksamkeit des Ordens der Barmherzigen Schwestern, Regensburg 1847. Sporer, Irmgard, Das Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Vinzenz von Paul von München, Med. Diss. TU München 1988. Sterner, Lieselotte, Die Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom hl.Vinzenz von Paul in Hildesheim von 1852 bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil, Untersuchung einer karitativen Ordensgemeinschaft vor dem Hintergrund der sozialen und politischen Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert, Hannover 1999. Thorr, Joseph, Darstellung der baulichen und inneren Einrichtungen eines Krankenhauses durch die Organisationsverhältnisse des städtischen allgemeinen Krankenhauses in München erläutert. Nebst einer Übersicht der Leistungen dieser Anstalt vom Jahre 1820-1846, München 1847. Ders., Die Leistungen des allgemeinen Krankenhauses in München von der Eröffnung bis zum Jahre 1854, München 1854. Walther, Philipp Franz Dr. von, Über den finanziellen Zustand des allgemeinen Krankenhauses in München im Jahre 1835. 305 Bildnachweis Allgemeines Krankenhaus in München, Lithographie von Carl August Lebschée (1800 – 1877) um 1830, S. 20, Ausschnitt aus Stadtkarte München, S. 162, Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Stadtarchivs München. König Ludwig I., S. 22, Königin Caroline, S. 85 und Königin Therese, S. 137, Gemälde von Joseph Stieler (1781 – 1858), Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Wittelsbacher Ausgleichsfonds, München. Professor Johann Nepomuk von Ringseis, S. 38, Gemälde von Joseph Stieler, Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Bayerischen Nationalmuseums. Grafiken S. 78, 134, 135, 156, 246, 260, 265, 267 von der Autorin erstellt. Fahrkarte, S. 47, Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von Frau Therese Weiß, der ehemaligen Besitzerin des Hotelgasthofs zur Post in Fürstenfeldbruck (früher Postkutschenstation). Alle weiteren Abbildungen sind dem Fotobestand des Mutterhauses München entnommen. 306 Archivalienverzeichnis Archiv des Instituts für Geschichte der Medizin der Universität München Bestand Krankenhaus links der Isar 340/III Übereinkunft des Magistrats mit dem Orden der Barmherzigen Schwestern über die Verpflegung und das Dienstpersonal. 734/1 Wiederherstellung des Ordens der Barmherzigen Schwestern. I. Epoche 1826/1831. 734/2 Wiederherstellung des Ordens der Barmherzigen Schwestern. II. Epoche ab 1832. 734/3 Die Einführung des Instituts der Barmherzigen Schwestern in auswärtigen Krankenhäusern. 740 Geldbezüge der Barmherzigen Schwestern im Krankenhause links der Isar. 1846 – 1853. Archiv des Mutterhauses der Barmherzigen Schwestern in München Gesamtbestand gesichtet. Wichtiger Hinweis: Mit der Verlegung des Archivs ins neue Mutterhaus wird eine Neuordnung der Bestände vorgenommen. Die hier gemachten Angaben beziehen sich noch auf die alte Ordnung des Archivs. Bayerisches Hauptstaatsarchiv MK 49353 Barmherzige Schwestern v. Hl. Vinzenz von Paul. Bestätigung der Körperschaftsrechte. MK 69469 Gesamtverwaltung der Universitätskliniken links der Isar.Verwendung des Mutterhauses der Barmherzigen Schwestern 1959 – 1972. MInn 89195 Rechtsstatus des Ordens der Barmherzigen Schwestern vom Hl.Vinzenz von Paul in München 1946. 307 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Archiv des Erzbistums München und Freising AEM, NL-Pfaffenbüchler Nr.1. Erzbischöfliches Archiv der Diözese München und Freising EAM, Erzbischöfe 1821 – 1917, Karton 3 und 15a. EAM, NL Faulhaber, 5501, 5660-66, 8182, 8183, 8186, 8187, 8189. Staatsarchiv München Mü LRA 58779, Kloster- und Ordensangelegenheiten, 1828. LRA 59135, Maßregeln gegen die Cholera. RA 2529, 51019, Barmherzige Schwestern in München, Aufstellung eines Superiors, 1884. RA 3675 Das Krankenhaus in der Stadt München, 1839 1863. RA 3675, 57251, Das Krankenhaus in München l. d. Isar, 1864 – 1905. Stadtarchiv München Krankenanstalten, Nr. 42, Krankenpflege durch Barmherzige Schwestern und Diakonissen, 1819 – 1868. Ebd., Nr. 43, Öffentlicher Bericht von Krankenhausinspektor Thorr 1854. Ebd., Nr. 72, Superioren, 1832 – 1914. Ebd., Nr. 76, Weltliche Krankenpflegerinnen, 1919 – 1939. Ebd., Nr. 77, NS-Schwestern, weltliche Schwestern, 1939 – 1941. Ebd., Nr. 217, Städtisches Sanatorium Harlaching. Stadtchronik. 308 Abkürzungsverzeichnis AEM BSMüA Archiv der Erzdiözese München und Freising Archiv des Mutterhauses der Barmherzigen Schwestern in München GeschMedMüA Archiv des Instituts für Geschichte der Medizin der Universität München BayHStA Bayerisches Hauptstaatsarchiv München EAM Erzbischöfliches Archiv der Erzdiözese München und Freising Jhg. Jahrgang Krankenhaus l.d.I. Krankenhaus links der Isar, früher Allgemeines Krankenhaus, jetzt Medizinische Klink der Innenstadt in der Ziemssenstraße Mutterhauschronik Schwester M. Caritas Gebhardt, Die Geschichte der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul, Mutterhaus München, Typoskript NL Nachlass StAM Staatsarchiv München StadtAM Stadtarchiv München SZ Süddeutsche Zeitung 309 Anmerkungen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 310 Martin, 1834, , S.73, aus Bericht des Innenministeriums zur Aufhebung des Elisabethspitals. Ebd., S. 87. Ebd. S. 87. Kerschensteiner, 1939, S. 186. BSMüA, Königliches Reskript v. 29.07.1827, IV. Ebd., VII. GeschMedMüA, 734/1, Straßburger Generalvikar Liebermann an Dompropst von Streber, 05.04.1828, Abschrift vom 9.04.1828. Ebd., Brief der Straßburger Generaloberin, Sr. Vinzenz Sultzer, an den Magistrat vom 14.09.1828. Ebd., Brief des Straßburger Generalvikars an das Münchner Ordinariat vom 12.12.1828, Abschrift. Zitiert nach Scherer, Schwester Ignatia Jorth, S. 28. GeschMedMüA 734/1, Straßburger Generaloberin an Magistrat, 26.02.1830. Zitiert nach Scherer, S. 32, Brief von Sr. Mechtildis an Straßburger Generaloberin. StadtAM, Stadtchronik. Bayerischer Volksfreund vom 29.04.1830, BayHStA, M Inn Nr. 61673. Zitiert nach Scherer, S. 35. BSMüA,01 Mappe 2. Ebd. Zitiert nach Scherer, S. 38, Brief von Pater Rupert Leiß an Superior Thomas. Aus GeschMedMüA 734/2. GeschMedMüA, 734/1. BSMüA, 01 Mappe 7, Schwester Ignatia Jorth, Presseberichte und Stadtchronik behaupten, die beiden Straßburger Schwestern seien in Dachau von der Magistratsdelegation empfangen worden. Sie gingen demnach davon aus, dass die Schwestern die Route über Dachau, nicht über FFB genommen hätten. Anzunehmen ist, dass sich dieser Irrtum aufgrund mangelnder Recherche vonseiten der Presse eingeschlichen hat und unbesehen übernommen wurde. StadtAM, Stadtchronik. GeschMedMüA, 734/2, Übereinkunft vom Januar 1832 und BSMüA, 01 Mappe 2. BSMüA, 02 Mappe 8, 1834 - 1847, Schreiben der Oberin an Magistrat vom 4.10.1834. Anmerkungen 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 Zitiert nach Scherer, S. 54/55. Ebd. S. 55/56, Bericht der Krankenhauskommission vom 5. April 1833. Ebd., S. 59/60, Festpredigt von Döllinger. Ebd., S. 173. Ebd. Ebd., S. 161/162. BSMüA 20 Generaloberinnen, Sr. Ignatia Jorth, Brief des Münchner Ordinariats an Magistrat wg. Aufenthaltsverlängerung 5.8.1834. BSMüA, 01 Mappe 2, auch in 01 Mappe 1 und 03 Mappe 3, Eingabe Ignatias vom 24. April 1835. Zitiert nach Scherer, S. 73, Brief Sr. Ignatias an Straßburger Generaloberin. BSMüA, 03 Mappe 8, Königliches Reskript vom 30. Mai 1835. BSMüA, 03 Mappe 3, Brief Sr. Ignatias an das Mutterhaus in Straßburg am 25.06.1836. Kopp, Franz Xaver, 1837, S. 173. BSMüA, 03 Mappe 3, Brief Sr. Ignatias an Mutterhaus Straßburg am 25.06.1833. Walther, 18, S. 8. Vgl. zum Mutterhausbau BSMüA, 02, auch zu den folgenden Kostenangaben; zu der Debatte bei den Landständen hier auch Exemplare der Münchner Politischen Zeitung vom 06.11.1837. BSMüA, 03 Mappe 3, Brief Sr. Ignatias an Mutterhaus Straßburg am 05.08.1836. Zitiert nach Scherer, S. 96. Ebd. Ebd., S. 103/104, Brief Sr. Ignatias an Sr.Vinzenz Sultzer am 4.8.1833. Ebd., S. 104, Brief Sr. Ignatias an Sr. Vinzenz Sultzer, einige Wochen später als 4.8.1833. Ebd. Ebd., S. 107. Ebd., S. 119. Ebd., S. 124. Ebd. BSMüA 30, Personalbücher 1832-1879. Scherer, S. 143. GeschMedMüA, 734/2 und BSMüA 01 Mappe 2, Schreiben des Magistrats an Generaloberin Sr. Ignatia Jorth, anlässlich der Überreichung eines Silberkreuzes am 24. Mai 1836. Zitiert nach Scherer, S.199 Brief Sr. Ignatias an Straßburger Ordensleitung ca. Ende Mai 1836. Ebd., S. 217. Ebd., S. 224. Vgl. BSMüA 30, Personalbücher 1832 – 1879, 1880 – 1901. 311 Festschrift der Barmherzigen Schwestern 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 312 Vgl. BSMüA, 017 Niederlassungen. BSMüA, 1026, Henlesche Stiftung. Ebd., Brief des Augsburger Superiors an den Münchner Superior vom 11.09.1895. Ebd., Antwortschreiben des Münchner Superiors an den Augsburger Superior vom 17.09.1895. Buchborn, S. 9. GeschMedMüA, 734/1, Thorrbericht. Buchborn, S. 3. Kerschensteiner, S. 185/186. Ebd., S. 187. GeschMedMüA, 734/1, Thorrbericht. Statuten von 1835, § 2. Vgl. zu allen folgenden Angaben zu Pflegeausbildung BSMüA 50, 3300, 3301, 3305 und Mutterhauschronik. BSMüA, 03 Mappe 3, Brief Sr. Ignatias an Sr.Vinzenz Sultzer am 5.8.1836. Nicolai, Frauke, 1999, S. 13. Angaben aus dem Generalsekretariat des Mutterhauses, Sr. Anna Maria Burgauer, Dezember 2006. Kerschensteiner, S. 241. Ebd. Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 46. Kobell, S. 317. Kerschensteiner, S. 258. Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 74. Kopp, S. 74/75. Vgl. Kerschensteiner und Kobell. Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 96. Kerschensteiner, S. 293, Direktor Friedrich von Müller über Spanische Grippe. Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 118. BSMüA, 60 Lazarettpflege. Alle folgenden Angaben aus BSMüA, 60 Lazarettpflege. BSMüA, 03 Mappe 3, Brief der Straßburger Generaloberin an Münchner Generaloberin, 23. 10.1870. Alle folgenden Angaben aus BSMüA, 60 Lazarettpflege. Ebd., Kriegstagebuch von Sr. M. Alma Mack. Ebd., Bericht von Sr. M. Magdalena Barnickel. Ebd. Vgl. zu Revolution und Inflation Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 122 – 124. Kerschensteiner, S. 289. Anmerkungen aus Internet: http://www.dhm.de/lemo/html/weimar/revolution/raeterepublik/ index.html. 93 aus Internet: http://www.br-online.de/wissen-bildung/collegeradio/medien/ geschichte/revolution3. V gl. Neue Schriftenreihe des Stadtarchivs München, Bd. Nr. 29, Revolution und Räteherrschaft in München. 94 Kerschensteiner, ebd. 95 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 123. 96 Diese und die folgenden Angaben zur Statistik zu Niederlassungen aus BSMüA 017. 97 BSMüA 03 Mappe 8, Hillerchronik. 98 BSMüA 30 Mitgliederverzeichnisse. 99 Hauber, Allgemeine Statuten, 1835, auch in BSMüA, 03 Mappe 8, Statuten von 1835, Königliches Reskript vom 30. Mai 1835. 100 Ebd. 101 Ebd. 102 Zur geplanten Mutterhausverlegung vgl. BSMüA 05,06,07 und BayHStA, MK 39646, Mutterhaus der BS,Verlegung des Mutterhauses, 1927 – 1939. 103 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 121. 104 Zu Adelholzen vgl. Gebhardt, Mutterhauschronik und BSMüA 020, darin u. a. Haslberger, Alfons (Kurat), Wildbad Adelholzen, Einst und jetzt, Ein Führer zu seinen Heilquellen, in seiner Geschichte und Umgebung, 1913 und Neuauflage 1925. 105 zitiert nach Manuskript der Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum der Übernahme der Adelholzener Alpenquellen durch die Barmherzigen Schwestern (2007) 106 AEM, NL Pfaffenbüchler Nr. 1, Pacelli an Pfaffenbüchler 5.1.1932. 107 Vgl. zu den folgenden Angaben und Zitaten BSMüA 208, Ordensregel-Statuten, Beilage zur Ordensregel der Barmherzigen Schwestern des Mutterhauses München, Innere Verfassung und Verwaltung, 05.11.1895. 108 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 141. 109 Ebd. 110 EAM-NL Faulhaber, V 5662, Barmherzige Schwestern 1933 – 1945, Schreiben an die bayerischen Bischöfe vom 12.07.1934. 111 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 132, Stand vom 10.03.1932; die abweichende Angabe von 143 Kandidatinnen im Jahr 1932 in BSMüA 30 Status des Ordens ab 1828, alte Liste, erklärt sich daraus, dass dort der Stand vom 31.12.1932 genannt wird, inzwischen waren einige dieser Kandidatinnen eingekleidet worden und wurden somit zu den Novizinnen gerechnet. Allerdings gibt es für die Mitgliederzahlen ab 1932 eine neue Liste, bei der es zu der alten Liste geringfügige Abweichungen gibt. Da aber Schwester M. Emma Mayer die neue Liste mit den Polizeianmelde-, Profess- und Totenbüchern abgeglichen hat, stützt sich die Autorin mit ihren Statistiken ab 1932 auf die neue Liste. Für 1932 nennt die neue Liste eine Gesamtzahl der 92 313 Festschrift der Barmherzigen Schwestern Mitglieder von 2631 und eine Kandidatinnenzahl von 139. Die Zahlen der neuen Liste weichen also geringfügig nach unten ab. Scherer spricht im Jubiläumsjahr sogar von 194 Kandidatinnen, eine Zahl, die zwar von späteren Autoren übernommen wurde, aber nicht verifizierbar ist. 112 EAM NL Faulhaber V 5660, Mutterhaus der BS 1919 – 1933. 113 BSMüA 10, Festbrief von Superior Pfaffenbüchler zur 100-Jahrfeier. 114 AEM, NL Pfaffenbüchler Nr. 1, Pacelli an Pfaffenbüchler,Vatikan 20.8.1932. 115 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 133. 116 Zitiert nach Eder, Manfred, Helfen macht nicht ärmer, S. 480, Geheimanweisung des Reichssicherheitsdienstes vom 15.2.1938. 117 Gebhardt, Die Barmherzigen Schwestern in der NS-Zeit, S. 693/694. 118 BSMüA 801, Zeitungsausschnitte, SA-Mann vom 8.5.1937. 119 BSMüA 803, Widerstand gegen das Nazi-Regime und Verfolgte, Bericht vom Stadtjugendamt an Superior Pfaffenbüchler vom 18.2.1937. 120 BayHSTA MK 39646, Mutterhaus der BS, Verlegung des Mutterhauses, 1927 – 1939, Vertrag vom 2.3.1937 zwischen Stadt und Orden. 121 Völkischer Beobachter vom 1.1.1938, zitiert nach Gebhardt, Die Barmherzigen Schwestern in der NS-Zeit, S. 700/701. 122 Siehe zu Folgendem StAM, Krankenanstalten Nr. 77, NS-Schwestern, weltliche Schwestern 1939 – 41. 123 Ebd., Schreiben der Gauleitung der NSDAP, Gau München-Oberbayern an Münchner Oberbürgermeister, 18.12.1939. 124 Ebd., Bericht der Krankenhausverwaltung vom Krankenhaus r.d.I. vom 12.1.1940. 125 Siehe zu folgendem Vorgang BayHSTA MK 39646, Mutterhaus der BS, Verlegung des Mutterhauses, 1927 – 1939. 126 Ebd., Rechtsgutachten vom 28.10.1937 von Fiskalreferent Mayr im Auftrag des OB Fiehler erstellt. 127 Ebd., OB an Kultusministerium in einem geheimen Schreiben vom 25.11.1937. 128 Ebd., OB zitiert in Schreiben an Kultusministerium vom 16.5.1938 aus dem Schreiben Hilgenfeldts an OB vom 29.12.1937. 129 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 142, hier auch die Angaben zu den Austritten entnommen. 130 Gebhardt, Die Barmherzigen Schwestern in der NS-Zeit, S. 702. 131 EAM NL Faulhaber, 8186 Besteuerung der Orden, Beschränkung des Nachwuchses, Erlass des Arbeitsministers vom 29.9.1940 an die Präsidenten der Landesarbeitsämter. 132 Ebd., Aktenvermerk, Konferenz München 1942 zum Ordensnachwuchs. 133 Siehe dazu BSMüA024 Bukarest; EAM NL Faulhaber, 5666 Barmherzige Schwestern in Bukarest. 134 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 136. 314 Anmerkungen 135 BSMüA 80, Brief des Beauftragten für KLV im Gau München-Oberbayern der NSDAP i.A. Oberstaller am 31.März 1941 an das Kurhaus Adelholzen. 136 BSMüA 601 Lazarettpflege im II. Weltkrieg, Mappe 2. 137 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 139. 138 Ebd. 139 Behrend-Rosenfeld, Else, Ich stand nicht allein, 1988, S. 114, siehe auch S. 113, 128/129. 140 Ebd., S. 129. 141 BSMüA 802 III. Reich-Judenverfolgung, Schreiben von Helmut Lisberger vom 17.2.1991, zu der Heimanlage in Berg am Laim siehe auch Kasberger, Erich/ Knauer-Nothaft Christl, Berg am Laim, 2006, Beitrag von Erich Kasberger zu der „Heimanlage für Juden in Berg am Laim“. 142 Zu folgenden Vorgängen siehe: Rosmus, Anna, Wintergrün, 1993. 143 Zitiert nach Rosmus, S. 15. 144 Ebd., S. 14. 145 Zitiert nach SZ vom 28./29.8.1993. 146 Siehe dazu BSMüA 031 Maria-Theresia-Klinik. 147 Diese und folgende Angaben aus Laube, Volker, Fremdarbeiter in kirchlichen Einrichtungen, 2005. 148 BSMüA 80. 149 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 137. 150 BSMüA 601, Lazarettpflege im II. Weltkrieg, Mappe 1. 151 Zitiert nach Gebhardt, Die Barmherzigen Schwestern in der NS-Zeit, S. 708. 152 Ebd., S. 699/700, Schreiben der Ordensleitung an Oberkommando der Wehrmacht vom 8.2.1940, Unterstützungsschreiben verschiedener Klinikdirektoren und des Gesundheitsamts. 153 Ebd., S. 713. 154 Ebd., S. 708 ff.; Dies., Mutterhauschronik, S. 151/152; BSMüA 602 II. Weltkrieg, Situation Krankenhäuser u. Ausweich-Krankenhäuser, Pflegepersonal und Hilfsschwestern. 155 BSMüA 602, Listen der Hilfsschwestern, Rundschreiben der Generaloberin Schwester M. Castella Blöckl vom 31.3.1942, Listen über Hilfsschwestern. 156 Gebhardt, Die Barmherzigen Schwestern in der NS-Zeit, S. 708. 157 Zu den Luftangriffen vgl. BSMüA 801 II. Weltkrieg-Luftangriffe; Gebhardt, Mutterhauschronik S.153 f., Dies., Die Barmherzigen Schwestern in der NS-Zeit, S. 711 f. 158 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 154. 159 BSMüA 80, Anweisung des Kardinals zum religiösen Verhalten bei Fliegerangriffen vom 28.9.1942 und 5.10.1942. 160 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 157. 315 Festschrift der Barmherzigen Schwestern 161 BSMüA 801 II. Weltkrieg-Luftangriffe, Bericht der Generaloberin an die Schwestern vom 17.6.1944. 162 Ebd., Grabrede von Domkapitular Grassl am 17.6.1944. 163 BSMüA 018 Berg am Laim, Brief von Superior Pfaffenbüchler an Herrn Hirschmann, vom 29. Juli 1944, aus Bad Adelholzen. 164 BSMüA 801, Bericht der GO an auswärtige Filialen vom 14.7.1944. 165 Gebhardt, Mutterhauschronik S. 161. 166 Ebd., S. 177. 167 BSMüA 09 Zerstörung des Mutterhauses durch Bomben, Einiges aus dem Mutterhaus 1945, S. 9. 168 Gebhardt, Die Barmherzigen Schwestern in der NS-Zeit, Tabelle 2b, S. 691. 169 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 178. 170 Ebd., S. 172. 171 BSMüA Häuserakte Landsberg, Zitate aus Blöchl, Sr. M. Betha, Bericht der Ambulanten Krankenpflegestation über die Pflege der Juden vom 29. April bis 1. August 1945. 172 Gebhardt, Die Barmherzigen Schwestern in der NS-Zeit, S. 716. 173 EAM NL-Faulhaber, V 5661, Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern 1933-1952, Benachrichtigung an Domvikar Grassl durch die Familie Lehnert-Kinzhofer. 174 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 202. 175 BSMüA 30, Mitgliederverzeichnisse. 176 Siehe dazu BSMüA 030 Marienheim Kloster Indersdorf, darin vor allem: Raabe, Sr. M. Borromäa, Die Geschichte der Barmherzigen Schwestern in Indersdorf 1856-1995, Vortrag von 1997, Zitat S.10. 177 Ebd., Werbeprospekt für Landfrauen-Schule Indersdorf. 178 Ebd., Raabe, S. 13. 179 Siehe dazu BSMüA 033, Landshut Marienheim. 180 Siehe dazu BSMüA 020, Bad Adelholzen. 181 Siehe dazu BSMüA 031, Maria-Theresia-Klinik. 182 Siehe dazu BSMüA 037 Ruhpolding, Krankenhaus Vinzentinum. 183 Siehe dazu BSMüA 028 Krankenhaus Neuwittelsbach. 184 Siehe dazu BSMüA 038 Teisendorf, Altenheim St. Elisabeth. 185 Siehe dazu BSMüA 036 Ruhpolding, Altenheim St. Adelheid. 186 Siehe dazu BSMüA 022 Unterhaching. 187 Siehe dazu BSMüA 021 Waldsanatorium Planegg. 188 Siehe dazu BSMüA 026 Schwesternheim St. Hildegard. 189 Siehe dazu BSMüA 019 Postulat und BSMüA 3300 Ordenseigene Krankenpflegeschulen. 190 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 273. 191 Siehe dazu BSMüA 3301 Kommunale Krankenpflegeschulen. 316 Anmerkungen 192 Siehe dazu BSMüA 020 Bad Adelholzen und Manuskript der Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum der Übernahme der Adelholzener Alpenquellen durch die Barmherzigen Schwestern. 193 BSMüA 30, Mitgliederverzeichnisse. 194 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 264/65. 195 BSMüA 017, Verzeichnisse der Niederlassungen. 196 BayHSTA, MK 69532 Hebammen und Schwestern der I. Frauenklinik, Direktor der Frauenklinik an Universitätsverwaltung, 25.10.1966. 197 Ebd., Universität an Kultusministerium, 4.11.1966. 198 Ebd., Universität an Kultusministerium, Februar 1970. 199 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 252 f. 200BSMüA 20 Leitung, 204 Informationsberichte Generalkapitel 1953 – 1975. 201Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 259. 202BSMüA 20 Leitung, 207 Änderung der Ordenstracht, Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens vom II. Vatikanischen Konzil im Oktober 1965, Erzbischöfliches Ordinariat München und Freising (Hg.), S. 19. 203Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 293/294. 204Ebd. S. 294. 205300 Jahre Barmherzige Schwestern, 1933, Domkapitular Seeland zu Mutterhaus Hildesheim, S. 79 ff. 206Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 130/131. 207Siehe dazu BSMüA 20 Leitung, 204 Informationsberichte Generalkapitel 1953-1975. 208Siehe die heute gültigen Regelungen in Lebensordnung der Kongregation von 1985. 209BSMüA 20 Leitung, Generaloberinnen, Bericht der GO Sr. Gundebalda zum Generalkapitel 1980. 210Glowatzki, Herbert CM (gesammelt), Gedrängt vom Erbarmen, Worte des heiligen Vinzenz von Paul, Salzkotten 1959, S. 54. 211Gebhardt, Mutterhauschronik S. 266/267. 212 Siehe dazu BSMüA 1026 Vinzentinische Föderation. 213BSMüA 1029 Affiliation, Affiliationsurkunde. 214BSMüA 2011 Kleine Gemeinschaften, Schwestern in Einzelaufgaben. 215Die aktuellen statistischen Daten beruhen auf Angaben aus der Mutterhausverwaltung. Bei den Angaben zur Zahl der Niederlassungen und der jeweiligen Besetzung mit Schwestern wurden die Zahlen von 7/2007 verwendet. Die Zahlen zum Personalstand der Schwestern sind der Jahresabschlussstatistik zum 31.12.2006 entnommen. Weitere Quellen zum aktuellen Stand der Kongregation: http:// www.barmherzige-schwestern-muenchen.de und Rechenschaftsbericht des Generalkapitels vom November 2004. 216Gespräch mit Schwester M. Tyella Eichstetter am 10.3.07. 317 Festschrift der Barmherzigen Schwestern auch heute 4/2005. 2011 Kleine Gemeinschaften, Schwestern in Einzelaufgaben und Mappe zu neuen Projekten aus Generalsekretariat. 219Siehe auch heute, Zeitschrift der Föderation Vinzentinischer Frauengemeinschaften 4/2002, Sr. M. Ingela Hofmann, Sr. M. Dagmar Raab, Haus St. Benno, S. 5 f. 220 Ebd., Sr. M. Clementine Rodler, „Der Jakobsbrunnen“, S. 3 f. 221 Ebd., Sr. Daniela Maria Holzner, Projekt Omnibus, S. 30 f. 222BSMüA 20 Leitung, Außerordentliches Generalkapitel am 11./12.1.2003, Rundschreiben der Generaloberin vom 16.1.2003, Schreiben der Ludwig-MaximilianUniversität an Ordensleitung vom 9.8.2002. 223Glowatzki, S. 106. 224 Ebd., S. 96. 225Rechenschaftsbericht des Generalkapitels vom November 2004, S. 2. 226Glowatzki, S. 13. 217Siehe 218BSMüA 318 Impressum 175 Jahre Barmherzige Schwestern in Bayern, 1832 – 2007 Herausgegeben im Jubiläumsjahr 2007 von der Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul Mutterhaus München Vinzenz-von-Paul-Straße 1 81671 München www.barmherzige-schwestern-muenchen.de Verantwortlich: Verfasserin: Redaktion: Produktion: Grafik: Satz: Litho: Druck: Schwester M. Theodolinde Mehltretter, Generaloberin Hildegard Zellinger-Kratzl Wolfgang Dausch Don Bosco Kommunikation Margret Russer undercover Camscan Don Bosco Druck & Design 319 Das Logo der Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul, Mutterhaus München, lässt mehrere Einzelteile erkennen: ein Dach, das über allem steht, ein stilisiertes Haus, das sich aus mehreren Bausteinen zusammensetzt, und ein weißes Kreuz in der Mitte des Hauses. Das dunkle Blau des Daches lässt an Schutz und Geborgenheit denken. Es könnte die Hand Gottes über der Kongregation sein, vielleicht auch die schützende, segnende Hand des hl. Vinzenz von Paul. Auch das Mutterhaus kann darunter verstanden werden, in dem alle Einrichtungen und Hilfswerke der Kongregation ihren Ursprung und ihre Heimat haben. Die Bausteine, die das weiße Kreuz aussparen, verdeut lichen die Krankenhäuser, Altenheime und die vielen weiteren Wirkungsstätten, in denen Schwestern und Mitarbeiter im Geist des hl. Vinzenz wirken. Die drei violetten Bausteine weisen auf das Sakrale hin. Im Sinne der Kongregation bedeuten sie Glaube, Hoffnung und Liebe, vinzentinisch „Dienen in der Einfachheit der Liebe“. Das Kreuz steht für Heil und Erlösung. Die Kongregation der Barmherzigen Schwestern will unter dem Schutz Gottes dazu beitragen, den Menschen das Heil zu bringen.