columbia spider man 1 2 c.e

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columbia spider man 1 2 c.e
think : act LEADERSHIP BY ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS
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Jack Welch
Der härteste Manager
der Welt darüber, wie
man seine Mitarbeiter
anständig behandelt.
Martina Koederitz
Magazine for
Decision Makers
N 19
MUT
Führung in Zeiten
des Wandels
Jagdish Bhagwati: Warum Wachstum die beste Strategie zur Armutsbekämpfung ist
Megacities: Warum sie Staaten den Rang ablaufen und wie Unternehmen profitieren
Leuchttürme: Warum Apple und Google für zwei völlig gegensätzliche Systeme stehen
Die IBM-Chefin
erklärt, wie aus Big
Data ein Big Business
werden kann.
Roland Berger Stiftung: Der Preis für Menschenwürde
Das Engagement von Frauenrechtlerinnen im Fokus: Im Jüdischen Museum in Berlin
wurde der Einsatz von Frauen aus Indien, Afghanistan und Pakistan gewürdigt.
1
1
DIE PREISTRÄGER
Ausgezeichnet wurden die
indische Nichtregierungsorganisation „Jagori“ und das
„Afghan Women‘s Network“
sowie die pakistanische
Anwältin Dr. Asma Jahangir.
Erstmals wurde in diesem Jahr
ein Ehrenpreis vergeben – an
das Jüdische Museum Berlin.
2
2
3
DIE LAUDATOREN
Bundesfinanzminister
Wolfgang Schäuble und
Bundestagspräsident Norbert
Lammert würdigten den
großen Einsatz der Preisträger
für die Rechte der Frauen. Die
drei Organisationen sollen
mit dem zweckgebundenen
Preisgeld ihre Projekte weiter
vorantreiben.
3
DER STIFTER
Prof. Dr. h. c. Roland Berger
überreichte den Preisträgern
neben dem Preisgeld in Höhe
von einer Million Euro auch
eine Medaille, die eigens für
den Preis für Menschenwürde
entworfen worden war.
! MEHR ZUM THEMA:
rbsc.eu/105nxmo
IMPRESSUM
H
Prof. Dr. Burkhard Schwenker
Roland Berger Strategy
Consultants GmbH
High Light Towers
Mies-van-der-Rohe-Str. 6
D-80807 München
Tel.: +49 (0)89 9230-0
BILDNACHWEISE
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Paul Glader, Detlef Gürtler,
Matthias Lambrecht, Gina Pace,
Michael Prellberg, Andrzej Rybak,
Christian Salewski, Kathrin Werner
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Prof. Dr. Torsten Oltmanns (V.i.S.d.P.)
D
twotype design
(Christian Hruschka,
Christina Maria Klein, Stefan Semrau,
Uwe Holländer, Juliane Köbler)
P
Dr. Katherine Nölling
B
Gudrun Glaser
R
Heiko Ammermann, Krzysztof Badowski,
Markus Berret, Prof. Dr. Björn Bloching,
Charles-Edouard Bouée, Philippe Chassat,
Damien Dujacquier, Oliver Knapp,
Lars Luck, Frigyes Schannen, Gerd Sievers,
Michael Wette, Michael Zollenkop
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Axel-Springer-Str. 65
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Felix Rohrbeck (Ltg.), Michael Bee
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(Neue Geschä!sfelder)
Frank Parlow, Lutz Thalmann
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S. 20-22
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C: Titel, S. 5, 34-35,
55, 66-67
D W: S. 5, 44
F B: 48-49
G  : Titel, 2, 5 (2), 7, 14-19,
30-31, 40, 42-43, 52, 58-59, 59,
61, 62, 63, 71, 79
L : S. 4 (2), 39, 64, 68-69
M F: 50-51
NASA: 62-63
R K : 5, 60
R: S. 67, 74-75, 77
P -A: 56,
S B: Titel, S. 4, 8-9
PR: 13, 47, 54, 57, 67, 70, 73
R  B C:
S. 3, 32, 53, 79 (2)
Veröffentlicht im Juli 2013
Liebe Leserinnen und Leser,
wer hätte vor nur zehn Jahren gedacht, dass das Internet doch noch
den Einzelhandel revolutioniert oder dass grüne Technologien unseren
Wachstumskurs bestimmen. Dass China zur größten Exportnation aufsteigt
und Amerika das „Pacific Age“ ausruft. Dass die Finanzmärkte völlig außer
Kontrolle geraten und zur größten Wirtschaftskrise seit 80 Jahren führen.
Oder dass Schiefergas und Fracking die internationalen Energiemärkte
in kürzester Zeit auf den Kopf stellen?
Ungewissheit begleitet uns in der Unternehmensführung fast überall. Risiken
werden größer, technologische Sprünge dynamischer, globale Verwicklungen
komplexer. Mit erheblichen Konsequenzen für unser Führungs- und
Planungsverständnis. Denn wenn Trends nicht mehr verlässlich sind, helfen
uns Zahlen als Planungs- und Entscheidungsgrundlage nur bedingt weiter.
Wie also sollte Führung in einer ungewissen Welt aussehen? Welche
Strategien greifen noch? Welche Methoden und Instrumente sind wirksam?
Für unser Dossier zum Thema Leadership haben wir uns darüber mit einer
Reihe profilierter Persönlichkeiten auseinander gesetzt – mit überraschenden
Resultaten. Jack Welch, als „Mr. Shareholder Value“ bekannt, erklärt in seinem
Exklusivinterview Respekt zum wichtigsten Führungsinstrument. Kaspar
Rorstedt, CEO von Henkel, erklärt, wie die Expansion in Schwellenländer
das eigene Unternehmen verändert. Und Michael Behrendt, CEO von
Hapag-Lloyd, spricht über die Demut als wichtige Eigenschaft eines Chefs.
Alle Analysen und Beispiele haben einiges gemeinsam: Im Zentrum erfolgreicher
Führung steht die Persönlichkeit und ihre Werte. Allem voran braucht es Mut,
Entschlossenheit und Reflexionsvermögen um neue Möglichkeiten zu
erkennen und Chancen zu ergreifen.
Liebe Leserinnen und Leser, das Editorial dieser Ausgabe stammt
wieder von mir, weil Martin Wittig aufgrund einer ernsten Erkrankung als CEO unserer Firma zurückgetreten ist. Ich wünsche
meinem Freund Martin Gottes Segen und eine rasche Genesung.
Ihr Professor Dr. Burkhard Schwenker
CEO Roland Berger Strategy Consultants
! ERLEBEN SIE THINK:ACT IN EINER NEUEN DIMENSION: Auf den
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Reality die reale mit der digitalen Welt. Um zusätzliche Videos und
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4_5 THINK : ACT // INHALT
8
Datenflut:
Was IBM-Chefin
Martina Koederitz
mit Informationen
anstellt.
60
Urbanisierung:
Warum Amitabh Kant in
Indien 24 neue Städte baut.
34
Management-Guru:
Jack Welch exklusiv über
Führung durch Respekt
64
Mischt Euch ein!
Wie Sheryl Sandberg
Frauen an die Spitze treibt.
think
:act
23
Leadership
Wie Führung in
Zeiten des Wandels
gelingen kann.
→ Report
N 19
Von Helden und Schurken
................
23
Act
Führung fiktiv: Viele Comic-Charaktere
retten nachts die Welt – und lenken
tagsüber ein Wirtschaftsimperium.
Brief ..................................................................... 56
Light-Footprint-Management
Think
Ein gigantischer Binnenmarkt und eine
konsumfreudige Mittelschicht treiben
Südostasiens Wirtschaft voran.
Brief ........................................................................ 6
Vom Moloch zur Metropole
In einer komplexen und zweideutigen
Welt funktionieren etablierte Führungsinstrumente nicht mehr, schreibt
Charles-Edouard Bouée.
Wie langweilig! Die Spannung in den
europäischen Fußballligen nimmt ab –
weil die Topklubs zu stark sind.
Zukunftsmarkt Megacities: Überall
auf der Welt boomen die Riesenstädte –
und mit ihnen die Investitionschancen.
Die totale Vernetzung
.............................
8
IBM-Chefin Martina Koederitz über
Unternehmen, deren Innen- und Außengrenzen sich auflösen.
Kampf der Geschlechter
.............
....................
58
64
Facebook-COO Sheryl Sandberg beschreibt ihren Weg an die Spitze – und
fordert einen modernen Feminismus.
Die Systemfrage ....................................... 14
Gut genug
Wem soll man folgen? Die Konzerne
Apple und Google weisen völlig gegensätzliche Wege zum Erfolg.
Mangel macht erfinderisch: Einfache
Produkte für Märkte in Schwellenländern erobern immer öfter den Westen.
Indiens einzige Chance ......................... 20
Viele Märkte, eine Vision ..................... 72
Star-Ökonom Jagdish Bhagwati hält
Wachstum für die beste Strategie, um
Indien zum Wohlstand zu führen.
Global unterwegs – ohne sich dabei zu
verzetteln. Wie das gelingt, beschreibt
Henkel-CEO Kasper Rorsted.
......................................................
Zuerst Polen, dann der Rest
Offen oder
geschlossen? Apple
und Google verfolgen
gegensätzliche
Strategien.
68
............
74
Der Superstar
......
..............................................
30
34
Führung mit Respekt: Ex-GE-Boss
Jack Welch über Effizienz und wie man
Mitarbeiter anständig behandelt.
Der Spielführer
..........................................
38
Führung international: Wie AdidasBoss Herbert Hainer sein Geschäft
weltweit an die Spitze treiben will.
In die Karten geschaut
........................
42
Führung durch Symbole: Kein CEO
ohne Visitenkarten. Eine Typologie, wie
Entscheider Eindruck machen.
Der Kapitän
...................................................
44
Führung durch Werte: Hapag-LloydChef Michael Behrendt über eine
verrückte Branche – und Demut.
Die Rastlosen ............................................... 48
Chinesische Unternehmen investieren
in Ost- und Mitteleuropa – und rollen
von dort den ganzen Kontinent auf.
Führung des Privatlebens: Welche Regeln braucht eine CEO-Beziehung?
Für kein Geld der Welt
Clear for Takeoff
.........................
78
......................................
50
Auf der Suche nach Publikum: Wie
bekomme ich eigentlich eine Million
Follower bei Twitter?
Führung in Krisen: Wie man von
Piloten lernt, in heiklen Situationen die
richtigen Entscheidungen zu treffen.
Der Preis für Menschenwürde ....... 79
Über gute Führung
Die Roland Berger Stiftung ehrt Personen und Institutionen für ihr vorbildliches Engagement.
Führung mit Mut: Wie Management
Orientierung gibt, analysiert Prof. Dr.
Burkhard Schwenker.
Michael Behrendt
will sich als CEO bei Hapag
Lloyd nicht anpassen und
setzt auf klare Kante.
Herbert Hainer
trifft unter der
Adidas-Dusche
Führungskrä"e und
Praktikanten.
..................................
52
6_7 THINK : ACT // NEWS
SINKENDE SPANNUNG
Entwicklung der
Wettbewerbs-Balance* in
europäischen Top-Ligen
Barcelonas
Ausnahmespieler
Lionel Messi im
Duell mit Blaise
Matuidi von Paris
Saint Germain.
Frankreich
0,78
0,61
Deutschland
0,66
0,53
Italien
0,52
0,62
Spanien
Gefährliche Dominanz
Die Spannung in den europäischen Fußballligen nimmt ab – weil
die Topklubs zu stark sind für einen intensiven Wettbewerb.
E
s könnte kaum besser laufen für Lionel Messi: Der Topstürmer schoss in
dieser Saison sein 300. Tor für den
FC Barcelona und führte das katalanische Fußballteam mit deutlichem
Vorsprung an die Spitze der Primera
División. Doch die Ausnahmestellung Barcelonas wird auf Dauer zu einem handfesten wirtschaftlichen Problem: Denn im internationalen
Vergleich sinkt die Spannung im spanischen
Fußball – und damit seine Attraktivität für Fans
und Sponsoren. Das gleiche Phänomen ist in
der englischen Premier League und in der italienischen Serie A zu beobachten, während die
Topligen in Deutschland und Frankreich noch
relativ ausgeglichen sind. Zu diesem Ergebnis
kommt die Studie von Roland Berger „How exciting are the major European football leagues“,
die gemeinsam mit der Universität Tübingen
durchgeführt wurde.
Auf Basis statistischer Kennzahlen der
Saisons 1991/92 bis 2011/12 ermittelten die Forscher die lang-, mittel- und kurzfristige Wettbewerbsintensität der Fußballligen in Spanien,
Italien, England, Frankreich und Deutschland.
Demnach hat die Spannung in den vergangenen
zehn Jahren in allen Topligen abgenommen. Der
Hauptgrund: die ungleichen finanziellen Möglichkeiten der Vereine. „Die Spitzenteams setzen
sich von den kleinen Vereinen teils deutlich ab“,
sagt Studienautor und Roland Berger-Partner
Björn Bloching. „Das liegt vor allem an den hohen Prämien der UEFA Champions League.“ So
mache die Dominanz der prämien- und schuldenfinanzierten Starensembles von Real Madrid
und dem FC Barcelona einen echten Wettbewerb
unmöglich.
Mit dem Programm „Financial Fair Play“
will die UEFA den Trend zur Langeweile eindämmen. Vereine sollen verpflichtet werden, nicht
länger über ihre Verhältnisse zu leben. Anderenfalls drohen Sanktionen wie der Ausschluss von
internationalen Wettbewerben. „Sollte die UEFA
diese Regeln stringent umsetzen, dann würde
sie für mehr Ausgeglichenheit und Spannung
im Fußball sorgen“, sagt Bloching.
Deutsche Fußballmanager dürfte das Ergebnis der Studie erfreuen: Die Liga ist spannend,
die Vereine sind wirtschaftlich gesund, und der
Sport ist in der Gesellschaft stark verwurzelt. „In
naher Zukunft könnte die Bundesliga zur erfolgreichsten Liga in Europa werden“, so Bloching.
0,46
0,50
England
0,44
0,33
Saison 1991/92-2000/01
Saison 2000/01-2011/12
*Der Wert beschreibt die
langfristige Wettbewerbsintensität einer Liga. Zwei
Faktoren fließen ein: erstens
die Punktabstände zwischen
den Teams in einer Spielzeit,
zweitens der Grad der Abweichung von früheren Spielzeiten. Je höher der Wert,
desto größer die Spannung.
Quellen: Roland Berger;
Universität Tübingen
! MEHR ZUM THEMA:
„How exciting are the major
European football leagues“,
Roland Berger Strategy
Consultants, 2013,
rbsc.eu/19X0eNk
4,1%
Auf
taxiert der
Internationale Währungsfonds das Wachstum
für ganz Lateinamerika
in 2013.
PROGNOSE
China erstarkt in Südamerika
Lateinamerika hat China als neuen Partner entdeckt. War das
Handelsvolumen mit Fernost zu Beginn des Jahrtausends noch
verschwindend gering, so macht es heute bereits mehr als ein
Viertel aller Ein- und Ausfuhren von Staaten wie Brasilien, Chile,
Peru, Kolumbien oder Ecuador aus. China verlangt vor allem nach
Rohstoffen, nach Kupfer und Eisenerz etwa – und natürlich nach
Öl. Bis 2015 wird China die Europäische Union als Südamerikas
wichtigsten Handelspartner abgelöst haben.
TOURISMUS
FUNDSTERS
Grenzenlose Reiselust
Die Schwarmfinanzierer
Mehr als eine Milliarde Menschen haben im vergangenen Jahr
das Ausland bereist. Ein Grund für die ungebrochene Reiselust
ist laut Branchenverband World Travel and Tourism Council
der gestiegene Wohlstand in den bevölkerungsreichsten Regionen der Welt – in Asien, aber auch in Brasilien und Russland.
Wegen der scharfen Konkurrenz unter den Airlines wird das
Verreisen zudem immer billiger. Ein Ticket von New
York nach London kostet derzeit nur noch ein Viertel
des Preises von 1960. Die Branche bietet Jobs für 255
Millionen Menschen und erwirtschaftet jährlich
6,3 Billionen US-Dollar, 9 Prozent der globalen
Wirtschaftsleistung. Durch eine Lockerung der
Visa-Vorschriften könnte laut einer Studie des
World Economic Forum die Zahl der Passagiere bis zum Jahr 2020 auf insgesamt zwei
Milliarden steigen.
Bis 2010 war er Roland Berger-Partner, jetzt ist Markus
Brütsch unter die Unternehmensgründer gegangen: Als CEO
der Crowdfunding-Plattform „Fundsters“ bietet er Start-ups
alternative Finanzierungsmöglichkeiten für ihre Projekte. Das
Besondere: „Fundsters“ ist die erste Crowdfunding-Gesellschaft in Deutschland, die für ein Unternehmen auch mehr
als 100.000 Euro einsammeln darf. Dafür unterzog sich der
Schwarmfinanzierer einer Prüfung der deutschen Bankenaufsicht BaFin. „Crowdfunding muss nicht wie bisher auf
einzelne Branchen und Nischen reduziert bleiben. Diese Form
der Kapitalbeschaffung ist die moderne Alternative zur klassischen Bankfinanzierung, und zwar für jeden, der an den Erfolg
einer Idee glaubt“, sagt Brütsch. Laut einer Studie wurden in
den USA im vergangenen Jahr 1,6 Milliarden US-Dollar per
Crowdfunding eingesammelt, auf Europa entfielen
945 Millionen US-Dollar.
REFORMEN
Europas Weg aus der Krise
Europa ist auf dem richtigen Weg und kann seine Wettbewerbsfähigkeit trotz Euro- und Schuldenkrise wiederherstellen – wenn die Reformen konsequent umgesetzt werden. Das ist das Ergebnis
der Studie „Rebuilding Europe’s Competitiveness“ von Roland Berger Strategy Consultants und dem
World Economic Forum. Hauptursache für Wachstumshindernisse in Europa ist demnach die Kluft
zwischen den Volkswirtschaften im Süden und im Norden. ! MEHR ZUM THEMA: rbsc.eu/190212Q
»Wir hoffen, dass diese Studie Entscheidungsträger, Unternehmer und
Zivilgesellschaft bei der Umsetzung der Maßnahmen unterstützen wird,
die wir brauchen, um Europas Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen
und einen strategischen Dialog der Stakeholder anzustoßen.«
  ,      
8_9 THINK : ACT // IBM
»Explosionsartig
zugenommen«
Mit den Datenbergen
wachsen die Ansprüche:
IBM-Chefin 
 über Kunden,
die einen direkten Zugang
zu allen Abteilungen
erhalten. Und Unternehmen,
die sich verflüssigen.
10_11 THINK : ACT // IBM
»Ich glaube, dass die digitale
Vernetzung dazu führt,
dass Unternehmen durchlässiger
werden müssen.«
THINK:ACT: Frau Koederitz, wissen Sie, wieviel Datenvolu-
men Sie an einem Arbeitstag produzieren?
MARTINA KOEDERITZ: Entscheidend ist ja zum Glück nicht,
wieviele Daten ich als CEO produziere, sondern welche Qualität sie haben. Aber um auf Ihre Frage zu antworten: Nein,
das habe ich noch nicht gemessen.
Wir fragen, weil Ihre Experten prognostizieren, dass ein
Mensch im Jahr 2020 durchschnittlich 16 Terabyte Daten
produzieren wird, das entspricht rund 30 handelsüblichen
Festplatten. Wie kommt es zu diesen Massen?
M K: Der eine Treiber ist die totale Vernetzung der Menschen
untereinander, zum Beispiel über soziale Netzwerke wie Facebook, Xing oder LinkedIn. Es sind aber auch Objekte, die
über Netzwerke immer mehr miteinander kommunizieren:
Autos, Kühlschränke, Ampeln oder Windräder. Überall dort,
wo Steuer- und Messpunkte existieren, können wir Dinge
über das Internet ansteuern und von ihnen Informationen
bekommen. Das bedeutet: Mit jedem Objekt, das wir in das
Netz integrieren, wächst die Datenmenge.
Man schätzt, dass 90% der weltweiten Daten in den vergangenen zwei Jahren entstanden sind. „Big Data“ gilt als
Megatrend. Was bedeutet er für Unternehmen?
M K: Bei IBM beschäftigen wir uns mit drei Facetten von „Big
Data“. Erstens geht es um die Bewältigung der puren Menge.
Wie bearbeite, speichere und schütze ich als Unternehmen
meine Daten? Das ist der Aspekt, den wir aus der Vergangenheit kennen. Nur ist die Anzahl der Daten stark gestiegen.
Dennoch sollen sie in Echtzeit verfügbar sein. Die zweite
Facette von „Big Data“ hat mit der Unterschiedlichkeit der
Daten zu tun. Es ist keine homogene Menge, im Gegenteil:
Kunden teilen ihre Wünsche über soziale Netzwerke, EMails oder Blogs. Gleichzeitig haben Unternehmen es mit
Bild- und Videoinformationen zu tun. Und mit Daten, die
Industrieobjekte, Satelliten oder Wetterstationen liefern. Es
geht also darum, diese vielfältigen, unstrukturierten Informationen in den Griff zu bekommen und clever miteinander
zu verknüpfen. Schließlich – das ist die dritte Facette von
„Big Data“ – beschäftigt uns auch die Frage, wie Unternehmen mit der hohen Volatilität von Daten umgehen können.
Man kennt das von der Börse: Eine einzige Nachricht kann
einen Sturm von Transaktionen auslösen, alle wollen plötzlich kaufen oder verkaufen. Für einige Unternehmen ist es
von entscheidender Bedeutung, dass sie solche sprunghaft
ansteigenden Daten schnell verarbeiten können.
Das klingt erst einmal nach viel Aufwand. Schauen wir
doch mal auf die Ertragsseite: Wie kann ich als Unternehmen mit „Big Data“ meine GeschäDsprozesse verbessern
oder neue Kunden gewinnen?
M K: Wenn ein Unternehmen aus den Daten ein ganz konkretes Bedürfnis der Kunden herauslesen kann, ist das
ein Wettbewerbsvorteil. Ebenso, wenn es schneller als die
Konkurrenz erkennt, dass die Märkte sich verändern und
es sein Produktangebot anpassen kann. Die Möglichkeiten
sind vielfältig. Es geht darum, die Daten, die nun in hoher
Zahl zur Verfügung stehen, intelligent auszuwerten sowie
Simulationen, Analysen und Wahrscheinlichkeitsrechnungen zu erstellen. Hier Lösungen zu finden, beschäftigt IBM
und unsere ganze Branche. In einer zunehmend digital vernetzten Geschäftswelt sind Daten die Ressource, mit der
Unternehmen den größten Fortschritt erzielen können.
Aus „Big Data“ wird also ein Big Business?
MK: Wenn sich nicht nur die IT eines Unternehmens damit
beschäftigt, sondern man auf allen Ebenen darüber nachdenkt, was man aus den Daten über Kunden, den Markt und
sich selbst lernen kann, glaube ich tatsächlich, dass für viele
Unternehmen ein Big Business daraus werden kann.
Das klingt noch etwas vage. Können Sie uns ein konkretes
Beispiel geben, wo das bereits geklappt hat?
MK: Das dänische Unternehmen Vestas ist der größte Windkraftanlagen-Hersteller der Welt. Zusammen haben wir
eine große Datenlösung implementiert, die es ihm erlaubt,
schneller und präziser die optimalen Standorte für seine
Windturbinen zu berechnen. Das ist ein enormer Fortschritt.
Denn die Kunden von Vestas wollen sehr genau wissen, mit
welchem Energieaufkommen und welcher Rendite sie an
einem bestimmten Standort rechnen können. Im Vertriebsprozess ist das ein ganz entscheidender Faktor, der vor der
Datenlösung mit einer Menge Aufwand verbunden war. Die
komplexen Berechnungen konnten Wochen oder sogar Monate dauern. Und wenn sie nicht exakt waren und eine Anlage hinterher nicht wie versprochen arbeitete, konnte das für
Vestas bedeuten, einen Kunden zu verlieren. Zudem stiegen
die Wartungskosten, weil die Turbinen außerhalb bestimmter Parameter nur suboptimal funktionierten.
Die Idee war nun, dass im Grunde eine Vielzahl von Daten vorhanden ist, um die Berechnungen schneller und genauer zu machen: Klima- und Winddaten, Satelliten- und Bodenbeschaffenheitsbilder. Es ging darum, diese miteinander
zu verknüpfen und mit unseren Analysetools auszuwerten.
Heute kann Vestas für seine Kunden innerhalb von Stunden oder sogar Minuten berechnen, wie viel Energie eine
bestimmte Anlage an einem bestimmten Standort liefern
würde. Die Voraussagen sind aber nicht nur schneller, sondern auch qualitativ besser. Das geht soweit, dass Vestas beispielsweise sagen kann, dass ein 100 Meter hohes Windrad
an einem bestimmten Ort mehr Sinn macht als ein 80 Meter
hohes, weil der Wind in dieser Höhe besonders kräftig weht.
Sie haben Klima-, Wind- und Satellitendaten erwähnt.
Fließen in die Vorhersagen von Vestas auch unternehmensinterne Daten ein?
MK: Ja. Die Vorhersagen beruhen auf einer Mischung aus
internen und externen Daten. Die bereits vorhandenen Turbinen von Vestas sind ja kommunizierende Objekte, sie liefern ständig Informationen. Diese lassen sich dann wiederum mit externen Daten verknüpfen. Und aus genau dieser
Verknüpfung resultiert der Mehrwert.
>
Martina Koederitz ist die erste Frau, die IBM Deutsch-
land führt. Schon als 23-Jährige kam die Betriebswirtin zum
weltgrößten Computerkonzern, zunächst als Systemberaterin.
Später übernahm sie Führungsaufgaben im Vertrieb und
arbeitete im Büro von IBM-Chef Sam Palmisano. Seit 2011
steht sie an der Spitze der deutschen Landesgesellscha"
mit mehr als 20.000 Mitarbeitern.
! MEHR ZUM THEMA: Das Video-Interview mit
Martina Koederitz unter rbsc.eu/242adnk
12_13 THINK : ACT // IBM
Einige Experten glauben, dass „Big Data“ die Produktionsweise von Unternehmen grundlegend verändern kann.
M K: Die digitale, vernetzte Welt verändert die Wirtschaft
definitiv. Und „Big Data“ gehört dazu. Nehmen wir doch als
Beispiel mal den Automobilsektor. Bisher war es so: Der Hersteller hat ein Auto produziert, dann ging es an den Händler,
der hat es an den Kunden verkauft. Hatte der Kunde irgendein Problem, hat er das Auto wieder zurück zum Händler gebracht. Künftig aber wird der Kunde mit seinem Auto ständig automatisch Informationen an den Hersteller senden.
Es gibt also eine direkte Kommunikation zwischen Kunde
und Automobilhersteller. Dadurch eröffnen sich ganz neue
Möglichkeiten. Wenn der Hersteller etwa erkennt, dass bestimmte Werte des Autos vom Normalen abweichen, kann
er dem Kunden – noch bevor dieser auf der Autobahn liegen bleibt – proaktiv warnen. Er kann sagen: Schau doch
mal vorsichtshalber bei einer Werkstatt vorbei. Er kann aber
auch anbieten, sein eigenes Servicemobil vorbeizuschicken.
„Big Data“ hat also das Potenzial, etablierte Wertschöpfungsketten durcheinanderzuwirbeln. Auch die Entwicklung neuer Produkte wird sich verändern. Wenn ein Autohersteller
die Daten von vielen Millionen seiner Fahrzeuge auswerten
kann, werden die Erkenntnisse in die Produktion der nächsten Fahrzeuggeneration einfließen.
Glauben Sie nicht, dass mancher Fahrer die Vorstellung
etwas gruselig findet, dass sein Auto ständig Daten an
den Hersteller sendet?
M K: Es gibt in jedem Innovationszyklus diejenigen, die sich
bedenkenlos auf eine neue Technologie stürzen und diejenigen, die etwas kritischer draufschauen. Die gesellschaftliche Herausforderung ist es, die Chancen zu nutzen und
gleichzeitig die Risiken zu kontrollieren und zu minimieren.
Denkbar ist bei Autos etwa, dass unproblematische Daten
automatisch ausgelesen und anonymisiert weiterverarbeitet werden, der Nutzer aber bei anderen Daten die Wahl hat.
Welche Auswirkungen hat es auf die Unternehmen, etwa
ihre interne Organisationsstruktur, wenn sie im ständigen
Austausch mit ihren Kunden und Produkten stehen?
M K: Ich glaube, dass die digitale Vernetzung dazu führt, dass
Unternehmen durchlässiger werden müssen. Um schneller
auf Kundenwünsche und Markterfordernisse reagieren zu
können. Das funktioniert nicht, wenn jede Information von
oben nach unten durchgegeben werden muss. Stattdessen
sollten sich Unternehmen stärker horizontal aufstellen, die
verschiedenen Abteilungen für den Kunden öffnen. Ein
schönes Beispiel dafür ist der Motorradbauer Yamaha. Mit
Hilfe der Community „Yamaha Design Café“ lernt das Unternehmen, Kaufentscheidungen zu verstehen, und sammelt
Kunden-Feedback für die Weiterentwicklung. Diese Daten
werden aber nicht wie normalerweise üblich von der Vertriebs- oder Servicemannschaft ausgewertet, sondern fließen direkt zurück in die Entwicklung. Eine Business-Analytics-Lösung von IBM sorgt dabei für einen schnellen und
zielgruppenorientierten Informationsfluss zu den Entscheidern. Die Zeiten, in denen nur ein, zwei Abteilungen überhaupt Kontakt mit dem Kunden hatten, sind vorbei. Heute
geht es darum, dass Unternehmen eine einheitliche Sicht
auf den Kunden entwickeln – über Vertrieb, Service, Marketing, Produktion und Forschung hinweg. Dafür braucht es
ein hohes Maß an Transparenz und Durchlässigkeit.
Das heißt also, wenn sich die Außengrenzen eines Unternehmens verflüssigen, müssen auch interne Grenzen
aufgelöst werden?
MK: Definitiv. Davon bin ich überzeugt.
Und was, wenn ich das als Unternehmen nicht mitmache,
stattdessen an meinen alten Strukturen und Kommunikationskanälen festhalte?
MK: Dazu würde ich nicht raten. In den vergangenen
drei, vier Jahren hat die Bereitschaft von Kunden, über
das Netz nicht nur Informationen abzugreifen, sondern
auch mit dem Unternehmen zu interagieren und Produkte und Dienstleistungen zu kaufen, explosionsartig
zugenommen. Zudem erfolgt der Zugang nicht mehr nur
über den klassischen PC, sondern auch über mobile Devices. Darauf müssen Unternehmen sich einstellen. Immerhin geht es um potenzielle Kunden und Mitarbeiter.
Treffen die Veränderungen in gleichem Maße auch Unternehmen aus dem B2B-Bereich?
MK: Der erste Schub erfolgt sicher in den Unternehmen,
die im Konsumentengeschäft tätig sind. Doch der Druck,
sich zu öffnen und flexibler zu werden, wird auch die Zulieferer erfassen. Wenn ein Kunde bei einem Hersteller eine
Maschine mit bestimmten Konfigurationen bestellt, wäre
es doch optimal, wenn entlang der gesamten Wertschöpfungskette Transparenz bestünde, jeder Lieferant und Sublieferant also sofort Bescheid wüsste und auf die Wünsche
des Kunden reagieren könnte. Genau das wird ja unter dem
Stichwort „Industrie 4.0“ diskutiert. Auch im B2B-Bereich
braucht es also mehr Transparenz und andere Strukturen.
IBM selbst ist auf fast allen Kommunikationskanälen aktiv. Sie persönlich haben wir bei Facebook nicht gefunden.
MK: Wir haben bei IBM eines der größten Enterprise-Collaboration-Netzwerke der Welt, eine Art IBM-Facebook, über
das alle unserer mehr als 430.000 Mitarbeiter vernetzt sind.
Darüber habe ich einen guten Gedanken- und Ideenaustausch. Und es hält mich auch ganz schön auf Trab. Darüber
hinaus habe ich mich für andere Netzwerke als Facebook entschieden. Solche, die einen stärken Business-Kontext haben.
Twittern Sie?
MK: Nein. Entweder man macht das permanent oder es
hat keine langfristige Wirkung und ist bloß ein einmaliges Strohfeuer. Ich habe für mich entschieden, dass ich
aus Zeitgründen nicht regelmäßig partizipieren kann.
Manche CEOs lösen dieses Problem, indem Angestellte in
ihrem Namen twittern. Ist das eine gute Lösung?
MK: Ich möchte das nicht werten. Grundsätzlich aber
glaube ich: Wer authentisch sein will, kommuniziert am
besten selbst – mit seinen eigenen Worten, Gedanken und
Meinungen.
<
! MEHR ZUM THEMA:
Im Web: rbsc.eu/18nf29J
In „Data Unser“ analysieren
Björn Bloching, Lars Luck
und Thomas Ramge, wie
Kundendaten die Wirtscha"
revolutionieren.
Redline, 24,99 €.
Daten sind für IBM ein Teil der DNA.
Oben: Ein Datencenter in Toronto,
1963. Unten: Der Supercomputer Blue
Gene/P. Als er 2007 vorgestellt wurde,
galt er als schnellster Rechner der Welt.
14_15 THINK : ACT // LEUCHTTÜRME
saWas
W
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Google
Apple
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Kampf der Extreme
Die beiden innovativsten
Konzerne des vergangenen
Jahrzehnts folgen gegensätzlichen Führungsprinzipien:
Während Google sich systematisch
öffnet, perfektioniert Apple das
Prinzip der Verschlossenheit.
Mit ihren Extremen spannen
sie ein Spielfeld auf, auf dem
jedes Unternehmen sich
positionieren kann.
16_17 THINK : ACT // LEUCHTTÜRME
E
•
in extrem erfolgreiches Unternehmen kann man verehren, ihm
vielleicht nacheifern. Es strahlt wie ein Leuchtturm in der Ferne,
an dem man sich orientieren kann. Was aber, wenn man zwei
Extreme vor sich hat – und die Wege zu ihnen in genau entgegengesetzte Richtung weisen? Dann ist man angekommen im
Management des zweiten Jahrzehnts des dritten Jahrtausends.
Denn in diesem Heute gibt es zwei solcher Leuchttürme für das globale
Management – sie heißen Apple und Google. Diese zwei wohl erfolgreichsten und innovativsten Konzerne des vergangenen Jahrzehnts stehen für
zwei komplett unterschiedliche Unternehmens- und Produktstrategien.
Auf eine Welt, in der Unternehmensgrenzen zunehmend durchlässiger
werden, Informationen immer schwieriger zu schützen und formelle Hierarchien kaum noch aufrechtzuerhalten sind, reagieren Apple und Google genau gegensätzlich – und spannen mit ihren Extremen ein Spielfeld
auf, auf dem jedes Unternehmen, jeder Manager sich in Anlehnung beziehungsweise Abgrenzung zu ihnen positionieren kann:
> Apple verkörpert ein introvertiertes, perfektionistisches, geradezu
egozentrisches Prinzip. Ein Kopf (oder: ein Bauch) entscheidet über das
neue Produkt. Unter höchster Geheimhaltung entwickelt man aufeinander abgestimmte Hardware, Software und Inhalte. Die Geheimhaltung ist
dabei selbst gegenüber den eigenen Mitarbeitern oberstes Prinzip, viele
dürfen untereinander nicht über ihre Tätigkeit sprechen. In einem hoch
arbeitsteiligen Prozess reicht ihr Wissen kaum über den eigenen Arbeitsschritt hinaus. Vorgestellt werden neue Produkte erst, wenn sie perfekt
sind – und den Kunden in eine durchdesignte, nutzerfreundliche Welt locken. In ihr allerdings gibt allein Apple die Rahmenbedingungen vor.
> Google verkörpert ein offenes, bewegliches, fast schon anarchistisches Prinzip: Ständig erscheinen neue Produkte in diversen Test- und Vorstufen, werden gelauncht, geändert, gestoppt und wiedererweckt. Jeder im
Unternehmen entscheidet über neue Produkte mit – und erhält sogar den
Freiraum, jenseits der offiziellen Aufgaben in seiner Arbeitszeit an eigenen
Projekten zu basteln. Dabei stehen alle Informationen allen zur Verfügung.
Wie bei einer Lavalampe entstehen aus dieser Masse heraus immer neue
Ideen für Produkte und Services. Bei seinem mobilen Betriebssystem Android folgt Google dem Open-Source-Ansatz, legt also Programmierern aus
der ganzen Welt den Quelltext offen, und stellt es den Geräteherstellern
wie HTC, Samsung oder Nokia kostenlos zur Verfügung.
Während Apple also den Zugang zu Informationen radikal beschränkt
und seine Ideen durch eine militärähnliche Hierarchie zu schützen versucht, stellt Google seine Informationen allen zur Verfügung, um ihre
Kreativität zu nutzen und immer neue Anregungen für das Unternehmen
zu generieren. So gegensätzlich diese beiden Ansätze sind, eines haben sie
doch gemeinsam: den Erfolg. Google und Apple gehören zu den wertvollsten Marken der Welt (etwa gleichauf mit Coca-Cola, McDonald’s und IBM)
und zu den höchstbewerteten Konzernen der Welt – Apple mit der höchsten Marktkapitalisierung weltweit, die noch wesentlich kleinere Google
Inc. etwa auf Platz 20.
„What would Google do?“, fragte der US-Medienwissenschaftler Jeff
Jarvis in seinem gleichnamigen Buch von 2008 – und gab gleich dutzendfach Antworten, die Unternehmen beherzigen sollten, um so erfolgreich zu
werden wie der Konzern der Super-Suchmaschine. Zum Beispiel:
Überlassen Sie Ihren Kunden die Kontrolle.
Es geht nicht darum, den Kunden nur höflich und respektvoll zuzuhören,
sondern sie an Entscheidungen mitwirken zu lassen. Sie können zur Produktentwicklung beitragen und helfen, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Vertrauen Sie der Weisheit der Massen:
Die Suchmaschine von Google bietet so treffsichere Ergebnisse, weil sie auf
der Weisheit der Massen basiert. Auch andere Unternehmen sollten auf die
permanente Verbesserung durch ihre Nutzer setzen.
Und „Was würde Apple tun?“, fragte 2011
der deutsche Autor Dirk Beckmann. Von
Vertrauen auf die Weisheit der Massen ist
da keine Rede, ganz im Gegenteil, denn bei
Apple „werden aus eigener Innovationskraft
Produkte geschaffen, die so ungewöhnlich
neu sind, dass sie weit über aktuelle Kundenwünsche hinausgehen“. Das Management
weiß besser als der Kunde, was er eigentlich
will – und solange das Management damit
Recht hat, hat es auch Erfolg.
Extrem-Strategien sind kein Zufall
Dass mit Apple und Google die beiden innovativsten Konzerne des vergangenen
Jahrzehnts so unterschiedliche Führungsprinzipien verfolgen, ist kein Zufall. Das
Aufeinandertreffen solcher Gegensätze von
Offenheit und Geschlossenheit ist in der
Wirtschaftsgeschichte ein vertrautes Phänomen. Gerade in hoch dynamischen Zeiten
tauchen diese Extrem-Strategien bei den erfolgreichsten Unternehmen ihrer Zeit auf.
Die wohl größte Ähnlichkeit mit der Erfolgsstory und -methode von Steve Jobs bei
Apple hatte ein knappes Jahrhundert zuvor
der Aufstieg von – Henry Ford. Die gesamte Organisation des Automobilherstellers
war auf diese eine Person an der Spitze ausgerichtet, die das eigene Urteil als obersten
Wertmaßstab ansah und sich in keiner Weise an einen Zeit- oder Kundengeschmack
anpasste. Henry Fords legendärer Satz, sein
Modell T könne in jeder beliebigen Farbe
bestellt werden, solange es sich um Schwarz
handle, steht bis heute beispielhaft für diese
Einstellung.
Wie geschlossen, bis ins Letzte durchorganisiert das Unternehmen war, zeigt eine
von Henry Ford 1923 präsentierte Statistik.
Danach gab es in seiner Fabrik insgesamt genau 7882 verschiedene Arbeitsschritte – und
von diesen konnten 2637 von Einbeinigen
verrichtet werden, 715 von Einarmigen und
10 von Blinden. Für so etwas wie Eigeninitiative oder gar Improvisation war in diesem
System kein Platz – das hätte den auf Perfektion ausgerichteten Ablauf gestört.
Und das andere große Vorbild des Amerika um die Jahrhundertwende? Verfolgte – ganz anders als Ford – einen offenen,
dezentralen Ansatz. Im Gegensatz zur weit
verbreiteten Vorstellung des Erfinders als
genialem Eigenbrötler à la Daniel Düsentrieb
war Thomas Alva Edison ein genialer Motivator, dem es gelang, seine 50 Mitarbeiter so
zu begeistern wie sich selbst. „Eine kleine
Erfindung alle zehn Tage, ein großes Ding
alle sechs Monate“ sollte in seiner Patentfabrik produziert werden, und ziemlich genau
so kam es dann auch. Perfektion war dabei >
Anlehnung oder
Abgrenzung: Apple und
Google weisen völlig
gegensätzliche Wege
zum Erfolg.
Was Manager daraus
folgern können? Extreme
bieten Orientierung – wie die
Torstangen beim Slalom
eines Skiläufers.
18_19 THINK : ACT // LEUCHTTÜRME
•
> Der Brokerage-Ansatz
ist besser geeignet, um schnell
Beide Ansätze zu wachsen („Top-line Growth“),
verfügen jeweils
neue Prozesse, Produkte
über spezifische
und Geschäftsmodelle zu
entwickeln. Die Lernkurve
Stärken:
ist steiler, der Innovationsgrad höher.
> Der Closure-Ansatz ist
besser geeignet, um effizienter
und profitabler zu werden
(„Bottom-line Growth“). Die
starken internen Beziehungen
fördern Vertrauen und
garantieren
Zuverlässigkeit.
> Closure-Modelle fördern
Gruppendenken und WagenburgMentalität. Sie sind starrer, unflexibler und erzeugen die Tendenz,
das eigene Tun furchtbar ernst
zu nehmen.
> Brokerage-Modelle
sind unverbindlicher, chaotischer und bei Existenzkrisen
anfälliger – nur mit schwachen
Beziehungen, so Ronald S. Burt,
lasse sich keine Schlacht
gewinnen.
•
Eine geniale Alternative zu IBM
Ein halbes Jahrhundert später brachte ein
solcher Ford-Edison- beziehungsweise Apple-Google-Gegensatz eine ganze Branche
in Aufruhr. Und zwar die Computerindustrie. Denn dem verschlossenen, unnahbaren,
stets brillanten und perfekten Platzhirsch
IBM erwuchs eine fast rotzige, technisch
großartige, ja in den Augen vieler sogar geniale Alternative: Digital Equipment (DEC).
Während IBM den Markt der Großrechner
weiter beherrschte, entwickelte DEC ab den
späten 1970er Jahren das Segment der Kleincomputer – nicht so groß wie ein Haus oder
Zimmer, sondern „nur“ wie ein Schrank.
Und das machte DEC mit den besten
Technikern seiner Zeit. Denn der einstige
Underdog bot etwas im Überfluss, was bei
IBM extrem knapp war: Freiraum. „Do what’s
right“, Mach das richtige, war für DEC-Gründer Ken Olsen Motto und ManagementMaxime zugleich. Für IT-Spezialisten war
die Vorstellung, auf keine Marketing- oder
Vertriebsleute Rücksicht nehmen zu müssen,
eine der bestmöglichen Stellenbeschreibungen überhaupt, und in der sich rasant entwickelnden Branche war technische Exzellenz
ein entscheidender Wettbewerbsfaktor.
IBM wiederum reagierte darauf nicht,
indem es sich selbst änderte, sondern indem
es die Änderung zukaufte. Für den Einstieg
in den Massenmarkt mit Personal Computern engagierte man ein bis dato völlig unbekanntes Kleinunternehmen, das gerade
etwas mit dem Namen „Quick and Dirty
Operating System“ (QDOS) an der Hand hatte. Nach einer kleinen Namensänderung auf
„Disk Operating System“ (DOS) kam diese
Mini-Firma namens Microsoft mit dem weiterhin hermetischen Block IBM ins Geschäft.
Und gemeinsam erschlossen sie jenen PCMarkt, der den Top-Technikern von DEC zu
kleinkariert war.
Der Platzhirsch IBM hat nicht nur überlebt, sondern sich im vergangenen Jahrzehnt
auch tatsächlich signifikant geöffnet: Zum
strategischen Fokus auf das (zwangsläufig
kundenorientierte und flexible) ServiceSegment passte das hohe Ross früherer
Jahrzehnte nicht mehr. So plädiert Deutsch-
land-Chefin Martina Koederitz heute dafür, dass die Außengrenzen des Unternehmens durchlässiger werden müssen, um schneller auf Kundenwünsche
und Markterfordernisse reagieren zu können (siehe Interview auf Seite 8).
Der Soziologe Ronald S. Burt von der Booth School of Business der Universität Chicago hat sich intensiv mit dem Gegensatz zwischen Google und Apple
beschäftigt und die unterschiedlichen Führungs- und Organisationsprinzipen
über die vergangenen zwei Jahrzehnte untersucht. Er unterscheidet zwischen
Brokerage-Unternehmen, die über viele schwache Beziehungen und offene
Strukturen verfügen, und Closure-Unternehmen, in denen wenige, aber dafür
starke Beziehungen und Geschlossenheit vorherrschen.
•
zweitrangig: Funktionieren sollte die neue
Erfindung, wie auch immer. „Edison war ein
Meister der Improvisation“, betont seine Urgroßnichte Sarah Miller Caldicott. Und auch
jeder, der für ihn arbeitete, musste für jede
Überraschung offen sein: „Von jedem wurde
erwartet, dass er improvisieren konnte. Ja, es
gab Regeln im Labor, und es gab auch eine
Struktur – aber unerwartete Ergebnisse waren eher die Regel als die Ausnahme.“
Aber eben
auch über ihre
spezifischen
Schwächen:
•
Diese Extreme sind vor allem als Denkmodelle zu verstehen. In ihrer Reinform sind sie ein theoretisches Konstrukt, keine Anleitungen für das tägliche
Management. Selbst Apple muss Informationen mit seinen Mitarbeitern und
Zulieferern bis zu einem gewissen Grad teilen, auch Google betreibt ein Geheimlabor. Im Kern aber reagieren beide Konzerne fundamental gegensätzlich
auf Herausforderungen, die fast jedes Unternehmen umtreiben. Wenn die
Grenzen eines Unternehmens immer unschärfer werden, soll ich sie dann stärken oder lieber ganz auflösen? Teile ich meine Informationen mit allen, weil sie
eh nicht zu schützen sind? Oder unternehme ich enorme Anstrengungen, um
durch Geheimwissen einen Wettbewerbsvorsprung zu erzielen?
Laut Strategie-Professor Burt geht es nicht darum, Apple oder Google nachzueifern. Sie sind als Orientierungspunkte zu verstehen, die das Navigieren
zwischen den Extremen vereinfachen. Tendenziell gelte: Je mehr Produktion,
desto Closure, je mehr Service, desto Brokerage; je weniger und je größer die
Kunden, desto geschlossener das Unternehmen, je innovativer die Technik,
desto offener. Er rät, zwischen den Extremen die passende Mischung zu finden.
Wie erfolgreich solche Mischformen sein können, zeigt z.B. Jeff Bezos mit
Amazon. Einerseits nutzt er das offene Betriebssystem Android von Google, um
sein Tablet Kindle Fire zu Kampfpreisen anzubieten. Wenn sich der Kunde aber
erst mal für den Kindle entschieden hat, lockt er ihn wie Apple in ein weitgehend geschlossenes Öko-System. Wie Google gibt Bezos seinen Mitarbeitern
viel Raum für Kreativität und Experimente. Gleichzeitig aber verteidigt er sein
geistiges Eigentum vehement: Für die von Amazon erfundene „One-Klick“Technologie muss selbst Apple Lizenzgebühren entrichten.
<
Schnelles Wachstum,
steile Lernkurve – oder doch
lieber große Effizienz und
hohe Profite?
Strategie-Professor Ronald
S. Burt unterscheidet
zwischen Brokerage- und
Closure-Unternehmen.
20_21 THINK : ACT // ARMUTSBEKÄMPFUNG
»Gebt Wachstum
eine Chance«
Der Inder  ,
seit Jahren Kandidat für den
Wirtscha#snobelpreis, hat ein
einfaches Rezept im Kampf gegen
Armut: Wenn der Kuchen größer
wird, bekommt jeder ein üppigeres Stück. Die Regierung seines
Heimatlandes fordert er auf, das
Reformtempo zu erhöhen.
THINK:ACT: Professor Bhagwati, Indien gehört zu den am
stärksten expandierenden VolkswirtschaDen der Welt.
Gleichzeitig steht das Land vor großen sozialen Herausforderungen. Wie beurteilen Sie die Situation in Ihrem
Heimatland?
J B: Indien ist in den vergangenen neun Jahren um durchschnittlich 8,2 Prozent gewachsen, auf 20 Jahre gerechnet
liegt die Quote bei 7,2 Prozent. Die Reformen seit 1991 haben
die Wirtschaft nicht nur dereguliert und geöffnet, sondern
auch die Armut zurückgedrängt und die Situation von vielen Indern gerade auf dem Land verbessert. Das liegt am
Wachstum: Wenn der Kuchen größer wird, bekommt jeder
ein üppigeres Stück ab. Das ist für mich der entscheidende
Punkt: Zuerst kommt das Wachstum mit seinem direkten
Einfluss auf die Lebensqualität. Obendrauf bekommt dadurch auch der Staat Geld rein und kann in einem zweiten
Schritt Wohlfahrtsprogramme finanzieren.
Wäre es nicht auch eine Möglichkeit, erst das Wachstum
weiter voranzutreiben und später mit solchen Programmen loszulegen?
JB: So haben es andere wachsende Volkswirtschaften wie
Südkorea oder Taiwan gehandhabt. Dort erwacht das soziale Gewissen zeitlich verzögert. Ich bin der Meinung: So geht
das nicht. Wenn die Wirtschaft wächst, sollten die mitwachsenden Hoffnungen und Ansprüche der Menschen befriedigt und erfüllt werden – und das so schnell wie möglich.
Aber erst dann. Deshalb ist Wachstum so wichtig. Ohne
Wachstum kann nicht umverteilt werden, weil es nichts
zum Umverteilen gibt.
Sie schreiben in Ihrem Buch „Why Growth Matters“ vor
allem über Indien. Lässt sich Ihre BotschaD auch auf andere aufstrebende Länder übertragen?
JB: Ja. Schauen wir uns beispielsweise Brasilien an. Fernando Cardoso war ein Globalisierungsgegner, bis er zum Präsidenten gewählt wurde. Das Wachstum nahm Fahrt auf,
die Einnahmen des Staats stiegen. Und als Lula da Silva sein
Nachfolger wurde, hatte er das Geld, um Wohlfahrtsprogramme für Bildung, Gesundheit und so weiter zu starten.
Erst kommt das Wachstum, dann die Programme – genau
wie in Indien. Meine Botschaft lautet: Gebt Wachstum eine
Chance. Nicht als Selbstzweck, sondern damit die Menschen der Armut entkommen.
Lassen Sie uns auch über die Herausforderungen in Indien sprechen. Für westliche Konzerne ist die Korruption vor
Ort immer noch ein Problem.
JB: Es wird besser, ehrlich. Von Korruption auf allen Ebenen
kann nicht mehr die Rede sein. Zwar ist sie mancherorts
noch verbreitet, aber Investoren haben ja die Möglichkeit,
Von Bombay nach New York: Hinter Jagdish
Bhagwati liegt ein langer Weg. Nicht nur geografisch.
Einst glaubte der Ökonom an den Sozialismus.
auf vorbildliche Bundesstaaten wie Gujarat auszuweichen.
Auch das kafkaeske Gespinst an Vorschriften wird reduziert.
Darauf reagieren Investoren, und das wiederum treibt die
Konkurrenz zwischen den einzelnen Bundesstaaten voran.
Jeder einzelne Bundesstaat muss allerdings die strikten
Arbeitsgesetze einhalten, die es Firmen fast unmöglich
machen, Arbeitnehmer zu entlassen.
JB: Diese Gesetze vereiteln vor allem, dass kleine Firmen
sich in größere, effizientere Unternehmen verwandeln. Ausländische Konzerne sind weniger stark betroffen. Aber natürlich, jeder Arbeitgeber überlegt sich dreimal, ob er jemanden einstellt, den er nicht feuern kann, falls die Geschäfte
nicht so laufen wie erhofft.
Die Arbeitsgesetze sind nicht das einzige Problem potenzieller Investoren. Bei der Infrastruktur – Straßen, Häfen
und vor allem dem Stromnetz – gibt es Nachholbedarf. >
22 THINK : ACT // ARMUTSBEKÄMPFUNG
J B: Es wird besser, die Wirtschaft wächst
ja. Es wäre unsinnig, Straßen und Hotels
auf Verdacht zu bauen und dann zu hoffen, dass irgendetwas passiert. Aber die
Inder wissen genau, wie wichtig dieses
Thema ist.
Wissen ja, aber was ist mit Handeln?
J B: Jeder Fünfjahresplan seit 1951 beinhaltete wohl formulierte Ziele über Gesundheit, Bildung und sozialen Fortschritt.
Der jetzige Premierminister Singh – wir
sind seit unserer gemeinsamen Studienzeit in Cambridge befreundet – sagte mir
früher einmal: „Wir würden gern mehr
tun, aber uns fehlt das Geld.“ Dieser Mangel war das größte Hindernis, an guten
Ideen und Vorhaben hat es nie gehapert.
Also musste der indische Staat zu Geld
kommen.
J B: Genau. Vor 1991 war das politische Regelwerk so absurd, voller Beschränkungen, dass eine Entwicklung kaum möglich war. Die ganze Welt hat gelacht über
das indische Modell. Als die ersten Reformen griffen und das indische Wachstum
begann, wurde für alle sichtbar, dass die
Regularien, Vorschriften und Gesetze,
die dieses Wachstum und damit den Weg
aus der Armut behinderten, geändert
werden mussten. Das dauert, besonders
in einer Demokratie.
Noch immer greiD der Staat lenkend
in die WirtschaD ein. Gibt es auch hier
eine Entwicklung zu mehr Liberalität?
J B: Ja. Früher gab es Unternehmen, die
das Monopol für bestimmte Bereiche
erhielten und staatlich vor Konkurrenz
geschützt wurden. Deren Zahl nimmt
ab. Zum Beispiel gab es früher nur das
ineffiziente Monopol von Indian Airlines, heute gibt es diverse private Fluglinien, die erfolgreich arbeiten. Auch die
Importbeschränkungen sind weitgehend weggefallen. Das
hat beispielsweise Ikea nach Indien geführt. Und die Liberalisierung des Einzelhandels hat Wal-Mart, Carrefour und
andere angelockt.
Das Reformtempo könnte aber höher sein, oder?
J B: Die indische Regierung bewegt sich, aber sie bewegt
sich sehr langsam. Das ist nun mal eine kulturelle Eigenschaft. Wenn die Amerikaner oder auch die Deutschen ein
Problem sehen, packen sie es sofort an. In Indien ist das
anders, der Rhythmus ist einfach ein langsamerer. Natürlich gibt es dynamische Menschen in Indien, auch in verantwortlichen Positionen, aber eben auch viele, die das alte
Tempo beibehalten.
Ist das niedrige Tempo nicht ein Problem?
J B: Es ist schon viel passiert, das dürfen wir nicht vergessen.
Aber wir müssen jetzt weitergehen. Die Regierung hat die
Dinge etwas laufen lassen. Wenn Indien von derzeit 7,5 Prozent wieder auf eine Wachstumsquote von vielleicht 9,5 Prozent kommen will, müssen die Reformen forciert werden.
Was könnte dazu führen?
JAGDISH BHAGWATI
Im Sozialismus liegt die Zukun", dachte
Jagdish Bhagwati und wollte mithelfen
beim Aufbau eines fortschrittlichen Indiens.
Einige Jahre in Staatsdiensten reichten,
um Bhagwati zum Umdenken zu bewegen.
Noch in den 1960ern verließ er sein Heimatland, um am Massachusetts Institute of
Technology (MIT) seinen Doktor zu machen.
Anschließend, von 1968 bis 1980, lehrte
er dort Wirtscha". Später beriet er sowohl
die Welthandelsorganisation WTO als auch
die Vereinten Nationen. Derzeit lehrt der
78-Jährige Politik und Wirtscha" an der
Columbia University in New York City.
J B: Jetzt, wo die Wachstumskurve abflacht, fangen die Leu-
te an, sich zu beschweren. Und unterstellen der Regierung,
nichts zu tun. Sie bekommen Angst, dass der Aufschwung
ein Ende findet. Das wollen sie nicht, also werden sie aktiv.
Und bringen die Regierung dazu, ebenfalls aktiv zu werden.
Die Politiker merken: Sie können nicht so weitermachen wie
bisher, sonst werden sie verlieren bei den nächsten Wahlen.
Trotzdem wehte Premierminister Manmohan Singh ein
Proteststurm entgegen, als er im Herbst 2012 weitere
WirtschaDsreformen ankündigte.
J B: Die letzten Proteste auf den Straßen, von denen ich gehört habe, gingen darum, die Reformen auszudehnen, nämlich in zwei Branchen – Telekommunikation und Bergbau –,
in denen noch die alten Schutzreflexe gelten. Die Menschen
wollen mehr Reformen, nicht weniger. Und das ist richtig.
Nehmen Sie dieses „Du brauchst für alles eine Lizenz“, das
fördert die Korruption. Je weniger Lizenzen, desto freier
die Märkte, desto mehr Wachstum. Das haben die meisten
Menschen begriffen. Und der indische Staat reagiert darauf.
Kommt Widerstand gegen Reformen von jenen, die Angst
davor haben, beim freien Spiel der Märkte zu den Verlierern zu zählen?
J B: Wer sollte das sein? In Indien gibt es eine wachsende
Mittelschicht, die es geschafft hat, der Armut zu entkommen. Das sind die Vorbilder. Und wir reden hier über mehr
als 300 Millionen Menschen. Sie sind der lebende Beweis,
wie viel diese Reformen nützen.
<
MIT WACHSTUM GEGEN ARMUT:
Dieses Konzept vertreten Jagdish
Bhagwati und sein Co-Autor Arvind
Panagariya. „Why Growth Matters.
How Economic Growth in India
Reduced Poverty and the Lessons
for Other Developing Countries”,
Public Affairs, 2013, 18,95 €
Von Helden und Schurken
Sie retten die Welt – oder legen sie in Schutt und Asche. Im Universum der Comics treten Helden
und Schurken in den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse. Ganz nebenbei führen viele von ihnen
einen multinationalen Konzern: Batman zum Beispiel mit seinem Unternehmen Wayne Enterprises.
Oder Lex Luthor als Besitzer von LexCorp. Ein genauerer Blick auf ihre ökonomischen Verhältnisse
bringt Erstaunliches zutage: Superhelden stammen fast immer aus reichen Familien und haben ihr
Unternehmen geerbt. Bösewichte dagegen kommen o" von ganz unten und haben ihre Wirtscha"simperien im Alleingang errichtet.
Die Comic-Fiktion vermittelt ein überholtes, frühkapitalistisches Ethos, schreibt Journalist und Wissenscha"ler
Julian Sanchez. Reichtum – so wird suggeriert – ist
die Voraussetzung für gute Taten. Wer kein Geld
hat, muss es sich irgendwie verdienen – in
der Regel ein schmutziges Geschä". Der
neureiche Emporkömmling wird so fast
zwangsläufig zum Schu". Auf den folgenden Seiten hinterfragen wir diese
explosive Mischung aus Macht,
Moral und Geld. In der realen
Geschä"swelt ist es freilich nicht
ganz so einfach. Unser Report
„Führung in Zeiten des Wandels“
zeigt: Comic-Klischees wie Gut
und Böse reichen längst nicht
aus, um die Managementkultur zu vermessen. Was
aber für Superhelden und
Super-Chefs gilt (und
Spider-Man zu seinem
Wahlspruch gemacht
hat): Aus großer
Kra" folgt große
Verantwortung.
Report
LEADER
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SHIP
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Der Gute: Batman alias Bruce Wayne
  , 
Gotham City ist ein Sündenpfuhl – voller Gewalt, Korruption und Niedertracht. Einer muss den Dreckstall ja ausmisten, denkt sich Bruce Wayne und schlüp" bei jeder passenden Gelegenheit in sein Fledermauskostüm. Als Batman gibt er den unerbittlichen Kämpfer gegen das Verbrechen. Allerlei technischer Schnickschnack kommt dabei zum Einsatz, besonders sein Batmobil. Woher er das Geld für seine
Gadgets nimmt? Im echten Leben ist Batman nicht nur Schnösel und Frauenheld – sondern steht auch
an der Spitze von Wayne Enterprises, einem Konzern mit einem Umsatz von 30 Mrd. Dollar. Den haben
ihm seine Eltern vermacht. Eine komfortable Situation für professionelle Verbrechensbekämpfung.
® & © 2013 DC Comics. All Rights Reserved (erscheint beim Panini-Verlag)
24_25 THINK : ACT // LEADERSHIP
® & © 2012 Marvel Characters, Inc. All Rights Reserved
Motion Picture © 2002 Columbia Pictures Industries, Inc. All Rights reserved. Spider-Man Character
Der Böse: The Green Goblin
alias Norman Osborne
   
Ein Genie, das dem Wahnsinn verfällt und sich
zum Anführer der Unterwelt von New York City
aufschwingt – der grüne Kobold, Erzfeind von
Spider-Man, terrorisiert seine Heimatstadt mit
Kürbis-Bomben und seiner übermenschlichen
Körperkra". Mit seiner Firma Oscorp Industries – spezialisiert auf bio-chemische Waffen
– entwickelt er das tödliche Spielzeug für seine
Raubzüge. Dabei entstammt Norman Osborn, so
sein echter Name, eigentlich einer wohlhabenden
Industriedynastie. Der Grund für seine Gewalteskapaden: Der Alkohol hat seinen Vater zugrunde
gerichtet, die Sucht führt zuletzt sogar zum
Kollaps seines Familienunternehmens. Normans
einziges Ziel seitdem: den verlorenen Reichtum
wiederherzustellen – egal mit welchen Mitteln.
     
Als Kind verehrt er Robin Hood. Kein Wunder, dass Oliver Queen in der Freizeit zu Pfeil und Bogen
grei". Sein Ziel: den Armen und Schwachen helfen. Doch die Vorliebe für das Proletariat schürt Ärger.
Denn in der „Gerechtigkeitsliga“, einem Superhelden-Kartell, zielen seine Kollegen Wonder Woman
und Green Lantern eher auf die Marktführerscha": den öffentlichkeitswirksamen Endkampf mit
der Bösewicht-Elite. Green Arrow kündigt die Zusammenarbeit auf und findet seine Gegenspieler
schließlich in unteren Preisklassen. Seinen Hang zur Corporate Social Responsibility lebt er auch im
Geschä"sleben aus: Von seinem Vater hat er den Rüstungskonzern Queen Industries geerbt. Mit Waffen aber will er nichts zu tun haben – und baut das Unternehmen zur Wohltätigkeitsorganisation um.
Green Arrow:
Der Gute: Green Arrow alias Oliver Queen
® & © 2013 DC Comics. All Rights Reserved
26_27 THINK : ACT // LEADERSHIP
® & © 2013 DC Comics. All Rights Reserved (erscheint beim Panini-Verlag)
Der Böse: Lex Luthor
   
Ein skrupelloser Aufsteiger, der es bis ins
Oval Office schafft: Lex Luthor wächst in
der ärmsten Gegend von Metropolis auf.
Als er dreizehn ist, sterben seine alkoholkranken Eltern. Ein Trauma, das sein
ganzes Leben bestimmt. Vom verrückten
Wissenscha"ler wird er zum machthungrigen Industriellen, der mit seinem Unternehmen LexCorp ganz Metropolis kontrolliert – durch Bestechung, Mord und Terror.
Dann taucht Superman auf, der sich nicht
kaufen lassen will. Also beschließt Lex, ihn
zu töten, um seinen Platz als mächtigster
Mann von Metropolis wieder einzunehmen.
Wegen seiner ärmlichen Kindheit ist er von
Ehrgeiz zerfressen, kennt auf dem Weg
nach oben kein Pardon. Am Ende wird er
auf diese Weise US-Präsident. Und selbst
Superman muss ihm gratulieren.
  -
 
Ein Geschöpf des Kalten Krieges: In seinen
Anfangsjahren widmet sich Multimilliardär
und Playboy Tony Stark der Roten Gefahr,
nachdem er in Vietnam lebensgefährlich
verletzt wird. Die Rüstungstechnologie seines
Konzerns Stark Industries nutzt er vor allem,
um kommunistischen Widersachern wie dem
Mandarin den Garaus zu machen. Zugleich
verkau" er seine Waffensysteme an die USArmee. Aber auch Iron Man geht mit der Zeit,
will mit dem Kalten Krieg nichts mehr zu tun
haben und gründet schließlich verschiedene
Wohltätigkeitsorganisationen. Auch hier die
Voraussetzungen für das philanthropische
Programm: das Erbe seiner Eltern.
© 2010 MVL Film Finance LLC. Iron Man, the Character.
Der Gute: Iron Man
alias Tony Stark
® & © 2010 Marvel Entertainment LLC. All Rights Reserved.
28_29 THINK : ACT // LEADERSHIP
Der Böse: Kingpin alias Wilson Fisk
   ,  -
Kingpin:
® & © 2013 Marvel & Subs (erscheint beim Panini-Verlag)
Vom Mobbingopfer zum Unterwelt-König: Wilson Fisk, als Kingpin Gegenspieler von Superhelden wie Spider-Man
und Daredevil, wächst als ärmlicher Junge in New York auf, wird von seinen Mitschülern gedemütigt und findet seine
Heimat schließlich bei der Mafia. Verbrecher-Boss Don Rigoletto dient er zunächst als Bodyguard, dann tötet er seinen
Mentor, um dessen Imperium zu übernehmen. Dabei versteht es Kingpin, seine Verbindungen zur Organisierten Kriminalität geschickt zu verschleiern: Nach außen führt er das Leben eines respektablen Geschä"smannes. Doch
im Grunde bleibt er ein waschechter Schurke, auch als er es eigentlich nicht mehr nötig hätte.
30_31 THINK : ACT // LEADERSHIP
Zu unberechenbar
für die klassischen
Managementkonzepte:
Eine komplexe und
volatile Welt erfordert
neue Ansätze. Lernen
können Unternehmen
z.B. vom Militär.
31_31RE
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N/IA
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K/T
C:T
Light-FootprintManagement
Führung in Zeiten des Wandels: Das Militär
und Chinas Privatsektor sind „Early Adapter“ an
eine unbeständige, ungewisse, komplexe und
zweideutige Welt. Unternehmen sollten sich
an ihnen orientieren.
32_33 THINK : ACT // LEADERSHIP
Gewehr oder Drohne? Die USArmee hat sich schon Mitte der
1990er-Jahre Jahre auf eine unsichere
Zukun# eingestellt. Obamas „Light
Footprint“-Strategie knüp# daran an.
F
ür Unternehmen hat sich irgendwann in der
jüngeren Vergangenheit die Umwelt radikal
gewandelt: Sie wurde zu komplex, zu unbeständig, zu unberechenbar für herkömmliche
Führungsmethoden. In meinem neuen Buch
„Light Footprint Management: Leadership in
Times of Change“ (Bloomsbury, Juli 2013) vertrete ich
die These, dass sich Firmen an diese neue Welt anpassen können – wenn sie sich an aktuellen Entwicklungen moderner Militärführung und an einem neuen
Führungsansatz chinesischer Unternehmen orientieren.
Im militärischen Bereich begann diese Anpassung
nach Ende des Kalten Krieges. Am „War College“ der
US-Armee in Carlisle (Pennsylvania) entwickelten Militärexperten das Konzept VUCA – ein Akronym, das für
„Volatile“, „Uncertain“, „Complex“ und „Ambigious“ steht.
Das Konzept wurde genutzt, um Studenten dieser Schule auf Führungsrollen in der VUCA-Welt vorzubereiten.
„Ein Light-FootprintUnternehmen ist besser in
sein sich ständig wandelndes
Umfeld integriert und
reagiert darauf sensibler.“
- 
In China begann mit der Reform- und Öffnungspolitik unter Deng Xiaoping bereits ab 1978 ein enormer
Anpassungsprozess an veränderte Rahmenbedingungen. Chinas rasant wachsender Privatsektor ist ein Kind
der VUCA-Welt und hat sich an und mit ihr entwickelt.
Die typischen Merkmale des dahinterstehenden Führungsstils beschreibe ich in meinem Buch „China’s Management Revolution: Spirit, Land, Energy“ (Palgrave
Macmillan, 2010). Von chinesischen Managern können
auch westliche Firmen lernen – besonders von der untergeordneten Rolle, die einige Unternehmer ausgefeilten Strategien beimessen. Stattdessen legen sie viel Wert
auf Taktik und Vision, auf philosophische und spirituelle Themen, und unterscheiden sich in vielen weiteren
Details von westlichen Führungspersönlichkeiten.
In meinem Buch plädiere ich dafür, dass sich Unternehmen diese „Early Adapter“ zum Vorbild nehmen
sollten, um in der VUCA-Welt zu bestehen. Wenn, wie
ich glaube, das Light-Footprint-Kriegsmodell von Barack
Obama eine frühe Anpassung an die VUCA-Welt ist und
zugleich die Geschäftswelt VUCA-Merkmale aufweist,
dann sollten Firmen bestimmte Äquivalente für die drei
wichtigsten militärischen VUCA-Strategeme übernehmen: für den Einsatz von Drohnen, für Cyberwaffen
und für Spezialeinsatzkräfte. Welche Merkmale unterscheiden diesen „Light Footprint“-Ansatz von herkömmlichen Führungsmethoden?
Mehr Automatisierung, neue Technologien
Das zivile Äquivalent zur militärischen Nutzung von
Drohnen und unbemannten See- und Landfahrzeugen
ist möglicherweise ein gewaltiges Bedürfnis nach Automatisierung und neuen Technologien. Ein Äquivalent
zum Cyberkrieg könnte die ständige Suche nach einem
Wettbewerbsvorteil im Cyberspace sein. Eine logische
Umsetzung von Spezialeinsatzkräften in der Unternehmenswelt wäre zum Beispiel der Übergang von einer
hierarchischen zu einer modularen Unternehmensform
– ein Machtwechsel von Vorstandsriegen zu selbstverwalteten, interdisziplinären Modulen. Eine Entsprechung für militärische Allianzen könnte schließlich die
verstärkte Neigung zu Partnerschaften sein.
Ein paar unternehmerische Beispiele weisen in diese Richtung. Unter Steve Jobs wuchsen die Unternehmen Apple und Pixar gewissermaßen „opportunistisch“
– getrieben von einem Mann, der technisches Know-how
mit künstlerischem Verständnis verband. Im Rückblick
mögen Jobs‘ Entscheidungen als geniale Strategien erscheinen. In Wirklichkeit waren sie schlichtweg taktische Reaktionen auf akute Probleme und Chancen.
33_33RE
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C:T
Xavier Niel, Chef des französischen Internetanbieters Free, ist ein weiterer „Early Adapter“ an die VUCAWelt. Er ist flexibel, unberechenbar, technisch versiert
und interessiert sich nicht für die üblichen Weisheiten
und Geschäftsmodelle seiner Branche.
Den britischen Chip-Designer ARM Holdings kennzeichnen Leichtigkeit und ein großer Hang zu Partnerschaften – Merkmale eines Light-Footprint-Unternehmens. Die Chip-Designs des Konzerns dominieren den
weltweiten Smartphone-Markt, obwohl ARM selbst
nichts produziert. Sein einziges Pfund sind geistiges Eigentum und Verträge mit Chip- und Geräteherstellern
wie Apple.
Für den Einsatz von Spezialkräften sind Beispiele in
der Geschäftswelt offenkundig schwer zu finden – sie
sind schließlich geheim. Doch das Konzept lässt sich an
einem Praxisbeispiel veranschaulichen: Sheila Regan,
Managerin bei einem Joghurt-Hersteller und verantwortlich für Lateinamerika, griff in einer Problemsituation zu unkonventionellen Maßnahmen. In einer Stadt,
in der die Geschäfte stagnierten, organisierte sie eine gezielte Intervention, die „Operation Hit Back“. „Wir zogen
nicht alle Register“, erinnert sie sich, „sondern widmeten uns nur den 48 Geschäften mit Problemen, unseren
Distributionskanälen und den wichtigsten Marken. Wir
buchten keine Werbung, sondern verstärkten die InStore-Promotion. Die 48 Geschäfte bekamen eine Sonderbehandlung, wir bedienten sie immer zuerst, zum
Beispiel um Fehlmengen zu vermeiden.“
Zugleich aber erfuhren diese 48 Geschäfte nichts
von dieser Intervention, da Regan die Konkurrenz
nicht aufschrecken wollte. Das Hauptziel der Aktion: Regan wollte neue Marktteilnehmer abschrecken
und davon überzeugen, dass die Dominanz etablierter Unternehmen viel zu groß sei. Ein engagiertes,
interdisziplinäres Team wurde zusammengestellt, darunter Angebotsspezialisten und ein Finanzexperte, der
gewährleisten sollte, dass sich die Aktion auszahlte. Ein
„War Room“ wurde eingerichtet, mit einer „War Wall“, auf
der die 48 Geschäfte, ihre Ziele und die Ergebnisse der
Interventionen zu sehen waren. Wenn ein Geschäft von
Rot auf Grün wechselte, also seine Ziele erreicht hatte,
brach Jubel im Team aus. „Es gab einen Schneeballeffekt“, so Regan. „Indem wir die Ergebnisse mitteilten, ermutigten wir die anderen Team-Mitglieder und konnten
optimale Verfahren schnell übertragen.“
Vor der „Operation Hit Back“ waren die jährlichen
Bruttoeinnahmen in der Zielstadt um 1,5 Prozent gesunken. Als Regan nach Europa zurückkehrte, wuchsen
sie in dieser Stadt um 17,8 Prozent. Ein Erfolg, der das
Unternehmen veranlasste, ähnliche Interventionen in
anderen Märkten zu planen.
Ich bin davon überzeugt, dass die neue VUCA-Welt
neue Management-Interventionen erfordert, die schneller und mehr „von unten nach oben“ verlaufen als herkömmliche Maßnahmen. Als Beispiel beschreibe ich
eine Methode, die wir vor etwa zehn Jahren entwickelt
haben – das Accelerated Zero-Based Budgeting (AZBB).
Sie ist erfolgreich an Kunden erprobt, dauert nur zwölf
Wochen, funktioniert „von unten nach oben“ und hat
einige weitere Merkmale, die sich besonders gut für
Charles-Edouard Bouée ist President von Roland Berger
Strategy Consultants, Asien, und gehört seit Juli 2010 der
weltweiten Geschä"sführung des Unternehmens an. Er ist
Wirtscha"sberater der französischen Regierung in China und
Vorstandsmitglied der europäischen Handelskammer in China
(mit Sitz in Shanghai). Dort fördert er die Zusammenarbeit
zwischen Mitgliedsunternehmen, Regierungen und Wirtscha"
in China und Europa. Er lebt in Paris und Shanghai.
! MEHR ZUM THEMA: www.think-act.com/blog
die VUCA-Welt eignen. Sie unterscheidet sich beispielsweise vom herkömmlichen Zero-Based Budgeting, indem sie sich auf sogenannte Entscheidungseinheiten
konzentriert. Dadurch kommt die „modulare“ Struktur
jeder Firma zum Vorschein, die sich meines Erachtens
besser für die VUCA-Welt eignet als die herkömmliche
hierarchische Struktur.
Eine extrem volatile Umwelt
In meinem Buch erläutere ich die Vorteile, die ein
Light-Footprint-Unternehmen in der VUCA-Welt erzielen kann: Es ist modular, extrem zentralisiert und
dezentralisiert zugleich. Es ist hungrig nach Zusammenarbeit und Partnerschaften, denn sie belasten
das Unternehmen weniger als Übernahmen. Es ist
verschwiegen, da seine Wettbewerbsmaßnahmen
oft auf das Überraschungsmoment setzen. Und es ist
sich der Folgen seines Handelns für Dritte bewusst.
Ich glaube, dass ein Light-Footprint-Unternehmen
besser in seine extrem volatile Umwelt integriert ist
und sensibler reagieren kann. Daher wird es von überraschenden Entwicklungen, die in der VUCA-Welt so
häufig sind, viel seltener aus der Bahn geworfen. Das
Buch schließt mit einigen Tipps für Manager, die ihre
Firmen in Light-Footprint-Unternehmen verwandeln
wollen. Da sich VUCA auf die gesamte moderne Gesellschaft – und nicht nur auf die Militär- und Geschäftswelt – bezieht, empfiehlt sich ein Übergang zum Light
Footprint meiner Ansicht nach für alle Arten von Organisationen.
<
! HÖREN SIE: Unser Interview
mit Charles-Edouard Bouée unter
www.think-act.com/audio
LIGHT FOOTPRINT
MANAGEMENT
Wie können sich Firmen an die
neue VUCA-Welt anpassen? Indem
sie sich am Militär und Chinas
Privatsektor orientieren, schreibt
Charles-Edouard Bouée in seinem
in Kürze erscheinenden Buch.
Bloomsbury, 2013; 18,99 €
34_35 THINK : ACT // LEADERSHIP
Behandeln
Sie Ihr
Team gut
Während seiner Karriere bei
General Electric stieg der Wert
der Firma um 4.000 Prozent. Ex-CEO
  , einer der am
meisten bewunderten und kontroversesten Manager der Welt,
über Führung durch Respekt.
THINK:ACT: Herr Welch, Sie sind 2001 als CEO von GE in
den Ruhestand gegangen. Sind jüngere CEOs anders als
die Ihrer Generation?
JACK WELCH: Generell muss ein CEO in der Lage sein, eine
Vision zu entwickeln und diese dann praktisch und enthusiastisch auf die Firma zu übertragen. Er braucht Werte und
Verhaltensregeln. Die Vision sagt einem, wo es hingeht. Die
Werte und Verhaltensregeln sagen einem, wie man dorthin
gelangt. Er muss die Firma von diesen Verhaltensregeln
überzeugen und dafür sorgen, dass man sie versteht. Offenheit wird immer wichtiger. War sie damals schon. Manche
hatten sie nicht, aber sie muss zur Seele eines Unternehmens gehören. Personalführung. Das gilt immer. Man muss
gute Leute einstellen. Man braucht Beurteilungssysteme,
damit die Leute ihr volles Potenzial entfalten. Diese Themen
gelten über Jahrzehnte und Generationen hinweg.
Zur „Personalführung“: Glauben Sie immer noch an das
20-70-10-Ranking, nach dem Arbeitnehmer in Top-, Durchschnitts- und Low-Performer eingeteilt und jedes Jahr die
unteren 10 Prozent entlassen werden? Funktioniert diese
Methode bei allen Firmen?
>
Lebende Legende: Jack Welch, 77, arbeitet immer noch (hier in seinem
privaten New Yorker Büro), twittert und kritisiert die Regierung.
36_37 THINK : ACT // LEADERSHIP
J W: Es muss nicht „20-70-10“ sein. Man hat nun mal sei-
ne besten, durchschnittlichen und schwächsten Leute.
Damit muss man klarkommen. Wie in einer Baseballoder Fußballmannschaft.
Entspricht diese Einstellung dem „Rank-and-Yank“System, wie es viele Leute mittlerweile nennen?
J W: Nein! „Rank and Yank“ bedeutet Entlassungen.
Darum ging es mir nicht. Sondern darum, mit den
Mitarbeitern zu sprechen (den schwächsten 10 Prozent), ihnen zu sagen, was Sie erwarten, was nicht
passt. Sie geben ihnen die Chance, sich zu verbessern,
und viel Zeit … Sie müssen Ihre Angestellten auf allen
Unternehmensebenen gut behandeln und ihnen zuhören. Jeden einzubeziehen ist eine wichtige Kompetenz.
Immer da zu sein. Zu ermutigen. Zu fördern. Sie legen
die Messlatte immer höher. Das wird sich nie ändern.
Sicher haben sich einige dieser Aufgaben im letzten
Jahrzehnt gewandelt. Sie bewerten Firmen für PrivateEquity-Unternehmen. Was hat sich für FührungskräDe
geändert?
J W: Die Geschwindigkeit. Alles ist schneller. Die Welt
verändert sich schneller, die Wechselkurse, all das. Im
Gegensatz dazu wächst die Wirtschaft langsamer. Alle
wollen Innovation. Aber wozu? Sie verkürzt den Produktlebenszyklus. Es gibt immer schneller neue Produkte.
Daher müssen auch Entscheidungen viel schneller getroffen werden, man muss schneller produzieren. Die Informationen beschleunigen das, machen die Welt transparent. Nehmen Sie die sozialen Medien. Sie verändern
die Beziehung zwischen Ihnen und Ihren Mitarbeitern,
Ihnen und Ihren Kunden. Man kann ein Service-Problem
nicht einfach aussitzen. Es kommt sofort in die sozialen
Medien, und Ihr Ruf ist ist wochen-, monate- oder jahrelang geschädigt. Man muss auf Fehler schnell reagieren
können. Ihre Mitarbeiter haben eine Stimme … Jeder
sieht alles von Ihnen. Sie müssen also schnell denken.
Sie brauchen einen ausgezeichneten Service und die
Fähigkeit, auf Kundenreklamationen zu reagieren.
Und woran sollten Manager, die Mitarbeiter suchen,
im Zeitalter der sozialen Medien wie LinkedIn, Twitter, Facebook, der Online-CVs und anderen digitalen
Mechanismen denken?
Die Vorstellung,
die Geschäftswelt
sei heute weniger hart
als vor 25 Jahren,
ist dumm und naiv.
J W: Dort ist Ihre Reputation. Sie können leichter Leute
finden. Sie brauchen immer noch viele der Auswahlmechanismen, die Sie vor der Bewerberflut hatten. Sie finden immer noch so viele Bewerber, wie Sie wollen, aber
Sie können schneller und leichter mehr Leute filtern.
Anscheinend hat ein aktueller Management-Trend mit
FührungskräDen zu tun, die die Generation Y (Millennials) versteht, kollegialer und weniger „bossy“ als
CEOs in der Vergangenheit ist. Was halten Sie von der
Vorstellung, dass Manager heute nett sein müssen?
Wollen FührungskräDe heute zu sehr gemocht werden,
v. a. in Unternehmen mit größerer Vielfalt?
J W: Jeder muss sich den Respekt seiner Firma verdienen und Anstand beweisen. Das hat sich nicht geändert.
Die Tatsache, dass es mehr Minderheiten und Vielfalt
gibt? Das heißt doch nur, dass man die Leute gut behandeln muss, egal, wer sie sind. Man darf sich weder
gegenüber Männern, Frauen noch sonst wem wie ein
Idiot benehmen.
Aber einige FührungskräDe von Firmen wie Whole Foods
und Zappos schreiben in ihren Büchern, das Wohl der
Mitarbeiter sei heute wichtiger. Stimmen Sie dem zu?
J W: Die Vorstellung, die Geschäftswelt sei heute weniger hart als vor 25 Jahren, ist dumm und naiv. Es stimmt,
dass die Mitarbeiter mehr einbezogen werden. Wenn
jedoch in einer Firma nicht mehr durchgegriffen wird,
ist sie keine Firma mehr. Es gibt einen Unterschied zwischen rigoros und fies. Man braucht eine offene Kultur,
bei der über Probleme diskutiert wird. Weichheit ist
nicht die Antwort. Rigoros ist nicht gleich fies.
Zur Rigorosität gehört ja oD das Streben nach mehr Effizienz und einer besseren Unternehmensstruktur. Welche neuen Strukturen bilden sich heute in den Firmen?
Brauchen wir steilere oder flachere Hierarchien?
J W: Firmen sollten generell flacher, offener sein. Das
erreicht man durch einen guten Informationsfluss. Die
Vorstellung, Wissen sei Macht, ist überholt. Ich weiß
etwas, das Sie nicht wissen, und deshalb bin ich der
Boss? Vorbei. Man muss sich den Respekt verdienen.
Das war schon immer so.
Sie haben sich in jüngster Zeit oD zur Arbeitslosenquote in den USA geäußert und gesagt, Präsident
Obama habe sich in diesem Punkt nicht den Respekt
der Amerikaner verdient. Ist das das Wichtigste, an
dem er arbeiten sollte?
J W: Ich finde, die Regierung sollte an der Wirtschaft
arbeiten. Sie ist ein einziger Verwaltungssumpf. Ihr
Sumpf schnürt der Wirtschaft die Luft ab wie nie zuvor.
Was engt Ihres Erachtens am meisten ein?
J W: Nehmen Sie das Gesetz zur Gesundheitsreform, das
die Wirtschaft verwirrt. Und das National Labor Relations Board, das sich ständig neue Vorschriften ausdenkt.
Dann die unaufhaltsame amerikanische Bundes-Umweltschutzbehörde. Hier wird versucht, mithilfe von
Behörden um den Kongress herum zu regulieren. Das
nützt weder der Wirtschaft, noch dient es der Schaffung
von Arbeitsplätzen. Man kann große Worte machen,
aber wenn die Wirtschaft weiter erstickt wird, hat man
ein Problem.
Stellen die US-amerikanischen Firmen immer weniger
Leute ein und quetschen ihre wenigen Mitarbeiter
Mario Draghi hat seine Sache gut
gemacht. Aber Europa braucht einen Wandel,
um wettbewerbsfähig zu sein.
stärker aus? Ist das ein Faktor, der dem BIP schadet
und die Arbeitslosenquote erhöht?
J W: Es ist die Ungewissheit. Und die Nachwirkungen
dieser Rezession. Man will nicht erneut kalt erwischt
werden. Was passiert, wenn Europa wieder hochgeht? Die Ungewissheit ist groß. Dieses Gesetz zur
Gesundheitsreform – Sie haben ja keine Ahnung, für
welche Verwirrung es da draußen sorgt. Wen betrifft
es? Wie funktioniert es? So viele Dinge hängen in der
Luft. Wir befinden uns in einem Regulierungsmodus
der Ungewissheit, der den Investitions-Enthusiasmus
stark dämpft.
Es sieht so aus, als hätten US-amerikanische Firmen
keinen „Pakt“ mehr mit ihren Angestellten, Sozialleistungen, faire Löhne und unbefristete Arbeitsverträge
bereitzustellen. Laut einer aktuellen Statistik ist die
HälDe der Amerikaner mit ihrem Job unzufrieden.
Wissen Sie, warum?
J W: Die Schufterei während der Rezession und das
anschließende langsamere Wachstum haben den meisten Firmen garantiert keinen Wachstumsschub beschert.
Wachstum ist das Überlebenselixier der Wirtschaft.
Wenn sich eine Firma abrackert, sich jedoch nicht um
Innovationen und eine Spitzenposition bemüht, hat sie
es schwer. Wenn sie die Bleistifte spitzt, statt neue Stifte
zu kaufen. Dieser harte Wettkampf ohne Wachstum ist
irgendwie demoralisierend.
Als Sie CEO von GE waren, hatten Sie mit die Idee,
Jobs aus den USA nach Indien auszulagern. Hat sich
dieser Trend durchgesetzt, und ging er weit genug?
J W: Wenn in den USA die richtige Politik gemacht wird
und wir Strom günstiger und in größeren Mengen erhalten, dann wird nicht mehr so viel outgesourct werden. Dann werden mehr Jobs zurückkommen. Das muss
die Politik unterstützen. Eine Regierung darf nicht immer nur bestrafen. Man muss aktiv denken und fördern.
Einige US-amerikanische Gesetzgeber und CEOs wollen
die Produktionsjobs wieder in die USA holen und eine
bessere Industriepolitik machen. Ist das für die westlichen Industrieländer machbar?
J W: Natürlich. Mit dem Potenzial der eigenständigen
Energieversorgung sind die Möglichkeiten der USA
grenzenlos. Doch man braucht eine Regierung, die davon
überzeugt ist – nicht mit Worten, sondern Taten. Mit der
richtigen Regierungspolitik könnte das das amerikanische Jahrhundert sein.
Klingt so, als hielten Sie die Energie für den Motor des
WirtschaDswachstums in den USA. Welche Energiepolitik empfehlen Sie?
JW: Wir müssen das Hydraulic Fracturing und die Erd-
öl- und Erdgasförderung auf öffentlichen Flächen unterstützen. Es gibt grenzenlose technische Möglichkeiten,
um immer besser natürliche Ressourcen in unserem
Land abzubauen und die enormen Kosten und den Aufwand zu sparen, die wir haben, weil wir Leuten Geld
schicken, denen wir kein Geld schicken sollten.
Wie sehen Sie die Probleme in der EU? Wie sehr beunruhigt Sie die europäische Finanzkrise?
JW: Mario Draghi hat seine Sache gut gemacht, mit
wenigen Sätzen die Nerven zu beruhigen. Aber Europa
braucht einen Wandel, um wettbewerbsfähig zu sein.
Wir haben das Problem der Arbeitslosigkeit weder in
Spanien noch in Italien gelöst. Es bleibt abzuwarten,
ob diese Länder im Kontext einer gemeinsamen Währung wettbewerbsfähig werden können, ohne dass die
Währung wegen der unterschiedlichen Produktivität
abgewertet wird.
Wie schwer wird es sein, den Euro zusammenzuhalten?
JW: Sehr schwer. Bis jetzt hat Draghi seinen Job sehr
gut gemacht. Hut ab! Mir ist nur nicht klar, wie man
das Grundlegende regelt, wenn man den Kontinent in
ein Kosten- und Innovationskorsett steckt, das überall
unterschiedlich ausfällt.
Wie haben Sie es geschafft, im Jahrzehnt nach Ihrer
Pensionierung selbst zur Marke zu werden, mit Bestsellern und 1,4 Millionen Followern auf Twitter?
JW: Ich mische gern mit. Sie wissen schon, ich habe
eine Meinung zu den Dingen und nichts dagegen, diese
zu äußern. Ich lerne sehr gern. Wenn ich rund um die
Welt Reden halte, egal ob in China, Europa oder woanders, dann liebe ich das Publikum, das Feedback und das
dynamische Lernen.
<
Während seiner 41-jährigen Karriere bei
General Electric stieg John F. „Jack“ Welch
vom Chemieingenieur zum CEO auf und machte
GE zu einem der besten Unternehmen der Welt. Seit
seiner Pensionier ung 2001 hat Welch BusinessBestseller wie Jack: Straight from the Gut geschrieben.
Er berät immer noch aktiv Firmen für das PrivateEquity-Unternehmen Clayton, Dubilier & Rice, hält
Reden und ist regelmäßig im Fernsehen als Kommentator
zu sehen. Außerdem hat er zusammen mit seiner Frau
Suzy das MBA-Online-Programm „Jack Welch
Management Institute“ ins Leben gerufen und hat
1,4 Millionen Follower auf Twitter.
38_39 THINK : ACT // LEADERSHIP
Nichts ist
motivierender
als Erfolg
Führung durch Internationalisierung:   treibt die
weltweite Expansion von Adidas mit voller Kra# voran - und das mit einer
Mannscha#, die im Durchschnitt gerade einmal 31 Jahre alt ist. Im Interview
erklärt er seine Rolle als CEO, wen er unter der Dusche trifft –
und warum er den Konkurrenten Nike nicht unbedingt überholen will.
Herbert Hainer
Als Kind hat er Tag und Nacht Fußball
gespielt, wollte Profi-Fußballer werden.
Sein Bruder Walter wurde es, er selbst
dafür einer der erfolgreichsten Manager
Deutschlands. 1979 startete er als
Verkaufsmanager beim Konsumgüterkonzern Procter & Gamble, 1987 wechselt
er dann zu Adidas. Seit 2001 steht er an
der Spitze des Konzerns mit über 46.000
Mitarbeitern, der hinter Nike der zweitgrößte Sportartikelhersteller der Welt ist.
Egal ob Umsatz, Gewinn oder Börsenkapitalisierung – unter Hainer ging es für
Adidas steil bergauf.
40_41 THINK : ACT // LEADERSHIP
Sponsor der Stars: Herbert Hainer mit Fußball-Star David
Beckham, der seit 1996 in Adidas-Schuhen kickt
THINK:ACT: Herr Hainer, CEOs müssen einerseits ganz
nah ran an die Details, andererseits weltweit den
Überblick behalten. Wie gehen Sie mit diesem vermeintlichen Widerspruch um?
HERBERT HAINER: Für mich ist das kein Widerspruch.
CEOs können nicht immer in ihrem Elfenbeinturm sitzen und ein Unternehmen aus der Ferne steuern. Sie
müssen wissen, wie das Tagesgeschäft aussieht. Wenn
ich reise, dann schaue ich mir zum Beispiel immer die
Geschäfte in der jeweiligen Stadt an: unsere Geschäfte,
allgemeine Sportläden, unsere Konkurrenz. Das gibt
mir gleich ein Gefühl, wie unsere Marken positioniert
sind. Und wenn ich durch die Straßen laufe oder jogge,
schaue ich natürlich auf die Füße, um zu sehen, was die
Leute tragen.
Was sind die drei wichtigsten EigenschaDen eines
Chefs von fast 50.000 Mitarbeitern?
HH: Er sollte sein Handwerk verstehen, gut kommunizieren können und entscheidungsfreudig sein.
Ihr Führungsstil gilt vielerorts als „diszipliniert“, „temporeich“ und „leistungsfanatisch“. Finden Sie sich in
solchen Charakterisierungen wieder?
HH: Ja und nein. Leistungsfanatisch klingt mir zu negativ. Ich bin sicherlich ein Mensch, der Erfolge anstrebt
und Erfolg haben möchte. Aber fanatisch bin ich dabei
nicht.
Können Manager von Spitzensportlern etwas lernen?
HH: Ich habe ja das Glück, dass ich dank meines Jobs
mit vielen Athleten zusammenkomme. Was ich mir sicher von ihnen abschaue, ist die Fokussierung auf ein
Ziel, die Disziplin, für dieses Ziel hart und ausdauernd
zu trainieren.
Ihre Mitarbeiter sind im Durchschnitt 31 Jahre alt,
schon junge Köpfe erhalten Führungsverantwortung.
Warum?
HH: Wir arbeiten in einer sportlich-dynamischen, jugendlichen Branche, unsere Zielgruppe ist sehr jung.
Im Kern sprechen wir mit unserer Werbung vor allem
Jugendliche im Alter von 14 bis 19 Jahren an. Da hilft es
natürlich, wenn man altersmäßig nicht allzu weit von
dieser Gruppe weg ist. Daher steigen die Leute bei uns
schon in jungen Jahren ein. Und ja, wenn sie klasse Arbeit leisten, können sie bei uns relativ schnell mehr Verantwortung bekommen.
Birgt diese Jugendlichkeit nicht auch Gefahren? Wie
wird ein möglicher Mangel an Erfahrung ausgeglichen?
HH: Keine Angst. Man muss die Adidas-Gruppe nicht
verlassen, wenn man das 40. Lebensjahr erreicht hat.
Sonst hätte ich ja hier auch keinen Job mehr. Wir achten
schon darauf, eine ausgewogene Mischung aus jungen
und erfahrenen Mitarbeitern zu haben. Dann können
wir von beidem profitieren, den frischen Ideen der jungen Mitarbeiter und der Erfahrung der etwas älteren.
Ticken die Jungen anders als die Älteren?
HH: Jede Generation tickt anders. Meine Generation
zum Beispiel ist ja mitten in das Wirtschaftswunder
Deutschland hineingeboren worden, und ich habe gesehen, wie meine Eltern sich in ihrer Metzgerei angestrengt haben, um an diesem steigenden Wohlstand
teilzuhaben. Die heutige Generation wächst da schon
ein wenig behüteter auf und stellt die berufliche Karriere nicht mehr über alle anderen Dinge. Außerdem sind
die jungen Leute von heute ständig online und immer
vernetzt. Dadurch haben sie ein ganz anderes Verhältnis zur Kommunikation. Sie sind es gewohnt, immer alle
Informationen sofort zur Verfügung zu haben. Das stellt
natürlich auch neue Anforderungen an die Kommunikation innerhalb des Unternehmens.
Wie gelingt es Ihnen, Ihre ausgesprochen jungen
Teams immer wieder zu neuen Höchstleistungen anzuspornen?
HH: Das ist in unserer Branche gar nicht so schwer. Wir
arbeiten alle hier, weil wir eine riesige Leidenschaft für
den Sport und unsere Marken haben, und diese Leidenschaft bringen wir täglich in unsere Arbeit ein. Zudem
führt der Sport auch zu unkomplizierten Hierarchien
bei uns. Wenn ich bei uns ins Fitness-Studio gehe, dann
treffe ich dort unter der Dusche Führungskräfte genauso wie Praktikanten.
Sie legen Wert auf internationale Karriereverläufe Ihrer Mitarbeiter, zugleich schwärmen Beobachter von
der „Uni-Campus-Atmosphäre“ in Herzogenaurach.
Wie kann man Young Professionals langfristig an sich
binden?
H H: Indem wir ihnen ein attraktives Arbeitsumfeld und
internationale Einsatzchancen bieten, aber vor allem,
indem sie Erfolg haben. Denn letztlich ist nichts motivierender als der Erfolg.
Die Identifikation ihrer Mitarbeiter mit dem Unternehmen gilt als ungewöhnlich hoch – angeblich ist niemand bei Ihnen ohne die drei Streifen unterwegs. Wie
erklären Sie sich das?
H H: Ehrlich gesagt ist das eine Frage, die immer nur von
außen an uns herangetragen wird. Unsere Produkte
sind prima, unsere Marken heiß begehrt. Also ist es für
alle im Unternehmen selbstverständlich, dass wir unsere Produkte tragen.
Sie haben Ihre Unternehmensziele in der „Route 2015“
festgelegt. Bis 2015 wollen Sie den Umsatz auf 17
Mrd. Euro steigern. Wie fällt Ihre Zwischenbilanz aus,
besonders aus globaler Perspektive?
HH: Ausgesprochen positiv: Wir haben im Jahr 2012 erneut Rekordergebnisse bei Umsatz und Ergebnis erzielt.
So haben wir den Umsatz im vergangenen Jahr um 1,6
Mrd. Euro auf 14,9 Mrd. Euro gesteigert.
Wo soll weiteres Wachstum herkommen? Welche
Märkte haben Sie im Blick?
H H: Schauen Sie nach China, nach Russland, nach Brasilien – es gibt immer mehr Volkswirtschaften, die
dynamisch wachsen und in denen täglich neue Konsumenten heranwachsen, die sich unsere Produkte leisten
können. In unserem Strategie-Plan haben wir deshalb ja
auch China und Russland als zwei der drei Hauptmärkte definiert, in denen wir überproportionales Wachstum
erwarten. Der dritte Wachstumsmarkt ist Nordamerika,
denn dort sind wir insbesondere mit der Marke Adidas
noch nicht so vertreten, wie es dem globalen Ansehen
und Erfolg dieser Marke entspricht. Aber auch in allen anderen Märkten der Welt sehe ich noch enorme
Wachstumschancen für die Sportartikelindustrie.
Warum?
H H: Zwei globale Mega-Trends sprechen für uns. Erstens: Die Menschen werden immer älter und wollen dabei immer länger fit bleiben. Also gehen sie raus, spielen
Golf, gehen walken oder joggen. Zweitens: In vielen eta-
»Wenn ich bei uns ins FitnessStudio gehe, dann treffe
ich dort unter der Dusche
Führungskräfte genauso wie
Praktikanten.«
»Es ist gar nicht mein
primäres Ziel, Nike als Nummer
eins auf dem Sportartikelmarkt
abzulösen.«
blierten Ländern wird Übergewicht, gerade bei Kindern,
ein immer größeres Problem. Da werden irgendwann
die Politik und auch die Gesellschaft gegensteuern und
dafür sorgen, dass die Kids wieder mehr Sport treiben.
Wann wird China noch vor den USA der größte Sportartikelmarkt der Welt sein?
HH: Das wird irgendwann kommen, aber sicher nicht
mehr in meiner Amtszeit. Nordamerika macht immer
noch 40 bis 45 Prozent des weltweiten Sportartikelmarktes aus, China liegt heute vielleicht bei 10 Prozent. Aber
keine Frage: China boomt – und wir boomen mit.
Früher wurden auch in Südeuropa Sportartikel gefertigt. Wird dort aufgrund der Euro-Krise bald wieder
eine relevante Sportwarenindustrie entstehen?
HH: Das ist alles andere als ausgeschlossen. Wir bringen
aktuell immer mehr Fertigung zurück nach Südosteuropa, insbesondere in die Türkei. 2012 ist die Türkei zu
unserem drittgrößten Beschaffungsland für Textilien
aufgestiegen. Dort lassen wir pro Jahr über 30 Millionen
Textilteile produzieren. Der Vorteil: Von der Türkei aus
können wir die Produkte innerhalb von 48 Stunden zum
Kunden bringen, und diese Geschwindigkeit wird in unserem Geschäft immer wichtiger.
Bei der Entwicklung neuer Schuhe und Textilien spielen elektronische Komponenten eine wachsende Rolle.
Was ist auf diesem Gebiet in den kommenden Jahren
von Adidas zu erwarten?
HH: Viel. Schon heute können Sie mit dem Adidas-MiCoach-System interaktiv trainieren, etwa, wenn Sie sich
auf einen Marathon vorbereiten. Mittlerweile wird das
System auch von Profi-Klubs im Fußball genutzt, um
das Training besser zu steuern. Die technische Entwicklung wird hier rasant weitergehen, Sport und Technologie werden noch weiter verschmelzen, keine Frage!
Sport, Technologie, Mode – das macht auch Ihr Erzkonkurrent Nike. Wie wollen Sie die Amerikaner als
Nummer eins der Sportartikler ablösen?
HH: Soll ich Ihnen etwas sagen? Es ist gar nicht mein
primäres Ziel, Nike als Nummer eins auf dem Sportartikelmarkt abzulösen. Wir liegen ja schon heute in vielen
Märkten vor Nike, insbesondere in Europa, aber auch in
vielen asiatischen und lateinamerikanischen Märkten.
Der Abstand von Nike zu uns kommt nur aus Nordamerika. Mein Ziel ist es, dafür zu sorgen, dass die AdidasGruppe weiterhin nachhaltig und profitabel wächst.
Größe allein ist nicht alles. Wenn dem so wäre, wären
die Ameisen tot, und die Dinosaurier würden immer
noch auf der Erde rumtrampeln.
<
42_43 THINK : ACT // LEADERSHIP
In die Karten
geschaut
Führung durch Symbole: Die Visitenkarte
ist Prestigeobjekt und transportiert manchmal
sogar die Persönlichkeit ihres Trägers. Eine
kleine Typologie, wie Top-Entscheider
Eindruck machen.
DER MINIMALIST
DER SELBSTBEWUSSTE
DER SELBERMACHER
Der angebissene Apfel hat es nicht aufs
Logo geschafft. Und noch firmiert er
unter „Steven“. Was aber bereits 1979
ersichtlich wird: Apple-Gründer STEVE
JOBS geht den schlichten Weg. Die Karte
passt damit durchaus zum schnörkellosen Design von Produkten wie iPod,
iPhone oder iPad, die den Konzern mehr
als zwei Jahrzehnte später an die Weltspitze führen werden.
Ein Genie in Badelatschen, ohne Chancen bei seinen Harvard-Kommilitoninnen – so wird MARK ZUCKERBERG im
Film „The Social Network“ porträtiert.
Sein plötzlicher Erfolg mit Facebook bietet ihm die Chance, es all jenen heimzuzahlen, die ihn schon immer unterschätzt
haben. Denn wer mit 28 Jahren rund 30
Milliarden Dollar verdient hat, darf sich
durchaus selbstbewusst geben.
Der Erfinder von Mickey Mouse muss
sich zu Beginn seiner Karriere nicht um
Corporate Identity scheren. Stattdessen
überzeugt WALT DISNEY auf seiner Visitenkarte mit dem, was er kann: zeichnen. Diese Strategie ist niedlich und
sympathisch, zur Nachahmung aber nur
bedingt empfehlenswert. Es sei denn, in
dem einen oder anderen CEO schlummert ein echtes Zeichentalent.
Insignien der Macht: Auch
prominente Führungskrä#e
setzen auf Visitenkarten – mal
schlicht, mal knallbunt.
DER KANTIGE
DER EXTRAVAGANTE
DER GRELLE
Der Mann mit der markanten Haartolle
ist stets vor Ort, wenn es in der feinen
Gesellschaft Manhattans etwas zu feiern gibt. Kaum eine Promi-Party, auf der
sich der Tycoon nicht blicken lässt. Der
omnipräsente Erfolgsmensch, der Beton
zu Gold macht: Dieses Selbstverständnis
zeigt sich auch auf DONALD TRUMPS Visitenkarte, die seine kantige Unterschrift
in den Mittelpunkt rückt.
Mitte der 1990er-Jahre gilt Yahoo als unangefochtene Internet-Macht. Vielleicht
entscheidet sich Gründer JERRY YANG
genau deshalb zu gleich zwei Extravaganzen für seine Visitenkarte: zum einen
das ungewohnte Hochkant-Format, zum
anderen ein geradezu enthusiastisches
Logo-Design, das die Goldgräber-Stimmung im kalifornischen Silicon Valley
widerspiegelt.
BILL GATES greift Ende der 1970er-Jahre
ganz tief in den Zeitgeist-Fundus und
nimmt dabei wenig Rücksicht auf ästhetische Befindlichkeiten. Vielleicht ist das
Design-Desaster auch damit zu erklären,
dass der Microsoft-Gründer zu Beginn
noch im US-Nest Albuquerque residiert.
Seine Visitenkarte zeigt: Computer-Nerds
genießen Narrenfreiheit, zumindest in
ihren Anfangstagen.
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44_45 THINK : ACT // LEADERSHIP
Ein volles Schiff ist für viele Reeder das oberste Ziel. Hapag-Lloyd-CEO Michael Behrendt, hier im
Foyer der Hamburger Konzernzentrale, hält das für ein „Musterbeispiel an Irrationalität“.
»Auf einem Schiff hat der
Kapitän immer Recht«
Führung durch Werte:  , Chef der
Linienreederei Hapag-Lloyd, über eine verrückte Branche,
Demut und notwendige Härte.
THINK:ACT: Herr Behrendt, im Durchschnitt beträgt
die Amtszeit eines deutschen CEOs rund sechs Jahre,
in den USA sind es acht. Sie aber stehen bereits seit
11 Jahren an der Spitze – und das, obwohl es in dieser Zeit sowohl in der Schifffahrt als auch bei HapagLloyd ziemlich turbulent zuging. Warum sind Sie noch
immer im Amt?
MICHAEL BEHRENDT: Eigentlich müssten Sie das den
Aufsichtsrat fragen. Der hat es ja so lange mit mir ausgehalten! (lacht) Mein erster Vorgesetzter hat mal gesagt:
Jeder Chef hat einen Chef. In meinem Fall sind das die
Gesellschafter und der Aufsichtsrat. Und letztlich entscheidet der, ob ich bleibe oder nicht.
Das klingt fast so, als sei der CEO ein gewöhnlicher
Angestellter?
M B: Man macht als CEO schon einen sehr herausgehobenen Job. Aber man lebt auch in einer Umwelt, die es einem gerne recht machen möchte. Und man wird durch
viele kleine Privilegien auf eine gewisse Art verwöhnt,
wobei mir das amerikanische Wort „spoiled“ in diesem
Zusammenhang besser gefällt. Es ist wichtig, dass man
dadurch nicht abhebt, sich klar macht, dass man immer
nur für eine begrenzte Zeit von einigen Jahren bestellt
ist. Man darf die Demut nie verlieren.
Diesen Satz würden wahrscheinlich die meisten CEOs
unterschreiben. Wie aber schafft man es im Alltag, die
Demut nicht zu verlieren?
M B: Man braucht Korrektive – und muss bereit sein,
diese auch zu nutzen. Die Schifffahrt ist ja eine sehr hierarchische Branche. Auf einem Schiff hat der Kapitän
immer Recht. Diese Haltung darf sich nicht im Unternehmen fortsetzen. Unreflektierte Obrigkeitshörigkeit
ist gefährlich. Nach dem Motto: Eigentlich bin ich zwar
anderer Meinung, aber ich sage es lieber nicht. Das ist
für mich als CEO nicht gut. Man braucht Menschen, mit
denen man gleichberechtigt ins Gespräch kommt und
Michael Behrendt ist seit 2002 Vorstandsvorsitzender von
Hapag-Lloyd. Der Sohn eines Spediteurs ist Jurist und gilt als
Netzwerker mit guten Kontakten in Wirtscha" und Politik.
Um die Wirtscha"skrise in den Griff zu bekommen, sah Behrendt
sich 2009 zu einem Stellenabbau gezwungen. Er verlief ohne
größere Proteste der Mitarbeiter, was auch auf den offenen und
kollegialen Führungsstil von Behrendt zurückgeführt wird.
die einem auch mal sagen, wenn sie etwas für falsch halten. Das muss nicht unbedingt auf Vorstandsebene sein.
Bei mir zum Beispiel sind es Personen auf ganz unterschiedlichen Hierarchiestufen. Deren ehrliche Meinung
ist mir sehr wichtig. Wobei natürlich auch klar ist, dass
ich es bin, der die Entscheidung am Ende des Tages treffen muss.
Das ist ein schmaler Grat: Menschen zu ermutigen, Ihnen offen ihre Meinung zu sagen, sie dann aber möglicherweise mit harten Entscheidungen zu verprellen.
Ist Ihnen das immer leicht gefallen?
MB: Nein. Wenn man Führung übernimmt, muss man
lernen, dass man auch Entscheidungen zu treffen hat,
die unpopulär sind. Gerade, wenn es um Personalentscheidungen geht und man jemandem sagen muss, dass
er seinen Job verliert, ist das beim ersten Mal sehr hart.
Womit ich nicht sagen will, dass es später leicht ist. Aber
es gehört eben zu meinem Job, dass ich auch eine gewisse Härte an den Tag legen kann.
Harte Entscheidungen stehen vor allem in schwierigen Zeiten an. Damit wären wir wieder bei der Schifffahrt. Obwohl kaum eine Branche so stark von der
Globalisierung profitiert hat, geht es vielen Reedereien heute schlecht.
MB: Auch das hat mit Führung zu tun. Die Schifffahrt ist
eine verrückte Branche, ein Musterbeispiel für Irrationalität. Manchmal hat man den Eindruck, dass der normale Zweck eines Wirtschaftsunternehmens, nämlich
Gewinn zu erzielen, sich hier noch nicht völlig durchgesetzt hat. Ich glaube, das liegt daran, dass viele Entscheidungen bei dieser sehr traditionellen Inhaberstruktur zu
emotional und nicht immer, wie notwendig, rational getroffen werden. In jeder anderen Transportbranche kalkuliert man sein Equipment mit einer „Utilisation Rate“
von 80 Prozent. In der Schifffahrt denken aber offensichtlich viele, es müssten immer 100 Prozent oder sogar
103 Prozent sein. Ein volles Schiff bedeutet für viele Player, dass der letzte Sack Kaffee nur noch in der Kammer
vom Kapitän untergebracht werden kann. Würde sich
die Schifffahrt wie andere Transportbranchen verhalten,
hätten wir das Thema Überkapazitäten längst gelöst und
ein vernünftiges Ratenniveau. Hapag-Lloyd gehört in
puncto Profitabilität zu den Top fünf der Branche. Und
das, obwohl wir so gerade eben ein schwarzes operatives
Ergebnis haben. Das ist völlig unzufriedenstellend. Aber >
46_47 THINK : ACT // LEADERSHIP
es gelingt der Branche eben nicht, einen intelligenten
HAPAG&LLOYD
Umgang mit den vorhanden Überkapazitäten zu finden.
ist eine der größten Linienreedereien der Welt. Sie
In der Ökonomie würde man von einem „Gefangenengehört zu 78 Prozent einem Konsortium aus der Stadt
dilemma“ sprechen: Für die Branche wäre es besser,
Hamburg, dem Unternehmer Klaus Michael Kühne und
alle würden ihre Schiffe weniger voll machen und höverschiedenen Privatunternehmen. Bis 2008 gehörte
Hapag-Lloyd zum Touristikkonzern TUI, der heute noch
here Raten verlangen. Aus Sicht des einzelnen Unter22 Prozent der Anteile hält.
nehmens macht es aber Sinn, mit den Raten runterzugehen, um die Konkurrenten zu unterbieten …
MB: Nein, das macht eben keinen Sinn mehr, wenn Sie
mit Raten fahren, die Ihnen ein völlig unzureichendes
schlechte Zeiten flexibel, indem ich Tonnage eincharteErgebnis bescheren. Das Absurde ist ja: Die Schifffahrt
hat eigentlich eine ganz starke Position. Alles, was trans- re, die ich dann zurückgeben kann, falls die Nachfrage
portiert wird, muss transportiert werden. Ob der Trans- sinkt?
port nun 1000 Dollar kostet oder 2500 Dollar. Es wird
Haben Sie in den vergangenen fünf Jahren eigentlich
noch das Gefühl gehabt, als CEO selbst Veränderunkein Container mehr transportiert, nur weil es gerade
gen anzustoßen? Oder mussten Sie vor allem auf Verso günstig ist. Umso wichtiger ist es, zu vernünftigen
Raten zu kommen. Sogar unsere Kunden sagen das teil- änderungen reagieren?
weise hinter vorgehaltener Hand. Trotzdem gelingt es
M B: Wir haben früh erkannt, dass die guten alten Zeiten
zurzeit nur sehr mühsam, höhere Raten durchzusetzen. – und damit meine ich die ersten sieben bis acht Jahre
dieses Jahrtausends – vorbei sind. Auch dank einer wirkZu welchem Preis fahren denn Ihre Schiffe?
MB: Wir sind immer im oberen Bereich der Rate. Und
lich exzellenten Kooperation mit Roland Berger Strategy
wenn wir mit einem Transport kein Geld verdienen, Consultants ist es uns gelungen, 2009 in der Krise ein
dann machen wir ihn nicht. Aber auch wir können uns
Einsparprogramm von 1,2 Mrd. US-Dollar pro Jahr umdem Markt natürlich nicht entziehen. Unsere Kunden
zusetzen. Wir waren der Branche damit einen Schritt
voraus. Das hat uns geholfen, das Steuer in der Hand zu
sind bereit, uns für unseren besonderen Service etwas
behalten. Wenn man nur noch reagiert, ist man verloren.
besser zu bezahlen. Aber nur bis zu einem gewissen
Grad. Würden wir immer 20 Prozent mehr als die Bran- Sie hatten es nicht nur mit großen Umwälzungen in
der Schifffahrt, sondern auch mit einem Eigentümerche verlangen, könnten wir in aller Schönheit sterben.
Sind auch die Überkapazitäten selbst ein Ergebnis ir- wechsel zu tun. Die TUI hat ihre Anteile drastisch reduziert, heute ist der größte Aktionär ein Konsortium,
rationalen Verhaltens?
das vor allem aus der Stadt Hamburg und dem Unternehmer Klaus Michael Kühne besteht. Hat das Ihre
Arbeit verändert? Mussten Sie sich anpassen?
M B: Natürlich muss ich auf unterschiedliche Situationen eingehen. Aber das Wort „anpassen“ gefällt mir
nicht. Ich habe meine Grundlinie als CEO nicht verändert. Dass der größte Aktionär die Stadt Hamburg ist,
macht für mich keinen Unterschied. Der Umgang ist
professionell – so wie mit anderen Aktionären auch. Gewöhnungsbedürftig sind eher Begleiteffekte. Etwa das
MB: Das würde ich weniger sagen. Natürlich wurden
rückblickend zu viele Schiffe bestellt, die jetzt noch im- große Interesse der Politik und der Medien, das uns als
mer auf den Markt kommen. Aber es konnte auch kei- Unternehmen durch die städtische Beteiligung entgegengebracht wird.
ner vorhersehen, dass der Markt durch die Finanz- und
Was glauben Sie: Wie lange wird die Branche noch mit
Weltwirtschaftskrise so einbrechen würde. Bis 2008
Überkapazitäten zu kämpfen haben?
hatten wir jedes Jahr 10 bis 12 Prozent Zuwachs. Auch
M B: Ich bin guter Dinge für die Zukunft. Dieses Jahr
damals gab es immer schon die Diskussion, ob zu viel
kommen noch einige Schiffe auf den Markt, im nächsTonnage bestellt würde. Es hat sich dann aber immer
relativ schnell herausgestellt, dass es keine Überkapazi- ten und übernächsten Jahr aber nur noch ganz wenige,
täten gab. Erst mit dem Zusammenbruch von Lehman
weil die Schiffsbestellungen quasi versiegt sind. GleichBrothers gab es plötzlich eine ganz andere, unvorherseh- zeitig werden einige Schiffe verschrottet, so dass Tonbare Situation. Von daher würde ich sagen: Es war viel- nage aus dem Markt genommen wird und das Angebot
leicht unternehmerisch mutig von den Reedern, so viele
insgesamt sinkt. 2014, spätestens 2015 sollten Angebot
und Nachfrage wieder ausgeglichen sein.
Schiffe zu bestellen. Fahrlässig aber war es nicht.
Ausgerechnet 2014, wenn voraussichtlich die besseLinienreedereien fahren sowohl mit eigenen als auch
mit gecharterten Schiffen. Ende 2012 hatte Hapag- ren Zeiten beginnen, werden Sie als CEO abtreten und
Lloyd insgesamt 144 Schiffe, davon 59 eigene. Gibt
ein Jahr später in den Aufsichtsrat wechseln. Welche
es eine optimale Quote?
ÜberschriD könnte Ihre Amtszeit tragen?
MB: Wir sagen: rund 50 Prozent. Wobei natürlich die
M B: Ich denke, die müssen andere formulieren.
<
Kapazität entscheidend ist, nicht die Anzahl der Schiffe.
! MEHR ZUM THEMA: Das Video-Interview mit
Die grundsätzliche Frage lautet: Wieviel Kapazität kann
ich immer selber auslasten? Und inwieweit bleibe ich für Michael Behrendt unter rbsc.eu/242adnk
»Wir waren der Branche einen
Schritt voraus. Wenn man nur noch
reagiert, ist man verloren.«
Zu viele Schiffe drücken die Preise. Und noch kommen immer neue auf den Markt. So wie
der 2012 in Dienst gestellte „Hamburg Express“ (oben), der mit 366 Metern Länge das Flaggschiff von Hapag-Llyod ist. Unten: Die Brücke des 2008 gebauten „Kuala Lumpur Express“.
48_49 THINK : ACT // LEADERSHIP
Können Unternehmer
ein Privatleben haben?
Führungskrä#etrainer und
Effizienzexperten engagieren sich
für die Vereinbarkeit von Familie
und Beruf. Doch viel beschä#igte
Unternehmer finden dieses Ziel o#
unrealistisch. Lassen sich Firma und
Liebesleben vereinbaren?
Viel zu tun hatten
schon die griechischen
Götter. Während Atlas
dennoch Zeit für
mehrere Gattinnen
fand, ging Athene
nie eine Liebesbeziehung ein.
Ν
ach etwa zehn Jahren Beziehung mit ihrem
Mann Brad Feld hatte Amy Batchelor genug.
Sie war genervt von seinen 18-StundenArbeitstagen, und selbst wenn sie zusammen
waren, war er oft durch Telefonate und noch
mehr Arbeit abgelenkt. „Du bist nicht mal
mehr ein guter Mitbewohner“, sagte sie zu Feld, der in
Software- und Internet-Firmen investiert, während eines
Wochenendtrips nach Rhode Island im Jahr 2000.
„Nach zehn gemeinsamen Jahren liebten wir uns
immer noch sehr“, sagte Feld neulich in einem
Interview. „Es kam nicht zu dieser typischen finalen Wutexplosion; vielmehr waren wir erschöpft
und unzufrieden.“Feld wollte die Beziehung retten und schlug vor, ein paar Beziehungsregeln
aufzustellen (einige finden Sie im Kasten am
Ende des Artikels), um den Vorstellungen seiner
Frau besser gerecht zu werden. Batchelor war
von der Idee zunächst nicht begeistert. Wie romantisch ist es schon, wenn sich ein Mann mit
Gedächtnisstützen daran erinnern muss, seiner
Frau Liebeszettel zu schreiben?! Und die Idee
mit dem Kurzzeitwecker für die morgendlichen
vier gemeinsamen Minuten würde es nie in eine
romantische Hollywood-Komödie schaffen.
Aber die Tatsache, dass er seine Ehe retten und
seine Frau in den Mittelpunkt rücken wollte? „Am Ende
erwies sich das als unglaublich romantisch“, gibt Feld zu.
Feld und Batchelor haben vor kurzem ein Buch geschrieben, Startup Life: Surviving and Thriving in a Relationship with
an Entrepreneur. Es dokumentiert ihre Beziehung und wie
sie es schaffen, diese zu stärken, obwohl Ex-Unternehmer
Feld nun auch als Risikokapitalgeber immer noch wahnsinnig viel arbeitet.
CEOs und v. a. Existenzgründern fehlt oft der Ausgleich.
In Wirtschaftsmagazinen liest man Geschichten von dem
unglaublichen Engagement, das man braucht, um ein
erfolgreiches Unternehmen aufzubauen. Aaron Levie, CEO
der Firma Box, die Online-Speicher für Unternehmen bereitstellt, erzählte Inc. vor kurzem, er habe zwei Arbeitstage:
einen, der um 11 Uhr mit zwei Tassen Kaffee beginnt, und
einen, bei dem er nach einem 25-minütigen Kurzschlaf
um 20 Uhr noch bis etwa 2 Uhr morgens im Büro bleibt. In
sieben Jahren hat er keinen einzigen Urlaubstag genommen.
Carter Reum, der mit seinem Bruder Courtney den
Spirituosenhersteller VeeV gründete, brach jüngst seinen
Familienurlaub in Botswana ab, um nach 45 Flugstunden
an einem Last-Minute-Meeting mit der Einzelhandelskette
Target teilzunehmen, in der Hoffnung, dass sie seine Alkoholmarke in ihr Sortiment aufnimmt. Obwohl er im Urlaub –
in einem Gästehaus im Busch ohne Internet-Zugang – hätte
abschalten und sich entspannen sollen, hatte er das Meeting in Erfahrung gebracht.
„Ich erklärte den Betreibern des Gästehauses immer wieder, dass ich mich mit Internet wohler fühle, weil ich es hasse, den Überblick über meine Arbeit zu verlieren“, sagte er in
einem Interview. „Mein Bruder und ich gingen jeden Mittag
ans andere Flussufer, damit unsere BlackBerry-Smartphones das Handynetz von Namibia empfangen konnten.“
Für Feld ist es unrealistisch zu erwarten, dass Existenzgründer wie Reum eine traditionelle Work-Life-Balance
erreichen. Eine Firma aufzubauen und zu führen bedeutet,
dass das Leben im Fluss ist – und das passt nicht in einen
8-Stunden-Arbeitstag.
„Es wird keinen völligen Ausgleich geben, denn für den
Existenzgründer sind Leben und Arbeit eng verwoben“, so
Feld. „Doch in einer Beziehung muss man in ruhigen und in
stressigen Zeiten kommunizieren. Wir haben den Titel unseres Buches bewusst gewählt. Es geht darum, dass man in
einer Beziehung mit einem Existenzgründer überleben und
glücklich sein kann, aber das heißt nicht, dass man diesen
natürlichen Ausgleich erreicht.“
Meg Cadoux Hirshberg geht noch weiter: Sie glaubt,
dass Existenzgründer zum Scheitern verurteilt sind, wenn
sie diesen Ausgleich anstreben. Sie selbst ist mit dem CEO
von Stonyfield Farm, Gary Hirshberg, verheiratet. Heute
macht die Firma einen Jahresumsatz von 370 Millionen USD
und ist der weltweit größte Hersteller von Bio-Joghurt. Doch
anfangs war ihre finanzielle Situation „düster“. Stonyfield
schaffte es erst nach neun Jahren aus den roten Zahlen.
Das geringste Übel
„Wir gründeten eine Familie, und ich konnte die schlechten
Nachrichten nicht mehr ertragen“, sagt Hirshberg. „Er musste diese Last allein tragen. Er konnte sie mit der Person, die
ihm am nächsten stand, nicht besprechen. Ich konnte das
Thema Finanzen nicht mehr hören. Das war das geringste
Übel und funktionierte ein paar Jahre.“
Hirshberg schrieb vor kurzem For Better or for Work:
A Survival Guide for Entrepreneurs and their Families. Das Buch
vermittelt Ehepartnern und Kindern, was der CEO eines
wachsenden Unternehmens durchmacht, erinnert die Geschäftsleute aber auch an die Probleme, die das für ihre Familie mit sich bringt.
„Ehepartner und Kinder fühlen sich vernachlässigt.
Das sorgt für viele Probleme und zerstört Familien“, sagt
Hirshberg. „Unternehmer gründen eine Firma im vollen
Bewusstsein der finanziellen Risiken, aber sie unterschätzen das persönliche Risiko, was ihre Familie, Freunde
und ihr Sozialleben betrifft.“
UNSERE AUTORIN GINA PACE ist Kolumnistin
und Multimedia Editor bei der New York Daily News,
der viertgrößten Zeitung der USA, und vereinbart
Familie und Beruf auf ihre Art. Wenn sie nicht gerade
die aktuellen Lifestyle-, Immobilien- und Food-Trends
recherchiert, genießt sie die neuesten Cocktails des
Big Apple. Natürlich nur, um darüber zu schreiben.
Es gibt Zeiten, da braucht eine Firma die volle Aufmerksamkeit des CEO – und laut Hirshberg sollte er sich dann
auch nicht schuldig fühlen. Problematisch wird es erst,
wenn sich das Jahr für Jahr nicht ändert.
Wie baut man also eine Beziehung – oder Familie – mit
einem CEO auf, der wahrscheinlich nie um 18 Uhr am
Abendbrottisch sitzen wird?
Laut Hirshberg ist der erste Schritt, sich die Situation
bewusst zu machen. Außerdem kommt es darauf an, die
kurzen Momente zu nutzen. So wie Feld die „vier Minuten am Morgen“ nutzt, geht Hirshberg jeden Tag mit ihrem
Mann 15 Minuten spazieren. Und wenn sie Zeit miteinander
verbringen, müssen sie dabei ganz präsent sein. Vielen Paaren helfen Regeln wie die von Feld und Batchelor, wie der
Urlaub ohne geschäftliche Anrufe und Mails, einen Rahmen
für ihre Beziehung zu schaffen.
Hirshberg betont, dass die Ehepartner nicht
immer im Mittelpunkt stehen müssen, solange sie
wissen, wie wichtig sie sind, durch regelmäßige kleine
Geschenke, Umarmungen und gemeinsame Momente.
„Ungestörte Zeit mit dem Partner sendet die
unausgesprochene Botschaft ‚Du bist mir wichtig‘“, sagt sie. „Und auf
diese unausgesprochene
Botschaft kommt es an.“
Vielen hochrangigen Geschäftsmännern
fällt es vielleicht schwer, das zu verstehen.
Elon Musk, u. a. Gründer von SpaceX und Mitbegründer von Tesla und PayPal, sagte der
Bloomberg BusinessWeek neulich, er habe
zwar das Gefühl, er finde genug Zeit für seine Firmen und seine fünf Kinder, wisse aber
nach zwei Scheidungen nicht, wie viel Zeit er
für das Dating aufwenden sollte. „Ich möchte eine Freundin finden“, sagte Musk. „Wie
viel Zeit braucht eine Frau pro Woche?
Zehn Stunden vielleicht?“ <
REGELN FÜR DIE LIEBE:
Brad Feld und Amy Batchelor bieten
Strategien für viel beschä"igte Paare,
denen es am Herzen liegt, dass sich der
Partner trotzdem wichtig fühlt, z. B.:
jeden Tag etwas von unterwegs –
entweder eine Karte oder Blumen.
Vier Minuten am Morgen. Konzentrieren Sie sich jeden Morgen eine Weile
ausschließlich auf Ihren Partner – ohne
Nehmen Sie die Anrufe Ihres Partners
immer entgegen. Wenn Batchelor anru", Ablenkungen. Bis es Ihnen in Fleisch und
Blut übergegangen ist, stellen Sie einen
geht Feld immer ran, egal, mit wem er
Kurzzeitwecker.
gerade zusammen ist – selbst, wenn
er eine Rede vor 500 Leuten hält. Dafür Planen Sie „Life-Dinner“. Feld und
hält Batchelor dann das Gespräch kurz.
Batchelor besprechen dabei einmal im
Bleiben Sie in Kontakt, wenn Sie allein
auf Reisen sind. Feld schickt Batchelor
wissen, dass es für tiefere Gespräche
eine feste Zeit und einen festen Ort
gibt, erleichtert es in stressigen Zeiten,
schwierige Gespräche zu vertagen.
Stellen Sie Regeln zur Computernutzung
auf. Einigen Sie sich darauf, wie Sie Ihre
gemeinsame Zeit gestalten – ohne elektronische Geräte. Für Feld und Batchelor
ist es okay, wenn er beim gemeinsamen
Fernsehabend den Computer nutzt, aber
Monat schwierige oder wichtige Themen, nicht, während sie das Abendbrot
z. B. wie sie beide ihre Ehe sehen. Zu
zubereitet und sich unterhalten will.
50_51 THINK : ACT // LEADERSHIP
Cleared for Take-off
Führung in Krisensituationen: Piloten müssen auch in brenzligen Momenten
sofort die richtigen Entscheidungen treffen. Dabei greifen sie auf Routinen zurück,
die auch im Gechä#sleben helfen können, das Risiko zu beherrschen.
A
ls der Lufthansa Airbus 320 mit der Kennung Zwei Tango Charly auf die Startbahn
West des Frankfurter Flughafens rollt, sieht
alles danach aus, als würde es ein ganz normaler Flug werden. Im Cockpit gibt der
Kapitän die letzten Anweisungen. Der Tower meldet sich: „Cleared for take-off.“ Bahn 1-8, wie die
Startbahn West offiziell heißt, ist zum Start freigegeben.
Noch am Gate haben sich beide Piloten über einen
Wert ausgetauscht, der von Flug zu Flug neu berechnet
wird: Die Entscheidungsgeschwindigkeit, bis zu der sie
den Start noch abbrechen können. Ist das Flugzeug bereits schneller, müssen sie abheben, so oder so. Die Bahn
wäre zu kurz für eine Vollbremsung.
Die Anspannung steigt. Zwei Tango Charly rast mit
130 Knoten über die Startbahn, fünf Knoten unter der
Entscheidungsgeschwindigkeit. Plötzlich ein dumpfer
Schlag. Ausfall des rechten Triebwerks. Der Kapitän
brüllt „Stop“, reißt die Regler nach hinten. Schubumkehr.
Zugleich löst er eine Vollbremsung aus. Kurz vor Ende
der Startbahn kommt das Flugzeug zum Stehen.
„Danke, das reicht, habt ihr gut gemacht.“ Lars Kaulen, Pilotentrainer bei der Lufthansa, ist zufrieden. Die
beiden Kollegen, die im Airbus-Simulator eine virtuelle
Katastrophe verhindert haben, haben alles richtig gemacht. Sie haben in wenigen Augenblicken die richtige
Entscheidung getroffen und ausgeführt. Bei solchen
30
Mit 21,5 tödlichen
Unfällen pro eine
Million Stunden sind
Kleinflugzeuge über 30mal gefährlicher als
Autofahren. Linienflüge
sind dagegen sicher.
Man müsste 14.000
Jahre fliegen, um rechnerisch einen einzigen
Unfall zu erleben.
10,6
7,6
Die meisten der fliegenden CEOs aus
der Studie von Matthew Cain und
Stephen McKeon arbeiten in den
Branchen „Business Services“ (10,6
Prozent) sowie „Electronic Equipment“ (7,6 Prozent).
Trainings geht es um Sicherheit, klar, aber vor allem geht
es darum, dass die Piloten Konzepte verinnerlichen, mit
denen sie auf Außergewöhnliches strukturiert reagieren
können. „Für Bauchentscheidungen ist im Cockpit kein
Platz“, sagt Kaulen.
Auch CEOs müssen unter hohem Zeitdruck weitreichende Entscheidungen treffen. Genau wie Piloten
tragen sie eine hohe Verantwortung, auch wenn es in
der Geschäftswelt um das Überleben von Unternehmen
geht, nicht von Menschen. Können sie also etwas von
Piloten lernen? Sind CEOs, die einen Pilotenschein besitzen, vielleicht sogar die besseren Unternehmenslenker?
Wenn Piloten entscheiden, folgen sie dabei überall
auf der Welt einer Routine, die als FOR-DEC-Methode
bekannt ist (siehe Kasten rechts). „FOR-DEC ist die
Grundlage sämtlicher Entscheidungen im Cockpit“, sagt
Lufthansa-Ausbilder Kaulen, egal ob es etwa darum geht,
einem Gewitter auszuweichen oder eine von mehreren
Landebahnen auszuwählen.
Strukturiert auf Außergewöhnliches reagieren
Fakten sammeln, Optionen abwägen und Kosten-Nutzen kalkulieren. Auf dieser Basis dann eine Entscheidung treffen, diese umsetzen und die Wirkung kontrollieren – was so einleuchtend erscheint, funktioniert in
stressigen Situationen erst durch jahrelanges Training.
Weil Piloten sich dann, wenn es darauf ankommt, instinktiv an Routinen halten, die sie immer wieder geübt
haben. Die Lösung für ein Problem finden Piloten also,
indem sie einem Muster folgen, das auch unvorhergesehene Ereignisse beherrschbar macht, nicht weil sie spontan aus der Gesamtfülle aller Möglichkeiten die einzig
richtige auswählen. „Es geht darum, sich Konzepte zurechtzulegen, mit denen man strukturiert auf Außergewöhnliches reagieren kann“, sagt Kaulen.
Den genialen Bauchentscheider, der im Alleingang
Abstürze verhindert, wie ihn Hollywood immer wieder
gerne in Szene setzt, wird man in echten Cockpits vergeblich suchen. Die Routinen sind bewusst so angelegt,
dass sie nicht von der Person abhängig sind. Mehr noch:
„Die Crews werden absichtlich immer wieder gemischt“,
erläutert Kaulen. Das diene dem Zweck, die eingeübten
Muster nicht aufgrund von persönlicher Nähe schleifen
zu lassen. „Jeder kann mit jedem fliegen, auch wenn
man den anderen noch nie gesehen hat.“
Piloten lernen, instinktiv und zugleich geordnet
auf unerwartete Situationen zu reagieren, indem sie
Routinen verinnerlichen. Eine Methode, die auch in der
Wirtschaft helfen kann, Risiken zu managen. Vielleicht
nehmen deshalb eine Reihe erfolgreicher CEOs selbst im
Cockpit Platz. Oder sind sie erfolgreich, weil sie fliegen?
Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz ist genauso Pilot wie
Ex-Google-Boss Eric Schmitt, Virgin-Gründer Richard
Branson oder Oracle-Chef Larry Ellison.
Sogar die Wissenschaft hat sich mit den fliegenden
CEOs beschäftigt. Matthew Cain, Professor am Mendoza College of Business der University of Notre Dame,
und Stephen McKeon, Professor am Lundquist College
of Business der University of Oregon, haben die Leistungen von 179 CEOs mit Pilotenschein mit denen von 2.931
CEOs ohne Pilotenschein verglichen.
Mit ihrer Studie wollten sie herausfinden, ob CEOs,
die als Piloten in ihrem Privatleben Risiken eingehen
und handhaben, auch im Geschäft höhere Risiken eingehen und dieser besser managen. Dass Piloten besonders
risikofreudig sein sollen, mag zunächst erstaunen, doch
Cain und McKeon wiesen anhand von Versicherungsdaten nach, dass vor allem Piloten von Kleinflugzeugen,
wie es die meisten ihrer Piloten-CEOs sind, ein besonders riskantes Hobby gewählt haben.
Lebensversicherer setzen die Sterbewahrscheinlichkeit für sie um über
F
O
100 Prozent höher an.
Um zu bestimmen, wie sich die
Risikobereitschaft der fliegenden
CEOs in ihrer Geschäftspolitik niederschlägt, betrachteten Cain und
McKeon die Unternehmen genauer.
Zunächst die Kapitalstruktur: Firmen
von Piloten-CEOs hatten im Schnitt
14 Prozent mehr Fremdkapital in den
Büchern als solche, deren Chefs hinten im Flugzeug
Platz nehmen. „Sie sind also sehr aggressiv beim Finanzieren von Entscheidungen“, sagt Cain.
Dann die Expansionspolitik: Cain zufolge betrieben
Piloten-CEOs in der Vergangenheit mit „sehr viel höherer Wahrscheinlichkeit“ Fusionen und Übernahmen.
Das schlug sich auch im Aktienkurs nieder: Dieser war
sehr viel volatiler als bei Firmen ohne Pilot am Steuer.
Das sei aber im Sinne der Aktionäre, so Cain. „Die Art
der Übernahmen, die diese CEOs betreiben, ist eher von
höherer Qualität als diejenigen von anderen CEOs. Sie
schaffen Mehrwert für ihre Firmen.“
Den spektakulärsten Beleg für diese These liefert
wohl Larry Ellison, der Oracle-CEO. Der Sohn eines
U.S.-Air-Force-Piloten fliegt seine Privatjets gerne selbst.
Nicht selten dürfte er dabei auf dem Weg zu einer Firmenübernahme gewesen sein. Im vergangenen Jahrzehnt hat Oracle rund 90 Unternehmen übernommen.
Ein Coup sticht besonders heraus: Der 7,4-Mrd.-DollarKauf von Sun Microsystems aus dem Jahr 2009, den Ellison als „die strategischste und profitabelste Übernahme“
bezeichnet, die Oracle je getätigt hat.
Woher er seinen Antrieb nimmt, beschrieb der leidenschaftliche Pilot so: „Wir alle sind interessiert daran,
was wir im Leben erreichen können, und wir alle wollen
unsere Grenzen testen. Vielleicht finden wir es beim
Sport, vielleicht finden wir es im Geschäft.“ Vielleicht, so
müsste man wohl ergänzen, finden erfolgreiche CEOs es
auch im Cockpit.
<
Bei 100 Knoten
(185,2 km/h) auf der Startbahn ru" der Co-Pilot laut
„Hundred!“. Dieser „Incapacitation Call“ soll sicherstellen,
dass beide Piloten bei vollem
Bewusstsein sind.
100
100
!
10 0
%
ON
R
–
–
D
E
C
OFF
Hobbypiloten, die
Kleinflugzeuge fliegen,
haben laut Studie einer
Versicherung eine über
100 Prozent höhere
Wahrscheinlichkeit, zu
verunglücken.
DIE FOR&DEC&METHODE
Facts Was genau ist das Problem?
Wie kann man die Situation analysieren?
Welche Fakten stehen zur Verfügung?
Options Welche Möglichkeiten zur Lösung gibt es?
Wie sehen Alternativen aus?
Risks / Benefits Vor- und Nachteile abwägen:
Welche Lösung kommt dem Ziel am nächsten?
Was sind die Risiken, was die Erfolgsaussichten
der verschiedenen Optionen?
Decision Entscheidung treffen,
die Absichten kommunizieren
Execute Entscheidung ausführen, den Ablauf
organisieren. Wer macht was, wann und wie?
Check Läu" alles wie geplant?
Entscheidung überprüfen, bei neuen
Entwicklungen von vorne beginnen
Eine Firma, die
von einem PilotenCEO geführt wird,
hat im Durchschnitt
14% mehr Fremdkapital als andere.
14 %
52_53 THINK : ACT // LEADERSHIP
Über gute Führung
Die Suche nach dem rechten Weg: Führung wird wieder direkter und persönlicher, weniger technokratisch,
näher an den Menschen, näher am Geschä#, schreibt Prof. Dr. Burkhard Schwenker.
Unternehmensführung ist heute anspruchsvoller als je zuvor: Investoren und Mitarbeiter
erwarten Sicherheit in einer Welt, in der Prognosen zunehmend weniger verlässlich sind.
Entscheidend ist die Fähigkeit, Veränderungen zu antizipieren und Orientierung zu geben.
A
ls Führungskräfte wissen
wir, dass die Zukunft ungewiss ist, aber die Menschen
in unseren Unternehmen
haben – genau deswegen – ein Bedürfnis nach
Sicherheit, das wir adressieren müssen.
Wir wissen, dass Trends und Prognosen
nicht mehr verlässlich sind, und trotzdem müssen wir planen, rechnen und
über Investitionen entscheiden. Wir
wissen, dass wir interdisziplinär denken
müssen, um den Überblick zu behalten,
und gleichzeitig brauchen wir exzellente
funktionale Kompetenzen, um unsere
Unternehmen im Tagesgeschäft gut zu
führen. Gegensätze und Widersprüche
wie diese prägen heute den Alltag jedes
Top-Managers. Wie kann vor diesem
Hintergrund gute Führung aussehen?
Führung wird anspruchsvoller
Wer hätte vor nur zehn Jahren gedacht,
dass das Internet doch noch den Einzelhandel revolutioniert oder dass grüne
Technologien unseren Wachstumskurs
bestimmen? Dass China zur größten
Exportnation aufsteigt und Amerika das
„Pacific Age“ ausruft? Dass die Finanzmärkte völlig außer Kontrolle geraten
und zur größten Wirtschaftskrise seit
80 Jahren führen? Oder dass Schiefergas
und Fracking die internationalen Energiemärkte auf den Kopf stellen?
Ungewissheit begleitet uns in der
Unternehmensführung fast überall. Risiken werden größer, technologische
Sprünge dynamischer, globale Verwicklungen komplexer. Mit erheblichen Konsequenzen für unser Führungs- und Planungsverständnis. Denn wenn Trends
12,3 42,3%
→ Jahre beträgt
das durchschnittliche Alter westeuropäischer
Unternehmen.
→ der Teilnehmer einer
Studie sehen in „guter
Führung“ die größte
Herausforderung für
Konzernlenker.
nicht mehr verlässlich sind, helfen uns
Zahlen als Planungs- und Entscheidungsgrundlage nur bedingt weiter. Wenn uns
Zahlen nicht mehr weiterhelfen, müssen
wir uns von der Idee verabschieden, jede
unternehmerische Entscheidung quantifizieren zu wollen – was nützt die analytische Eleganz eines CAPM-Modells zur
Berechnung der Kapitalkosten, wenn die
Zeitreihe der zukünftigen Cash-Flows
immer ungewisser wird? Mehr denn je
zählt heute das Diktum Albert Einsteins:
„Manchmal kann das, was zählt, nicht gezählt werden, und das, was gezählt werden kann, zählt nicht.“
Die Auswirkungen auf „gute Führung“ sind erheblich. War die Welt früher dadurch gekennzeichnet, dass wir
zumindest mit der Fiktion einer mittelfristigen Gewissheit arbeiten konnten,
sind wir heute mit fundamentalen Zweifeln an der Vorhersehbarkeit der Zukunft
konfrontiert. Konnten wir früher durch
eindeutige Aussagen – das sind unsere
Ziele, das ist unser Plan, das sind unsere Maßnahmen – Komplexität reduzieren und Sicherheit vermitteln, liegt die
Herausforderung heute darin, dass kein
verantwortungsvoller Manager mehr sagen kann, dass ein solcher Plan Bestand
haben wird. Heute kann sich niemand
mehr hinter einer Zahl verstecken, sondern muss imstande sein zu erläutern,
was seine Überzeugung ist und welches
Zukunftsbild er vor Augen hat. Führung
wird wieder direkter und persönlicher,
weniger technokratisch, näher an den
Menschen, näher am Geschäft, an Kunden, an Technologien. Kurz: Führung
wird unternehmerischer! Sie erfordert
Persönlichkeit, Mut, Reflexionsvermö-
gen und ein festes Wertegerüst. Es geht
darum, Überzeugungen zu haben. Frei
nach Johann Wolfgang von Goethe: „Wer
in schwankender Zeit schwankend gesinnt ist, vermehrt das Übel.“
Kaum nachhaltiger Erfolg
Überfordern diese hohen Anforderungen
Führungskräfte? Feststellen können wir
jedenfalls, dass es vielen Unternehmen
nicht gelingt, nachhaltig erfolgreich zu
sein. Das zeigt schon ein kurzer Blick
auf die Entwicklung einiger bekannter
Aktienindizes: Nur 18 der 30 DAX-Unternehmen der ersten Stunde (1988) sind
heute noch im Index, von den 500 Unternehmen, die 1957 den „S&P 500“ definiert
haben, sind heute nur noch 57 gelistet.
Anders ausgedrückt: Fast 90 % haben es
nicht geschafft, diese renommierte Position zu halten. Und viele andere schaffen
es erst gar nicht, als Unternehmen zu
überleben: Statistisch gesehen beträgt
das Durchschnittsalter westeuropäischer
Unternehmen gerade einmal 12,3 Jahre!
Natürlich führt nicht der Wandel an
sich zum Scheitern, sondern die Unfähigkeit, ihn zu erkennen und mutig zu reagieren. Das bestätigt auch eine Umfrage, die wir für das Buch „Gute Führung“
durchgeführt haben. Gewichtet nach den
Hauptursachen (7 = wichtigster Grund,
1 = am wenigsten wichtigster Grund) liegen die Quellen für ein Scheitern vor allem in den Schwierigkeiten „Wandel und
Veränderung erkennen und beherrschen“
(5,2), „Verhalten und Persönlichkeit der
Führungskräfte“ (4,4), „Operatives Handwerkszeug“ (3,2). Die gute Nachricht
daraus ist zunächst: Handwerkliche Managementfehler spielen für das Scheitern >
PROF. DR. BURKHARD SCHWENKER
ist CEO von Roland Berger Strategy Consultants.
Zuvor war er dort Aufsichtsratsvorsitzender und
bereits von 2003 bis 2010 CEO. 2012 wurde er zum
Chairman der Roland Berger School of Strategy and
Economics ernannt. Er gilt als Experte für Fragen der
Unternehmensführung. Das Buch „Gute Führung“, auf
dem dieser Essay beruht, hat er dem Unternehmensgründer Roland Berger zum 75. Geburtstag gewidmet.
54 THINK : ACT // LEADERSHIP
»Als wir 2008 feststellten, dass wir unsere zahlenorientierten Planungen vergessen können, gingen wir
zur Unternehmenssteuerung nach Prinzipien über.«
 ,   
offensichtlich eine untergeordnete Rolle.
Denn in dem Problembereich „operatives Handwerkszeug“ sind alle Gründe
zusammengefasst, die sich auf wichtige
Unternehmensprozesse wie Finanzierung, Controlling, Personal oder Marketing beziehen. Selbstverständlich können
Unternehmen daran scheitern, dass Kapitalstruktur oder Liquiditätsmanagement
nicht in Ordnung sind, aber im Vergleich
zu den anderen Problemfeldern werden
hier weniger Fehler gemacht. Das ist
auch ein Kompliment an die Führungskräfte der zweiten oder dritten Ebene,
die diese Aufgaben in aller Regel operativ
verantworten.
Anders sieht es auf den obersten
Führungsebenen aus, denn Wandel
zu erkennen und zu beherrschen ist
doch die wichtigste Aufgabe des TopManagements. Nach unserer Umfrage
liegen die typischen Fehler darin, dass
Frühwarnsignale nicht wahrgenommen,
regulatorische oder politische Einflüsse
unterschätzt, Markt- und Kundenveränderungen nicht hinreichend diskutiert
oder (erfolgreiche) Geschäftssysteme
nicht laufend hinterfragt werden. Oder
dass auf den Top-Ebenen häufig Hybris
und fehlende Selbstreflexion vorherrschen, eine Ja-Sager-Kultur dominiert
und Werte nicht vorgelebt werden. Unternehmen scheitern also vor allem, weil
sie (also ihre Führung) sich zu lange auf
ihren Lorbeeren ausruhen, zu arrogant
sind, der Mut und manchmal auch die
Kreativität fehlt, sich schnell und grundlegend zu verändern, sie nicht aus veralteten Denkmustern ausbrechen können.
Der amerikanische Think-Tank „The
Conference Board“ befragt seit Jahren
GUTE FÜHRUNG
Über den Lebenszyklus
von Unternehmen. Ein Essay und
Interviews mit Franz Fehrenbach,
Jürgen Hambrecht, Wolfgang
Reitzle und Alexander Rittweger.
Von Prof. Dr. Burkhard Schwenker
und Mario Müller-Dofel,
BrunoMedia Verlag, 19,80 €
! MEHR ZUM THEMA: rbsc.eu/15Qhu3x
Top-Führungskräfte nach ihren wichtigsten Herausforderungen. Zwei stehen
kontinuierlich weit oben: „Excellence in
Execution“ (42,3%) und „Sustained and
Steady Growth“ (38,8%). Die Frage, wie
unternehmerische Entscheidungen gut
– also schnell, konsequent, überzeugend –
umgesetzt werden, stellt sich also immer
wieder neu, wie auch die Frage nach dem
Erreichen eines nachhaltigen Wachstumskurses. Wie lassen sich diese Herausforderungen mit den neuen Anforderungen an „gute Führung“ kombinieren?
Agenda für gute Führung
Erstens: Interdisziplinäres Denken fördern! Es kommt künftig wieder mehr auf
unternehmerisches Gespür an, weil die
Berechenbarkeit abnimmt. Es ist wichtig,
ein eigenes Bild der Zukunft entwickeln
zu können, um sich von Trends unabhängig zu machen. Heute zählen die Fähigkeit zur Reflexion und die Bereitschaft,
interdisziplinär zu denken. Denn wenn
wir der Ungewissheit erfolgreich begegnen wollen, müssen wir Brücken bauen
zwischen betriebswirtschaftlichem Denken (wie erreicht man Wettbewerbsvorteile?), volkswirtschaftlichem Denken
(wie funktioniert Wachstum?), gesellschaftspolitischem Denken (welche Einstellungen prägen künftig Gesellschaften?) und geopolitischem Denken (was
bedeuten regionale Bündnisse?).
Zweitens: Für den richtigen Nachwuchs sorgen! Reflexion und interdisziplinäres Denken entstehen nicht von allein. Wir müssen unsere tägliche Arbeit
wie auch die Aus- und Weiterbildung
unserer Führungskräfte darauf ausrichten. Wir müssen an den Hochschulen
(wieder) „mehr Theorie wagen“, philosophische Grundlagen legen, analytische
Denkmodelle in den Vordergrund stellen.
Und gleichzeitig müssen wir unsere Rekrutierungspolitik anpassen. Es geht nicht
mehr (allein) um den „optimierten Lebenslauf“ mit kurzen Studienzeiten und
passenden Praktika, sondern auch um
Ecken und Kanten, um Erfahrungen aus
anderen Disziplinen und Lebenswelten.
Drittens: Leadership und Management austarieren! Henry Mintzberg hat
schon vor vielen Jahren darauf hingewiesen, dass „Leadership ohne Management
zu einem abgehobenen Stil ermutigt, der
Hybris fördert“. Wir brauchen also ein
neues Gleichgewicht; dem Glamour, „vorne zu stehen“, muss ein selbstbewusstes
Eintreten für gutes, handwerkliches Management entgegengesetzt werden.
Viertens: Werte persönlich machen!
Wenn die Menschen in unseren Unternehmen durch die Ungewissheit verunsichert sind, spielt vor allem Vertrauen
in die Führungskräfte die entscheidende
Rolle. Deswegen reicht es nicht, konzeptionell über Werte zu reden; Werte wirken nur, wenn sie auch persönlich werden. Im Kern geht es, frei nach Martin
Hilb, um drei Eigenschaften: a cool head,
a warm heart and working hands. Oder
in meiner Übersetzung: Gute Führung
braucht einen „kühlen Kopf“, denn analytische Fähigkeiten sind im Umgang
mit Komplexität von entscheidender Bedeutung; gute Führung braucht ein „warmes Herz“, denn wer führen will, muss
Menschen mögen und Verantwortung
übernehmen; gute Führung braucht „tatkräftige Hände“. Denn führen heißt, hart
zu arbeiten und Risiken zu tragen.
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»Falsche Selbstwahrnehmung ist
eine häufige Ursache für
das Scheitern von Firmen
und Führungskräften.«
 ,  2011   
To be continued…
Mission accomplished? Das gibt es nicht – weder
für Superhelden noch für Super-Chefs. An der nächsten
Ecke wartet die nächste Herausforderung.
Genau wie das nächste Projekt, der kommende
Quartalsbericht, die neue Produkteinführung.
Das nächste Abenteuer kommt bestimmt!
>>> Report
LEADER
SHIP
56_57 THINK : ACT // NEWS
Die neue Boomregion
In Staaten wie Malaysia und Indonesien entsteht ein gewaltiger Binnenmarkt.
Eine konsumfreudige Mittelklasse treibt das rasante
Wachstum in den Staaten Südostasiens voran.
E
ine neue Wirtschaftsmacht
formiert sich in Südostasien
– und kaum jemand schaut
hin. Gebannt vom rasanten
Wachstum in China und Indien haben bislang nur wenige
Unternehmen erkannt, dass eine kraftvolle neue Freihandelszone entsteht – die
ASEAN Economic Community (AEC). Bis
2015 wollen Indonesien, Malaysia, Singapur, Thailand, Vietnam, Laos, Myanmar,
Brunei, Kambodscha und die Philippinen ihre Handelsschranken größtenteils
fallenlassen. Das erklärte Ziel: der freie
Fluss von Gütern, Dienstleistungen, Investitionen und Arbeitskräften. Zehn
Länder mit insgesamt knapp 610 Millionen Menschen und einem kombinierten
Bruttoinlandsprodukt, das schon heute
jenes von Indien übersteigt – ein atemberaubendes Potenzial, sind sich Experten einig.
Hinzu kommt: Die wichtigsten südostasiatischen Staaten verfügen über gut
funktionierende Verwaltungen. So hält
Singapur seit Jahren Rang eins beim Doing-Business-Report der Weltbank. Der
Bericht misst, wie leicht oder schwer es
ist, in einem Land ein Unternehmen zu
gründen. Malaysia liegt auf Platz zwölf
und hat sich damit gegenüber dem Vorjahr um sechs Plätze verbessert, Thailand
folgt auf Rang 18. Treiber der Entwicklung ist die expandierende Mittelklasse.
Millionen von Menschen haben sich aus
der Armut gekämpft, jetzt verlangen sie
nach Waren und Dienstleistungen von
Kraftfahrzeugen über Mobiltelefone bis
hin zur Gesundheitsversorgung. Im vergangenen Jahr stiegen die privaten Konsumausgaben um 4,2 Prozent auf 1,2 Billionen US-Dollar – eine Entwicklung, die
selbst den chinesischen Markt mit einem
Wachstum von 2,6 Prozent aussticht.
Wie aber tickt die aufstrebende, konsumhungrige Mittelklasse der neuen
Boomstaaten? Die Studie „Understanding
mass-affluent consumers in South East
Asia“ von Roland Berger durchleuchtet
die Märkte in Indonesien, Malaysia und
Singapur. Das Ergebnis: Einzelne Konsumentengruppen – von Hedonisten über
Traditionalisten bis hin zu Performern
und Minimalisten – unterscheiden sich
zum Teil erheblich voneinander. Während beispielsweise in Indonesien Gesundheitsaspekte und Umweltbewusstsein das Kaufverhalten entscheidend
prägen, setzt die Bevölkerung Malaysias
mehrheitlich auf Statusdenken und Technologie-Trends. Für Unternehmen, die
am Wachstum dieser Länder teilhaben
wollen, bedeutet dies: Nur maßgeschneiderte Strategien und an den Segmenten
orientierte Lösungen versprechen langfristigen Erfolg in Südostasien.
! MEHR ZUM THEMA:
„Understanding mass
affluent consumers in South
East Asia“, Roland Berger
Strategy Consultants, 2013
rbsc.eu/18qNH6s
PRIVATE-EQUITY-MARKT
Optimistische Investoren
Positive Stimmung in der europäischen PrivateEquity-Branche: Im laufenden Jahr erwarten
Investoren wieder mehr Deals – allen voran in
Skandinavien und Deutschland. Die südeuropäischen Märkte werden sich hingegen weiterhin
leicht rückläufig entwickeln, zeigt die Roland
Berger-Studie „European Private Equity Outlook
2013“. Als wichtigste Zielindustrien gelten Phar-
ma und Medizin, Konsumgüter und Handel.
„Die Stimmung im Private-Equity-Markt steigt
langsam, aber stetig“, sagt Gerd Sievers, Partner
im Bereich Corporate Finance. „Da die Konjunkturaussichten eher unverändert eingeschätzt
werden, kann dies auf eine Verbesserung der Situation an den Finanzmärkten und der Entwicklung der Eurokrise zurückgeführt werden.“
! MEHR ZUM THEMA:
European Private Equity
Outlook 2013,
rbsc.eu/1bn9c4h
DEVISEN
Wechselhafte Hackerwährung
Die digitale Kunstwährung Bitcoin will so sein wie das Internet: dezentral, keiner
Kontrolle unterworfen und anonym. Lange als „Hackerwährung“ belächelt, finden Bitcoins unter dem Eindruck der Eurokrise zunehmend die Beachtung der Finanzwelt.
Massive Kurssprünge seit Jahresbeginn sorgen zwar für Beunruhigung an den Märkten, und die Betrugsfälle mehren sich. Dennoch akzeptieren bereits über 2.000 Firmen
das digitale Geld. Der erste Hedgefonds, der von der Devise profitieren will, ist jüngst
an den Start gegangen. Der „Bitcoin Fund“ des Anbieters Exante ist in Malta registriert
und hat laut „Forbes“ bereits 3,2 Millionen US-Dollar eingesammelt.
KULTURPROJEKT
Ein Louvre im Sand
Die Bauarbeiten für den Louvre in Abu
Dhabi haben begonnen. Die Eröffnung des
von Stararchitekt Jean Nouvel entworfenen
Baus ist für 2015 angekündigt. Geplant
ist eine „Microcity“ aus unterschiedlich
großen Gebäudeteilen, die durch eine
7.000 Tonnen schwere perforierte Kuppel
zusammengehalten werden sollen. Das
Projekt ist Teil eines ehrgeizigen Plans für
den Bau von insgesamt drei Museen auf der
Insel Saadijat. Die beiden anderen Museen – ein Nationalmuseum und ein Ableger
des Guggenheim-Museums – werden für
die Jahre 2016 und 2017 erwartet. Allein für
die Namensrechte des „Abu Dhabi Louvre“
zahlen die Macher 400 Millionen Euro,
dazu kommen Kosten in Höhe von rund 575
Millionen Euro, um einzelne Exponate aus
dem Pariser Louvre, dem Musée d‘Orsay
und dem Centre Pompidou auszuleihen.
! MEHR ZUM THEMA: „Ideensturm in der Wüste“,
think:act Special, Roland Berger Strategy
Consultants, 2012, rbsc.eu/18ZAZsf
AUTOMARKT
Zulieferer unter Druck
Schlechte Zeiten für den westeuropäischen Automarkt: Auch 2013 bröckelt der Binnenabsatz von Neuwagen,
das sechste Jahr in Folge. Laut einer Studie von Roland Berger Strategy Consultants werden in diesem Jahr
rund 12,8 Millionen Nutzfahrzeuge verkauft werden, ein Ende der schwindenden Nachfrage ist kaum in
Sicht. Hauptursache: die fehlende Kauflust der Europäer, die in den südlichen und westlichen Ländern des
Kontinents wegen der Euro- und Schuldenkrise mit der Anschaffung von Autos sehr zurückhaltend sind. Für
die Branche hat dieser Trend gravierende Folgen: Etwa 10 Prozent der 750.000 Jobs in der Zuliefererindustrie
stehen auf dem Spiel, besonders in Frankreich, Italien und Spanien. Die drohende Entlassungswelle werde
demnach nicht nur die Produktion, sondern auch die Bereiche Forschung und Entwicklung betreffen.
! MEHR ZUM THEMA:
„Rightsizing Europe.
The European car crisis
and implications for
automotive suppliers“,
Roland Berger Strategy
Consultants, 2013,
rbsc.eu/16WdJy3
58_59 THINK : ACT // MEGACITIES
Big Business
Sie sind ein riesiger Zukun#smarkt: Megacities mit mehr als
zehn Millionen Einwohnern. Vor allem in den Entwicklungsund Schwellenländern boomen die Riesenstädte. Und laufen
den Staaten allmählich den Rang ab.
B
islang fielen die Megastädte vor allem durch eines auf: ihr oft unkontrolliertes Wachstum. Jetzt fangen
Regierungen überall auf der Welt
an, in die Zukunft ihrer MillionenMetropolen zu investieren. Der Bedarf ist gewaltig. Laut einer US-Studie fließen
bis 2020 rund 120 Milliarden Dollar allein in
Hightech-Verkehrssysteme. Das Geld ist gut
angelegt: Eine Million Menschen ziehen weltweit jede Woche vom Land in die Stadt.
Smart Cities, also die intelligente Vernetzung der immer größer werdenden Ballungsräume, sind ein Milliardenmarkt für Konzerne
wie IBM, Cisco oder General Electric. Durch
digitale Überwachung und Steuerung sollen
sich bislang unbeherrschbare Moloche in lebenswerte Metropolen verwandeln. Der größte
deutsche Konzern, Siemens, hat extra die neue
Sparte „Infrastruktur & Städte“ geschaffen und
mit 87.000 Mitarbeitern ausgestattet, um den
Megacities alles aus einer Hand anbieten zu
können: von Gepäckbändern für Flughäfen bis
zu intelligenten Stromnetzen.
Vielleicht wird der Sommer 2014 einen
Vorgeschmack geben auf das, was möglich ist.
Die Fußball-WM wird Millionen Fans nach
Brasilien locken. Doch in Rio de Janeiro, der
12-Millionen-Metropole mit ihren berüchtigten Megastaus, könnte der Verkehr reibungslos fließen. Was vor wenigen Jahren noch eine
kühne Vision war, soll gerade Wirklichkeit
werden. Rio investiert in IT und Infrastruktur,
will so zur Smart City werden, einer vernetzten
Stadt, die mitdenkt. In einer Kommandozent-
rale fließen die Daten zusammen: Verkehrsströme, Wetterprognosen, Baustellen, Unfälle,
Live-Bilder von Brücken und Autobahnen. Über
digitale Verkehrsschilder, Radiosender, Twitter
und Facebook werden die Verkehrsteilnehmer
über Störungen und Ausweichrouten informiert – und so die ganze Stadt gesteuert.
Größere Städte, weniger Emissionen
Auch wenn es mit Blick auf den dichten Smog
und die langen Staus in Dhaka oder Jakarta
überrascht: Die Riesenstädte sind schon heute
wirtschaftlich produktiver, innovativer und sogar umweltfreundlicher als kleinere Orte. Die
beiden Wissenschaftler Geoffrey West und
Luis Bettencourt vom Santa Fe Institute stellen
in ihrer Studie „Bigger Cities Make Do With
Less“ fest: Großstädte setzen – pro Einwohner
gerechnet – weniger Treibhausgase frei, verbrauchen weniger Ressourcen und sind dabei
auch noch wirtschaftlich erfolgreicher. Eine
Stadt mit acht Millionen Einwohnern sei demnach besser als zwei mit vier Millionen. So benötigt sie im Vergleich 15% weniger Infrastruktur. Das wiederum spart Material, Energie und
Emissionen.
Die Megacities gewinnen auch auf politischer Ebene an Bedeutung. Während die Nationalstaaten auf großer Bühne um Emissionsgrenzen feilschen und am Ende ergebnislos
auseinandergehen, besprechen sich am Rande
die Vertreter der Megacities. Ihre klaren Absprachen, etwa auf dem Rio+20-Gipfel, werden
später als fassbarer Erfolg für den Klimaschutz
gewertet. Das „C40“-Netzwerk bringt die größ-
ten Städte der Welt zusammen: von New York
bis Hongkong, von Addis Abeba bis Bangkok.
Gemeinsam gehen sie den Klimawandel an.
„C40“ ist nur ein Beispiel, wie immer mehr
Metropolen immer enger zusammenarbeiten.
Sie schicken sich an, traditionellen StaatenTreffen wie G8 und G10 den Rang abzulaufen.
Schon in den 1980er-Jahren hat die britische
Sozialwissenschaftlerin Susan Strange vorausgesagt, dass das 21. Jahrhundert weniger
von Staaten als von Städten gestaltet werden
könnte. Nun gewinnen die Megacities tatsächlich an Macht. Kein Wunder: „New York City
hat eine stärkere Wirtschaft als alle 46 afrikanischen Staaten südlich der Sahara zusammen.
Hongkong wird jedes Jahr von mehr Touristen
besucht als ganz Indien. Diese Städte sind Motoren der Globalisierung“, so Parag Khanna von
der Global Governance Initiative. „Die Weltordnung der Städte folgt nicht mehr den Richtlinien des nationalstaatlichen Systems.“
Doch Megacities stellen Stadtplaner und
Regierungen auch vor riesige Herausforderungen. Vor allem in den Schwellenländern wachsen die Städte so schnell wie zuletzt zur Zeit der
Industrialisierung Europas im 19. Jahrhundert.
Acht der zehn größten Städte der Welt liegen in
Entwicklungs- oder Schwellenländern: Mumbai, Mexico City, São Paulo, Delhi, Shanghai,
Kalkutta, Jakarta und Dhaka. Zwischen 17 und
22 Millionen Menschen werden im Jahr 2015
in jeder dieser Megacities leben. Und überall wird nach Wegen gesucht, das Wachstum
in kontrollierte Bahnen zu lenken, die vielen
Menschen mit Wohnraum, Arbeit, Energie und
Verkehrswegen zu versorgen. Hunderte Milliarden Euro fließen bereits in den Bau von Infrastruktur. Die OECD rechnet damit, dass bis
2030 sogar 30 Billionen Euro investiert werden.
Der Westen habe Exportchancen, „wenn
die Firmen dorthin gehen, wo gebaut wird, und
sich vor Ort einbringen“, sagt der MegacityExperte Gerhard Schmitt vom Future Cities Laboratory in Singapur. Ob Lüftungssysteme für
Hochhäuser oder ganze Schienensysteme – auf
dem Weg zur reibungslos funktionierenden
und nachhaltigen Stadt sei Hightech gefragt.
„Das Marktpotenzial ist unüberschaubar.“
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60_61 THINK : ACT // MEGACITIES
Das 90-MilliardenDollar-Projekt
Zwischen Delhi und Mumbai
liegt die Zukun# Indiens: Eine
völlig neue Industrieregion soll
dort entstehen. Chefplaner
  will die
Herkulesaufgabe stemmen.
Smarte Ideen für ein
urbanes Indien: CEO
Amitabh Kant
THINK:ACT: Herr Kant, der Delhi Mumbai
Industrial Corridor (DMIC) will dem Nordwesten Indiens ein neues Gesicht verleihen.
Was genau ist Ihre Vision?
AMITABH KANT: Der DMIC ist Indiens ambitioniertestes Infrastrukturprojekt. Auf einer
Länge von fast 1500 Kilometern werden 90
Milliarden Dollar in den Aufbau einer Logistikroute investiert. Dieser Korridor verbindet
zukünftig das politische Herz Indiens, Delhi,
mit dem wirtschaftlichen Zentrum, Mumbai –
eine komplett neue Achse für den Nordwesten,
die die Transportzeiten dramatisch reduzieren
wird. Entlang dieser Route bauen wir in einer
ersten Phase sieben neue Industriestädte, insgesamt planen wir 24 neue Städte.
Neue Routen, neue Städte, neue Flughäfen
– was macht dieses Projekt aus Ihrer Sicht
notwendig?
A K: Indiens Wirtschaft muss über die nächsten
drei Jahrzehnte acht bis neun Prozent Wachstum pro Jahr erzielen. Das ist nötig, um den
großen Anteil unserer jungen Bevölkerung in
Beschäftigung zu halten. Betrachtet man allein
den Industriesektor, muss dieser dafür um 14
bis 15 Prozent jährlich zulegen. Begleitet wird
dies von einer massiven Urbanisierungswelle:
350 Millionen Inder werden in den kommenden 20 Jahren vom Land in die Städte ziehen,
und 2050 werden schon 700 Millionen Inder in
Städten leben. Der DMIC soll nicht nur Indiens
Wirtschaftswachstum unterstützen, sondern
mit den neuen Städten der Bevölkerung diese
Urbanisierung ermöglichen. Diese Menschen
brauchen zukunftsfähige Jobs, moderne Städte
und Strategien für ein nachhaltiges Wachstum.
Inwiefern profitiert die indische Bevölkerung
von Ihrem Projekt?
68%
der Inder leben in Slums,
in Mumbai sind es 41
Prozent aller Bewohner.
Der Bedarf an Infrastruktur ist riesig.
Der Delhi Mumbai Industrial
Corridor durchquert sechs indische
Bundesstaaten auf einer Länge
von 1483 Kilometern. Eine Hochgeschwindigkeitstrasse
für Güterzüge zwischen
Delhi und Mumbai soll die
Transportdauer drastisch
Delhi
senken: von derzeit 60 auf
dann 13 Stunden. Neue
Kra"werke, See- und
Mumbai
Flughäfen sowie LogistikDrehscheiben begleiten
den Aufbau von insgesamt
24 neuen Industriestädten.
AK: Indien durchlebt derzeit einen gewaltigen
demografischen Wandel. Über 70 Prozent der
Bevölkerung sind jünger als 35 Jahre. Sie wollen an Indiens Wachstum teilhaben, suchen für
sich nach neuen Perspektiven und wollen ihre
Lebenssituation stetig verbessern. Für diese
jungen Menschen schaffen wir Jobs, bringen
sie von der Landwirtschaft in die Industrieproduktion. Der DMIC ist für diesen Transformationsprozess entscheidend.
Die Planungen für den Korridor sind abgeschlossen, erste Leuchtturm-Projekte werden
realisiert. Mit welchen Herausforderungen
werden Sie in dieser Phase konfrontiert?
AK: Wir müssen knappe Ressourcen effektiv
nutzen und sehen im öffentlichen Verkehr eine
Schlüsselrolle. Die Städte der Zukunft müssen
mit einem ausgeklügelten Transportkonzept
entwickelt werden, sie müssen viel kompakter
und vor allem nachhaltiger geplant werden.
Was ganz entscheidend ist: Die Situation in
Indien ist nicht mit den historischen Entwicklungen Europas und Amerikas vergleichbar.
Als dort der Prozess der Urbanisierung einsetzte, entstanden weitläufige, ausufernde Städte.
Flächen, Brennstoffe, Wasser – dies alles war
günstig und im Überfluss verfügbar. Aus diesem Grund wurden viele Städte damals für den
Autoverkehr und nicht für Menschen geplant.
Heute brauchen wir eine weit innovativere
Strategie: hin zu smarten Städten, die von der
digitalen Entwicklung bestimmt werden.
In Mumbai und Delhi leben bereits jetzt jeweils weit über 15 Millionen Menschen, vor
allem in Asien dehnen sich die Metropolen
immer mehr aus. Was können Sie von anderen Megacities lernen – und was wollen Sie
besser machen?
A K: Besonders der östliche Teil der Welt hat in
den letzten Jahren bemerkenswerte Konzepte
aufgezeigt. Kitakyushu in Japan zum Beispiel
war einmal die am stärksten verschmutzte
Stadt der Welt. Heute wird dort vom Handy bis
zum Auto alles recycelt. Yokohama hat Maßstäbe in puncto Müllbeseitigung gesetzt, und
Singapur ist führend in der Wasser-Wiederaufbereitung. Außerdem gibt es weltweit hunderte innovative Wege, erneuerbare Energien
sinnvoll einzusetzen. Wenn wir es schaffen, die
besten Ideen zu bündeln, kann Indien im Einsatz neuer Technologien zum Vorreiter werden.
Welche Möglichkeiten ergeben sich durch das
Projekt für westliche Unternehmen?
A K: Unternehmen wie Siemens und Bombardier haben in Indien einen hohen Stellenwert.
Ihre konsequente Spezialisierung auf smarte
Technologien, Logistik, Wasser- und Stromversorgung und erneuerbare Energien können
sie zu einem wichtigen Partner für uns machen. Was wir in den kommenden drei bis vier
Jahrzehnten aufbauen werden, übertrifft alles,
was wir in den letzten 5000 Jahren geschaffen
haben. Das heißt natürlich auch, dass wir die
fähigsten Unternehmen der Welt brauchen. <
Amitabh Kant ist seit
2009 CEO und Geschä"sführer der Delhi Mumbai
Industrial Corridor Development Corporation (DMICDC).
Zuvor war er verantwortlich
für die Tourismus-Kampagne
„Incredible India“, die seit 2002
Reisende aus aller Welt nach
Indien lockt und die Zahl der
Touristen auf zuletzt 6,5
Millionen pro Jahr hievte.
! MEHR ZUM THEMA:
Das Video-Interview
mit Amitabh Kant unter
rbsc.eu/242adnk
62_63 THINK : ACT // MEGACITIES
Lagos
Nigerianische Energiewende
Ideen aus
Müll und Stau
Überall auf der Welt entwickeln
internationale Konzerne und regionale
Start-ups neue Geschä#smodelle, um
vom Boom der Städte zu profitieren.
Sechs Beispiele
4200 Menschen teilen sich im rasant
wachsenden Lagos einen Quadratkilometer Fläche. Viele Wohngebiete sind
nicht an die Kanalisation angeschlossen, Toiletten meist lediglich mit einem
Tank verbunden. O" genug sickern
Hinterlassenscha"en von Mensch und
Tier aus löchrigen Tanks ins Grundwasser und gefährden die Gesundheit
der Bewohner. Die Stadtverwaltung
ist mit dem Auspumpen von hunderttausenden Tanks überfordert. Der
nigerianische Mikrobiologe Olatunbosun Obayomi löst mit seiner Firma
Bio Applications das Entsorgungsproblem – und verschafft den Armen
zugleich eine Energiequelle. Obayomis
Technologie verwandelt die ToilettenTanks in Biogas-Anlagen. Der Tank
einer durchschnittlichen Straße reicht,
um bis zu 50 Familien mit Energie zum
Kochen zu versorgen.
São Paulo
U-Bahn ohne Fahrer
Die Linie 4 in Brasiliens Wirtscha"smetropole ist 12,8 Kilometer lang
und ist für 900.000 Passagiere am
Tag ausgelegt. Sie macht São Paulo
zu ersten Stadt in Südamerika mit
einer U-Bahn, die ohne Fahrer von
Station zu Station rast. Die vollautomatische Linie erlaubt es, mehr
Züge in dichteren Abständen fahren
zu lassen als bei herkömmlichen UBahnen. Gebaut wurde die Linie von
Siemens. Der Konzern hat ähnliche
Systeme zuvor bereits in Paris und
Barcelona in Betrieb genommen und
kümmert sich in São Paulo auch um
die Modernisierung der Stromversorgung des U- und S-Bahnnetzes.
Paris Meins ist Deins
Trotz Megastaus: In Asiens Städten ist das eigene Auto zum unverzichtbaren
Statussymbol für die neue Mittelschicht geworden. Im Westen dagegen wird
ein eigener Wagen in der Großstadt zunehmend eher als Ballast gesehen.
Wer ab und zu mal ein Auto braucht, nutzt lieber Car-Sharing. Robin Chase, die in
den USA Zipcar gegründet hat, treibt den Gedanken des Teilens nun in Paris weiter
voran: Mit Buzzcar vermittelt sie Privatleute aneinander, die gemeinsam Autos
nutzen wollen. Anders als beim klassischen Car-Sharing braucht es dafür keinen
zentralen Anbieter. Wer ein Auto hat, verleiht es tageweise und kassiert dafür,
peer-to-peer nennt sich das. Die Idee wird von anderen Start-ups auch
in England, Deutschland, Australien und den USA verbreitet.
PARIS
Zhengzhou
Schnelle Windenergie
Zhengzhou in Zentralchina hat neun
Millionen Einwohner und eine boomende
Industrie, produziert aber zu wenig Strom
für sein schnelles Wachstum. Ab 2014 wird
deshalb die schnellste und größte Stromautobahn Chinas die Energie aus Windkra"werken
im Westen nach Zhengzhou transportieren.
An der 2200 Kilometer langen Ultrahochspannungsleitung baut ABB mit. Der Schweizer Technologiekonzern mit einem Umsatz
von 38 Mrd. Dollar liefert Transformatoren
und Stufenschalter und hil" so, erneuerbare
Energiequellen besser anzuzapfen.
Kairo
Ägyptisches Waste-Management
13.000 Tonnen Müll produzieren die 17 Millionen Menschen, die in Kairo leben – täglich.
Eine logistische Herausforderung. Der Versuch
europäischer Firmen eine Müllabfuhr zu
organisieren scheiterte vor einigen
Jahren, weil die Leute ihre Abfälle
nicht zu den in jeder Straße aufgestellten Containern brachten. Sie
sind es gewöhnt, dass ihr Müll an
der Haustür abgeholt wird – von
einem der rund 60.000 Recyclingspezialisten der Stadt. Diese
Micro-Entrepreneure kommen
aus den Armenvierteln, wo sich ein
ganzer Wirtscha"skreislauf rund
um das Recycling dreht. In Manshiet
Nasser, auch „Garbage City“ genannt,
lebt fast jede Familie davon: Plastik wird
gereinigt, getrocknet, dann an den Nachbarn
verkau", der es zu Granulat verarbeitet, das
wiederum von chinesischen Firmen erworben
wird. Andere Werkstätten pressen Dosen und
verkaufen das Metall. „Über 80 Prozent des Müll
wird weiterverarbeitet“, sagt die Unternehmerin
Iskandar Laila, die Slum-Bewohner zu „Waste
Managern“ ausbildet. Die ersten Worte, die sie
bei der Ausbildung lernen: „Pantene“ und „Head
& Shoulders“. Die Shampoo-Marken gehören zu
Proctor & Gamble – der Konsumgüterkonzern
ist ein Geschä"spartner, der für jede seiner Original-Flaschen eine Prämie zahlt, damit Produktpiraten diese nicht auffüllen und wiederverkaufen.
Mumbai
Indiens Nummer
für den Notfall
In Europa ist es die 112, in den
USA 911, in Mumbai soll es die 1298
werden. Die Notfallnummer, die
schnelle Hilfe verspricht. Als fünf
junge Inder vom Studium im Ausland
zurückkehrten gründeten sie Ziqitza
Healthcare Limited, um eine große
Lücke zu füllen. „Es gab einen Notfall
im Freundeskreis“, erinnert sich Mitgründerin Sweta Mangal. „In den USA
oder England hätte man einfach die
Ambulanz gerufen, aber so etwas gab
es in Mumbai nicht.“ So begannen sie
mit dem Aufbau einer flächendeckenden, schnellen Notfallversorgung für
die 18-Millionen-Stadt. 2004 hatten
sie gerade einmal 10 Rettungswagen,
heute sind es 860. Die Bezahlung ist
so gestaffelt, dass jeder den Dienst in
Anspruch nehmen kann. Die Armen bezahlen eine von NGOs und dem Staat
subventionierte Gebühr, die Wohlhabenden den vollen Preis.
64_65 THINK : ACT // FACEBOOK
Sheryl Sandberg
hat nach eigenem
Bekunden „schon
immer gern viel
geredet.“
Mischt euch ein!
Facebook-COO   gehört zu den mächtigsten Frauen der Welt.
Nun hat sie ein Buch geschrieben, mit dem sie Frauen den Weg an die Spitze weisen
will. Es offenbart zudem die drei entscheidenden Wendepunkte ihrer eigenen Karriere.
E
s ist einer der größten Momente ihrer Karriere. Im August 2011 wird Sheryl Sandberg aufgenommen in den Club der Wichtigen, sie steht auf
Platz fünf der Liste der 100 mächtigsten Frauen
der Welt des US-Magazins Forbes. Vor ihr auf der
Liste: Kanzlerin Angela Merkel, die damalige USAußenministerin Hillary Clinton, die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff und die Chefin von PepsiCo, Indra
Nooyi. Hinter ihr: Amerikas First Lady Michelle Obama und
die indische Politikerin Sonia Gandhi. Sandberg hat es geschafft. Sie hat es schwarz auf weiß. Sie ist mächtig.
Aber sie feiert nicht. Sie postet es nicht bei Facebook.
Sandberg schämt sich. Wenn ihr im Flur des Facebook-Gebäudes im Silicon Valley jemand gratuliert, erklärt sie lang
und breit, dass die Liste doch absurd und unseriös sei. Wenn
jemand ihren Erfolg bei Facebook postet, bittet Sandberg, die
Meldung wieder zu entfernen. Sie sagt kein einziges Mal:
Danke für das Kompliment. „Ich bezweifle, dass ein Mann
sich so überrumpelt fühlen würde, wenn andere ihn für
mächtig halten“, schreibt Sandberg in ihrem neuen Buch.
„Noch heute arbeite ich hart an meinem Selbstbewusstsein.“
Sandberg hat eine Bilderbuchkarriere hinter sich. Nach
Gründer und Chef Mark Zuckerberg ist sie die wichtigste
Führungskraft bei Facebook. Sie gilt als die ManagementWunderwaffe des Unternehmens, die Facebook das Geldverdienen beigebracht hat. Jetzt hat sie ein sehr persönliches Buch geschrieben – über ihren Weg an die Spitze. Es ist
Sandbergs Geschichte und zugleich ein Manifest für einen
positiven Feminismus.
Frauen sollen sich einmischen, sich „mit an den Konferenztisch setzen“, sich nach vorne lehnen und sich einbringen, schreibt Sandberg. „Lean in“ – Hängt euch rein, heißt
das Buch. „Wir stehen uns selbst im Weg, mit kleinen und
großen Dingen, durch mangelndes Selbstbewusstsein, weil
wir die Hand nicht heben, und weil wir uns zurücklehnen,
wenn wir uns einmischen müssten”, schreibt sie. Sandberg
gibt den Frauen selbst einen guten Teil der Schuld, dass sie
noch immer unterrepräsentiert sind in der Wirtschaftswelt.
Sie will das Ende der Büro-Mäuschen. Sie will, dass Frauen
sich was trauen. „Die Revolution der Geschlechter ist nicht
steckengeblieben, sie ist vor die Wand gerannt“, sagt sie.
Momentan sind nur rund 15 Prozent der Top-Führungskräfte in den USA Frauen. Nur sieben Prozent aller Frauen trauen sich bei Jobverhandlungen, um mehr Geld zu bitten. Bei
den Männern sind es 57 Prozent. Sandberg kämpft darum,
dass sich das ändert.
Finde einen Förderer –
oder besser noch: Lass dich finden!
Sandberg selbst, heute 43 und Mutter von zwei kleinen Kindern, war nie ein Mäuschen. „Ich habe schon immer gern
viel geredet“, schreibt sie und erzählt, wie sie schon als Kind
ihre zwei jüngeren Geschwister herumkommandiert hat.
Sie ist immer die Beste, erst in der Schule, dann im Studium
in Harvard. Dort trifft sie Larry Summers. Die Begegnung
mit dem Starökonom ist der erste große Wendepunkt in
Sandbergs Karriere. Sandberg sitzt in seiner Vorlesung mit
ihren Freundinnen immer in einer Ecke hinten im Hörsaal.
Als die Prüfungen kommen, ist sie trotzdem die Beste. Summers ist überrascht, erzählt Sandberg, schließlich hätte einer
der Jungs aus der ersten Reihe, die immer so aufmerksam
nicken, der Beste sein müssen. Er lernt sie besser kennen,
begleitet ihre Abschlussarbeit, wird ihr Mentor.
Einen Mentor zu haben, sei wichtig für die Karriere, besonders für Frauen. Allerdings sei es für sie viel schwerer,
einen Förderer zu finden, schließlich suchen sich Männer
lieber Schützlinge, in denen sie sich selbst wiedererkennen.
Sandberg empfiehlt, niemals jemanden zu bitten, Mentor zu
werden, sondern mit Leistungen zu überzeugen. „Wir müssen aufhören, jungen Leuten zu raten, dass sie einen Mentor
finden müssen, um sich hervorzutun in der Karriere. Wir
müssen ihnen sagen, dass sie sich hervortun müssen – und
dann werden sie schon einen Mentor finden.“
Als Summers Chefvolkswirt der Weltbank wird, nimmt
er Sandberg mit nach Washington. Später wechselt sie für
ein paar Jahre in die Wirtschaft. Sie ist noch nicht einmal 30
Jahre alt, als Summers sie wieder zu sich holt und zur Stabschefin seines Finanzministeriums macht, während Bill
Clinton Präsident ist. „Ich weiß, dass mein Erfolg von harter
Arbeit kommt, von Hilfe von anderen und dem simplen Zurrichtigen-Zeit-am-richtigen-Ort-Sein“, schreibt sie. „Ich fühle großen und beständigen Dank gegenüber den Menschen,
die mir Chancen und Unterstützung gegeben haben.“ Aber >
„LEAN IN“
lautet der Titel und die Botscha" des Buches
von Sheryl Sandberg. Es ist eine Mischung aus
Autobiografie und Aufforderung an die Frauen,
Führungsaufgaben nicht den Männern zu
überlassen, sondern einen eigenen, weiblichen
Willen zur Macht zu entwickeln.
Econ Verlag, 2013, 14.95 €
66_67 THINK : ACT // FACEBOOK
Sandberg weiß auch, dass sie ihre eigene Leistung nicht herabwerten darf. Frauen fühlten sich oft wie Betrügerinnen,
die nur darauf warten, dass jemand entdeckt, dass sie eigentlich nichts können, schreibt Sandberg. „Wir unterschätzen uns andauernd.“ Sandberg will zu ihren Talenten stehen.
Erfolg kommt mit Risiken – Trau dich was!
Nach ihrer Zeit im Finanzministerium bei Summers kommen die großen Namen des Silicon Valley: Erst Google, dann
Facebook. Es ist der zweite Wendepunkt in ihrem Leben. Sie
bekommt diverse gute Jobangebote aus der IT-Industrie und
eines, das ihr besonders am Herzen liegt: bei Google. Die
Gründer sind kompetent, die Geschäftsidee spannend, die
Wachstumschancen gigantisch. Aber das Unternehmen ist
noch sehr klein und unorganisiert, es könnte scheitern. Und
ihr Jobtitel „Business Unit General Manager“ klingt nach einer Farce, schließlich hat Google noch gar keine Business
Units. Sandberg, wie viele Frauen, mag es eigentlich gern
ordentlich und sicher. Doch der damalige Google-Chef Eric
Schmidt rät: „Wenn dir jemand einen Sitzplatz in einer Rakete anbietet, frag nicht: welcher Sitzplatz denn? Geh an Bord.”
Sandberg lernt, dass es sich lohnt, Risiken einzugehen.
Google ist eine Rakete. Und Sandberg geht an Bord. Sie
perfektioniert das Suchwortmarketing Adwords – und trägt
damit einen großen Teil zum wirtschaftlichen Erfolg bei.
Aber nach Jahren unterhalb der Vorstandsebene fehlen die
Aufstiegschancen und die Herausforderungen. Auf einer
Weihnachtsfeier lernt sie Mark Zuckerberg kennen, den
damals 23-jährigen Gründer von Facebook. 2008 wechselt
sie zum sozialen Netzwerk, wird Vorstand für das operative
Geschäft, obwohl andere Firmen ihr Chefposten anbieten.
Sie entwickelt ein Modell, wie Facebook mit Werbung Geld
verdienen kann. Aus einer netten Idee wird ein börsenreifer
Großkonzern, der Gewinne schreibt.
Eine von Sandbergs größten Stärken: Sie kann gute Leute anwerben, allein von ihrem Ex-Arbeitgeber Google sind
ihr Dutzende junge Manager zu Facebook gefolgt. Sie glaubt
nicht an den althergebrachten Management-Grundsatz,
dass Chefs eine gewisse professionelle Distanz zu ihren
Mitarbeitern haben müssen. In ihrem Buch schreibt sie, wie
sie bei einem Vortrag mit den Tränen kämpft, sie schreibt
von Umarmungen. Mit dem klassischen Image vom harten
Manager hat das nichts zu tun. Mit Facebook aber sehr viel.
Facebook „ist die technologische Manifestation von Sheryls
Charakter”, sagt Clara Shih, die Chefin des Social-MediaStart-ups Hearsay Social, der „Financial Times”. „Sie ist die
ultimative Netzwerkerin.”
Doch es gibt auch die andere Seite der Sheryl Sandberg.
Sie ist extrem ehrgeizig und diszipliniert. Mitarbeitern
SHERYL SANDBERG
wird 1969 als eines von drei Kindern in Washington geboren. Nach dem Besuch einer öffentlichen Schule studiert
sie Wirtscha" in Harvard. Mit ihrem ehemaligen Professor und
Mentor Lawrence Summers geht sie erst zur Weltbank, später
macht er sie als US-Finanzminister zur Stabschefin. 2001 steigt
sie bei Google ein, im März 2008 wechselt sie zu Facebook, ist
seither als COO die rechte Hand von Mark Zuckerberg. Sie gehört
zu den Young Global Leaders des World Economic Forum.
! MEHR ZUM THEMA: www.meet-the-ygl.com
schreibt sie morgens um halb sechs die ersten E-Mails. Doch
das ist Teil ihrer Botschaft: Frauen sollen sich für ihren Ehrgeiz und ihren Karrierewillen nicht schämen, ganz im Gegenteil. Sandberg sagt, dass sie gemocht werden will, aber
eben nicht nur. „Wenn eine Frau kompetent ist, wirkt sie auf
andere Leute oft nicht nett genug. Und wenn sie richtig nett
wirkt, hält man sie für eher nett als kompetent“, schreibt sie.
„Aber Leute wollen Mitarbeiter einstellen, die kompetent
und nett sind – das ist ein riesiger Stolperstein für Frauen.“
Es geht auch beides: Kind und Karriere!
Wie sich das gehört für eine Facebook-Managerin, hat Sandberg eine ausgiebige Facebook-Seite, hier erfahren ihre 1,2
Millionen Freunde fast alles von ihr. „Ich glaube, ich sollte die Medaille für die Ehefrau des Jahres bekommen, oder
vielleicht sogar des Jahrzehnts“, schreibt sie, „denn ich habe
nicht einfach nur zugestimmt, sondern mich freiwillig angeboten, am Valentinstag mit meinem lieben Mann, Dave
Goldberg, einen Quentin-Tarantino-Film zu gucken.“ Wichtige Message an die Frauen: „Die wichtigste Karriereentscheidung, die eine Frau je trifft, ist die Frage, ob sie einen
Lebenspartner haben will, und wer dieser Lebenspartner ist.“
Ihr Mann, selbst Chef von SurveyMonkey, einer Silicon-Valley-Firma, hat sie immer unterstützt.
Kinder und Karriere zu verbinden ist Sandbergs dritte
große Lebensentscheidung. Ihr Sohn kommt zur Welt, als
sie noch bei Google ist. Am Tag nach der Geburt beantwortet
sie schon wieder E-Mails. Kurz darauf lädt sie zu Meetings in
ihr Wohnzimmer – währenddessen stillt sie das Baby. Nach
drei Monaten kehrt sie ins Büro zurück und vermisst gleichzeitig ihr Baby. Etwas muss sich ändern. Seither verlässt sie
jeden Tag um 17.30 Uhr das Büro. „Alles gleichzeitig zu tun
und zu erwarten, dass alles perfekt klappt, ist ein Rezept für
Enttäuschung. Perfektion ist der Feind“, schreibt sie. Es gebe
Sandberg hat „gelernt, mit am
Tisch zu sitzen“. Mit FacebookGründer Mark Zuckerberg (links),
im Kreis ihrer Mitarbeiter (Mitte)
und mit Barack Obama (unten).
SANDBERGS REGELN FÜR DEN AUFSTIEG ( FÜR MÄNNER UND FRAUEN
1 Trau dich was! Um aufzufallen, muss
4 Jage nicht nach Jobtiteln, sondern
man sich melden. Um eine Gehaltserhönach interessanten Aufgaben!
hung zu bekommen, muss man verhandeln. 5 Kind und Karriere müssen keine Alterna2 Du brauchst einen Mentor! Überzeuge
tiven sein. Beides ist möglich, wenn du dir
ihn von dir, statt ihn einfach zu bitten, dein die richtigen Rahmenbedingungen schaffst.
Mentor zu sein.
6 Suche dir den richtigen Partner, der dich
8 Don’t leave before you leave! Plane
die Karriere nicht mit dem Hintergedanken,
sie für Familie aufzugeben.
3 Gehe Risiken ein! Kleine Unternehmen
können gute Arbeitgeber sein, wenn sie
gute Wachstumschancen haben.
10 Du schaffst nicht alles gleichzeitig!
Verabschiede dich vom Perfektionismus,
er macht unglücklich.
bei deiner Karriere unterstützt! Gleichberechtigte Beziehungen machen glücklicher.
7 Gehe ruhig um 17.30 Uhr nach Hause.
Deine Leistung zählt, nicht die Zeit, die
du mit Arbeit verbringst!
immer Trade-Offs, man müsse sich ständig zwischen Zeit
für die Familie und Zeit für die Arbeit entscheiden. Aber Kinder und Karriere schließen sich nicht aus, wenn man bereit
ist, von sich selbst nicht immer Perfektion zu erwarten.
Bei Google und Facebook setzt sie sich für Regeln ein,
die Frauen helfen, Kinder und Karriere zu verbinden. Bei
Facebook hat sie eine Extra-Mutterschutzzeit eingeführt,
vier zusätzliche bezahlte Monate. Und dank ihr gibt es Parkplätze reserviert für „werdende Mütter“ – direkt neben dem
Eingang. Sie ärgert sich, wenn Karrierefrauen Hausfrauen werden. Sie will fördern, dass Mütter Vollzeit arbeiten.
„Sandberg ignoriert, dass die meisten Mütter das gar nicht
wollen“, kritisiert die Journalistin Carey Goldberg, die für
ihre Kinder ihren Job bei der „New York Times“ aufgegeben
hat, weil sie dort kein Teilzeitangebot bekam.
Sandberg hat mehr Kritik als Lob für ihr Buch bekommen. Hauptargument: Eine Frau wie sie, mit all ihren Privilegien, Millionen, Babysitterinnen und ihrem außergewöhnlichen Talent, dürfe ihre eigenen Erfolge nicht mit
9 Entwickle eine dicke Haut! Lass dich
nicht von jeder Kritik aus dem Konzept
bringen.
normalen Frauen vergleichen. „Sheryl Sandberg ist übermenschlich und reich”, sagt die Princeton-Professorin Anne-Marie Slaughter dem Magazin „Fortune“. „Sie hat einen
guten Beitrag mit ihrem Buch geleistet, aber sie erzählt nur
die halbe Geschichte.“ Es sei gefährlich, sich zu sehr auf die
Fehler der Frauen zu konzentrieren und zu wenig auf das
Versagen von Gesellschaft, Wirtschaft und Politik.
Sandberg lässt sich nicht beirren. Sie will sich nicht
mehr schämen, so wie damals, als sie auf die Forbes-Liste
der mächtigsten Frauen gesetzt wurde. „Ich weiß, dass ich
an meine eigenen Fähigkeiten glauben muss“, schreibt sie.
„Ich komme immer noch in Situationen, bei denen ich mich
überfordert fühle. Ich habe immer noch Tage, an denen ich
mich wie eine Betrügerin fühle. Und es kommt immer noch
vor, dass ich mich niederreden und herabwürdigen lasse,
während den Männern neben mir das nicht passiert. Aber
heute weiß ich, dass ich einmal tief durchatmen und meine
Hand weiter in der Luft halten muss. Ich habe gelernt, mit
am Tisch zu sitzen.”
<
68_69 THINK : ACT // FRUGAL DESIGN
„Gut genug“
Suneet Singh Tuli, CEO der britischen Firma Datawind, zeigt das Aakash-Tablet in Hyderabad, Indien. Es ist das günstigste Tablet der Welt.
Sie sollen einfach, robust und günstig sein:
Produkte, die speziell für die Bedürfnisse
in Schwellenländern entwickelt werden.
Immer ö#er erobern sie auch die westlichen
Märkte – und verkehren die sonst übliche
Innovationsrichtung in ihr Gegenteil.
M
it Elektrokardiogrammen (EKGs)
stellen Ärzte fest, wie gesund ein
Herz ist. General Electric baut Maschinen dafür, seit 2001 auch in Indien. Doch kaum jemand dort kaufte die teuren Hightech-Geräte, der
Marktanteil lag unter fünf Prozent. Ein Arzt hätte
gesagt: kaum noch Herzschlag. Der Patient, das war
die indische EKG-Sparte von General Electric.
Was wir brauchen, sagten die Ingenieure in
Bangalore, ist ein auf den indischen Markt zugeschnittenes EKG-Gerät. Tragbar sollte ihr MAC 400
sein, batteriebetrieben (wegen des instabilen Stromnetzes), leicht zu bedienen und zu reparieren. Und
vor allem: deutlich billiger als die 3000 Dollar, die
General Electric für sein preiswertestes EKG-Gerät
verlangte. Höchstens 800 Dollar sollte es kosten, maximal 1200 Gramm wiegen. Das waren die Limits.
>
70_71 THINK : ACT // FRUGAL DESIGN
Die Anforderungen an den
MAC 400 sind typisch für sogenannte Frugal-Produkte, die speziell für die Bedürfnisse in Schwellenländern entwickelt werden. Schon
der Name macht die Herausforderungen deutlich.
„Frugal“ steht für: functional, robust, user-friendly,
growing, affordable und local. Und für einen wachsenden Markt: Eine Roland Berger-Studie prognostiziert, dass Frugal-Produkte bis 2018 knapp ein Viertel
des Umsatzes westlicher Unternehmen ausmachen
werden (siehe Kasten).
An dem MAC 400 tüftelten die indischen Forscher mehr als zwei Jahre, weitgehend unbehelligt
von der Zentrale. „Wir waren wie ein Start-up, das
auf die Ressourcen eines Konzerns zugreifen kann“,
sagt V. Raja, damals zuständig für General Electric
Healthcare India. „Gleichzeitig sehr klein und sehr
groß zu sein war ein entscheidender Vorteil.“ Seitdem der MAC 400 auf dem Markt ist – 1200 Gramm
zum Preis von 740 Dollar –, verkauft er sich blendend. Und das – zur Überraschung aller Beteiligten
– nicht nur in Indien.
Rund die Hälfte der Geräte geht heute nach Europa, vor allem nach Frankreich – an Arztpraxen, die
sich größere Maschinen nicht leisten können oder
wollen. „Reverse Innovation“ nennt sich dieses Phänomen. In Schwellenländern entwickelte Produkte
entpuppen sich als Erfolg auch in den industrialisierten Staaten. Selbst gesetzte Beschränkungen
und der Verzicht auf jegliche Extras werden zum
Katalysator für radikale Innovationen und Vereinfachungen.
Während der Begriff „Frugal“ die Entwicklung
von Produkten speziell für die Bedürfnisse von
»Reverse Innovation beginnt
nicht mit Erfinden, sondern mit
Vergessen. Demut und Neugier sind
unverzichtbar, um Erfolg zu haben.«
  ,   
      
  
Schwellenländern bezeichnet, geht die „Reverse Innovation“ darüber hinaus. Zu ihr kommt es, wenn
die für die Schwellenländer entwickelten FrugalProdukte auch die Industrieländer erobern, die sonst
übliche Innovationsrichtung vom Westen in die aufstrebenden Märkte sich also in ihr Gegenteil verkehrt.
Zwar haben Frugal-Produkte keine Gimmicks,
die die Herzen von Technikfreaks höher schlagen
lassen. Dafür sind sie einfach zu bedienen und schonen den Geldbeutel. Die aus Taiwan stammenden
Netbooks – ursprünglich gedacht als Einstiegscomputer für Konsumenten in Schwellenländern, die
sich keinen Laptop oder PC leisten konnten – findet
man heute überall auf der Welt. Dasselbe könnte mit
dem Aakash 2 passieren: ein Tablet für umgerechnet
65 Euro, entwickelt von indischen Universitäten, zusammen mit einem britischen Start-up.
Überfluss schadet dem Improvisieren
Am Anfang einer „Reverse Innovation“ steht fast
immer ein drängendes Problem in einem Schwellenoder Entwicklungsland. Viele Frugal-Produkte stammen daher aus dem Bereich der Medizintechnik.
General Electric hat nicht nur den MAC 400 auf den
Markt gebracht. Für Kliniken in der chinesischen
Provinz ließ er ein tragbares Ultraschallgerät entwickeln. Es kostet nur ein Achtel eines stationären
Ultraschallgeräts – und wird heute auch in den USA
in Rettungswagen und Notfallkliniken eingesetzt.
Noch ist es häufig dem Zufall geschuldet, wenn
ein Produkt aus den Schwellenländern den Weg in
die Industriestaaten findet. Künftig aber könnte die
„Reverse Innovation“ sich zu einem strategischen Ansatz entwickeln, um innovativ zu bleiben. Das glaubt
auch Jaideep Prabhu. Der Cambridge-Professor hat
gemeinsam mit Navi Radjou und Simone Ahuja das
Buch „Jugaad Innovation“ geschrieben. „Jugaad“ bedeutet auf Hindi „clever und überzeugend improvisiert“. Je knapper die Ressourcen, desto stärker sei
Jugaad gefragt, sagt Prabhu. Überfluss schade dem
Improvisieren, Mangel mache erfinderisch. Der letzte Jugaad Innovator im Westen sei MacGyver gewesen, sinniert Prabhu. Der TV-Held aus den 1980ern
löste jede noch so knifflige Situation mit kaum mehr
als einem Taschenmesser und Klebeband.
Wenn „gut genug“ reicht, ist das allerdings ein
herber Schlag für das Selbstverständnis von westlichen Ingenieuren, Forschern und Entwicklern, für
ihr „Nur das Beste ist gut genug“. Vielleicht sickert
die Botschaft daher nur zögerlich ein bei vielen
»Traditionelle Rivalen wie Siemens sind Wettbewerber,
aber zerstören können sie uns nicht. Emerging Giants
hingegen könnte das durchaus gelingen.«
 ,    
Konzernen. Es gibt Pioniere wie General Electric,
PepsiCo und Procter & Gamble, aber gerade europäische Unternehmen fremdeln. Sie setzen weiterhin
auf „Glocalization“: Westprodukte werden weltweit
(global) vertrieben, allerdings angepasst an die Verhältnisse vor Ort (local). Es wird hier abgespeckt, dort
ein Feature entfernt, billige ersetzen teure Bauteile
– voilà!
Dahinter steckt ein Denkfehler: In den Schwellenländern gibt es eine wachsende Mittelstandsschicht (richtig), die wird uns die „localized“ Version
unserer Produkte abkaufen (falsch). Niemand ist mit
Sparvarianten und Lowtech zufrieden. Gefragt sind
Produkte, die exakt auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind. Aus wenig möglichst viel machen, darin
zeigt sich die Kunst des „frugal engineering.“
„Reverse Innovation beginnt nicht mit Erfinden,
sondern mit Vergessen”, sagt deshalb Vijay Govindarajan. Er lehrt an der Tuck School am Dartmouth
College und hat gemeinsam mit Chris Trimble das
Buch „Reverse Innovation“ geschrieben. „Demut und
Neugier“, sagt er, seien für den Erfolg in Schwellenund Entwicklungsländern „unverzichtbar.“
Diese Erfahrung hat auch John Deere gemacht.
Der US-Traktorbauer wollte den indischen Markt
umpflügen. Leider mit allzu großen Traktoren. Die
Amerikaner waren davon ausgegangen, dass der
wirtschaftliche Fortschritt – ähnlich wie im 20. Jahrhundert in Nordamerika – zu größeren Einheiten
führen würde. Je größer das Feld, desto passender
die Angebotspalette von John Deere. Doch die Felder
wuchsen nicht, und Deeres Marktanteil in Indien
verharrte irgendwo bei zwei Prozent.
Dann schickten die Amerikaner ein Team nach
Indien, das zwei Jahre lang den Bauern bei der Feldarbeit zusah, mit ihnen und den Händlern redete.
Möglichst unkaputtbar müsse ein Traktor sein und
möglichst vielseitig einsetzbar – gelegentlich sogar
als Familienauto. Wichtig außerdem: ein geringer
Spritverbrauch und ein enger Wendekreis.
Erst nach dieser Lernphase begann 2007 schließlich die Arbeit am „Krish“. Und zwar vor Ort, in Indien. Die US-Zentrale machte keinerlei Vorgaben, verzichtete sogar weitgehend auf Kontrolle. Nur wenn
sie gefragt wurde, unterstützte sie das Team mit
Know-how. Diese Option – bei Bedarf auf Expertise
und Know-how aus dem Westen zurückgreifen zu
können – fehlt den lokalen Konkurrenten. Dennoch
sind sie eine ernstzunehmende Bedrohung, denn sie
kennen die Bedürfnisse vor Ort.
„Traditionelle Rivalen wie Siemens sind Wettbewerber, aber zerstören können sie uns nicht“, sagt
Jeffrey Immelt, CEO von General Electric. „Emerging
Giants hingegen könnte das durchaus gelingen.“
Klar ist: Immer mehr Produkte werden künftig von Schwellenländern aus den globalen Markt
erobern. Die spannende Frage lautet: Wer wird sie
entwickeln? Generel Electric mit dem Mac 400 und
John Deere mit dem „Krish“ haben vorgemacht, dass
westliche Konzerne dazu in der Lage sind.
<
Je größer, desto besser.
Das dachten die Entwickler
bei John Deere – doch die
winzigen Felder in Indien
erfordern kleine, wendige
Traktoren. Erst als ihr robuster
„Krish“ auf den Markt kam,
wurden die Amerikaner ernst
genommen und die Modellpalette aufgefächert (rechts).
Der indische Hersteller
Mahindra bot umgekehrt in
den USA anfangs nur Winztraktoren an – eher geeignet
fürs Rasenmähen. Exakt in
dieser Marktlücke etablierte
sich Mahindra – und baute
die Modellpalette flugs nach
oben aus.
! TAKE AWAY
STUDIE:
Frugal-Umsätze verdoppeln sich fast bis 2018
2012
2018
12%
22%
Derzeit sorgen Frugal-Produkte für 12 % des Umsatzes von
westlichen Unternehmen. Dieser wird sich bis 2018 aber auf
voraussichtlich 22 % fast verdoppeln. Das ist das Ergebnis
der 2013 erschienenen Roland Berger-Studie „FRUGAL products“, für die mehr als 60 Top-Entscheider befragt
wurden. Sie glauben an das Potenzial der speziell für
Schwellenländer entwickelten Produkte, sind aber zugleich
unzufrieden mit den Lösungen ihres eigenen Unternehmens. Das größte Problem: Die Unternehmen können
die Frugal-Produkte aufgrund ihrer Kostenstruktur bisher
nicht so günstig entwickeln wie für Schwellenländer nötig.
Auch bei der Markt- und Bedürfnisanalyse sehen die
befragten Unternehmenslenker noch deutliche Defizite.
! DIE KOMPLETTE STUDIE
finden Sie unter:
rbsc.eu/17BIHea
72_73 THINK : ACT // HENKEL
»Die Identität muss
gewahrt bleiben«
Für global agierende Konzerne führt kein Weg an den Emerging Markets
vorbei. Dabei geht es um weit mehr als neue Absatzmärkte. Die Ausrichtung auf
Länder wie China oder Indien verändert ein Unternehmen in vielerlei Hinsicht.
Ein Gastbeitrag von -  .
M
arco Polo war überwältigt. „Ich habe nicht die
Hälfte dessen erzählt,
was ich gesehen habe“,
schwor der Entdecker,
als Freunde und Verwandte nicht glauben wollten, was er
auf seinen Reisen erlebt hatte. 17 Jahre,
so behauptete der Venezianer, habe er
die Welt bereist. Seine Fahrt diente wirtschaftlichen Zwecken. Marco Polos Familie handelte mit Juwelen und suchte
neue Absatzmärkte – zunächst entlang
der Wolga. Heute würde die Route durch
„klassische“ Emerging Markets führen:
die Türkei, China, Indonesien, Indien
oder die Region am Persischen Golf.
Die Idee, neue Kunden in den Emerging Markets aufzuspüren, treibt die
westliche Welt schon seit Jahrhunderten um. Heute entscheidet sie über die
Zukunft von Konsum- und Industrieunternehmen. Denn an den aufstrebenden
Ländern führt kein Weg vorbei. Für das
Jahr 2013 wird erwartet, dass das Bruttosozialprodukt der Emerging Markets
erstmals über dem der reifen Märkte
liegen wird – und die Dynamik wird sich
fortsetzen:
1
heute immer mehr Waren gefertigt – von
Smartphones bis hin zu Autos oder Flugzeugen. Auch von diesem Trend profitiert
Henkel als weltweit führendes Unternehmen für Industrieklebstoffe.
2
Unsere Strategie, bis 2016 in den Wachstumsmärkten etwa die Hälfte unseres
weltweiten Umsatzes zu erzielen, spiegelt daher die veränderte Dynamik der
globalen wirtschaftlichen Entwicklung
wider: Der Schwerpunkt verlagert sich in
Richtung Emerging Markets. Verstärktes
Engagement in den Emerging Markets
bedeutet jedoch nicht, die Mature Markets zu vernachlässigen. Wir wollen in
beiden Märkten erfolgreich sein.
Seit jeher sorgte der Eintritt in neue
Märkte auch für Veränderungen. Neue
Ansichten und Innovationen bahnten
sich ihren Weg, stellten Bekanntes in
Frage. So räumten in der Renaissance
die medizinischen Kenntnisse aus dem
Nahen Osten mit den hiesigen Vorstellungen von Krankheiten und deren Behandlung auf. Umgekehrt nahm die Brille ihren Weg von Europa nach China. Ein
ähnlicher Wissenstransfer findet heute
Emerging Markets sind jung. Bis 2030
kommen voraussichtlich rund 95 Prozent der Neugeborenen in den Emerging
Markets zur Welt – davon etwa 600 Millionen in Asien, 500 Millionen in Afrika
und 90 Millionen in Lateinamerika und
der Karibik.
In den Emerging Markets wächst
der Wohlstand: 2030 stammen voraussichtlich zwei Drittel der weltweiten
Mittelklasse aus Asien. In Europa gehören ihr dann gerade einmal 21 Prozent
an. China spielt eine Sonderrolle. Schon
jetzt zählt die dortige Mittelschicht mehr
Menschenals die gesamte US-amerikanische Bevölkerung.
In den Emerging Markets liegen die
Märkte der Zukunft: Mit dem zunehmenden Wohlstand steigt die Konsumfreude. In den kommenden acht Jahren
klettern die Ausgaben der Verbraucher in
den Emerging Markets von rund 14 Billionen auf etwa 22 Billionen US-Dollar.
Ganz oben auf der Kaufliste stehen
Markenartikel – darunter auch zahlreiche Produkte, die wir bei Henkel produzieren. Aber auch als Markt für Industriegeschäfte sind Emerging Markets
hochattraktiv. Schließlich werden dort
3
Veränderte Dynamik
25% 2013
! Die Fluktuationsrate chinesischer
Mitarbeiter liegt viel höher als in
den reifen Märkten, zum Teil bei bis
zu 25 Prozent.
! In diesem Jahr wird die Wirtschaftskraft der
Schwellenländer erstmals größer sein als die der
Industriestaaten. Viele Beobachter halten 2013
daher für einen historischen Wendepunkt.
66%
! 2030 stammen voraussichtlich
zwei Drittel der weltweiten Mittelklasse
aus Asien. In Europa gehören ihr dann
gerade einmal 21 Prozent an.
22
Bio. Dollar
! In den kommenden acht Jahren klettern
die Ausgaben der Verbraucher in den
Emerging Markets von rund 14 Billionen
auf etwa 22 Billionen US-Dollar.
in den Konzernen statt – häufig gänzlich
unbemerkt, manchmal gewollt, im Idealfall gezielt gefördert. So auch bei Henkel, wie nur einige Beispiel unter vielen
zeigen.
Das Waschmittel „Persil Black“, das
in Nordafrika zunächst unter dem Namen „Abaya“, benannt nach dem meist
schwarzen Übergewand arabischer Frauen, auf den Markt kam. Heute wird es
auch in Deutschland und anderen europäischen Ländern verkauft. Ein Beispiel
für einen Innovationstransfer aus den
Emerging Markets in unser westliches
Produktportfolio.
Ein weiteres Beispiel: Im hoch technisierten Südkorea – 2016 voraussichtlich
eines von zwölf aufstrebenden Ländern
unter den 20 umsatzstärksten Ländern
im Henkel-Konzern – entwickelten die
Mitarbeiter eine Online-Kampagne für
Persil. Über Blogs, virtuelle Cafés und
Twitter gewannen sie 250 neue Botschafter, fast 5000 Online-Bewertungen
und rund 24.000 Tester. 70 Prozent aller
Kunden würden das Waschmittel wieder
kaufen, ergab eine Befragung. Eine ähnliche Kampagne dürfte auch in Ländern
greifen, die in einigen Jahren ähnlich
hohe Durchdringung mit Internetanschlüssen haben wie Südkorea – darunter auch westliche Staaten.
Durch den Eintritt in Emerging Markets entstehen jedoch nicht nur neue
Ideen, sondern es verändert auch die
Mitarbeiterstruktur von Konzernen – zumindest dann, wenn das Unternehmen
die Sprache seiner Kunden sprechen will.
Henkel arbeitet bewusst daran, den Anteil
der Mitarbeiter in und aus den Emerging
Markets auszubauen. Was in der Theorie
einfach klingt, ist in der Praxis oft eine
echte Herausforderung. So liegt die Fluktuationsrate der chinesischen Mitarbeiter viel höher als in den reifen Märkten;
zum Teil bei bis zu 25 Prozent. Im Schnitt
muss ein Unternehmen seine Belegschaft alle 40 Monate komplett ersetzen.
Geld allein genügt dort oft nicht, um talentierte Mitarbeiter zu halten. Was zählt,
sind langfristige und attraktive Karriereperspektiven – eine Anforderung, der
sich ein global aufgestellter Konzern
über Förder- und Entwicklungsprogramme für seine Top-Talente stellen muss.
Wer bei Henkel aufsteigen will,
braucht auch längere Auslandserfahrung.
Das gilt sowohl für hiesige Mitarbeiter
als auch jene aus den Emerging Markets.
Damit müssen auch interkulturelle Kompetenz und Offenheit im Unternehmen
wachsen. Wenn das gelingt, fließen neue,
ungewohnte Perspektiven in die Diskussionen und Entscheidungen ein – und daraus entstehen klare Wettbewerbsvorteile für Unternehmen. Aktuell zählen wir
allein in der Zentrale in Düsseldorf rund
50 Nationen. Beispielhaft ist die Karriere
des heutigen Regionalchefs der Region
Afrika/Nahost. Er startete Anfang der
1990er-Jahre bei Henkel in Ägypten als
Assistent eines Produktmanagers. Nach
verschiedenen Stationen, die ihn auch
für fünf Jahre nach Düsseldorf brachten,
verantwortet er heute eine der aufstrebenden Regionen in der Henkel-Welt
direkt unterhalb des globalen Vorstands.
Feste Werte im Blick
Der Fokus auf die Wachstumsregionen
wirft Fragen auf, denen man sich stellen
muss: Wie tiefgreifend wird der Eintritt
in die Emerging Markets ein Unternehmen verändern? Wie diversifiziert muss
die Mitarbeiterstruktur sein? Und wie
stark muss sich ein Konzern den lokalen
Gegebenheiten anpassen?
Bei aller Offenheit für Globalisierung
und die zunehmende Bedeutung von
Emerging Markets sollte ein Konzern, so
glauben wir, stets feste Werte im Blick
behalten. Denn gerade wenn die Vielfalt
zunimmt, müssen die Gemeinsamkeiten
klar sein und immer wieder bewusst gemacht werden: Eine unverwechselbare
Unternehmenskultur, eine klare Vision
für die Zukunft und für alle Mitarbeiter
verbindliche Werte – ganz gleich ob in
Deutschland, Indonesien oder Brasilien.
So hat sich Henkel fünf einfache Werte gesetzt und sichergestellt, dass alle
47.000 Mitarbeiter weltweit verstehen,
was sie für jeden Einzelnen bedeuten. So
sehr also der Einstieg in die Emerging
Markets Unternehmen verändert – die
eigene, starke Identität muss gewahrt
und aktiv gestärkt werden.
<
KASPER RORSTED
Der Henkel-CEO, geboren im dänischen
Aarhus, steht seit April 2008 an der Spitze
des Konsumgüterherstellers. Rorsted hat
Henkel verschlankt, die Anzahl der Marken
von 1.000 auf 400 reduziert, die Produktionsstätten um ein Viertel ausgedünnt.
Der Umsatz ist in seiner Amtszeit um
2,5 Milliarden Euro gestiegen.
74_75 THINK : ACT // CHINAS SPRUNG NACH EUROPA
Neue Fabrik vom chinesischen Autobauer
Great Wall Motors in Bulgarien
Sprungbrett
nach Europa
S
o viel Politprominenz hat das polnische
Städtchen Stalowa Wola selten gesehen. Der Vizepremier aus Warschau ist
da, der Landeschef samt Stellvertreter,
die Sejm-Abgeordnete der Region, außerdem mehrere Gemeinde- und Stadträte. Sie alle haben sich an diesem Samstagabend
zusammengefunden, um bei Musik und Folklore
die größte chinesische Investition in Polen zu feiern. Vor etwas mehr als einem Jahr, am 1. Februar
2012, hat der chinesische Konzern LiuGong die
Baumaschinen-Produktion vom polnischen Unternehmen Huta Stalowa Wola (HSW) übernommen.
HSW ist kein beliebiges Unternehmen. Unter
sozialistischen Machthabern war es ein Flaggschiff der polnischen Schwerindustrie, der wichtigste Produzent schwerer Baumaschinen, Artilleriekanonen und gepanzerter Militärtransporter.
Doch der Sprung in die Marktwirtschaft nach dem
Zusammenbruch des Kommunismus ist dem Werk
nie richtig gelungen. HSW schrieb tiefrote Zahlen
und musste immer wieder mit staatlichen Subventionen gerettet werden.
Nun also gehört die Baumaschinen-Produktion den Chinesen. „Uns haben die Technologien
und die hervorragende Qualität des Endprodukts
angezogen“, sagt Hou Yubo, Vizepräsident von LiuGong Machinery Poland. „Um solche Produkte
entwickeln zu können, sind viele Jahre notwendig.
Die Rentabilität zu steigern, geht deutlich schneller.“ Also hat LiuGong das Baumaschinenwerk für
rund 70 Mio. Euro übernommen. In fünf Jahren,
so der Plan, soll die Produktion von 300 auf 3000
Maschinen steigen.
>
Nach Afrika, Amerika und Asien investieren chinesische
Unternehmen nun massiv in Ost- und Mitteleuropa. Ihr Plan: Über
Polen, Ungarn und Bulgarien den europäischen Markt erobern
76_77 THINK : ACT // CHINAS SPRUNG NACH EUROPA
LiuGong Machinery ist ein global agierendes
Unternehmen mit 14.000 Mitarbeitern weltweit. Es
gehört zu der wachsenden Zahl der chinesischen
Konzerne, die sich für eine Investition in Ost- und
Mitteleuropa entscheiden. In Polen gab es vor fünf
Jahren nur vereinzelte Kleininvestoren aus China.
Letztes Jahr knackten die chinesischen Investitionen bereits die 300-Millionen-Euro-Marke. Zurzeit
werden 14 chinesische Projekte im Gesamtwert von
fast 800 Mio. Euro verhandelt. Damit liegt China mit
seinen Investitionen in Polen schon auf Platz zwei.
Nur die USA investieren noch mehr.
„China ist dabei, Polen zu entdecken, und Polen
ist dabei, China zu entdecken“¸ sagt Slawomir Majman, Chef der Polnischen Agentur für Information
und Auslandsinvestitionen (PAIiIZ). „Die Chinesen
haben schon überall investiert: in Afrika, in Amerika,
in Asien. Nun ist die Zeit für Osteuropa gekommen.“
Sein Urteil wird quer durch die Region bestätigt:
Auch in Rumänien, Bulgarien und Ungarn nehmen
chinesische Investitionen rapide zu. In Ungarn haben sie kumuliert schon 2 Mrd. Euro erreicht, was
vor allem an der Übernahme der Chemiefabrik BorsodChem durch den Chemiegiganten Wanhua im
Februar 2011 liegt. In Bulgarien weihte Great Wall
Motors letztes Jahr ein Auto-Montagewerk ein. Zum
ersten Mal wagt sich damit ein chinesischer Autobauer auf den europäischen Markt.
Die Expansion der Chinesen ins Ausland ist ein
verhältnismäßig neues Phänomen. Gerade einmal
zwölf Jahre ist es her, dass die Regierung in Peking
die Wirtschaft ermunterte, jenseits der eigenen
Grenzen zu investieren. „Go global“ hieß die Devise,
und wer ihr folgte, konnte mit großzügiger finanzieller und politischer Unterstützung des Staates rechnen. 2005 haben chinesische Unternehmen rund
»Polen ist ein EU-Land,
und alles, was wir hier
produzieren, kann mit dem
Label ›Made in EU‹
verkauft werden«
 ,  
  
16 Mrd. Dollar ins Ausland investiert, allein im ersten
Halbjahr 2012 schon 46 Mrd. Dollar. 2015 will Peking
zum ersten Mal die Marke von 150 Mrd. Dollar erreichen, was etwa 20 Prozent der globalen Investmentströme ausmachen dürfte.
Die ersten großen chinesischen Investitionen
im Ausland sollten vor allem den Rohstoffhunger
des Landes stillen. Chinesische Firmen kauften
Kupfervorkommen in Sambia, Öllizenzen in Sudan
und Nigeria, Kohlelager in der Mongolei. In Europa
hielten sie sich zunächst zurück. Doch inzwischen
suchen die Chinesen vermehrt nach Know-how und
Technologien – und haben den europäischen Markt
mit 500 Millionen zahlungskräftigen Konsumenten
entdeckt. Typische Beispiele für die neue Strategie
sind die Übernahmen der PC-Sparte von IBM durch
Lenovo und des Autoherstellers Volvo durch Geely.
Oder – in kleinerem Maßstab – die Übernahme von
Huta Stalowa Wola durch LiuGong.
»Die Chinesen haben
schon überall investiert: in
Afrika, in Amerika, in Asien.
Nun ist die Zeit für
Osteuropa gekommen.«
   ,
    
Dass mittlerweile vor allem die ost- und mitteleuropäischen Staaten in den Fokus der chinesischen
Investoren geraten, lässt sich anhand von Zahlen
belegen. Während 2007 rund 88 Prozent der chinesischen Investitionen in Europa nach Westeuropa gingen, sank der Anteil 2012 auf etwa 58 Prozent. „Osteuropa ist im Kommen“, sagt Krzysztof Badowski,
Partner bei Roland Berger Strategy Consultants. „Vor
allem die neuen EU-Mitgliedstaaten locken chinesische Investoren an.“ Nach der Zahl der Deals lag Polen 2012 bereits auf Rang fünf unter den EU-Staaten.
Chinesen sind gute Hausherren
Für LiuGong zählt das wirtschaftliche Wachstum
Polens zu den wichtigsten Investitionskriterien.
„Dazu kommt die Investitionssicherheit wie überall
in der EU“, sagt Hou Yubo, der Vizepräsident von
LiuGong Machinery Poland, „und das bei deutlich
niedrigeren Arbeitskosten.“ Der Chinese lobt seine
polnischen Angestellten. „Sie sind gut ausgebildet,
fleißig und diszipliniert“, sagt der 31-Jährige Manager, der im ersten Jahr die Produktivität des Werkes um fast 40 Prozent steigern konnte. Auch die
Polen haben ihre Vorbehalte gegenüber dem neuen
Besitzer überwunden: „Der Teufel ist gar nicht so
schlimm“, scherzt ein Mitarbeiter. „Die Chinesen
sind gute Hausherren, sie ließen die Werkshallen
renovieren und die Dachleckagen stopfen.“ Der neue
Chef Hou Yubo wird mittlerweile nur noch mit dem
polnischen Kosenamen Bogus gerufen.
Chinesische Investoren in Ost- und Mitteleuropa stoßen auf kaum Widerstand in der Bevölkerung –
und auf keine Sicherheitsbedenken in den Behörden.
„Wir fühlen uns wohl in Polen“,
Modernisierung eingeleitet
sagt Hou Yubo. „Wir sind nicht
hat. Der chinesische Batterieauf einen schnellen Profit aus.
Spezialist BYD betreibt schon
Wir wollen lernen, die Maschieine große Fabrik, der Telekomausrüster Huawei will ein
nen besser zu verstehen, dafür
Logistikzentrum bauen und
schaffen wir Arbeitsplätze und
1000 Arbeitsplätze schaffen.
zahlen Steuern.“ Ist die Absatzkrise in Europa überwunden, hat
„Ungarn ist das Zentrum von
LiuGong in Stalowa Wola große
Europa und verfügt über eine
Grund zur Freude hat Great-Wall-Motors-Präsidentin
Pläne. Der Konzern will sein
entwickelte Logistikindustrie
Wang Fengying. Sie hat das erste Werk in Europa eröffnet.
europäisches Forschungs- und
und einen effizienten DienstEntwicklungszentrum in Polen
leistungssektor“, sagt Justin
Zhang, PR-Chef für Mittel- und Osteuropa bei Huaaufbauen. Auch eine neue Produktionshalle soll
wei. Auch in den beiden Balkan-Ländern, die erst
errichtet werden. „Polen ist ein EU-Land, und alles,
was wir hier produzieren, kann mit dem Label ,Made
2007 der EU beigetreten sind, werden chinesische
in EU‘ verkauft werden“, sagt Hou Yubo. „Das ist ein
Investoren aktiv. In Rumänien investierte China Tobacco International Europe Company rund 40 MilliGütesiegel, das LiuGong den Weg nach Westeuropa
onen Euro in eine Fabrik in Buzau, die in 2012 rund
und in die USA ebnen dürfte.“
Die Offensive chinesischer Firmen in Ost- und
2 Mrd. Zigaretten herstellte. Die chinesisch-rumänischen Fahrräder von Eurosport DHS werden sogar in
Mitteleuropa hat den Segen der chinesischen FühDeutschland verkauft.
rung. Im April 2012 reiste Chinas Ex-Premier Wen
Jiabao nach Warschau, der erste Besuch eines chiMrd. Dollar
Vorstoß in den Norden
nesischen Premiers seit 25 Jahren. Er wurde von
Das wohl interessanteste chinesische Projekt aber
Dutzenden Wirtschaftsbossen begleitet. Polen ist
! Handelsvolumen
ein gutes Testgelände, um den europäischen Markt
startete voriges Jahr in Lovech in Bulgarien. Dort
mit Osteuropa peilt
kennenzulernen und die chinesische Unternehschraubt
Great Wall Motors mit einem bulgarischen
die chinesische RegiePartner seine preiswerten Autos zusammen. Das bilmenskultur an die europäische anzupassen, bevor
rung bis 2015 an
die Investoren zum Angriff auf die konkurrenzstarligste der drei Modelle kostet 8000 Euro und soll mit
ken Märkte in Deutschland oder Frankreich starten.
den Modellen von Dacia aus dem Hause Renault„Polen wird für China zu einer wichtigen DrehscheiNissan konkurrieren. 2012 wurden 2000 Autos zusammengeschraubt, bis 2015 soll die Produktion auf
be in der Region“, sagt Jonas Parello-Plesner, Senior
! Quadratmeter
Fellow am European Council on Foreign Relations,
50.000
ausgebaut werden.
groß ist das Werk von
„und zum Sprungbrett nach Europa.“
In den vergangenen Jahren wurde Great Wall
Great Wall Motors im
In Polen ist der Anteil an kleinen, oft von chiMotors mehrmals beschuldigt, europäische Autos
bulgarischen Lovech
schonungslos zu kopieren. Nun baut das Unternehnesischen Familien getätigten Investitionen deutmen seine Autos selbst in Europa. Vom Osten aus
lich höher als in Westeuropa. In Ungarn dagegen
wolle man in den Norden Europas vorstoßen, so der
geben die großen Konzerne den Ton an. So wie
Konzern unverblümt. Erst Skandinavien, dann GroßWuchan, der 2011 die Chemiefabrik BorsodChem
für 1,2 Mrd. Euro von den Finanzinvestoren Permira
britannien und schließlich Deutschland. Osteuropa
! der chinesischen
und Vienna Capital Partners übernahm und nun die
ist bloß der Anfang.
<
Unternehmen in der
100
500.000
97%
EU wollen noch mehr
investieren als bisher
AUSBAU TROTZ SCHWIERIGKEITEN
Chinesische Unternehmen wollen ihre
Investitionen in Europa weiter ausbauen.
Sie planen neue Fusionen und Übernahmen, um ihre Produkte und Dienstleistungen in der EU zu vermarkten. Das sind
die Ergebnisse der Umfrage „Chinese
Outbound Investment in the European
Union“ der Europäischen Handelskammer
in China in Zusammenarbeit mit KPMG
und Roland Berger Strategy Consultants,
für die 74 chinesische Unternehmen befragt wurden, die in der EU investieren.
97 Prozent der befragten Firmen planen
weitere Investitionen, 85 Prozent wollen vor allem für den europäischen
Markt produzieren. Mehr als ein Drittel
will mit dem Erwerb von Technologien,
Marken und Kompetenzen ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken. Während die
rechtlichen Rahmenbedingungen für
den EU-Markteintritt kaum bemängelt
werden, berichten 78 Prozent der Befragten von operativen Schwierigkeiten und
bürokratischen Hindernissen.
Zu den größten Einschränkungen
zählen die restriktive Vergabepraxis
bei Visa und Arbeitsgenehmigungen
für chinesische Mitarbeiter und das
unflexible Arbeitsrecht.
48 Prozent der Unternehmen beklagen
Probleme bei Genehmigungsverfahren
auf der Lokalebene. Für 85 Prozent
der Befragten sind die Geschä"sbedingungen in der EU schwieriger als
in Afrika, für 69 Prozent schwieriger
als im Nahen und Mittleren Osten.
78 THINK : ACT // FÜR KEIN GELD DER WELT
Wie bekomme ich
eigentlich …
... eine Million
Follower
bei Twitter?
3.075
TWEETS
2.314
FOLGT
1.389.655
FOLLOWER
S
tar-Investor Warren Buffet hat alles richtig gemacht:
Mit seinem Tweet „Warren is in the house“ gab er Anfang Mai sein Debüt beim Kurznachrichtendienst Twitter. Innerhalb eines Tages sammelte Buffet 80.000 Follower, wenig später summierte sich diese Zahl bereits
auf rund eine halbe Million. Kein schlechter Einstand
für einen 82-Jährigen, der kaum mit einem Digital Native zu verwechseln ist. Sein Beispiel zeigt: Wer es im wahren Leben zu etwas
gebracht hat, der wird sich auch in den Sozialen Medien an die Spitze katapultieren – mit überaus einfachen Mitteln.
Doch wenn diese These stimmt, warum nur scheitern die sonst
so omnipräsenten Führungskräfte im Internet? Zugegeben: VirginChef Richard Branson kommt noch auf drei Millionen Follower.
Dahinter aber lichten sich die Reihen, zum Beispiel mit ComputerPionier Michael Dell und seinen 66.000 Anhängern. Oder GE-CEO
Jeff Immelt mit nur rund 10.000 Getreuen. Prominente Führungskräfte aus Europa in den Social-Media-Charts? Fehlanzeige.
Wie es besser geht, zeigen zwei Teenie-Stars: Justin Bieber und
Lady Gaga versammeln beide jeweils mehr als 30 Millionen Follower hinter sich. Die Wirtschaftselite dagegen fremdelt mit der Welt
der Tweets und Likes. Siebzig Prozent der Chefs der 500 größten
US-Unternehmen lassen die Finger von Netzwerken wie Twitter,
Facebook oder LinkedIn. Fürchten Entscheider sich etwa vor der
Macht der Online-Masse?
Beispiele eindrucksvoller Kommunikationsdesaster gibt es zuhauf: „Verwaltungsratssitzung. Gute Zahlen = Glücklicher Verwaltungsrat“, twitterte der Finanzvorstand der börsennotierten USModekette Francesca’s vor einiger Zeit. Ein heikler Tweet, denn die
Quartalszahlen des Unternehmens wurden erst eine Woche später
veröffentlicht. Die Reaktion folgte prompt, der Finanzvorstand wurde mit sofortiger Wirkung entlassen. Der Geschasste nahm es mit
Humor und twitterte: „Es muss einen einfacheren und billigeren
Weg als das geben, um Follower zu bekommen.”
Diesen schnellen Weg gibt es längst: Man kauft sich seine Follower bei Online-Agenturen. 50.000 Söldner gibt es bereits für etwa
250 Dollar. Der auf diese Weise aufgeblähte Account mag Eindruck
schinden. Für die Kommunikation im Netz dagegen bringt TwitterDoping rein gar nichts. Denn im Social Web gibt es eine viel wichtigere Währung: Interaktion. Ohne Dialog verpufft die Botschaft im
digitalen Nirgendwo.
Ein Tweet kann Börsenkurse in den Abgrund reißen. Ein Tweet
kann ein Produkt an die Weltspitze schießen. So lautet das Mantra
der Social-Media-Gurus. Wer die Mechanismen im Netz versteht, so
sagen sie, erhalte die Lufthoheit im Kampf der Meinungen. Durch
den direkten Draht zu Kunden, Geschäftspartnern und Aktionären. Im Idealfall wird der Chef gleich selbst zur Marke – und das
Twitter-Profil zum stolzen Ausweis der eigenen Bedeutung. Doch
auf dem Weg zum Millionenpublikum hilft kein Geld der Welt. Es
sei denn, man sucht das Gespräch mit einer stummen Wand aus
Zombie-Followern.
<
Roland Berger Stiftung: Der Preis für Menschenwürde
Das Engagement von Frauenrechtlerinnen im Fokus: Im Jüdischen Museum in Berlin
wurde der Einsatz von Frauen aus Indien, Afghanistan und Pakistan gewürdigt.
1
1
DIE PREISTRÄGER
Ausgezeichnet wurden die
indische Nichtregierungsorganisation „Jagori“ und das
„Afghan Women‘s Network“
sowie die pakistanische
Anwältin Dr. Asma Jahangir.
Erstmals wurde in diesem Jahr
ein Ehrenpreis vergeben – an
das Jüdische Museum Berlin.
2
2
3
DIE LAUDATOREN
Bundesfinanzminister
Wolfgang Schäuble und
Bundestagspräsident Norbert
Lammert würdigten den
großen Einsatz der Preisträger
für die Rechte der Frauen. Die
drei Organisationen sollen
mit dem zweckgebundenen
Preisgeld ihre Projekte weiter
vorantreiben.
3
DER STIFTER
Prof. Dr. h. c. Roland Berger
überreichte den Preisträgern
neben dem Preisgeld in Höhe
von einer Million Euro auch
eine Medaille, die eigens für
den Preis für Menschenwürde
entworfen worden war.
! MEHR ZUM THEMA:
rbsc.eu/105nxmo
IMPRESSUM
H
Prof. Dr. Burkhard Schwenker
Roland Berger Strategy
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D-80807 München
Tel.: +49 (0)89 9230-0
BILDNACHWEISE
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Paul Glader, Detlef Gürtler,
Matthias Lambrecht, Gina Pace,
Michael Prellberg, Andrzej Rybak,
Christian Salewski, Kathrin Werner
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Prof. Dr. Torsten Oltmanns (V.i.S.d.P.)
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Christina Maria Klein, Stefan Semrau,
Uwe Holländer, Juliane Köbler)
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Dr. Katherine Nölling
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Gudrun Glaser
R
Heiko Ammermann, Krzysztof Badowski,
Markus Berret, Prof. Dr. Björn Bloching,
Charles-Edouard Bouée, Philippe Chassat,
Damien Dujacquier, Oliver Knapp,
Lars Luck, Frigyes Schannen, Gerd Sievers,
Michael Wette, Michael Zollenkop
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R K : 5, 60
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S B: Titel, S. 4, 8-9
PR: 13, 47, 54, 57, 67, 70, 73
R  B C:
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Veröffentlicht im Juli 2013
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Jack Welch
Der härteste Manager
der Welt darüber, wie
man seine Mitarbeiter
anständig behandelt.
Martina Koederitz
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N 19
MUT
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des Wandels
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erklärt, wie aus Big
Data ein Big Business
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