Hau(p)tsache, es wirkt

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Hau(p)tsache, es wirkt
Hau(p)tsache, es wirkt
In der Kosmetikindustrie gelten harte Leistungswerte:
Die Damen werden immer älter, die Cremes müssen
dennoch verjüngern und verschönern – und zwar sichtbar.
pressmaster/Fotolia
Text von Dagmar Lang
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Bestseller 5|6 2011
Schönheitsbedürfnis. 600 Euro für
e­ ine Gesichtscreme. Ein Witz, glauben
Sie? Mitnichten. Es gibt dieses Produkt. Und: Es gibt auch die Nachfrage
dazu. Motivforscherin Helene Karmasin wundert sich in ihrem Buch
„Schönheit kommt von außen“ zu
Recht darüber: „Wie groß muss die
Sehnsucht nach dem sein, was diese
Creme verspricht?“ Sehr groß, denn
auch Martin Gaber, Geschäftsführer
des Marktführers Marionnaud, kennt
Kundinnen, bei denen 300 Euro nicht
die Schmerzgrenze darstellen. Der
Kosmetikmarkt ist im vergangenen
Jahr um 5,2 Prozent gewachsen, bei
manchen Unternehmen noch deutlich
darüber. „Wir versprechen keine Wunder, sondern verkaufen Leistung und
Wissenschaft“, postuliert LancômeChef Youcef „Sue“ Nabi in der aktuellen Ausgabe der Vogue. Und das liest
sich dann im Anzeigenteil so: „Antioxidantien. Was gut für Ihren Körper
ist, kann auch gut für Ihre Haut sein.
Unser ‚Super-Antioxidanten-Komplex‘
ist so leistungsstark, dass kein von
uns untersuchtes Antioxidans mit ihm
verglichen werden kann. Er hilft der
Haut, sich vor freien Radikalen zu
schützen, die unsere Haut altern lassen. Erste Zeichen von Hautalterung
werden sichtbar reduziert. 96 Prozent
der Frauen bestätigen, ihre Haut fühle
sich sofort nach dem Auftragen geschmeidiger, frischer und gesünder
an.“ So lautet die Copy zur Anzeige
„Estée Lauder Day Wear“, und sie ist
nicht die Ausnahme, sondern die Regel in der Kommunikation der großen
Kosmetikhersteller mit ihren Kunden,
wenn es um Inhaltsstoffe geht, die
wirken. Die Marke Lancôme wiederum verspricht mit ihrem Produkt Génifique: „Das Geheimnis liegt in Ihren
Genen.“ Auf der Anzeige ist nicht einmal ein faltenloses Gesicht zu sehen,
Bestseller 5|6 2011
darum, Produkte zu entwickeln, die bedas Produkt steht im Mittelpunkt, ebenso
stimmte Hautbedürfnisse befriedigen.“
bei der Anzeige für Estée Lauders Night
Denn: Heutzutage fliegen Frauen beispiels­Repair, ein Produkt, das mit dafür verantwortlich ist, dass die Amerikaner am Luxus- weise sehr viel, und die Haut trockne dabei
sehr stark aus. Also werden Feuchtigkeitspflegemarkt die Nummer eins sind.
produkte entwickelt, die der Haut die verlo„Das Wichtigste ist die Wirkung, der Preis
rene Feuchtigkeit einerseits zurückgeben
spielt eine untergeordnete Rolle“, erklärt
und andererseits aber auch Wirkstoffe bein­Marion Pelzel, Brand General Manager von
Estée Lauder. Deshalb sind die Aktivitäten in halten, die den eigenen Mechanismus wieder dazu anregen, die Feuchtigkeit länger
der Feinparfümerie für die Luxusmarken so
speichern zu können. Auch Anti-Age ist bei
wichtig, weshalb die großen Player sehr viel
Chanel ein großes Thema.
in die Information und die Schulung der
L’Oréal, nach Nivea die Nummer zwei
­Verkäuferinnen vor Ort stecken. „Das Umbeim Gesicht in der breiten Distribution,
feld spielt eine große Rolle“, ist Andrea
setzt ebenfalls auf hochwertige TechnologiSchmoranzer-Jerabek überzeugt. Sie ist als
en wie zum Beispiel mit der Serie Youth
General Manager der Division Produits de
Code, die durch die Genforschung inspiriert
Luxe aus dem Hause L’Oréal für Marken wie
wurde. Marketingleiterin Alma Kopic weiß,
Lancôme, Biotherm, Armani, Helena Rubinwohin die Reise geht: „Ein weiterer Trend,
stein und die Kultmarke Kiehls verantwortder sich langsam in Europa etabliert, ist die
lich. Aus ihrer beruflichen Vergangenheit
kennt sie auch den „Mass Market“ und weiß, ‚instrumentelle Kosmetik‘, die die Wirkung
einer Pflege mittels Anwendungstechnologidass der Kauf von teuren Kosmetika nicht
en verstärkt.“ Aktuelles Beispiel: L‘Oréal
unbedingt etwas mit dem Einkommen zu
Collagen Vibration Auge.
tun haben muss. „Es gibt genügend Kundinnen, die sparen, damit sie sich diesen kleiInnovationen bleiben der Motor
nen Luxus leisten können. Dafür wollen sie
Beworben werden L’Oréal-Produkte in erster
natürlich eine stimmige Leistung.“
Linie mit großen Persönlichkeiten wie Inès
de la Fressange oder Jane Fonda. „Der Trend
Die Performance zählt
Leistung also um jeden Preis? „Performance geht dabei zu Persönlichkeit, Vielfältigkeit
und Charisma“, erklärt Kopic. Insgesamt
ist ein genereller In-Trend in der Kosmetik
und bei Pflegeprodukten. Pflege allein reicht setzt die Kosmetikindustrie auf mehr Natürlichkeit. Beispiel Unilever: Hatte das Unternicht mehr. Die Produktversprechen und
nehmen für die Marke Dove in der Werbung
-leistungen nehmen weiterhin zu“, erklärt
mit besonders üppigen oder älter wirkenden
Bernhard Voit von Henkel für die Marke
Frauen Aufsehen erregt, so sind die jetzigen
­Diadermine, die mit Olaz die Nummer drei
Models wieder fescher, wenn auch sehr naauf dem „Mass-Market“ ist (jene Produkte,
türlich, wie Unilever-Managerin Constanze
die über die Drogeriemärkte Bipa und dm
Berger zu berichten weiß.
sowie im Lebensmittelhandel vertrieben
Auch bei Henkel ist man überzeugt: „Inwerden). Deshalb sieht er für Pflegeproduknovationen bleiben der Motor“, so Voit. So
te mit starkem Produktversprechen auch
setzt man bei Diadermine auf leistungsfähiweiterhin ein hohes Potenzial. „Dies ist
auch eine wesentliche Richtung der Innova- ge Inhaltstoffe, rasche Wirkung, natürliche
tionstätigkeit. Und sie beschränkt sich nicht Inhaltsstoffe, allergiefreundliche Produkte
und neue Anwendungsformen wie zum Beialleine auf das Anti-Age-Segment,“ so Voit.
spiel Applikationsformen wie Roll-on oder
Harald Pavlas, Geschäftsführer von
Pipetten. Aktuelle Inhaltsstoffe in der Anti­Chanel Österreich, geht noch einen Schritt
Age-Kosmetik sind derzeit unter anderen
weiter, wenn er sagt: „Bei Chanel geht es
Hyaluron, Retinol, Urea, pflanzliche
uns nicht darum, trendy zu sein. Es geht
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L‘Oréal, Schwarzkopf, Marionnaud, Beiersdorf
Stammzellen sowie hochwertige Öle. Der Handel gibt ihm Recht:
„Ich unterscheide bei Innovation allerdings nicht zwischen Naturund Hightech-Kosmetik. Es ist genauso innovativ, eine uralte Heilpflanze wiederzuentdecken, wie im Labor neue Erkenntnisse zu
­gewinnen“, sagt Marionnaud-Chef Gaber.
Richard Weber, Brandmanager der breit distribuierten Marke Olaz,
nimmt zwei Trends wahr: zum einen jenen für spezialisierte Produkte für gezielte Bedürfnisse, zum anderen einen zu „All-in-one-Lösungen“, dem die Total-Effects-Linie von Olaz entspricht: „Wir beobachten den Alterungsprozess der Bevölkerung weltweit und wissen
daher, dass die Lebenserwartung von Frauen steigen wird und wir einen signifikanten Anstieg der Zahl jener erwarten können, die über
100 Jahre alt werden. Das eröffnet uns die Möglichkeit, KonsumentinFür Harald Pavlas irgendwie ganz natürlich:
nen, die lange jung aussehen möchten, Produkte anzubieten, die ih„Man darf die Luxuspositionierung von N° 5
nen das ermöglichen.“
in keiner Weise ändern und muss sie permanent neu aufladen, was wir mit unserer
Nachhaltigkeit mit Doktortitel
Kommunikation auch immer wieder schafBei aller Liebe zur Innovation sollte man die Nachhaltigkeit nicht
vergessen. Diese Meinung vertritt immerhin der absolute Marktführer, fen.“ Über die Jahrzehnte ist an Chanel N° 5
immer wieder gearbeitet worden. So wurden
Beiersdorf, wenn Marketingleiterin Birgit Linhart-Kaser meint:
minimale Veränderungen am Flakon vorge„Durch den Trend zu schnelllebigen Innovationen und immer kürzer
nommen. „Diese sind für den Verwender
werdenden Innovationszyklen ist es wichtig, ‚Evergreens‘ zu schafzwar kaum sichtbar, tragen aber dazu bei,
fen. Nur mit überzeugenden Technologien und ganzheitlich stimmidass die Form stets modern und wertvoll
gen Konzepten wie Nivea Q10, die sich seit zehn Jahren erfolgreich
bleibt. Aber natürlich tragen auch die N°behaupten, gelingt es, langfristige Bestseller zu schaffen.“ Was im
­Übrigen ein wichtiges Phänomen des Kosmetikmarkts darstellt: Trotz 5-Kampagnen sehr viel dazu bei, dass N° 5
immer begehrenswert und sexy bleibt“, ist
hunderter Neueinführungen, Sommer-, Frühling- und Herbstvariander Österreich-Geschäftsführer überzeugt.
ten, Limited E
­ ditions et cetera ist der meistverkaufte Duft der Welt
Dennoch müssen neue Strömungen
noch immer Chanel N° 5.
rechtzeitig erfasst und bei Produktentwicklungen berücksichtigt werden – wie aktuell
bei der neuen natürlichen Produktlinie Nivea Pure & Natural geschehen. Mit der Einführung dieser Serie erfülle Nivea den Kundenwunsch nach Produkten mit natürlichen
Inhaltsstoffen, die gleichzeitig Effektivität
und Hautverträglichkeit mit Umweltfreundlichkeit und Genuss bei der Anwendung
vereinen: Es wird auf die Verwendung von
Silikonölen, chemischen UV-Filtern oder
künstlichen Farbstoffen verzichtet.
Wie man mit natürlicher Nachhaltigkeit
„Es gibt genügend Kundinnen, die für diesen
„Performance ist ein genereller In-Trend in
äußerst erfolgreich sein kann, zeigt die Markleinen Luxus sparen“. Andrea Schmoranzerder Kosmetik. Pflege allein reicht nicht mehr.“
ke Kiehls aus dem Hause L’Oréal, die 2010
Jerabek, L’Oréal Division Produits de Luxe
Bernhard Voit, Henkel
ein Plus von 43 Prozent hingelegt hat, ohne
einen Euro für klassische Werbung auszugeben. „Alle Flaschen sehen gleich aus, es
werden keine Farbstoffe oder Parfüms verwendet“, erklärt die dafür verantwortliche
Managerin, Andrea Schmoranzer-Jerabek,
wobei die Produkte in Österreich lediglich
an vier Verkaufspunkten erhältlich sind,
was natürlich zu ihrer Exklusivität beiträgt.
Im Prinzip entspricht Kiehls dem gleichen
Trend, der von Marionnaud-Chef Martin
­Gaber so erklärt wird: „Die Renner in der
„Es ist genauso innovativ, eine uralte Heilpflanze
„Genauso wichtig wie Innovationen sind
Gesichtspflege sind die sogenannten ‚Dr.‘wieder zu entdecken, wie im Labor neue Erkenntnachhaltige Bestseller.“
Brands wie zum Beispiel die Marke Dr. Kitnisse zu gewinnen.“ Martin Gaber, Marionnaud
Birgit Linhart-Kaser, Beiersdorf
zinger, deren Produkte mit ihren medizi-
„‚Instrumentelle Kosmetik‘ hält
inzwischen auch in Europa Einzug.“
Alma Kopic, L’Oréal
„Der Trend zu Dunkelbraun ist vorbei. Natürlichkeit ist angesagt, auch in der Werbung.“
Constanze Berger, Unilever
„Das Wichtigste ist die Wirkung, der Preis
spielt eine untergeordnete Rolle.“
Marion Pelzel, Estée Lauder
„100 Jahre Hautpflege fürs Leben.“ Damit
gen Trend zum „Must-have“. Anders lasse
betont Beiersdorf seine Kompetenz in der
sich das Phänomen von Wartelisten für
Haut- und Körperpflege, aus der dekorati­dekorative Kosmetik in ihrem Haus nicht
­erklären – zuletzt für eine Armani-Lidschat- ven hat man sich zumindest in Deutschland
zurückgezogen.
tenpalette. „Luxus ist, was nicht jeder hat“,
In Österreich ist die Entscheidung noch
so die L’Oréal-Managerin. Legendär der
nicht gefallen, tickt der Markt doch deutlich
­Verknappungshype um die Nagellackfarbe
anders als andere, zum Beispiel in Sachen
Particuliére von Chanel im Vorjahr. Dazu
Wartelisten für Lidschatten
Farben. Bei den Lippenstiften ist die Note
Martin Gaber: „Den Nagellack-Hype gibt es
Neben den bisher genannten Trends gehört
„Korall“ hierzulande der Hit, in den USA ist
noch immer, aber nicht zum Thema Verauch der Männergesichtspflegemarkt mit
es eindeutig Pink. Die Schweizerinnen geknappung, sondern zur Trendfarbe.“ Die ist
seinen zweistelligen Zuwachsraten zu den
ben doppelt soviel für Luxuskosmetika aus
bei Chanel heuer gelb. Je bunter, desto besErfolgsgeschichten der vergangenen Jahre.
wie die Österreicherinnen, die Asiatin verser, bestätigt auch Alma Kopic von L’Oréal.
Erfunden hat ihn Beiersdorf mit der Marke
wendet mindestens sieben Cremen am Tag.
Das gilt besonders für die ganz jungen
Nivea Men, aber auch L’Oréal setzt auf den
Nicht alles, was auf den Markt kam, war
­Anwenderinnen, wie Rewe-Konzernsprechegepflegten Mann. „Generell wird Attraktiviauch erfolgreich. So gab es vor drei Jahren
rin Corinna Tinkler für Bipa erklärt. Die
tät auch für Männer immer wichtiger – im
Parfümeriekette hat mit den Bipa-Eigenmar- einen regelrechten Boom für die leicht
Beruf und privat. Aktuelle Studien zeigen
selbstbräunenden Sommer-Body-Lotions
deutlich auf, wie sehr die Körperpflege Aus- ken ein breites Sortiment für Taschengeldnahe zu aller Hersteller, ja, sogar Hofer hatbudgets zur Verfügung. Bei den älteren
wirkungen auf die Karriere im Beruf hat“,
te unter der Eigenmarke eine im Sortiment.
Kundinnen gilt: „Die dekorative Kosmetik
meint Birgit Linhart-Kaser. „Produkte für
­Inzwischen fristen sie ein Schattendasein,
ist oftmals die Einstiegsdroge“, weiß MariRasur und Après Shave gehören zum
abgelöst von hautstraffenden oder feuchtigon Pelzel von Estée Lauder.
­Standard, vor allem aber haben Männer die
keitspendenden Lotions. „Die Anwendung
Pflege der Haut für sich entdeckt. Diese
war einfach zu kompliziert“, zieht UnileverSelbstbräunung ist passé
­Gesichtspflegeprodukte haben hier in den
Frau Constanze Berger die Bilanz, „außerInsgesamt gehört der Kosmetikmarkt zu jevergangenen vier Jahren weltweit eine
dem ist der Trend zu dunkelbraun vorbei.“
Wachstumsrate von über 40 Prozent erzielt.“ nen Märkten, die in Print sehr stark beworDa scheint das jugendliche Aussehen wohl
ben werden. Allein Beiersdorf gibt weltweit
Allerdings: Dekorative Kosmetik ist weinachhaltiger zu sein, wenn es den Kunden
eine Milliarde Euro dafür aus, heuer übriterhin fast ausschließlich Frauensache. Hier
gens 70 Prozent für die Jubiläumskampagne bis zu 600 Euro pro Tiegel wert ist.
ortet Schmoranzer-Jerabek einen eindeuti-
Estée Lauder, L‘Oréal, Unilever
nisch getesteten Wirkstoffen einen richtigen
Höhenflug erleben.“ Nicht von ungefähr
taucht in der Werbung von Diadermine immer ein Dr. Caspari auf, neben Veronika
Ferres für die Schönheit offensichtlich ein
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26.05.2011 15:40:20 Uhr