Bürgerbrief Nr. 97 Bund der Lebaer e.V. (BdL)

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Bürgerbrief Nr. 97 Bund der Lebaer e.V. (BdL)
Bund der Lebaer e.V. (BdL)
www.Leba-BdL.de
Bürgerbrief Nr. 97
März 2015
Liebe Lebianer, liebe Freunde des Bundes der Lebaer,
Wandervögel
Hoch am hellen blauen Frühlingshimmel
sah ich Wandervögel, die gen Osten flogenKehrten heim aus Winters Ferne.
Meine Seele ist wohl mitgezogen,
sucht voll Sehnsucht auch der Heimat Sterne.
Könnt ich wie der Kranich heimwärts eilen,
zu vertrauten und geliebten Räumen und Verlornes selig wiederfinden!
„Ist´s uns doch zumut, als ob wir träumen!“
Heimwehkrank sah ich den Flug verschwinden,
in dem hellen Dunst der Himmelbläue;
Wandervögel sind wir Menschen alleEinmal werden wir die Heimat finden.
Marie Luise von Roon
Im März jährt sich zum 70-igsten Mal der Verlust unserer schönen Heimatstadt Leba und ganz
Hinterpommerns.
Wie war es damals, als es hieß „die Russen kommen“?
Am 09. Und 10. März 1945 wurden (zunächst) Lebafelde und Leba von russischen Truppen besetzt.
Im Zuge der sogen. „Ostpommernoperation“ der Roten Armee war zu diesem Zeitpunkt bereits der
größte Teil Pommerns eingenommen.
Teile der 2. Weißrussischen Front unter dem Befehl des Marschall Rokossowski, einem gebürtigen
Polen, zogen die russischen Verbände von Köslin Richtung Lauenburg und Leba.
In der Nacht vom 09. auf den 10. März 1945 erreichten russische Panzerspähwagen und Kosaken von
Giesebitz-Elbengrund kommend zunächst Lebafelde (1). Noch in der Nacht zuvor hatten deutsche
Soldaten im Gasthaus Felsner in Lebafelde übernachtet, sie wurden im Laufe des 09. März
gefangengenommen, einige sogar erschossen (2).
In Leba waren in der Bevölkerung lange keine Einzelheiten über die Annäherung der russ. Truppen
bekanntgeworden, jetzt aber war man dort bereits bei Einbruch der Dunkelheit des 09. März in großer
Aufregung. Jeder versuchte sich so gut es ging auf die kommende Situation einzurichten.
Von der Stadtverwaltung wurde wegen der Gefahr eines Artilleriebeschusses die Anordnung getroffen,
gegen Mitternacht die Stadt zu räumen.
Mit Fuhrwerken, Karren, Hand- und Kinderwagen zogen viele zum Dünenwäldchen östl. des
Kurhauses.
Bürgermeister und einige andere Personen hatten angeblich schon zu dieser Zeit die Stadt in östlicher
Richtung verlassen.
Die ersten Russen erreichten gegen 7 Uhr des 10. März die Stadtgrenze
Als die sich im Dünenwäldchen versteckten Lebjaner in die Stadt zurückkehrten, war diese
vollkommen besetzt. Häuser und Wohnungen waren größtenteils aufgebrochen und geplündert (3).
-1-
An der Besetzung Lebas direkt beteiligt waren die 101. Garde-Schützendivision Unter Oberst
Grobenkin, das 3. Garde-Panzerkorps unter Generalleutnant Der Panzertruppe A.P. Pantilow, das 108.
Selbstfahrlafettenregiment unter Major A.M. Potapow und Teile der 4. Luftarmee.
Anmerkung: Für diese Verbände wurden auf Erlass von Stalin vom 10.03.1945, in Moskau 20 Salven
aus 224 Rohren geschossen (Qu. S.P. Ivannewa, „Die Befreiung der Städte“ von 1985).
Nach dem Einmarsch der russ. Truppen musste sich die Bevölkerung ins Hinterland zurückziehen, da
sich auf der Halbinsel Hela und in Danzig noch deutsche Kampfverbände befanden und die Russen mit
Beschuss von dort rechneten. Dieser erfolgte aber nicht (Qu. Lilli Bohl, geb. Felsner).
Fast genau zwei Monate später, am 08.Mai 1945, endete der 2. Weltkrieg. Die Vertreibung lag noch
vor uns.
Kurt Bohl
Quellen: (1) Erich Murawski, „Die Eroberung Pommerns durch die Rote Armee“.
(2) Lilli Bohl, geb. Felsner, Lebafelde.
(3) Helmut Lindenblatt, „Pommern 1945“.
Anmerkung zum Bericht:
Seit Erscheinen der Bürgerbriefe wurde immer wieder über die Erlebnisse und Erinnerungen unserer
Landsleute aus Leba und Umgebung berichtet und sind damit wichtige Zeitdokumente.
Als Ergänzung hier die Berichte
von K.-H. Pagel in der Ortsbeschreibung Giesebitz unter www.stolp.de/Giesebitz
Am 09. März 1945 wurde Giesebitz von russischen Truppen, Panzern und Infanterie, die aus
südwestlicher Richtung kamen, besetzt. Die Bewohner waren alle im Dorf zurückgeblieben. Es war
voll Trecks aus Ost- und Westpreußen. Beim Einmarsch wurde das Stallgehöft des Bauern Albert Pirr
von einem deutschen Tiefflieger getroffen. Nach der Besetzung musste Giesebitz aus militärischen
Gründen für etwa fünf Wochen geräumt werden. Die Bewohner suchten in den Nachbargemeinden
Zuflucht. Anfang 1945 kamen die Polen. Die polnische Miliz begann ihr Schreckensregiment. Der Tod
von Hermann Piotter, der auf entsetzliche Weise gefoltert wurde, erregte die Menschen im Dorf
zutiefst. Es folgte die Vertreibung der Bewohner. Die Heimatortskartei Pommern hat später 295 von
ihnen in der Bundesrepublik und 178 in der DDR ermittelt. Die Polen, die das Dorf als Kriegsbeute in
Besitz genommen haben, nennen es Izbica.
Kriegs- und Vertreibungsverluste: 19 Gefallen, 11 Ziviltote und 57 Vermisste ( „ungeklärte Fälle“)
Ulrich Dorow
Sieger schreiben die Geschichte
(Altdeutsches Sprichwort: „Wer gewinnt hat recht. Wer verliert, ist schlecht.“)
In der offiziellen russischen Geschichte (Sawjalow und Kaljadin, Militärverlag des
Verteidigungsministeriums der UdSSR, Moskau 1960, Seiten 175 und 176) ist zu lesen:
„Gemäß Befehl des Kommandeurs des 3. Garde-Panzerkorps sollten die 2. Mot. GardeschützenBrigade und die 18. Garde-Panzerbrigade Lauenburg erobern. Die übrigen Truppen des Korps hatten
den Auftrag, Lauenburg im Norden zu umgehen, diesen Ort mit schwächeren Kräften zu blockieren,
mit den Hauptkräften Neustadt anzugreifen und zu erobern.
Die 18. Garde-Panzerbrigade, welche die Stadt unmittelbar von Westen her angriff,
traf auf den Zugängen zur Stadt auf starkes feindliches Feuer und blieb liegen. Erfolglos blieb auch
der Versuch der 2. Mot. Garde-Schützenbrigade, aus der Bewegung heraus anzugreifen. Die Kämpfe
nahmen erbitterten, langwierigen Charakter an. In der zweiten Hälfte des Tages war die 102. GardeSchützendivision des 40. Garde-Schützenkorps herangekommen. Die Regimenter dieser Division
entfalteten sich aus der Bewegung heraus, griffen den Gegner an zusammen mit der 18. GardePanzerbrigade, brachen den Widerstand und drangen in die Stadt Lauenburg ein. Im Lauf der Nacht
und des folgenden Tages (11. März 1945) führten die Truppen der 102. Garde-Schützendivision und
die Panzereinheiten der 18. Garde-Panzerbrigade angespannte Straßenkämpfe in der Stadt. Am 10.3.
abends war Lauenburg vom Feinde völlig gesäubert.“
Abgesehen von dem geradezu irrsinnigen zeitlichen Widerspruch, den die beiden letzten vorstehenden
Sätze enthalten, berichten alle deutschen Zeitzeugen
-2-
- am Ort verbliebene Lauenburger, Flüchtlinge aus den östlichen und südlichen Reichsgebieten sowie
die letzten aus dem dortigen Raum abziehenden deutschen Soldaten -dass Lauenburg kampflos
besetzt worden ist.
Die einzigen Schüsse, die an diesem Tag in Lauenburg fielen, ergaben sich aus den Übergriffen der
Sowjets gegenüber der Zivilbevölkerung und den Selbsttötungen gequälter deutscher Opfer.
Die selbstverliehenen Attribute der Roten Armee wie - „ruhmreich“, „glorreich“, usw. - müssen
offensichtlich durch ein weiteres Adjektiv - „äußerst phantasievoll“ - ergänzt werden.
ud
und Egon Ojowski
Wie war es, als vor 70 Jahren der Russe nach Leba kam?
Erinnerungen an diesen 10. März 1945 und an die Tage davor und danach sind mir noch in guter
Erinnerung geblieben. Besonders deshalb, weil mein Vater eine wichtige, ja tragische Rolle gespielt
hat, und ich mich oft mit meiner Mutter darüber unterhalten habe. Ich habe seine Entscheidungen
akzeptiert und Verständnis dafür aufgebracht.
Die Silvesternacht 1944 war sternenklar. Bei hellem Mondschein kamen wir von Rumbke und trafen
auf der Mühlengrabenbrücke auf so genannte „Hexen“, sie feierten und tanzten auf Besen. Von Krieg
war noch nichts zu spüren.
In den folgenden Wochen wurde es unruhiger in Leba. Die ersten Flüchtlinge kamen aus dem Osten
und mussten untergebracht werden – auch in er Schule. Ab Mitte Januar fand kein Unterricht mehr
statt. Meine Schwester erzählte mir, dass die Lehrerin, Fräulein Heidke, die Klasse über den Krieg
aufgeklärt hatte. Über den Frontverlauf war zu der Zeit in der Bevölkerung wenig bekannt. Viele
glaubten wohl der Propaganda, dass der Endsieg bevorstehe. Fräulein Heidke empfahl den Kindern,
sich die noch fehlenden Papiere bei der Stadtverwaltung zu besorgen und mit den Eltern zu sprechen.
Eines Tages wurden Bücher verbrannt. Ich war dabei und sah, dass ein neues Lesebuch der
2. Klasse verbrannt werden sollte. Ich nahm es schnell vom Stapel, denn meins, das ich von meiner
Schwester „geerbt“ hatte, war zerschlissen.
Inwieweit die Lebaer, besonders die Fischer, sich auf eine Flucht vorbereit hatten, weiß ich nicht.
Mein Vater jedenfalls hatte nach Aussagen meiner Schwester schon vor Weihnachten heimlich einige
Utensilien auf den Kutter gebracht. Am 09. März wollte er Betten auf den Kutter bringen. Dabei wurde
er vom deutschen Stadtkommandanten erwischt. Er drohte meinem Vater an, ihn zu erschießen, falls er
die Betten nicht sofort wieder nach Hause brächte. Ich wollte das zunächst nicht glauben, aber meine
Schwester Inge bestätigte dies, denn sie war dabei gewesen.
Im Laufe des Tages bekam mein Vater den Befehl Flüchtlinge nach Großendorf zu fahren. Es liegt
kurz vor der Halbinsel Hela. Mein Vater wollte uns nicht alleine zurücklassen. Aus Angst vor der
Entdeckung durch den Stadtkommandanten versteckte er meine Mutter, meine Schwester und mich im
Maschinenraum. Durch den Dieselgestank und den Wellengang wurden meine Mutter und ich
seekrank. Erst auf See durften wir wieder an Deck und frische Luft schnuppern.
Am frühen Abend erreichten wir Großendorf und gaben die Flüchtlinge ab. Auf dem Heimweg war ein
sehr starker Sturm aufgekommen, so dass der Kutter stark vereiste. Ein Soldat war an Bord gewesen,
der zu meinem Vater gesagt haben soll, dass er mitfahren würde, wenn er fliehen würde.
Mein Vater floh nicht, sondern lief Leba wieder an. Wir gingen von Bord. Spät abends sagten Vater
und Mutter zu uns: “kommt, wir wollen jetzt los!“ Als wir zum Kutter kamen, standen mehrere
Menschen am Anlegesteg und riefen: “Edert (Eduard) nimm mich mit – nimm mich mit. Wir stiegen
auf den Kutter und die Leute hinterher. Als meine Mutter und ich vorne in der Kajüte in der Koje
lagen, wurden wir wieder seekrank und mussten uns fürchterlich übergeben. Daraufhin fuhr mein
Vater nicht los, sondern wir gingen wieder nach Hause.
Meines Wissens wurde von der Stadtverwaltung der Befehl erteilt, dass Leba geräumt werden müsse.
Daraufhin machten wir uns nachts mit ein paar Habseligkeiten und Schlitten auf den Weg und gingen
über die Felder nach Osten in Richtung Bohn. Plötzlich gab es einen fürchterlichen Knall und ein
riesiger Feuerschein erhellte den Himmel und die Gegend. Das Schülerlandheim und der
Lagerschuppen für Strandkörbe waren in die Luft geflogen. Im Schülerlandheim war Munition
gelagert. Die Soldaten hatten es gesprengt. Irgendetwas zischte über unseren Köpfen hinweg. Es war
wohl ein Geschoss.
Östlich der Mampedüne ließen wir uns im Wald nieder. Hier trafen wir unsere Verwandten
-3-
Arno Ojowski und Fritz Karth mit Familien, die einen kleinen Unterstand provisorisch aufgebaut
hatten. Gegen Morgen, als es schon etwas hell geworden war und der Wind sich etwas gelegt hatte,
hörten wir die Maschinengeräusche von auslaufenden Kuttern. Mein Vater kletterte auf eine Düne und
erklärte uns, welche Kutter es waren. Die Fischer kannten die Motorengeräusche der Kutter ihrer
Kollegen.
Es liefen folgende Fischer mit ihren Kuttern aus: Hans Gaedtke, Willi Piepkorn, Paul Jannusch und
Karl Walkows. Mein Vater wird es wohl bereut haben, dass er weit weg von seinem Kutter war. Am
Vormittag machten wir uns auf den Heimweg. Wir banden uns weiße Taschentücher um den Arm. Als
wir die ersten Häuser erreicht hatten, gingen wir an etwa 4 deutschen Soldaten vorbei, die von den
Russen gefangen genommen worden waren und auf einem Baumstamm saßen. Als wir an unserem
Haus ankamen, sahen wir, dass die Türen offen standen und innen alles durchwühlt worden war.
Besonders scharf waren die Russen auf Uhren. Sie riefen immer wieder: „Uhra – Uhra!“ Einige hatten
sich schon mehrere auf den Arm gebunden. Es kamen immer wieder Russen vorbei, die es außerdem
auf Essensachen abgesehen hatten. Die von meiner Mutter eingeweckten Aale haben ihnen besonders
geschmeckt.
Am Vormittag des 11. März kam Fritz Krüger, der Vater von Gisela Frobel, geb. Krüger, zu
meinem Vater und bat ihn, ihm Luft zum Anwerfen der Maschine zu geben. Er hatte zu meinem Vater
gesagt: „ Edert, komm mit, die Mole ist nicht bewacht!“. Mein Vater gab ihm Luft. Fritz Krüger und
Wohl noch zwei weitere Kutter liefen aus. Nur mein Vater nicht. Gisela Frobel erzählte mir, dass ihr
Vater losgefahren sei, an der Zuckerfabrik noch ein paar Leute mitgenommen habe, so dass 41 Leute
an Bord waren. Während des Auslaufens wurden sie von der Räuchereiseite her beschossen. Ferner an
der Mole von Soldaten, die das Auslaufen der Kutter wohl wegen des hohen Alkoholpegels erst sehr
spät bemerkt hatten. Gott sei Dank wurde niemand verletzt.
Sehr bald kam die Gulaschkanone zu uns auf den Hof. Hier wurde für die normale Mannschaft
gekocht, die zum Teil in unserer Scheune untergebracht war. Für die Offiziere kochte man in der
Küche meiner Großeltern. Sie speisten dann in der Wohnung.
Die Russen selbst und der Koch waren zu uns Kindern freundlich. Wir saßen bei ihnen auf dem Schoß
und bekamen von ihrem Notgebäck, das sie in der Hosentasche hatten, und Sonnenblumenkerne zu
essen. Das Gebäck war fürchterlich hart. Sie konnten wunderbar singen. Besonders, wenn sie
angetrunken waren sangen sie sehr sentimental die russischen Volkslieder.
Diese Freundlichkeit soll aber nicht heißen, dass alle Russen so waren. Beim Einmarsch sind schlimme
Dinge passiert mit Vergewaltigungen der Frauen und Mädchen, und Tötungen in der Bevölkerung.
Der Koch jedenfalls war gut zu uns Deutschen. Einmal mussten meine Schwester und ich den
Nachbarn Bescheid sagen, dass sie sich die Brühe aus der Gulaschkanone holen sollten. Er hat sie
nicht weggegossen. Ferner kam einmal ein Russe mit einem Sack voller Aale und schüttete sie in
unserer Küche aus. Meine Mutter und Frauen aus der Nachbarschaft mussten sie sauber machen. Sie
zogen die Haut allerdings nicht ab, was sonst üblich ist. Der Koch gab ihnen ein paar Aale ab mit den
Worten: “Madga, Madga - und winkte mit der Hand.
Eines Abends saßen wir in unserer Küche. Plötzlich klopfte es an die Tür. Wir erschraken. Es
erschien der Koch, um sich von uns zu verabschieden. Er sagte in gebrochenem Deutsch: „ Ichk nach
Berr-lin, Gietler machen puff, puff. Dabei küsste er jeden von uns auf die Stirn.
Meine Mutter erzählte mir, dass er nach 14 Tagen wieder da war. Man hatte ihn eingesperrt, weil er
sich betrunken mit einem Offizier geprügelt hatte.
In unserer großen Scheune waren auch einige Pferde untergebracht. Pferde, die nicht recht tauglich
waren, wurden aufs Feld in Richtung Bohn gejagt. Diese holten wir uns zum Reiten.
Ende März musste auf Anordnung der Kommandantur Leba geräumt werden. Auch wir waren
darunter. Meines Wissens blieben aber doch einige zurück – zum Teil Fischer. Meine Mutter sagte,
wenn mein Vater zu Karl Schoth gegangen wäre, hätten wir in Leba bleiben können. Karl Schoth war
wohl vom Russen mit einigen Aufgaben betraut worden.
So kamen wir nach Rekow. Wir wurden auf einem Bauernhof mit mehreren Familien untergebracht.
Am 10. April waren mein Vater und ich in einem Schuppen, wo er Holz hackte. Es kamen zwei
Russen vorbei, die meinen Vater entdeckten und mitnahmen. Alle Männer wurden „eingesammelt“
und mitgenommen. Mein Vater wurde im Herbst 1945 wieder entlassen und kam nach Lübeck –
Schlutup.
Hier wohnte er mit anderen Fischern, z.B. Albert Beise, zunächst im Eisenbahnwagen, dann in einem
Zimmer. Eine Arbeitsstelle auf einem Kutter fand er nicht.
-4-
Im Oktober 1946 bekam er eine Blinddarmentzündung und eine Lungenentzündung dazu, so dass er
am 05. November 1946 verstarb. Wir haben ihn also nach der Verschleppung nie wiedergesehen.
Wird fortgesetzt.
In Erinnerung an unsere Heimat Pommern und Leba,
die wir im Juni wieder besuchen werden.
Beitrag 2015
Das erste Vierteljahr ist fast vorüber, viele von Euch haben bereits den Jahresbeitrag gezahlt, die
Anderen möchte ich an die Zahlung erinnern. Denn nur durch euren Beitrag ist es uns möglich, die
Bürgerbriefe zu versenden. Aktuell beträgt der Jahresbeitrag 18,00 €, mehr darf jeder gerne bezahlen!
Ausstellung im Pommerschen Landesmuseum in Greifswald
(Hinweis und zusätzliche Bilder von Julia Pechstein)
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Bilder in der Ausstellung
Fischerkaten 1932/3,
entstanden in Rowe
Kutter zur Reparatur 1933/7,
entstanden in Leba
Leba Heute:
von C. Fredrich
Pomuchelfest, St. Nikolaus und die Einsegnung des neuen Feuerwehrfahrzeuges waren Gründe genug
für mich Anfang Dezember nochmals nach Leba zu fahren. Und die Hoffnung Leba im weißen Kleid
zu sehen, der Winter hatte zwar schon seit einigen Tagen mit Frost Einzug gehalten, der Schnee ließ
aber noch auf sich warten. Aber es wurde in den Tagen meines Aufenthaltes
über Tag wieder wärmer, es fiel dann Regen statt Schnee und die Straßen wurden rutschig,
Im Jachthafenbecken schwammen Eisschollen, auch die Ränder des Lebasees begannen zuzufrieren,
sowohl von Rumbker- als auch von Lebafelder Seite. Um das Schilfrohr sammelten sich kleine
Eisflocken zu Kugeln.
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Vereister Schilf am Steg in Rumbke
Blick über den Lebasee mit kleinen Eisschollen
Winter in Leba
Am 27. Dezember begann es auch in Leba zu schneien, wie in vielen Regionen bei uns auch.
Straßen und Plätze erstrahlten in ihrer weißen Pracht und herrlicher Sonnenschein lockte viele
Lebianer zu Spaziergängen aus dem Haus. Aber wie bei uns, war es auch in Leba ein kurzes Gastspiel
der Schneeflocken.
Stadtpläne in Großformat
Die Stadt Leba hat seit vergangenem Sommer an vielen Stellen in der Stadt und auf den Wegen zum
Nationalpark und zu den Stränden Stadtpläne aufgestellt. Große bunte Schilder fallen einem direkt ins
Auge, ihre klare Kennzeichnung lassen jeden schnell erkennen, wo man sich gerade befindet und wo
das Ziel liegt.
Neues Tanklöschfahrzeug übergeben
In einer Feierstunde unter freiem Himmel bei strahlendem
Sonnenschein, blauem Himmel, aber klirrender Kälte fand
Anfang Dezember die Einsegnung und Übergabe des
neuen Tanklöschfahrzeug (TLF 4000) statt. An der
Hafenkommandantur fanden sich ranghohe polnische
Feuermänner, darunter der Hauptkommandant für Polen,
Abgeordnete des Kreistages Lauenburg und der Lebaer
Stadtrat, Bürgermeister Andrzej Strzechmiński ein. In
einem militärischen Zeremoniell wurde das
Tanklöschfahrzeug nach der Einsegnung an den
Kommandanten der Feuerwehr Leba, Sebastian Kluska übergeben.
-7-
Das 700.000,00 Zlty. teure Einsatzfahrzeug wurde zum
größten Teil von der Stadt Leba finanziert, der Kreis
Lauenburg und das Hauptfeuerwehramt für Polen in
Warschau trugen zur Restfinanzierung bei.
Anschließend ging es angeführt von der Marinekapelle
Gdingen/Gdynia und der Feuerwehr inklusive
Tanklöschfahrzeug in einem langen Zug zur Sporthalle
zum 16. Pomuchelfest.
Wolfgang Helbig war einer der drei Juroren. Sieben
Restaurants und Vereine stellten sich dem Wettstreit
um das beste Pomuchelgericht. In der “Profi“Kategorie“ gewann die Galeria Smakow, bei den Hobbyköchen der
Seniorenklub Nieazapominajka. Wie jedes Jahr hatten alle
Teilnehmer viel Mühe in die Präsentation und Anrichtung ihrer
Gerichte gelegt und die drei Juroren verkosteten insgesamt 16
Gerichte.
Komplettiert wurde der Wettstreit um das beste Fischgericht von 15
örtlichen Künstlern, die einen Handwerkermarkt aufgebaut hatten
und die kleinen Konzerte der Marinekapelle,
die mit ihren Rhythmen die vielen Besucher mitrissen.
Stürmischen Zeiten
Das Orkantief Felix, das Mitte Januar über uns und große Teile Europas hinwegfegte hinterließ auch
deutliche Spuren in Leba und Umgebung.
Der im Herbst aufgeschüttete Sand wurde vollständig wieder durch mannshohe Wellen und Orkanböen
abgetragen. Es entstand - wie auf beiden Fotos zu sehen - eine tiefe Abbruchkannte. Die Leitung des
Slowinski Nationalpark weist aber nicht nur auf die Schäden durch Orkan Felix hin, sondern auch,
dass solche Naturgewalten wichtig sind für Flora und Fauna. Sie wären sehr wichtige ökologische
Faktoren und garantieren ein ordnungsgemäßes Wachstum von Pflanzen und einen gesicherten
Lebensraum für Vögel. Auch das Meer und der Strand würde dadurch gereinigt und besserte für
Pflanzen und Vögel die Lebensqualität.
Und so schön können „ Sturmbilder“ sein:
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Bau der Wellenbrecher
Anfang Dezember begann das Seeamt mit dem Bau der Wellenbrecher um die Strände besser zu
schützen und den massiven Abtragungen des Sandstrandes vorzubeugen. Oberhalb des Hotel Neptun
befindet sich zurzeit der erste Bauabschnitt, riesige Mengen aufgeschütteter Steinbrocken befinden
sich im Hafengelände zwischen Strombrücke und Jachthafenhotel. Der Orkan Mitte Januar unterbrach
die Arbeiten nur kurzzeitig. Zu Saisonbeginn sollen die Bagger und Baustellenfahrzeuge
verschwunden sein.
Hindenburgstraße/ ul. Kosciuszki in Photos und alten Postkarten
Die diesjährige Ausstellung in der Bibliothek Leba während unseres Besuches im Juni zeigt die
Hindenburgstraße/ ul. Kosciuszki von deutscher Zeit bis Ende der 1970-er Jahre. Wer zur
Vielfältigkeit der Ausstellung mit alten Postkarten oder Photos bzw. Bilder (natürlich nur leihweise
oder als Kopie) beitragen möchte, meldet sich bitte bei Claudia Fredrich.
und Damals:
Wer von den Lesern des „Bürgerbriefes“ erinnert sich noch daran, dass
X - eine falsch gehende Uhr mit dem Spruch bezeichnet wurde, „sie geht nach Buttermilch“ ?
X - Hauspantoffeln als „Schlurren“, der heutige Samstag selbstverständlich als „Sonnabend“,
das was heute modern als Dessert oder Nachtisch damals als „Speise“ bezeichnet wurde ?
X - in unserer alten Nicolai-Kirche vor dem Altar-Raum Grabplatten der Familien
von Weiher und Krockow aus dem 17.Jahrhundert sichtbar waren ?
X - nach dem Versailler Vertag von 1919, der den Ersten Weltkrieg beendete, Tausende von
Flüchtlingen aus dem an Polen abgetretenen ehemaligen Westpreußen nach Ostpommern
kamen ? In Lauenburg fanden 2.700, in Köslin 2.500, in Kolberg 3.500 von ihnen Aufnahme.
X - sich im Hinterhof des Geschäftshauses (Haushalts- und Porzellanwaren) von
Schulz-Woynack in der Hindenburgstraße bis in den Zweiten Weltkrieg hinein eine
stillgelegte „Reeperbahn“ zur Herstellung von Schiffstauen und –leinen befand ?
X - die früheren deutschen Ostprovinzen Ostpreußen größer als die Niederlande, Schlesien
größer als Dänemark, Pommern größer als Belgien und Ostbrandenburg mehr als dreimal
so groß wie Luxemburg waren ?
X - es in Leba damals einen Amtsboten gab, der nach meiner Erinnerung einmal
wöchentlich - oder doch nur von Fall zu Fall aus gegebener Veranlassung ?
- durch die Straßen des Städtchens ging, alle paar hundert Meter anhielt, seine
Handglocke ertönen ließ und anschließend mit lauter Stimme eine oder
mehrere amtliche Verlautbarungen des Magistrats verkündete ?
X - nach ursprünglicher Fassung des Versailler Vertrages ein breiter Streifen am Ostrand des
Kreises Lauenburg an Polen fallen sollte ? In ihm befanden sich auf ca. 35.000 Hektar
45 Siedlungen mit etwa 10.000 Einwohnern. Die danach gültige Grenze sollte von Lübtow
über den Sauliner See östlich an Lanz und Labuhn vorbei verlaufen. Diese Entscheidung
konnte durch deutschen Einspruch verhindert werden. Stattdessen legte der Vertrag
endgültig fest, dass vom ehemaligen Kreis Neustadt die Dörfer Prüssau, Reckendorf, Burgsdorf,
Fredrichsrode, Rauschendorf und Kolkau dem Kreis Lauenburg zugeschlagen wurden.
X - zu den zahlreichen Naturdenkmälern unserer engeren Heimat bis in die
neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts auch eine vor dem Eingang der
Kirche in Charbrow in imponierender Wucht stehende, sechs Meter im Umfang
messende Eiche, vermutliches Alter mehr als 500 Jahre, gehörte ? Als sie nach
1990 einging, wurde an ihrer Stelle ein zartes Bäumchen gepflanzt.
ud
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Damals, Leute in Leba
Die Bürgermeister von Leba (soweit bekannt):
ca. 1483 - Martin Klinkebeil
1487 - Ludemann (älterer Bürgermeister)
1507 - Philipp
1522 (?) - Hans Moler
1524 - Martin Dobbes
1658 - Gregor Zielcke
1884 bis 1688 - Georg Buncke
1688 - Niklas Laars
1698 - Wahl, Corssen, Buncke
1704 - Nikolaus Laars, Balbier u.
Pate eines Predigerkindes
ca. 1530 - Greger Hartmann
1713 - Gottfried Laars
1533 - Greger Nesse
1739 - …...rbek
1539 - Matz Lange
1786 - Wilcke
1539 bis 1570 - Mathias Setzke
ca. 1810 - Mampe
1542 bis1544 - Marten Setzke
1821 - Böhme
1568 - Matern Drefke, Jakob Hartmann
1822 bis 1824 - J.A. Fleischer
1576 - Kaspar Bretzlaff
1827 bis181843 - F. Milbert
1579 - Matern Driffe o. Drefke
1845 bis 1848 - M.M. Plath
1587 bis 1621 - Jeremias u. Michel Retzke bis 1868 - Sassenhagen
-91598 bis 1602 - Lorenz Zulcke
1624 - Jürgen Zetzke
1624 bis 1639 - Bienenwald
1630 bis 1636 - Marten Ellerholt
1642 - Gregor Zulcke
1653 - Moldenhauer
1868 bis 1878 - Eduard Woedtke
1878 bis 1884 - Friedrich Pardeicke
1884 bis 1889 - Gustav Leusch
1889 bis 1.10.1889 - Karl Haacke
2.10.1898 bis 1910 - Paul Gädtke
(Quelle Prof. Dr. Schultz: „Geschichte des Kreises Lauenburg/Pommern“, 1912;)
21.2.1911 - Paul Brinckmann (Magistratsmitarbeiter),kommissarisch. Bürgermeister;
11.3.1911 bis 1915 - Scherler (Stadtsekretär aus Luckau);
1916 bis 1933 - Ernst Horn;
1934 bis 1936 - Zimmermann;
1.10.1937 bis 28.2. 1943 - Paul Jeske;
1943 bis 1945 - Post;
nach Kriegsende:
Richard Knoop, Maurer,
Emil Wegener, Hochseefischer,
Franz Klingbeil.
(Quelle Willi Gillmann: „Chronik der Stadt Leba“, 1998;)
ud
Der Wegdurch das Jahr fünfundvIerzIg
Aus den Tagebüchern von Heinrich Huppertz
Ab 1. Januar (bis 31. Dezember) 1945
Fortsetzung von Bürgerbrief 95, 96
30.Januar
Wir werden von der Streife zum Reservelazarett dirigiert und beschließen, heute nicht mehr weiter zu fahren, da
die Fahrer völlig erschöpft sind. Außerdem sind noch zwei Fahrzeuge zurück. Wir haben auch keinen
Brennstoff mehr. Gott sei Dank hatten wir in unserer Baracke auf dem Flugplatz Vietziger-Strand, der in der
Nähe liegt, noch einen guten Vorrat an Flugbenzin liegen, für den wir nun eine bessere Verwendung haben.
Aber wir müssen ihn dort holen und das kostet auch mehrere Stunden Zeit. Also heute Ruhetag!
Unsere erste Sorge gilt den Frauen und Kindern im Omnibus, die von der anstrengenden Nacht sehr
mitgenommen sind. Wir werden an ein Auffanglager in einer Schule verwiesen. Dort ist es einigermaßen
erträglich und ich selbst hole Milch für die kleinen Kinder.
Ich versuche für uns bei Mundts Hotel eine Unterkunft zu bekommen. Auf Grund meiner langjährigen
Stammkundschaft gelingt es mir, bis nachmittags 2 Uhr ein Zimmer mit zwei Betten zu erhalten. Dieses
beziehen wir, Elisabeth, die Oma, Annegret, Frau Fricke mit ihren zwei Kindern und ich. Wir können uns
waschen und etwas ruhen.
Ich kann nicht schlafen und besuche meine anderen Schützlinge im Auffanglager, wo alles verhältnismäßig
wohlauf ist. In der Stadt ist das Leben und Treiben noch in etwa normal, alle Geschäfte sind geöffnet.
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Ich gehe zum Bahnhof, wo ein buntes Gedränge von Flüchtlingen herrscht. Züge fahren nun überhaupt nicht
mehr, nur ein Flüchtlingszug soll noch nach Westen gehen. Auffallend ist, dass man keine vorgehenden
Verbände sieht, was man doch bei der Nähe der Front eigentlich erwarten müsste. Wie immer steht auf dem
verschneiten Markt das Denkmal Blüchers, der als Oberst Kommandeur der Stolper Husaren war. Dahinter
erhebt sich mächtig der rote Backsteinbau der Marienkirche aus dem 14. Jahrhundert.
-Da wir um 17 Uhr das Zimmer in Mundts Hotel räumen müssen – so lange haben wir noch eine Gnadenfrist
erhalten – besorge ich Quartier für die nächste Nacht, da das Auffanglager wenig verlockend ist. Das
Reservelazarett ist bereit uns aufzunehmen, wenigstens einige unserer Frauen und die Kinder. Familie Nitschke
ist im Hotel Franziskaner untergekommen. Dort sind wir abends zum Essen noch eine Weile zusammen.
Maximilian opfert eine Flasche Kognak und einige Flaschen Wein.
So konnte man es fast gemütliche nennen, wenn die Wucht der Gegenwart nicht so entsetzlich schwer auf allen
lastete. Es ist der 30. Januar, der Gedenktag an die Machtübernahme durch Adolf Hitler vor 12 Jahren. Nun ist
sein Stern im Sinken und niemand nimmt Notiz von der Bedeutung dieses Tages. Goebbels soll im Rundfunk
sprechen, niemand achtet darauf.
Im Reservelazarett sind noch einige Betten zwischen anderen Flüchtlingen und Verwundeten frei. In dem Raum
ist furchtbar schlechte Luft, aber es ist wenigstens warm. Es gibt auch Suppe und die Nachtkann beginnen. –
Prof. Orthmann und ich schlafen im Finanzamt gegenüber vom Reservelazarett, vor dem auch die Fahrzeuge auf
der Straße stehen. Wir bereiten uns zwischen den Schreibtischen in irgendeinem Zimmer des Finanzamtes unser
Lager, telefonieren noch mit Leba und verbringen die Nacht ohne besondere Vorkommnisse.
31.Januar
Wir haben die Abfahrt von Stolp auf 8 Uhr festgesetzt, aber ehe alles zur Stelle und wir vor allem wieder
verstaut ist, ist es 9,30 Uhr. Die beiden Fahrzeuge der Heeresgruppe, die in Lauenburg zurückgeblieben waren,
sind im Laufe der Nacht angekommen, aber die Fahrer und Männer sind völlig am Ende ihrer Kräfte und an eine
sofortige Weiterfahrt ist gar nicht zu denken. Wir beschließen daher, mit den Fahrzeugen der Flakgruppe unter
der militärischen Leitung von Prof. Orthmann allein weiter zu fahren, da wir besonders aus Rücksicht auf die
Frauen und Kinder nicht mehr länger warten können.
Ich fahre von jetzt an als einziger Mann mit im Omnibus. Das ist nicht gerade ein Vergnügen mit 50 Frauen und
kleinen Kindern, aber für diese ist es ja wahrlich auch kein Vergnügen und ich kann bei den Meinigen sein.
Die Heeresfahrzeuge bleiben also zurück und mit ihnen Willy Palm, der unsere Reise mitmachen musste und
den wir, um seine Mitnahme zu rechtfertigen, als Feuerwerker eingesetzt hatten und der als solcher die Aufgabe
hatte, unsere militärischen Geräte zu sprengen, falls wir unvermutet mit den Russen zusammenstoßen würden.
Diesen Abschluss seines Urlaubs in Leba hatte er sich nicht gedacht. Aber es hätte ihm schlimmeres passieren
können, wenn wir ihn nicht hätten mitnehmen können. Nun müssen wir uns in Stolp trennen und wir wollen uns
auf der Strecke bald wieder treffen, aber es sollte viel Monate dauern bis zu diesem Wiedersehen.
Der Omnibus fährt vor. Das Wetter ist besser geworden und die Straße ziemlich gut geräumt. So kommen wir
gegen Mittag in Schlawe an und bewältigen damit die 27 Kilometer lange Strecke in 2 und ½ Stunde. Es ist viel
Betrieb auf d4er Straße, kilometerlange Trecks von Flüchtlingen, ein Bild des Jammers. Klapprige Wagen mit
klapprigen Pferden, auf den Wagen Kinder, alte Leute, Hausrat, die geringen Habseligkeiten der Armen. An den
Schildern der Wagen kann man die Herkunft erkennen: Westpreußen, Ostpreußen, Posen…Auf der Straße
zwischen Stolp und Schlawe überholen wir einen ausziehenden Fliegerhorst mit einer fliegertechnischen Schule.
Es sind vielleicht 500 oder600 Mann, zu Fuß, mit selbstgezogenen Handschlitten, auf denen geringes Gepäck
liegt und das dauernd herunterfällt, ohne Waffen, die Offiziere die Hände in den Manteltaschen. Vorwärts
Kameraden, es geht zurück.
Welcher Unterschied, als einst noch die deutschen Flugzeuge stolz ihre Bahnen zogen, und nun dieser
flüchtende Fliegerhorst. Man sieht keinen einzigen Soldaten, der nach vorne geht, und keinen einzigen
deutschen Panzer.
„Gegenmaßnahmen sind eingeleitet“ heißt es mit nichtssagender Monotonie im Wehrmachtsbericht.
In Schlawe warten wir auf die Zugmaschine mit den Anhängern. Ich gehe zum Bahnhof, um bei der NSV einen
großen Kessel warme Maggisuppe zu holen, den ich bereitwilligst bekomme. Am Bahnhof dasselbe Bild wie in
Stolp, Flüchtlinge, Soldaten…. Züge fahren nicht mehr. Der schöne Turm der Schlawer Backsteinkirche
Sieht herab auf das Gewimmel. Überall ein Riesenbetrieb, alles westwärts. Polizei und Volkssturmmänner
versuchen, den Strom der Trecks in geordnete Bahnen zu lenken.
Die Zugmaschine folgt bald nach und es geht weiter, der Omnibus ist wieder an der Spitze. Die
Straßenverhältnisse und das Wetter sind gut und wir kommen ziemlich flott von der Stelle. In dem kleinen
Städtchen Schübben-Zanow werden wir von den Volkssturmposten für gewöhnliche Flüchtlinge gehalten und
auf die Straße nach Rügenwalde geleitet, nach Nordosten. Arme Flüchtlinge, ihr werdet wieder nach Osten
zurückgeschickt. Es ist ja auch egal, wo es hingeht.
Wir erkennen erst nach einer beträchtlichen Strecke den Irrtum und kehren um. Das Umwenden ist auf der
vereisten und stark von Trecks verstopften Straße ein schwieriges Unternehmen.
Vor Köslin, Am Abhang des Goldenberges, haben wir eine Reifenpanne.
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Das hält lange auf und so sind wir erst gegen 16,30 in Köslin auf dem Marktplatz, wo die Zugmaschine schon
auf wartet, die während unserer Irrfahrt in Schübben-Zanow vorgefahren war.
Wir machen einige Stunden Pause, wollen aber die nächste Nacht durchfahren, um nicht noch einen Tag zu
verlieren. Es beginnt zu dunkeln, während wir für die Stunden der Pause eine Bleibe suchen. Der „Kronprinz“,
einst eine hervorragende Stätte pommerscher Gastlichkeit, ist von Flüchtlingen überfüllt. Im Keller ist ein
Auffanglager eingerichtet, dort ist es warm und trocken, aber es ist zu viel Gedränge und wir begeben uns auf
die Suche nach einem geeigneteren Raum.
Dieser bietet sich, wenigstens für die kleine Annegret, in einem Säuglingsheim in der Bahnhofsstraße. Sie wird
dort gewaschen und verpflegt und bekommt sogar ein Bettchen. Wir gehen inzwischen ins Hotel Schuhmacher,
wo uns nach vielem Hin und Her ein kleines Gesellschaftszimmer zur Verfügung gestellt wird, wo wir essen
können. Der Wirt ist sehr unfreundlich, ersieht uns nicht gern, wir dreckigen Flüchtlinge gefallen ihm nicht, er
ist an andere Gäste gewöhnt. Er hat es vergessen, dass ich früher oft in anderer Kleidung und unter anderen
Umständen bei ihm zu Gast gewesen bin. Wie tief konnte er sich verbeugen, wenn ich mit dem gefallenen
Regierungspräsidenten Dr. Müller sein Lokal betrat. Ob er seine Einstellung nicht noch etwas ändern wird im
Laufe der nächsten Monate?
Die Zugmaschine hat Reifenschaden und es muss bei der Wehrersatzinspektion, die sich in Köslin befindet,
eine neue Decke geholt werden. Gegen 22 Uhr setzt sich unser Zug wieder in Bewegung. Wir wollen jedoch für
die Nacht zusammen bleiben, um uns bei eventuellen Vorkommnissen gegenseitig helfen zu können.
Es fängt langsam an zu regnen, als wir von Köslin, der Regierungshauptstadt Ostpommerns Abschied nehmen
und in Richtung Körlin fahren. Die Straße ist verhältnismäßig gut, auch nicht mehr so verstopft von
Flüchtlingen; der Strom der Trecks scheint andere Wege geführt zu werden, wahrscheinlich Richtung Kolberg.
Es geht zügig weiter, bis auf einmal in der Nähe von Naugard die Zugmaschine wieder Reifenpanne bekommt.
Es muss geflickt werden.
Wir schaffen uns Licht, indem wir Pulverstangen verbrennen, von denen wir eine genügende Menge bei uns
haben und die sowieso den Krieg nicht mehr entscheiden können. Das flackernde Feuer wirft einen
gespenstischen Schein auf die Fahrzeuge, auf die vor Kälte zitternde Menschen und auf ein benachbartes Haus.
Nach einer geraumen Zeit sind wir wieder in Fahrt un gegen 6 Uhr früh erreichen wir Gollnow, anscheinend
eine Flüchtlingszentrale. Es regnet in Strömen un nasser Schnee bedeckt fußhoch die Straßen, als wir von den
uns nun schon zur Gewohnheit gewordenen Volkssturmposten am Ortseingang kontrolliert werden.
01.Februar
Wir werden in das Auffanglager im Schützenhof verwiesen. Es ist ein großes Lokal mit Tanzsaal, Gallerie und
vielen Nebenräumen. In der Küche ist eine Anzahl NSV-Schwestern damit beschäftigt, die Flüchtlinge mit
„Kaffee“ und Stullen zu versorgen.
Es mögen wohl tausend Menschen sein, die sich in den mit Stroh bedeckten Räumen des Lokals niedergelassen
haben. Wir suchen uns Gruppenweise ein freies Plätzchen im Stroh, zwischen schlafenden Flüchtlingen,
schreienden Kindern. Der Gestank ist unbeschreiblich, aber man kann sich doch wenigstens einmal die Schuhe
ausziehen. An Waschen ist nicht zu denken, die Toilettenverhältnisse sind nicht zu schildern. Nach einigen
Stunden, als es heller Tag ist, halten wir es nicht mehr aus und wir begeben uns auf die Suche nach einem
anderen Lokal. Wir finden ein Café und holen auch unsere Frauen dorthin, während es immer noch stark regnet.
Auf der Toilette des Cafés kann man sich endlich einmal waschen und rasieren und es gibt auch Mittagessen.
Der Wirt ist sehr mürrisch und ich gerate ziemlich hart mit ihm aneinander. Es geht anscheinend nicht ohne
Schimpfen. Es ist ja auch für ihn schwer, das Lokal ist überfüllt von Flüchtlingen und es ist naturgemäß, dass
das auch nicht immer die angenehmsten Gäste sind.
Von einer Flakdienststelle aus versuchen wir, noch einmalnach Leba zu telefonieren, aber es gelingt nicht mehr.
Gegen Mittag sind die Fahrzeuge wieder klar, -Die Kraftführer haben keine Ruhepause gehabt- und wir fahren
weiter. Wir sollen mit dem allgemeinen Flüchtlingsstrom über Wollin geleitet werden, denn die Festung Stettin
ist für durchziehende Flüchtlinge gesperrt. Das würde für uns unter Umständen tagelanges Warten an der Fähre
über die Dievenow bedeuten. Das können wir uns nicht leisten, da wir ja möglichst schnell in Karlshagen
arbeiten sollen. Die Posten sehen auch die Besonderheit unserer Lage ein und wir sind ziemlich schnell in
Stettin. Vor der Stadt baut der Volkssturm überall Panzer- und andere Straßensperren, man kann sehen, hier ist
Front. Und es ist für uns schwer, durch die vielen Kontrollen nach Stettin hineinzukommen, man will uns immer
wieder um die Stadt herumleiten. Und es kostet die ganze Überredungskunst von Prof. Orthmann, aus Stettin
wieder herauszukommen. Man will uns südlich über Greifenberg schicken, wo die Russen schon verdächtig
nahe sind. Bei Pyritz wird schon gekämpft. Wie wir später hören, werden in
Greifenberg alle Fahrzeuge ohne Rücksicht auf irgendwelche Fahrbefehle beschlagnahmt und die Männer in
den Volkssturm eingereiht. Wir haben also Glück, als uns der junge Leutnant den grünen Stempel auf den
Fahrbefehl drückt und wir die Oderbrücke passieren dürfen. Die Reisenach Greifenberg wäre unsympathisch
gewesen, die russischen Panzer sind unberechenbar. Man spricht von einem Panzervorstoß auf Eberswalde an
der Strecke nach Berlin. So fahren wir durch Stettin, oder vielmehr durch die Trümmer von Stettin. Rechts und
links sieht man nur ausgebrannte Häuser und Schutthaufen. Das ist für uns Hinterpommern ein ungewohnter
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Anblick. Man merkt, dass man in den Bereich der Westfront kommt. Überall ist reger Betrieb, viel Wehrmacht,
jedoch vorwiegend mit der Marschrichtung Westen. Zurück!!!
Dazwischen Volkssturm, mit der Errichtung von Panzersperren beschäftigt.
Und Flüchtlinge, wohl hauptsächlich Stettiner, die zu Fuß, mit Kinderwagen, nach Westen ziehen. Die
Baumbrücke wird zur Sprengung vorbereitet, während wir darüber fahren. Rechts sieht man die
rauchgeschwärzten
Trümmer der Gebäude auf der Hakenterrasse, links den mächtigen Turm der Jakobikirche, der noch erhalten ist.
Wir atmen auf, als wir jenseits der Oder sind, denn nun sind wir doch wenigstens dem schlimmen Schicksal
entronnen.
In zügiger Fahrt geht es ohne Pause weiter auf der Straße nach Westen. Die Straßen sind jetzt vollständig
schneefrei, in Ostpommern hatten wir dieses entsetzliche Schneetreiben und hier, auf der Westseite der Oder, ist
es fast frühlingsmäßig warm.
Man sieht auch kaum noch Flüchtlinge, keine geschlossenen Trecks mehr. Es ist alles fast friedensmäßig und
doch sind die Russen kaum 50 km von Stettin entfernt. Es ist schon dunkel, als wir Pasewalk erreichen, wo wir
eigentlich den Transport auflösen wollen. Die Wehrmachtsfahrzeuge sollen von hier nach Karlshagen und die
Frauen mit den Kindern mit der Bahn weiter fahren. Am Bahnhof sehen wir jedoch gleich auf den ersten Blick,
dass es keinen Sinn hat, die Frauen hier ihrem Schicksal zu überlassen. Jede Handbreit Boden in den Wartesälen
und in den Vorräumen ist buchstäblich mit Flüchtlingen bedeckt und es ist unmöglich, sich einen Weg zu
bahnen. Weder die NSV noch eine andere Stelle kann uns ein Unterkommen verschaffen.
In Neubrandenburg soll es besser sein und wir fahren kurz entschlossen weiter, noch 95 km, und sind gegen
Mitternacht dort. In einer Baracke vor dem Bahnhof ist die Betreuungsstelle für Flüchtlinge. Wir werden sehr
freundlich in Empfang genommen und ein Helfer fährt mit zu den Mechanischen Werkstätten, einem
Luftwaffenbetrieb, wo wir Quartier beziehen sollen. Der Betrieb hat für zu erwartende Flüchtlinge gut
vorgesorgt und der große Kantinensaal ist warm geheizt. Die Tische stehen sauber ausgerichtet und die
hygienischen Einrichtungen sind gut. Sogar sieben oder acht Kinderbettchen stehen bereit, in die die Kleinsten
sofort gebettet werden, auch Annegret, die jedoch darin nicht schlafen will. Ein für unsere Verhältnisse
fürstliches Abendessen wird uns von frischen Kellnerinnen serviert un jeder kann sich nach Herzenslust satt
essen. Nach dem Essen richten sich die Gruppen, so gut sie können, ein, auf und unter den Tischen , auf Koffern
und einigen Strohsäcken, die wir noch irgendwo auftreiben, denn Betten gibt es natürlich nicht. Nur für die alten
Leute ist es schlecht, die Strapazen der letzten Tage waren zu groß, auch die Oma ist nicht besonders gut dran.
Aber trotzdem sind wir froh, dass nun das Schlimmste, wenigstens vorläufig, hinter uns liegt. Bald hört man nur
noch Schnarchen. Nur unter einem Tische, wo zufällig Flaksoldaten und Mess-Mädchen etwas nahe zusammen
geraten sind, hört man noch flüstern…..
02.Februar
Wir bleiben noch einen Tag in Neubrandenburg, um auf diese Weise den Frauen bei der Abreise noch etwas
behilflich sein zu können. Die Fahrer brauchen unbedingt Ruhe, wir müssen mit Berlin telefonieren usw., es
gibt genug Gründe, noch einen Tag zu bleiben; die Eile ist ja nun auch nicht mehr so unbedingt notwendig. Um
Auskunft über Zugverbindungen nach den einzelnen Richtungen zu wir einige Männer zum Bahnhof. Einzelne
Gruppen nehmen schon im Laufe des Tages Abschied, während die meisten erst am nächsten Tag fahren. Ich
muss mich um alle kümmern und es ist selbstverständlich, dass alle im Omnibus zum Bahnhof gefahren werden.
Die meinigen haben als erstes Ziel zusammen mit Familie Nitschke Perleberg in der Westpriegnitz ins Auge
gefasst, wo Frau Behrendt, die Tochter der Familie Nitschke, noch ihre frühere Wohnung hat. Die
Bahnverbindung geht über Neu-Strelitz. Um die Bahnfahrt zu vermeiden, verhandeln wir mit der
Fahrbereitschaft des Werkes, ob nicht ein Wagen dorthin geht. Am nächsten Tag sei das der Fall, wird uns
gesagt. Da jedoch um 17,40 Uhr ein Zug fahren soll, wollen wir versuchen, diesen zu benutzen. Zeitig fahren
wir zum Bahnhof und stehen nun mit allem Gepäck, von dem Familie Nitschke ziemlich viel hat und mit dem
sich hauptsächlich Elisabeth herumschlagen muss, auf dem überfüllten, zugigen Bahnsteig. Der Zug hat über
eine Stunde Verspätung und so kann ich die kleine Annegret noch eine Zeit lang im Arm halten.
Gedankenverloren sitze ich mit ihr auf einer Bank; ein freundliches NSV-Schwesterchen will sie mir für einen
Augenblick abnehmen, aber ich lasse es nicht zu. Vor uns pendelt eine Lampe im Wind hin und her. „Papa,
Lämpi“ sagt Annegret mit ihrem hellen, klaren Stimmchen. Die sieht auch in diesem trostlosen Dunkel des
Augenblicks nur das Helle, das Licht. Ich schließe sie fester in di graue Decke und drücke sie in meine Arme.
Als der Zug endlich ankommt, ist er so überfüllt, dass an ein Mitkommen nicht zu denken ist, obschon wir von
Abteil zu Abteil laufen und hineinzukommen versuchen. Fast bin ich froh, denn so können wir wenigstens noch
eine Nacht zusammen sein.
Aber der Omnibus ist weg, ich hatte ihn unvorsichtigerweise zurückgeschickt. Ratlos stehen wir vor dem
Bahnhof, die Mechanischen Werke sind weit. Da fällt es Nitschke ein, dass er hier in der Stadt einen Hotelier
kennt. Dieser ist in Leba beim Zoll und auch ich kenne ihn. Es ist nicht weit zum „Neubrandenburger Hof“ und
die Wirtin nimmt uns gastlich auf. Die Oma bricht uns fast zusammen und legt sich mit Annegret sofort zu Bett,
zum ersten Mal wieder in ein weiß gedecktes Bett!
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Wir anderen sitzen noch in der Gaststube zusammen und trinken einen von Nitschke spendierten, mitgebrachten
Kognak, der bei ihm nicht auszugehen scheint. Ich verzichte auf das mir angebotene Hotelbett, ich möchte
meine Schützlinge in der Unterkunft nicht allein lassen. Elisabeth geht mit mir. Ich bin ihr dankbar dafür und
wir machen uns allein zu Fuß auf den Weg, da wir die Oma und Annegret gut versorgt wissen.
Wir sprechen nicht viel, was soll man auch sagen?
In unserer Kantine hat sich während unserer Abwesenheit einiges geändert. Es sind noch mehr Flüchtlinge
hinzugekommen und der Saal ist ziemlich überfüllt. Wir bauen uns ein Lager aus Koffern und anderen
Gepäckstücken in einer Ecke zurecht.
Diese Nacht, zwischen den Koffern in dem großen Kantinensaal, werde ich nie vergessen! Nun müssen wir
Abschied nehmen, die Last und die Sorge für die Oma und für Annegret liegt von jetzt ab allein auf Elisabeths
Schultern. Nun müssen sie allein dahinziehen, einen unbekannten Weg und einem unbekannten Ziel entgegen.
Und Deutschland versinkt in einen Abgrund, aus dem es kein Empor mehr gibt. Nie ist mir die grausame
Wirklichkeit so erschütternd zum Bewusstsein gekommen. Und doch, in dieser Nacht vor dem Abschied,
vielleicht dem Abschied für immer, in dieser trostlosen Umgebung, in diesem wirbelnden Chaos der Ereignisse,
überkommt mich ein stilles Glücksgefühl, nicht allein zu sein.
-Wird fortgesetzt-
Aus der Nachbarschaft Lebas:
Gutshaus Speck - Berichtigung
Die im Bürgerbrief 95 veröffentlichte Postkarte zeigt das Gutshaus in Speck Kreis Naugard,
nicht in Speck Kreis Lauenburg, darauf machte mich Ruth Lerche aufmerksam.
Sie schreibt dazu: Das Gutshaus in Speck war bescheidener, nur ein eingeschossiges Haus mit Efeu
bewachsen.
Und weiter schreibt Ruth Lerche: Speck, ein kleines Dorf. Rechts und links der Dorfstraße stehen
Häuser, die meisten haben Vorgärten. In Speck gab es eine Schule, einen Kolonialwarenladen und ein
Gut ( zu meiner Kindheit gehörte es der Familie Steingräber)
Die Schule war ein großer Klassenraum, in dem alle Kinder von der 1. Bis 8. Klasse von Lehrer
Lankow unterrichtet wurden. Die Kinder kamen aus Speck, Babidol und Friedrichshof.
Wenn man von Speck nach Lebafelde ging, kam man unterhalb des Friedhofs nach Babidol. Dort
waren 5 Häuser, dann ging es weiter nach Friedrichshof. In meiner Erinnerung waren dort 3 Häuser.
Dies war der Kürzeste Weg nach Lebafelde und Leba, den bin ich 1946/ 1947 paarmal mit meiner
Oma Janneck zu Fuß nach Leba gegangen. Lebafelde ließen wir rechts liegen und gingen barfuß über
die Wiesen nach Leba.
Meine Oma war der Meinung Speck hatte den schönsten Friedhof. Er lag auf einer Anhöhe, ringsum
Wald. Im Herbst oder Frühjahr, wenn die Bäume noch ohne Laub waren und die Lärchen ohne
Nadeln, konnte man von oben in Richtung Nord-Ost zum Lebasee sehen.
Die Lontzke Düne hatten wir täglich vor Augen, wenn wir hinter Stall und Scheune gingen und
Richtung Nord sahen. Für uns Kinder war der Lebasee eine Wonne, im Sommer zum Baden und im
Winter gings aufs Eis. Bei Sonnenschein spiegelten sich die Wolken auf dem Eis und ließen den See
unendlich tief erscheinen.
Im Winter hatten wir meist viel Schnee und wir konnten gut vom Schanzaberg rodeln.
Von Speck in Richtung Lebafelde oder Fichthof oder Charbrow war viel Wald. Es gab Blaubeeren,
Preiselbeeren und im Moor Moosbeeren, die wurden nach den ersten Frösten gepflückt. Viele Pilzarten
konnte man sammeln, am besten waren die Steinpilze und die Pfifferlinge.
Auf den Wiesen Richtung See gab es auch Champignons.
Brot wurde von den Hausfrauen selber im Backofen gebacken. Mehrere Familien hatten eine
Backofen. Die Backöfen standen außerhalb vom Dorf.
Die Leba fließt zwischen Speck und Giesebitz in den Lebasee. Für uns war es immer der Strom.
Speck hatte keine Kirche. Wir sind nach Giesebitz in die Kirche gegangen oder gefahren.
Früher konnte man durchs Moor über Karlshof nach Charbrow fahren, das ist jetzt nicht mehr möglich,
denn es sind große Seen durch den Abbau von Torf entstanden.
Auf den Wiesen, wo früher Heu geerntet wurde und die Kühe geweidet haben sind jetzt Binsen und
Büsche.
Landwirtschaft wird ganz wenig betrieben, die Natur ist sich selbst überlassen.
Speck liegt im Slowinski Nationalpark. Einige Häuser und Höfe sind verschwunden, auch das
Gutshaus, von den großen Stallungen sind nur noch einige Grundmauern zu sehen.
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Schlaischow/Fichtkaten
Am letzten Tag meines Besuches in Leba nutze ich die Gelegenheit mir
von Wolfgang Helbig den Friedhof in Schlaischow/Fichtkaten, der in
einem abgelegenen Waldgebiet zwischen Sassin und Zackenzin liegt ,
zeigen zu lassen. Jetzt im Winter konnte man das Hinweisschild von
einem Waldweg aus gut erkennen, leider ist dieses im Sommer von
Laubbäumen verdeckt, so dass meine Suche im vergangenen August
erfolglos war.
Claudia Fredrich
Buchtipps:
„Letzte Flüchtlingszüge aus Ostpreußen“ (ISBN 978-3-842349-66-7)
„Flucht mit der Bahn 1944/45“ (ISBN 978-3-734739-92-7)
Beide Bücher stammen von Heinz Timmreck, (geboren am 06.Juli 1937 in Osterode in Ostpreußen).
und sind erschienen bei Books on Demand GmbH, Norderstedt 2014.
Hilferdings Reise durch „Die kaschubischen Landschaften“ im Jahr 1856
Der russische Wissenschaftler Alexander Hilferding besuchte im Sommer 1856 als
Fünfundzwanzigjähriger die von ihm so genannten „kaschubischen Landschaften“ im damaligen
Westpreußen und Pommern.
In dem Buch „Kaszubi / Die Kaschuben“, herausgegeben vom Instytut Kaszubski, Gdansk 1999, ISBN
83-912809-6-9, wird die von Hilferding auf seiner 2 Wochen (!) dauernden Reise (s. Seite 70)
angeblich zurückgelegten Route (s. Seite 47) beschrieben. Die zwischen den einzelnen Orten liegende
Entfernung ist von mir zusätzlich - in der Luftlinie gemessenen - Kilometern ergänzt worden:
Danzig (34 km) Neustadt (40 km) Lauenburg - Leba-See (25 km) Glowitz (48 km) Bütow
(32 km) Berent (9 km) Stendsitz (11 km) Brodnitz (6 km) Chmielno - Neustadt (40 km)
Lauenburg (48 km) Stolp (38 km) Glowitz (11 km) Schmolsin - Garde - Klucken (16 km)
Leba - Sarbske (15 km) Ossecken (6 km) Wierschutzin (5 km) Zarnowitz (10 km)
Krockow - Putzig - Hela (s Seiten 65 und 66).
Außerdem wird an anderer Stelle der Eindruck erweckt, dass er auf dieser Reise an 65 weiteren
Ortschaften persönliche Informationen zum Thema „Kaschuben“ eingeholt hätte und daher
verlässliche Aussagen zu ihrem damaligen ethnographischen Status machen könne (s. Seiten 31, 33,
35, 36, 37, 38 und 39).
Angesichts der Vielzahl der aufgezählten Ortschaften ist es unvermeidlich, dass Zweifel an der
Wissenschaftlichkeit und Redlichkeit von Hilferdings Behauptungen aufkommen. Wie ist es möglich,
dass Hilferding in der Zeit von nur zwei Wochen eine solche Reise hinter sich gebracht haben will ?
Es braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, in welchem Zustand sich damals (1856) Straßen
und Wege befanden. Als Beförderungsmittel standen dem Forscher seinerzeit nur Pferd und Kutsche
zur Verfügung. Die Eisenbahnstrecke Lauenburg - Stolp wurde erst 1869 eröffnet; die Verbindung
zwischen Lauenburg - Danzig erst im Jahr 1870. Allein die für die Überwindung der Strecken
zwischen den einzelnen Orten notwendige Zeit dürfte zwei Wochen erheblich überschritten haben.
Woher soll sich dann die zusätzliche Gelegenheit für Gespräche, Interviews und fundierte
Nachforschungen ergeben haben, die die Basis einer seriösen wissenschaftlichen Arbeit bilden
müssten?
Auf den Seiten 65/66 der in Rede stehenden Arbeit findet sich Hilferdings Aussage: „In dem Städtchen
Leba.........konnten viele einfache Leute, besonders die älteren, noch Kaschubisch, aber sie schämten
sich ob dieser Sprache und würden daher fast ausnahmslos Deutsch sprechen.
Der polnische Historiker Zygmunt Szultka zitiert in seiner im Jahr 2000 vom „Instytut Kaszubski w
Gdansku herausgegebenen Publikation „Szkize Historyczene 0 dawnej Lebie“ auf Seite 150 den
Bericht des Pastors G.C. Magunna über das Schulwesen im Kirchspiel Leba vom 18. Juni 1805:
„Der Unterricht in der polnische (kaschubischen) Sprache, den es in Leba schon seit meiner Ankunft
hier und in Sarbske seit einigen Jahren nicht mehr gibt, hat in diesem Jahr auch in den drei übrigen
Schulen aufgehört und zwar ohne Zwang, von selbst und freiwillig.“
Aus den vorstehenden Darlegungen ergibt sich logischerweise, dass den Ausführungen von Prof. Dr.
Schultz in seinem Buch „Der Kreis Lauenburg/Pommern“ zur Situation der in diesem Raum seit dem
Mittelalter verbreiteten und verwendeten Sprachen ( Seiten 55, 79 und 84/85) ein höheres Maß an
Glaubwürdigkeit zukommt.
ud
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Inhaltsverzeichnis BüBr. 97:
Gedicht „Wandervögel
-Wie war es damals –März 1945-Sieger schreiben Geschichte
Mitgliedernachrichten
Ausstellung in Greifswald
„Zwei Männer ein Meer“
Leba Heute
Leba Damals
-Wer erinnert sich noch daran…
S. 1
S. 1-5
S. 5
S. 5-6
S. 6-9
S. 9
Damals, Leute in Leba
u.a. „Die Bürgermeister von Leba
Aus der Nachbarschaft Lebas,
-Berichtigung -Gutshaus Speck
-Schlaischow/Fichtkaten
Buchtipps: u.a. Hilferdings Reise durch
„Die kaschubischen Landschaften“
Anschriften des Vorstandes
S. 10-14
S. 14-15
S. 15
S. 16
Wir lieben es, solange wir leben!
Offizielle Anschrift des BdL lt. Vereinsreg.: Bund der Lebaer, Eichen 7, 53359 Rheinbach
E-Mail-Adresse : [email protected]
Bankverbindung des BdL: IBAN: DE59 3708 0040 0603 7070 00 BIC: DRESDEFF370
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Wir wünschen Euch allen Frohe Ostern und ein schönes Frühjahr.