Juli-August 2015 - AStA der Universität Kassel
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Juli-August 2015 - AStA der Universität Kassel
Editorial Mal was neues Versuchen... ...bleibt auch diesmal unser Motto. Layout und Design machen zurzeit spannende Metamorphosen durch. Von experimentell bis klassisch ist auch die Vielfalt unserer Themen für diese Sommerausgabe. Werdet mit uns noch einmal in Kassel willkommen geheißen oder versetzt euch durch eine wahre Geschichte in die Lage derjenigen, für die auf ihrem Weg hohe Hindernisse errichtet und am Ende Mahnmale aufgestellt werden. Erfahrt, welche anderen Welten sich im Kulturbereich Kassels auftun und werdet weiterhin durch unsere „was ist los..“- Rubriken über Neues und Lebendiges auf dem Campus und in der Umgebung informiert. Aber an mancher Stelle finden sich auch Grüße an die Vergangenheit. Viel Spaß beim Lesen wünscht euch die Redaktion Wollt ihr selber auch mal einen Artikel für die medium schreiben? Dann kommt zu unseren regelmäßigen Redaktionstreffen (immer am 1. Montag im Monat um 18 Uhr in der AStA-Küche!), oder meldet euch unter [email protected]. Wir freuen uns auf euch! Inhalt 3 Abschiedsbrief an den Präsidenten 4 Was war los in der Uni? 5 Was ist los in der Uni? 6 Fachschaft 10 7 Roses are red... 8 Rundgang der Kunstuni 10 Die Lehre mit zwei „e“ ...oder weil wir alle ein bisschen Buddha sind 15 Wohnen für Hilfe 16 „Penthesilea“ am Staatstheater 18 Gespräch mit den Haupt- darsteller*innen von „Penthesilea“ 21 Kaffeelöcher: Kollektivcafé Kurbad 22Kurzgeschichte: Schwimmen hatte er nie gelernt 23 Fair-Teiler im AStA 24 HCC: Die Uni hat gebaut 26Plattenrezension: PANDEMICA von The Vile 28 Wird der Süden zum neuen Westen? 32 Rückseite: Satire Bundeswehr Impressum medium, Zeitschrift der Studierendenschaft der Universität Kassel Nora-Platiel-Straße 2 34127 Kassel Kontakt: [email protected] Redaktion: Tanja Lau (Redaktionsleitung), Alexander Strunz, Eike Ortlepp, Tina Jung, Michael Schulze von Glaßer, Simon Kiebel, Filip Heinlein, Robert Wöhler, Tanja Lau, Raphaela Becker, Milena Maren Röthig, Felix Krätschmer Layout: Robert Wöhler Auflage: 2.000 2 Druck: Thiele&Schwarz, Kassel. Gedruckt auf 100% Recyclingpapier mit ökologischen Farben. Bildnachweise (so nicht unter dem jeweiligen Foto): Titelbild: Rebecca Schild; Fotos S. 4: Raphaela Becker (3 Stück), Simon Kiebel (Straßenfest); Foto S.5: CC-BY-SA Bundesarchiv; Bilder Seite 6: openclipart.org; Foto S.7: Henry Lyonga N.; Fotos S. 8-9: Erika Lehn; Fotos S. 10-14 Tanja Lau; Logo S. 15 AStA Kassel; Fotos S. 1620: (c) Staatstheater Kassel; Fotos S. 21: Milena Maren Röthig und Felix Krätschmer; Fotos S.24-25: Felix Gonzo K.; Fotos S.26: (c) The Vile; Fotos S. 28-31: Milena Maren Röthig; Fotos S.32: Simon Kiebel Verantwortlich sind im Grund genommen alle, doch im Sinn des Presserechts ist dies: Allgemeiner Studierdendenausschuss der Universität Kassel - Organ der verfassten Studierendenschaft der Universität Kassel, als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Abschiedsbrief an den Präsidenten Am 03. Juli wurde der bisherige Präsident der Universität Kassel, Prof. Dr. Rolf-Dieter Postlep, offiziell verabschiedet. Er war 15 Jahre im Amt, in denen die Uni von ca. 17.000 auf fast 24.000 Studierende gewachsen ist. Seine Nachfolge wird ab Oktober der Forstwissenschaftler Reiner Finkeldey antreten, welcher bisher Vizepräsident an der Uni Göttingen war. Die Vorsitzende des AStA, Natalia Franz, hat einen Abschiedsbrief an Herrn Postlep verfasst, welcher folgend zu lesen ist. Sehr geehrter Herr Postlep, es ist Zeit sich zu verabschieden und damit auch Zeit zurückzublicken. 15 Jahre waren Sie Präsident der Universität Kassel, in dieser Zeit ist viel passiert. Die Fußstapfen die Sie hinterlassen sind sicherlich sehr groß, denn Sie haben die Hochschule internationalisiert und professionalisiert. Ihre Vernetzung innerhalb der Hochschule, der Kommunal- und Landespolitik war für die Mitglieder der Universität Kassel immer ein großer Vorteil. Auf Landesebene haben Sie sich verstärkt für die Interessen unserer Hochschule eingesetzt und uns gegenüber der Landesregierung stark vertreten. Auch wenn wir oft unterschiedlicher Meinung waren haben Sie uns und die Interessen der Studierendenschaft immer ernst genommen. Sie hatten stets ein offenes Ohr für unsere Anliegen und konnten für uns einen gemeinsamen Weg finden. Sie haben uns und andere Studierende immer motiviert für unsere Interessen zu kämpfen und uns stetig in der Entwicklung der Hochschule mit einzubringen. Die Universität Kassel ist für uns nicht nur Lern- sondern auch Lebensraum. Sie haben daran mitgewirkt, dass wir uns frei und selbstbestimmt entwickeln können. Dafür bin ich Ihnen persönlich sehr dankbar. Ich hoffe, dass Sie der Universität und ihren Mitgliedern noch auf dem einen oder anderem Wege erhalten bleiben. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir Sie als Gast bei Vorträgen oder Podiumsdiskussionen begrüßen dürfen und Sie mit uns gemeinsam zu verschiedenen Themenbereichen diskutieren und Ihre Erfahrung als langjähriger Präsident einbringen. Lieber Herr Postlep, es ist Zeit Danke zu sagen. Vielen Dank für Ihre Unterstützung, ihre konstruktive Kritik und Ihren Einsatz. Sie haben die Universität Kassel maßgeblich geprägt, wir werden Sie nicht vergessen. Ihre Studierendenvertretung der Universität Kassel 3 r Uni? e d in s lo r a Was w Grabstein für die Toten an der EU-A ußengrenze: Aktiv im Stadtgebiet un ist*innen haben üb d auch an der Un erall i solche Grabsteine vielen Toten an de aufgestellt, um au n EU-Außengrenz f die en aufmerksam zu machen. ▼ ▲Gut besucht: das No ra-Platiel-Straßenfest des AStA am 25.06. choss sofort im Erdges . Ihr findet ihn ab ille m. St r au de tsr be um Ge Ra t: t es auch einen ▲Wieder eröffne ße 1. Nebenan gib tra -S iel lat -P ra der No 4 ◄ Süß: Waschbär-Babys zu Besu ch im AStA. Ein Mitarbeiter hatte sie im Bergpark gefunden. Nach ihrem Kurzbesuch wird sich nun gut um sie gekümmert. Was ist los in der Uni? Währenddessen am Hauptbahnhof: K19 - Termine Ausstellung Die Horrorshow im Interim am 14. Juli 14.07. Kneipe19 Man kann Horror überall begegnen; bei ganz persönlichen Erfahrungen, etwa, wenn beim Duschen Würmer aus dem Abfluss kriechen, entfernt, bei Berichten von Kriegsschauplätzen, aber auch lustvoll durchlebend beim Stream der Wahl auf der eigenen Couch. Ob und wie Erzählungen von Horror uns diesen erfahren lassen können, versuchten in diesem Sommersemester Kunstwissenschaft, VisKom und Bildende Kunst Studierende zusammen mit Doreet LeVitte Harten zu klären. Besonders bei der Auseinandersetzung mit der Thematisierung von Genoziden, wie etwa der Shoah, in der Kunst, entstanden starke Zweifel. Die Horrorshow im Interim am Hauptbahnhof, soll sich mit diesen Zweifeln weiter beschäftigen und wenn möglich, die ganze Bandbreite des Horrors erfahrbar machen. Hört ihr es rascheln? Ja stimmt schon, ist nur die Zeitung, aber das Böse erwartet euch am 14. Juli, ab 14 Uhr. Die letzte Kneipe19 vor der Sommerpause! Ab 18 Uhr - Eintritt frei! 22.07. IRGENDWAS ist back Ab 22 Uhr - Eintritt frei! Lange, lange wusste niemand was man mittwochs bei Durst und Spiellust tun soll. Jetzt ist die Lösung wieder da: Quassel-Tanz-Trinkspiel-Freudenfest „IRGENDWAS“ ist aus der Semesterpause zurück und hat neue witzige Trinkspielideen und Specials im Gepäck. 24.07. Burn After reading ne ö h c s uch e n e h uch c e s n t ü l o w h Er Wir ! n e i r e f ter Semes gut! Beginn bei Sonnenuntergang, Eintritt frei! Unnütze Reader? Verflossene Liebesbrief? Hässliche Pappmodelle? Ein Justin Bieber Poster? Jetzt ist es Zeit sich um all die Machtwerke der Papierverschwendung zu kümmern, die die Augen beleidigen und den Geist beschweren. Übergebt alles dem Lagerfeuer, grillt Marshmellows und tanzt zu schöner Musik euch eure Ex-Sorgen von der Seele. 29.07. IRGENDWAS Ab 22 Uhr - Eintritt frei! 05.08. IRGENDWAS Ab 22 Uhr - Eintritt frei! 12.08. IRGENDWAS Ab 22 Uhr - Eintritt frei! Weitere Termine und Infos gibt es bei Facebook: facebook.com/KulturzentrumK19 sowie auf asta-kassel.de 5 Fachschaft 10 - Mathematik und Naturwissenschaften Der Fachbereich 10 ist ein relativ junger Fachbereich, der aus der Zusammenlegung der beiden Fachbereiche Mathematik und Naturwissenschaften entstanden ist. Wir im Fachschaftsrat vertreten alle Student*innen, die hauptsächlich am AVZ in der HeinrichPlett Straße studieren. Bei uns treffen zwölf gewählte Mitglieder*innen und einige aktive Helfer*innen zusammen und tun ihr Bestes, die diversen Interessen von ca. 2000 Student*innen der Mathematik, Physik, Biologie, Nanostrukturwissenschaften und der dazugehörigen Lehramtsfächer (auch Chemie, Nanostrukturen sind etwas zu speziell für den Schulalltag) zu vertreten. Vor allem die Mathematik sorgt gerne mal für Gesprächsstoff. Jeder Naturwissenschaftler muss die mathematischen Grundlagen seines Faches beherrschen und Spezialvorlesungen für Alles und Jeden kann man nicht anbieten. So gibt es für die Professor*innen immer viel zu organisieren und wir helfen den verwirrten Student*innen, sich im Chaos von gefühlt hunderten Prüfungsordnungen zurechtzufinden oder unterstützen sie, wenn von fünf verschiedenen Studiengängen einer einfach nicht mit den Inhalten der Vorlesung harmonieren will. Das, was unseren Fachbereich wohl am meisten auszeichnet, ist die Möglichkeit, einen Abschluss in Nanostrukturwissenschaften zu machen. Unsere Universität ist die Einzige, die diesen Studiengang in dieser Form anbietet. Das CINSaT (Center for interdisciplinary Nanostructure Science and Technology) liefert die Plattform für den Austausch und die Zusammenarbeit der Wissenschaftler*innen, deren Erkenntnisse dann in die Köpfe der „Nanos“ weitergeleitet werden - und die Nanos sind überall. Chemie, Physik, Biologie, einfach alle Dinge, die die Natur den menschlichen Sinnen vorenthalten hat, soll diesen vielseitig interessierten Student*innen zur Verfügung stehen. In manchen Physikvorlesungen sitzen mehr Nanos als Physiker*innen. Sie sitzen in allen Grundlagenvorlesungen, der Zellbiologie, der Biochemie und der Physikalischen Chemie. So ziemlich jeder Praktikumsversuch, wird auch für Nanos angeboten und man munkelt, einige Wahnsinnige hätten sich sogar in die verwinkelten Tiefen der theoretischen 6 Physik gewagt. Unsere größte Sorge gilt aber, bei aller Bürokratie, der Förderung des studentischen Miteinanders. Die Organisation der einzelnen Institute wird meistens in eigenen Gremien geregelt, in die wir natürlich auch Vertreter*innen entsenden. Aber das Soziale ist Aufgabe des Fachschaftsrats. Nach der Zusammenlegung der Fachbereiche und dem daraus resultierenden Organisationschaos, hat- ten gerade die Erstsemester*innen ihre liebe Not, sich zurechtzufinden. Wir brauchten neue Ideen für die Erstsemester*inneneinführungen und sind mit Feuereifer dabei, den Einstieg in unsere bunte Gemeinschaft so angenehm und einfach wie möglich zu gestalten. Außerdem muss auch mal Zeit zum Feiern sein. Im Winter muss das Weihnachtsfest geplant werden, im Sommer das Sommerfest. Abläufe planen, Gelder beschaffen, Räumlichkeiten anmieten, Sicherheitsvorschriften beachten - auch Spaß haben kann viel Arbeit machen. Es ist manchmal etwas einsam am AVZ. In der Gesellschaft von Naturwissenschaftlern ist wenig Platz für philosophische Debatten oder politische Wortgefechte. Es geht um Fakten und Zahlen, den Versuch, die Welt zu vermessen, bis auch die seltsamsten Naturphänomene völlig logisch aus einer Handvoll von Sätzen erklärt werden können. Will man dem entfliehen und auf den verschlungenen Pfaden der Geisteswissenschaftler*innen wandeln, stehen einem 30 Minuten Bahnfahrt zum HoPla bevor. Vor fünf Jahren versprach man uns, dass wir in fünf Jahren auch im Zentrum Kassels studieren können. Es sind fünf Jahre geblieben, aber wir geben die Hoffnung nicht auf. Roses, Red ... Violets, Blue ... Roses are red, Violets are blue, you may not know this, but being a student is though. If you are one of those people, who thinks being a student is as easy as taking a walk down the Spanish and French beaches, well ... welcome to reality because it is not. The shared notion that students live vibrant care-free lives, which only consists of partying and extracurricular activities with the intent of getting dunked and laid is a bogus inaccurate claim. Truth is, it is much more than it seems. In Kassel, I quickly realized that I wasn‘t going to live the life of a New Yorker student who spends the better part of his student life partying and jumping from one bed to the next, if I really wanted to succeed in my studies. Because as we all know, university is no joke. Thus, one must be ready to invest time, resources etc. Like many students who move to Kassel for the very first time, I too thought Kassel was a hopeless place to be in for a myriad of reasons. Some of which I shall mention in this piece and others I shall conceal simply because, now I know the truth. Sometime around September of 2012, I moved from Darmstadt to Kassel, after I decided studying informatics at Darmstadt‘s Hochschule wasn‘t taking me anywhere. On arriving at my then Wolfhager apartment on that faithful evening, I couldn‘t believe my eyes. First, I was greeted by a dull moody-rainy cold weather, which quite frankly saddened me for I was inclined to think that Kassel was a breath of fresh-air. Soon after, it became clear to me that Kassel was quiet a minute compact city when compared to other cities like Frankfurt or Essen. But Kassel is compact for a good reason. And that reason is, students are known to get easily dissuaded by everything by big and flashy cities to the point that their focus shifts from studies to solely having pleasure. Kassel on the other hand being as compact as it is, offers stability and focus to the life of a student because there is not too much here that can distract any respective student. Now mind you, Kassel is an amazing place. It is known for being an extremely progressive artsy place, where artist from all over the world come together to display their art and creative pieces at the very renowned „Documenta”. However, when art is not being displayed on the streets of Kassel with a multitude of people rallying together for art‘s sake, the only source of illumination in Kassel is its great university. The University of Kassel which is home to approximately nineteen thousand students, is literally and figuratively the reason why thousands of vibrant, young, fresh intelligent youths inhabit the city. In their numbers, they ▼ Henry Lyonga N. come from all over the world to share in the universities grass-root nature and its multiculturalist setting. Each semester, it welcomes and cultivates intercultural and trans-national relationships while teaching its students to learning to appreciate the value of cultural diversity in the context of education. As it strives to promote excellence, intelligence and intercultural diversity in education. It does an indelible work in building relationships with foreign universities across continents from which it welcomes and sends students on Erasmus exchange programs. The University of Kassel, is indeed a place to study at for it is known to have a strong support system with an amazingly organized study body to cater to the needs of its students. It is thus truly to me arguably the most prominent establishment Kassel has to offer. By Henry Lyonga N. Henry works for the ISV - the international student representation of the University of Kassel. If you have any questions regarding your studies or financial support, feel free to write him or his colleague at [email protected] 7 Kunst, Poetry und Wrestling an der KHK? Die Vorbereitungen für den Rundgang gehen in die heiße Phase 8 Wer sich schon immer einmal gefragt hat, was eigentlich in anderen Studiengängen passiert, der kann sich Mitte Juli zumindest über die künstlerischen Fächer einen Überblick verschaffen. Oder überwerfen. Vom 15. bis 19. Juli wird an der Kunsthochschule Kassel der jährlich stattfindende Rundgang ausgetragen. Dabei stellen alle Klassen Projekte des vergangenen Jahres aus und laden ganz Kassel dazu ein, miteinander in den Dialog zu treten. Der Rundgang hat Tradition an der Kunsthochschule. Auch mal als Spaziergang durch Kassel angelegt, versammelt er seit ca. 20 Jahren die Arbeiten der Studierenden in den Gebäuden der KHK. Dieser Außencampus der Universität liegt direkt an der Aue und gibt den Fächern Bildende Kunst, Kunstpädagogik und -wissenschaft, Visuelle Kommunikation, Produktdesign und den Filmklassen Raum. Ausgestellt wird in fast allen Räumen, sodass sich die Kunsthochschule als Ganzes für Kassel öffnet, Führungen zu festen Terminen laden zur strukturellen Begehung des Campus ein. Dieses Jahr gibt es einige Neuerungen. Haben sonst die Professoren die Abwicklung übernommen, stellen dieses Jahr die Studierenden allein in Selbstorganisation das Ereignis auf die Beine. Nachdem die Fachschaft 20 den Impuls gab, planen seit dem ersten Treffen im November 2014 ca. 40 Studierende mit Unterstützung des Rektorats die diesjährige Ausstellung. Höhepunkte sind zehn studentische Projekte, darunter eine Kochshow, ein Fußballturnier und Poetry Slams über Kunst, es wird aber auch eine Radiostimme vom Rundgang online gesendet. Die Eröffnungsfeier findet am 15.07. im Hörsaal statt. Um den Besucherstrom nicht nur auf die Haupteingänge Menzelstraße zu verdichten, wird der Zugang aus der Aue zur KHK beleuchtet und gestaltet. Das soll vor allem in den Abendstunden die Anwohner entlasten. Aus einer ähnlichen Überlegung heraus findet die legendäre Abschlussparty nicht wie sonst auf dem Campus, sondern am 18.07. im ARM statt. Betrieb jeglicher Art auf dem Campus bis Punkt 22 Uhr bitte, auf ausdrücklichen Wunsch der KHK-Studierenden, danke. Wie auch sonst üblich kann auf der Mensawiese geschmaust werden, dazu gibt es einige Bars. Während der Vormittag vor allem den Arbeiten vorbehalten ist, wird am Nachmittag bis abends um 22 Uhr die Bühne mit Live-Konzerten von Studierenden und Kasseler Künstlern bespielt. Man darf als Besucher auch selbst mitwirken. Für den Rundgangskatalog hatten alle Beteiligten an der KHK die Möglichkeit, eine DIN A6 Postkarte zu gestalten und damit die Frage „Wovon lässt du deine Arbeit als Künstler*in, Designer*in, Theoretiker*in beeinflussen?“ für sich zu beantworten. Darauf haben 274 Studierende, Mitarbeitende und Lehrende reagiert. Im Säulengang zwischen dem Südbau und dem Atrium wird die riesige Postkartenkollektion ausgelegt. Die Besucher können sich ihre Lieblingsstücke mitnehmen und gestalten somit die Installation aktiv mit. Diese sehr intimen Einblicke in die Menschen an der KHK ergeben gleichzeitig ein Porträt von der Kunsthochschule insgesamt und schließen irgendwo auch den Kreis des Rundgangs. Erika Lehn studiert Germanistik und wird sich den diesjährigen Rundgang nicht entgehen lassen „Man sollte zum Rundgang kommen, um sich inspirieren zu lassen, sich im Austausch mit gesellschaftskritischen und -formenden Themen auseinander zu setzen und das Ambiente der KHK zu genießen.“ Beat Sandkühler, Student Produktdesign 9 Die Lehre mit zwei „e“ ...oder weil wir alle ein bisschen Buddha sind Im Hochschulsport wird das gemeinsame Sitzen angeboten. Und doch findet Bewegung statt, vielleicht sogar mehr als erwartet. 10 ▲ ZaZen-Leiterin Inga Kappeller Fragen an eine ZaZen-Leiterin Das warme Nachmittagslicht und die ersten Teilnehmer der heutigen Meditationsrunde finden ihren Weg in den dritten Stock der Sickingenstraße 10. Wir befinden uns im Dojo derAikidos -einer japanischen Kampfkunst- im Haus Chassalla. Hier trifft sich auch der Zen Kreis Kassel. Die Fenster sind geöffnet und der Wind bringt ein Gemisch von Glockengeläut, Baustellenlärm, Vogelzwitschern und türkischer Musik mit herein. Ich sitze im Fersensitz auf einem bequemen runden Dinkel-Kissen am kleinen runden Tisch für die spätere Tee-Runde einer Frau mit einem freundlichen Gesicht und einem schwarzen Gewand gegenüber. Inga Kappeller hat etwa acht bis 10 Matten vorbereitet, die sich im Meditationsraum, der Zendo, gegenüber liegen. Darunter verbergen sich Rezitationshefte und auch Klangschalen und Hölzer (für die Gehmeditation) liegen schon bereit. Später wird sich der Duft von Räucherstäbchen über all das legen. In diesem Raum läuft alles rechtwinklig ab. Der Buddha auf dem kleinen Tisch und kleine Wecker stehen sich zu beiden Seiten gegenüber. Ansonsten befindet sich Nichts in diesem Raum. Dahinter die Umkleide. Bequeme Klamotten ausdrücklich empfohlen. „Warum Buddhist oder Buddhistin sein, wenn man Buddha sein kann?“ medium: Ganz platt: Bist du Buddhistin? Inga Kappeller: Eine schwierige Frage. Mir gefällt die Antwort von lang Praktizierenden am besten, die sagen, warum Buddhist oder Buddhistin sein, wenn man Buddha sein kann? Wenn ich sage, ich bin Buddhistin, würde ich mich gegen etwas anderes abgrenzen und damit eine Trennung schaffen, die im Widerspruch mit dem steht, was ich beim Zazen übe. Zen schließt alles ein, ohne alles gleich zu machen. medium: Darum ist dies der beste/ wahre/ stimmigste Weg für Dich? Inga Kappeller: Ja. medium: Was ist Zen? Inga Kappeller: Da gibt es ganze Reihen an Büchern, die sich darüber auslassen. Spontan fällt mir das Gedicht von Dogen ein: „Den Buddhaweg gehen bedeutet, sich selbst erfahren; sich selbst erfahren heißt, sich selbst vergessen. Sich selbst vergessen ist, sich selbst wahrnehmen - in allen Dingen, von allen Dingen erleuchtet werden.“ (Eihei Dogen, 13. Jahrhundert) medium: Auf der Homepage des ZenKreises ist die Rede von der Dynamik des Lebens...? Inga Kappeller: Zen ist Leben und Leben ist Zen. Das ist wirklich so. Wenn ich in der Achtsamkeit bin - und dabei hilft mir die Übung hier, die des Sit11 zens, des ZaZen-Übens - bin ich immer häufiger im Laufe des Tages im Hier und Jetzt. Die Achtsamkeit hilft mir, im Jetzt zu sein und im Jetzt zu sein, hilft mir freie Entscheidungen zu treffen oder eben das, was jetzt gerade anliegt mit Achtsamkeit und Konzentration zu tun. „Die esoterische Ecke“ medium: Apropos „was du gerade tust“. Neben deinen anderen Tätigkeiten: Zen als Alltag, als Berufsalltag...? Inga Kappeller: Nein, Zenanleiterin, Zenlehrerin, Zenmeister ist kein Beruf. Auch das wäre ein Widerspruch. Ich sitze hier mit euch. Ich bin dankbar, dass ich das anleiten darf. Denn wie immer, wenn man eine solche Aufgabe anvertraut bekommt, lernt man noch einmal ganz andere Dinge dazu. Das ist immer ein wunderbares Geschenk. medium: Wie reagieren die Leute beim Kennenlernenauf das, was du tust? Gab es Kommentare, die hängen geblieben sind? Inga Kappeller: Wenn mich jemand fragt, was ich tue, zähle ich einige meiner verschiedenen Tätigkeiten auf, eben auch die Praxis der Zen-Meditation und die Arbeit in 2 Zen-Vereinen. Entweder die Menschen werden neugierig und fragen nach, dann erzähle ich mehr, oder manche wenden sich bald ab, vermutlich weil sie das Gehörte in irgendeine Schublade stecken oder sich nicht damit auseinandersetzen wollen. Ist ja auch völlig ok, denn schon gar nicht möchte ich irgendjemanden missionieren - und rechtfertigen brauch ich mich natürlich erst recht nicht.Wenn jemand skeptisch ist, mich zum Beispiel in so eine esoterische Ecke schiebt, wird das in der Regel nicht laut geäußert, sondern sich einfach bald woanders hingewandt, so erlebe ich es. „Als wäre ich auf einem anderen Planeten gelandet“ medium: Welche Gedanken sind Dir bei Deiner allerersten Session durch den Kopf gegangen? Inga Kappeller: Beim Sesshin? Zu meinem ersten Zen-Sesshin habe ich mich wirklich ohne jede Vorerfahrung, also nicht mal ins Sitzen, also, wie sitze ich am besten auf einem Meditationskissen ..., angemeldet. Ich hatte keine Ahnung, was da auf mich zukommt. Und es waren vier Tage, die von morgens 4:30 Uhr bis abends 10:30 Uhr durchgetaktet waren und das in einer Form, die mir sehr fremd war. Das war schon ein Gefühl, als wäre ich auf einem anderen Planeten gelandet. Es war heftig. Auch körperlich hatte ich das Gefühl noch nie im Leben etwas so Anstrengendes gemacht zu haben. Und am Anfang war ich auch gar nicht sicher, ob ich das weiter mache. Aber es war vor allem auch interessant zu erfahren, wie viel man zusammen auch erreichen kann. Das hat mich dann sehr neugierig gemacht.... chenzentrums der Uni Kassel, etablierte 1994 das Angebot „Zen-Meditation“ innerhalb des allgemeinen Hochschulsports. Also eine Übung, nicht nur für den Körper, sondern eine für den Geist. Seitdem wird es durchgehend im Unisport angeboten. Ich habe es vor vier oder fünf Jahren übernommen. medium: Braucht das eine ganz andere Handhabung? medium: Wie kam es zu dem Angebot für Studierende? Inga Kappeller: Rolf hat immer von seiner ersten ZaZen-Erfahrung erzählt. Damals in Göttingen hatte man ihm einfach gesagt: „Setz dich dazu und mach mit.“ Und das hat er im Prinzip auch so an die Studenten weitergegeben. Ich mache es jedes Semester ein bisschen anders, diesmal sogar sehr anders, habe verstärkt einführende Übungen, wie das „Körperscanning“ gemacht, das ja einige auch aus dem autogenen Training kennen, und später angefangen, zu rezitieren und das hat in dieser Gruppe zumindest ganz gut geklappt. Die Studenten zusammen mit den Teilnehmern, die schon jahrelang dabei sind, in einer Gruppe zu haben, ist sowohl eine Herausforderung als auch eine Bereicherung. Inga Kappeller: Dr. Rolf Henze, damals Abteilungsleiter des Hochschulre- „Der Zen-Meister Shunryu Suzuki hat ein Buch geschrieben mit dem Titel: ▲ Tee-Zeremonie 12 Japanisches Schriftzeichen für Frieden ▼ um Fülle, um Größe, um Liebe - die große - um Freiheit... Und gerade, wenn von der Leere mit zwei „e“ die Rede ist, geht es um die Essenz dessen, was wirklich lebendig ist. Unsere gedanklichen Konzepte machen die Menschen, Lebewesen, die Dinge, die Erfahrungen..., oft so klein und verfälschen sie durch diesen trennenden Umgang. Letztlich geht es darum, diese „Getrenntheit“ immer wieder aufzugeben. Aber, wie gesagt: ohne alles gleich zu machen. medium: Aber es geht schon darum, all das ernst zu nehmen - und nicht gleichzeitig nicht - oder? ‚Zen-Geist - Anfängergeist‘ und meint, dass der Zen-Geist dieser Anfänger-Geist ist und dass wir wieder lernen müssen unser Expertenwissen auch mal aufzugeben, zugunsten des Nicht-Wissens, der Neugier, der Bereitschaft Neues zu erfahren, genau hinzuhören, .....; und das schließt dann später auch all das ein, was man meint, über Zen zu wissen.“ „Wenn der Schüler den Schlag spürt, ist er sofort nur noch im Hier und Jetzt“ medium: Was sind das für Geschichten, die häufig in der Lehre erzählt werden, und warum enden so viele damit, dass auf irgendetwas geschlagen wird? Inga Kappeller: Man spricht hier besser von der Zen-Literatur. Das liegt wohl einerseits an der damaligen Kul- tur der chinesischen und japanischen Lehrweise im Zen und andererseits kann ich auch gar nicht ein gedankliches Verstrickt-Sein mit neuen gedanklichen Konstrukten auflösen. Da bedarf es manchmal eher einer anderen sinnlichen Erfahrung und sei es die eines Schmerzes. Häufig findet man eine gewisse Rohheit vom Lehrer zum Schüler. Aber das ist als Hilfe gemeint. Es hat den Zweck, ihn aus seinem einengenden Denken herauszuholen, als Hilfe, wieder ins Hier und Jetzt zu kommen. Ein Weckruf. medium: Wie passen der theoretische Nihilismus und die praktische Form (strenge Rituale) zusammen? Inga Kappeller: Erscheint dir ein Widerspruch? Man könnte es so hören. Aber Zen ist das glatte Gegenteil vom Nihilismus. Im Zen geht es immer Inga Kappeller: (lacht) Wenn du sagst, ernst nehmen, hieße das ja wieder, dass es das Gegenteil gibt, also nicht ernst nehmen. Das gibt es und das gibt es auf anderer Ebene auch nicht. Es ist auch eine absolut ernste Sache, und mir fällt wieder eine Geschichte ein: „Der Legende nach befragte Hakurakuten den Meister Dorin, der die Angewohnheit hatte in einer Astgabel zu meditieren, bei ihrer ersten Begegnung, ob die Position, die er da oben in seiner Astgabel hätte, nicht ziemlich gefährlich sei. „Nicht so gefährlich, wie deine Position!”, meinte daraufhin Meister Dorin zu dem Distrikt-Gouverneur. Später, er war wohl schon längere Zeit Laienschüler, stellte Hakurakuten dann die berühmte Frage: „Was ist das Wesen - oder die „Große Absicht“ - des Buddhadharma?“Meister Dorin sagte darauf: „Meide das Unheilsame und tue Heilsames.“ Hakurakuten war offenbar überrascht von dieser Antwort, denn er sagte: „Ist das die Große Absicht? Das weiß ja jedes Kind!“ Und Meister Dorin antwortete: „Auch wenn jedes Kind das weiß, so muss doch selbst ein alter Mann von achtzig Jahren andauernde Anstrengungen unternehmen, um das zu praktizieren!““ 13 „Erleuchtet ist das Wort, das so viele Missverständnisse mit sich bringt.“ medium: Darf jeder auf Erleuchtung hoffen? Inga Kappeller: Tja, was soll ich dazu sagen? Auf jeden Fall. Jeder Mensch hat, wie der historische Siddhartha Gautama (Buddha), der vor zweieinhalb tausend Jahren in Nordindien gelebt hat, die Fähigkeit zu erwachen.. Also, erwacht heißt ja auch erleuchtet sein und Erleuchtung ist das Wort, das so viele Missverständnisse mit sich bringt. Erleuchtung heißt, im Hier und Jetzt zu sein, ohne jegliches Konzept. Das Wort Nirwana meint ebenfalls das Hier und Jetzt ohne Konzept; nicht mal das von Geburt und Tod. Diese Fähigkeit zu erwachen haben wir alle, einfach weil wir Menschen sind. Es liegt an uns, inwieweit wir das üben und leben. medium: Zen als Lebenshilfe / als Therapie? Inga Kappeller: Zen ist keine Therapie. Zen kann auf jeden Fall in psychisch schwierigen Situationen helfen, das habe ich auch selbst erlebt, aber es ist kein Ersatz für jemanden, der Bedarf an einer psychologischen Unterstützung und Klärung hat. „Eine gute Sache“ medium: Wie würdest Du dem Vorwurf begegnen, dass westlicher Buddhismus etwas Unorganisches, Künstliches ist? Inga Kappeller: Etwas Unorganisches kann es gar nicht sein, einfach weil es von Menschen praktiziert wird. Es hat sich aber auch viel getan. Der ZenBuddhismus ist eigentlich schon Anfang des letzten Jahrhunderts in den Westen gekommen. Und ich glaube, die ersten Zen-Meister waren Anfang 14 ▲ Dekoration im Übungsraum der vierziger Jahre in Deutschland. Anfangs waren es sehr Wenige, aber gerade in der letzten Zeit ist der Buddhismus etwas, das auch im Westen sehr stark wächst. Man denke an die vielen Bereiche, wo Meditation angeboten wird. Gleichzeitig gibt es seit ca. 20 Jahren so viele wissenschaftliche Untersuchungen von Neurowissenschaftlern darüber, wie sich Meditation auf Gehirn und Mensch auswirkt. An solchen Beispielen zeigt sich, wie etwas in eine Kultur hineinwachsen kann. Und nicht zuletzt daran, dass Zen-Meditation im Hochschulsport angeboten und auch angenommen wird. Dabei spielt es keine Rolle, wie viele länger mit dabei bleiben, oder wie viele es gleich wieder verwerfen. Allein die Tatsache, dass es existiert, finde ich schon eine gute Sache. medium: Vielen Dank für das Gespräch! (Gassho Teto: Hände aneinander legen und Verbeugen) Die Zeiten für ZaZen sind Dienstag 15:45, Mittwoch 16:45 und Sonntag 18:15. Weitere Informationen gibt es auch auf der Homepage des Zen Kreis Kassel e.V. Tanja Lau studiert im Master Germanistik und sucht sich eine kleine Auszeit davon „Wohnen für Hilfe“ in Kassel und Witzenhausen Das Problem Mit Beginn des Wintersemesters im Oktober beginnt auch wieder der Sturm auf den Wohnungsmarkt in den Universitätsstädten. Da ist Kassel keine Ausnahme. Der ein oder andere Studierende wird den Kampf um den heiß begehrten WG-Platz sicherlich schon am eigenen Leib erfahren haben. Wohnraum ist rar und teilweise auch sehr teuer. Günstige Studierendenwohnheime und WGs sind schnell vergriffen und Auswahl hat man bei dem knappen Wohnraumangebot meist sowieso nicht. tretungen und Wohlfahrtsverbände. Die Zahl der Vermittlungen pro Jahr ist noch ganz unterschiedlich. Einige Städte vermittelten ca. 70 Wohnpartnerschaften (Freiburg), andere Städte liegen bei erst drei Vermittlungen. Zur Koordination gibt es regelmäßige Treffen der an der Initiative beteiligten Gruppen. Das letzte Bundestreffen „Wohnen für Hilfe“ fand vom 11.05.2015 bis 12.05.2015 in Bamberg statt. Das Konzept Eine Alternative zum konventionellen Wohnen bietet das Projekt „Wohnen für Hilfe“. Das Konzept ist genau so einfach wie genial: Menschen bieten Wohnraum für Studierende und Auszubildende an. Als Gegenleistung erhalten sie dafür (abgesehen von den Nebenkosten) kein Geld sondern Unterstützung im Alltag. In Darmstadt, München und Frankfurt gibt es das Projekt bereits seit vielen Jahren. 2009 initiierte Köln das Projekt in Kooperation mit dem Amt für Wohnungs-wesen der Stadt, der Universität und der Seniorenvertretung. Im Internet wurde von den Initiatoren der Stadt Köln die Seite www. wohnenfuerhilfe.info für Deutschland aufgebaut. Mittlerweile gibt es das Projekt in etwa 60 bundesdeutschen Städten. Träger von WfH sind häufig Studentenwerke in Kooperation mit Wohnberatungsstellen der Städte, Seniorenver- Ziel dieses Bundestreffens war u.a. die Gründung einer Bundesarbeitsgemeinschaft. In Arbeitsgruppen sollen einheitliche Standards entwickelt und rechtliche Fragen zum Thema Arbeitsrecht (Mindestlohn), Steuerrecht (geldwerter Vorteil) und Haftung, sowie Unfallschutz geklärt werden. Derzeit gibt es noch keine bundesweit einheitlich rechtliche Regelung. Die Gruppen vor Ort sehen sich als Vermittler für Wohnpartnerschaften und weisen in den Gesprächen auf die genannten Aspekte hin. Die Mietverträge werden ausschließlich von den Beteiligten - also Wohnraumgeber und Wohnraumnehmer - selbst verfasst und unterschrieben. Die Umsetzung Ab kommendem Wintersemester wird es dieses Projekt nun auch in Kassel und Witzenhausen geben. In Witzenhausen fanden bereits die ersten Vernetzungstreffen statt, in Kassel wurden bereits Einladungen versendet und man arbeitet auf Hochtouren an einer schnellen Umsetzung. Das Projekt wird dabei im Gegenseitigen Austausch von Diakonie, Seniorenrat, Stadt und dem Allgemeinen Studierendenausschuss bzw. den Fachschaften der Universität organisiert und getragen. Zur Organisation sucht der Allgemeine Studierendenausschuss der Uni Kassel derzeit auch verstärkt ehrenamtliche Mitarbeiter*innen für die Organisation des Projekts in Kassel. Die ehrenamtlichen Studierenden soll die Student*innen und Vermieter*innen dabei mit einer persönlichen Beratung bei der Auswahl und Vermittlung unterstützen. Fazit Das Projekt „Wohnen für Hilfe“ stellt eine große Bereicherung für die Stadt Kassel und Witzenhausen auf verschiedenen Ebenen dar. Wir sind gespannt wie sich das Projekt hier vor Ort entwickeln wird. Weitere Informationen gibt es auf der Internetseite wfh-kassel.de und auf Nachfrage per Email unter [email protected] . Chris Bauer, AStA-Sozialreferent 15 Die Unmöglichkeit Kränze zu lösen: Penthesilea am Staatstheater Kassel 16 ▲ Eva Maria Sommersberg als Penthesilea und Artur Spannagel als Achill „Das Glück, gesteh‘ ich, wär mir lieb gewesen; doch fällt es mir aus Wolken nicht herab.“, spricht Penthesilea in Kleists gleichnamigen (Liebes-)Drama. Achill, ein Held des griechischen Heeres und Penthesilea, die Königin der Amazonen, treffen im Schlachtfeld aufeinander, kämpfen und verfallen in eine unbändige, unrealisierbare Liebe zueinander. Penthesilea wird daraufhin unrechtmäßig glaubend gemacht, sie sei es gewesen, die gegen Achill gesiegt habe. Sie will ihn nach Themyskira bringen um dort das Rosenfest mit ihm zu begehen; ein Amazonenfest, bei dem sich die mit Rosenkränzen geschmückten Kriegerinnen ihren Besiegten hingeben. Penthesilea ist untröstlich und rasend zugleich, als sie die Wahrheit erfährt und verweigert sich Achill, der sie in sein Gebiet wegführen möchte. In der Inszenierung von Sebastian Schug werden die zwei Hauptcharaktere als Graph und Asymptote gezeichnet, die sich bis ins Unendliche annähern, aber nie überschneiden. „Daß ich den ganzen Kranz der Welten so, wie dies Geflecht der Blumen, lösen könnte!“, wünscht Penthesilea. Sie kann es nicht. Die Welten der beiden Liebenden stehen gegeneinander: Pethesilea, Königin eines halb autonomen Frauenstaates, der den Männern den Kampf angesagt hat und Achill, der Held des feindlichen Volkes. So sehr sie darum kämpfen- sie können sich nicht auf einer Ebene begegnen. Um sich ihr zu ergeben und mit ihr zusammen zu sein, ruft Achill die Geliebte erneut ins Feld. Er nähert sich, ungeschützt, und trifft auf Penthesilea, die ihn, wie im Wahn, gefolgt von einer Herde Hunde, zu Boden stürzt und wie wild tötet. „Penthesilea! meine Braut!(...) Ist dies das Rosenfest, das du versprachst?“, sind Achills letzte Worte. Als Penthesilea realisiert, was sie getan hat, beschließt sie: „Ich sage vom Gesetz der Fraun mich los“ und folgt ihrem Geliebten in den Tod. In Kassel sehen wir eine modern inszenierte Penthesilea-Erzählung, die mal von E-Gitarren-Sounds und Songs, mal von Fecht-Choeographien unterbrochen und angereichert wird, die gleichzeitig aber überraschend gut mit den ursprünglichen Texten von Kleist funktioniert. Eva Maria Sommersberg spielt eine leidenschaftliche, selbstbewusste, aber auch zerrissene Penthesilea, die sich zum ersten mal im echten Kampf und zum ersten mal in der wahren Liebe findet; Artur Spannagel einen Achill, der auf naive Art optimistischer als Penthesilea zu sein scheint und mehr Liebhaber als Kriegsheld ist. Die Inszenierung schafft es, die Kluft zwischen Gesellschaftsgesetzen und Liebe, zwischen Leidenschaft und Brutalität so auszupflastern, dass die Charaktere nahbar bleiben, das Stück einen ergriffen von der Tragik und nicht verschreckt von der Gewalt zurücklässt. Übrigens: Stücke des Staatstheaters (außer Gastspiele) könnt ihr mit eurem Kulturticket kostenlos anschauen! Milena Maren Röthig Auf den nächsten Seiten gibt es noch ein Interview mit den Hauptdarstellern von Penthesilea! ► 17 Ein Gespräch mit Eva Maria Sommersberg und Artur Spannagel zu Penthesilea Geführt von Felix Krätschmer und Milena Maren Röthig Mit neuen Leuten zu arbeiten. Eva: Für mich war es bereits die vierte Arbeit mit Sebastian Schug, dem Regisseuren. Das heißt ich weiß ungefähr, was er von mir will, wenn ich auf die Bühne gehe, was er erzählen will. Für dich war das neu. Du musstest das erstmal alles verstehen, was wir da machen, was wir da rausfinden wollen. Gibt es auch irgendwas an dem Prozess, was ihr nicht mögt? Textlernen zum Beispiel? ▲ Eva Maria Sommersberg Eva, du warst nach deiner abgeschlossenen Theaterausbildung nochmal an der Filmhochschule in Ludwigsburg. Was hat dich dann doch zum Theater gezogen? Eva: Ich hatte die Möglichkeit einen Workshop in Ludwigsburg zu machen. Mich hat das interessiert, denn unsere Ausbildung in Wien war keine Filmausbildung. In Ludwigsburg trafen wir dann viele Carster und Regisseure, die uns gesagt haben, was wir alles tun müssten, um im Film groß rauszukommen - wahnsinnig viel Akquirierung, Bewerbung, man muss sich überall blicken lassen, man muss viele Leute kennen. Die Arbeit beim Film ist Vorbereitung, Vorbereitung, Vorbereitung und dann kommt es auf 18 den Moment an, in dem du brillant sein musst. Am Theater interessiert mich der Prozess, sich 8 Wochen in etwas reinknien um dann bei den Vorstellungen, zusammen mit dem Publikum, im Moment zu sein. Das alles hat man im Film nicht. Worin liegt für dich der Reiz am Theater, Artur? Artur: Ich stimme Eva in dem Punkt zu: Wenn du einen produktiven, coolen Prozess hattest, ist das schon sehr spannend. Und dann ist es natürlich noch so: Eva ist schon länge hier am Haus, aber ich bin erst seit dieser Spielzeit hier und ich kenne die Leute noch nicht so gut. Das ist auch immer sehr spannend: Eva: Auch die Arbeit mit dem Text macht Spaß, da kommt die Streberin in mir raus (lacht). Ich finde es lustig, dass man sich 2 Monate damit beschäftigt, mit der Rolle als Penthesilea. Dass man sich denkt: „Penthesilea ist eine Königin, Kriegerin, die müsste doch so und so sein.“ Man stellt sie dann auf die Bühne und dann kommt erstmal der Regisseur und sagt: „Was machst du da?“ Man probiert vieles aus, am Anfang war Penthesilea zum Beispiel sehr kriegerisch, zwischendurch richtig notgeil. Man geht viele Umwege, um die Figur anzureichern. Das ist das Spannende, dass man sich komplett verspielt, um dann zwischendurch von der Bühne zu gehen und zu sagen: „Ich verstehe es nicht. Ich verstehe Kleist nicht!“ Man denkt, man kommt nicht weiter und dann gibt es wieder irgendwoher Input, oder Kollegen bringen etwas Neues rein. Es ist auch jede Aufführung ein bisschen anders: Andere Haltungen, andere Vorgänge. Also ist immer so ein bisschen Improvisation mit dabei? Artur: Ja schon - man weiß in etwa auf was es hinauslaufen sollte, aber wie wir das genau im Detail verhandeln, ist uns überlassen. Das erfordert eine hohe Eigenverantwortung des Spielers. Aber das ist wirklich gut, es ist dann fast immer neu. Mal klappts besser und mal klappts schlechter natürlich. Das Stück spiegelt brutale gesellschaftliche Verhältnisse wider und auch Penthesilea handelt am Ende sehr brutal. Trotzdem war es für uns als Zuschauer so, dass wir Penthesilea als nahbaren Charakter erlebt haben. Gibt es für dich Identifikationspunkte mit Penthesilea, die den Charakter verständlicher machen? Eva: Ich glaube das sind zwei wichtige Sachen: Die erste ist Liebe. Und es ist eine überdimensional, außerirdisch, unsterblich große Liebe, die diese Figur für Achill empfindet. Ich glaube das kennt jeder, hoffe ich, wünsche ich jedem. Das ist der große Part, der mich mit dieser Figur verbindet. Das ist das, was wir auch erzählen wollten: Dass es so was gibt. Der zweite Aspekt, der für mich schwieriger zu greifen war, ist, dass sie eine Kriegerin ist. Das ist schwierig, das spürbar rüberbringen zu können. Wir waren mit dem ganzen Ensemble Paintball spielen, das war eine total krasse Erfahrung. Der Moment, in dem man zum ersten mal aufs Spielfeld geht, alle sich positionieren und dann rückwärts gezählt wird - man hockt dann irgendwo, hört seinen eigenen Herzschlag; und man weiß, man muss jetzt Leute abknallen, oder wird selbst abgeknallt. Das ist so eine Erfahrung, die mir geholfen hat - auch dieses wahnsinnige Adrenalin. Man spürt ein bisschen das, worüber im Stück geredet wird. Irgendwann hab ich so eine Lust am Krieg bekommen. Und das ist das Krasse, dass für Penthesilea immer, selbst in einer Liebesszene, die Lust mitschwingt, dem Gegenüber eine runterzuhauen. Ein Drama, ein bisschen so wie Romeo und Julia. Eva: Ja ja, genau. Artur: Im Prinzip ist das ja so: Man entscheidet sich für den Anderen. Und es ist natürlich dann die Tragik, dass diese Entscheidung der Tod sein kann. Aber man kann sich immerhin entscheiden. Es ist schließlich ein Theaterstück, wenn es nicht dramatisch wäre, dann wäre es kein Theater, dann würden wir Soap spielen und das will ja keiner. ▲ Artur Spannagel Nachdem Achill Penthesilea ein zweites mal zum Duell fordert, hatten wir den Eindruck, dass das Verhältnis zwischen den Beiden brüchig wird; sie sich voneinander entfernen. Artur: Liebe und Hass liegen sehr nahe beieinander. Natürlich ist Penthesilea irgendwie gepisst, weil es so gelaufen ist. Aber ich glaube nicht, dass sie sich entfernt. Man kann ja nur so hassen, wenn man auch dementsprechend liebt. Eva: Supprimierte Sexualität! Also, klar entsteht durch die erneute Forderung zum Duell eine Verletzung bei Penthesilea. Aber die entsteht nur, weil sie ihn liebt, sonst würde sie einfach sagen: „Fick dich, ich gehe nicht.“ Aber sie geht trotzdem, weil sie ihn liebt; weil sie ihn haben will. Die Frau funktioniert ja einzig und alleine über den Gedanken, dass sie jemanden besitzen oder lieben kann, wenn sie ihn erlegt hat. Das ist total bescheuert. Da musste ich auch erstmal dahinter kommen. Anders kann sie gar nicht lieben. Sie muss ihn erlegen. Dann hat sie ihn. Es scheint auch Rache an der Gesellschaft zu sein, weil sie die anderen bezichtigt. Es ist plausibel, dass sie ihre Tat im Rausch vergisst aber ebenso plausibel wäre, dass sie damit einen unbewussten Vorwurf ausspricht. Mir scheint das Stück tendenziell eine philanthropische Grundhaltung zu haben, die Ideale wie die romantische Liebe bejaht, und im Kontrast zum militanten Mumuland tatsächlich ein bisschen queer wirkt. Geht das am Stück vorbei? Eva: (lacht) Nee. Wir stellen keine Haltung hin. Die Mumulanderfindung ist ein Spiel, auch mit Ängsten. Und eigentlich spielen wir ja Achills Traum, seine Vorstellung von Frauen. Sie tanzen sexy rum, sind aber irgendwie auch bedrohlich und töten Jungen. Ich fand es auch sehr humorvoll gemacht, aber es gab auch Leute, die bei der Szene mit dem Baby „schrecklich“ gerufen haben. Es scheint sie schon sehr anzugreifen. Artur: Ja ist auch in Ordnung. Es ist in dem Sinn ja auch eine schreckliche Geste. Was damit symbolisiert wird schon. Eva: Ich finde es nicht verwunderlich, dass ein so aufgebauter Frauenstaat irgendwann zu Grunde geht. Sie besorgen sich Männer, ohne ein Wahl 19 zu haben. Man muss den Erstbesten, der einem auf dem Schlachtfeld vor der Nase rumtanzt nehmen und überwältigen. Die Frauen in unserer Version kriegen auch nicht mit was Sex ist. Sie werden für den Akt unter Drogen gesetzt, um dann geschwängert aufzuwachen. Also das finde ich total absurd und weltfremd. Ja das ist auch ein wenig phobisch vor der Sexualität. Eva: Ja, und was könnte passieren wenn man sich verliebt, das genießt? Das erzeugt eine andere Bindung, die in diesem Staat eben nicht... Artur: … sein darf. Die wäre letztendlich nicht gewollt und Penthesilea bricht das am Ende ja auf. Lustigerweise bricht sie den guten Geschmack des Staats mit übersteigerter Brutalität in einem Staat der ja eigentlich BRUTALITÄT groß schreibt und wirft sie diesem vor. Auch der Moment in dem die Priesterin und ihre Freundin sie kritisieren: Was hast du getan? Eva: Ja aber genauso merkt die Oberpriesterin auch was sie selbst getan hat, mitverantwortet, durch ihre Vorschriften. Und am Ende merkt sie, dass das eigentlich totaler Wahnsinn ist. Das dann aber doch wieder von sich weisen möchte. Eva: Ja theoretisch. Aber sie wissen, dass das das Ende wäre - der Story und der Amazonen. gen ist nicht das Problem. In der Ausbildung haben wir stundenlang gestanden. Es ist die Entscheidung und der Akt, ich ziehe mich aus, gebe mich ganz hin. Früher hätte ich nicht so mit Nacktheit umgehen können. Aber jetzt bin ich mit mir soweit im Reinen, und jetzt geht es halt nackt. Aber ich bin davon überzeugt, wie es in die Inszenierung eingebunden ist. Es gab da eine Kontroverse, ich glaube die Hna fand das aufgesetzt. Ich finde das gut, das ist schlüssig im Stück, logischerweise ziehe ich mich dann auch aus. Ich fand die Szene krass, aber nicht dass er ausgezogen war. Das hat extrem gut gepasst. Deswegen auch die Frage, weil im Theater Nacktheit inzwischen schon häufig verwendet wird und manchmal einfach nur so, damit die Leute nackt sind, ohne dass es passt. Ja, ich finde es nervig wenn es nur leere Provokation ist. Es war krass, aber emotional krass. Artur: Ich finde es auch komisch, dass sich Leute von Nacktheit provozieren lassen .Eva: Nicht alle gehen einmal die Woche in die Therme.(Lachen) Artur: Ja das stimmt , aber wir leben auch in einer stark sexualisierten Gesellschaft. Und unser Umgang mit Nacktheit ist jetzt auch nicht so, dass wir uns da sexy räkeln. Eva: Nicht in dem Stück.(Lachen) Artur: Die fühlen sich ja auch nicht von einer Werbung für Frauenshampoo provoziert. Eva: Aber im Theater ist das immer noch live, das sind echte Menschen, direkt vor dir. Artur: Ja, das im Fernsehen das sind ja alles keine Menschen. (Lachen) (an Artur) Du spielst auch nackt und musst lange rumliegen. Ist das anstrengend? Welche Frage sollte man euch in einem Interview mal stellen? Artur: Manchmal liege ich scheiße und ein Arm schläft ein, aber im Prinzip... Eva: Ja und dann legt sich die dicke Sommersberg auch noch auf dich drauf. (Lachen) Artur: Wenn die erste Frage wäre: „ Möchtest du Kaffee haben“, das wäre super! Andersrum. Die Frage, die dauernd kommt und die ich etwas nervig finde: „ Artur: Ach man. Aber 10 Minuten lie- „Wie könnt ihr euch so viel merken?“ 20 Die habt ihr nicht gestellt. (Lachen) Wir arbeiten damit 2 Monate, da merkt man sich so was. Das ist nicht die Kunst, auch wenn es textintensive Stücke gibt. Ja. Und manchmal springt auch die Souffleuse ein. Bei „Floh im Ohr“ wurde das Einflüstern dann wieder eingebunden und nachgefragt, ob man es jetzt richtig gesagt hätte. Eva: Das war improvisiert. Aber manchmal werden auch die Souffleusen eingebunden. Bei Penthesilea hat der Text auch lustige Szenen geschaffen. Kleists Stil ist alt und schwierig, darum machen wir am Anfang dreifaches Slow-mo-Theater, damit der Zuschauer überhaupt die Chance hat rein zu kommen. Wirklich so WOOAAAHHH LAAASSS MMMIIICCH. Man muss da die Balance finden: Für den Zuschauer künstlich verlangsamen und trotzdem einen Spielfluss behalten. Ich fand das interessant, weil die Inszenierung an sich ja schon sehr modern war und es trotzdem gut zusammengepasst hat. Dadurch wurden die Texte noch mal interessanter. Eva: Ja, das sind auch super Texte. Kleist ist super lustig, was man gar nicht denkt. Artur: Manche im Publikum lassen sich auf den Humor ein, andere denken „Oh, nee, man darf nicht lachen, das ist Penthesilea. Das ist krass. Krieg, alle bringen sich um.“ Aber da gibt’s auch durchaus humorvolle Szenen und einfach lustige Wörter. Eva: Ja zum Beispiel steht im Text „Komm jetzt, du Süßer“. Okay, why not? Süßer! Das Gespräch führten: Felix Krätschmer und Milena Maren Röthig Kaffeelöcher: Kollektivcafé Kurbad In dieser Serie stellen wir in jeder Ausgabe ein Café oder eine Bar in Kassel vor, die uns besonders gut gefällt. Von Milena Maren Röthig und Felix Krätschmer Nahe am Eingang gibt es auf einer kleinen Anhöhe zwei Sitzgruppen direkt an den Fenstern, die zur Fulda hin ausgerichtet sind. Die Caféeinrichtung besteht aus Einzelstücken, erzählt uns die Frau hinter dem Tresen, zusammengesammelt auf dem Sperrmüll oder übers Internet. Wir erfahren, dass es das Café erst seit Anfang Mai gibt und hier vieles selbst gemacht wurde. Gegründet haben sie es als Kollektivcafé, was soviel heißt, wie, dass die Finanzen, die Verantwortung und die Organisation unter einer kleinen Gruppe geteilt wird. Natürlich auch die Schulden, falls mal welche anfallen würden. Gerade kaum vorstellbar, die Terrasse ist voll. Ihre Idee, ein etwas anderes Café aus dem Bad zu heben, scheint auf Gegenliebe zu stoßen. Direkt neben der Drahtbrücke am Fuldaufer liegt es nun, das Kurbadcafé. An Sonn- und Feiertagen, wenn die Schlange durchaus verstörende Ausmaße annehmen kann, erblickt man dann auch mal die hinten versteckten Zeitschriften. Nachdem man das Angebot bei dem viele queere oder feministische Magazine, aber auch einfach die taz und die sz dabei sind, wundert man sich, wie man das je übersehen konnte und kann sich im nächsten Moment freuen, dass derweil die Schlange verschwunden ist. An der Theke angekommen stößt man dann auf eine Vielzahl selbstgemen, oder kleine Tische besetzen, direkt an der Kaimauer mit Blick auf Fluss und Hafenszenerie samt kleiner Boote. Wir nehmen ein dunkelgrünes Sofa am Eingang und überblicken die Terrasse. Die Leute sind bunt gemischt, die Stimmung gut und die Preise moderat. Wer wirklich blank ist, wird aus dem Soliglas versorgt. Wir bleiben noch eine Weile, quatschen, sehen Anderen beim Quatschen zu, gehen dann irgendwann und sind uns sicher, dass wir wiederkommen. machter Kuchen und ein kleines aber feines Getränkeangebot: Diverse Kaffeearten (sogar Getreidekaffee), Limos (Karamalz yeah!) und eine mit einem Hinweis überklebte Listung von Alkoholika. Die Behörden haben leider immer noch keine Schanklizenz erteilt. Macht erstmal nichts. Drinnen würde man auch gerne bleiben, aber bei schönem Wetter ist die Anziehungskraft der ebenso in bestechender Gelassenheit eingerichteten Terrasse groß. Draußen also. Die Möbel sind gemischt, man kann auf einer tribünenartigen Palettenbank mit bunten Sitzkissen Platz neh- Kollektivcafé Kurbad Sternstraße 20 kollektivcafe-kurbad.org Kaffee / 1,50 Kultur / regelmäßig Kost / Kuchen, Brotzeit W-Lan / bald Wow! / Uferflair Wann/ Mi-Sa 15-20, So 14-18 Wo / drinnen und draußen 21 Kurzgeschichte: Schwimmen hatte er nie gelernt A kberet lebte in einem kleinen Dorf, in ländlicher Gegend, doch nicht so weit von der nächsten Stadt entfernt, als dass man nicht für einen Notfall schnell dorthin käme. Aber er war bis jetzt noch nicht oft in der Stadt gewesen. Meistens, wenn er einmal krank geworden war oder wenn er so wenig Geld oder Lebensmittel zur Verfügung hatte, dass er etwas aus seinem Besitz verkaufen musste, was allerdings noch nicht oft vorgekommen war. Nicht etwa, weil die Lebensmittel nicht knapp wurden, oh nein, das gab es oft, sondern eher aus dem Grund, dass er kaum etwas besaß, was sich in solch einem Fall verkaufen lassen würde. Oder besser gesagt, er besaß es nicht mehr. Alles, was er einst an wertvollen Gegenständen besessen hatte, war entweder in Geld umgetauscht oder gestohlen worden. Er war erleichtert, wenn er daran dachte, dass sein Dorf wenigstens einen Brunnen hat. Das Wasser war zwar nicht wirklich sauber, aber durch ein paar Tücher gefiltert und abgekocht wurde man wenigstens nicht krank davon. Er hatte noch einen kleinen Bruder, zusammen mit ihm lebte er auf einem kleinen Bauernhof. Hier versuchten sie alles anzubauen, was man zum Leben braucht. Es gab ein winziges Maisfeld und ein paar Felder, auf denen sie versuchten, Süßkartoffeln anzubauen. Sie hatten einmal zwei Hühner, aber beide waren ihnen gestorben. Viel hatten sie nicht von ihren mageren Körpern herunter essen können. In ihrer Gegend war es meistens sehr trocken und es gab nur selten Regen, weshalb ihre spärlichen Felder auch nicht sehr gut gediehen. Doch sie kamen meistens einigermaßen um die Runden, wenigstens mussten sie nicht verdursten. Akberet und sein Bruder lebten allein. Ihre Eltern gab es nicht mehr. Ihre Mutter und ihre Schwestern hatten „Sie“ mitgenommen. Sie, die Männer mit den Gewehren. Sie, die ihnen bei jedem Mal alles nahmen, seien es Lebensmittel oder Hab und Gut. Sie, die die Frauen schändeten und sie dann verschleppten. Sie, die die Männer töteten, wenn sie sich ihnen nicht anschlossen. So wie sie es mit ihrem Vater getan hatten. Er hatte sein Dorf nicht verteidigt, wie auch, man hatte hier keine Waffen und keiner war so dumm sich dem heiß geschossenen Lauf eines Gewehres in den Weg zu stellen. Doch er hatte sich ihnen auch nicht angeschlossen. Er war lieber gestorben. Von da an musste der Junge sich um seinen Bruder kümmern. Doch sie bekamen so viel Hilfe aus dem Dorf wie die anderen Bewohner entbehren konnten. Jede Familie, denen dieses Leid widerfahren war, konnte sich der Hilfe sicher sein. Die Banden überfielen ihr Dorf schon seit Jahren. Anfangs hatten sie nur Lebensmittel mitgenommen, aber inzwischen übten sie auch immer mehr Gewalt an den Dorfbewohnern aus. 22 Es war eines Nachts gewesen, als sie wiederkamen. Man hörte sie schon von Weitem, sie waren laut und schossen in die Luft. Dieses Mal war alles schlimmer als zuvor. Sie brachen in Häuser ein und töteten jeden, den sie fanden. Sie verwüsteten das Dorf und schütteten den Brunnen mit Sand und Steinen zu. Akberet konnte ihnen entkommen, sein Bruder nicht. Er wurde getötet. Die Zeit nach dem Angriff hat er nur noch verschwommen in Erinnerung. Er floh in Richtung Stadt. Er hatte kein Wasser und nichts zu essen, doch irgendwie schaffte er es bis in den vermeintlichen Schutz der Häuser und Straßen. Doch auch hier war es nicht besser. Anfangs bettelte er, doch schon bald vertrieb man ihn von den Straßen, Bettler waren nicht erwünscht. Die Gerüchte, die sich vor allem unter den Bettlern und Armen breit machten, kamen schließlich auch bei ihm an. Männer mit Pickups, die einen mitnahmen und halfen, eines der Boote zu bekommen. Eines der Boote, die nach Europa hinüberfuhren, wo alles besser sein sollte als hier. Doch diese Männer wollten bezahlt werden. Also stahl Akberet, auch wenn es ihm zuwider war, und verkaufte das Diebesgut. Er wollte nichts anderes als fort von hier und leben. Er sparte sich das Geld sogar vom Mund ab. Bis er es endlich zusammen hatte. Für ihn eine große Summe, für die Männer mit den Pickups war es gerade genug, dass sie ihn mitnahmen. Sie garantierten für nichts, sagten sie, vor allem wenn er nur so wenig bezahlen kann. Die Reise auf dem Pickup war lange und anstrengend für Akberet. Essen gaben sie ihm nicht, etwas zu trinken bekam er von ihnen. Er zählte die Tage nicht, die sie unterwegs waren, denn das hätte seinen Hunger noch vergrößert. Endlich waren sie am Ziel angekommen. Sie sollten runter von den Autos. Man drückte ihm einen Zettel in die Hand, er solle ihn bei den Booten abgeben, so würde er einen Platz bekommen. Zwei weitere Monate musste er in dieser Stadt verbringen, die Boote waren voll und sein Ticket war nicht gut genug, um bald einen Platz zu kriegen. Er musste warten. Wieder bettelte er, wieder stahl er um über die Runden zu kommen, bis der Tag endlich da war, auf den er so lange gewartet hatte. Er stand am Hafen, mit nichts, außer den Kleidern, die er trug, und sollte auf eines dieser, so klein wirkenden, Boote hinaufgehen. Viele andere strömten an ihm vorbei und drängten sich auf den Kahn. Ein wenig Angst hatte er schon. Es war das erste Mal dass er so viel Wasser sah und schwimmen, schwimmen hatte er nie gelernt. Maximilian Preuss Studis retten Lebensmittel: Neuer Fair-Teiler im AStA-Büro Die Foodsharing-Gruppe Kassel hofft, dass möglichst viele Studierende den öffentlichen Kühlschrank nutzen, um dort überschüssige Lebensmittel zu fairteilen - also kostenlos abgeben und mitnehmen. werden“, erklärt Berit Ostrander die Idee. Sie ist eine der Gründer*innen die Kasseler Foodsharing-Gruppe. „Wer zu viel eingekauft hat, in Urlaub fährt oder ein Produkt nicht mag, kann es einfach in den Kühlschrank legen - und jemand anderes freut sich dann darüber.“ Die verantwortlichen Foodsaver kontrollieren den FairLebensmittel sollten nicht im Müll landen, wenn sie noch genießbar sind - das würden wohl auch die meisten Stu- teiler regelmäßig und sortieren die Lebensmittel aus, die dierenden so unterschreiben. Trotzdem verschwenden wir nicht mehr genießbar sind. „Um die Reinigung kümmern wir uns natürlich jedes Jahr mehauch“, ergänzt rere Millionen Berit. Sie hofft, Tonnen Nahrung, dass möglichst indem wir sie viele Studierende wegwerfen. „Das und Beschäftigkann so nicht te der Uni Kassel weitergehen“, das Angebot nutdachten sich die zen - umso mehr Initiatoren von Müll könne verFoodsharing. Sie mieden werden. riefen 2012 eine Die Foodshabundesweite ring-Gruppe in Online-Plattform Kassel zählt im ins Leben, um Moment rund 40 gemeinsam Leaktive Mitglieder bensmittel zu und freut sich retten, anstatt sie über weitere Mitder Mülltonne zu streiter. Wer nicht überlassen. Innur den Fairteizwischen nutzen ler nutzen, sonüber 60.000 Men▲ Der Fair-Teiler hat mehrere Fächer und steht im Eingangsbereich des AStA dern sich auch in schen das Portal und in zahlreichen Städten haben sich lokale Initiativen die Gruppe einbringen möchte, ist herzlich eingeladen, zu einem der nächsten Treffen zu kommen. Diese finden gegründet. Auch in Kassel ist seit Ende 2014 eine Gruppe aktiv. Als immer am ersten Montag des Monats um 20 Uhr im FBI, so genannte „Foodsaver“ sammeln sie bei verschiedenen Frankfurter Straße 60, statt. „Es wäre natürlich toll, wenn Betrieben regelmäßig Produkte ein, die zwar noch konsu- noch mehr Leute dazukommen“, sagt Berit. „Dann könnmiert werden könnten, aus unterschiedlichen Gründen ten wir vielleicht noch weitere Betriebe ansprechen und aber nicht mehr verkauft werden. Backwaren, Tiefkühl- öfter Lebensmittel abholen.“ Auch die Verteilung könnte kost, Tofu und Gemüse landen dank der Abholung nicht dann noch besser und nachhaltiger organisiert werden. Wer sofort loslegen möchte, kann sich einfach unter www. im Müll, sondern werden kostenlos verteilt. Dafür gibt es verschiedene Treffpunkte, wie zum Beispiel das Fachbe- foodsharing.de anmelden und zum Beispiel einen virtuelschäft für Interaktion (FBI) in der Südstadt. Während der len Essenskorb mit überschüssigen Lebensmittel anlegen. Öffnungszeiten kann jede*r dort vorbeikommen und mit- Bei Interesse melden sich andere Foodsharer, die den Esnehmen, was er oder sie möchte - in der Regel mittwochs senskorb dann an einem vereinbarten Treffpunkt abholen. Bei Fragen oder Interesse ist die Foodsharing-Gruppe in ab 18.30 Uhr und freitags ab 15 Uhr. Seit kurzem gibt es nun auch eine Verteilerstation auf Kassel auch per Mail unter [email protected] erdem Campus. In den Räumen des AStA steht ein frei zu- reichbar. gänglicher Kühlschrank, an dem sich jede*r nach Belieben Text: Regine Beyß bedienen kann. „Natürlich können dort auch überschüsFotos: Berit Ostrander sige Lebensmittel aus dem eigenen Haushalt abgegeben 23 Bezaubernd schön von innen ( ▲) wie von außen ( ►): das neue HCC. Übrigens: Wer eine Innenansicht vom HCC möchte sollte diese Abbildung ausschneiden. Eigene Aufnahmen des vom, HEUREKA!, der Finanzkrise sei Dank, durch den Staat finanzierten Hörsaalcenters sind nämlich nicht gestattet(sic!). Vielleicht sollte man es in Lehman Brothers Center umbenennen. 24 Grau in Grau: Die Uni hat gebaut Das neue Hörsaal und Campus Center also. Dieses Semester wurde es Stück für Stück in Betrieb genommen. Die fortbass persistenten Bauzäune haben mich für eine Weile abgehalten, ehrlich gesagt dachte ich deretwegen bis vor kurzem es wäre noch nicht geöffnet, aber letzlich war es dann mal an der Zeit das graue Ding mit den grünen und orangenen Vorhängen zu beäugen. Drinnen stehend, scheinen einem die kolportierten 35 Millionen Baukosten auch nicht mehr abwegig. Es gibt Platz, viel Platz. Die Dame, die wir antreffen, versinkt hinter ihrem an größere Bankgebäude erinnernden Empfang. Vor lauter Betonhohlraum glaubt man kaum, dass hier noch 6 Hörsäle, (bald) Studieneinrichtungen wie das Studentenwerk, und einige Seminarräume zu finden sind. Das zentrale Atrium des zentralen Campus Centers Nord begrüßt jeden, mit Herzlich Willkommen via zweier Bildschirme, schwarz auf weiß. Verstreute, sich augenscheinlich beliebig weitende oder verjüngende Treppen laden ein und mehrere Aufzüge ebnen den Aufstieg im Gebäude. Am Ende, unterm Dach, wandert man durch noch verwaist wirkende Flure, mit diversem ungenutzten Mobiliar. Unterwegs dahin hat man zuvor den Eindruck gewonnen, dass in Plasma gehaltene Botschaften sich schnell verflüchtigen. Beton, Stahlgitter, Stille, Leere und Schuhladengeruch tun ihr Übriges. Irgendwo in den Beton hat man sicherlich auch „Du sollst dich hier nicht aufhalten“ gemeißelt. Also besser weiter. Es ist ein wenig tragisch, dass die Notausgänge und Seitentreppen groteskerweise tatsächlich zu den anziehendsten Bereichen zählen und so landen wir über Letztere auf einem Balkon. Die Bodenplatten sind wackelig, aber die Aussicht wunderbar und wir wagen uns an die Glasbrüstung. Lassen die Blicke eine Weile über andere Baustellen schweifen, dann irgendwann in Antizipation des Aufbruchs einen zurück zur Tür. Keine Klinke. WTF. Durch die glücklicherweise schon angeschlossene Sprechanlage erreichen wir (vermutlich) die Versunkene. Aber ohne Namen von uns sehe diese sich unglücklicherweise außer Standes die Tür zu öffnen. Wir verweilen weiter, diesmal unfreiwillig und kontaktieren in unserer aussichtsreichen Lage Andere, diesmal per Handy und ernten Erstaunen. In was wir da wohl hineingeraten sein mögen. Andeuten kann das, der sich wenige Minuten später, ohne je herbeigerufen worden zu sein, als im Stande Gefangene zu befreien, beweisende Hausmeister. Frei sollen wir sein und scheinen wohl auch sichtlich gelöst. Er jedoch wirkt zunächst angespannt, will Namen, aber nach meiner schier unvermeidlichen Selbstdenunzierung, „Gestatten, Koppler“, gibt er freundlich Auskunft über die Falle. Wenn es brennt werden dort Rollstuhlfahrer abgestellt. Merkwürdig, mitunter weil man das nirgends erkennen kann. Ein verlockender Balkon, den man vor Missbrauch durch Raucher zu schützen sucht, indem man die äußere Türklinke weglässt. Nicht nur, dass man dem Ein oder Anderen damit ein tyrioneskes Erlebnis beschert. Auch den gesetzlosen Rauchern wird es einiges an Kopfzerbrechen bereiten zu überlegen, wie man die Tür am besten offen hält. Stein, Papier, Holzstück oder Smartphone? Und auch sonst kann man gespannt sein wie es gelingt den noch etwas dystopisch wirkenden Rohbau mit Leben zu füllen. Felix Gonzo K. 25 Step by Step in the middle of nowhere Plattenrezension: PANDEMICA von „The Vile“ Rockmusik aus Kassel und Region? Sicher... da war doch mal irgendwann was. Ende der 80er Jahre die Psychedelic-Punker „Haunted Henschel“ zum Beispiel. Ganze drei Studioalben haben die rausgebracht und hatten sogar Auslandsauftritte. Nach deren Auflösung bemühen sich bis heute zahlreiche weitere lokale Bands, Kassel ein kleines bisschen Rock-Geschichte einzuimpfen. Einfach ist das nicht. Auf Auftritte muss man als Konzertgänger lange warten und die Bands fast schon detektivisch suchen: Gammelfleisch, Tonfront, Interstellar Pirates, The Wizarding Society, Timmy the Compressor, Holz – das sind wahrscheinlich nur einige von vielen interessanten Kasseler Bands, von denen leider manche nicht mehr aktiv sind. Im September 2014 ereignet sich dann, unbeachtet von der Lokalzeitung, eine kleine Sensation: Die 2011 gegründete Band „The Vile“, veröffentlicht ihr erstes Album „Pandemica“, das schnell überzeugt. „Pandemica“ beginnt recht freundlich mit einer Handvoll leichter Gitarrenklänge. Dazu wirbelndes Schlagzeug und treibender Bass. Zusammen mit dem eigenwilligen Gesang und den eingängigen Riffs fühlt man sich fast ein bisschen auf die Tanzmatten der 80er Jahre zurückversetzt. Doch schon das zweite Stück sprengt mit „White Horses“ die DiskoTüren auf und lässt einen Schwall kalter Nachtluft gepaart mit düster-verzerrten Gitarren-Tönen über die Tanzfläche schwappen. Damit sind The Vile bei der Grundstimmung ihres Albums angekommen. Die ist nämlich, obwohl die Mukke meist tanzbar bleibt, eher düster. Dazu würde passen, dass die Band ihr Debüt „Pandemica“, also Pandemie (umsichgreifende Infektionskrankheit) getauft und auch einen der neun Songs so benannt hat. Es birgt ja immer ein gewisses Risiko, einer Platte einen Titel-Track zu spendie26 ren, der den gleichen Namen wie das Album trägt. Einfach weil dann die Erwartung da ist, das Stück müsse auch ein besonderer Kracher sein und stellvertretend für das ganze Album stehen. „The Vile“ bestehen die Probe aber souverän. Nach „The Crypt“ ist „Pandemica“ das stärkste Lied des Albums geworden. „When I came back from the storm I will have known, the strongest in my heart is love and is home“ singt Sascha Wiegand triumphierend, während Gitarre und Schlagzeug groß aufspielen. Darunter gräbt und wühlt wild der Bass. Wer das Album auf mp3 durchhört, wird sich vielleicht wundern, warum genau in der Mitte mit „Solater“ ein deutlicher Stilbruch vollzogen wird. Die Band schaltet tempomäßig einen Gang zurück und wirkt plötzlich so heiter und versöhnlich, wie hervorblinzelnde Sonne nach einer Woche schwerer Regenfälle. Auf Langspielplatte angehört macht das durchaus Sinn, denn da wird „Solater“ zum schönen Ausklang der ASeite [(Danach erstmal Platte wenden, Tonarm wieder rüberschwenken und Nadel aufsetzen)]. Anscheinend hat man sich bei der Anordnung der Titel oder sogar schon beim Songwriting ein paar Gedanken dazu gemacht, welche Besonderheiten es erfordert, ein Album als LP zu veröffentlichen. Damit unterscheiden sich „The Vile“ von Bands, die ihr fertig gemischtes Album umstandslos auf Vinyl klatschen, weil‘s halt inzwischen wieder chic geworden ist, analoge Tonträger am Merch-Stand feilzubieten. Dementsprechend wird „Mistery of the cross“ als erstes Stück der B-Seite, zu einem zweiten Opener. Ähnlich episch auch das balladenhafte „Tortura“, das noch einmal fett aufträgt, bevor mit „Black Rabbit“ der solide, aber wenig spektakuläre Abspann des Albums runterläuft. Textlich bewegen sich „The Vile“ gefühlt immer im irgendwie Dunklen und Nebulösen. So unscharf wie die Fotografie auf dem Cover-Artwork, so verschwommen bleiben auch die englischen Lyrics. „I will follow you into the dark. Step by Step in the middle of nowhere.“ Solche einprägsamen Zeilen sind die Ausnahme. Stattdessen fächern die neun Songs eine Art Bildergalerie auf, in der einem bestimmte Elemente immer wieder begegnen: angeknackste Herzen, im freien Fall, in den Himmel, durch irgendwelche (Sehnsuchts-) Stürme und Tränen, in der kalten Nacht. Darin flackern hie und da goldene Funken auf. Da sollen weniger Botschaften transportiert, sondern in erster Linie Räume für Assoziationen geöffnet werden. Instrumental geschieht das durch den richtigen Einsatz von Hall- und Echoeffekten. Das Ergebnis ist ein Sound, der aufregend alt klingt. So ähnlich hat man in den 80er Jahren auf der Insel Musik gemacht. In Deutschland in den letzten Jahren (abgesehen von dem einen oder anderen „The Cure“ Revival) selten und in Kassel sowieso noch nie. Die Band selber ordnet sich dem Post-Punk und New-Wave zu. Vergleiche mit New Order, den frühen „The Cure“ oder ‚‘Echo & the Bunnymen‘‘ können angestellt werden. Man muss diese Bands aber nicht kennen, um die Musik von ‚‘The Vile‘‘ gut zu finden. Und Lust auf mehr zu bekommen. Auf der Facebookseite der Band hieß es Anfang 2015 ‚‘... start working again...‘‘. Der Hinweis auf neues Songmaterial? Ein zweites Album sollte bei dieser Band voll guter Ideen auf jeden Fall drin sein. Kassels Musiklandschaft braucht mehr solcher mutigen Experimente. Simon Kiebel 27 Wird der Süden zum neuen Westen? zum Verschenken ten mit Sachen anzutreffen: Kis g ufi hä t tad ds ch in der Sü ▲ Mittlerweile au 28 erg “ am Weinb s Cafe „Neu ▲ Blick in da A us Berlin, Hamburg oder anderen Großstädten kennt man dieses Phänomen bereits: Stadtteile werden trendy, kulturbesiedelter, teurer. Kassel ist nicht Berlin, nicht Hamburg. Aber auch wenn Kassel kleiner ist und weitaus weniger dynamisch - gibt es die Gentrifizierung auch hier, im Kleinen? Kassels Trendviertel war immer der Vordere Westen (zumindest dann, wenn man von einem Trendviertel sprechen kann, denn schließlich ist der Vordere Westen kein Kreuzberg oder Neukölln, das man über die Stadtgrenze hinweg beim Namen kennen würde). Im Westen wollte man wohnen, Kaffee trinken, sein. Läuft man durch die Straßen, die um den Bebelplatz gelegen sind, stellt man fest, dass hier viele junge, eher alternative Familien leben. Leute sitzen auf Fensterbänken, hier und da dringt Musik vom Wohnungsinneren nach außen, an den Scheiben hängen bunte Bildchen, auf den Balkonen und hinter geöffneten Fenstern sieht man Kinder herumspringen. Richtet man den Blick auf den Boden, entdeckt man, gefühlt alle paar Meter, einen Pappkarton, der mit „zu verschenken“ gekennzeichnet ist. Auch wenn das Wohnen hier für Kassler Verhältnisse nicht unbedingt günstig ist, ist das Viertel auch unter Studierenden sehr beliebt. Eine Einzimmerwohnung können sich hier wohl die wenigsten leisten, aber es mangelt auch nicht an WGs. Einkaufen kann man hier, neben Supermarktketten auch im Denns oder einem der anderen kleineren Bioläden in der Nähe. An Nachmittagen schlendert man durch die Friedrich-Ebert-Straße an individuellen Geschäften vorbei und zum Kaffeetrinken geht’s beispielsweise ins Café Rokkeberg, das neben Kaffee, selbstgemachter Bio-Mandarinen-Gurken-Limo und gesundem bio-regionalem Essensangebot auch Klamotten verkauft. Kassels Süden hingegen hatte mit Galerien, Kunsthochschule, dem Weinbergkrug und der Aue durchaus Potential, so richtig genutzt wurde das aber lange Zeit nicht. Das Viertel war bis vor ein paar Semestern noch ein beliebtes Wohnviertel, aber kein lebhaftes Viertel. Für Kaffee, kulturelle Angebote und Abendprogramm war hier nicht so recht gesorgt. Dass sich daran gerade etwas ändert, bemerkt man als Südstadtbewohner daran, dass man an Abenden oder Nachmittagen seltener mit Tram oder Fahrrad über den Weinberg hinweg oder Richtung Wilhelmshöhe-Allee in andere Stadtteile fährt und dafür öfter zu Fuß zur Kaffee-Verabredung oder zum Konzert unterwegs ist. er Grund dafür, dass sich hier über die letzten Jahre langsam und leise etwas getan hat, ist die Neunutzung von Flächen und Räumen. 2012 zog das Künstlerkollektiv TOKONOMA in ein früheres Kosmetikstudio in der Frankfurter Straße. Laut einem Artikel in der HNA, der einige Tage nach der Eröffnung erschien, sollte dort eine „Plattform für junge Kunst und Clubkultur“ geschaffen werden. Diese Plattform wird mittlerweile viel bespielt, beispielsweise mit regelmäßigen Künstlergesprächen an Dienstagen. Dazwischen werden D 29 “ ▲ Im Cafe „Neu die Räume für Ausstellungen oder auch Performances genutzt. Neben dem TOKONOMA befindet sich der kleine Schreibwaren-Laden Wikullil. Dort gibt es neben Papieren, Modellbaumaterialien und der Möglichkeit 3D zu drucken auch Postkarten oder Notizbücher, die von lokal ansässigen Künstlern und Designern kreiert sind. Nebenan im Cafe Neu gibt es für den, dem das noch nicht genug ist, auch selbstgestrickte Babykleidung oder Siebdruckposter zu erwerben. Das Angebot ändert sich häufig und auch hier haben die Produkte einen lokalen Bezug. Der Raum, direkt an der Ecke Frankfurter Straße und Tischbeinstraße, wurde dieses Jahr als Café eröffnet. Nach und nach kamen mehr Einrichtungsgegenstände hinzu. Das Café wurde bunter und das Angebot vielfältiger. Wer auf starken Kaffee steht, ist hier sowieso richtig. Es gibt aber auch eine Auswahl an Tees und Limonaden. Das Essensangebot ist tagesabhängig, mal Quiche, mal Suppe. Seit kurzem gibt es samstags und sonntags auch Frühstück. Nachmittags kann man hier bei einem Stück Kuchen (wahlweise auch vegan) und einem heißen Getränk auf einer der Bänke im Fenster sitzen und die vorbeifahrenden Autos beobachten oder zu einem Plausch an einer aus antiken Möbelstücken zusammengewürfelten Sitzgruppe Platz nehmen. Abends findet hier mal ein Konzert, mal eine Lesung statt. Falls mal nichts los ist, geht es eine Tür weiter zum Weinbergkrug. An der Frankfurter Straße ließen sich noch ein paar Orte mehr nennen, die einen Besuch wert wären. Beispielsweise der kleine BioMarkt „Butterblume“, in dem man immer auf nettes und fröhliches Personal trifft und sich auch mal einen Bio-Kaffee-to-go und dazu einen veganen Brownie holen kann, um sich damit dann einen ruhigen Platz in der Aue zu suchen. 30 Die Aue ist überhaupt wohl auch ein großer Pluspunkt der Südstadt. Joggen, Slacklinen oder Picknicken geht dort alles. Seit 2013 kann man auch im an der Fulda gelegenen Auebad schwimmen gehen. Eineinhalb Stunden kosten für Studenten 3 Euro. Fährt man im Sommer mit dem Fahrrad auf einer der Brücken über den Fluss, gelangt man in das Naturschutzgebiet mit den Bugaseen. Dort geht das mit dem Schwimmen auch kostenlos (und sogar mit kleinen Sandstränden). Direkt neben der Aue liegt die Kunsthochschule. In der Mensa in der Menzelstraße gibt es zwar deutlich weniger Auswahl als in der Zentralmensa am HoPla, aber dafür kann man sein Essen direkt am Fenster oder bei gutem Wetter ▲ Auslage im auch draußen an Biertischgarnituren mit freiem Blick auf die Aue genießen. Ein Besuch lohnt sich also auch für den Nicht-Kunststudenten. ▼ Im Sch reibw arengesc Das gilt auch für die Bibliothek der Kunsthochschule. Zum Arbeiten ist es hier viel ruhiger und meist leerer als in der Campusbibliothek und man kann beim Nachdenken den Blick auch mal ins Grüne schweifen lassen. Auch im Süden gibt es also Vieles zu entdecken und es hat sich über die letzten Semester hier einiges Neues getan. aut dem Internetportal Immowelt beträgt der durchschnittliche Mietpreis in Kassel zur Zeit 7,25 Euro pro m². Nordholland liegt beispielsweise mit 6,54 Euro pro m² deutlich darunter. In der Südstadt zu wohnen kostet pro m² durchschnittlich 7,61 Euro, im Westen schon ganze 8,21 Euro. Im Süden zu wohnen ist also immer noch günstiger als im Westen. Interessant zu betrachten wäre dabei noch, ob die Mietpreise innerhalb der Südstadt über die letzten Schreibwarengeschäft „Wikullil“ Jahre ungewöhnlich stark angestiegen sind. Vergleicht man etwa Durchschnittsquadratmeterpreise einer im Süden gelegenen 100 m² Wohnung, die etwa ei- L häft „Wik ullil“ ner 4er Wg entspricht, 2014 mit 2015, ist ein Anstieg von 59 Cent auszumachen. Diese 59 Cent lassen es zwar im Süden noch nicht teurer werden als im Westen zu wohnen, im Verhältnis zur durchschnittlichen Mietpreisentwicklung in Kassel stellen sie jedoch einen außergewöhnlich großen Anstieg dar. Nicht nur die Wohnpreise lassen vermuten, dass der Süden kein neuer Westen werden will. Einen letzten Vergleichsgedanken kann man sich dann aber doch nicht verkneifen: Auch die Pappkartons gibt es mittlerweile im Süden, wenn auch nicht an jeder Ecke. Wer sich einmal die Südstadtkartons anschauen will, wird auf dem kleinen Platz, an dem sich Julienstraße und Johannesstraße kreuzen, auf der um den Baum herum angelegten Rundbank fündig, oder auch seltener an irgendeiner anderen Straßenecke. Dass es die Kartons hier nicht alle paar Meter gibt, heißt wohl, dass der Süden dem Westen in Sachen Verschenkfreudigkeit immer noch nachsteht. Kaffee und das Leben genießen geht dahingegen aber mittlerweile auch hier. Ob die Entwicklung im Süden letztendlich zu einer wirklichen Gentrifizierung mit allen ihren Folgen führt, bleibt glücklicherweise noch abzuwarten. Milena Maren Röthig Ansch auen und H ingehe n: www.s uperto konom a.de www.w www.wein bergikullil.c kafe.d om e 31