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NEWSLETTER DES SOZIALWISSENSCHAFTLICHEN INSTITUTS DER BUNDESWEHR
Heft 1–2005
Thema: Betriebswirtschaftliche Instrumente in der Bundeswehr
Neue Steuerungsmodelle in der Bundeswehr. Ausgangspunkte, Konzeptionen und Entwicklungen – Seite 1
Ökonomisierung in der Bundeswehr. Ein SOWI-Projekt stellt sich vor – Seite 6
Im Meinungsbild der Soldaten. Ergebnisse der Streitkräftebefragung 2003 zum Ökonomisierungsprozess – Seite 7
Neues aus dem Institut – Seite 11
Neue Steuerungsmodelle in der
Bundeswehr
Ausgangspunkte, Konzeptionen und
Entwicklungen
Von Gregor Richter
Ausgangspunkt: Die Modernisierung des
öffentlichen Sektors
Kaum ein Aspekt des Reformprozesses, durch
den die Bundeswehr derzeit schreitet, wird leidenschaftlicher und zugleich mit widersprüchlicheren Argumenten diskutiert wie die Einführung betriebswirtschaftlicher Steuerungsinstrumente und Denkweisen in den Streitkräften und
der Wehrverwaltung. Befürworter sehen in Kostenrechung, Controlling, Outsourcing usw. eine
Chance, Ineffizienzen aufzudecken, um eine
immer dringender werdende Entlastung des
Verteidigungshaushalts herbeizuführen; Kritiker
stellen die Kosten des Controllings und der Privatisierungsmaßnahmen heraus, die für entsprechende Dienstposten, Ausbildungsmaßnahmen
und für externe Beratungsunternehmen entstehen. Stimmen, die dem Veränderungsprozess
positiv gesonnen sind, verweisen auf die Chan-
ce, mit den neuen betriebswirtschaftlichen
Denkweisen Kostenbewusstsein, eine stärkere
Zielorientierung und Verantwortung zu erzeugen und v. a. eingefahrene und unflexible Verwaltungsstrukturen und -kulturen aufzubrechen.
Negative Stimmen beklagen hingegen, dass
Controlling den Ist-Zustand auch nur verwalten
würde, letztlich den Verwaltungsaufwand für
alles erhöht und den alltäglichen Dienst und
militärische Entscheidungsprozesse mehr behindert, als es Nutzen stiftet.
Wo nimmt die Reformdiskussion in der Bundeswehr eigentlich ihren Ausgangspunkt? Welche Leitidee liegt ihr zugrunde? Bei der Beantwortung dieser Frage zeigt sich, dass die Bundeswehr im Sinne eines Spiegels der Gesellschaft Entwicklungen von außen aufnimmt und
in ihre Struktur einbaut.
Als Leitbild für die Staats- und Verwaltungsmodernisierung hierzulande fungiert das „NewPublic-Management (NPM)“, ein ursprünglich
aus den angelsächsischen Ländern stammendes
Reformkonzept. Das NPM umfasst den internen
Umbau von Verwaltungsstrukturen, die Einführung von Denkweisen und Methoden aus der
Privatwirtschaft und v. a. die Neubewertung der
gesellschaftlichen Arbeitsteilung zwischen Staat
und privatem Sektor: Welche gesellschaftlichen
Aufgaben- und Versorgungsbereiche müssen in
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unmittelbarer staatlicher Verantwortung bleiben,
welche können an private Organisationen und
zivilgesellschaftliche Akteure abgegeben werden? Im Kern liegt dem NPM eine neoliberale
Staats- und Gesellschaftsauffassung zugrunde:
Privates Engagement ist, wo immer möglich,
staatlichem vorzuziehen; Wettbewerb und
Markt werden in der Regel als effizientere Institutionen als Staat und öffentliche Verwaltung
eingeschätzt.
•
Die deutsche Variante des NPM ist das „Neue
Steuerungsmodell (NSM)“. Es wurde Anfang
der 1990er Jahre ursprünglich für die kommunale Verwaltungsebene entwickelt, dann aber auch
auf Länder- und Bundesebene adaptiert. Anhand
von fünf Dimensionen lässt sich das Leitkonzept
des NSM herausarbeiten:1
• Verhältnis Öffentliche Verwaltung/Bürger:
Während das klassische Verwaltungsmodell
den Bürger in erster Linie als Adressat hoheitlicher Aufgaben betrachtet, wird er im
Neuen Steuerungsmodell als „Kunde“ definiert. Kommunale und alle anderen öffentlichen Verwaltungen, mit denen die Bürger
direkt in Kontakt treten, sollen sich zu einem „Dienstleistungsunternehmen“ entwickeln. Mit dieser Dimension ist die Ebene
der Organisationskultur und des Selbstverständnisses moderner Verwaltung angesprochen.
• Entscheidungsstrukturen: Die klassische
Verwaltung ist durch eine streng pyramidenförmige Amtshierarchie mit stark zentralisierter Entscheidungsstruktur geprägt. Diese soll im NSM flacheren und zugleich dezentraleren Aufbaustrukturen weichen. Angestrebt wird ein Mehr an Verantwortung
und Situationsorientierung auf allen Ebenen.
•
1
Siehe hierzu: Richter, Gregor (2004): Ökonomisierung in der Bundeswehr. In: Gareis, Sven B./Klein,
Paul (Hrsg.): Handbuch Militär und Sozialwissenschaft. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
2|
•
Steuerung der Finanzmittel: Typisch für die
deutsche Verwaltung ist eine weitgehende
Trennung von Fach- und Ressourcenverantwortung. Diese sollen im NSM zusammengeführt werden. Unterstützend wirkt
hier die teilweise Umstellung der in zeitlicher und sachlicher Hinsicht starren Haushaltsstellensystematik auf die sog. Flexible
Budgetierung. An die Stelle der kameralistischen Inputorientierung tritt die betriebswirtschaftliche Outputorientierung.
Personal: Gegenwärtig orientieren sich die
Aufstiegschancen der Mitarbeiter im
Öffentlichen Dienst im Wesentlichen immer
noch am Anciennitäts- und Laufbahnprinzip. Zukünftig sollen Honorierung und Aufstieg stärker am Leistungsprinzip ausgerichtet sein.
Institutionen: Wie bereits erwähnt, setzen
NPM und NSM auf Markt und Wettbewerb
als wirtschaftliche Steuerungsmechanismen.
Aufgaben, die bis jetzt vom Staat in Eigenregie erfüllt worden sind, sollen an private
Unternehmen ausgelagert werden. Der Staat
tritt dann als (einziger) Nachfrager in einem
Markt auf, der auf der anderen Marktseite
durch Anbieterwettbewerb unter den Leistungserbringern ausgestaltet ist.
Die gegenwärtigen Bemühungen der Bundeswehr, betriebswirtschaftliche Methoden und
Instrumente bei sich zu etablieren und Aufgaben
im Servicebereich zu privatisieren, sind vom
Leitbild des NSM geprägt. Gleichwohl ist eine
Eins-zu-eins-Übernahme aller Aspekte des
NSM aufgrund der Besonderheiten militärsicher
Organisationen ebenso wenig zielführend wie
eine unreflektierte Adaption von privatwirtschaftlichen Methoden. Mit der Entwicklung
des Ressortkonzepts der „Kosten- und Leistungsverantwortung (KLV)“ hat die Bundeswehr einen eigenständigen Weg beschritten, der
ihren spezifischen Bedürfnissen gerecht werden
sollte.
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Entstehung und Konzeption der „Kostenund Leistungsverantwortung (KLV)“
Im Jahr 1992 wurde die Arbeitsgruppe „Aufwandbegrenzung und Rationalisierung im Betrieb (AGAB)“ im Führungsstab der Streitkräfte
gebildet. Sie wurde, wie auch spätere Projekte,
von Unternehmensberatungen unterstützt. Ein
zentrales Ergebnis der Arbeitsgruppe in der Zeit
zwischen 1993 und 1994 ist die Entwicklung
des Konzepts der Kosten- und Leistungsverantwortung: „Das Konzept der KLV will den wirtschaftlichen Umgang mit den anvertrauten Ressourcen als einen wesentlichen Maßstab des
Denkens und Handelns in der Bundeswehr stärker als bisher verankern.“2 Am besten wird man
der KLV gerecht, wenn man sie als eine Führungsphilosophie bezeichnet. Im Wesentlichen
umfasst sie folgende Programmelemente:
• wirtschaftliche Erstellung aller militärischen
und zivilen Leistungen (Wirtschaftlichkeitsgebot);
• Herstellung der Kosten- und Leistungsverantwortung auf allen Ebenen;
• Schaffung von Kosten- und Leistungstransparenz;
• Erschließung von Kreativitätspotenzialen.
Nach der Erprobung des Konzepts in einigen
Pilotprojekten in den Jahren 1994 bis 1996 wird
die KLV flächendeckend in der Bundeswehr
eingeführt. Zentrale Instrumente der KLV sind
neben anderen die Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) und das Kontinuierliche Verbesserungsprogramm (KVP). Vorrangiges Ziel der
KLR ist die Schaffung von Transparenz über die
in einer Dienststelle erbrachten Leistungen und
die dafür anfallenden Kosten. Die KLR umfasst
neben der Ist-Kosten-Rechung auch eine PlanKosten-Rechnung, die ein gezieltes Eingreifen
und Nachsteuern bei Zielabweichungen ermöglichen soll; sie ist somit ein Instrument der Füh2
Hubbert, Michael (2000): Schlanker Staat – KLV
und Flexible Budgetierung in den Streitkräften, in:
Bundesverwaltung 44(4), S. 79–83, hier: S. 79.
rungsunterstützung. Die KLR dient auch der
Vorbereitung
von
sog.
Market-TestingVerfahren (MT), mit denen der Selbstkostenpreis einer Leistung bestimmt und mit einem
Preisangebot eines kommerziellen Anbieters
verglichen werden kann. Das MT-Verfahren
kann als Vorstufe für Privatisierung bzw. Outsourcing von Leistungsbereichen betrachtet
werden. Das KVP ist ein Instrument der Förderung der Eigeninitiative und Kreativität aller
Soldaten und zivilen Beschäftigten in der Bundeswehr. Es dient dem systematischen Aufspüren von Verbesserungsmöglichkeiten in alltäglichen Arbeitsprozessen und nutzt somit die Erfahrungen und Kreativitätspotentiale der Mitarbeiter. Ziel des KVP ist nicht nur das Auffinden
von Einsparmöglichkeiten, sondern auch eine
Optimierung von Arbeitsabläufen und somit
eine Qualitätsverbesserung der Leistungserstellung. Das Programm ist bewusst mit finanziellen Anreizen für das Einreichen von Verbesserungsvorschlägen ausgestaltet worden.
Weiterentwicklungen: Strategisches Controlling in der Bundeswehr
Die Mitte der 1990er Jahre entstandenen Ansätze der KLV sind in den letzten Jahren zu einem
umfassenderen Controlling-Konzept weiterentwickelt worden, das die Wirtschaftlichkeit und
Transparenz sowie die Leistungsfähigkeit der
Bundeswehr ebenengerecht und durchgängig
verbessern soll. Dabei orientiert sich die Bundeswehr an einem modernen ControllingKonzept, wie es heute in privatwirtschaftlichen
Unternehmen zum Standard gehört. Das ursprüngliche Verständnis von Controlling als
kostenrechnerisches Informations- und Analysesystem weicht zunehmend einem integrierten
Ansatz: Controlling ist auch ein Führungsinstrument zur Entwicklung, Steuerung und Kontrolle von Strategieprozessen in Unternehmen –
und in der Bundeswehr. Welches spezifische
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Verständnis von Controlling hat sich nun in den
Streitkräften herausgebildet?
Jürgen Weber unterscheidet drei Definitionstypen von Controlling in der von ihm ausgewerteten Controllingliteratur: a) Controlling als Informationsversorgungsfunktion, b) Controlling
als spezielle Form der Führung und c) Controlling als Koordinationsfunktion.3
a) Dieses frühe Konzept sieht die Aufgabe des
Controllings in der Beschaffung, Aufbereitung
und Koordination von unternehmensrelevanten
Informationen. Institutionell ist Controlling
dann oftmals dem betrieblichen Rechnungswesen zugeordnet.
b) Controlling als spezielle Form der Unternehmensführung hat für eine konsequente Zielausrichtung des Unternehmens Sorge zu tragen.
Dabei kann sich dieses Controlling sowohl auf
Unternehmen, die primär Formalziele verfolgen
(Gewinnsteigerung, Umsatzentwicklung usw.),
ebenso aber auch auf andere Organisationen, die
primär Sachziele verfolgen, erstrecken. Die
Bundeswehr ist eine solche Organisation, die
primär Sachziele verfolgt (v. a.: Herstellen der
Verteidigungs- und Einsatzbereitschaft).
c) Dem Verständnis von Controlling als Koordinator unterschiedlicher Bereiche der Unternehmung liegt ein systemtheoretischer Ansatz
zugrunde. Controlling wird somit zum integralen Bestandteil jeglichen Führungshandelns auf
allen Ebenen. Dabei entsteht zu leicht der Anschein, als hätte das Controlling einen Omnipotenzanspruch in der Organisation; zudem bleibt
unklar, wo Controlling in dieser Konzeption
organisatorisch aufgehängt ist.
3
Weber, Jürgen (2002): Einführung in das Controlling. 9. überarb. Aufl. Stuttgart: Schaeffer-Poeschel,
hier: S. 20 ff. Jürgen Weber ist Professor für Betriebswirtschaftslehre, insb. Rechnungswesen/Controlling an der WHU in Koblenz. Zudem ist
er Mitbegründer der CTcon – Consulting und Training im Controlling GmbH, die auch die Bundeswehr
bei der Einführung von Controllinginstrumenten
maßgeblich beraten hat.
4|
In den Streitkräften hat sich seit etwa 2000 (implizit) ein Konzept herauskristallisiert, bei dem
Controlling in Anlehnung an b) als spezielle
Form der Unternehmensführung ausgestaltet
wird. Controlling hat hierbei die Aufgabe, ergebnisorientierte Planungsprozesse zu initiieren
und diese in Zielvereinbarungen und Zielerreichungsanalysen zu überwachen. Das hierfür in
der Privatwirtschaft seit Jahren etablierte Tool
der Balanced-Scorecard (BSC) kommt seit
jüngster Zeit auch in der Bundeswehr zum Einsatz. Im Kern ist die BSC ein Hypothesensystem
zur Darstellung der Ziele eines Unternehmens
und der kausalen Verknüpfungen der Ziele. Den
strategischen Perspektiven und Zielen werden
Maßnahmen zur Umsetzung zugeordnet; die
Messung des Zielerreichungsgrades erfolgt über
Kennzahlensysteme.
All dies hat selbstverständlich Auswirkungen
auf das Führungshandeln und die Führungsphilosophie in der Bundeswehr.
Controlling und militärischer Führungsprozess
„Führung ist eine personenbezogene Handlung,
bei der einzelne Personen oder Personenmehrheiten (Führende) auf andere Personen (Geführte) einwirken, um diese zu einem zielentsprechenden Handeln zu veranlassen.“4 Diese klassische Definition gilt auf einer entsprechenden
Abstraktionsebene ebenso für Führung in Unternehmungen wie im Militär. Dabei lassen sich
grundsätzlich zwei Grundtypen von Führung
unterscheiden: (1) Führung als personale Führung bzw. Weisung, bei der sich Führender und
Geführter direkt in einem Interaktionszusammenhang gegenüberstehen und (2) Führung über
Programmierung bzw. Planung, bei der Verfah4
Heinen, Edmund (1984): Betriebswirtschaftliche
Führungslehre. Grundlagen – Strategien – Modelle.
2. Aufl. Wiesbaden: Gabler, hier: S. 38.
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rensregeln bzw. Ziele und Plandaten (meist in
schriftlicher Form) vorgegeben werden, an denen sich das Verhalten der Geführten ausrichten
soll. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht stellen
beide Führungstypen funktionale Äquivalente
dar. Aber gilt dies auch uneingeschränkt für den
Fall militärischer Organisationen?
Persönliche Führung im Militär ist weit mehr als
das aufgabenbezogene Einwirken auf andere
Personen; die direkte Interaktion zwischen militärischen Führern und den Untergebenen ist
zudem essenziell für die Bildung von Vertrauen
und die Stärkung der Beziehungen innerhalb
einer militärischen Einheit (Stichwort: Kohäsion). Wie militärisches Führungshandeln auszugestalten ist, gibt das Modell der Inneren Führung vor. Betriebswirtschaftliche Methoden und
Instrumente wie das Controlling stehen prinzipiell nicht mit den Vorgaben der Inneren Führung, dem Leitbild des Staatsbürgers in Uniform
oder der Auftragstaktik der Bundeswehr in Widerspruch. Tendenziell substituieren die Instrumente des Controllings allerdings persönliche
Führung durch Führung qua Programme und
Planung. Dies gilt gerade für das Strategie- und
Managementinstrument Balanced Scorecard
(BSC), das zurzeit in der Bundeswehr implementiert wird.
Zum Autor
Dr. Gregor Richter (Jg. 1969), Studium der
Soziologie, Volkswirtschaftslehre und Statistik.
Von 1997–2002 wissenschaftlicher Mitarbeiter
an der Universität der Bundeswehr München.
Seit 2003 am SOWI. Dort leitet er das sozialwissenschaftliche Projekt „Ökonomisierung in
der Bundeswehr“ und ist in Nebenfunktion
Controller am Institut.
Stichwort „Leitbild“
Um die Zielbildung und Planung ebenengerecht
zu unterstützen, werden allerorts derzeit Leitbilder entwickelt. Die Entwicklung der Leitbilder
soll in einem möglichst partizipationsoffenen
Prozess erfolgen. Hierbei werden nicht nur harte, quantifizierbare Aufgaben berücksichtigt,
sondern es wird eine ausgewogene Einbeziehung der unterschiedlichsten Aufgabenbereiche
einer Organisation angestrebt. Ein gutes Leitbild
kann also kooperative Führungstätigkeit erleichtern, da es den Mitarbeitern die Chance gibt,
mitzudenken und ihre eigene Funktion im Team
realistisch einzuschätzen. Ein gutes Leitbild
erfüllt folgende Funktionen:
Wahrheitsfunktion: Ein Leitbild soll sich an der
Realität orientieren. Dies schließt nicht aus,
dass in ihm Visionen formuliert werden können.
Klarheitsfunktion: Das Leitbild soll klar und präzise formuliert sein, die Sprache dem „Stil“ der
Organisation entsprechen.
Vollständigkeitsfunktion: Alle Handlungsbereiche der Organisation sollten angesprochen
werden.
Identifikationsfunktion: Alle Mitglieder der Organisation müssen sich mit dem Leitbild identifizieren können.
Orientierungs- bzw. Kulturfunktion: Das Leitbild
gibt den Rahmen für das Handeln nach innen
und außen vor, gerade dann, wenn neue, noch
nicht standardisierte Handlungssituationen auftreten.
Motivationsfunktion: Das Leitbild soll einen Ansporn zu verstärktem Engagement für die Mitglieder der Organisation bilden.
Beweisfunktion: Das Leitbild dient der Dokumentation der gemeinsam festgestellten Werte
und Normen.
Dachfunktion: Das Leitbild dient als Basis für
konkrete Leitlinien in den verschiedenen Organisationsbereichen.
Koordinationsfunktion: Strategische Entscheidungen werden auf Basis des Leitbilds gefällt
und untereinander abgestimmt.
Legitimationsfunktion: Das Handeln der Organisation wird nach außen gerechtfertigt; das Leitbild dient auch der Stabilisierung der Organisation gegenüber Anspruchsgruppen und Auftraggebern.
Informationsfunktion: Das Leitbild dient der Öffentlichkeitsarbeit und der Außendarstellung.
Kontakt: [email protected]
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G. Richter
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Ökonomisierung in
der Bundeswehr
Ein SOWI-Projekt stellt sich vor
Von Gregor Richter
„Ökonomisierung in der Bundeswehr. Sozialwissenschaftliche Begleitung der Einführung
betriebswirtschaftlicher Steuerungsinstrumente
und Denkweisen in der Bundeswehr“ – dies ist
der Titel eines Forschungsprojektes am SOWI,
das 2003 ins Leben gerufen wurde. Ausgangspunkt für das Projekt waren zwei vom Beirat für
Fragen der Inneren Führung vorgelegte Empfehlungen an den Bundesminister der Verteidigung.5 Darin wird der von der Bundeswehr eingeschlagene Weg, das Wirtschaftlichkeitsprinzip durchgängig anzuwenden und verstärkt auf
moderne betriebswirtschaftliche Führungsinstrumente zu setzen, grundsätzlich unterstützt,
es wird aber auch auf mögliche Zielkonflikte
mit der Inneren Führung hingewiesen. Da die
Erfahrungsbasis des Beirates bei seiner Bewertung des Ökonomisierungsprozesses notgedrungen fragmentarisch war, sollte eine systematische und wissenschaftliche Untersuchung hierzu
durchgeführt werden.
Im Dezember 2003 erging der Auftrag an das
SOWI, ein erstes Forschungsmodul zu starten.
Ziel der Untersuchung ist es, ein repräsentatives
Gesamtbild der Wissensbestände, Einstellungen
und Meinungen in der Truppe sowie Selbstaussagen in Bezug auf das eigene Handeln zum
Themenfeld „Ökonomisierung in der Bundeswehr“ im jährlichen Rhythmus zu erheben und
fortzuschreiben. Auf diese Weise können auch
5
10. Beirat für Fragen der Inneren Führung: „Die
stärkere Ökonomisierung der Bundeswehr und mögliche Rückwirkungen auf die Praxis der Inneren Führung“ v. 21.09.01 und 11. Beirat: „Empfehlungen zur
Ökonomisierung in der Bundeswehr“ v. 05.12.03.
6|
mögliche (unerwünschte) Rückwirkungen auf
die Innere Führung ermittelt werden. Als empirisches Trägerprojekt wurde die Streitkräfteumfrage des SOWI genutzt. Ausgewählte Befragungsergebnisse sind in diesen SOWI.NEWS
dokumentiert (siehe S. 7 ff.). Eine zweite Befragungswelle ist für April 2005 geplant.
Nicht alle interessierenden Forschungsfragen
zum Themenkomplex konnten in Modul 1 bereits beantwortet werden. Das zentrale betriebswirtschaftliche Instrument, das zurzeit in der
Bundeswehr eingeführt bzw. genutzt wird, ist
das Controlling. Leitfragestellung von Modul 2
ist es – ausgehend von den Ergebnissen von
Modul 1 – zu ermitteln, in welchem Umfang
und wie das betriebswirtschaftliche Controlling
von militärischen Führern genutzt wird, ob und
wie es sich in den alltäglichen (militärischen)
Führungsprozess einfügt und wo Inkompatibilitäten zwischen betriebswirtschaftlicher Steuerung, Verwaltung und militärischer Handlungsrationalität auftreten. Im Detail sollen folgende
Fragen behandelt werden (Auswahl): Wie bewerten diejenigen, die die neuen Instrumente
nutzen sollen, ihre bundeswehrinterne Ausbildung hierfür? Welche Erfahrungen wurden mit
der Einführung des Controllings gemacht? Welche Kompetenzen hat der Controller vor Ort
(bloße Informationsversorgung des Kommandeurs/Dienststellenleiters – Beratungs-/Empfehlungsrecht – Mitsprache-/Mitwirkungsrecht –
Entscheidungsrechte?) Welche Auswirkungen
hatte die Einführung von Leitbildern und Zielsystemen (Stichwort: balanced scorecard)?
Zurzeit laufen die Vorbereitungen für Modul 2.
Methodisch wird das sog. Triangulationsverfahren zum Einsatz gebracht, d. h. der Forschungsgegenstand soll sowohl mit quantitativ-statistischen, als auch parallel dazu mit qualitativen
Verfahren erschlossen werden.
Kontakt: [email protected]
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Im Meinungsbild
der Soldaten
Ergebnisse der Streitkräftebefragung
2003 zum Ökonomisierungsprozess6
Von Gregor Richter
Die folgenden Befragungsergebnisse basieren
auf der Streitkräftebefragung des SOWI. Erhebungszeitraum war zwischen Dezember 2003
und Januar 2004. In der jährlich vom SOWI
durchgeführten Untersuchung wurden diesmal
in 34 Verbänden über 1500 Soldaten und Soldatinnen befragt. Die Stichprobe ist repräsentativ
über alle Dienstgradgruppen hinweg; es erfolgte
eine Clusterung nach TSK/OrgBereichen.
12 Prozent der Befragten waren Offiziere,
45 Prozent Unteroffiziere und 43 Prozent Mannschaften; 70 Prozent hatten den Status BS oder
SaZ, 14 Prozent FWDL und 15 Prozent GWDL.
Es können also Aussagen über die Streitkräfte,
nicht aber über die Wehrverwaltung getroffen
werden.
Um einen umfassenden Organisationsentwicklungsprozess (OE) wie den der Einführung betriebswirtschaftlicher Steuerungs- und Denkweisen in der Bundeswehr überhaupt durchführen zu können, muss mit der Einführung der
eigentlichen Maßnahmen auch eine Reihe von
Bedingungen für deren Erfolg geschaffen werden. Erfahrungen mit ähnlich gelagerten OEProzessen zeigen, dass es v. a. drei Faktoren
sind, die entsprechend Berücksichtigung finden
müssen: „Können“, „Wollen“ und „Dürfen“.
6
Siehe ausführlich hierzu: Kantner,
Cathleen/Richter, Gregor (2004): Die Ökonomisierung der Bundeswehr im Meinungsbild der Soldaten.
Ergebnisse der Streitkräftebefragung 2003 (SOWIArbeitspapier Nr. 139). Strausberg: Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehr.
Können: Die Soldaten müssen flächendeckend
über Sinn und Zweck der neuen Maßnahmen
informiert werden. Diejenigen, die betriebswirtschaftliche Instrumente nutzen sollen, müssen
den jeweiligen Anforderungen entsprechend
qualifiziert werden. Zudem ist es erforderlich,
eine ausreichende personelle Ausstattung für die
ökonomischen Instrumente in den Dienststellen
zu schaffen.
Wollen: Soldaten in Führungs- und Entscheidungsfunktionen ebenso wie Soldaten, die nur
indirekt von den Veränderungen betroffen sind,
müssen entsprechend motiviert werden. Neben
dem bloßen Sinnverständnis für die Reformen
und Maßnahmen ist es ebenso wichtig, dass
Anreize für wirtschaftliches Handeln auf individueller wie auf kollektiver Ebene geschaffen
werden.
Dürfen: Damit die neuen Führungsinstrumente
wie Controlling, KLR usw. zielführend genutzt
werden können, sind entsprechende Voraussetzungen im Umfeld erforderlich, d. h. die organisatorischen und (haushalts-)rechtlichen Rahmenbedingungen müssen mit den betriebswirtschaftlichen Verfahren kompatibel gemacht
werden. Dabei ist zu vermeiden, dass die neuen
Instrumente über Gebühr selbst zu einer Steigerung der Regelungsdichte und des Verwaltungsaufwandes beitragen.
Im Folgenden werden ausgewählte Befragungsergebnisse entlang dieser drei Bewertungsfaktoren dargestellt.
Bewertungsfaktor „Können“
Wer sich schlecht informiert fühlt, den Sinn
bestimmter Maßnahmen nicht versteht oder in
Gesprächen nicht überzeugend vertreten kann,
ist kaum in der Lage, betriebswirtschaftliche
Instrumente sinnvoll anzuwenden oder gar andere dafür zu begeistern. Das Befragungsergebnis hierzu ist eher ernüchternd: 43 Prozent der
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Soldaten fühlen sich „schlecht“ bzw. „eher
schlecht“ informiert (darunter: 25 Prozent der
Offiziere, 46 Prozent der Unteroffiziere und
45 Prozent der Mannschaften). Die Soldaten
haben also offenbar ein erhebliches Informationsbedürfnis; die gegenwärtige Kommunikations- und Informationsarbeit sollte deshalb intensiviert werden. Soldaten, die besser informiert sind, stehen dem Ökonomisierungsprozess
– was in der Untersuchung auch gezeigt werden
konnte – zudem tendenziell eher positiv gegenüber.
Tage gefördert. 56 Prozent der Befragten geben
an, im Rahmen der Befragung zum ersten Mal
vom KVP zu hören. 25 Prozent haben schon
einmal davon gehört und eine ungefähre Vorstellung vom KVP. Nur 19 Prozent der Soldaten
wissen relativ genau, was das KVP ist.
Abb. 1: Kenntnisstand des KVP nach Dienstgradgruppen (Angaben in Prozent)
100
80
Das KLV-Konzept – verstanden als Führungsphilosophie – richtet sich an alle Soldaten und
soll den wirtschaftlichen Umgang mit den anvertrauten Ressourcen befördern. Die meisten
der zurzeit in der Bundeswehr zum Einsatz
kommenden betriebswirtschaftlichen Steuerungsinstrumente richten sich vor allem an die
militärischen Führungsebenen. KLR und das
betriebswirtschaftliche Controlling sind führungsunterstützende Instrumente; ihr ursprünglicher Zweck ist die „Interne Optimierung“. Die
Mehrzahl der Soldaten ist nur indirekt von den
Veränderungen und Maßnahmen betroffen, etwa
wenn es um die Bereitstellung von (kostenrelevanten) Daten und Informationen für das Controlling geht.
Im Gegensatz dazu wendet sich das Kontinuierliche Verbesserungsprogramm (KVP) an alle
Organisationsmitglieder. Alle Soldaten, inklusive der Mannschaftsdienstgrade, sollen in den
kontinuierlichen Prozess der Suche nach Rationalisierungspotenzialen und Qualitätssteigerungen auf lange Sicht hin eingebunden werden.
Folglich ist die „Umsetzung des KVP (...) Führungsaufgabe auf jeder Führungsebene“ (KVPRichtlinie). Ganz im Sinne der Inneren Führung
gilt: „Alle Beschäftigten sind regelmäßig über
den Stand des KVP zu informieren.“ (KVP-RL)
Die Streitkräfteumfrage hat einen geringen
Kenntnisstand in der Truppe über das KVP zu
8|
60
77
55
47
40
20
30
34
23
18
11
5
0
höre das erste Mal vom
KVP
ungefähre Vorstellung
vom KVP
Mannschaften
Unteroffiziere
weiß relativ genau was
KVP ist
Offiziere
Bedenklich ist weniger die geringe Bekanntheit
des KVP bei der Gruppe der Mannschaften.
Vielmehr ergibt sich Handlungsbedarf bei Unteroffizieren, von denen fast die Hälfte noch nie
etwas vom KVP gehört hat (vgl. Abb. 1).
23 Prozent der befragten Soldaten geben an,
dass es in ihrer Dienststelle bzw. ihrem Verband
einen KVP-Beauftragten gibt, 11 Prozent verneinen dies und 66 Prozent können keine Angabe machen, ob für sie eine entsprechende Ansprechstelle existiert. Es konnte nachgewiesen
werden, dass dort, wo ein KVP-Beauftragter vor
Ort ist, der Wissensstand über das Programm
deutlich höher ist als in den anderen Dienststellen. So wissen 57 Prozent der Befragten, die
angeben, dass ihre Dienststelle über einen KVPBeauftragten verfügt, relativ genau über das
Programm Bescheid; 39 Prozent haben immerhin noch eine ungefähre Vorstellung darüber.
Insofern steht außer Frage, dass eine konsequente Ausfächerung des KVP auf alle Dienststellen
und OrgBereiche und die Benennung von KVP-
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Beauftragten bzw. -Moderatoren den Informationsgrad erhöhen und im Ergebnis Anreize für
das Erschließen von Wirtschaftlichkeits- und
Kreativitätspotenzialen geschaffen würden. Auf
die Forcierung dieses Programms sollte die
Bundeswehr nicht verzichten, zumal der organisatorische, personelle, materielle und v. a. ausbildungstechnische Aufwand für dieses Instrument im Verhältnis etwa zur flächendeckenden
Ausfächerung des Controllings als relativ gering
zu veranschlagen ist. Zudem stellt das KVP eine
individuelle und direkte Partizipationsmöglichkeit am Projekt der ökonomischen Modernisierung der Bundeswehr dar und dürfte deshalb
einen Beitrag zur Erhöhung der Unterstützungswerte für die Maßnahmen und Vorhaben
insgesamt leisten.
Bewertungsfaktor „Wollen“
Die Soldaten wurden gefragt, ob das betriebswirtschaftliche Denken ihrer Meinung nach der
Bundeswehr im Großen und Ganzen bei der
Erfüllung ihrer Aufgaben hilft. 38 Prozent der
Soldaten ist dieser Ansicht (darunter: 39 Prozent
der Offiziere, 35 Prozent der Unteroffiziere und
39 Prozent der Mannschaften). Eine Mehrheit
von 43 Prozent entschied sich für ein moderates
und problembewusstes „teils/teils“ (darunter:
33 Prozent der Offiziere, 42 Prozent der Unteroffiziere und 48 Prozent der Mannschaften. Im
Vergleich dazu sind nur 19 Prozent der Befragten nicht dieser Meinung (darunter 28 Prozent
der Offiziere, 22 Prozent der Unteroffiziere und
12 Prozent der Mannschaften).
Für 44 Prozent der Befragten trifft es zu, dass es
in ihrer Dienststelle/Einheit noch einige Möglichkeiten gibt, Geld zu sparen, ohne dass die
Einsatzfähigkeit darunter leiden würde (darunter: 57 Prozent der Offiziere, 43 Prozent der
Unteroffiziere und 37 Prozent der Mannschaften). Vor dem Hintergrund dieses Befragungs-
befundes wird noch einmal deutlich, wie wichtig die konsequente Umsetzung des KVP ist.
Die Bundeswehr verschenkt hier offenbar noch
erhebliche Rationalisierungspotenziale über alle
Dienstgradgruppen hinweg.
Im Großen und Ganzen findet die betriebswirtschaftliche Neuorientierung eine breite Unterstützung in allen Dienstgradgruppen und TSK.
Offenbar sehen die Soldaten demgegenüber
mehrheitlich Probleme bei der Umsetzung. Hier
wird massiv Kritik geäußert (vgl. Tab. 1). Dieses Meinungsbild resultiert vermutlich aus dem
geringen Informationsstand der Soldaten über
die betriebswirtschaftlichen Instrumente und
Verfahren und wohl auch aus den negativen
Erfahrungen mit der Umsetzung im alltäglichen
Dienstbetrieb. Für den erfolgreichen Verlauf des
Reformprojektes „Ökonomisierung“ ist es essenziell, dieser Gruppe in Zukunft weniger Anlass zur Manöverkritik zu geben. Hier zeigt sich
nochmals die Dringlichkeit für ein erfolgreiches
Change-Management.
Tab. 1: Soldaten sehen erhebliche Probleme bei der
Umsetzung der betriebswirtschaftlichen
Neuorientierung
Frage: „Geben Sie bitte zum Abschluss an, welcher
der folgenden Aussagen Sie am ehesten zustimmen
würden.“
Aussage:
Anteil
„Ich halte nichts von der Ökonomisierung in der Bundeswehr. Betriebswirtschaftliches Denken und Handeln hat im
Militär keinen Platz.“
11 %
„Ich begrüße die Idee, auch in der Bundeswehr betriebswirtschaftlich zu denken und zu handeln. Die Umsetzung
lässt aber zu wünschen übrig.“
76 %
„Betriebswirtschaftliches Denken und
Handeln ist gut für die Bundeswehr. Im
Großen und Ganzen funktioniert auch
die Umsetzung.“
13 %
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Bewertungsfaktor „Dürfen“
Nur eine Minderheit von 6 Prozent der Offiziere
hat den Eindruck, dass sich ihr Entscheidungsspielraum im Zuge der Ökonomisierung vergrößert hat. Der jetzige Entwicklungsstand der betriebswirtschaftlichen Steuerung als Führungskomponente erstreckt sich (noch) nicht auf eine
weitreichende Zusammenführung von Fach- und
Ressourcenverantwortung. Eine zentrale Kritik
des Beirats für Fragen der Inneren Führung
bestand darin, dass zwar mittlerweile in vielen
Dienststellen und Verbänden die erforderlichen
führungsunterstützenden Instrumente (KLR,
Controlling) aufgebaut worden sind, die militärischen Führer aber nicht über die entsprechenden Handlungsfreiräume verfügen, diese Informationen auch in ihre Entscheidungen einfließen lassen zu können. Dies entspricht weder den
Zielen der KLV, noch dem Leitbild der Inneren
Führung und verstärkt möglicherweise tendenziell auch die subjektive Wahrnehmung, Controlling sei eher ein Kontroll- denn ein Führungsinstrument.
Zwar sind die Entscheidungsspielräume offenbar nicht wesentlich erweitert worden, dafür
haben sich im Zuge der Einführung von betriebswirtschaftlichen Verfahren die Entscheidungsprozesse verlangsamt und der bürokratische Aufwand ist gestiegen – meint eine Mehrheit der Unteroffiziere und Offiziere (vgl. Tab. 2
und Tab. 3).
Angenommen, die Beobachtungen der Soldaten
entsprechen den tatsächlichen Verhältnissen in
den Dienststellen, dann wären die Effekte der
Ökonomisierung nicht nur nicht zielführend,
sondern sogar kontraproduktiv: Eine immer
stärker auf Flexibilität angewiesene Bundeswehr
sollte verstärkt Anstrengungen unternehmen, die
betriebswirtschaftliche
Führungskomponente
mit ihren Verwaltungsabläufen zu harmonisieren und letztere auf Möglichkeiten der
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Verschlankung hin überprüfen. Kontraproduktive Effekte wie verlängerte Entscheidungswege
führen langfristig zu Motivationsverlusten für
das Vorhaben „Ökonomisierung“ insgesamt.
Tab. 2: Entscheidungen werden durch Ökonomisierung verzögert
Frage: „Wenn Sie die Situation vor und nach der
Einführung betriebswirtschaftlicher Methoden in der
Bundeswehr vergleichen. Was hat sich geändert?“
Unteroffiziere
Offiziere
5%
1%
Die Zeit für Entscheidungen ist in etwa gleich
geblieben.
33 %
40 %
Entscheidungen werden
durch die Ökonomisierung
eher verzögert.
44 %
54 %
Weiß nicht
17 %
5%
Antwortvorgaben
Entscheidungen können
schneller getroffen werden.
Tab. 3: Bürokratischer Aufwand steigt infolge der
Ökonomisierung
Frage: „Wenn Sie die Situation vor und nach der
Einführung betriebswirtschaftlicher Methoden in der
Bundeswehr vergleichen. Was hat sich geändert?“
Unteroffiziere
Offiziere
3%
0%
Der bürokratische Aufwand ist in etwa gleich
geblieben.
29 %
21 %
Der bürokratische Aufwand ist gestiegen.
52 %
75 %
Weiß nicht
17 %
4%
Antwortvorgaben
Der bürokratische Aufwand ist geringer geworden.
Kontakt: [email protected]
Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehr
SOWI.NEWS
Analysen - Berichte - Hintergründe
Neues aus dem
Institut
Besuche und Kooperationen
Brigadegeneral Ruth Yaron, Israel Defense
Forces Spokesperson und Chief Instructor am
National Defense College hat am 3. Februar
2005 den Campus Strausberg besucht. Direktor
und Professor Jörn Thießen erläuterte ihr den
Auftrag, die Aufgaben und die Perspektiven des
Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr. Im Rahmen einer gemeinsamen Veranstaltung mit der AIK präsentierten Dr. Heiko
Biehl (AIK) und Dr. Thomas Bulmahn (SOWI)
Forschungsergebnisse zum Wandel des sicherheits- und verteidigungspolitischen Meinungsbildes in der Bundesrepublik Deutschland.
Dr. Christian Leuprecht, Dozent am Royal Military College (RMC) in Kingston, Kanada, war
am 22. Februar 2005 am SOWI zu Gast. Herr
Dr. Leuprecht hielt einen Vortrag zum Thema
„Demographischer Wandel und Migration –
Auswirkungen auf das Rekrutierungspotential
von Streitkräften“. Gemeinsam mit Ulrich vom
Hagen wurden Gespräche über eine Kooperation von RMC und SOWI geführt.
Vom 1. bis 12. Februar 2005 war Frau Dr. InesJacqueline Werkner an der Militärakademie in
Vilnius, Litauen, zu Gast. Im Rahmen einer
Gastprofessur lehrte sie dort im Fachbereich
Politikwissenschaft Politische Soziologie. In
diesem Zusammenhang diskutierten die Kadetten in den Seminaren auch militärsoziologische
Fragestellungen. Auf besonderes Interesse stießen Themen wie politisch-militärische Kultur,
zivil-militärisches Verhältnis, ethnischer Nationalismus und neue Kriege.
Datenbank europäischer militärbezogener
sozialwissenschaftlicher Projekte im Aufbau
Projektreport
Am Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr wird gegenwärtig eine Sammlung von
Kurzbeschreibungen militärsoziologischer Forschungsprojekte aufgebaut. Mit diesem Überblick über die internationale militärbezogene
Sozialforschung sollen die Kommunikation zwischen wissenschaftlichen Einrichtungen intensiviert und Kooperationen angeregt werden. Der
Zugriff auf vorliegende Forschungsergebnisse
soll erleichtert und die Zusammenarbeit im
Rahmen multinationaler Forschungsvorhaben
verbessert werden. Unterstützt wird der Aufbau
der Sammlung von der European Research
Group on Military and Society (ERGOMAS)
und dem Research Committee 01 der International Sociological Association (ISA).
Momentan enthält die Datenbank 54 Projekte
aus zehn Ländern: Bulgarien, Kanada, Dänemark, Deutschland, Italien, Litauen, Slowenien,
Spanien, Schweiz, USA. Die einzelnen Projekte
sind den folgenden Forschungsfeldern zugeordnet: (1) Public Opinion Research (Security,
Defense), (2) Armed Forces and Society, (3)
Military Profession, (4) Military Cooperation
and Multinationality, (5) Armed Forces Mission
Deployments, (6) Conscripts in the Armed
Forces, (7) Conscript Army vs. All-Volunteer
Forces, (8) Military Education and Training, (9)
Youth and Military, (10) Women in the Armed
Forces, (11) Military Ethics and Religion, (12)
Economisation in the Armed Forces, (13) Selection and Classification und (14) Methodology,
Online Surveys, Databases.
Die Projektdatenbank finden Sie im Internet
unter: http://www.sowi-bundeswehr.de (Link:
‚Aktuelles aus dem Institut’).
Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehr
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SOWI.NEWS
Impressum
Herausgeber: Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehr
Verantwortlich: Professor und Direktor Jörn Thießen
Redaktion & Gestaltung: Dr. Thomas Bulmahn
Anschrift: Postfach 1142, 15331 Strausberg
Telefon: 03341-581801, Telefax: 03341-581802
Internet: www.sowi-bundeswehr.de
Personalien
Neuerscheinungen (Auswahl)
Das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr hat seit Anfang 2005 neue Mitarbeiter.
Gareis, Sven und Johannes Varwick (2005): The
United Nations. An Introduction. Basingstoke,
Palgrave Macmillan.
Heike Abel (Jg. 1974) hat von 1994 bis 2001
Psychologie, Philosophie und Betriebswirtschaft
in Eichstätt studiert. Nach dem Studium war
Frau Abel am Max-Planck-Institut für Psychiatrie tätig. Dort beschäftigte sie sich im Rahmen
einer experimentellen Public Health Studie mit
Fragen der Vulnerabilität für Stress und Alkoholstörungen. Es folgten wissenschaftliche Projekte in Uganda, Kolumbien und Israel. Von
2003 bis 2005 war Frau Abel bei der Bundeswehr als Psychologin im Zentrum für Nachwuchsgewinnung Süd angestellt. Seit Januar
2005 arbeitet Frau Abel im Projekt „Multinationale Streitkräftekulturen – Europäische Streitkräfte“.
Kümmel, Gerhard (Hg.) (2005): Diener zweier
Herren. Soldaten zwischen Bundeswehr und
Familie. Frankfurt am Main et al.: Peter Lang
Verlag (Jahresschrift des SOWI).
Carsten Großeholz (Jg. 1964) hat von 1985 bis
1991 evangelische Theologie und Philosophie in
Marburg, Heidelberg und Berlin studiert. Nach
dem Studium war er an der Humboldt-Universität zu Berlin am Institut für Religionssoziologie beschäftigt. Seit Januar 2005 ist er am
SOWI als wissenschaftlicher Angestellter im
Projekt „Ökonomisierung in der Bundeswehr“
tätig.
Dr. Gerd Portugall (Jg. 1961) hat von 1981 bis
1987 in Saarbrücken, Straßburg und Mainz Politikwissenschaft, Soziologie und Öffentliches
Recht studiert. Nach seinem Studium war er an
der Universität Saarbrücken und in der Landesverwaltung von Nordrhein-Westfalen tätig. Seit
Januar 2005 arbeitet er am SOWI als wissenschaftlicher Angestellter im Projekt „Ökonomisierung in der Bundeswehr“.
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Kümmel, Gerhard und Nina Leonhard (2004):
Tod, Militär und Gesellschaft. Ein Beitrag zur
Soziologie des Todes. In: Berliner Debatte Initial, 15. Jg., Nr. 5/6, S. 132–144.
Vorträge (Auswahl)
Bulmahn, Thomas: Jugendumfrage des SOWI
zum Themenbereich Berufswahl Jugendlicher
und Nachwuchswerbung der Bundeswehr –
Ausgewählte Ergebnisse. Berlin, Dezember
2004; Bonn, Januar 2005.
Gareis, Sven: Quo vadis UNO? Reformperspektiven der Weltorganisation. Frank-Loeb-Institut
für Politikwissenschaft, Universität Landau,
Januar 2005
Tomforde, Maren: The Emotional Cycle of
Deployment: Separation of Soldiers and
Families during International Peacekeeping
Missions Ergomas IXth Biennial Conference,
Paris, Dezember 2004.
Tomforde, Maren: German Forces in Afghanistan: Stress Factors and Coping Strategies
Ergomas IXth Biennial Conference, Paris, Dezember 2004.
Werkner, Ines-Jacqueline: Europäische Wehrsysteme im Vergleich, Stiftung Wissenschaft
und Politik, Berlin, Februar 2005.
Werkner, Ines-Jacqueline: Grundzüge der Entwicklung der Wehrpflicht in Europa, Petersberger Gespräche zur Sicherheit, Königswinter,
Februar 2005.
Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehr