Zur Ökologie des Wattenmeeres
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Zur Ökologie des Wattenmeeres
1. EINLEITUNG 2 2. VORAUSSETZUNGEN FÜR DIE ENTSTEHUNG DES WATTENMEERS 3 2.1. Naturräumliche Gegebenheiten 3 2.2. Ebbe und Flut 5 3. TEILRÄUME DES WATTENMEERS 7 3.1. Salzwiesen 7 3.2. Verlandungszone 8 3.3. Das Watt 3.3.1 Watttypen 3.3.2 Entwässerungssystem 8 9 10 3.4. Dünen 11 4. DAS WATT UND SEINE BEWOHNER 12 4.1. Pflanzen 13 4.2. Plankton 15 4.3. Wirbellose Tiere - Weichtiere 4.3.1. Muscheln 4.3.2. Würmer 4.3.3. Krabben und Garnelen 15 16 17 18 4.4. Fische 18 4.5. Vögel 19 4.6. Säugetiere 19 5. BEDROHUNG DES WATTENMEERS 20 5.1. Fischerei 20 5.2. Eindeichung 21 5.3. Eintrag von Fremdstoffen 22 5.4. Schiffahrt 23 5.5. Tourismus und Freizeitnutzung 23 6. 23 SCHUTZ DES WATTENMEERS 7. LITERATUR 25 1 1. Einleitung „Watt“ bezeichnet ein „temporär bedecktes Land der Gezeitenküste“, meist aus Sand und Schlick, das „mit den Gezeiten täglich zweimal überflutet wird und wieder trockenfällt“ (DIERKE, 1997). Es handelt sich also hierbei um ein Schwemmland, das unmittelbar den akkumulierenden und erodierenden Kräften der Gezeiten unterliegt. Der vom Altfriesischen abstammende Begriff Wattenmeer („wad“ = seicht, untief) bezieht sich meist auf den gesamten Küstenraum vom Seedeich bis zur 10 m – Tiefenlinie; umfasst also auch noch sowohl die vom Meer gebildeten Marschen, als auch die Inseln. Das Gebiet erstreckt sich etwa über 500 km von Den Helder in den Niederlanden bis Esbjerg in Dänemark. Von der Gesamtfläche von ca. 8.000 km2 entfallen ca. 10 % auf Dänemark, 30 % auf die Niederlande und 60 % auf die BRD. Abb1.: Übersichtskarte Nordwestdeutschlands (Quelle: Diercke Atlas, 1996) 2 Das Zusammenspiel mehrerer Faktoren führte dazu, dass sich gerade hier ein auf der Welt einmaliger Naturraum bilden konnte. Beispielsweise fällt der Meeresboden zur offenen See nur leicht ab, teilweise nur wenige cm auf 1.000 m. Dies begünstigt eine Ablagerung sehr feinen Materials. Doch wie kam es zu diesen naturräumlichen Gegebenheiten, und wie wirken sie sich aus? Diesen Fragen soll in diesem Referat nachgegangen werden. Aufgrund der geplanten Exkursion nach Nordwestdeutschland gilt dem Gebiet des niedersächsischen Wattenmeers besonderes Augenmerk. 2. Voraussetzungen für die Entstehung des Wattenmeers Weltweit ist das Gebiet des Wattenmeers um die Nordseeküste in seiner dortigen Gestalt einmalig. Ein ähnliches Phänomen findet sich in den Mangrovenwäldern im tropischen Klima. Dass es zum Beispiel im Bereich der Ostsee kein Wattenmeer gibt, liegt daran, dass besondere, zur Bildung der Wattenmeerformationen notwendige Faktoren, dort nicht gegeben sind. 2.1. Naturräumliche Gegebenheiten Der erste wichtige Faktor, der für die Entstehung des Watts von Bedeutung ist, ist das sehr flache Auslaufen der ankommenden Wellen auf einer großen Abrasionsplattform. Verantwortlich für das nur sanft gegliederte Relief im Norddeutschen Tiefland ist eine Decke von quartären Lockersedimenten, die stellenweise bis zu 500 m, an anderen nur wenige Meter mächtig ist. Mit Annäherung an die Mittelgebirge nimmt die Dicke der Quartärschichten meist ab. Unter dieser Quartärdecke liegen Schichten des Muschelkalks, Keupers und der oberen Kreide. Zudem teilweise Tonsteine des Rotliegenden und kalkig-tonige Sedimente des Zechsteins. Abb.2 verdeutlicht den generellen Aufbau dieser Region. Auf dem Basisrelief lagert ein 5 bis 35 m dicker Sedimentkörper, bestehend zum einen aus Basalttorfen, Wattsedimenten, überwiegend aber aus Meeres- und Strandsandlagen. Es wird im wesentlichen zwischen vier Ablagerungsräumen unterschieden. Erstens das Sublitoral, das die ständig von Salzwasser bedeckten Zonen beschreibt. Zweitens das Eulitoral, zu dem die regelmäßig im Gezeitenrhythmus überfluteten und trockenfallenden Bereiche gehören (auch der sog. Nasse Strand). Als Supralitoral werden die nur gelegentlich von Salzwasser bedeckten Partien des Trockenen Strandes an der Seeseite der Inseln bezeichnet. Auf der Wattseite der Inseln entspricht dies den Salzwiesen (siehe unten). Viertes Ablagerungsgebiet sind 3 die Dünen. Hier findet Ablagerung im Zusammenspiel von Wind und Vegetation statt (siehe auch Kapitel 3.4.) Abb.2: Schematischer geologischer Schnitt von der Nordsee bis zum Geestrand mit den wichtigsten Sedimenteinheiten. Quelle: Streif, 1990. Das heutige Wattenmeer ist erst vor 8.000 – 7.500 Jahren unter dem Einfluß des ansteigenden Nordseespiegels entstanden, ist erdgeschichtlich also eher eine junge Landschaft. Zuvor (ca. 18.000 Jahre v.h.) war das ganze Gebiet unter mächtigen Gletschern der Weichseleiszeit (= Würmeiszeit in Süddeutschland). Als die Gletscher der letzten Eiszeit schmolzen, stieg der Meeresspiegel. Dieser lag damals ca. 40 Meter tiefer. Der Tidenhub (siehe Kapitel 2.2) betrug damals nur 1 m, nahm aber mit dem steigenden Meeresspiegel zu. Der stärker werdende Gezeitenstrom durchtrennte den Nehrungshaken vor der Küste und schuf so eine Anzahl vorgelagerter Inseln. Damit war bzw. ist die Wattenküste auch heute noch den zerstörenden Nordweststürmen nicht schutzlos ausgesetzt. Vielmehr wird der rauhen See ihre Kraft durch eine Anzahl von vorgelagerten Inseln genommen. Besonders gut sind die Rückseitenwatte geschützt, die von der See aus hinter den Ost- und Nordfriesischen Inseln liegen. Auch die offenen Watte der inneren Deutschen Bucht befinden sich hinter großen Sandbänken, auf denen sich die Wellen auslaufen. Die beim Abschmelzen der Eisdecken frei werdenden Schmelzsande bildeten nach Westen hin das bereits erwähnte wichtige Plateau, das die Grundlage für die Wattund Marschbildung. In diesem Zusammenhang bildeten sich auch die Moore. 4 2.2. Ebbe und Flut Die Entstehung der Gezeiten, also von Ebbe und Flut, beruht auf dem Zusammenwirken zweier Kräfte. Zum einen die Fliehkraft, zum anderen der Einfluss der Massenanziehung von Mond und Sonne auf die Erde. Das System Erde/Mond besitzt einen gemeinsamen Schwerpunkt, der etwa 4.000 km vom Erdmittelpunkt entfernt, aber noch innerhalb der Erdkugel liegt (Erdradius: 6.378 km). Durch die Rotation des Systems um den Schwerpunkt entstehen auf der Erdoberfläche Fliehkräfte, die wiederum von der Massenanziehungskraft von Sonne und Mond beeinflusst werden. Auf der der Sonne bzw. dem Mond zugewandten Seite der Erde überwiegen die Anziehungskräfte und das Wasser wird zu einem Flutberg zusammengezogen. Auf der abgewandten Seite wirken sich die Fliehkräfte aus, so dass sich hier ein weiterer Flutberg bildet (vgl.Abb.3). Durch die Erdrotation wandern beide Flutberge auf der Erdoberfläche. Solange das Wasser auf die Küste zukommt, spricht man von Flut, zieht es sich zurück, von Ebbe. Ebbe und Flut werden „die Gezeiten“ genannt, die das Watt täglich zweimal überfluten und trocken fallen lassen. Ein Tidenzyklus dauert ca. 12 Stunden und 25 Minuten, wodurch sich die Eintrittszeiten für Hoch- und Niedrigwasser jeden Tag um etwa 50 Minuten verschiebt. Genaue Zeiten kann man einem speziellen Tidenkalender entnehmen. Abb.3: Schematische Abbildung der Entstehung der Gezeiten. Quelle: Broschüre Nationalpark, 1990. 5 Zu extremen Ausprägungen des Hoch- bzw. Niedrigwassers kommt es, wenn Sonne und Mond gleichzeitig auf das System einwirken. Bei Neu- und Vollmond addieren sich nämlich die Kräfte und es entsteht eine besonders starke Flutwelle, bei Niedrigwasser zieht sich das Wasser aber auch weiter zurück als sonst. Man nennt dies Springtide. Bei Halbmond stehen Mond und Sonne so zu sagen im rechten Winkel; die Wirkungen beider Himmelskörper werden teilweise neutralisiert. Es entsteht die so genannte Nipptide, was sich darin äußert, dass das Wasser bei Flut nicht so hoch aufläuft, aber auch bei Ebbe nicht sehr weit zurückweicht. Die Differenz von Ebbe und Flut wird als Tidenhub bezeichnet. In der Deutschen Bucht beträgt der mittlere Tidenhub etwa 1,5 bis 3,5 Meter. (Beispiel: Wilhelmshaven 3,6 m, Helgoland 2,5 m). Einen Höheren Tidenhub findet man dort, wo sich Buchten verengen und das Wasser wenig Platz findet. Ist der mittlere Tidenhub geringer als 1,50 m, erlischt die reliefformende Kraft des Wattstroms. Resultat ist dann eine Ausgleichsküste. Die gezeitenbedingte Massenbewegung des Wassers erfolgt primär in den großen Seegatts zwischen den Inseln (siehe Kapitel 3.3.2). Generell gilt, dass im Watt im wesentlichen Umlagerung stattfindet, also Erosion und Resedimentation eigener Sedimente und kaum Zu- und Abfuhr von Sedimenten vom Land. Unter den Begriff Watt fallen mehrere Teilräume und Phänomene, die im Kapitel 3 näher beschrieben werden. Für die Entstehung sind also folgende Faktoren unumgänglich: Ø Der Meeresboden fällt Richtung der offenen See nur leicht ab, teilweise nur wenige cm auf 1000 m. In diesem Bereich kann sich besonders das feine Material leicht absetzen. Ø Gezeiten mit einem Tidenhub von 2 Metern und mehr legen periodisch weite Bereiche des Wattenmeers trocken. Ø Vorgelagerte Inseln, Sandbänke und Dünen schützen das Watt vor den zerstörerischen Sturmfluten und fungieren also als natürliche Wellenbrecher. 6 3. Teilräume des Wattenmeers 3.1. Salzwiesen Den Übergangsbereich zwischen dem Watt und dem Festland, genauer gesagt vor den Küstendeichen und im Süden der Inseln, bilden die Salzwiesen. Sie gehören zu den produktivsten Teilräumen des Wattenmeeres und entstehen dadurch, dass sich vor dem Deich soviel Sediment abgelagert hat, dass die Fläche so zu sagen aus den Gezeiten „herausgewachsen“ ist. Somit wird sie nur noch bei hohen Wasserständen, also unregelmäßig, überflutet. Die häufige Überstauung mit Salzwasser verdrängt nicht salzresistente Pflanzen. Es können sich nur noch wenige, etwa 45 Blütepflanzenarten, auf Salzböden spezialisierte Pflanzenarten halten (Halophyten). Genaueres dazu folgt in Kapitel 4.1. Hier sei nur so viel gesagt, dass sich durch den zum Festland hin stattfindenden Niveauanstieg, der mit einer abnehmenden Salzkonzentration gekoppelt ist, eine Zonierung der Pflanzen erkennen lässt. Im unteren Bereich, d.h. der Bereich, der noch etwa 300 mal im Jahr überflutet wird, liegt die sogenannte Andelzone. Sie ist nach dem dort hauptsächlich vorkommenden Andelgras benannt. Im höher gelegenen Bereich schliesst sich die Rotschwingelzone an, benannt nach der Pflanze Rotschwingel. Die höchsten Stellen hier werden nur noch bei Sturmfluten vom Wasser überspült (vgl. Abb.4). Im natürlichen Zustand darf man sich die Salzwiese keinesfalls als homogene Wiese vorstellen, wie man sie vom Festland her kennt. Vielmehr handelt es sich um ein heterogenes Gebiet, das von mäandrierenden Prielen durchzogen ist, und in dem sich auch Senken oder einzelne Sandwälle finden. Diese Heterogenität lässt in der Fläche noch mal verschiedene Kleinstbiotope Voraussetzungen für den Pflanzenbewuchs entstehen. 7 mit unterschiedlichen Abb.4: Zonierung der Salzwiese. Quelle: Meyer, 1994. 3.2. Verlandungszone Ein kleiner Übergangsbereich zwischen dem Watt und den Salzwiesen bildet die Verlandungszone. Sie entwickelt sich in seegangsgeschützten Bereichen, unterliegt also noch dem Einfluss der Gezeiten. Im Durchschnitt wird diese Zone 400 Mal im Jahr überflutet. Sie wird auch Quellerzone genannt, wiederum nach der dort dominierenden Pflanze, dem Queller. Weiterhin typisch ist das Schlickgras. Sie gedeihen noch, auch wenn sie 50cm unterhalb der mittleren Tidenhochwasserlinie liegen, also regelmässig mit Salzwasser überflutet werden. 3.3. Das Watt Aufgrund der Transportkraft des Wassers werden Ton- und Sandpartikel unterschiedlich weit transportiert und entsprechend ihrer Größe und Schwere abgelagert. Nach dem Sedimenttyp lässt sich das Watt in mehrere Typen unterteilen. Ein weiteres Kriterium ist die geographische Lage. 8 3.3.1 Watttypen Ø das Schlickwatt Das Schlickwatt besteht aus tonigem Feinmaterial in der Größenordnung unter 0,002 mm. Dieses wird erst dann abgelagert, wenn die Bewegungsenergie des Wassers geringer wird. Dies ist in der Regel in Landnähe. Aufgrund der kleinen Korngrössen ist das Material sehr dicht gepackt, was zur Folge hat, dass bereits nach wenigen Millimetern Tiefe ein Sauerstoffmangel aufritt. Die sauerstofffreie Zone lässt sich aufgrund ihrer dunkleren Farbe gut von der mit Sauerstoff versorgten Schicht abgrenzen. Dies wirkt sich wiederum auf die Bewohner unter der Oberfläche des Schlickwatts aus. Sie müssen natürlich mit dem lebenswichtigen Sauerstoff versorgt werden. Diese wichtige Aufgabe übernimmt das durch den Wind und die Gezeiten bewegte Wasser. Ø das Sandwatt Das Sandwatt besteht, wie der Name schon sagt, hauptsächlich aus Sand (0,063 – 2 mm). Der Sand lagert sich küstenferner ab. Bedingt durch einen guten Wasseraustausch aufgrund des grossen Porenraums und einer starken Sedimentumlagerung wird das Sandwatt mit seinen groben Sedimenten bis in eine Tiefe zwischen 5 und 10 cm gut mit Sauerstoff versorgt. Ø Das Mischwatt Das Mischwatt, auch Schlicksand genannt, stellt einen Übergangsbereich zwischen dem Schlickwatt und dem Sandwatt dar (Korngrößen zwischen 0,002 und 0,063 mm). Trotz der problematischen Sauerstoffversorgung und dem Vorkommen giftigen Schwefelwasserstoffs werden die unterschiedlichen Watttypen von einer Vielzahl von Tierarten als Siedlungsraum genutzt. Das Schlickwatt zeigt dabei sogar eine größere Artenvielfalt als das reine Sandwatt. Ausserdem ist die Siedlungsdichte der Tiere dort höher. Der Schlickkrebs erreicht zum Beispiel eine Siedlungsdichte von bis zu 40.000 Individuen pro m2. Ø Das Felswatt Diese Form ist zwar nicht sehr geläufig, kommt aber auch in Deutschland vor. Sie ist allerdings auf die Hochseeinsel Helgoland beschränkt. Am Nordende der roten Buntsandsteininsel entstanden mehrere Terrassen auf dem flachen Felssockel, die im Wechsel von Ebbe und Flut periodisch trockenfallen. 9 Ein weiteres Einteilungskriterium für das Watt ist die geographische Lage. Hiernach unterscheidet man zwischen: Ø Marine Watten/ Rückseitenwatten Ø Brackwasserwatten Als marine Watten werden offene Watten ohne schützenden Inselgürtel gesehen, wie zum Beispiel die „Wurster Küste“. Außerdem aber auch Rückseitenwatten hinter schützenden hohen Sandbänken oder hinter Inseln, wie es bei den ostfriesischen Inseln der Fall ist. Brackwasserwatten dagegen zeichnen sich dadurch aus, dass sie im Einflussbereich eines Ästuars, also einer Flussmündung liegen. Hier vermischt sich Süss- und Salzwasser zu Brackwasser. Vorfinden kann man diese im Bereich der Weser-, Ems- oder Elbemündung in die Nordsee. 3.3.2 Entwässerungssystem Neben den bereits genannten Formen der Watten gibt es natürlich auch die typischen Merkmale von Watten, die jedem eigentlich gängig sind, wie: Ø Priele, Rinnen und Baljen Das nur flach geneigte Watt wird über ein System von Prielen, Baljen und Seegats be- und entwässert. Die Priele, die während der Ebbe vollständig leerlaufen, münden in die größeren Baljen. Diese führen auch während des Niedrigwassers noch Wasser. Die Durchlässe zwischen den Inseln werden als Seegats bezeichnet. Diese können eine Tiefe von 25 m haben und bleiben auch bei Ebbe mit Wasser gefüllt. Daher sind diese extrem für die Schifffahrt von Bedeutung. Die Strömungsgeschwindigkeit nimmt landwärts ab. Immer wieder die Geschwindigkeit unterschätzt, mit der bei einsetzender Flut die trockengefallenen Priele wieder gefüllt werden. Mit 3 bis 5 km/h überschreitet das bereits die normale Gehgeschwindigkeit eines Wattwanderers. Gefahr besteht hierbei besonders durch das auflaufende Wasser der Flut. Vor allem die küstenparallelen Priele laufen wesentlich schneller voll als die höher gelegenen Wattenplatten. Sind zu viele küstenparallele Priele überschritten worden, kann es vorkommen, dass man durch das Wasser vom Festland abgeschnitten wird. 10 3.4. Dünen Den Stränden am Festland ist der Wattenbereich vorgelagert. Den sieben bewohnten ostfriesischen Inseln fehlt dieser allerdings, da die Strände hier alle auf der Seeseite liegen, also an der Ost- und Nordseite. Bedingt durch Wasserbewegungen und Wind lagern sich in diesem Bereich nur gröbste Sandpartikel ab, die sich zu Dünen sammeln. Diesen Prozess genau zu erklären, würde über das Thema hinausgehen. Es sei nur kurz darauf hingewiesen, dass Dünen neben ihrer ökologischen Bedeutung auch lebensnotwendig für die Inseln und deren Bewohner sind. Die Dünen werden durch tiefwurzelnde Pflanzen fest zusammengehalten. Dadurch entsteht ein natürlicher Wellenbrecher, der Schutz vor Überflutungen bietet. Im Gegensatz zum Watt gibt es im Strandbereich kaum höhere Pflanzenarten und auch kaum größere Tiere. Neben Brutvögeln leben hier hauptsächlich Insektenarten und Kleinkrebse. In Abb. 5 werden noch mal alle Teilräume vereint im Raum gezeigt. Abb.5: Schematische Darstellung des Naturraums Wattenmeer. Qulle: http://schulen.nordwest.net/watt 11 4. Das Watt und seine Bewohner Mit jeder Flut wird Plankton (im Wasser schwebende, mikroskopisch kleine Organismen) aus der Nordsee in das Watt eingebracht. Ebenso führen Flüsse Nährstoffe heran. Zusammen mit den günstigen Lichtverhältnissen bei Niedrigwasser bewirkt der hohe Nährstoffeintrag reichliches Algenwachstum. Mit diesem Wachstum wird eine Nahrungskette ins Leben gerufen, denn die Algen bieten die Nahrungsgrundlage für Muscheln, Schnecken und Würmer. Diese werden von Fischen und Krebsen gefressen. Am Ende dieser Kette stehen dann Vögel und kleiner Säugetiere. Wie sich Störungen negativ auf dieses System auswirken können, wird im Kapitel 5 beschrieben. Der Artenreichtum im Wattenmeer verglichen mit anderen Ökosystemen ist eher gering. Dagegen ist die Individuenzahl der vorhandenen Arten beträchtlich. Die Bewohner des Wattenmeers haben sich an die besonderen Eigenschaften ihres Lebensraums angepasst. Regelmäßig wird das Gebiet mit Meerwasser überflutet und fällt dann wieder trocken. Damit ändert sich auch regelmässig die Temperatur und der Salzgehalt, und der Boden wird durch Wind und Wasser in Bewegung gehalten. Diesen Anforderungen begegnen vor allem die Pflanzen (Halophyten = Salzpflanzen) mit unterschiedlichsten Mitteln: 1. Verdünnung: Die Zellwände der Halophyten sind sehr elastisch. Die Vakuolen (große Hohlräume in den pflanzlichen Zellen, die der Speicherung von Stoffen dienen) können große Mengen von Wasser aufnehmen, was zu einer Verdünnung der Vakuolenlösung und einer Verringerung der Salzkonzentration führt. Diese Wasseraufnahme führt zum Anschwellen des Gewebes und somit zu einer sichtbaren Sukkulenz. Ein bekannter Vertreter dieser Methode der Salzregulation ist der Queller (Salicornia europaea). 2. Abwerfen salzgesättigter Pflanzenteile: Einige Pflanzen lagern an bestimmten Stellen ihres Gewebes solange Salz ein, bis diese Teile absterben. So transportiert die Strand-Aster (Aster tripolium) das Salz in ihre unteren Stengelblätter, die sich nach und nach gelb verfärben und dann absterben. 3. Salzdrüsen: die Ausscheidung des Salzes mit Hilfe spezialisierter Drüsen ist der effektivste Regulationsmechanismus. Er benötigt allerdings auch sehr viel Energie, da die Ionen gegen einen osmotischen und einen elektrochemischen 12 Gradienten nach außen transportiert werden müssen. Salzdrüsen findet man beispielsweise beim Strandflieder (Limonium vulgare), der Strand-Grasnelke (Armeria maritima) und dem Schlickgras (Spartina anglica). Auch beim Queller (Salicornia europaea) vermutet man, daß er Salz über seine Wurzeln abgeben kann. 4. Blasenhaare: Die Gänsefußgewächse (Chenopodiaceae) haben eine weitere Möglichkeit gefunden, ihren Salzhaushalt zu regulieren. Im Gegensatz zur Aster lagern sie das Salz nicht in das Blattgewebe ein, sondern in kleine Blasenhaare auf der Blattoberfläche. Diese sterben bei hoher Salzkonzentration ab, aber das Blattgewebe bleibt erhalten. 5. Verringerung der Verdunstung: Kräftige Winde und starke Sonneneinstrahlung führen in den Salzwiesen zu hohen Transpirationsraten. Wasserverlust und hohe Salzkonzentrationen sind die Folgen für die dort lebenden Pflanzen. Somit dient also eine Verringerung der Verdunstung auch der Aufrechterhaltung des Salzhaushaltes. Eine Behaarung der Blätter (sichtbar beim Meerstrandbeifuß (Artemisia maritima) und dem Salzkraut (Salsola kali)) schränkt die Luftbewegung ein. Eingerollte Blätter wie beim Rotschwingel (Festuca rubra), beim Andel (Puccinellia maritima), bei der Strandquecke (Agropyron pugens) aber auch beim Strandhafer (Ammophila arenaria) verringern die dem Wind und der Sonne ausgesetzte Oberfläche und schließen die Spaltöffnungen ein. Epikutikuläre Wachsschichten wie bei der Strandquecke reduzieren den Wasseraustritt aus den Epidermiszellen. Verglichen mit anderen Ökosystemen ist der Artenreichtum des Wattenmeers eher gering, dagegen ist die Masse der vorhandenen Arten beträchtlich. Im folgenden werden die einzelnen Arten aufgeführt. 4.1. Pflanzen Wie bereits oben erwähnt, ist die Salzwiese und die Verlandungszone ein großes Ansiedlungsgebiet für Pflanzen. Einige wichtige Pflanzen sollen hier näher beschrieben werden: Sowohl das Schlickgras als auch der gewöhnliche Queller sind typische Pflanzen dieses Teilraums. Das Schlickgras wagt sich von all den Landpflanzen am weitesten hinaus auf das Watt. Dort wird es täglich zweimal von Meerwasser überflutet. Die schilfähnlich aussehende Pflanze regelt ihren Wasser- und Salzhaushalt über Salzdrüsen, die das überflüssige Salz ausscheiden. Bereits Ende 13 der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts wurde sie zur Landgewinnung angesät, da sie dicht und breit wächst und damit Schlick einfängt. Auch der Queller besitzt diese Fähigkeit. Er ist aber gut vom Schlickgras zu unterscheiden, da er eher Ähnlichkeiten mit kleinen Kakteen hat. Diese Ähnlichkeit ist vor allem darauf zurückzuführen, dass beide, wenn auch aus verschiedenen Gründen, Wasser speichern. Die fleischigen, grünen Stengel des Quellers stehen in Büschen zusammen. Eine weitere, sehr häufig vorkommende Pflanze ist der Strandflieder. Mit seinen rosavioletten Blüten bedeckt er zwischen Juli und August große Teile der Salzwiesen. Er gehört zu den wenigen Pflanzen, die in voller Pracht blühen. Die meisten sind eher unauffällig, da sie in diesem rauhen Klima auch keine farbenfrohen Blüten zum Anlocken der bestäubenden Insekten brauchen. Diese Funktion übernimmt ja hier der Wind. Als ausgesprochener Halophyt kann die Salzmiere gesehen werden. Sie hat ihren Standort fast unmittelbar am Flutsaum der Nordsee. Hier muss sie ständige Überflutung und Sandverwehungen über sich ergehen lassen. Diesen begegnet sie, indem sie einen fleischigen Habitus ausgebildet hat, welcher sie darüber hinaus befähigt, Süßwasser zu speichern, um der Austrocknung und dem Salz zu widerstehen. In den Dünen leben aber auch Pflanzen, die sich auf der einen Seite ebenfalls an diesen extremen Standort angepasst haben, auf der anderen aber auch für das Entbzw. Bestehen der Düne nötig sind. Hier kann als dominierende Pflanze der höheren Dünen der Strandhafer genannt werden. Die langen, spitzen Blätter sind fast immer eingerollt, um die Verdunstung zu reduzieren. Die Ähren stehen auf 40-50 cm hohen Stengeln. Die Wurzeln reichen bis tief hinab. Dort erreichen sie einerseits die Feuchte im Sandboden, andererseits tragen sie zur Befestigung der Dünen bei. Im flachen Wasser vor der Küste und auf dem Watt findet man viele Arten von Seegräsern und Algen. Die wichtigsten bzw. gängigsten sind hierbei: Seegras, Meersalat, Blasentang, Knotentang oder Schaumalgen. Außerdem gibt es eine Vielzahl von Schwämmen und anderen marinen Wasserpflanzen. Diese hier aufzuführen würde allerdings den Rahmen dieses Referats sprengen. Salzwiesen und Dünen Sonstige Verlandungszone - Strandflieder (Limonium vulgare) - Queller - Strandhafer - Kieselalgen (Ammophila arenaria) (Diatomeenrasen Strandroggen bacillariophyceae) - 14 (Salicornia europaea) - Schlickgras (Spartina) - Andel (Puccinellia maritima) - (Elymus arenarius) - - (Phaeocystis Silbergras (Corynephorus canescens) - Seegrasarten - Sandseggenarten Schaumalgen pouchetii) - Schwämme Strand-Beifuss (Artemisia maritima) - Strand-Wegerich (Plantago maritima) Tab.1: Zusammenfassung der wichtigsten Pflanzen der einzelnen Teilräume, eigene Darstellung. 4.2. Plankton Plankton bezeichnet die im Wasser schwebenden Organismen, die passiv von Strömungen verdriftet werden. Unterschieden wird zwischen Phytoplankton und Zooplankton. Ersteres umfaßt meistens einzellige Algen, die im Meer schweben. In der Nordsee sind dies besonders begeißelte Formen wie z.B. Kieselalgen (Bacillariophyceen, Diatomeen). Zweiteres bezeichnet die planktisch lebenden Tiere. Es bildet vermutlich die Hauptmasse des marinen Planktons. Vertreter dieses sind z.B. Wasserflöhe (Cladoceren), Ruderfußkrebse (Copepoda) oder aber auch Larven bodenlebender Tiere. Dem Plankton fällt eine besondere Rolle zu, da es die eigentliche Grundlage der Nahrungskette des Wattenmeers bildet. 4.3. Wirbellose Tiere - Weichtiere Lebensraum dieser „Bewohnergruppe“ ist das Schlickwatt. Sie lebt unter der Wattoberfläche, um sich vor Fressfeinden zu schützen. Wenn sie erst einmal freigespült sind, bieten auch die stabilen Schalenklappen der Muscheln keinen Schutz mehr. Außerdem sind sie in den tieferen Schichten im geringeren Maß den möglichen biotischen Faktoren (Erwärmung/ Temperaturschwankungen des dunklen Sediments, wechselnde Salzkonzentration, Trockenfallen des Sediments) ausgesetzt. Im folgenden soll auf die verschiedenen Arten der Muscheln und Würmer eingegangen werden. Außerdem wird der Nutzen für das Ökosystem und Merkmale, an Hand derer man die einzelnen Tiere im Gelände erkennen kann, beschrieben. Abb. 6 auf der nächsten Seite soll einen ersten Einblick in den Lebensraum geben. 15 Abb.6: Lebensraum Watt. Quelle: Broschüre Nationalpark, 1990. 4.3.1. Muscheln Muscheln haben zwei Strategien, wie sie sich vor dem Verdriften schützen: eingraben oder sich aneinander „festhalten“. Letzteres führt zu grossen Muschelbänken, auf die später noch genauer eingegangen wird. Die im Sediment lebenden Muschelarten besitzen schnorchelähnliche Körperanhänge unterschiedlicher Länge und Ausprägungen. Mit deren Hilfe ist es ihnen möglich, auf der einen Seite sauerstoffhaltiges Wasser mit Nahrung aufzunehmen und auf der anderen Seite das verbrauchte und filtrierte Atemwasser wieder auszuscheiden. Man bezeichnet sie daher auch als Filtrierer. Hauptvertreter und wahrscheinlich auch bekannteste Muschelart des Wattenmeers ist die Miesmuschel (Mytilus edulis) (siehe dazu auch Exkurs Miesmuschebänke). Daneben treten noch die Plattmuschel (Macoma balthica), die Herzmuschel (Cerastoderma edule), die Sandklaffmuschel (Mya arenia), die Auster (Osterea edulis) und die Schwertmuschel (Cultellus pellucidus) auf, um nur die bekannteren zu nennen. Muscheln haben eine ganz besondere Funktion für das Ökosystem. Durch ihr Filtrationsverfahren nehmen sie Schadstoffe auf, die die Strömung mit sich transportiert, und geben sauberes Wasser wieder ab. Sie fungieren also so zu sagen als „Kläranlage der Nordsee“. 16 Exkurs: Miesmuschelbänke Durch die Fähigkeit, sich mit Hilfe von Bartfäden, so genannte Byssusfäden, sowohl gegenseitig als auch mit Hartsubstanz in ihrer Umgebung zu verspinnen, können sie selbst felsigen Untergrund besiedeln. Diese flächig auftretende Besiedelung wird als Miesmuschelbänke bezeichnet. An günstigen Stellen siedeln bis zu 12.000 Miesmuscheln pro m2. Gegen wechselnde Umweltbedingungen sind sie vielseitig angepasst. Sie können tagelang im warmen Sommerwetter trocken liegen, aber auch monatelang im Eis eingeschlossen überleben. Fällt der Fels allerdings trocken, sind sie dem Wegfrass durch Vögel ausgesetzt, was auch der bedeutendste Sterblichkeitsfaktor ist. Außerdem ersticken die Tiere, wenn sich die Sande im Watt und Küstennähe verlagern und die Bänke so überlagern. Ein weiterer negativer Faktor auf das Leben der Miesmuscheln ist die intensivierte Muschelfischerei, die es mittlerweile schwierig macht, noch intakte Muschelbänke vorzufinden. 4.3.2. Würmer Die meisten Wurmarten legen Wohnbauten im Sediment an. Durch diese pumpen sie aktiv Wasser. Das Pumpen von sauerstoffhaltigem Wasser in den Untergrund reinigt diesen von Schwefelwasserstoff. Besonders markant ist der der Gattung der Borstenwürmer angehörige Wattwurm (Arenicola marina). Diese 15-20 cm lange Wurm frisst den Boden zuerst unselektiv, saugt also den Sand ein und scheidet dann das Unverträgliche wieder aus. Resultat sind daraufhin die charakteristischen Kothäufchen an der Oberfläche in Verbindung mit kleinen Trichtern in der näheren Umgebung. Durchschnittlich steigt ein solcher Wurm etwa alle 40 Minuten nach oben und lässt im Laufe seines Lebens etwa 25 kg durch seinen Körper passieren. Sein Hauptsiedlungsraum ist das regelmäßig trockenfallende Sand- und Mischwatt, wo seine Häufchen oft das Bild von mehreren Kilometern bestimmen. Weitere Kothäufchen hinterlässt der Kotpillenwurm (Heteromastus filiformis), auch Fadenwurm genannt. Diese sind allerdings sehr viel kleiner und meist schwarz gefärbt. Die oft 10 cm langen, aber nur 1 mm dicken Würmer siedeln meist in der Reduktionszone des Wattbodens und fressen dessen schwarzes Sediment. Sein Hinterende bleibt stets dicht unter der Oberfläche. Diese beiden Arten von Würmern tragen einerseits zur Reinigung des Sediments, andererseits aber auch zur Bioturbation bei. Durch das Fressen des Sandes lagern sie die Bodenschichten bis in 30 cm Tiefe um. 17 Neben dieser Art gibt es auch noch Würmer, die aufgrund ihrer Frassspuren zu erkennen sind. So sieht man, bei genauem Hinschauen, sternförmige Gebilde auf dem Boden. Sie stammen von dem Seeringelwurm (Nereis diversicolor). Der Wurm verlässt sein Gangsystem mit dem vorderen Teil (mit dem Körperende bleibt er stets in seiner Röhre, um sich bei Gefahr sofort zurückziehen zu können) und sucht die Sedimentoberfläche nach Kleintieren und anorganischer/organischer Substanz (Detrius) ab. Seeringelwürmer kommen in fast allen Lebensräumen des Wattenmeers vor. Nur wenige Würmer des Wattenmeers kommen allerdings an die Oberfläche des Sediments. Der Bäumchenröhrenwurm (Lanice conchilega) streckt sein Vorderteil bei Wasserbedeckung aus dem Sediment und sucht selbiges nach Nahrungsstoffen ab. Charakteristisch für diesen Wurm ist, dass er aus Sandkörnern und Resten von Muschelschalen Röhren baut. Diese können bis zu 25 cm tief quer im Wattboden stecken. 4.3.3. Krabben und Garnelen Der Unterschied zwischen Krabben und Garnelen besteht darin, dass Krabben Krebse mit eingeklapptem Schwanz sind, wohingegen Garnelen langschwänzig sind. Der bekannteste Vertreter der Krabben ist: die Strandkrabbe (Carcinus maenas) die als räuberischer Allesfresser gilt. Sie vertilgt Aas, gräbt Würmer aus und ist auch in der Lage, mit ihren Scheren Muscheln zu knacken. Weiterhin kommen vor der Taschenkrebs (Cancer papurus) und der Einsiedlerkrebs (Eupagurus bernhardus). Die Garnele (Crangon crangon), fälschlicherweise umgangssprachig auch „Krabbe“ genannt, ist vor allem aufgrund ihrer Schmackhaftigkeit bekannt. Eine besondere Rolle spielen sie im Stoffhaushalt des Wattenmeers. Sie sucht, ähnlich wie junge Strandkrabben, die obersten Schichten des Sediments nach Meiofauna, Muschelbrut und kleinen Borstenwürmern ab. Auf der anderen Seite wird sie von vielen Vogelund Fischarten erbeutet. Auch der Mensch fängt Garnelen. An der deutschen Nordseeküste werden pro Jahr 10.000t angelandet. Die Kutter haben in den vergangenen Jahren einige ökologische Veränderungen mit sich gebracht. So verschwanden zum Beispiel Sandkorallenriffe des Borstenwurms Sabellaria. 4.4. Fische Aus dem Wattenmeer sind über 100 Fischarten bekannt, darunter allerdings etliche Irrgäste. 20 Arten können als häufiger bezeichnet werden. Diese lassen sich in vier Gruppen unterteilen: 18 Ø Standfische, die das ganze Jahr im Wattenmeer vorkommen, sich dort also auch fortpflanzen, wie z.B. der Butterfisch, Seeskorpion, Aalmutter Ø Saisonfische, die nur zu bestimmten Jahreszeiten einwandern, meist im Sommer, wie z.B. Flunder, Seequappe Ø jede, die das Wattenmeer so zu sagen als Kinderstube für den Nachwuchs nutzen, wie z.B. Hering, Sprotte, Scholle, Seezunge, also vor allem fischereiwirtschaftliche Arten Ø Zufallsgäste wie z.B. Roter Knurrhahn, Schnellfisch. 4.5. Vögel Vor allem für die Vögel ist das Wattenmeer eine wichtige Gegend, da es das wichtigste Brutgebiet für Seevögel in Mitteleuropa darstellt. Die Anzahl der in diesem Gebiet brütenden Wat- und Wasservögel wird auf eine halbe Millionen Individuen geschätzt. Dazu kommen noch die Zugvögel, die jährlich auf ihrem ostatlantsischen Zugweg das Gebiet zur Regeneration und Energiezufuhr nutzen. Dieser Teil macht ungefähr 7-9 Millionen Vögel aus. Häufige Rastvögel sind Gänse (Nonnengans, Ringelgans, Brandgans), Enten (Eiderente, Pfeifente), der grosse Brachvogel, verschiedene Arten von Möwen und etliche mehr. Leider sind einige Arten durch das Eingreifen des Menschen selten geworden, bzw. sind ausgerottet worden. 4.6. Säugetiere Die Welt der Säugetiere ist im Ökosystem des Wattenmeers bezüglich des Artenreichtums eher spärlich vertreten. Die zwei wichtigsten, und auch größten sind einmal der Seehund, die Kegelrobbe und außerdem der Schweinswal. Der Gemeine Seehund (Phoca vitulina) ist in fünf Unterarten mit rund 400.000 Individuen in den Küstengewässern vertreten. Gemeinsam treten sie als Konsument der Nahrungskette auf. Untersuchungen zufolge setzt sich ihre Nahrung vorallem aus Fisch zusammen (Plattfische, Flundern, Schollen). Der Schweinswal (Phocoena phocoena), auch kleiner Tümmler genannt, gehört mit einer Länge von 180 cm zu den kleineren Walen. Zu Beginn dieses Jahrhunderts kam er noch regelmäßig und zahlreich in der Nordsee vor. Doch in den vergangenen Jahren ging ihr Bestand doch stark zurück. Als eine der Hauptursachen für den Rückgang der Population gilt die Überfischung von Arten, die die Nahrungsgrundlage der Wale bilden. Zudem geht eine direkte Gefahr von den Fischereinetzen aus. So starben 1992 allein in den 19 dänischen Netzen ca. 4.600 Schweinswale. Normalerweise kommen sie unmittelbarer Nähe des Wattenmeers nur in der Paarungszeit im Juli vor. 5. Bedrohung des Wattenmeers Ab dem 8. Jh. wanderte das Volk der Friesen in die Wattenregion ein. Bereits damals begannen sie, diese durch verschiedenste Vorgänge zu verändern. Natürlich passierte dies damals in einem anderen Umfang als heute, doch sind die Bedrohungen, die heute das Ökosystem Wattenmeer schwächen, anthropogener Herkunft. Im folgenden werden diese einzelnen Schädigungsquellen aufgezeigt. 5.1. Fischerei Mit Aufkommen der Schleppnetzfischerei gewann auch die Fischerei im Wattenmeer ab Mitte des 19. Jh. an Bedeutung. Die ältesten Fanggeräte stellen die Fischzäune „Buhnen“ oder „Gaarden“ dar. Diese wurden aufgestellt, um Flundern, Rochen, Schollen und gelegentlich auch Heringe zu fangen. Man stellte sie so auf, dass die Fische bei ablaufendem Wasser darin hängen blieben. Große wirtschaftliche Bedeutung erlangten zudem auch die Garnelen-, Austern- und Seemoosfischerei. Letztere werden heutzutage nicht mehr betrieben. Allerdings florierte zusätzlich seit den 50er Jahren die Miesmuschelfischerei. Auch heute stellt die Miesmuschelfischerei einen wesentlichen Eingriff in das Ökosystem Wattenmeer dar. Die Einführung der Schleppnetzfischerei vom Boot oder Schiff aus veränderte die Wattfischerei weitgehend. Nun konnten Fangplätze weiter draußen angelaufen werden. Zusätzlich fand eine Spezialisierung auf Garnelenfischerei statt. Heute ist diese die wirtschaftlich bedeutendste Fischereiart im Wattenmeer, gefolgt von der Miesmuschelfischerei. Mit zunehmender Motorisierung bzw. mit Zunahme der PSstarken modernen Fischkutter wuchsen auch die Eingriffe in den Naturraum. Das Problem dabei ist, dass eine Überfischung stattfindet. Weiterhin werden Arten abgefischt, die das Wattenmeer zum Ablaichen aufsuchen, wodurch die Reproduktion und der Erhalt der Art beeinträchtigt werden. Zudem hat die Abfischung durch die Menschen auch Auswirkungen auf das Nahrungsangebot für das einzige im Wattenmeer lebende Säugetier, den Seehund, der sich aus dem Fischreichtum der Nordsee versorgt. Wenn dieser nicht mehr vorhanden ist, findet auch der Seehund keine Nahrung mehr und stirbt aus. 20 5.2. Eindeichung Eindeichung beschreibt einerseits das Errichten von massiven Wällen, um die Inseln und den Küstenrand vor den Sturmfluten und dem stetigen Abtrag zu schützen. Andererseits benennt es die systematische Landgewinnung in Richtung Watt. Letzteres wird seit rund 1.000 Jahren von der Küstenbevölkerung betrieben. Besonders begehrt waren aufgrund der nährstoffreichen Böden und der Landnähe der Bereich der Salzwiesen. Diese wurden landwirtschaftlich genutzt. Noch in den letzten 15 Jahren gingen einige ha dadurch verloren. Im Mittelalter war ein weiterer Grund der Eindeichung die Salzgewinnung. Wurden Moore vom Meer überflutet, danach durch Aufschlickung zu Marschland und schließlich eingedeicht, konnte durch Abbau und Verbrennung des Torfes ein bitteres Salz gewonnen werden. Die Anfänge der Eindeichung war nicht sehr erfolgreich. Die gebauten Deiche erwiesen sich als zu schwach und konnten nicht vor Sturmfluten schützen. Eine der schlimmsten Sturmfluten Norddeutschlands führe 1962 zu einem Deichbruch, der zur Folge hatte, dass halb Hamburg überschwemmt war. Ein weiteres Problem war die innere Wasserentsorgung. An einer regenreichen Küste musste das anfallende Regenwasser über Siele und Schöpfwerke außerdeichs geführt werden. Mit zunehmender Entwässerung sackten aber die Böden, besonders die moorigen. Das Land geriet unter Meeresniveau. Kam es dann zu Deichbrüchen, war es für die Überlebenden um so schwieriger, das Wasser wieder zurückzudrängen. Im Laufe der Zeit wurde eine natürliche Verlandungszone vor dem Deich geschaffen. Die Deiche an der Nordseeküste sind in der Regel Bauwerke aus Klei, Sand, Gras und Deckwerk. Wie Abb. 7 zeigt, sind sie so konzipiert, dass sie aus flachen Innen- und Außenböschungen bestehen, die die Energie der Wellen nicht plötzlich stoppen, sondern sie allmählich auffangen. Zudem ist der Deich allseits durch einen geschlossene Grasdecke gegen die erodierende Kraft des Wassers geschützt. Abb.7: Schematische Darstellung eines modernen Deiches. Quelle: Seedorf: Landeskunde Niedersachsen. 21 Durch das Errichten der Barrieren kann sich das Watt nicht ins flache Binnenland ausdehnen. Da der Meeresspiegel fortlaufend ansteigt, werden die anfallenden Wassermassen mehr beschränkt und der Seegang im Watt wird stärker. Das hat wiederum zur Folge, dass sich die feinsten Partikel, die sich normalerweise im ruhigen Wasser in der Nähe der Küste ablagern, nicht absetzten und so nach und nach der Schlick zurückgeht. Was das für den Lebensraum Wattenmeer bedeutet, sollte klar sein. 5.3. Eintrag von Fremdstoffen Das Gleichgewicht des Ökosystems Wattenmeer wird von drei Komponenten getragen. Zum einen dem Meereswasser, zum anderen dem Sediment und den in ihm lebenden Organismen. Jeder dieser drei ist Schadstoffen ausgesetzt, die über die Flüsse, die Atmosphäre und durch Direkteinleitung in das Meer geführt werden. Es ist bekannt, dass in der Nordsee mehrere Ölplattformen zur Ölgewinnung beheimatet sind. Vor allem die Öltanker, die vor den Küsten kreuzen, setzten das gesamte Wattenmeer der Gefahr einer vernichtenden Ölpest aus. Zudem ist die ökologische Empfindlichkeit in Bezug auf Ölverschmutzung besonders hoch. Das Öl würde das Leben im Boden ersticken, Vogelkleider verkleben, und es würde vor allem lange im System verweilen. Eine Ölbekämpfung ist im Wattenmeer wegen der besonderen Gegebenheiten nur wenig wirksam. Ein weiteres Problem stellt das zunehmende Einleiten von Abwässern in die Nordsee dar. Diese sind nicht selten mit giftigen oder düngenden Stoffen versetzt. Dabei handelt es sich unter anderem um Schwermetalle, Phosphat, Nitrat und Dünnsäuren, die Abfallprodukte der chemischen Industrie sind. Auch Schadstoffe, die außerhalb des Wattenmeers in die Nordsee eingeleitet werden, gelangen durch die Strömung schließlich in das Wattenmeer. Der erhöhte Nährstoffgehalt des Wassers führt zu einem übermäßigen Wachstum von Planktonarten. Dadurch wird das Gleichgewicht des Ökosystems erneut gestört. Erkennbar wird das an den sogenannten „Schwarzen Flecken“, die als Eutrophierungsfolgen (Nährstoffübersättigung) auf dem Wattboden zunehmend sichtbar werden. Diese entstehen dadurch, dass es an Konzentrationsstellen von organischem Material die durch den Abbau bedingte Sauerstoffzehrung sehr groß und sogar größer als die Sauerstoffzufuhr werden kann. Diese anoxische Reaktion erscheint schwarz im Sediment und reicht schließlich bis 22 an die Oberfläche. Es entsteht ein starker Geruch nach faulen Eiern (Schwefelwasserstoff). 5.4. Schiffahrt Der Schiffverkehr kann in mehrfacher Hinsicht zu Konflikten führen. Zum einen wurde bereits erwähnt, dass täglich etliche Fracht- und Tankschiffe vor der Wattenmeerküste kreuzen. Neben der Gefahr der Ölverschmutzung besteht zudem die der Ladungsverluste, von giftigen Schiffsanstrichen, die sich lösen können. Darüber hinaus kann es zum illegalen Einleiten von Schadstoffen kommen, die natürlich auch die Flora und Fauna stören. Zudem geht auch eine Gefahr von den privaten Sportbooten aus. Sie stören das Brut- und Nistverhalten der Vögel, auch die Rastplätze der Seehunde, weil sie sich nicht an Abstandsregelungen oder Geschwindigkeitsbegrenzungen halten. 5.5. Tourismus und Freizeitnutzung Der heutige Fremdenverkehr ist für die hier wohnenden Menschen zu einer wichtigen Erwerbsgrundlage geworden. Er trägt durch das Errichten von Hotels und Unterkünften und durch den Bau von Infrastruktureinrichtungen wie Straßen und Parkplätzen zur Belastung des Raums bei. Dadurch, dass die Saison aus Gewinnchancen verlängert wurde, leiden nun im Juni die brütenden Küstenvögel und im September die rastenden Watvögel unter störenden Beobachtern. Häufig überlagern sich Brutstätte und Badestrand. Auch Ausflugsfahrten zu den Liegeplätzen der Seehunde stören diese in ihrem natürlichen Verhalten. 6. Schutz des Wattenmeers Der WWF kämpft seit über 20 Jahren für ein geschütztes Wattenmeer. Durch Öffentlichkeitsarbeit und gezielte Aktionen haben sie es geschafft, die Menschen von dem einzigartigen Wert des Wattenmeers zu überzeugen. Alle drei Anrainerstaaten haben inzwischen Schutzgebiete ausgewiesen. Klar ist, dass überregionale Verschmutzung nicht vor den „Toren“ der Zonen halt machen, doch ist es ein Anfang, diese Gebiet langfristig zu erhalten. Am Beispiel Nationalpark Niedersachsen soll kurz dargestellt werden, wie dies in die Realität umgesetzt wird: Sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene wurde beschlossen, das Ökosystem Wattenmeer so gut wie möglich vor dem Vergehen zu schützen. 23 Seit dem 1.10.1985 wird der Bereich vor der schleswig-holsteinischen Küste durch einen Nationalpark geschützt, in dem bestimmte Regeln gelten und auch eingehalten werden müssen. Mit Verordnung vom 13.12.1985 hat das Land Niedersachsen den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer eingerichtet. 1993 hat die UNESCO diesen als Biosphärenreservat anerkannt. Dies ist eine zusätzliche Schutzgebietsbezeichnung, in deren Rahmen die dort lebenden Menschen beispielhaft in Schutz und Pflege vorangehen sollen. Der Nationalpark umfaßt eine Fläche von ca. 240.000 ha. Das Gebiet wurde in drei Zonen eingeteilt, in denen bestimmte Nutzungen unter Berücksichtigung der Naturschutzbelange erlaubt sind. Zone 1; Ruhezone: - nimmt 54 % der Fläche ein (ca. 130.000 ha) - strengste Schutzbestimmungen - Salzwiesen, empfindliche Dünenbereiche, Seehundsbänke, Rast- und Mauserplätze von Vögeln - Verboten sind grundsätzlich alle Handlungen, die durch die Verordnung nicht ausdrücklich erlaubt sind: Wege dürfen nicht verlassen werden, Jagd, Fischerei und Landwirtschaft sind in bestimmten Bereichen nicht erlaubt. Zone 2; Zwischenzone: - nimmt 45 % der Fläche ein (ca. 108.000 ha) - Betreten ist generell erlaubt - Einschränkungen zu Brutzeiten in bestimmten Bereichen - Nicht erlaubt sind aber Handlungen, die den Charakter des Wattenraums einschließlich der Inseln beeinträchtigen könnten, wie z.B. Beschädigung der Pflanzendecke - Kraftfahrzeuge sind auf den markierten Wegen fahrberechtigt Zone 3; Erholungszone: - restliche Fläche (unter 2 %, ca. 2.000 ha) - Badestrand und Kultureinrichtungen - verboten ist das Betreiben motorisierter Fahrzeuge - Baugenehmigung nur mit Zustimmung der Nationalparkverwaltung Abb.8 zeigt eine Karte der drei Zonen im Nationalpark des niedersächsischen Wattenmeers. Deutlich wird hierbei, welchen geringen Teil Zone 3 einnimmt. 24 Abb.8: Zonierung des Nationalpark Niedersachsen. Quelle: http://www.wangerooge-online.com/nationalpark.jpg Mit Hilfe dieser Projekte ist ein Anfang gemacht, das Ökosystem Wattenmeer nachhaltig zu schützen und zu bewahren. Letztlich liegt es aber an jedem einzelnen, diesen einmaligen Lebensraum zu erhalten. 7. Literatur Broschüre Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer. Wilhelmshaven, 1990. Broschüre Elastizität des Ökostystems Wattenmeer. Wilhelmshaven, 1997. ENGEL, H.: Outdoor Handbuch Wattwandern. Breklum, 2000. FERK, U.: Folgen eines beschleunigten Meeresspiegelanstiegs für die Wattgebiete der niedersächsischen Nordseeküste. In: Greifswalder geographische Arbeiten, Bd. 10, 1994. S. 126-140. GÄTJE, Ch.: Ökosystem Wattenmeer. Berlin, 1998. HICKEL, W.: Die Nordsee heute: Ökologie und Naturschutzaspekte. In: Geographische Rundschau, H. 7/8, 1996. S. 450-457. MEYER, H.: Lebensraum Wattenmeer. Wiesbaden, 1994. REISE, K.: Das Ökosystem Wattenmeer im Wandel. In: Geographische Rundschau, H. 7/8, 1996. S. 442-449. REISE, K.: Turbulenzen in der Naturgeschichte des Wattenmeeres. In: Heidelberger Geographische Gesellschaft, H. 14, 1999. S. 87-95. SCHARMANN, L.: Meer und Küste – eine neue Raumordnungskategorie in Deutschland? In: Europa regional, H.1, 1994. S. 14-20. 25 SCHARMANN, L.: Die Fischwirtschaft in den norddeutschen Küstenländern. In: Europa regional, H.2, 1994. S.1-9. SPIEGEL, F.: Bedrohung des Wattenmeers. In: Geographie heute, H127, 1995. S. 26-29. Internet: http://www.wangerooge-online.com/nationalpark.jpg (Stand 05/2001) http://www.mu.niedersachsen.de/Nationalparke (Stand 05/2001) http://schulen.nordwest.net/watt (Stand 05/2001) 26