Tipps zur Forschung in Kirchenbüchern

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Tipps zur Forschung in Kirchenbüchern
Tipps zur Forschung in Kirchenbüchern
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Was steht in einem Kirchenbuch?..........................................................................1
Voraussetzungen....................................................................................................2
Vorgehen................................................................................................................4
Interpretieren (i.d.R. zuhause)................................................................................5
Analysieren (i.d.R. zuhause)...................................................................................6
Eingabe in das Genealogie-Programm...................................................................6
Probleme, Sonderfälle............................................................................................6
Was könnte noch im Archiv interessant sein?........................................................7
Etwas Statistik........................................................................................................7
Diese kleine Sammlung von Tipps wurde anlässlich eines VHS-Kurses zusammengestellt.
Jede Ergänzung und Kritik ist willkommen an [email protected] .
Die meisten dieser Erfahrungen wurden gesammelt bei der Forschung in den Pfarreien
des Rupertiwinkels Freilassing-Salzburghofen, Ainring, Teisendorf, Weildorf, Petting,
Laufen, Waging, Siegsdorf, ... und in Kärnten.
Der Rupertiwinkel ist eine bäuerliche Landschaft mit vielen kleinen Weilern. Die meisten
der gesuchten Familien tragen die Namen dieser Weiler. Die Familien waren
offensichtlich weitverzweigt. Sie benutzten nur wenige Vornamen (männl.: 5 für 51 %, 10
für 72 %; weibl.: 5 für 69 %, 10 für 89 %; Maria: 26 %). Daher gibt es oft NamensDoppelgänger.
Weil sich Salzburg aus dem 30jährigen Krieg geschickt herausgehalten hat, blieben die
Kirchenbücher seit ihrer Einführung um 1600 erhalten und sind zum größten Teil auf
Mikrofiche, und im Notfall im Original, im Archiv der Erzdiözese in München einsehbar.
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Was steht in einem Kirchenbuch?
Einträge über alle Taufen, alle Heiraten oder alle Begräbnisse in zeitlicher Reihenfolge
für eine Pfarrei.
Taufbuch: Ort, Geburts-, Taufdatum, Name, Legitimität; manchmal: Eltern mit Beruf,
Ort, Paten, Hebamme; illegitime Geburten manchmal extra
Heiratsbuch: Ort, Heiratsdatum, Name, Stand (ledig/verwitwet); manchmal: Eltern mit
Beruf, Ort; Zeugen
Sterbebuch: Ort, Todes-, Begräbnisdatum, Name; manchmal: Alter, Todesursache
Familienbuch: Ort, Haus, Namen, Daten von Eltern und Kindern, Bemerkungen.
Familienbücher gibt es nicht überall. Sie sind Sekundärquellen und daher etwas
unzuverlässiger als die Originalbücher. Sie helfen nur, wenn man den Ort und die
Familiennamen bereits kennt.
Index: je Buch, je Buchstabe zeitlich oder alphabetisch & nicht zeitlich; manchmal Sch
und St nach S extra; *Index: illegitime manchmal separat.
Heiratsindex: m mit w, nur m oder gemischt.
Manchmal fehlt er, ist unvollständig, ist die Reihenfolge durcheinander.
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Immer prüfen, ob es ein Addendum (= nachträgliche Ergänzung) dazu gibt.
Der Index ist ebenfalls eine Sekundärquelle, nachträglich erstellt und gelegentlich
fehlerbehaftet.
Früher waren die Einträge Fließtext, später Tabellen.
Häufig ist es ein kriminalistisches Puzzle, die Einträge unseren gesuchten Personen
zuzuordnen.
Das große Puzzle:
Ist immer dieser Paul W. gemeint?
Taufbuch
Heiratsbuch
Begräbnisbuch
17.12.1728 baptizatus
est Paul Weibhauser,
leg. Sohn des Georgi
Weibhauser et Mariae
uxoris eius
3.5.1755 contraxit Paul
Weibhauser, leg. Sohn
des Georg Weibhauser
& Maria Haberlander
28.4.1770 sepultus est
Paul Weibhauser,
Austragler am
Abfalterhof
25.12.1728 Johann,
Sohn des Pauli Stadler
et Ursula uxor
2.1.1729 . . . . . . . . . . . .
...................
.............
28.4.1730 Paul
Weibhauser, leg. Sohn
des Georgi Weibhauser
& conjuga
?
?
?
?
Schriften: hier helfen Webseiten wie http://www.suetterlinschrift.de/
Schreibweisen: nach Gehör (Dialekt!)
Sprache: z.T. Lateinisch. Hier finde ich ein gedrucktes Wörterbuch hilfreicher als ein
Online-Wörterbuch, weil ich zunächst die richtige Schreibweise nicht weiß und schwer
leserliche Wörter erst erraten muss.
Kirchliche Datumsangaben (z.B. dominica VII. Post pentacosta 1640; Festa St.
Laurentius <10.8.>1637):
hier hilft ein Datumsrechner wie http://www.pfeff-net.de/feier.html oder ein
Heiligenkalender wie http://de.wikipedia.org/wiki/Heiligenkalender .
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Voraussetzungen
Wegen der Datenschutzsperre muss man Anfangsdaten bis vor 1900 haben.
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Man muss herausfinden, in welcher Pfarrei zu suchen ist (die Zugehörigkeit des Orts
kann sich im Lauf der Zeit geändert haben).
Dann klären:
•
für welche Zeit sind die Kirchenbücher verfügbar und freigegeben,
•
wann können sie eingesehen werden,
•
wie hoch sind die Gebühren.
Übersicht für die Pfarreien der Erzdiözese München:
http://www.genealogie-kiening.de/kirchenbuch.htm
Sehr hilfreich, z. T. gar notwendig sind Kenntnisse:
•
der Ortschaften,
•
der üblichen Vor- & Nachnamen,
•
des Dialekts,
•
des Namensrechts (u.a. Hausnamen),
•
Religionsvorschriften, z.B. ev. <> lutherisch,
•
Heiratsregeln, u.a. Heiratn in fremde Pfarrei, Sponsalien.
Nützliche Hilfsmittel sind:
•
Landkarten
•
Schriftentafel
•
lat. Fachausdrücke (z.B. 10bris/Xbris, viduus)
•
Abkürzungen (z.B. p:m:)
•
Berufsnamen
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Vorgehen
Wie gehe ich vor?
Interpretieren:
Ortsnamen
● Berufe
● lat. Ausdrücke
● Abkürzungen
● Unleserliches
●
Kirchenbuch
Abschreiben:
für alle Kandidaten:
kompletten Eintrag,
Buch#, Seiten#
dokumentieren,
wo durchsucht
„Tagebuch“
Analysieren:
● Plausibilität prüfen
● Passende Einträge
übernehmen
● Kommentare
● Fragen, Aufgaben
● Tote Punkte
Fragen
klären
Plausibilität
maschinell
prüfen
Eingeben:
● Einträge zu Personen zusammenfügen
● In Genealogie-Programm eingeben
Textdatei
Jeden relevanten Eintrag zuerst auf Papier / in Textdatei erfassen, nicht im GenealogieProgramm.
Alles erfassen, bes. Beruf, Ort, Hausnummern, Paten, Zeugen etc., auch unleserliche
Stellen merken (wo, Länge der Wörter, Schriftbild).
Fundort genau dokumentieren: Buch#, Seiten# / Fiche#; denn sehr häufig muss man
einen Eintrag später noch einmal prüfen.
Durchsuchte Abschnitte der Kirchenbücher auflisten.
Unleserliches fotografieren, soweit erlaubt und bezahlbar.
Entlang Stammlinien von links nach rechts vorarbeiten und dokumentieren.
Skizze der Ahnentafel mit *Jahr, ooJahr, (ggf. geschätzte Werte), Ort, Beruf führen zur
Orientierung.
Suchen im Index (Buch, Mikrofiche): nach Schriftbild des Namens, die Suche nach
Vornamen ist oft leichter.
Alle Kandidaten des möglichen Zeitraums notieren, nicht nur den zuerst gefundenen.
Eintrag suchen, prüfen: 1. Plausibilitätsprüfung: gar nicht passende weglassen.
Eintrag abschreiben; noch nicht zu Personen zusammenfassen.
1. Geburtseintrag: enthält meistens die Namen der Eltern
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2. Heiratseintrag der Eltern: enthält meistens die Namen von deren Eltern
3. Geburtseinträge der Eltern: enthält meistens die Namen von deren Eltern
4. Sterbeeinträge nach Bedarf (Achtung bei Frauen: Familiennamen des Mannes)
Vorfahrensuche - Prinzip
1770
* Großeltern
1795
oo Großeltern
1800
* Eltern
1825
oo Eltern
1830
* Proband
* Geschwister
Legit. Tochter/Sohn des ...
Familienbücher (nach Orten und Häusern geordnet): erst sinnvoll, wenn diese bereits
bekannt sind.
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Interpretieren (i.d.R. zuhause)
•
Ortsnamen: hilfreich sind http://wiki-de.genealogy.net/Abkürzungen und Google Map
http://maps.google.com/
•
Berufe: http://wiki-de.genealogy.net/Berufe
•
lat. Ausdrücke http://www.auxilium-online.net/wb/woerterbuch.php ,
•
Abkürzungen: http://wiki-de.genealogy.net/Abkürzungen
•
andere unbekannte Begriffe: http://wiki-de.genealogy.net/Portal:Lexika
•
Unleserliches
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Analysieren (i.d.R. zuhause)
Am Besten schritthaltend (täglich) durchführen, evtl. bearbeitet man sonst einen
falschen Zweig. Außerdem ergeben sich aus der Plausibilitätsprüfung häufig neue
Fragen.
Plausibilitätsprüfungen
•
Zeiträume und Alter
•
Ort (Bauern heirateten meist im Umkreis von weniger als 20 km)
•
Beruf, Stand, gesellschaftliche Schicht (Beruf ist konstanter als der Ort!)
•
Namen, Orte der Paten und Zeugen
In Zweifelsfällen +Einträge, konkurrierende ooEinträge suchen.
Annahmen und Zweifel unbedingt dokumentieren.
Wahrscheinlich passende Einträge in das „Tagebuch“ (oder Logbuch) übernehmen.
Dafür ist ein Textdokument im Computer am zweckmäßigsten. Darin kann leichter
ergänzt, korrigiert und elektronisch gesucht werden.
Ich habe für jede Pfarrei ein eigenes Kapitel geführt.
*, oo und + Einträge noch nicht integrieren, sondern bei jeder Person getrennt halten, bis
sicher ist, dass dieselbe Person gemeint ist.
Die Einträge ergänzen mit Kommentaren, Annahmen, Zweifeln, Fragen und Aufgaben.
Die Fragen und Aufgaben beim nächsten Archivbesuch klären.
Tote Punkte auflisten und dann ggf. in Nachbarpfarreien suchen.
Als Tote Punkte werden Endpunkte einer Ahnenlinie bezeichnet, bei dem weitere Ahnen mit naheliegenden
Methoden nicht ohne weiteres zu finden sind, aber begründete Hoffnung besteht, weitere Zusammenhänge
aufzuklären. Im Gegensatz hierzu wird von Spitzenahnen gesprochen, wenn wegen generellem Mangel an
Quellen die Abstammung nicht weiterzuverfolgen ist.
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Eingabe in das Genealogie-Programm
•
Eintragsinformationen zu jeder Person (ggf. aus den verschiedenen Pfarreien)
zusammenfügen
•
gründliche Plausi mit dem Genealogie-Programm
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Probleme, Sonderfälle
Schreibweisen des Namens: z.B. Kroiß mit Kh, G, C; o, a, eu; i, j, y; ß, s, ss, z; also Krojz,
Kroyß, Crois, Groiß, Graiss, Kreuz), B/Puchwinkler, Ö/Eschlberger
Zweitehen (besonders bei hohem Heiratsalter und hohem Alter bei letztem Kind): bei
Kindern steht dann „S. d. Adam B. & Maria“ < =1. Frau>, bei späteren Kindern „S. d.
Adam B. & Margaretha“ < =2. Frau; manchmal auch wieder eine Maria>; auf
Geburtsdaten der Kinder achten, ggf. Sterbeeintrag suchen
Gleiche Familiennamen und Vornamen: ggf. Sterbeeintrag suchen
Gleichen Familiennamen: Beruf, Wohnort prüfen
Familiennamen der Ehefrau unleserlich: wenn auch Frauen im oo Index, Einträge aller
möglichen Anfangsbuchstaben am Heiratsdatum prüfen oder bei der Seiten# (leichter)
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Fehlende Eltern, Familiennamen der Mutter:
Suchen: jeweils alle Namensvarianten, z.B. C, G, K; alle Details aufschreiben
Suchen und Plausibilität prüfen:
•
Kandidaten -15 bis -40 Jahre; *, oo, + Einträge
•
Mögliche Geschwister +/- 10 Jahre; *, oo Einträge
•
Deren Eltern
mögliche Kandidaten plausibilisieren; bei mehreren Kandidaten ggf.
Ausschlussverfahren: abweichender Beruf, Ort, Sterbeeinträge prüfen
Suchen ohne Index: Tabelle erstellen mit allen Namen und vermuteten Daten und nach
Datum sortieren; dann kann man die Einträge für die vermuteten Zeiträume gleichzeitig
für alle Namen durchsuchen
Pfarreiwechsel, besonders Zuzüge: nur mit Glück zu finden
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Was könnte noch im Archiv interessant sein?
•
Alte Beschreibung der Ortschaften, Einwohnerzahlen
•
Herrschaftsverhältnisse, Eigentümer von Höfen
•
Briefprotokolle: Eheverträge bei Hofbesitz, Verlassenschaftsabhandlungen,
Ehaftsbriefe, Inventare, Strafen
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Etwas Statistik
Aufwand: 39 Tage á 7,5 Std. im Archiv plus 50 % für Interpretation, Analyse und Eingabe
Ergebnis: 376 Vorfahren auf 2 Linien ab 1891 und ab 1811 in bis zu 12 Generationen in 8
Pfarreien, mit Geschwistern insgesamt 640 Personen
Also:
etwa 9,6 Vorfahren / Archivtag bzw. 6,4 Vorfahren / Arbeitstag oder
0,78 Archivstunden / Vorfahre bzw. 1,2 Arbeitsstd. / Vorfahre
Diese Zahlen können natürlich nur ein ganz grober Anhalt sein, da die Situation für jeden
Forscher sehr verschieden sein wird.
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