Berichte Bilder Gespräche Rundschau 2-13

Transcription

Berichte Bilder Gespräche Rundschau 2-13
Rundschau
Berichte
Bilder
Gespräche
Zeitschrift der Deutsch-Tunesischen Gesellschaft e.V.
www.deutsch-tunesische-gesellschaft.de
2-13
1
Annette Houri ist Grundschulleiterin in Vollmaringen und lebt in Horb, wo sie sich unter anderem
im Deutschen Roten Kreuz engagiert. Dort ist ihr
Ehemann Said Houri Bereitschaftsleiter und ihre
Tochter Samira Jugendleiterin. Vor dem Hintergrund, dass in der tunesischen Hauptstadt Tunis eine deutsche Schule gegründet werden soll, startet
sie nun in Horb eine aktive Unterstützer-Aktion
für dieses nicht alltägliche Projekt. „Ich suche Bücher und Spiele bis zur vierten Klasse, die bei mir
abgegeben werden können.“ In Tunis habe sich bereits ein Schulverein gegründet, berichtet sie, und
übers Internet werde derzeit der dort nötige Bedarf ermittelt.
2
Foto: Abdelwaheb Bouazizi
www.tunesienreporter.de
Inhalt
5
Editorial
6 Tunesien am Scheideweg
Aktuelle Situation und Herausforderung von Dr. Horst Wolfram Kerll
8 EVOLUTION UND DIE FOLGEN FÜR MEDIEN UND POLITIK 26 Alles Müll oder was?
Wie DTG Mitglieder auf der Insel Djerba gegen den Müll ankämpfen
28 Wohin mit dem Abfall in Tunesien
Nur etwa 5 % weiterverarbeitet
Tunesisches Präsidialamt u. KAS lancieren Diskussion zur Entwicklung des
Mediensektors
29 29. Sport- und Fitness-Urlaub in Tunesien
9 Deutsch-Tunesische Beziehungen
30 Gewinner waren alle
Erklärung des Botschafters der Tunesischen Republik in Berlin Elyes Ghariani
DJK Marienstatt lädt ein zum 30. Sport- und Kultururlaub
Auch Sfax war zu Gast in der Universitätsstadt Marburg
10 Vergessen in der tunesischen Wüste
32 Kontakte zu Münsters Partnerstadt Monastir boomen
Der libysche Bürgerkrieg 2011 löste eine massive Bewegung von Flüchtligen nach Südtunesien aus
11 Tunesiens angespannter Blick nach Ägypten
Bewunderung und Angst mischen sich in Tunesien, wenn es um Ägypten geht
12 DTG Präsidium traf tunesisches Studentenwerk
Fünfköpfige Delegation der Studentenwerke Tunesiens zu Gast in Bochum
13 Eine lebendige Geschichte mit Zukunft
oder wie nähert man sich Tunesien von Prof. Dr. Gerald Wetzel
14 Demokratie als Herausforderung
Interview mit DTG Mitglied Werner Pösken
16 Transfer deutscher Bildungsdienstleistungen nach Tunesien
Brückenschlag zwischen den Anforderungen und Bedürfnissen der deutschen Wirtschaft und der tunesischen Industrie
18 Talent Recruider
DTG Mitglied Michael Hoffmann vermittelt tunesische Fachkräfte nach Deutschland
19 Brücke zwischen Tunesien und Deutschland bauen
Verein der tunesischen Akademiker in Stuttgart(VTAS) stellt sich vor
20 Auswärtiges Amt engagiert sich für Berufsbildung in Tunesien
Im Interview: Jens Plötner, der deutsche Botschafter in Tunesien
21 Praxisorientierte Ausbildung gegen Arbeitslosigkeit
Tunesische und deutsche Stakeholder kooperieren im „Beschäftigungspakt Tunesien“
22 Deutsch-tunesische Ausbildungspartnerschaften
Zwei weitere Projekte ergänzen über den „Beschäftigungspakt Tunesien“ hinaus die Aktivitäten von sequa im Bereich der Berufsbildung
Aufbruchstimmung in der Partnerschaft
33 Ein Usedomer Strandkorb für Tunesien
Großes Event auf der Osttseeinsel anlässlich der 10jährigen Partnerschaft der Inseln Djerba und Usedom
34 Arabischer Frühling bei Discover Football
Fußball Frauen aus Bizerte holten den „Fair Play“ Pokal
35 Freundschaftsläufe in Tunesien ermöglichen neue Eindrücke
Eine fantastische Atmosphäre erwarteten jeden Zieleinläufer
36 Besuch bei Menzel El Kateb - Plantage mit Gästehäusern in Mahboubine / Midoun
Menzel El Kateb bietet Ruhe und Entspannung fernab vom Massentourismus
36 Stammtisch im Aldiana Djerba feierte seinen 1. Geburtstag
Regelmäßiger Treff am letzten Freitag im Monat
37 „Sommerfestival der Kulturen“ in Stuttgart
Aus München war der tunesische Konsul, Herr Salah Chebbi, angereist
37 Tunesische Studenten zu Gast in Dresden
DTG-Mitglied, Henry Krause, empfing 20 tunesische Studenten
38 Zu Besuch bei Freunden in Schöningen
Zwei Wochen waren über zwanzig Tunesierinnen und Tunesier zum ersten Mal nach der friedlichen Revolution wieder in Schöningen
39 Internationaler Besuch
Tunesische Ärzte besichtigen HELIOS St. Marienberg Klinik Helmstedt
40 Arabischkenntnisse in Tunesien verbessert
Deutsche Schülerinnen nahmen in Tunesien am Unterricht teil
41 Internationale Sommeruniversität in Marburg
Arabischer Frühling aus europäischer Perspektive
23 Ein Treffen unter Freunden
41 Der Limes
Der tunesische Konsul Salah Chebbi trifft sich mit Fussballern des SV Affstätt
eine antike Verbindung zwischen Deutschland und Tunesien
24 SOS-Tunesien erhält Preis für Kinderrechte
43 Ein außergewöhnlicher Geburtstag
Der Preis ist eine Anerkennung der Leistungen von SOS-Tunesien
DTG Ehrenmitglied Dieter Bade wurde 90
3
Sie ist da!
Die neue Mitgliedskarte der Deutsch-Tunesischen Gesellschaft e.V.
Am 05. Januar 2013 wurde auf einer Präsidiumssitzung der DTG in Bochum beschlossen, eine neue einheitliche Mitgliederkarte in Scheckkartenformat einzuführen.
Es wurde danach eifrig daran gearbeitet - und herausgekommen ist ein neues Layout unserer Mitgliedskarte, die am 08. Juni
2013 auf der Präsidiumssitzung vorgestellt wurde. Wir finden sie alle echt schick und sind begeistert. Die ersten haben sie
schon. Alle neuen Mitglieder erhalten diese neue Karte automatisch.
Für alle Mitglieder steht die Mitgliedskarte in Scheckkartenformat ab sofort zur Verfügung. Der Wechsel auf die neue Karte erfolgt mit einem formlosen Antrag an die Geschäftsstelle der DTG. Senden Sie dazu ein digitales Bild von sich per Email an:
[email protected]
Sollten Sie keine Möglichkeit der Datenübertragung haben, senden Sie ein Bild per Post an die Geschäftsstelle.
Es bleibt aber auch weiterhin die Möglichkeit bestehen, eine neue Mitgliedskarte in Scheckkartenformat „ohne“ Bild zu bestellen.
So sieht Sie aus!
Wir stellen Ihnen die verschiedenen Merkmale der neuen Mitgliedskarte vor:
Folgende Daten werden dort festgehalten:
• Unterschrift: Mit Ihrer Unterschrift bestätigen Sie, dass Sie bei der Deutsch-Tunesischen Gesellschaft Mitglied sind.
• Name: Ihr Vor- und Nachname weisen Sie als Inhaber der DTG-Mitgliedskarte aus.
• Passbild: Das Passbild für alle Mitglieder bietet zusätzlichen Schutz gegen Kartenmissbrauch.
• Mitgliedsnummer: Mit Ausgabe der Karte erhält jedes Mitglied eine Mitgliedsnummer. Diese bleibt ein Leben lang gleich.
• Eintritt in die DTG: Mit der Monats- und Jahreszahl versehen.
• Der direkte Draht zur DTG: Auf der Rückseite ist die Anschrift zur DTG vermerkt.
Die neue Mitgliedskarte in Scheckkartenformat wird die bisherige Mitgliedskarte ablösen.
Und das ist noch nicht alles!
Günstige Fährtickets zum DTG Vorteilspreis
Ab sofort erhalten Sie als DTG Mitglied bei Buchung einer Fähre der SNCM Germany GmbH einen Sondertarif.
Der DTG Tarif entspricht einem Rabatt zwischen 15% und 25%, je nach Termin.
Die Bedingungen sind wie folgt:
Strecke:
Genua Tunis Genua
Tariffarbe: DUNKEL- UND HELLBLAU / GRÜN (siehe Fahrplan 2013)
Tarif gilt für: minimum 1 Person + 1 Pkw .... mit Kabine bzw. Bett
Hin- und Rückfahrt obligatorisch
Der Tarif ist bis zum Reisetermin umbuchbar, nach Reiseantritt nicht mehr.
Dieses Angebot ist nicht über ein Reisebüro buchbar, sondern nur direkt bei der
SNCM Germanyy GmbH - Berliner Str. 31-35 - 65760 Eschborn
Buchen Sie die günstigsten Fährverbindungen unter Telefon +49 (0) 6196 77306 0
oder EMail [email protected] online und genießen Sie die Vorteile für DTG Mitglieder
Ihre Mitgliedsnummer wird in die Buchung eingetragen.
4
Editorial
Liebe Mitglieder und Freunde der DTG,
zuerst all unseren muslimischen Freunden, welchen
ich noch nicht persönlich die Wünsche ausgesprochen
habe, ein zwar verspätetes, allerdings von Herzen gesagtes „Aid Mabrouk“.
Die erste Hälfte des Fastenmonats Ramadan durfte ich
in Tunesien verbringen. Bei zahlreichen Einladungen
meiner tunesischen Freunde konnte ich noch mehr über
die islamische Fastenzeit erfahren. Je mehr die Menschen sich mit verschiedenen Religionen befassen und
sich mit ihrer eigenen Religion auskennen, umso besser
können sie sich verstehen.
Zutiefst getroffen von der Ermordung von Mohamed
Brahmi spreche ich den Angehörigen des Opfers im
Namen der DTG unser aufrichtiges Beileid aus. Mein
Appell geht an das tunesische Volk, trotz dieses erneuten Rückschlags Besonnenheit zu wahren und den
demokratischen Weg weiterzuverfolgen. Deutsche wie
tunesische Freunde: Seien sie solidarisch mit Tunesien
und unterstützen Sie das Land auf seinem demokratischen Weg.
Mit großer Freude darf ich erwähnen, dass sich, wie
auch in der Vergangenheit, in Sachen Unterstützung
von Städtepartnerschaften, Schüleraustauschen usw.
in den letzten Monaten wieder einiges getan hat. Dies
ist auch sehr wichtig, damit wir unserer Satzung sowie
Gemeinnützigkeit gerecht werden. Ebenfalls wichtig ist
mir, mich bei jeder einzelnen Person, welche uns mit
aktiver Mitarbeit, Mitgliedsbeiträgen sowie Spenden
unterstützt, aufs herzlichste zu bedanken!
Aus unserer Geschäftsstelle kam die positive Nachricht, dass im letzten Halbjahr viele neue Mitglieder
unserer Gesellschaft beigetreten sind. An dieser Stelle
möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich bei unserem
Geschäftsführenden Vizepräsidenten Herrn Ezzedine
Zerria und seiner Frau für die Leitung der Geschäftsstelle von ganzem Herzen zu bedanken.
Ganz kurz möchte ich auf unseren seit langem gewünschten Mitgliedsausweis in Scheckkartenformat
eingehen. Durch intensive Arbeit ist er nun zu haben.
Viele neue Mitglieder mussten auf Ihren Ausweis lange
warten, doch das hat sich gelohnt. Ich bitte all diejenigen um Nachsicht für die Wartezeit.
Seit August letzten Jahres bin ich Opa und meine Enkelin trägt den wunderbaren arabischen Namen Layla.
Weder die Vorfahren meiner Schwiegertochter noch
meine sind arabischer Herkunft. Doch ein Opa, der die
arabische Welt so sehr liebt, das färbt ab.
Wenn ich nun das kleine Wesen sehe, ihr Lachen, ihre
Augen, ja auch oft ihre kleinen Botschaften, dies ermuntert mich, noch mehr zur Zukunft unserer Kinder, zur
Völkerverständigung und zum Frieden beizutragen.
Bitte helfen Sie mit, damit die Kinder und Enkel unserer beiden Länder, in Tunesien und Deutschland in eine
friedliche und spannende Zukunft blicken können.
Ihr
Werner Böckle
Präsident der
Deutsch-Tunesischen Gesellschaft e.V.
Viele in Deutschland befassen sich mit unserem
Freundes – und Gastland Tunesien, und viele in Tunesien befassen sich mit Deutschland. Völkerverständigung
und Toleranz führen zwangsläufig zum Erfolg. Und wir
wollen ebenfalls zum Erfolg beitragen; weiter so.
5
Auf dem Weg zur Demokratie: Tunesien wählt
TUNESIEN AM SCHEIDEWEG
Das Jahr 2013 wird ein entscheidendes Jahr nicht nur für den Verlauf der tunesischen
Revolution, sondern auch für die weiteren politischen, aber auch wirtschaftlichen
und sozialen Entwicklungen in der gesamten Maghrebregion und möglicherweise
auch in anderen arabischen Staaten.
Von Dr. Horst Wolfram Kerll
T
unesien hat die Ziele seiner Revolution längst noch
nicht erreicht, diese scheint von anderen Gruppen
usurpiert zu werden. Die Gefahr, vom „Regen“ eines
menschenrechtsverachtenden, korrupten Ancien Régime in
die „Traufe“ einer theokratischen Repression zu kommen,
ist akut und ernst zu nehmen. Andererseits gibt es positive
Anzeichen für das Gelingen einer echten Demokratisierung,
für die Tunesien im Vergleich zu allen anderen arabischen
Staaten die besten Voraussetzungen aufweist. Dabei spielt
Deutschland in und für Tunesien eine besondere Rolle, als
Freund und kritischer Berater.
Kurzer Rückblick
Der Auslöser für die tunesische Revolution war der Versuch
der Selbstverbrennung des Straßenverkäufers Mohamed
Bouazizi am 17. Dezember 2010 im südlichen Sidi Bouzid. Er
wehrte sich gegen Armut und soziale Missstände, aber auch
gegen entwürdigende Behandlung durch Verwaltung und
Polizei. Es entwickelte sich eine immer größere Protestwelle
im Land mit Märschen auf die Hauptstadt und andauernden
Demonstrationen in Tunis und anderen Städten des Landes.
Der Polizei und anderen Sicherheitsorganen gelang es nicht
mehr wie früher, diese zu unterbinden, die Revolution für
„Brot und Würde“, von Religion war nie die Rede, nahm nach
Jahren der Unterdrückung und zunehmender Korruption
ihren Lauf. Am 4. Januar 2011 starb Bouazizi, am 14. Januar
floh der Präsident Ben Ali mit seiner im Land besonders verhassten Frau Leila Trabelsi und einem Teil der Familie nach
Saudi-Arabien.
Mit Übergangsregierungen unterschiedlicher Zusammensetzung und vor allem einer zivilen „Hohen Instanz“ zur
6
Erarbeitung einer neuen Verfassung mit Prof. Ben Achour an
der Spitze, die dann immer mehr auch vorparlamentarische
Arbeit leistete, begab sich Tunesien auf den Weg zu einer
echten Demokratie. Am 23. Oktober 2011 kam es zu den
ersten freien Wahlen und einer Koalitionsregierung zwischen
der bis dahin verbotenen islamischen Partei Ennahda, der
laizistischen Partei „Congrès pour la République“ (CPR) und
der bürgerlichen Partei Ettakatol, die bis heute die Regierung
stellen. Politisch konnten einige Verbesserungen im Lande,
wie zur Meinungs-, Presse- und Vereinigungsfreiheit erzielt
werden, im Bereich der Sicherheit und wirtschaftlicher und
sozialer Belange ist die Lage eher kritischer geworden.
Aktuelle Situation und Herausforderungen
Die erste und wichtigste Priorität im Lande, jedenfalls für
alle Demokraten, ist eine Verbesserung der Sicherheitslage.
Diese hat sich nach der Revolution, vor allem auch in Libyen,
nach den Entwicklungen in Mali, aber auch aufgrund einer
Amnestie, die viele tunesische Gewalttäter und auch Terroristen mit einschloss, im Landesinneren erheblich verschlechtert. Viele werfen, m.E. durchaus zu Recht, EnnahdhaVertretern Laxheit und Verharmlosung vor. So bezeichnete
Parteichef Ghannouchi Salafisten und dazu gehören auch
Extremisten, als „unsere Kinder“, radikalen Antidemokraten
werden Hass-Predigten in Moscheen erlaubt, viele Gewalttäter sind weiterhin nicht gefasst bzw. verurteilt etc.. Manche
scheinen indes den Ernst der Lage nun endlich erkannt zu
haben und plädieren für konsequenteres Vorgehen (so am 19.
Mai in Kairouan) gegen illegale Organisationen, wie Ansar
Al-Charia mit dem gesuchten Abou Ayad an der Spitze, die
dem Staat und sogar Ennahdha selbst explizit den Kampf
angesagt haben. Viele Ennahdaouis haben aber noch nicht
verstanden, dass jeder Rechtsstaat, den Tunesien auch an-
strebt, sich verteidigen, also wenn notwendig auch wehrhaft
sein muss. Der Vollständigkeit halber weise ich indes darauf
hin, dass bisher keine, zumindest wie bisher bekannt, keine
deutschen Touristen oder Unternehmen (abgesehen von nun
im neuen Tunesien vermehrt möglichen Streiks) von dieser
Situation betroffen waren.
Konsequente Maßnahmen der Sicherheitskräfte, aber auch
der Staatsanwaltschaft und Richterschaft sind im Übrigen
conditio sine qua non, um die Wirtschaft, einschließlich des
für Tunesien so wichtigen Tourismus, und den Arbeitsmarkt
gerade auch in unterentwickelten Regionen zu stabilisieren
und zu fördern. So verständlich Stagnation und auch Rückschritte in diesen Bereichen nach einer Revolution sind, so
besorgniserregend sind doch die jüngsten Wirtschaftsdaten
wie die Arbeitslosenquote von insgesamt 18 Prozent (in
manchen Regionen über 40 Prozent, ähnlich bei diplomierten
jungen Leuten), eine Inflation von 6,6 Prozent, prognostizieren Staatsschulden von 52 Prozent, einem BIP-Wachstum von
optimistischen 3,3 Prozent und einem Haushaltsdefizit von
sieben Prozent. Ebenso wichtig bleiben in diesem Zusammenhang weitere konsequente Maßnahmen gegen Korruption und parteiliche Vetternwirtschaft.
Für die Stabilisierung des Landes ist im Weiteren die
baldige Verabschiedung einer neuen Verfassung bei größtmöglichem Konsens von höchster Wichtigkeit. Es gab schon
gute Vorschläge, die aber zum Teil wieder verworfen oder
verwässert wurden. Die wichtigsten Themen, die noch behandelt werden müssen für eine echte demokratische Verfassung
sind z.B. die Klärung des Begriffs einer „zivilen Gesellschaft“,
die Trennung von Staat und Religion, das Festschreiben der
Universalität der Menschenrechte (ggf. auch einen Verweis
auf die Allgemeine Erklärung der Vereinten Nationen von
1948) einschließlich der Gewissensfreiheit und auch eindeutige Garantien für die schon erlangten Frauenrechte im Sinne
echter Gleichheit der Geschlechter.
Und schließlich muss die Blockade zur baldigen Verabschiedung eines neuen Wahlgesetzes überwunden und sehr
zügig eine neue Wahlkommission gebildet werden, um so
schnell wie möglich die nächsten Wahlen für Parlament und
Präsident festzusetzen und durchzuführen. Insoweit wird es
nach bisherigen Erfahrungen besonders wichtig sein, dass es
freie, geheime und unbeeinflusste Wahlen und eine professionelle, neutrale Wahlbeobachtung der Vorbereitung und
Durchführung gibt.
Perspektiven
Die Tunesierinnen und Tunesier, vor allem auch der jungen
Generation, haben großen Mut bewiesen, sich durch eine
ihrerseits friedliche Revolution für Freiheit, Würde und
soziale Gerechtigkeit vom Joch eines zunehmend korrupten und repressiven System zu befreien und „Demokratie
gewagt“. Sie haben in der Region und unter den arabischen
Staaten vergleichsweise die besten Chancen, dass ihnen dies
beispiel- und dauerhaft gelingen kann, wenn den Extremisten
nun konsequent Einhalt geboten wird. Tunesien rechnet vor
allem mit deutscher Hilfe, die mittels einer „Transformationspartnerschaft“ auch schon gegeben wird. Deutschland hat im
Land einen sehr guten Ruf. Aber neben der „hohen Politik“
können auch deutsche Unternehmen und Touristen zum
beiderseitigen Nutzen weiter wichtige Signale setzen und Solidarität für die Demokraten zeigen, welche das Land wahrlich
verdient. Es lohnt sich, in den noch schwierigen Aufbau der
Demokratie in Tunesien zu investieren!
Das Bild zeigt eine Collage von Botschafter Dr. Kerll in seinem Büro, die er sofort nach
Erscheinen des Bildes vom brennenden Mohamed Bouazizi am 17.12.2010 erstellte. Er
hat damit Präsident Ben Ali abgedeckt bei der Übergabe seines Beglaubigungsschreibens und wollte sich damit vor dem dann am 4.1.2011 Verstorbenen verneigen, dessen
Grab er später auch besuchte, in der Hoffnung auf eine echte Demokratie für das tunesische Volk, die es bis heute noch nicht erlangt hat.
Erschienen in business & diplomacy 02/2013
Dr. Horst-Wolfram Kerll war von 2007 bis
2012 deutscher Botschafter in Tunis. Seitdem hat er das Land wieder mehrfach bereist.
Fotos: Kerll
7
EVOLUTION UND DIE FOLGEN FÜR
MEDIEN UND POLITIK
TUNESISCHES PRÄSIDIALAMT UND KAS LANCIEREN DISKUSSION ZUR ENTWICKLUNG
DES MEDIENSEKTORS
Presse- und Meinungsfreiheit stellen ohne Zweifel bereits jetzt eine der großen Errungenschaften der
Revolution in Tunesien und der damit verbundenen Umbrüche dar. Gleichwohl stehen die Presse und
der gesamte Medienbereich inmitten der politischen Transformation vor der Herausforderung, sich
selbst über den gesetzlichen Rahmen hinaus auch einen ethischen und professionellen Kodex zu verleihen, der den Rahmen für die Ausübung der Presse- und Meinungsfreiheit absteckt, zugleich aber
auch die persönliche wie gesellschaftliche Verantwortung des Sektors festschreibt.
G
erade das Verhältnis von Politik und Medien hat sich
dabei in den letzten beiden Jahren zunehmend von
Spannungen, Argwohn, gegenseitigen Verdächtigungen und
teilweise Missachtung entwickelt. Gerade deshalb hat das
Präsidialamt der Tunesischen Republik gemeinsam mit der
Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) die Initiative ergriffen, aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen zu diskutieren.
setzte in ihren Medienprogrammen daher neben einer qualitativ hochwertigen Fortbildung stets auch auf den deontologischen Aspekt der Medienarbeit. Umgekehrt sei auch die
Politik aufgefordert, den Medien den Vertrauensvorschuss zu
geben, den sie für ihre professionelle Arbeit brauchen. „Ein
Klima gegenseitiger Verdächtigungen und Unterstellungen ist
kein guter Boden für eine demokratische Kultur“, sagte Ostry.
Als Präsident wie als Verfechter
der Menschenrechte „beunruhigen
mich die zunehmenden Spannungen zwischen Politik und Medien“,
erklärte Staatspräsident Mohamed
Moncef Marzouki während der
Eröffnung der Konferenz „Die Herausforderungen des Medienbereichs
in Tunesien während der Phase
der Transition“ vor gut 150 Gästen
aus Politik, Medien und Wirtschaft
im Palais Dar Dhiafa in Carthage.
Die gerade erlassene gesetzliche
Regelung des Medienbereichs,
dessen Unabhängigkeit gewahrt
werden müsse, sowie der Verfassungsentwurf mit seinen entsprechenden Regelungen zur Sicherung
der Presse- und Meinungsfreiheit
stellten notwendige, jedoch noch
Als Präsident wie als Verfechter der Menschenrechte „beunruhigen mich die zunehmenden
nicht allein hinreichende Bedingung
Spannungen zwischen Politik und Medien“, erklärte Staatspräsident Mohamed Moncef Marauch für den Erfolg der demokrazouki während der Eröffnung der Konferenz.
tischen Transition dar. Vielmehr
müsse es auch darum gehen, dass
jeder im Bürgersinn seine Verantwortlichkeiten erlerne und
Die KAS ist seit 2005 verstärkt im Medienbereich in
wahrnehme. Hardy Ostry, Vertreter der KAS in Tunesien griff Tunesien tätig und begleitet seit den Umbrüchen im Land
diesen Gedanken auf und skizzierte am Beispiel der Selbstredie Fortbildung junger Journalisten im Bereich der Politigulierung der Medien in Deutschland, wie man freiheitlichen
schen Berichterstattung und Politischen Kommunikation.
Journalismus mit eigener Verantwortung verbinden könne.
Am Partnerinstitut der KAS, dem Institut für Presse und
„Die Selbstkontrolle der Medien in Deutschland ist nicht
Kommunikationswissenschaften, konnte Ende letzten Jahres
ohne die spezifisch deutsche Geschichte zu erklären, aber sie
der Master-Studiengang für „Politische Kommunikation“
dokumentiert ein hohes Maß an Unabhängigkeit der Medien
begründet werden.
und zwingt notgedrungen alle Medienschaffenden, sich mit
Autor / Fotos: Dr. Hardy Ostry
ihrer Berufsethik auseinanderzusetzen“, so Ostry. Die KAS
Konrad-Adenauer-Stiftung / Tunesien
8
DIE DEUTSCH-TUNESISCHEN BEZIEHUNGEN
Erklärung des Botschafters
der Tunesischen Republik
in Berlin
Elyes Ghariani
D
er Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle hat erneut die stetige
Unterstützung Deutschlands zum demokratischen Übergangsprozess in Tunesien bestätigt, der seit der tunesischen Revolution der Freiheit und der Würde vom 14. Januar 2011
eingeleitet wurde.
ln diesem Sinne ist es festzustellen, dass die deutsch-tunesischen Freundschafts- und Kooperationsbeziehungen eine noch nie dagewesene Dynamik erleben, die sie auf das Niveau
einer strategischen Partnerschaft führt.
ln diesem Rahmen hat Deutschland im Jahr 2011 einen neuen Rahmen für die bilaterale
Zusammenarbeit namens „Partnerschaft für die Transformation“ aufgebaut und zusammen
mit Tunesien entschieden, eine Reihe von Pilotprojekten in verschiedenen Bereichen - insbesondere: politischer und wirtschaftlicher Reform, Justiz, Investition, Beschäftigung, beruflicher Ausbildung, Tourismus, Umwelt und erneuerbaren Energien - umzusetzen.
Bemerkenswert ist auch, dass Deutschland einen Teil der tunesischen Schulden in Höhe von
60 Millionen Euro umgewandelt hat.
Die politische Absprache zwischen der Regierungsführung und hochrangigen Parlamentariern der zwei Länder wurde ihrerseits intensiviert und auf höchstem Niveau durch einen
intensiven Besuchsaustausch konkretisiert. Allein im Jahr 2013 kamen der Präsident der Tunesischen Republik Moncef Marzouki und der Regierungschef Ali Larayedh in Deutschland
zu Besuch.
Tunesien bleibt wirtschaftlich einer der Hauptpartner Deutschlands in der arabischen Weit.
300 deutsche Unternehmen sind in Tunesien tätig. Dass diese Zahl seit der Revolution ansteigt, zeigt das zunehmende Interesse der deutschen Investoren für den tunesischen Markt,
der nun von den Grundsätzen der Transparenz und der guten Regierungsführung bestimmt
wird.
Wirtschaftliche Austausche in den Sektoren Handel und Tourismus verzeichnen eine
steigende Tendenz. Somit bestärkt Deutschland seine Position als dritter Wirtschaftspartner
Tunesiens. Es genießt ein positives Ansehen und Respekt bei dem tunesischen Volk.
Elyes Ghariani
Botschafter
9
VERGESSEN
IN DER
TUNESISCHEN
WÜSTE
Amina flüchtete aus Tripoli mit ihrem Sohn und Ehemann, nachdem Banden
ihr Haus plünderten und sie mit Gewalttätigkeit bedrohten.
A
m 1. Juli hat UNHCR seine Hilfsmaßnahmen, die sich bisher auf das
tunesische Transitlager Choucha konzentriert haben, auf nahegelegene Städte in Südtunesien verlagert. Diese Entwicklung wurde notwendig, da
die Bewohnerzahl von Choucha seit 2011 stetig zurückgegangen ist.
Nach letzten Informationen leben derzeit mehr als 600 Flüchtlinge in den
Städten Ben Gardane und Medenine. Nach Schließung des Camps haben
tunesische Behörden ihre Bereitschaft erklärt, etwa 250 Flüchtlingen eine
vorläufige Aufenthaltserlaubnis auszustellen, die bisher nicht im Rahmen
eines Resettlement-Programms von anderen Ländern aufgenommen werden
konnten. Im Zuge einer globalen Resettlement-Initiative, die 2011 ins Leben
gerufen wurde, konnten bisher mehr als 3.000 Flüchtlinge in anderen Ländern wie den USA, Norwegen oder Schweden neu angesiedelt werden.
Sichere Versorgung und Bildungsmöglichkeiten
In den Städten ist die gesundheitliche Versorgung der Flüchtlinge sowie
der Zugang zu Bildung sicher gestellt. Von der UNHCR-Partnerorganisation, dem Tunesischen Roten Halbmond, erhalten sie außerdem einen finanziellen Umsiedlungszuschuss sowie Hilfe bei der Wohnungssuche. Darüber
hinaus können die Flüchtlinge an Sprachkursen und beruflichen Fortbildungen teilnehmen und durch Mikroprojekte für ein eigenes Einkommen
sorgen.
Der libysche Bürgerkrieg 2011 löste eine massive Bewegung von Flüchtlingen nach Südtunesien aus. Über einen Zeitraum von sechs Monaten suchten
damals geschätzte eine Million Menschen Schutz in dieser Region, 200.000
von ihnen stammten dabei nicht aus Libyen.
Seit das Camp Choucha 2011 eröffnet wurde, suchte UNHCR nach
Lösungen für die hohe Anzahl an Flüchtlingen. Am Höhepunkt der Krise
gab es täglich bis zu 18.000 Neuankömmlinge. Die Mehrheit ist mittlerweile
wieder in ihre Heimatländer zurückgekehrt.
Tunesien leitet erste Schritte zu befristeter Aufenthaltserlaubnis ein
UNHCR setzt sich weiterhin für eine Anerkennung des rechtlich legalen
Status für Flüchtlinge in Tunesien ein. Dabei begrüßt UNHCR die ersten
Schritte der tunesischen Regierung, wie den uneingeschränkten Zugang zum
nationalen Gesundheits- und Bildungssystem. Als erste Maßnahme für die
Ausstellung zeitlich befristeter Aufenthaltserlaubnis haben die tunesischen
Behörden damit begonnen, Fingerabdrücke der Flüchtlinge im Süden des
Landes zu nehmen.
Bisher verfügte Tunesien über kein Asylsystem. UNHCR hat bisher über
4.000 Menschen beim Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft
unterstützt. Quelle: UNHCR
10
Foto: UNHCR/ A.Branthwaite
Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen
(United Nations High Commissioner for Refugees, UNHCR) schützt
und unterstützt Flüchtlinge auf der ganzen Welt.
Auf Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951
setzt sich UNHCR weltweit dafür ein, dass Menschen, die von
Verfolgung bedroht sind, in anderen Staaten Asyl erhalten.
Laut seinem Mandat hat UNHCR auch die Aufgabe, dauerhafte
Lösungen für Flüchtlinge zu finden. Dazu gehören die freiwillige
Rückkehr, die Integration im Aufnahmeland oder die Neuansiedlung in einem Drittland. In zahlreichen Ländern betreibt UNHCR
humanitäre Hilfsprogramme für Flüchtlinge, Binnenvertriebene
und Rückkehrer.
UNHCR wurde am 14. Dezember 1950 von der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York gegründet, um den
Flüchtlingen infolge des Zweiten Weltkriegs Hilfe zu leisten. Am 1.
Januar 1951 nahm UNHCR seine Arbeit auf.
Da sich in den folgenden Jahrzehnten die Flüchtlingssituation
weltweit verschärfte, wurde das UNHCR-Mandat zunächst alle
fünf Jahre verlängert. Im Dezember 2003 erhielt UNHCR von der
UN-Vollversammlung ein unbeschränktes Mandat. Heute stehen
36,4 Millionen Menschen unter seinem Schutz.
Seit seiner Gründung hat UNHCR über 50 Millionen Menschen
dabei unterstützt, sich ein neues Leben aufzubauen – eine
Leistung, die 1954 und 1981 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.
Heute sind etwa 45,2 Millionen Menschen weltweit auf
der Flucht; etwa Zweidrittel werden von UNHCR erreicht und
versorgt. UNHCR hilft aber nicht nur Flüchtlingen, sondern auch
Asylsuchenden, Rückkehrern und einem Großteil der etwa 28,8
Millionen Binnenvertriebenen weltweit – das sind Menschen, die
innerhalb ihrer eigenen Länder vertrieben werden.
Foto: UNHCR/ A.Branthwaite
TUNESIEN:
ANGESPANNTER BLICK
NACH ÄGYPTEN
Bewunderung und Angst mischen sich in Tunesien, wenn es um Ägypten geht: Die Regierung
fürchtet, dass auch sie unter Druck geraten könnte, die Opposition schöpft Hoffnung, die Straße
ist gespalten.
E
inige Dutzend Demonstranten versammeln sich Freitagnachmittag vor der streng bewachten ägyptischen
Botschaft in Tunis. Sie sind gekommen, um ihre Unterstützung für den gestürzten Präsidenten Mohamed Mursi zu verkünden. Die meisten sind Ägypter. Doch auch einige Tunesier
fordern den Sturz des Militärs. Mehdi ist einer von ihnen. Er
spricht von einem Staatsstreich.
Doch dass so etwas auch in seinem
Heimatland passieren kann, glaubt
er nicht. „Diese Leute von Tamarrod haben hier nichts verloren. So
Gott will geht alles gut.“ Denn im
Gegensatz zu Ägypten würde in
Tunesien die Legitimität der Wahlen respektiert.
Etwas abseits der Menge beobachtet Grundschullehrer Mohammed die Veranstaltung. Er schüttelt
den Kopf über Leute, die Mursi
noch verteidigen und hofft, dass
die Welle des Aufstands bald nach
Tunesien überschwappt. „Ägypten
hat jetzt seine Revolution gemacht,
denn die erste war ja keine richtige.“
Bald würde es auch in Tunesien
soweit sein, ist er überzeugt. „Der
politische Islam ist gescheitert. Die
Islamisten haben keine politischen Reformen umgesetzt, sind
die Probleme nicht angegangen.“ Jetzt würde die Bevölkerung
aufwachen und merken, dass sich dahinter nur leere Worte
verstecken und sich „Religion nicht essen“ lasse. Mohammed
spricht sich für die klare Trennung von Religion und Staat
aus - wobei die freie Religionsausübung natürlich garantiert
werden müsse.
Marzouki setzt auf Konsens
Unterdessen herrscht bei Ennahdha, der größten Partei der
Regierungskoalition, angespanntes Schweigen. Legitimität
der Urnen ist das Zauberwort - auch wenn die in Ägypten
wenig geholfen hat. Gebetsmühlenartig verurteilen die Mitglieder der Regierung die Vorkommnisse und versichern,
dass dies im Mutterland des sogenannten Arabischen Frühlings nie so weit kommen wird, allen voran Staatspräsident
Moncef Marzouki beim Besuch seines französischen Amtskollegen Francois Hollande. „Ich hatte mir gewünscht, dass
die Ägypter zu einem politischen Konsens kommen“, sagt er.
Das Einschreiten der Armee verurteilt er.
„In Tunesien dürfen wir uns nicht durch die Ideologie spalten lassen. Die sogenannten Islamisten und Laizisten müssen
zu einem politischen Konsens finden“, versucht der Präsident
zu beschwichtigen. „Wir sind jederzeit offen für einen Dialog“,
betont er, und kündigt für das nächste halbe Jahr die Verabschiedung der Verfassung und Wahlen an.
Einheitsregierung als Lösung für Tunesien?
Unterdessen bekommen die tunesischen Oppositionsparteien durch die Vorkommnisse in Ägypten Oberwasser. Sie
fordern deutlicher als zuvor einen politischen Kurswechsel.
Staatspräsident Moncef Marzouki hier in München
Foto: Abdelwaheb Bouazizi
Nida‘ Tounes, die Sammlungsbewegung um den 86-jährigen
ehemaligen Übergangs-Premierminister Beji Caid Essebsi,
verteidigt die Absetzung Mursis und fordert die Auflösung
der Verfassungsgebenden Versammlung. Die ist seit den
Wahlen im Oktober 2011 im Amt und sollte eigentlich
innerhalb eines Jahres eine neue Verfassung für den ZehnMillionen-Einwohnerstaat schreiben.
Auch die Volksfront, ein Zusammenschluss linker und
kommunistischer Parteien, fordert die Absetzung der Abgeordneten an der Regierung. Die nach Umfrageergebnissen
derzeit drittstärkste politische Kraft Tunesiens hält die Machtübernahme durch das ägyptische Militär für gerechtfertigt
und betont, dass auch die tunesische Regierungskoalition
Ennahdha die Ziele der Revolution verraten habe. Um jetzt
möglichst schnell zu handfesten Ergebnissen zu kommen, solle eine Expertenkommission die Verfassung zu Ende schreiben und eine nationale Einheitsregierung das Land möglichst
schnell aus der Krise führen.
Quelle: Deutsche Welle dw.de
11
DTG Präsidium
traf tunesisches
Studentenwerk
Zum Abschluss der Präsidiumssitzung der
Deutsch-Tunesischen Gesellschaft e.V. am 8. Juni
2013 im Spracheninstitut der Ruhr-Universität Bochum begrüßten die Sitzungsteilnehmer eine
fünfköpfige Delegation der Studentenwerke Tunesiens.
D
ie Delegation bestehend aus Frau Samia Trabelsi,
Directrice Générale des Bâtiments et des Equipements,
Herr Abdallah Smaili, Conseiller auprès de M. Le Ministre,
Herr Abderrahman Chalbi, Directeur Général de l‘Office
des Oeuvres Universitaires du Nord, Herr Mounir Abid,
Directeur Général de l‘Office des Oeuvres Universitaires
du Centre, Herr Hamed Chaabouni, Directeur Général de
l‘Office des Oeuvres Universitaires du Sud, war für eine Woche auf Arbeits-Visite an der Ruhr Universität Bochum.
Das Hauptinteresse der tunesischen Besucher galt der
Struktur und Produktionsweise der gastronomischen Einrichtungen des Akademischen Förderungswerkes (AKAFÖ),
besonders der großen Mensa der Bochumer Ruhr-Universität.
Die Tunesier planen derzeit die Einführung von Ressourcen
sparenden Zentralküchen, von denen aus die verschiedenen
Standorte der Studentenwerke beliefert werden können. Seit
2010 ist das Akademische Förderungswerk (AKAFÖ) mit den
tunesischen Studentenwerken durch einen Partnerschaftsvertrag verbunden.
Neben dem Austausch von Kulturgruppen und Mitarbeitern der Studentenwerke soll vor allem der akademische
Austausch der Studierenden forciert werden. Um dies umzusetzen wurden bereits viele Gespräche geführt und wichtige
Institutionen an der Ausgestaltung beteiligt.
Die Geschäftsführer der zwei tunesischen Studentenwerke
Süd und Mitte informierten zudem über Sprachdörfer in
Mahdia für Italienisch und Spanisch. Erstmalig wollen sie
eine Sprachdorf für Deutsch durchführen.
Es sei besser Sprachlehrer oder deutsche Studenten ins
Land zu holen und in Sprachdörfern die deutsche Sprache
zu verbessern, als viele Studierende ins Ausland zu schicken,
erläuterten sie den DTG-Mitgliedern. Der nächste Workshop
in einem Sprachdorf fand vom 14. bis 28. August 2013 auf
Djerba statt. In dieser Zeit darf von den Teilnehmern kein
einziges Wort in arabisch gesprochen werden. Dazu worden 5
Studierende nebens eine AKAFÖ Delegation eingeladen.
Zur Überraschung und großen Freude aller Teilnehmer
präsentierte AKAFÖ-Abteilungsleiter für Soziales und
Internationales Abraham van Veen mit dem DTG Vizepräsident und AKAFÖ-Gastronomieleiter Ezzedine Zerria im
Führung durch den
Produktionsbereich
der RUB-Mensa
12
AKAFÖ-Abteilungsleiter für Soziales und Internationales Abraham van Veen (re) mit dem DTG Vizepräsidenten und AKAFÖGastronomieleiter Ezzedine Zerria
Anschluss einen gelungenen kulinarischen Grillabend. Beste
Gelegenheit um die vielen Anregungen zur gemeinsamen
Zusammenarbeit noch weiter zu vertiefen.
Das umfangreiche Besuchsprogramm der tunesischen Delegation, der neben den Studentenwerks-Geschäftsführern eine
Repräsentantin des tunesischen Bauministeriums sowie ein
Berater des tunesischen Wissenschaftsministeriums angehörten, beinhaltete neben den Gastronomiebetrieben zahlreiche
weitere Einrichtungen des AKAFÖ – von der Behindertenberatung über die Kindertagesstätten bis hin zum BAföG-Amt.
Ihre Tour führte sie aber auch zu Landmarken regionaler
Kultur wie der Zeche Zollverein in Essen, der Bochumer Jahrhunderthalle und dem Freilichtmuseum Hagen. Die gesamte
Woche war von regem und fruchtbarem Austausch beider
Seiten geprägt, die Beziehung der internationalen Partner zueinander wurde nachhaltig gefestigt. Bei ihrer Abreise luden
die Tunesier ihrerseits Vertreter des AKAFÖ zu einem Besuch
der tunesischen Studentenwerke ein.
Detlef Mai
Fotos: Ezzedine Zerria
Die Studentenwerke
Zu den Aufgaben der Studentenwerke gehören die Verpflegung der Studierenden, die Versorgung mit Wohnraum, Studienfinanzierung, Kinderbetreuung, soziale
Beratung sowie kulturelle Aktivitäten.
In vielen anderen Ländern werden diese Dienstleistungen von den Hochschulen selbst oder von Studierendenvereinigungen angeboten. Die deutschen Studentenwerke sind jedoch von den Hochschulen unabhängig und
rechtlich selbständig. Viele Studentenwerke sind wie das
Akademische Förderungswerk (AKAFÖ) für mehrere
Hochschulen an verschiedenen Standorten zuständig.
Tunesien hat ca. 11 Mio Einwohner, davon sind ca.
370.000 Studierende, ein Drittel des Gesamthaushaltes
wird in Bildung investiert. Es gibt insgesamt drei Studentenwerke, im Norden (OOUN – Office des Oeuvres
Universitaires pour le Nord), Zentrum (OOUC) und im
Süden (OOUS). Die Studentenwerke in Tunesien sind
zuständig für die Verpflegung und Finanzierung der
Studierenden, die Bereitstellung von günstigem Wohnraum und die soziale und kulturelle Betreuung. Dies
deckt sich mit den Zuständigkeiten der deutschen Studentenwerke. An den Bochumer Hochschulen studieren
derzeit rund 50 Tunesier, ein Ziel der Partnerschaft ist,
diese Zahl mittelfristig zu erhöhen. Zu den weiteren
Perspektiven sind unter anderem ein Austausch von tunesischen und deutschen Studierenden zum arabischen
bzw. deutschen Spracherwerb und ein Austausch von
Mensa-Köchen im Gespräch.
Eine lebendige Geschichte mit Zukunft
-oder wie nähert man sich Tunesien?
Verzeihen Sie meine Damen und Herren, dass ich mich jungfreulich dem Thema
Tunesien genähert habe, ohne es beabsichtigt zu haben. Aber beginnen wir die
Geschichte von vorn zu berichten.
Ich wohne auf der Insel Usedom, im Nordosten Deutschlands, in den Kaiserbädern (Ahlbeck, Heringsdorf, Bansin) und nehme beruflich am touristischen Geschen meines Heimatortes und der Region aufmerksam teil. Deshalb fiel mir im
vergangen Jahr eine Meldung auf, dass der tunesische Botschafter die Insel besuchte. Damals eine für mich völlig uninteressante Information.
Im September 2012 führte mich der Weg nach Münster zu einer pädagogischen
Konferenz zum Thema der Nachhaltigkeit in den Ernährungsberufen. Für mich
als Leiter des Fachausschusses Aus- und Weiterbildung im Verband der Köche
Deutschlands (VKD www.vkd.de ) ein bedeutsames Thema. Nicht nur für mich,
sondern auch für Herrn Ezzedine Zerria, Leiter Gastronomiebetriebe des Studentenwerkes (www.akafoe.de), ein gastronomischer Großbetrieb. Ein Verpflegungs- und Kulturbetrieb, der mich aus der Sicht der Gemeinschaftsverpflegung
brennend interessierte. Aus diesem Treffen ergaben sich für mich logischer Weise
drei Ansatzpunkte:
• Den Leiter der Verpflegungsbetriebe, Herrn Zerria, für die Entwicklung unseres neuen Studiengangs Verpflegungsmanagement für die Hochschule Baltic College zu gewinnen,
• Ihn für die sich entwickelnde Partnerschaft der Insel Usedom mit der Insel
Djerba zu erwärmen und
• uns bei der Suche einer artverwandten Universität / Hochschule mit einem
touristischen Studiengang zu unterstützen.
Interessante Gedanken, prospektive Chancen und realistische Zukunftspotentiale.
Genau dieses Potential wurde von Herrn Zerria als Leiter der Campusgastronomie als verbindendes Element aufgegriffen, weil Deutschland eine Vorreiterrolle
in Europa einnimmt, er das lebendige praktische B eispiel vertritt und das Wissen
transportierbar ist.
Dem folgte die Einladung des geschäftsführenden Vizepräsidenten der Deutsch-Tunesischen-Gesellschaft, Herrn Zerria, zur nächsten Präsidiumssitzung der DTG am
08.06.2013, an der ich teilnahm, aber auch drei Vertreter von Studentenwerken tunesischer Hochschulen und aus dem Bildungsministerium selbst. (B esonders überraschend war dabei für mich die Leistungsfähigkeit des von ihm geführten B etriebes für die Studentenschaft.) Ergebnis dieser B eratung war der Start in eine
bilaterale substanziell begründete Zusammenarbeit auf die sich beide Partner
freuen.
Aber das B esondere ergab sich beim Visitenkartentausch mit den Präsidiumsmitgliedern. Welch Überraschung, als mir der Vizepräsident der DTG, Prof. Dr. Dr.
h.c. Ralf Reichwald, seine Karte überreichte und ich das Logo meiner alten Universität erkannte, meine studentische und geistige Heimat, die Handelshochschule
Leipzig (HHL). Das ist in diesem Zusammenhang von Relevanz, denn die HHL begründete die wissenschaftliche Arbeit für die Gemeinschaftsverpflegung in
Deutschland.
All das passierte mir bei der Deutsch-Tunesischen-Gesellschaft.
Was soll ich da tun? –
Weitermachen.
Prof. Dr. Gerald Wetzel
Studiengangsleiter Hotel- und Tourismusmanagement
Leiter des International Institute für Hospitality
13
DEMOKRATIE ALS HERAUSFORDERUNG
Interview mit DTG Mitglied Werner Pösken
Unser Mitglied der Deutsch-Tunesischen Gesellschaft, Werner Pösken, lebt seit 19 Jahren auf der
Sonneninsel Djerba. Ezzedine Zerria, ein „echter“
Djerbianer und seit 1986 in Deutschland, traf
Werner Pösken (76) im Aldiana Djerba Atlantide
zu einem Gespräch zur Situation in Tunesien.
Was hat Sie damals bewogen, ausgerechnet nach Djerba in eine Arabische und Islamische Welt auszuwandern?
Pösken: Ein Neubeginn auf einer Sonneninsel in einer uns bis
dahin unbekannten Kultur erschien meiner Frau und mir
sehr reizvoll. Wir besprachen uns auch mit unseren Kindern
und fanden bei ihnen uneingeschränkte Zustimmung. Wir
holten an unterschiedlichsten Stellen viele Informationen ein
und entschlossen uns zu einem dreiwöchigen Urlaub auf
Djerba. Wir waren uns einig: wenn wir beide innerhalb der
ersten drei Tage gemeinsam und ohne Rücksichtnahme auf
den anderen zu der Überzeugung kommen: „ja, wir wollen“,
dann wagen wir es, und zwar sofort. Im Dezember 1994 zogen wir in das nach eigenen Plänen erbaute Haus: es war unser 16. Umzug. Theodor Fontane sagt: „Manchem glückt es,
überall ein Idyll zu finden, und wenn er es nicht findet,
schafft er es sich.“ - Genau das haben wir erreicht!
Sie haben als sogenannter „Ausländer“ freiwillig in einem
Land unter einem autoritären Regime gelebt. Fühlten Sie
sich als Deutscher, der in einem demokratischen Land aufgewachsen ist, trotzdem wohl in Tunesien?
Pösken: Ja, ich fühlte und fühle mich immer noch sehr wohl.
Abgesehen von normalen bürokratischen Vorgängen wurden
wir nicht als Ausländer behandelt sondern als Gäste. Ein wesentlicher Grund ist wohl, dass wir nicht nur Gastrechte genießen wollen, sondern noch wichtiger erscheint uns, dass
wir als Gast eines Landes auch Verpflichtungen haben. Dazu
gehören u. a. Respekt vor der anderen Religion, Beachten der
Gesetze und traditioneller Gepflogenheiten. Außerdem engagieren wir uns in verschiedenen sozialen Bereichen.
Das Regime, unter dem wir lebten, war „autoritär“, ja.
Aber das machte sich für uns im täglichen Leben kaum
bemerkbar. Die Polizeipräsenz gab uns Sicherheit; Abhören
von Telefonaten und Kontrolle von Emails waren für mich
nichts Neues und störte mich kaum, denn wir hatten nichts
zu verbergen. Ohne die autoritäre Führung, die eine schmale
Gratwanderung zwischen Öffnung zu Europa und Beachten
von religiösen Traditionen vollbrachte, wären die gewaltigen
Veränderungen, die in Tunesien erreicht wurden, in diesem
großen Umfang nicht möglich gewesen.
Ausgelöst durch die Selbstverbrennung von Mohammed Buazizis erlebte Tunesien im Januar 2011 einen wie noch nie zuvor bekannten Ruf nach Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit. Im ganzen Land schlossen sich junge Menschen, Rechtsanwälte, Oppositionelle und vor allem Frauen den Protestbe-
14
wegungen gegen den früheren Präsidenten Zine el-Abidine
Ben Ali an. Haben Sie diesen gesellschaftlichen Protest in den
Vorjahren auf Djerba überhaupt vorhersehen können?
Pösken: Nein, das habe ich nicht vorhersehen können –
ebenso wenig wie die meisten anderen in diesem Land. Sehr
wohl war ich aber der Überzeugung, dass ich wegen der
schnell vorangehenden Entwicklung und Öffnung dieses
Landes einen Wandel zu mehr Demokratie und persönlicher
Freiheit noch erleben könnte. Der Präsident hätte das Ohr
mehr am Mund seines Volkes haben müssen.
Auch wenn man meint, dies könnte auch von einigen der
politischen Nachfolger gesagt werden: das tunesische Volk ist
nun so weit, dass es nicht mehr bereit ist, den Ruf nach Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit ungehört und unbeachtet
verklingen zu lassen. Hierbei sehen wir vor allem den nach
vorne gerichteten, zuversichtlichen und kraftvollen Einsatz
der Frauen.
Wenn Sie die letzten Wochen und Monate vorüber ziehen
lassen mit einer ständig wechselnden Interims Regierung, einer verfassungsgebenden Versammlung, die mittlerweile zwei
Jahre existiert und mit keinem erkennbaren Ende am Horizont, steht da der demokratische Prozess in Tunesien vor
dem Scheitern, Herr Pösken?
Pösken: Nein, ich bin nicht der Auffassung, dass der demokratische Prozess vor dem Scheitern steht. Allerdings halte
ich ein Scheitern dann für sicher, wenn es nicht sehr bald zu
einer neuen Verfassung kommt, in der die Trennung von
Staat und Religion, die Gewaltenteilung und die Wahrung
der Menschenrechte tragende Säulen sein werden.
Ja, richtig ist, dass diese Neufindung leider schon sehr
lange dauert, aber man hatte vielleicht zunächst weniger
geeignete Leute mit ins Boot genommen. Gottvertrauen und
Gläubigkeit dürfen nicht zu der Auffassung führen, dass Gott
dem Menschen seinen freien Willen genommen hat und ihn
entbindet von der Verantwortung für ein Leben in Freiheit
und Selbstbestimmung.
„...Überzeugt von der Sehnsucht der Tunesier nach Freiheit - ihrer Kraft, sich von
den Fesseln der Vergangenheit und den Zwängen religiöser Fanatiker zu befreien....“
Hannelore und Werner Pösken fühlen sich
wohl in ihrem nach eigenen Plänen gebauten Haus auf der SonnenInsel Djerba.
Was müsste Ihrer Meinung nach geschehen, damit in Tunesien endlich Hoffnung einkehrt und der demokratische Prozess nicht zum Erliegen kommt?
Pösken: Es muss sehr bald zu einer neuen Verfassung kommen. Der Einzelne hat auch zu beachten, dass seine persönliche Freiheit dort endet wo die Freiheit des Anderen beginnt.
Hier ist vor allem Erziehungs- und Bildungsarbeit gefordert.
Wenn letztere sich jedoch erschöpft in einer repetitiven Wissensvermittlung, bei der nur auswendig zu lernen und zu
wiederholen ist, bei der Kritik, Hinterfragen und eigenes Urteilsvermögen unerwünscht sind, so hat die Entwicklung von
Demokratie keine Chance. Und ebenso wenig würden junge
Menschen ermutigt und befähigt zu Kreativität, zum Engagement für Neues, zur Entdeckung noch unbekannter Wege, zu
mehr Selbstständigkeit und zu Mitverantwortung.
Demokratiefähigkeit muss auch auf dem Gebiet der Religion hergestellt werden. Monotheistische Religionen und
Demokratie schließen sich nicht gegenseitig aus - doch neigen
sie alle zu Fanatismus. Dieser gedeiht besonders auf dem
Boden sozialer Ungerechtigkeit und Armut.
Es werden Maßnahmen erwartet, die die Arbeitslosigkeit
reduzieren, den Wohlstand mehren und die Rechtssicherheit
stärken.
Aber auch hier gilt: Verantwortung ist nicht nur auf Regierungsebene erforderlich. Mitverantwortung an einem möglichen Misslingen der Revolution trägt auch jener Bürger, der
sein Wahlrecht nicht nutzt, der die noch nicht volle Einsatzfähigkeit von Polizei, sowie von Ordnungs- und Bauämtern zu
seinem eigenen Vorteil missbraucht.
Welche Konstellation müsste in Tunesien eintreten, dass Sie
ihre damalige Entscheidung für Djerba bereuen würden?
Pösken: Es gibt nichts zu bereuen. Mit meiner verstorbenen
Frau habe ich 17 glückliche Jahre auf dieser Insel verbracht.
Auch meine jetzige Frau und ich sind glücklich in unserer
zweiten Heimat. Für uns war und ist es die größtmögliche
Chance, gemeinsam und ohne Fremdbestimmung ein erfüll-
tes Leben zu führen. Das ist uns hier gelungen; wir sind sehr
fröhlich und glücklich, uns ist es noch nie so gut gegangen.
Wie sagte schon good old Goethe: „Ich lebe im Anschauen.
Dabei sind mir tausend Lichter aufgegangen.“
Allerdings ist es fraglich, ob wir hier noch leben können
und möchten, wenn dieses Land sich extremistischen Lebensweisen zuwendet, die uns ins Mittelalter zurückversetzen
würden. Aber davon gehen wir nicht aus.
Herr Werner Pösken, Sie befinden sich nun seit 1994 in Tunesien. Was gefällt Ihnen besonders an Land und Leuten?
Und welche Erfahrungen nehmen Sie für sich aus der erlebten Geschichte Tunesiens mit?
Pösken: Hier war meine erste Begegnung mit dem Islam. Eine Welt ohne Islam kann und möchte ich mir nicht vorstellen. Aber er muss sich wandeln und er muss dazu beitragen,
in der heutigen Zeit das Leben der Gläubigen lebenswerter
machen. Er darf nicht über das Vehikel Politik versuchen,
weltliche Macht zu erreichen und Gewalt auszuüben auf die
Bürger eines Staates – weder geistlich, noch geistig noch juristisch. Zur Freiheit eines Menschen gehört auch die Freiheit
über seinen Glauben.
Ich beurteile meine Mitmenschen nicht nach ihrem Glauben sondern nach ihrem Handeln. Mit rückwärtsgewandtem
Blick kann man die Zukunft nicht bewältigen. Aber der gelegentliche Blick zurück kann helfen, den Weg nach vorne zu
finden und mutiger zu gehen, um die Zukunft zu gestalten.
Ich bin überzeugt von der Sehnsucht der Tunesier nach
Freiheit - ihrer Bereitschaft, mit dem Rest der Welt in Frieden
zu leben, ohne sie missionieren zu wollen - ihrem Willen, ihre
Zukunft neu, offener, selbstbewusster, toleranter und menschenwürdiger zu gestalten - ihrer Kraft, sich von den Fesseln
der Vergangenheit und den Zwängen religiöser Fanatiker zu
befreien.
Herr Werner Pösken, vielen Dank für das Interview!
15
Transfer
deutscher
Bildungsdienstleistungen
nach Tunesien
Brückenschlag zwischen den Anforderungen und
Bedürfnissen der deutschen Wirtschaft und der
tunesischen Industrie
T
rotz eines vergleichsweise hohen Bildungsniveaus
stellen in Tunesien produzierende Unternehmen
ernstzunehmende Qualitätsunterschiede in der Facharbeiterausbildung im Vergleich zu Deutschland fest. Diese
Herausforderung greift nun das Forschungs- und Entwicklungsprojekt „BRIDGE – Beruf und Bildung in Tunesien“ auf.
Vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
gefördert, setzt es am bestehenden Weiterbildungsbedarf bei
Auszubildenden, Facharbeitern und Führungskräften in der
tunesischen Automobil-Zulieferindustrie an. Für den Transfer von deutschen Bildungsdienstleistungen soll durch die
Konzipierung und Umsetzung von Präsenzveranstaltungen,
Selbstlernen und einer Web-2.0-Plattform als sogenannter
Remote Service eine Brücke zwischen den Anforderungen
und Bedürfnissen der deutschen Wirtschaft und der tunesischen Industrie geschlagen werden. In den vergangenen
Monaten konnten so bereits 32 Vorarbeiter und 11 Techniker
des deutschen Automobilzulieferers Marquardt GmbH in
Tunesien weiterqualifiziert werden. Die Tunesier erhielten
in diesem Zusammenhang Weiterbildungsangebote in den
Bereichen Führungsaufgaben, Unternehmensorganisation
und Fachseminare zur Kunststoffverarbeitung.
16
Remote Service der Bildungsdienstleistungen steigert Effizienz und spart Kosten
Projektleiter Prof. Dr. Ralf Reichwald, Direktor des Center
for Leading Innovation & Cooperation (CLIC) an der HHL
Leipzig Graduate School of Managmement, kommentiert:
„Ein Ziel des BRIDGE-Projektes ist der Export deutscher
Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen per sogenanntem
Remote Service nach Tunesien. Der ‘Fern-Service‘ mit Hilfe
des Internets erfolgt über eine kollaborative E-Learning-Plattform. Das hat Vorteile, da Bildungsdienstleistungen effizient
und damit kostensparend am tunesischen Markt angeboten
werden können. Im Projekt-Verlauf werden nach der Erstschulung bei dem Automobilzulieferer Marquardt Tunesien
vor Ort weiterführende Lernelemente der Qualifizierung
über die internetbasierte E-Learning-Plattform bereitgestellt.
Videosequenzen aus den Seminaren sollen als Anschauungsmaterial eingesetzt werden. Die Seminarteilnehmer können
dort Lerninhalte wiederholen und vertiefen.“ Prof. Reichwald,
der durch seine langjährige Tätigkeit als Honorarprofessor an
der Universtité de Tunis E (ENIT) als Tunesien-Experte gilt,
sagt weiter: „Tunesien spielt durch seine geografische Nähe zu
Europa und die vergleichsweise hohe Produktivität innerhalb
der Maghreb-Region als Produktionsstandort eine wichtige
Rolle für die deutsche Wirtschaft. Durch den vom Projekt
BRIDGE als Pilotprojekt realisierten Transfer deutscher
Bildungsdienstleistungen nach Tunesien wird diese Partnerschaft gestärkt.“
vZum Projektkonsortium des Projekts
„BRIDGE gehören neben der HHL
Leipzig Graduate School of Management,
die Universität Leipzig, das Kunststoffzentrum SKZ – ToP gGmbH, Würzburg,
sowie das Bildungswerk der BadenWürttembergischen Wirtschaft e. V. Die
Projektpartner in Tunesien sind die Marquardt GmbH Tunesien, die Mediterranean School of Business (MSB) sowie das
tunesische Ministerium für Arbeit und
berufliche Ausbildung (Ministère de La
Formation Professionnelle et de l’Emploi,
MFPE). http://clicresearch.org/bridge/
zu den zentralen Herausforderungen
des 21. Jahrhunderts. Das Center for
Leading Innovation & Cooperation
(CLIC) unterstützt Unternehmen
dabei, diese Herausforderungen
zu meistern - durch die gemeinsame Gestaltung und Verbesserung
maßgeschneiderter Erfolgsstrategien.
In einer Welt, in der radikale Innovationen und grenzüberschreitende
Kooperationen zunehmend zur Norm
werden, ist die Zusammenarbeit von
Wissenschaft und Praxis zwingend
geboten. Sie trägt dazu bei, die Innovationsfähigkeit in Unternehmen und
Märkten zu stärken. CLIC ist eine
gemeinsame Initiative von Wissenschaftlern des Advanced Institute of
Management Research (AIM), der
Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg (FAU), der HHL
Leipzig Graduate School of Management sowie der Technischen Universität München (TUM)
mit Sitz an der HHL und einem weltweiten Partnernetzwerk
aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. Die Professoren Anne Sigismund Huff, Kathrin M. Möslein und Ralf
Reichwald sowie Dr. Hagen Habicht bilden das Direktorium
von CLIC. www.clicresearch.org
HHL Leipzig Graduate School of Management
Die HHL ist eine universitäre Hochschule und zählt zu den
führenden internationalen Business Schools. Ziel der ältesten
betriebswirtschaftlichen Fakultät im deutschsprachigen Raum
ist die Ausbildung leistungsfähiger, verantwortungsbewusster
und unternehmerisch denkender Führungspersönlichkeiten.
Neben der internationalen Ausrichtung spielt die Verknüpfung von Theorie und Praxis eine herausragende Rolle. Die
HHL zeichnet sich aus durch exzellente Forschung, Lehre und
Transfer sowie hervorragenden Service für ihre Studierenden.
Fotos / Quelle: HHL Leipzig Graduate School of Management
Center for Leading Innovation &
Cooperation (CLIC)
Die Zukunft gehört Wertschöpfungsmodellen, die auf Innovation und Kooperation basieren. Ihr Management gehört
17
TALENT RECRUIDER
DTG Mitglied Michael Hoffmann
vermittelt tunesische Fachkräfte
nach Deutschland
Jobs, Jobs, und nochmal Jobs werden gebraucht, um den
schwierigen Aufbruch von Tunesien in Richtung von mehr
Beteiligung, mehr Demokratie und sozialer Gerechtigkeit
zu befördern. In Deutschland haben wir einen sehr großen
Bedarf an gut ausgebildeten Fachkräften aus technischen
Bereichen, während diese Fachkräfte in Tunesien oftmals
keine Arbeit finden. Was liegt da näher, als diesen zu ermöglichen, ihr Wissen in einem deutschen Unternehmen
einzubringen und zugleich Berufserfahrung und Schlüsselkompetenzen zu erwerben, die sie danach in ihrer Heimat
einbringen können.
Unser Mitglied der Deutsch-Tunesischen Gesellschaft,
Michael Hoffmann, ist „Talent Recruiter“ und in den Bereichen Maschinenbau, Wissenschaft & High-Technologie und
Internet spezialisiert.
A
ls er dieses Jahr im April in Tunis war und dort
von der hohen Arbeitslosigkeit hörte, die trotz
des hohen Bildungsstands in Tunesien herrscht, war
für den 29jährigen Wahl-Berliner und Jungunternehmer sofort klar, wie seine Selbstständigkeit aussehen
sollte: Fachkräfte aus technischen Bereichen aus
Tunesien nach Deutschland vermitteln, gerade vor
dem Hintergrund des dort herrschenden Fachkräftemangels.
Durch sein bereits gutes Netzwerk in Tunesien
fand Michael Hoffmann sehr gute und zuverlässige
Geschäftspartner für dieses Vorhaben, und veröffentlichte in Zusammenarbeit mit ihnen schon bald die
erste Stellenausschreibung für ein mittelständisches
Unternehmen aus dem Schwarzwald.
Die Firma suchte nach erfahrenen Elektroingenieuren für die Speicherprogrammierbare Steuerung
(SPS-Programmierung) mit mindestens zwei Jahren
Arbeitserfahrung. Die Resonanz und Anzahl an
Bewerbungen darauf war beeindruckend! Durch
mehrere Bewerbungsrunden und Tests, darunter
Englisch-, Intelligenz- und Fachbereichsprüfungen,
„filterten wir die besten Bewerber aus einer sehr
großen Anzahl heraus“, erzählte Talent Recruiter
Hoffmann. Die Top 3 stellte er dann dem Unternehmen vor, das schwer beeindruckt davon war, „was
Bewerber aus einem afrikanischen Land alles draufhaben können“!
Den ersten Berührungspunkt mit Tunesien hatte
18
Michael Hoffmann 2004, als er mit seiner damaligen
Freundin einen Urlaub in Hammamet verbrachte. Sie
besuchten den Basar in Sousse und die Oase in Douz,
und übernachteten eine Nacht in einem Wüstenhotel
in der Sahara. Später, während seiner Studienzeit
in Freiburg hatte er viele tunesische Freunde, die
ihm Stück für Stück ihre Kultur näher brachten.
Nach dem Studium und zwei weiteren Stationen in
Berlin, war der Weg nach Tunesien für ihn schlüssig und einfach. „Als Volkswirt glaube ich an das
Wirtschaftswachstum in Afrika im Allgemeinen und
bin der Meinung, dass Tunesien aufgrund seiner
geografischen Lage, seiner guten Infrastruktur und
seinem hohen Bildungsstandard innerhalb Afrikas
wirtschaftlich eine besondere Rolle einnehmen wird“,
so der 29jährige Unternehmer.
Mitglied in der DTG wurde Michael Hoffmann im
Frühjahr 2013, als er auf einer Geschäftsreise nach
Tunesien dort den Präsidenten der DTG, Werner
Böckle, traf. Mit Hilfe der DTG wurden Treffen mit
wichtigen Geschäftsleuten organisiert.
In Zukunft will sein Unternehmen vielen topausgebildeten Tunesiern den Weg nach Deutschland
ebnen, um ihnen in diesen schweren Zeiten eine
Perspektive zu geben. „Ich bin mir sicher, dass dieser
Prozess für beide Länder einen positiven Effekt
haben wird“ hob Hoffmann sein Projekt hervor.
Das Prinzip ist einfach: Tunesier eignen sich sehr
fortgeschrittenes Wissen von deutschen Technolo-
gie-Unternehmen an, das sie später in ihrem eigenen Land
nutzen können, wenn sich die Situation dort verbessert. Wer
in Deutschland bleiben will kann natürlich auch bleiben.
Zudem wird es helfen, den wachsenden Fachkräftemangel in
Deutschland etwas einzudämmen und gerade internationalen
Unternehmen aus kleineren Standorten das Überleben zu
sichern.
Während des gesamten Bewerbungs- und Integrationsprozesses werden die Bewerber „von uns begleitet und unterstützt“. Sein Team arbeitet momentan ein Programm aus, um
die jungen Tunesier von Anfang an möglichst gut in Deutschland zu integrieren und eine langfristig gute Zusammenarbeit
zwischen ihnen und den Unternehmen zu sichern.
Von den bisherigen Kandidaten, darunter Doktoren und
ehemalige Jugend-Profisportler, ist Hoffmann restlos überzeugt und sicher, dass sie ihren Weg auch in Deutschland
gehen werden. Durch ihren kulturellen Hintergrund und ihre
Mehrsprachigkeit fungieren diese tunesischen Fachkräfte
auch als Brückenbauer zwischen europäischer und arabischer
Welt.
HIRE beschäftigt sich mit dem Recruiting, der Evaluation und dem
Placement von Kandidaten der hart
umkämpften Fachgebiete – Bereiche,
in denen andere Personalvermittler
und ihre Kandidaten versagen oder
zu teuer geworden sind. Ihr Ziel ist
es, großartige Unternehmen und
hochqualifizierte Kandidaten zusammenzubringen – um gemeinsam und
langfristig gute Ergebnisse zu erzielen.
Text: Michael Hoffmann / Detlef Mai
Brücke zwischen Tunesien und
Deutschland bauen
D
ass der Verein der tunesischen Akademiker in
Stuttgart(VTAS) einen wissenschaftlichen Hintergrund
hat, ist schon aus der Vereinssatzung leicht zu erkennen. Der
Verein sei apolitisch und überkonfessionell, wolle eine wissenschaftliche Brücke zwischen Tunesien und Deutschland
bauen und kulturellen Austausch fördern, erklärt der Vorsitzende Houssem Ben Abderrahman. Dabei werde der Verein
von der Uni, aber auch vom Kulturamt unterstützt, etwa bei
Fotoausstellungen im Rathaus oder bei Lesungen.
1995 sei der Studentenverein in Stuttgart gegründet
worden, „damals waren wir zehn, zwölf tunesische Studenten“. Nach der tunesischen Revolution 2011 seien es mehr
geworden, „da hat man sein Herkunftsland stärker wahrgenommen“, sagt Abderrahman, der nach seinem Informatikstudium hier geblieben ist und eine Familie gegründet hat.
„Wenn jemand sich in seiner eigenen Kultur wohlfühlt, ist
er ein guter Kandidat für die Integration.“ Doch der Verein
veranstalte auch Workshops zum wissenschaftlichen Programmieren, sagt er schmunzelnd. Wohl wissend, dass schon
dies als Verdachtsmoment interpretiert werden könnte. „Mit
Sorge“ beobachten er und seine Landsleute, dass in Tunesien
die Salafisten öffentlich präsent seien.
Das Gros der Vereinsmitglieder sind Studenten der Luftund Raumfahrttechnik, aber auch Kybernetiker, Maschinenbauer oder Informatiker sind vertreten. Ein Drittel der Organisation besteht aus ehemaligen Studierenden. Der Großteil
der Mitglieder ist nach dem Abitur über ein Förderprogramm
der tunesischen Regierung nach Deutschland gekommen. Auf
diese Weise fangen jedes Jahr mindestens zehn Tunesier ihr
Studium in Vaihingen an.
Die Aktivitäten des Vereins gliedern sich grob in 3 Bereiche: Wissenschaftliche und akademische Aktivitäten, wie die
Organisation und Durchführung von Seminaren und Workshops oder die Teilnahme bei Robotik-Wettbewerben mit
einem von den Mitgliedern entwickelten Roboter (Stichwort
Robotas). Sportliche Aktivitäten nach dem Motto „ein gesun-
der Geist in einem gesunden Körper“: In diesem Zusammenhang wird jährlich ein Fußballturnier (VtAS-Cup) organisiert,
wobei Mannschaften aus diversen Kulturkreisen teilnehmen.
Kulturelle und soziale Aktivitäten, wie die Organisation eines
tunesischen Kulturwochenendes um weitere Facetten von
Tunesien zu zeigen. Das diesjährige Programm beinhaltete ein Konzert mit Amine&Hamza Mraihi, Leseabend mit
Amor Ben Hamida, Junior-Forschertag mit Kindgerechten
Experimenten für Kinder zwischen 4 und 8 Jahren und eine
Informationsveranstaltung für neue Studenten. Ebenfalls
unterstützt der Verein die neuen Studenten im Rahmen eines
Mentoring-Programms. Demnächst wird ein Kooperationsprojekt mit einem chilenischen Verein gestartet. Es geht
hierbei um die Stärkunvg der Rolle der Frau in den diversen
Gesellschaften (Tunesien, Chile und Deutschland). Auch ist
der Verein auf den in diesem Jahr selbstentwickelten, virtuellen Ramadankalender sehr
stolz. Dieser sollte als ein
kleiner Beitrag zur Völkerverständigung betrachtet
werden. Der Kalender
informiert interaktiv über
den Monat Ramadan, die
Kultur und Geschichte
Tunesiens, und beinhaltet
aber auch Rezepte und
ein paar unterhaltsame
Anekdoten.
Vorsitzender der VtAS
Houssem Ben Abderrahman
19
AUSWÄRTIGES AMT ENGAGIERT SICH FÜR
BERUFSBILDUNG IN TUNESIEN
Foto: sequa gGmbH
Die Revolution in Tunesien hat das Land tiefgreifend verändert. Eine der
wesentlichen aktuellen Aufgaben ist es, die Wirtschaft und damit die Beschäftigung zu fördern. Deutschland engagiert sich dabei in besonderem
Maße. Im Interview: Jens Plötner, der deutsche Botschafter in Tunesien.
Herr Plötner, warum und wie unterstützt das Auswärtige Amt (AA) Tunesien mit Maßnahmen, die darauf ausgerichtet sind, Beschäftigung zu
fördern?
Deutschland unterstützt den demokratischen Übergang in Tunesien.
Dabei kommt es ganz besonders darauf an, die wirtschaftliche Situation
der Menschen zu verbessern. Die mutigen Tunesier und Tunesierinnen,
deren Proteste die Revolution und den arabischen Frühling auslösten,
forderten von Beginn an nicht nur das Ende der Diktatur. Sie verlangten
vor allen Dingen auch das Recht auf Teilhabe an der Entwicklung ihres
Landes. Die unerträglich gewordene soziale Schieflage war eine wesentliche Triebfeder der Revolution. Nun ist die Diktatur gefallen und das
Land, trotz aller Schwierigkeiten insgesamt auf einem guten Weg. Doch
eine Revolution, wir Deutsche wissen das selbst sehr genau, bedeutet
noch keinen wirtschaftlichen Aufschwung. In Tunesien haben in einigen
Regionen weiterhin bis zu 5O Prozent der jungen Menschen keine
Arbeit - eine Zeitbombe für die junge tunesische Demokratie! Es ist deshalb ein Eckpfeiler unserer sogenannten Transformationspartnerschaft
mit Tunesien, die Beschäftigung in dem Land zu fördern.
Was bedeutet das in der Praxis?
Neben den langfristig ausgerichteten Programmen der technischen
und finanziellen Zusammenarbeit hat Tunesien für die Jahre 20l2 und
20l3 bereits mehr als 50 Millionen Euro aus Sonderfonds erhalten. Die
Mittel fließen in mehr als 100 innovative und maßgeschneiderte Projekte. Schnell und effizient umgesetzt machen sie bereits einen fühlbaren
Unterschied für viele Menschen. Unterstützung von Berufsschulzentren,
Fortbildung von Krankenpflegern, Verbesserung der Ausbildung von
Schweißern und Orthopädietechnikern, Weiterqualifizierung von In-
20
Foto: AA
Im Interview:
Jens Plötner, deutscher Botschafter
in Tunesien
genieuren, Vermittlung von deutschen Sprachkenntnissen an
diplomierte Arbeitslose, ein Mentorenprogramm deutscher
Familienunternehmen...
sequa führt alle vom AA finanzierten Vorhaben in Tunesien
mit Berufsbildungs-Profis aus der verfassten deutschen Wirtschaft durch. Wie kommt das auf der tunesischen Seite an?
Der Bedarf an qualitativer Verbesserung und erhöhter
Praxisorientierung der Berufsausbildung ist in Tunesien unübersehbar. Wir hören von vielen Firmen, die händeringend
qualifiziertes Personal suchen. Und das in einem Land, in
dem Abertausende Akademiker, Ingenieure und Facharbeiter
eine Arbeit suchen! Deutschland spielt seit der Revolution
in Tunesien eine sehr engagierte Rolle und genießt hohes
Ansehen. Gerarde unsere Berufsbildung gilt vielen als Modell,
das auch in Tunesien genutzt werden sollte. Sowohl was
technische Ausbildung angeht, als auch hinsichtlich strategischer Beratung wird unsere Expertise hoch geschätzt. Die von
der Bundesregierung geförderten Maßnahmen sind auf eine
schnelle und wirksame Verbesserung der Ausstattung und
Qualität der Berufsbildung ausgelegt. Der gezielte Einsatz von
deutschen Berufsbildungsexperten hat sich dabei bewährt.
Für nachhaltige Veränderungen im Berufsbildungsbereich
sind zwei Jahre eine relativ kurze Zeit. Welche Schritte müssen folgen?
Im Berufsbildungsbereich sind tiefgreifende Reformen notwendig. Unser Engagement ist langfristig ausgerichtet, und
wir stehen bereit für die Unterstützung bei der Verbesserung
der Ausbildungsqualität und einer viel stärkeren Ausrichtung
an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes. All das sind natürlich sehr komplexe, langfristige Reformen. Mit den zunächst
auf zwei Jahre begrenzten Projekten der Transformationspartnerschaft ist es uns aber auch um schnell wirkende Hilfe
gegangen, wie wir sie im Rahmen des Beschäftigungspaktes
leisten. Letztendlich soll das eine im anderen aufgehen und
sich gegenseitig verstärken.
Quelle: sequaForum 2/2013
Praxisorientierte Ausbildung gegen
Arbeitslosigkeit
Tunesische
und deutsche
Stakeholder
kooperieren
im „Beschäftigungspakt
Tunesien“
Das Auswärtige Amt
(AA) finanziert über sequa
das Programm „Beschäftigungspakt Tunesien“.
Es zielt darauf ab, die Beschäftigung zu fördern
und die berufliche Bildung zu verbessern. Auf
diese Weise leistet das Programm einen Beitrag
zur ökonomischen Stabilisierung und erfolgreichen Demokratisierung Tunesiens. Der „Beschäftigungspakt Tunesien“ vereint die Stärken
und Initiativen der öffentlichen Hand mit denen
des Privatsektors, um Arbeitsplätze zu schaffen,
insbesondere für Jugendliche. Zentraler Faktor ist
dabei der Know-how-Transfer aus Deutschland
im Bereich der dualen Berufsbildung.
A
rbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung sind noch
immer zentrale Probleme der tunesischen Gesellschaft
und Wirtschaft. Dabei fehlt es nicht an jungen, motivierten
Tunesierinnen und Tunesier, sondern an einer wirtschaftsorientierten, nicht-universitären Berufsbildung. Diese genießt
im Land bisher kein hohes Ansehen, obwohl gerade die
praxisorientierte Ausbildung von Technikern ein Schlüssel im
Kampf gegen die Arbeitslosigkeit ist. „Wir werden mit dem
von Deutschland unterstützten Programm unsere berufliche
Bildung revolutionieren“, ist Naoufel El Jammali überzeugt. Er
war bisher im Ministerium für Beschäftigung und berufliche
Bildung für internationale Kooperation zuständig und bekleidet seit 2013 das Ministeramt. Der Wille zur Veränderung ist
groß in Tunesien. Und nach dem politischen Umsturz setzen
viele junge Erwachsene ihre Hoffnung in eine „Revolution“
21
des tunesischen Berufs- und Ausbildungssystems. In Tunesien
lenkt in ersten Linie der Staat das System der Berufsbildung.
Es berücksichtigt die Bedürfnisse und Erwartungen des
Privatsektors nur unzureichend. Die Ausbildung hat wenige
Praxisanteile und findet nur in Berufsschulen statt. Zudem
verfügt der tunesische Privatsektor nur über schwache Strukturen zur Interessenvertretung und kann so seine Forderungen gegenüber der Regierung nur unzureichend artikulieren.
Der Ansatz des „pacte pur l’emploi en Tunisie“, des „Beschäftigungspakts Tunesien“, beruht darauf, viele Stakeholder
im Land aktiv zu beteiligen: das Ministerium für Berufsbildung und Beschäftigung, die Nationalagentur für Berufsbildung (ATFP), neun staatliche Berufsschulen sowie Verbände
und Unternehmen. Diese kooperieren unter der Koordination
von sequa mit einem Netzwerk deutscher Partner. Dazu gehören das Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft gGmbH
(bbw) und das Goethe-Institut ebenso wie die Handelskammer Hamburg, die Handwerkskammer Saarbrücken (mit
dem Saar-Lor-Lux Umweltzentrum) sowie in Tunesien tätige
deutsche Unternehmen. Der „Beschäftigungspakt Tunesien“
verfolgt eine Reihe von Zielen. Es geht beispielweise darum,
die Kapazitäten der Berufsbildungszentren aufzubauen und
die Qualifikationen der Ausbilder in den Zentren und in den
Betrieben gleichermaßen zu erweitern. Im Rahmen des Projekts wollen die Verantwortlichen zudem die Ausstattung der
Berufsbildungszentren modernisieren, den Dialog zwischen
den Zentren und der Privatwirtschaft der Region intensivieren und Pilotklassen als vorbildhafte Beispiele für das duale
Berufsbildungsmodell etablieren.
Die Handelskammer Hamburg arbeitet in den Bereichen
Der „Beschäftigungspakt Tunesien“ zielt darauf ab, die berufliche
Bildung in dem nordafrikanischen Land nachhaltig zu verbessern.
Tourismus / Gastronomie und Kfz-Instandhaltung mit vier
Berufsbildungszentren zusammen. Dass bbw entwickelt
zusammen mit drei Berufsbildungszentren die Ausbildungsorganisation für Metall- und Elektroberufe sowie für den Textilbereich weiter. Das Saar-Lor-Lux Umweltzentrum betreut
zwei Partnerzentren im Schwerpunkt Erneuerbare Energien
und Energieeffizienz. Zusätzlich fördert das Goethe-Institut
den Einstieg junger Menschen in die international ausgerichtete Arbeitswelt durch den Erwerb von Deutschkenntnissen.
Insgesamt stehen für den Beschäftigungspakt in der Projektlaufzeit von Januar 2012 bis Dezember 2013 rund acht Millionen Euro zur Verfügung.
Fotos/Quelle: sequa Forum 2/2013
Deutsch-tunesische Ausbildungspartnerschaften
Zwei weitere Projekte ergänzen über den „Beschäftigungspakt Tunesien“ hinaus die Aktivitäten von sequa im Bereich der Berufsbildung in dem nordafrikanischen Land. Das Auswärtige Amt fördert diese Projekte mit einem Budget von jeweils rund
einer Million Euro.
Schweiß- und Prüftechnik
Orthopädietechnik
In der „Deutsch-Tunesischen Ausbildungspartnerschaft
Schweiß- und Prüftechnik“ kooperiert die Gesellschaft für
Schweißtechnik International (GSI) aus Duisburg mit dem
Ausbildungszentrum für Mechanik- und Elektroindustrie
in Tunis (CETIME). Die GSI bildet Schweißlehrer, Schweißfachingenieure und Personal für die zerstörungsfreie Prüfung
aus Tunesien in Deutschland weiter. In Tunesien folgen dann
die Ausbildung von Schweißern sowie die Weiterbildung von
Fachpersonal. Die GSI unterstützt den tunesischen Partner
CETIME darüber hinaus bei der Beschaffung schweißtechnischer Einrichtungen auf dem aktuellen Stand der Technik.
In der „Deutsch-Tunesischen Ausbildungspartnerschaft
Orthopädietechnik“ koordiniert sequa die Aus- und Weiterbildung staatlicher und privater Orthopädietechniker. Außerdem sind die Organisationsberatung und Modernisierung des
tunesischen Zentrums für orthopädische Geräte (CAO) Bestandteile des Projekts. Die Ausbildungspartnerschaft belebt
ein in den 1960er Jahren eingeführtes Programm neu. Das
Curriculum besteht aus theoretischen Fernlehrgängen sowie
ausgewählten Praxisseminaren. Es führt zu einem Abschluss,
der dem deutschen Meister entspricht. Die Teilnehmer erwerben das Recht und die Fähigkeit, selbständig auszubilden.
22
EIN TREFFEN UNTER FREUNDEN
Der tunesische Konsul Salah Chebbi trifft sich mit Fussballern des SV Affstätt
Salah Chebbi, Konsul der Republik Tunesien, kam
in die Gäustadt, um dort die Fußballer des SV Affstätt, die im vergangenen Jahr zu einem Fußballturnier nach Tunesien gereist waren, an ihrem Stadtfest-Stand beim Bronntor zu besuchen. Bei Kaffee
und tunesischem Gebäck gab es Gelegenheit für
Gespräche, bevor der Konsul und sein Begleiter
nach Stuttgart weiterreisten.
D
en Abstecher nach Herrenberg hatte Werner Böckle,
Präsident der Deutsch-Tunesischen Gesellschaft,
organisiert – auf Wunsch des Konsuls, der die Kicker, die
seiner Meinung nach mit ihrer Teilnahme zur Völkerverständigung beigetragen hatten, gerne kennenlernen wollte. Es war
kein Staatsbesuch, eher ein unspektakuläres Treffen unter
Freunden, zu Salah Chebbi, der erst vor vier Monaten seinen
Dienst in Deutschland angetreten hatte, das erste Mal nach
Herrenberg kam. Als Konsul ist er Ansprechpartner für die
rund 20 000 Tunesier, die in Bayern und Baden-Württemberg
leben und arbeiten sowie für Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Ländern.
hineinfinden. Stolz listete Konsul Chebbi namhafte deutsche
Unternehmen wie Boss, Diesel, Traxlmeyer sowie Kromberg
& Schubert auf, die in Tunesien Tausende von Arbeitsplätzen
schaffen. Auch äußerte er sich erfreut über die vielen deutschen Touristen, die jährlich das Land besuchen und damit –
so Chebbi – ihren Teil zu dessen Konsolidierung und Stabilisierung beitrügen. Städtepartnerschaften wie die zwischen
Stuttgart und Menzel Bourguiba seien ebenfalls eine hervorragende Möglichkeit, die beiden Länder einander näher
zu bringen. „Schön wäre auch eine Partnerschaft zwischen
Herrenberg und Houmt Souk. Diese beiden Städte haben
viele Gemeinsamkeiten und könnten sehr gut zusammen arbeiten – im Interesse der Bürger in Herrenberg und in Houmt
Souk.“ Diese Idee hatte Werner Böckle der Stadt Herrenberg
schon vor einiger Zeit vorgetragen, doch war der Affstätter
damit nicht auf Interesse gestoßen. „Ich habe allerdings die
Hoffnung, es doch noch einmal aufleben lassen zu können,
denn gerade jetzt braucht Tunesien jede Unterstützung. Das
wäre ein schönes Zeichen der Solidarität“, erklärte er.
Beitrag zur Stabilisierung
Er äußerte sich sehr erfreut über die gute
wirtschaftliche Kooperation, die die Regierungen der beiden Bundesländer und
namhafte Firmen aus der Region mit seinem
Heimatland pflegten. Zusammen mit dem
Tourismus – einem der wichtigsten Wirtschaftszweige in dem nordafrikanischen Staat
– trage dies maßgeblich zur Entwicklung und
Stabilisierung der Demokratie in Tunesien
bei. „Deutschland hilft meinem Land. Wir
brauchen Demokratie, Würde und Freiheit,
damit alles gut funktionieren kann“, erklärte
Der tunesische Konsul Salah Chebbi (Mitte rechts) besucht die
er im „Gäubote“-Gespräch.
Fußballer des SV Affstätt und überbringt tunesisches Gebäck
Für westliche Verhältnisse mag die poliGB-Foto: Holom
tische Entwicklung in Tunesien einiges zu
wünschen übrig lassen, doch gab der selbst
parteilose Diplomat zu bedenken, während Tunesien zuvor
Die Affstätter Kicker erinnern sich noch gern an das
von einem Alleinherrscher regiert wurde, nun immerhin drei
Fußballturnier, das sie nur ein Jahr nach der Revolution in
Parteien und die Möglichkeit, seine Meinung zu äußern. Dem das arabische Land brachte. „Es war einfach toll“, schwärmstimmte auch Tunesienkenner Werner Böckle zu. „Die Tunete Martin Böckle vom SV Affstätt. „Mannschaften aus 13
sier sehen sich als Demokratie, jetzt können sie endlich sagen, Ländern, darunter auch Tschechien, Russland, Libyen, Syrien
was ihnen nicht gefällt. Unter Ben Ali war es ausgeschlossen,
und die Vereinigten Arabischen Emirate waren dabei. Es war
über Politik zu reden. Jetzt können sie diskutieren, streiken
sehr schön zu sehen, wie sie unabhängig von den politischen
und demonstrieren. Das ist ein wichtiger Schritt, bestätigte er. Gegebenheiten und allen Unterschieden miteinander gespielt
und gefeiert haben.
Auf dem Fußballplatz bleibt die Politik außen vor.“ Mit dem
Partnerschaft wäre schön
Konsul hat er sich gut unterhalten. „Ich denke, er freut sich,
Die Angst vor einer Islamisierung der Gesellschaft und die
dass Interesse an einem Austausch da ist. Es ist auch wichdamit verbundenen Einschränkungen für Frauen sei zwar da.
tig, das zu fördern und nicht nur über Politik zu reden. Das
„Ich denke aber, dass die Frauen sich das gar nicht gefallen
gesellschaftliche Leben spielt sich ja nicht nur in der Politik
lassen würden, die gehen nicht mehr zurück“, ist seine Einab. Es ist wichtig, eine lockere Ebene zu finden, um die Scheu
schätzung. Vor allem in Tunis seien die Frauen modern und
voreinander verlieren zu können.
politisch aktiv und würden sich in alte Zwänge nicht mehr
Quelle: Gäubote / Jutta Krause
23
SOS-Tunesien erhält Preis
für Kinderrechte
Y
Die SOS-Kinderdörfer in Tunesien erhielten anlässlich des „Tag des
afrikanischen Kindes“ den Preis für Kinderrechte 2013. Die Vorsitzende der tunesischen SOS-Kinderdörfer, Yousra Chaibi, nahm die Auszeichnung vom tunesischen Übergangspräsidenten Mohamed Moncef
Marzouki entgegen.
24
ousra Chaibi, Vorsitzende von SOS-Tunesien
nimmt von Moncef Marzouki, dem tunesischen Übergangspräsidenten, den Preis für Kinderrechte entgegen. Der Preis ist eine Anerkennung der
Leistungen von SOS-Tunesien und ist mit einem
Preisgeld von 20.000 Dinar (9.000 Euro) verbunden.
Ausgezeichnet werden Persönlichkeiten, Organisationen, Unternehmen oder Behörden, die sich besonders
für Kinder und ihre Rechte in Tunesien einsetzen.
Der Tag stand auch im Zeichen für den künftigen
Einsatz für Kinderrechte: In Folge der Tunesischen
Revolution von 2011 wurde Anfang Juni 2013 ein
neuer Verfassungsentwurf vorgestellt, der jedoch die
Aspekte der Kinderrechte laut der UN-Kinderrechtskonvention außen vorlässt. Dies soll sich ändern. Die
Preisverleihung war zudem ein Anlass, die Gesellschaft dazu aufzurufen, bessere Lebensbedingungen
für die nächsten Generationen zu schaffen.
Die Familien- und Frauenministerin Sihem Badi
hat ihre Unterstützung zugesichert, weiter im Interesse der Kinder zu handeln, und sich dafür einzusetzen,
dass Kinder vor religiösem Extremismus bewahrt
werden. Zudem bekräftigte sie ihr Engagement, sich
um elternlose Kinder und junge Menschen ohne
familiären Rückhalt zu kümmern.
Die SOS-Kinderdörfer in Tunesien werden derzeit auch im Rahmen der Benefizaktion „Für das
Tunesien, das wir lieben“ („Pour la Tunisie qu‘on
aime“) unterstützt. Die Kampagne setzt sich für mehr
Toleranz, Würde und Menschlichkeit ein und ruft
zur Einhaltung der Kinderrechte auf – mit dem Ziel,
jedem Kind einen Platz in einer liebevollen Familie
zu geben.
Zurzeit gibt es in Tunesien vier SOSKinderdörfer, drei SOS-Jugendeinrichtungen, vier SOS-Kindergärten,
vier SOS-Sozialzentren und ein SOSBerufbildungszentrum.
Die tunesische Revolution, die im Dezember 2010 ausgebrochen war, zog die Aufmerksamkeit der Medien aus der ganzen Welt auf sich. Die Protestbewegung vertrieb den tunesischen Präsidenten
und beendete so seine jahrzehntelange Herrschaft. Die Proteste läuteten den
Beginn eines neuen Zeitalters ein. SOS-Kinderdorf unterstützt in Tunesien
bedürftige Kinder und Jugendliche im Rahmen von Kindertagesstätten und
Bildungsangeboten.
Die Lage der Kinder in Tunesien
37 Prozent der Tunesier sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.
Sieben Prozent des Bruttoinlandsproduktes wird für den Bildungssektor ausgegeben, und ein tunesisches Kind geht im Durchschnitt 14,5 Jahre lang zur
Schule. Obwohl die Einschulungsrate mit 98 Prozent sehr hoch ist, brechen
Tausende von Grundschülern jedes Jahr die Schule ab. Aufgrund ihrer prekären sozioökonomischen Situation können es sich viele Familien nicht leisten,
ihre Kinder weiter zur Schule zu schicken. Während der Protestbewegung zu
Beginn des Jahres 2011 mussten zahlreiche Schulen den Betrieb einstellen.
Nach der Einsetzung der Übergangsregierung konnten viele wieder geöffnet
werden.
In Tunesien wachsen 130 000 Waisenkinder ohne elterliche Fürsorge
auf. Viele dieser Kinder müssen ganze Familien ernähren. Kindergeführte
Haushalte befinden sich in einer äußerst schwachen sozioökonomischen
Position. Kleine Kinder müssen häufig arbeiten, um Geld zu verdienen. Viele
von ihnen können deshalb nicht zur Schule gehen. In Tunesien gibt es neben
der Kinderarbeit auch das Phänomen der Kinderprostitution. Nichtsdestotrotz sind die Raten lange nicht so hoch wie in vielen anderen afrikanischen
Staaten.
SOS-Kinderdorf in Tunesien
SOS-Kinderdorf ist seit den 80er Jahren in Tunesien tätig. Die ersten beiden
Kinderdörfer wurden im Jahr 1983 eröffnet. Seit 2006 betreibt SOS-Kinderdorf auch SOS-Familienstärkungsprogramme, um Familien in die Lage
zu versetzen, ihre Kinder effektiv zu beschützen und für sie zu sorgen. Eins
unserer Hauptziele ist die Stärkung familiärer Bindungen, damit von Verlust
der elterlichen Fürsorge bedrohte Kinder in einer liebevollen familiären Umgebung aufwachsen können. Derzeit unterstützt unsere Organisation Kinder
und Jugendliche in Not an landesweit vier verschiedenen Standorten durch
Kindertagesstätten, Schulen und medizinische Zentren. Kinder, die nicht länger bei ihren Familien bleiben können, können in einer der SOS-Familien ein
liebevolles neues Zuhause finden.
Fotos / Autor: SOS-Kinderdörfer weltweit
Foto: Detlef Mai
Renate Mai (DTG) zu Besuch im Kinderdorf
Mahrés, auf einer ihrer jährlichen Rundreisen
durch Tunesien
25
Alles Müll oder was?
Wie DTG Mitglieder auf der Insel Djerba
gegen den Müll ankämpfen
Eines der größten Kritikpunkte von Besuchern Tunesiens war stets die „Zumüllung“ der Landschaft
und Wohngebiete. Überall, selbst in entferntesten
Gebieten Tunesiens, fliegen die allgegenwärtigen
Plastiktüten umher und sorgen manchmal sogar
für eine fast festlich zu nennende Dekoration der
Straßenbäume. An beinahe jeder Straßenecke in
Wohngebieten findet sich Unrat auf dem Boden,
aus dem die Flaschensammler Plastikflaschen heraussuchen.
S
o nun auch verstärkt auf der Sonneninsel Djerba. Die
Stadtbezirke Houmt Souk, Midoun und Ajim auf Djerba
kämpfen täglich um dem anfallenden Müll gerecht zu werden.
Hier und dort wird der Müll auch verbrannt - organische Abfälle, Plastikteile, Holz, Farben, Autoreifen, und wer in einem
solchen Gebiet wohnt, der wird mitunter auch eine gewisse
Belastung der Atemluft feststellen, die sich u.a. durch beharrliches Kratzen im Hals oder Atemnot bemerkbar macht.
Tunesiens Müllmänner: Helden des Alltags
Aus deutscher Sicht unvorstellbar luxuriös erscheint die
flächendeckende Bereitstellung von Mülltonnen, Mülleimer
und Boxen auf Staatskosten, die sogar fast jeden Tag geleert
werden. Selbst neben die Tonne gestellten Sperrmüll vom
Kühlschrank bis zum Dreiersofa hieven die wackeren Jungs
26
bei ihren nächtlichen Sonderschichten auf den Wagen. Warum also sind sämtliche Wohnviertel trotzdem völlig zugemüllt? Nun, zum einen werfen manche Tunesier ihren Müll
gern neben die Tonnen oder veranstalten Müllbeutelweitwurf
aus dem ersten Stock. Zum anderen dienen die offenen Mülltonnen den streunenden Katzen und Hunden als Behausung.
Und was die Viecher ausgescharrt und hochgewühlt haben,
verstreut der Wind sofort weiträumig.
Nach dem Umsturz hat sich die Müll-Situation in Tunesien
noch bedeutend verschlechtert. Wo es bisher eine auch nur
rudimentäre Müllabfuhr gab (Leerung von Müllcontainern
mit Traktoren oder Müllfahrzeugen und öffentlichen Bediensteten), wird nun nur selten, oder auch gar nicht mehr,
geleert, weil die Bediensteten für mehr Geld und bessere
Arbeitsbedingungen streiken - oder auch nur dafür, ihren
Monatslohn für zurückliegende Monate überhaupt zu bekommen, oder dagegen, entlassen zu werden. Die Kommunen
haben kein Geld, um die Arbeitsgeräte instand zu halten
oder neue zu beschaffen, oder um private Unternehmen zu
bezahlen. Der normale tunesische Bürger hingegen sieht es
überhaupt nicht ein, für die Müllentsorgung zu bezahlen und
betrachtet dies als Aufgabe des Staates, erklärt der General
Sekretär von Midoun, Fethi Hadj Youssef.
Im Januar 2013 eskaliert die Situation auf Djerba. Die bis
dahin einzige öffentliche Müllkippe wurde von den Behörden
geschlossen. In den Dörfern und Städten weiß man nicht
mehr wohin mit dem Müll. Nach Wochen ohne Müllabfuhr
türmten sich riesige Müllberge in den Straßen auf. Beißen-
der Gestank überall. In der Not beginnen die Menschen die
Müllberge zu verbrennen. Die Krankenhäuser sind voll vor
allem mit Kindern, welche unter Augenreizungen und Atembeschwerden leiden.
Nachdem die Stadtverwaltung entschied, die öffentliche
Müllkippe von Guallela 2013 weiter zu betreiben kam es
durch die Bevölkerung zu Protesten. Bei den Zusammenstößen zwischen der Polizei und Demonstranten auf der tunesischen Touristeninsel Djerba sind Dutzende Menschen verletzt
worden. Die Demonstranten hätten mit Steinen und Brandbomben geworfen und ein Polizeirevier angegriffen, sagte der
Sprecher des tunesischen Innenministers, Khaled Tarrouch.
Eine Stadt rückt zusammen
Auf Drängen der Bevölkerung in Midoun und Unterstützung einiger DTG Mitgliedern, welche in Djerba wohnen, gelingt es Ammar Boubaker, Bürgermeister von Midoun, nach
einigen Krisensitzungen die alte Mülldeponie von Midoun
kurzfristig frei zu geben. Abends um 21.35 Uhr die Erleichterung. Binnen weniger Minuten erwacht das Städtchen Midoun aus ihrer Lethargie. Jeder Traktor mit Anhänger, LKW,
Kleintransporter, einfach alles was eine Ladepritsche hat wird
kurzerhand zum Müllwagen. Bagger rollen an, Mundschutz,
Handschuhe und Schaufeln werden verteilt. Eine Stadt rückt
zusammen. Bis zum anderen Morgen werden die größten
Müllberge beseitigt. Im Laufe der nächsten Tage dann der
Rest.
Mit Hilfe des DTG-Ausweises kann Werner Böckle, Präsident der DTG, die umstrittene und geschlossene Mülldeponie
von Guallela besichtigen. Ein Ingenieur der Deponie erklärt
entschieden, „...die ist geschlossen, da der Gestank für die Bevölkerung in Guallela unerträglich sei.“ Zu riechen war nichts
und der Ort liegt fünf Kilometer entfernt. Einige DTG Mitglieder machten in einem Gespräch mit Gouverneur Hamadi
Manjarazu unmissverständlich klar, dass sich schnellstens auf
der Insel was tun muss, und Midoun mit der „alten Deponie“
nur eine Notlösung sein kann. In Houmt Souk und Ajim wurde zu dieser Zeit immer noch kein Müll abgeholt.
werden gezeigt. Letztlich hat sich gegen eine Müllverbrennungsanlage eine Müllsortierung und Kompostanalage der
GIZ durchgesetzt. Die Baukosten sollen bei 8.500.000 Tunesische Dinar (4.200.000 €) liegen. Mit dem Projekt werden über
100 neue Arbeitsplätze entstehen und die Aussicht auf eine
saubere Insel.
Mit einer groß angelegten Müllsammlung starteten die
Insulaner auf zwei aufeinanderfolgenden Sonntagen ihre Aktion „saubere Insel“ in der Stadt Midoun. Achtzig freiwillige
Helfer finden sich ein, davon ca. zwanzig Deutsche, fünfzehn
Franzosen, ebenso viele Tunesier und Schüler, zehn Stadtmitarbeiter und vorneweg der Délége. Die Stadt stellt zwei Lkw
und einen Bagger zur Verfügung. Über 100 Müllsäcke werden
gefüllt und alles Herumliegende landet auf den Ladeflächen.
Die Aktion findet zudem einen Platz in den Abendnachrichten des Tunesischen Fernsehens.
„Uns geht es in Tunesien so gut, wir werden immer herzlich
empfangen und dürfen in unserem Freundes- und Gastland
leben, deshalb möchten wir etwas zurück geben“, sagen die
Deutschen unisono. Mit Rat und Tat werden die DTG Mitglieder weiterhin mithelfen für eine „saubere Insel“.
Die Säuberungsaktionen gehen weiter und machen Schule.
So hat der Rezeptionsleiter mehrerer Ferienhäuser, Achmed Abessi, den gesäuberten Sandwall angepflanzt. Täglich
werden von ihm beharrlich verirrte Plastiktüten entfernt. In
Mellita hat bereits die Müllsortierung begonnen. Die Haushalte erhielten Komposttonnen, Säcke für Kunststoff aller Art
sowie Restmüllbehälter. Nach und nach wird dies in Houmt
Souk, Midoun und Ajim eingeführt. Die Inselbewohner sind
überzeugt: Djerba bleibt die „Insel der Träume“.
Werner Böckle / D. Mai
Eine Müllsortierungs- und Kompostanlage entsteht
Auf Initiative der auf Djerba lebenden Deutschen kommt
Bewegung in die Problematik. Auf Einladung der GIZ durch
Peter Krauss, trafen sich im Hotel Royal Garden Vertreter der
Regierung, Behörden und Mitglieder der DTG. Videofilm
und Broschüren seitens der Städte Stuttgart und Böblingen
Krisensitzung: v.l.n.r. Ursula Rüttimann-Schmied, DTG Mitglied,
Werner Böckle, Präsident DTG, Gouverneur Hamadi Manjara,
Nezih Elkateb, ehem. Bürgermeister von Houmt Souk, Brigitte
Bohnenberger, DTG Mitglied
27
WOHIN MIT DEM ABFALL IN TUNESIEN
In Tunesien liegen zwar kaum offizielle Statistiken
über das Müllaufkommen und die Recyclingquoten vor, aber nach Ergebnissen deutsch-tunesischer Forschungsprojekte der letzten Jahre werden nur etwa 5 % weiterverarbeitet. Dabei handelt es sich um organischen Abfall, aus dem
Düngemittel oder Treibstoff entsteht, während
sonstige Materialien wie Plastik oder auch Batterien praktisch nicht recycelt werden. Immerhin
endet etwa die Hälfte der 5 Millionen Tonnen
Gesamtmüll pro Jahr in kontrollierten Müllkippen, damit fliegen nur noch 45 % durch die Landschaft und bilden die traumhaft romantischen
Kulissen à la Plastiktüte im Wüstenwind.
Entsorgungsstrukturen
In einigen urbanen Zentren wird die Abfallsammlung
von privaten Betreibern durchgeführt; die überwiegende
Zahl der Kommunen jedoch führt die Sammlung selbst
durch. Die Kommunen verfügen allerdings nur in wenigen
Fällen über leistungsfähige Gerätschaften und insbesondere
die Städte entsorgen die Haushalte meist mit einer zu hoher
Frequenz, was zu überhöhten Erfassungskosten führt. In
der Regel wird der Abfall in Müllsäcken an den Straßenrand gestellt oder in gemeinschaftliche Container geworfen.
In den ländlichen Regionen stehen oft zu wenige geeignete
Sammelfahrzeuge zur Verfügung, was zu einer unregelmäßigen Sammelfrequenz führt. Nach Einschätzung von
Experten könnten bei einer Optimierung der bisher relativ
ineffizienten Sammlung die Kosten um über 30 % gesenkt
werden. Derzeit beträgt der Aufwand für Sammlung und
Transport geschätzte 50 bis 60 % der gesamten Entsorgungskosten.
Deponierung
Im Jahr 2008 waren in Tunesien fünf geordnete Deponien in Betrieb, auf denen etwas weniger als die Hälfte der
Siedlungsabfälle des Landes entsorgt wurden. Allerdings
sind bei vier davon die Kapazitäten nahezu ausgeschöpft,
daher sollen diese durch Deponien im Medjerdatal ersetzt
werden. Zusätzlich gehen seit 2007 sukzessive neun Depo-
nien in Betrieb. Damit werden, zusammen mit den Deponien, die sich in Planung oder Implementierung befinden,
für ca. 80 % des tunesischen Siedlungsabfallaufkommens
Möglichkeiten zur geordneten Deponierung bereit stehen.
Diese bestehenden Deponien verfügen jedoch über keine
Anlagen zur Nutzung des Deponiegases, so dass dieses
unbehandelt in die Atmosphäre emittiert wird. Einen
Überblick über die Versorgung Tunesiens mit geordneten
Deponien zeigt:
Es gibt zudem über das ganze Land hinweg rund 400 wilde
Deponien. Als Hauptprobleme wilder Deponien gelten:
• Landverbrauch durch flächige Ausbringung der Abfälle,
begründet durch das Fehlen von Maschinentechnik und
nicht befestigten Untergrund
• Belastung des Oberflächen- und Grundwassers durch giftige Sickerwässer
• Produktion von großen Mengen an Deponiegas, wegen
des hohen Anteils an organischem Material
• gesundheitsschädliche Rauch- und Gasemissionen durch
Verbrennung der Abfälle
• Verbreitung von Seuchen (2003 infizierte sich ein beträchtlicher Bevölkerungsanteil Tunesiens an Bindehautentzündung)
Zu den vorhandenen geordneten Deponien sind folgende
Detailinformationen bekannt:
• Eine Vorbehandlung der zu deponierenden Abfälle findet
nicht statt.
• Es findet üblicherweise eine wöchentliche Abdeckung mit
Rollbahn-Kompressen statt.
Alle größeren Deponien Tunesiens werden von Müllsammlern (in Tunesien „Chiffonniers“ genannt) bewohnt.
Diese durchsuchen den angelieferten Abfall auf Wertstoffe.
Die Chiffonniers werden, trotz bekannter Gesundheitsrisiken, geduldet, da derzeit nur auf diesem Wege Wertstoffe
und damit Sekundärrohstoffe aussortiert werden können.
Händisch werden so vor allem Hartplastikgegenstände
und Kartonagen aussortiert. Ihr monatlicher Verdienst,
den sie von „Intermédiares“ erhalten, kalkuliert sich nach
der Menge der sortierten sekundären Rohstoffe und liegt
im Durchschnitt bei rund 600 Dinar. Im Vergleich zu den
Müllkippen der großen, küstennahen Städte sind im Hinterland Müllsammler nur vereinzelt anzutreffen. Auf der
Zentraldeponie Jebel Chekir in Tunis sind etwa 100 Müllsammler tätig, die etwa 5-10 t Abfall pro Tag aussortieren.
Um zuküftig einen Regelbetrieb der Deponien zu erleichtern, könnten die Chiffonniers in die formelle Arbeit (und
damit die Betriebsabläufe) auf den Deponien integriert
werden. Dies würde einen zusätzlichen Aufwand erfordern,
welcher weder die betreibenden Firmen noch die Aufsichtbehörde leisten wollen. Bislang gelten jedoch viele Versuche, die Chiffonniers zu integrieren, als gescheitert.
Quelle: bifa Umweltinstitut
28
29. Sport- und FitnessUrlaub in Tunesien
Z
um ersten Mal wurden die 29. Freundschaftsläufe nicht
in Nabeul, sondern in einem traumhaften Pinienwald in
Beni Khiar ausgetragen. Der Verein Olympic Club Beni Khiar
zeichnete dafür verantwortlich. Die DJK Marienstatt , die zum
zweiten Mal in Zusammenarbeit mit dem LSB diesen Sportund Fitness-Urlaub organisiert hat, hatte die Kontakte zu
dem tunesischen Club hergestellt. Der Vorsitzende der DJK;
Albrecht Gehlbach, war beeindruckt von der tollen Atmosphäre im Wald bei sommerlichen Temperaturen.Etwa 450
Läufer aller Altersklassen waren am Start über 2km, 10km
oder Halbmarathon. Zwischen den Läufen tanzten die Kinder
und sammelten am Ende der Veranstaltung in Vierergruppen
Müll ein. Im Nu war der Wald gefegt.
Eine Delegation des LSB und der Sportjugend unter der
Leitung von Lothar Westram weilte einige Tage ebenfalls in
Tunesien und lief sogar mit.
Das tägliche Programm des Sport- und Fitness-Urlaubs
beinhaltet neben Laufen, Walken, Gymnastik auch Radfahren. Tolle Strecken in den Ausläufern des Atlas-Gebirges mit
wenig Verkehr und sauberer Landschaft begeisterten die
Biker. Tennis-Turnier, Tischtennis-Turnier und ein Tagesausflug nach Tunis und Sidi Bou Said waren weitere Höhepunkte
des 14-tägigen Aufenthalts.
Zum 30-jährigen Jubiläum im nächsten Jahr vom 9.
-23.04.2014 im Hotel Phenicia erhofft sich Albrecht Gehlbach mit seinem Sportteam eine große Beteiligung mit
vielen Wiederholungstätern und natürlich auch vielen neuen
Teilnehmern, die Spaß haben, Sport und Kultur in diesem
interessanten Land zu kombinieren.
Sportbund Rheinland-Pfalz
DJK Marienstatt
lädt ein zum
30. Sport- und Kultururlaub
im ****Sterne Hotel
Sentido Phenicia, Hammamet/Tunesien
vom 09. bis 23. April 2014
unter der Schirmherrschaft des
Landessportbundes Rheinland-Pfalz
Verbringen Sie Ihren Aktiv-Osterurlaub mit Gleichgesinnten
auf der Halbinsel Cap Bon, wo Sie das Grün der Zitrus- und
Olivenhaine, der Wein- und Blumengärten begleitet.
Das ****Hotel Sentido Phenicia liegt direkt am hoteleigenen
Sandstrand, ca. 5 km zum Ortszentrum von Hammamet. Es
bietet ein Hauptrestaurant mit Nichtraucherbereich, Frühstücksrestaurant, 2 Themen-Restaurants, Bars, maurisches
Café, Boutique, Internetcafé und Disco. Eine weitläufige Gartenanlage mit zwei Pools, von denen einer mit dem beheizten
Hallenbad verbunden ist, Liegewiese, Poolbar, Liegen, Sonnenschirme und Auflagen am Strand und am Pool inklusive.
Badetücher gegen Kaution.
Essen und Trinken: All-inclusive-Paket: Frühstück, Mittagund Abendessen in Buffetform, Snacks, Kaffee, Kuchen, Kindereis am Nachmittag, lokale alkoholische und nichtalkoholische
Getränke, 1 mal Abendessen in den Themenrestaurants pro
Aufenthalt..
Darüber hinaus bietet das Hotel Aerobic, Bogenschießen,
Boccia, Minigolf und Tischtennis an. Gegen Gebühr stehen
sieben Tennisplätze, Billard, Reiten, Fitnessraum, Hamam und
Massage zur Verfügung. Außerdem ein hoteleigenes Golfübungsgelände mit Putting Green und Driving Range.
Sportangebot von unserem qualifiziertem Team: Wir bieten
Laufen und Walking sowie Gymnastikeinheiten (Bodyfit, Wirbelsäule, Pilates, Yoga) und ein Tennis-und Tischtennisturnier
an. Bei Bedarf geführte Rad- und Wandertouren ins Atlasgebirge. Bitte eigenes Fahrrad mitbringen(z.Zt. 30,--€ Transportgebühr bei der Airline).
Dreitägige Wüstentour 15.04. – 18.04.2014 (ca. 150,--€ p.P.) fak.
Wettkampfangebote: Sonntag,13.04.2014 : 30. Freundschaftsläufe in Beni Khiar über 2 Km, 10 und 21 Km (Verein Olympique de Beni Khiar). Samstag, 19.04.2014: Lauf nach Hammemet Yasmine. Montag, 21.04.2014: 29. Dr. van Aaken– und
Dardouri-Gedächtnislauf ab/an Hotel. Mit diesem Lauf unterstützen wir das Waisenhaus „ Stimme des Kindes“ in Nabeul.
Preise: Abflughafen Frankfurt, Düsseldorf, Stuttgart und Hamburg Doppelzimmer 895,-- € p.P. / Meerblick 939,-- € p.P.
Einzelzimmer 959,-- € / Meerblick 989,-- €
Kinderermäßigung 2 – 12 Jahre 1 –2 Kinder je 250,-- € bei 2
vollzahlenden Erwachsenen.
Reiserücktrittskostenversicherung: 31,-- € p.P.
Nähere Infos: Albrecht Gehlbach, Tel. 02662/6499
oder [email protected]
29
GEWINNER
WAREN
ALLE
AUCH SFAX WAR ZU
GAST IN DER UNIVERSITÄTSSTADT MARBURG
E
Internationales
Jugendfußballturnier der
Marburger Partnerstädte
30
ndlich war es soweit. Der erste Six Nations Cup in der Universitätsstadt
Marburg wurde bei bester Laune aller Beteiligten und sommerlichen
Temperaturen am 31. Juli für eine Woche eröffnet. Zu dem internationalen
Fußballturnier sind die Kinder und Jugendlichen zwischen 11 und 14 Jahren
aus den Marburger Partnerstädten feierlich, mit musikalischer Begleitung der
jeweiligen Landeshymne, in das Georg-Gaßmann-Stadion einmarschiert.
Oberbürgermeister Egon Vaupel als Schirmherr der Veranstaltung wünschte den sportlichen Wettkämpfen einen glücklichen Verlauf. Er freute sich
besonders darüber, dass bei dem Cup sicherlich alle gewinnen werden. „Es ist
gut, dass wir uns in Frieden begegnen und austauschen können und ich hoffe,
dass bei der Internationalen Begegnung viele Freundschaften geschlossen
werden.“
174 junge Gäste aus den Partnerstädten Portiers, Maribor, Sibiu und Sfax
waren sechs Tage zu Gast in Marburg. Abgesagt hatten leider die Partnerstädte Northampton und Eisenach. Immer noch würden viele bei Fußball vor
allem an einen Sport für Jungen denken, umso mehr freute sich Egon Vaupel,
dass in allen Delegationen so viele Mädchen dabei seien. Er sei gespannt, wer
beim sportlichen Wettkampf gewinne, sagte das Stadtoberhaupt. Aber das
Wichtigste sei, dass am Ende der Veranstaltung alle zu den Gewinnern gehören würden, wenn nämlich Freundschaften entstünden.
Partnerstadt SFAX
Wir haben lange davon geträumt und nun ist der
Wunsch in Erfüllung gegangen
Vaupel bedankte sich insbesondere bei Initiator Christian
Ackermann, bei der Stadt zuständig für die Städtepartnerschaften, der die Idee des Jugendtreffens hatte. „Wir haben
lange davon geträumt und nun ist der Wunsch in Erfüllung
gegangen“, freute sich Ackermann. Der Marburger Six Nations Cup solle die Grundlage für weitere Treffen schaffen
und Jugendliche der ganzen Welt zusammen bringen.
An den ersten beiden Tagen des Six Nations Cup lernten
sich die jugendlichen Teilnehmer erst einmal richtig kennen.
Aus diesem Grund wurden Workshops konzipiert, bei denen
die Veranstalter vom Experten Michael Glameyer intensiv
unterstützt wurden.
„Die Verantwortlichen hatten die grundlegende Idee, die
Teilnehmer nicht nur parallel nebeneinander in ihren Gruppen laufen zu lassen, sondern sie im Sinne der Völkerverständigung zu durchmischen“, berichtete Glameyer. Ziel sei es
beispielsweise, dass die Jugendlichen aus den verschiedenen
Ländern lernten, trotz aller Sprachbarrieren intensiv miteinander zu reden. So könnten sie sinnbildlich mit Händen und
Füßen aufeinander zugehen. Und das könne man am Besten
mit niedrigschwelligen Angeboten erreichen, erläuterte Glameyer. Unter dem Motto „Wir lernen uns kennen“ wurden die
Länder Europas und die Flaggen der Länder der Partnerstädte
erraten. Beim „Sprachkurs2go“ sollten mit den Anfangsbuchstaben des Namens eine Lieblingsbeschäftigung benannt werden und jeder sollte mindestens zwei Wörter einer anderen
Sprache lernen, welche er nicht kannte.
Im Vordergrund stand der „Fair-Play-Gedanke“
Im Georg-Gaßmann-Stadion kam es dann zu einem MixedTurnier. Dabei wurden alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer
großen europäischen Spitzenklubs zugeteilt. Im Vordergrund
dieses Turniers, das ohne Schiedsrichter auskam, stand der
„Fair-Play-Gedanke“. Ein zusätzliches Angebot betreuten die
Sportfreunde Blau-Gelb Marburg mit dem Fußballabzeichen
in Gold, Silber oder Bronze des Deutschen Fußballbundes
(DFB). Hier galt es sein Geschick beim Dribbelkünstler,
Kurzpass-Ass, Kopfball- und Elferkönig, sowie als Flankengeber unter Beweis zu stellen.
Sibiu bei den unter 13-jährigen Jungen und zweimal Maribor bei den unter 15-Jährigen und den Mädchen hießen die
Sieger des ersten Six Nations Cup. Für die Marburger Teams
sprangen drei dritte Plätze heraus. Nach dem Mixed-Turnier
fand die erstmals in Marburg ausgetragene Veranstaltung
mit dem Nationenturnier im Georg-Gaßmann-Stadion ihren
sportlichen Höhepunkt. Verbissen wurde in den Duellen um
jeden Ball gekämpft, jeder wollte zeigen was er drauf hatte.
Aber auch hier blieben Fair Play und gegenseitiger Respekt
nie auf der Strecke. Verlierer der Spiele gratulierten dem
Sieger, wie es sich für echte Sportler gehört, und es wurde
sich auch gegenseitig von der Seitenlinie kräftig angefeuert,
ein sicheres Zeichen, dass das Konzept der gelebten Völkerverständigung der Veranstaltung voll aufgegangen war. Am
Abend nahm Oberbürgermeister Egon Vaupel feierlich vor
der Haupttribüne die Siegerehrung vor. Die Sieger ließen sich
kräftig feiern, drehten ihre Ehrenrunden und präsentierten
stolz die Pokale. Der Abend wurde mit dem Besuch des Kinofilms „Kick It Like Beckham“ abgerundet.
Die Partnerstädte hatten sich einiges einfallen lassen
Mit einer stimmungsvollen und fröhlichen Abschlussfeier
mit anschließender Jugenddisco ging der erste Six Nations
Cup in Marburg zu Ende. Und alle waren sich einig, das
Jugendtreffen der Partnerstädte der Universitätsstadt mit
Fußballturnier war ein voller Erfolg. Hauptorganisator und
Initiator Christian Ackermann freute sich, dass das Konzept so toll aufgegangen sei. Er dankte zum Abschluss allen
Kindern und Jugendlichen, denn nur durch ihre Teilnahme
sei der Six Nations Cup zu dem geworden, was er letztendlich
war: Eine Veranstaltung, bei der Freundschaften geschlossen
wurden und der Fair Play Gedanke im Vordergrund stand.
Aber Ackermann betonte auch, dass ohne sein Team, welches
ihn seit der Vorbereitung tatkräftig unterstützt habe und die
Teamer, die sich um die Jugendlichen kümmerten, nichts
derartig Großes gelungen wäre.
Zuvor war ein echtes Stimmungsfeuerwerk abgebrannt
worden. Denn die Städte hatten sich einiges einfallen lassen.
Auf der Bühne der Turnhalle der Theodor-Heuss-Schule
zelebrierten die Teilnehmer aus Sibiu Live-Cooking, die
Gäste aus Sfax zeigten bei einer musikalischen Modenschau
typische Kleidung und präsentierten einheimische Produkte
am Dessertbuffet.
Auf der Heimreise waren viele, unvergessliche Momente
und Freundschaften mit im Gepäck, welche ewig mit dem
Namen der Universitätsstadt Marburg verbunden sein werden.
Christian Ackermann
Partnerstadt Marburg
31
Kontakte zu Münsters
Partnerstadt Monastir
boomen
Aufbruchstimmung in der Partnerschaft
Im Jahre 1969 begründeten die Städte Münster und Monastir in Tunesien eine
Städtepartnerschaft. Die umbruchbedingte leichte Flaute in der Partnerschaft
zwischen Monastir und Münster ist vorbei. Alte Kontakte wurden mit neuem
Leben gefüllt. Zusätzlich zeichnen sich ganz neue Beziehungen zu Partnern in
Tunesien ab
V
iele der Partnerstädte Münsters ähneln der westfälischen Metropole in wesentlichen Punkten. Bezogen
auf Monastir sind die Gemeinsamkeiten eher gering, was die
Städtepartnerschaft bereichert und viel Spielraum zum interkulturellen Lernen bietet. Die Kontakte bis zum sogenannten
arabischen Frühling waren intensiv und reichten von einer
Zusammenarbeit der Universitäten über den Sport bis zur
Kunst.
Nachdem während der Proteste und politischen Unruhen
in Tunesien in den Jahren 2011/2012 die persönlichen Begegnungen und Besuche zwischen den Menschen in Münster
und Monastir eher verhalten waren, ist seit Ende 2012 eine
Wiederbelebung der alten Kontakte aber auch der Aufbau
neuer Kontakte zu beobachten, so das Büro für Internationales, Europa und Städtepartnerschaften im Amt für Bürgerund Ratsservice der Stadt Münster.
Die Stadt Münster ist seit 2011 Mitglied im deutsch-tunesischen Städtenetzwerk CoMun, einem Stadtentwicklungsprogramm der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit
(GIZ). Ziel ist es, ein Lernnetzwerk zwischen Städten und
Gemeinden in Algerien, Marokko und Tunesien aufzubauen).
Nicht zuletzt durch die Vermittlerrolle der GIZ, aber auch
aufgrund gezielter Nachfragen aus Monastir und den Partnern in Münster sind die Kontakte zu Monastir so intensiv
wie schon lange nicht mehr. Bereits im Mai weilten zwei Verkehrsplaner aus Monastir in Münster, um sich über die Stadtund Verkehrsplanung zu informieren. Da beide Gäste sehr
versiert waren, kam es für beide Seiten zu einem interessanten
Fachaustausch, der nun dank der neuen Medien unkompliziert über die Entfernung fortgesetzt werden kann.
Im Gegenzug hat die Stadt Monastir eine Delegation aus
Münster eingeladen. Gerne nimmt die Stadt Münster diese
Einladung an und besetzt die Delegation, die im September
gen Monastir reist wie von den Tunesiern erbeten. Die Bitte
aus Monastir ist, dass ein Experte aus dem Jugendamt sowie
dem Bürgeramt der Delegation angehört. Ergänzt wird die
Delegation von einem Experten für den Aufbau von lokalen
Demokratiestrukturen, Herrn Jürgen Kupferschmidt. Herr
Kupferschmidt hat den Bürgermeister aus Monastir Monsieur Mzali bereits im vergangenen Dezember während eines
Treffens des Lernnetzwerkes von CoMun der GIZ kennengelernt. Im Rahmen des Lernnetzwerkes reisten mehrere
Bürgermeister Tunesiens nach Deutschland und informierten
32
Mitarbeiter der Stadt Monastir statteten Münster im Mai einen Besuch ab, um einen Einblick in die Arbeitsweise des Amtes zu bekommen.
Foto: Angelika Klauser
sich über die deutschen politischen Strukturen. Die Gruppe
aus Tunesien absolvierte einen Tag ein Fachprogramm in
Münster. Während des Aufenthaltes wurde der Jugendrat, der
Seniorenbeirat und die Ratsarbeit vorgestellt. Da insbesondere die Ratsarbeit auf viel Interesse gestoßen ist, reist Herr
Kupferschmidt, Leiter des Amtes für Bürger- und Ratsservice
im September mit nach Monastir. Die Delegation wird von
Bürgermeisterin Beate Vilhjalmsson geleitet.
Aber nicht nur der Verwaltungsaustausch gedeiht
prächtig, sondern auch der Austausch auf kultureller Ebene.
Zuletzt konnten die Münsteraner das Ensemble Echabab
der Musikschule Monastir bei den AaSeerenaden bewundern.
Auf Einladung der Westfälischen Schule für Musik weilte
das Ensemble vom 3. - 9.07. in Münster. Auf dem Programm
standen u.a. Fachgespräche mit der Schulleitung (Prof.
Ulrich Radermacher) über die zukünftige Zusammenarbeit.
Bei einem Empfang im Friedenssaal hieß Bürgermeisterin
Wendela-Beate Vilhjalmsson die tunesische Musiker, die mittlerweile zu Kulturbotschaftern ihres Landes ernannt wurden,
herzlich willkommen. Höhepunkt des Aufenthaltes aber war
der Auftritt bei den AaSeerenaden. Mit einer Mischung aus
klassischer arabischer und andalusischer Musik sowie tunesischer Folklore bildete der Auftritt den fulminanten Abschluss
der AaSeerenaden. Der Besuch des Ensembles Echabab ließ
damit eine mehr als zwanzigjährige intensive Arbeitsbeziehung und Freundschaft zwischen den beiden Musikschulen
wieder lebendig werden. Der Gegenbesuch in Monastir
wurde gleich vereinbart. Im September wird das Westfälische
Jugendkammerorchester der Westfälischen Schule für Musik
nach Monastir reisen.
Zudem bestehen regelmäßige intensive Kontakte zwischen
der Künstlergemeinschaft part96 aus Münster und ihren
befreundeten Künstlern aus Monastir. Vom 14.07. bis 28.07.
fand eine Ausstellung befreundeter tunesischer Künstler in
der Kulturschiene Münster statt. Part96 bot rund um die
Ausstellung verschiedene weitere Aktionen an.
Für Herbst 2013 ist zudem ein Schüleraustausch geplant.
Das Gymnasium Wolbeck wird alte Freundschaften wieder
aufleben lassen und erwartet eine Schulklasse aus Monastir.
Besonders erfreulich ist, dass erstmals Mitglieder der Studiobühne Münster der Westfälischen Wilhelmsuniversität an
einem Theaterfestival in Monastir teilnehmen werden.
Gerade die Kultur und die persönlichen Kontakte bieten die
Chance, in Zeiten von politischen Umbrüchen, Anschlägen,
wirtschaftlichen Problemen und damit auch wechselnden
Verantwortlichen in der Partnerstadt für Kontinuität und
Verlässlichkeit in den Beziehungen zwischen Münster und
Monastir zu sorgen. Die Kultur und der Verwaltungsaustausch können als Vehikel genutzt werden, um den Aufbau
eines demokratischen Tunesiens zu unterstützen.
Großes Event auf der Osttseeinsel anlässlich der
10jährigen Partnerschaft der Inseln Djerba und
Usedom
Elyes Ghariani. Laut Wetzel gibt es auf tunesischer Seite ein
„theoretisches Interesse am Tourismus“ und auf deutscher ein
handfestes „an helfenden Händen“. Nun gehe es darum, den
Austausch zu organisieren. Dazu sei es notwendig, dass die
beteiligten Hochschulen, das Baltic College und die Internationale Universität Tunis, einen Vertrag unterzeichnet. In einem zweiten Schritt kämen dann die Partner aus der Hotellerie dazu, die Seetal-Gruppe und die „El Mouradi“ Group, die
sechs Hotels in Tunesien, darunter eines auf Djerba, betreibt.
Wetzel erwartet, dass die Kooperation in der Saison 2014 zum
Tragen kommt.
Hans-Udo Friedrich von der Deutsch-Tunesischen Gesellschaft in Berlin/Brandenburg, der den Botschafter begleitete,
warb nach einem Besuch des Heringsdorfer Flugplatzes dafür,
Tunesien wieder als Reiseland zu entdecken. Deutsche Urlauber seien immer noch zurückhaltend, was Buchungen an der
tunesischen Mittelmeerküste angehe.
Die Gedanken sind frei – und ein wenig träumen sei
erlaubt. Beim Botschafterbesuch ging es unter anderen um
Direktflüge zwischen Heringsdorf und Djerba. „Das Interesse
von Tunis Air, von Djerba aus nach Heringsdorf zu fliegen, ist
da“, so Ghariani. Petersen dämpft die Erwartungen allerdings:
„Die Idee einer Zusammenarbeit steckt in den Kinderschuhen. Vorher müssen wir unseren Flugplatz auf feste Füße
stellen“. Immerhin gab es als Geschenk dann noch einen
Mini-Strandkorb.
H.-U. Friedrich
Christiane Lösel/Susanne Rietkötter
Münster. Amt für Bürger- und Ratsservice
Büro für Internationales, Europa und Städtepartnerschaften
Ein Usedomer Strandkorb für Tunesien
D
ie tunesische Insel Djerba und Heringsdorf sind
seit Langem enge Freunde. Nun war der tunesische
Botschafter zu Gast und bekam gleich noch ein praktisches
Geschenk.
„Wir wollen die Qualität unserer Fachkräfte verbessern und
sie darum auf Usedom weiterbilden“, sagt der Botschafter
der Tunesischen Republik, Elyes Ghariani, bei seinem ersten
Besuch in Heringsdorf. Seit zehn Jahren besteht zwischen der
tunesischen Insel Djerba und Heringsdorf eine Freundschaft.
„Usedom und Djerba sind beides Inseln, die vom Tourismus
abhängen. Wir haben ähnliche Interessen“, sagte Bürgermeister Lars Petersen beim Empfang in der Villa Irmgard.
Allein in Deutschland gibt es rund 16 Partnerschaften, die
unter anderem durch die Deutsch-Tunesische Gesellschaft
initiiert wurden. Wegbereiter waren vor 40 Jahren die Städte
Tunis und Köln. So funktionieren die Kontakte weiterhin
gut und es ist der Wunsch der Deutsch-Tunesischen Gesellschaft Berlin, die diese Inselpartnerschaft ins Leben gerufen
hat, diese auch zukünftig zwischen den Djerbianern und den
Uselanern weiterhin positiv zu gestalten.
Schon 2007 hatte es ein gemeinsames Jugendprojekt gegeben, bei dem Schüler aus Tunesien zusammen mit deutschen,
italienischen und polnischen Jugendlichen die Gedenkstätte auf dem Golm
instand setzten. Die engere Zusammenarbeit mit der Europaschule Ahlbeck,
aber auch der Austausch von Auszubildenden im Hotellerie- und Gaststättenbereich waren wichtige Themen des
zweitägigen Aufenthaltes.
Der Botschafter hofft auf eine weiterhin lange Partnerschaft zur Insel
Usedom und Heringsdorf. Die könnte
durch eine Kooperation im touristischen Bereich vertieft werden. Darauf
verständigten sich Prof. Dr. Gerald
Sitzung im Hotel Ahlbecker Hof. vl.n.r.: Norbert Grimm (Bürgermeisteramt Kaiserbäder),
Wetzel vom Baltic College SchweRalf Müller, Generalmanager der Hotel-Seetelgruppe Kaiserbäder, Dietmar Feige, Manager
rin, der General Manager der Seetal
Ostseehotel, H.-U. Friedrich DTG, S.E. Elyes Ghariani
Gruppe, Ralf Müller und Botschafter
33
ARABISCHER FRÜHLING
BEI DISCOVER FOOTBALL
Fußball Frauen aus
Bizerte holten den
„Fair Play“ Pokal
S
chon zum dritten Mal wurde in Berlin ein internationales Frauenfußballturnier ausgetragen. Dieses Mal fand
es zeitgleich mit der Frauen Europameisterschaft vom 23. bis
28.Juli statt.
Discover Football setzte mit dem diesjährigen Schwerpunkt
„Arabischer Frühling“ einen wichtigen Akzent für eine selbstbewusste und gleichberechtigte Stellung von Frauen und zwar
nicht nur im Sport, sondern in der Gesellschaft insgesamt.
Mit „Creating Opportunities“ haben sich die Veranstalter des Festivals zudem einen wahrhaft passenden Claim
gegeben. Gleichzeitig ging es in den nächsten Tagen aber auch
darum, Erfahrungen zu sammeln, wie Frauen in anderen
Ländern für ihre Rechte eintreten, und aus diesen Erfahrungen neue Handlungsmöglichkeiten für das eigene Umfeld
schöpfen zu können.
Das Turnier fand dieses Jahr mit Teams aus Nordafrika und
dem Nahen Osten, sowie einem Allstar-Team aus Polen und
der Ukraine sowie einem Berliner Team statt. Das Festival
selbst begann mit einem Expertinnen Seminar und einer
Jugendbegegnung zu den Themen Sport / Frauenrechte /
Anti-Diskriminierung und Medien.
Danach spielten die 8 Teams ihr Turnier aus. Gerahmt war
die Woche von einem vielfältigen Kulturprogramm: Public
Viewing der EM in Schweden, sowie Podien und Konzerten.
Wie 2011 gab es auch dieses Jahr ein Fußballcamp für Kreuzberger Mädchen.
Die Frauen-Teams kamen aus Tunesien, Jordanien, Palästina, Ägypten, dem Libanon und aus Polen und der Ukraine.
Zwar kamen die tunesischen Fußball Frauen aus Bizerte nicht
aufs Siegerpodest, nahmen aber dafür den „Fair Play Pokal“
mit nach Hause. Zudem waren die Frauen aus Bizerte die
unangefochtenen Stimmungskanonen auf dem Platz.
Der ehemaligen DFB-Präsident Theo Zwanziger, der die
Initiative sowie den Frauenfußball allgemein stark unterstützt,
ist zur Eröffnungsfeier in das Willy-Kressmann-Stadion gekommen. Natürlich auch die Botschaftsangehörigen der teilnehmenden Länder. Mit viel Power und Leidenschaft gingen
die Spielerinnen dann im Turnier zur Sache. Gegen Ägypten
haben die Tunesierinnen vom Verein „Association sportive
des PTT de Bizerte“ ihr erstes Spiel glatt mit 0:9 verloren. So
eine Niederlage wollen sie nicht noch einmal einstecken. Zu
hause in ihrem Verein steht nicht die Professionalisierung an
erster Stelle, sondern der Wunsch, Frauen in der Gesellschaft
sichtbar zu machen.
Das Endspiel bestreiten letztlich Jordanien und Ägypten.
Die Frauen aus Ägypten können das Spiel am Ende mit 2:1
knapp für sich entscheiden. Aber das ist vielleicht nur das
zweitwichtigste an diesem Turnier.
Tina Buhmann
Fotos: Marlene Assmann
34
Tina Buhmann im Gespräch mit der tunesischen Fussball
Spielerin Chada Béjaoui
Chada, was machst du sonst, wenn du nicht Fußball spielst?
Ich gehe zur Schule, nächstes Jahr mache ich Abitur. Ich mache das Fachabi Wirtschaft und Management.
Seit wann spielst du Fußball?
Seit 5 Jahren, seitdem ich 14 bin.
Wie oft trainiert Ihr im Monat?
Wir trainieren drei mal pro Woche und in der Regel haben
wir am Wochenende ein Spiel.
Wie viele Frauen-Fußballvereine gibt es in Tunesien?
Es gibt 13 Teams. Wir sind oft unterwegs, wegen der Vereinsspiele. Wir reisen durch ganz Tunesien und sind immer im
Bus unterwegs.
Zu wievielt seid Ihr aus Bizerte gekommen?
13 Spielerinnen und unser Trainer und der Präsident unseres
Vereins: Club ASPT Bizerte.
Erzähl mir, was dir hier am besten gefallen hat.
Die Kommunikation, hier ist eine tolle Stimmung. Und wir
haben viel gelernt: die Geschichten und die Traditionen der
Fußballerinnen aus den anderen Ländern und von den Leuten hier.
Was hat dir nicht gefallen?
Das Essen ist nicht gut.
Würdest du zu einem anderen
Fußballturnier nach Berlin kommen?
Jaaaaaa!
FREUNDSCHAFTSLÄUFE IN TUNESIEN
ERMÖGLICHEN NEUE EINDRÜCKE
N
eben den alljährlichen „Osterläufen“ in der Partnerregion des Landessportbundes Rheinland-Pfalz, Nabeul,
besuchten dieses Mal nicht nur Läufer und Läuferinnen die
Region, sondern auch eine Delegationsgruppe des Landessportbundes, des Bildungswerkes und der Sportjugend
des Landessportbundes Rheinland-Pfalz. Lothar Westram
(Hauptgeschäftsführer LSB), Marco Fusaro (Geschäftsführer
des Bildungswerkes des LSB), Thomas Biewald (Vorsitzender
der SJ LSB RLP), Steffen Grummt (stellv. Geschäftsführer
der SJ des LSB RLP), Axel Fickeis (Fussballverein Altendiez),
Nedia Zouari (LSB und SJ des LSB RLP) führten zahlreiche
projektbezogene Gespräche. Schwerpunkt der Gespräche
waren die gemeinsame Zukunftsgestaltung der Partnerschaft,
die Unterstützung von Jugendprojekten in bzw. mit Sportvereinen, die Förderung von Projekten zum Thema Frauen und
Gleichstellung, Behindertensport sowie die Unterbringung
in Gastfamilien während binationaler Trainingslagern oder
Jugendbegegnungen. Der Landessportbund Rheinland-Pfalz
darf im Juli eine tunesische Praktikantin in seinem Haus für
zwei Wochen Willkommen heißen. Ebenso bekommt der
junge und erst jüngst gewählte Präsident des Regionalen
Behindertensportverbandes von Nabeul die Möglichkeit, an
dem Symposium des Landessportbundes mit dem Arbeitstitel
„Inklusion braucht Fantasie“ am 25. September 2013 teilzunehmen. Gespräche wurden ebenso mit einem ansässigen
Volleyballverein und mit einem Breitensportverein geführt.
Das Bildungswerk Sport des Landessportbundes RheinlandPfalz legte seinen Akzent auf die weitere detailbezogene
Planung seiner Projekte.
Erstmals beteiligte sich die ganze Delegationsgruppe an
den Freundschaftsläufen und legten mit zahlreichen anderen
Läufern 10 Kilometer über eine Querfeldein-Strecke unter
strahlendem Sonnenschein hinter sich. Zwar rollten Lothar
Westram und Nedia Zouari das Feld von hinten auf und
sorgten dafür, dass sich keiner verlief, aber es galt die Devise
„Dabei sein ist alles!“.
Eine fantastische Atmosphäre mit Tanz, Gastgeschenken
und Anfeuerungsrufen erwarteten jeden Zieleinläufer. Der
Einsatz der ansässigen Vereine und seinen zahlreichen freiwilligen Helfern trug zu einer rundum gelungenen Veranstaltung bei. Deutsche als auch tunesische Teilnehmer und Helfer
packten gemeinsam an und verwandelten die Freundschaftsläufe zu einem unvergesslichen Ereignis.
Fotos / Text: Nedia Zouari, Landessportbund Rheinland-Pfalz
35
Besuch bei Menzel El Kateb Plantage mit Gästehäusern in
Mahboubine / Midoun
Werner Böckle, Präsident der Deutsch-Tunesischen Gesellschaft, organisierte
im Sommer einen Besuch bei Menzel El Kateb in Mahboubine. Menzel El
Kateb ist ein Familienbesitz von 80.000 m² mit 800 Oliven-, 600 Orangen-, 150
Zitronenbäumen und 100 Palmen. Inmitten dieser Plantage befinden sich drei
schöne Houchs (Häuser), die seit Anfang 2013 als Gästehäuser genutzt werden.
Menzel El Kateb ist seit 5 Generationen im Familienbesitz und die Häuser
spiegeln die Entwicklung der letzten Jahrhunderte wider. Die Houchs wurden
authentisch restauriert und renoviert und haben heute den Komfort und die
Annehmlichkeiten des 21. Jahrhunderts, Klimaanlage, Wifi, Schwimmbad usw.
Houch Skander stammt aus dem 18. Jahrhundert, im typischen Stil von Djerba
mit 418 m² Wohnfläche, 3 Schlafzimmer mit Bad, zwei Wohnzimmer, ein Esszimmer mit Kamin, Küche und einen Patio in den warmen Farben des Orients.
Houch Mohtedi stammt aus dem 19. Jahrhundert im familiären Stil und hat
270 m² Wohnfläche, 2 Schlafzimmer mit Bad, ein grosses Wohnzimmer mit
Esszimmer, Küche und eine grosse Terrasse mit Blick auf die Palmen und
Orangenbäume. Alle Vorhänge, Tagesdecken, Tischdecken sind handgestickt.
Houch Aziza wurde 1995 gebaut, 850 m² Wohnfläche, sehr luxuriöse Villa, 4 Schlafzimmer mit Dressing und Bad, ein sehr
grosses Wohnzimmer mit Kamin, Esszimmer, Büro, Küche, ein zweites Wohnzimmer, Patio mit Springbrunnen und elektrisch
zu öffnendem Dach sowie zwei grosse Terrassen.
Menzel El Kateb bietet Ruhe und Entspannung fernab vom Massentourismus, ist aber trotzdem nahe bei allen notwendigen Einrichtungen wie
Banken, Apotheke, Supermarkt, Golf, Strand usw.
Die Gäste können je nach Saison an der Oliven-, Orangen- und Dattelernte teilnehmen. Menzel El Kateb stellt aus den eigenen Produkten Olivenöl, Zitronnade sowie verschiedene Marmeladen her.
Weitere Informationen unter: Webside: www.menzel-elkateb.com
Mail: [email protected]; Facebook : Menzel El Kateb
Mobil: 00216 20 248 669; Tel / Fax : 00216 75 764 966
Mitglieder der Deutsch-Tunesischen Gesellschaft erhalten für alle Reservierungen in 2013 (Familie + Freunde) einen Sonderbonus von 10 %
auf die aktuellen Tarife.
Text/Fotos: Werner Böckle
Der Stammtisch im Aldiana Djerba Atlantide feierte seinen 1. Geburtstag
Ende Juni 2012 lud der Clubchef vom Aldiana Djerba Atlantide, Oliver Müller, zum ersten Stammtisch ein. Diese tolle Idee
wurde mit großer Begeisterung von der „deutschsprachigen Gemeinde“ auf Djerba angenommen. Seither trifft man sich regelmäßig am letzten Freitag im Monat bei Oliver zum Stammtisch.
Das „kulinarische Highlight“ des Monats. Im wunderschönen Strandrestaurant Pescadore - mit Blick aufs Meer - werden
wir vom Küchenchef Ralf und seinem Team verwöhnt. Den Teilnehmern stehen nach dem „Gruß aus der Küche“ und einer
Vorspeise sowie vor der Nachspeise jeweils zwei raffinierte Hauptgerichte zur Auswahl - Fisch oder Fleisch. Nach diesen
Köstlichkeiten treffen wir uns noch an der Pool-Bar, um dten gelungenen Abend ausklingen zu lassen. Die Nachtschwärmer
können danach das Theater, die Disco oder die Strandparty besuchen. Wenn Auge und Gaumen so sehr verwöhnt werden, und die
Gäste so aufmerksam betreut sind, dann ist es kein Wunder, dass
die Stammtisch-Gäste sich außergewöhnlich wohl fühlen.
Mitglieder der DTG, die auch im Besitz der Mitgliederkarte vom
Aldiana Djerba Atlantide sind, bedanken sich ganz herzlich beim
Clubchef Oliver für den Sonderbonus. Dieser erlaubt ihnen und einer Begleitperson die kostenlose Teilnahme an einem Gala-Dinner.
Die DTG Mitglieder freuen sich wenn der Stammtisch, die Aldiana
Djerba Atlantide Mitgliedskarte sowie der Sonderbonus auch 2014
fortgeführt wird.
Daher hoffen wir, noch viele solcher schönen Abende beim
Stammtisch verbringen zu können. Unser herzlicher Dank gilt besonders dem Clubchef Oliver und seinem „Stammtisch-Team.
Text/Fotos: Werner Böckle
36
„Sommerfestival der Kulturen“ in Stuttgart
D
er Info-Stand der
DTG am Sommerfestival der Kulturen
in Stuttgart ist mittlerweile zu einer festen
Einrichtung geworden.
Auch in diesem Jahr
war die DTG, vertreten
durch ihren Präsidenten Werner Böckle und den Mitgliedern
Susanne Müller und Jürgen Lang am 20. und 21. Juli auf dem
Stuttgarter Marktplatz präsent.
Das Sommerfestival der Kulturen ist ein großes Bürgerfest
und ein Ort der Begegnung mit begeisterten Menschen aller
Nationalitäten, Hautfarben und Altersgruppen, sowie ein
Publikumsmagnet für die unterschiedlichsten Bevölkerungsund Kulturgruppen. Stars der internationalen Weltmusikszene bieten einen mitreißenden Konzertmix. Ausländische
Kulturvereine begleiten die Vorstellungen mit Informationen
und Speisen aus ihren Heimatländern. Insgesamt beteiligen
sich etwa 60 Kulturvereine aus rund 30 Ländern.
Der Stand der DTG war wieder eine gern besuchte Informationsquelle für Tunesien-Kenner und -Interessierte. Und
bei einem Glas „Thé à la menthe“, der trotz der sommerlichen
Hitze großen Anklang fand, konnte vielen Besuchern die
DTG und Tunesien näher gebracht werden.
Aus München war der tunesische Konsul, Herr Salah Chebbi, angereist und zeigte sich begeistert über das besondere
Flair und die Atmosphäre dieser Veranstaltung. Gerne stellte
er sich auch als Ansprechpartner für die Tunesien-Interessierten zur Verfügung.
Susanne Müller
Konsul Salah Chebbi (zweiter von rechts) und Werner
Böckle (links) im Gespräch mit Besuchern
Foto: Susanne Müller
TUNESISCHE STUDENTEN ZU GAST IN DRESDEN
I
m Sommer empfing unser
neues DTG-Mitglied, Henry
Krause, Referent in der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, eine Gruppe von
20 tunesischen Studenten der südtunesischen Universität Gabes,
die derzeit an der Sommerschule
der TU Dresden weilen, zu einem
Erfahrungsaustausch. Bereits vor
der Revolution entstand eine vom
DAAD geförderte Germanistische Institutspartnerschaft (GIP)
zwischen der TU Dresden und
der Universität Gabes, die weiter
ausgebaut wird.
Eveline Barsch
37
ZU BESUCH BEI FREUNDEN IN
SCHÖNINGEN
E
ine Gruppe tunesischer Freunde aus der
Partnerstadt Beni Hassen und Sousse
konnte der Ehren-Präsident der DeutschTunesischen Gesellschaft, Rolf-Dieter Backhauß, in Schöningen begrüßen. Zwei Wochen
waren über zwanzig Tunesierinnen und
Tunesier zum ersten Mal nach der friedlichen
Revolution wieder in Schöningen. Die Gäste
aus der Region Sousse und Beni Hassen
wurden von deutschen Familien betreut und
beherbergt.
Zwei Jahre sind seit dem Umschwung vergangen, hierzu beglückwünschte Rolf-Dieter
Backhauß die tunesischen Gäste. Die Deutsch
Tunesische Gesellschaft und die Städtepartnerschaften haben Tunesien seit Anbeginn
zur Seite gestanden und die Zusammenarbeit
mit Tunesien deutlich verstärkt.
Unser Bemühen ist es, die soziale und wirtschaftliche
Stabilität zu fördern und eine nachhaltige Demokratisierung
zu ermöglichen. Auf die aktuelle Situation eingehend, betonte
Backhauß, dass die Positionen der Regierung und ihrer
Gegner grundverschieden sind. Die Opposition fordert den
sofortigen Rücktritt der Regierung sowie die Auflösung der
Verfassungsgebenden Versammlung, die fast zwei Jahre nach
ihrer Wahl noch keinen Verfassungsentwurf ausgearbeitet
hat. Die Ennahda - die als stärkste Partei bei den Wahlen
hervor gegangen ist - hat diese Forderungen zurückgewiesen
und stattdessen vorgeschlagen, zwei kleine laizistische Parteien an ihrer Regierung zu beteiligen und im Dezember 2013
Neuwahlen abzuhalten. Die UGTT - die mächtige Gewerkschaft ist mit der Vermittlung beauftragt- schlägt als Kompromiss eine Expertenregierung vor, die Verfassungsgebende
Versammlung soll im Gegenzug weiterarbeiten. Backhauß
wünschte den tunesischen Freunden viel Kraft um einen Weg
aus der politischen Krise zu finden.
Die Gruppe aus Tunesien hat ein umfangreiches Programm
38
in den 14 Tagen absolviert. Neben Besuchen der Städte Berlin,
Dresden, Braunschweig und Wolfsburg fanden Betriebsbesuche im Kraftwerk Buschhaus, der Windenergie „ Landwind“,
dem Volkswagenwerk Wolfsburg und in landwirtschaftlichen
Betrieben statt. Ein besonderes Ereignis war die Einladung ins
Forschungs-und Erlebniszentrum „paläon“ und der Besuch
des Deutschen Bundestages in Berlin. Die tunesischen Gäste
besuchten die verschiedensten Einrichtungen in Schöningen.
Empfänge beim Bürgermeister der Stadt Schöningen, Henry
Bäsecke und bei der Deutsch-Tunesischen Gesellschaft fanden statt. Zu diesen Begegnungen waren jeweils die Gäste und
Gastgeber eingeladen. Neben dem traditionellen Fußballspiel
Deutschland –Tunesien fand in diesem Jahr der internationale Wettkampf der Mannschaften aus der Ukraine, Tunesien
und Deutschland im DiscGolf statt. Die traditionelle Musik
und der Tanz sind bei einer Sommerparty im Schloß Schöningen nicht zu kurz gekommen. Tunesier und Deutsche
tanzten die tunesischen Tänze.
Seit über 40 Jahren findet der Austausch zwischen Beni
Hassen/Sousse und Schöningen sowie der Region um Schöningen statt. Seit 18 Jahren besteht eine offizielle Partner-
schaft zwischen der Stadt Schöningen und Beni Hassen. Der
Landkreis Helmstedt hat ebenfalls seit 31 Jahren eine Partnerschaft mit dem Gouvernorat Medenine / Djerba.
„Die Pflege der Beziehungen mit dem Ausland ist nicht nur
Sache der damit offiziell befassten Dienststellen und Institute,“ betonte Rolf-Dieter Backhauß, „wenn aus Beziehungen
wirkliche Freundschaften entstehen sollen, bedarf es des Einsatzes von Personen, die aus dieser Kontaktpflege eine Sache
des Herzens machen.“ Hierfür bietet die Deutsch-Tunesische
Gesellschaft seit ihrem Bestehen ein gutes Beispiel. „Gewiß
sind für die Entfaltung der Deutsch-Tunesischen Beziehungen gute Voraussetzungen gegeben, da die Bevölkerung aus
Tradition und Neigung sehr deutschfreundlich eingestellt ist.
Aber in der ganzen Breite haben sich diese Beziehungen erst
dadurch entwickelt, dass sich auf beiden Seiten Menschen
fanden, die noch mehr daraus machen wollten; eine lebendige
Freundschaft, getragen von der gegenseitigen Achtung und
gestaltet aus dem menschlichen Füreinander.“
„ Ohne das Engagement der Zivilgesellschaft wäre unsere
Partnerschaft nicht möglich. Erst der direkte Kontakt zwischen den Menschen beider Länder, ihr freiwilliges Engagement und die vielen persönlichen Freundschaften schaffen
die Grundlage für eine wirklich nachhaltige Entwicklung der
Partnerschaft zwischen Deutschland und Tunesien“.
Dieses schrieb der Botschafter der Bunderepublik Deutschland in Tunesien, Jens Plötner in einer Grußbotschaft an den
Partnerschaftsaustausch Schöningen-Tunesien, und bedankte
sich bei allen die sich dieser Aufgabe verpflichtet haben.
Im Jahr 2014 ist wiederum ein Besuch in Tunesien geplant.
Texxt/Fotos: Rolf-Dieter Backhauß
INTERNATIONALER BESUCH:
TUNESISCHE ÄRZTE
BESICHTIGEN HELIOS
ST. MARIENBERG KLINIK
HELMSTEDT
A
Tunesische Ärzte zu Besuch: v.l.n.r. Dr. med. Mohamed Tahar
Loued, Mouna Belaid (AiP), Prof. Dr. med. Detlev Ameis
und Rolf-Dieter Backhauß, 1. stellvertretener Landrat und
Vorsitzender des Kankenhausbeirates
m 28. August 2013 empfing die HELIOS St. Marienberg Klinik Helmstedt ganz besondere Gäste: RolfDieter Backhauß, 1. stellvertretender Landrat und Ehrenpräsident der Deutsch-Tunesischen Gesellschaft e.V., und zwei
tunesische Ärzte besuchten die Klinik und erhielten einen
Einblick in den deutschen Krankenhausalltag.
In Empfang genommen wurden die drei Besucher von Prof.
Dr. med. Detlev Ameis, Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin – Gastroenterologie. „Ich freue mich, dass wir
den Kollegen aus Tunesien hier einen Blick in das deutsche
Gesundheitswesen ermöglichen können, um so Wissen und
Erfahrungen zu teilen und einen internationalen Austausch
über die unterschiedliche medizinische Versorgung herzustellen“, so Prof. Ameis. So zeigte der Chefarzt den Gästen unter
anderem das moderne Herzkatheterlabor, führte sie durch
die Operationssäle und lud sie auf die sanierten Stationen des
Hauses ein.
„Als Ehren-Präsident der Deutsch-Tunesischen Gesellschaft e.V. verstehe ich mich als Vermittler zwischen verschiedenen Kulturen und Kontinenten und möchte die Menschen
beider Länder enger vernetzen. Umso schöner ist es, dass wir
in der HELIOS St. Marienberg Klinik Helmstedt Fachkollegen
aus Deutschland und Tunesien zusammenbringen können“,
sagt Rolf-Dieter Backhauß. Während ihres vierzehntägigen
Aufenthaltes in Deutschland absolvierten die afrikanischen
Gäste ein umfangreiches Programm.
„Als Klinik mit hoher Fachkompetenz und vielen Weiterbildungsermächtigungen in den Fachabteilungen konnten wir
in der Vergangenheit bereits zahlreiche internationale Ärzte
fortbilden und freuen uns, wenn wir ausländischem Fachpersonal auch in Zukunft als verlässlicher Partner in Sachen
Aus-, Fort- und Weiterbildung zur Verfügung stehen“, freut
sich auch Klinikgeschäftsführer Matthias Hahn.
Text/Foto: Rolf-Dieter Backhauß
39
ARABISCHKENNTNISSE
IN TUNESIEN VERBESSERT
Die Schülerinnen nahmen an verschiedenen Schulen am Unterricht teil, wo
sie ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen mussten.
I
n diesem Jahr reisten erstmals drei Schülerinnen der
Klassenstufe 9 des Spezialgymnasiums für Sprachen in
Schnepfenthal mit ihrer Arabischlehrerin Frau Sara Hoffmeier nach Tunesien, um ihre Arabischkenntnisse zu verbessern
und aktiv anzuwenden. Die Reise nach Tunesien wurde durch
die tatkräftige Unterstützung von Werner Böckle; Präsident
der Deutsch-Tunesischen Gesellschaft und der tunesischen
Gesellschaft ATA durch Moncef Zeghal sowie Amel Kadri
(Inspektorin für Deutsch als Fremdsprache) sowie dem tunesischen Erziehungs- und Außenministerium ermöglicht.
Die Zeit in Tunesien verging wie im Flug und die drei Schülerinnen haben viele Eindrücke gesammelt, von denen sie
noch lange profitieren können. Die drei haben bei Gastfamilien gewohnt und konnten so das Leben in Tunesien intensiv
erleben und erforschen.
In der ersten Woche des Aufenthaltes nahmen die deutschen Schülerinnen in verschiedenen Schulen am Unterricht
teil. Sie konnten zum einen ihre Arabischkenntnisse im
Geschichtsunterricht testen, konnten aber auch in anderen
Unterrichtsfächern ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen.
Einige Stunden Arabischunterricht waren auch vorgesehen.
Während eines Besuchs der internationalen Schule in Ariana
(Tunis) nahmen die Schülerinnen an einer Stunde Arabisch
als Fremdsprache bei und konnten sich intensiv einbringen.
Die zwei Wochen in Tunesien verbrachten die deutschen
Schülerinnen gemeinsam mit tunesischen Schülern und Lehrern, was nicht nur die Verständigung förderte, sondern auch
Freundschaften wachsen ließ. Höhepunkte der Reise waren
die gemeinsamen Ausflüge in der näheren und weiteren Umgebung von Tunesien. Der erste beeindruckende Ausflug war
bereits einen Tag nach der Ankunft in Tunesien. Ziel waren
40
Karthago und Sidi Bou Said. In Karthago besichtigte die
kleine Gruppe auch den Ort, in dem der französische Schriftsteller Gustave Flaubert wohnte und sich zu seinem Roman
Salambo inspirieren ließ. Außerdem entdeckten wir den Ort,
an dem viele tunesische Jugendliche gern ihre Zeit vertreiben,
um zu flirten.
Während des Aufenthaltes standen weitere Ausflüge auf
dem Programm, beispielsweise nach Douga und Testour, aber
auch nach Hammamet und Nabeul sowie nach Kurbus.
Die Fahrten zu den einzelnen Zielen wurden durch viel
Gesang und Tanz zu einem Erlebnis und einem großen Spaß.
So lernten die Schüler singend Arabisch und Deutsch. Leider
verging die Zeit viel zu schnell und der Abschied fiel allen
sehr schwer.
Da die Sprachreise so ein Erfolg war und die Kontakte zu
den Lehrern und vor allem der Inspektorin für Deutsch so
eng sind, soll nun eine Schulpartnerschaft erwachsen. Im Gegenzug erwartet die Salzmannschule ihre neuen tunesischen
Freunde im Herbst aus Tunis und heißt Schüler und Lehrer
herzlich willkommen.
Die Reise nach Tunis und der enge Kontakt zu den tunesischen Schülern und Lehrern förderte das Kennenlernen und
vor allem das sich Auseinandersetzen mit einer neuen Kultur.
Die deutschen Schülerinnen kehrten mit einem veränderten,
sehr positiven Bild von Tunesien zurück und auch die Tunesier konnten viel über die deutsche Kultur lernen. Es war sehr
schön, zu sehen, wie die Schüler miteinander umgingen und
wie schnell Freundschaften geschlossen wurden.
Text / Foto: Sara Hoffmeier
Internationale Sommeruniversität in Marburg
U
nter dem Titel „Frieden und Konflikt. Naher und
Mittlerer Osten: politische, kulturelle und ökonomische Aspekte des Arabischen Frühlings - eine europäische
Sicht.“, fand vom 20. Juli bis 17. August 2013 an der Universität Marburg eine internationale Sommeruniversität statt. Die
Kooperation vom Zentrum für Konfliktforschung und dem
Centrum für Nah- und Mittelost Studien machten sich zum
Ziel, den Arabischen Frühling aus europäischer Perspektive
zu erarbeiten.
Als Studentin der Orientwissenschaften mit wirtschaftlichem Schwerpunkt sah ich die Chance mich in diesem Rahmen der Thematik wissenschaftlich zu nähern und mich in
Seminaren in englischer oder deutscher Sprache gemeinsam
mit internationalen Studierenden dem Thema anzunehmen.
Die Schwerpunkte lagen vor allem auf dem Israel-Palästina
Konflikt und Ägypten, sowie Tunesien, als Auslöser des Arabischen Frühlings.
Zum Rahmenprogramm gehörten ein wöchentliches
Filmprogramm, arabische und hebräische Sprachkurse, sowie
Exkursionen nach Frankfurt, Kassel und Straßburg. Diese
dienten nicht zuletzt für einen erneuten Perspektivenwechsel.
Frankfurt übernahm die Rolle der europäischen Finanzhauptstadt und Standort der Europäischen Zentralbank. In Kassel
besuchten wir eine Kommune, die uns Einblicke in ihren
Alltag und ihr Verständnis von Politik, Wirtschaft und Kultur
vermittelten und abschließend Straßburg, die europäische
Hauptstadt und historisches Symbol für den Frieden zwischen Frankreich und Deutschland.
Der wichtigste Bestandteil dieses Programms war dennoch
der Austausch untereinander. Studierende aus aller Welt von
China über Palästina, Ägypten, Puerto Rico bis nach Kanada,
konnten aus ihrem Blickwinkel und ihrem Verständnis einen
Teil zu der Erarbeitung des Arabischen Frühlings beitragen
und für einen offenen Dialog zwischen den Interessierten
sorgen.
Für mich war es eine sehr interessante Erfahrung Tunesien
in einem internationalen Kontext zu betrachten und eine
gute Gelegenheit internationale Studenten kennen zu lernen.
Mit der Stipendiatin aus Marburgs Partnerstadt Sfax, Nessrine Rekik, verlebte ich eine aufregende Zeit und wir sind
gute Freunde geworden. Wir haben verabredet, dass ich sie
nächstes Jahr in Sfax besuchen werde. Die inhaltliche und interkulturelle Auseinandersetzung mit Studierenden hat mich
inspiriert und motiviert, mich weiterhin in diesem Bereich zu
engagieren.
Essia Sophia Ouertani
Der Limes –
eine antike Verbindung zwischen Deutschland und Tunesien
(vom Okzident zum Orient) und den ehemaligen Provinzen
Raetien (Deutschland) und Africa (Tunesien)
S
tädtepartnerschaften, Schüler- und Studentenaustausch,
Soziale Projekte und wirtschaftliche Interessen sind
wichtige Maßnahmen, um in Zeiten der Globalisierung ein
kontinuierliches, völkerübergreifendes Verhältnis zwischen
beiden Ländern zu pflegen und weiter auszubauen.
Was aber Tunesien und Deutschland seit Jahrhunderten
verbindet, ist das archäologische und historische Erbe, die
ehemaligen Provinzen des Großen Römischen Reiches mit
seinen Grenzlinien und die Überreste der erlebbaren kulturellen Welterbestätten. Die Grenzen dieses Reiches umspannten
ein Gebiet, das im Norden nach Schottland und in die Karpaten, im Westen bis an die portugiesische Atlantikküste, im
Süden bis an den Rand der Sahara und im Osten bis an den
Euphrat reichte.
Schon Ende der 70er Jahre wurde das römische Amphitheater von El Djem, die Ruinen von Karthago (phönizisch/punisch) und die Medina (Mittelalter) von Tunis in die Liste der
UNESCO-Welterbestätten aufgenommen. Dann folgte das
Naturdenkmal „Nationalpark Ichkeul (1980), die Kulturdenkmäler „Stadt und Totenstadt von Kerkouane“ (punisch), die
Medina von Sousse und Kairouan sowie 1997 die römischen
Ruinen von Dougga.
Im Jahre 2005 ist der Obergermanisch-Raetische Limes
(ORL), der sich zwischen den Flüssen Rhein und Donau
befindet, ist als Teil des „Frontiers of the Roman Empire“ von
der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt worden. Hinter
41
diesem Namen verbirgt sich ein besonderes antikes Denkmal,
das am Rande des Römischen Reiches von Britannien über
den Rhein und die Donau bis in den Nahen Osten und nach
Afrika reichte. Die Reste dieses Limes erstrecken sich über
das Territorium von zehn europäischen Staaten. Von Großbritannien im Norden über Deutschland, nach Südosteuropa
und weiter in fast ebenso viele Staaten im Nahen Osten und
in Nordafrika.
Zusammen mit den Kulturdenkmälern in Tunesien steht
dieser, von den Römern angelegte Grenzwall bisher in drei
Abschnitten (Hadrianswall, ORL, Antoninuswall) gemeinsam
unter dem Schutz der Internationalen Konvention für das
Kultur- und Naturerbe der Menschheit.
Im Gegensatz zu den teilweise noch sehr gut sichtbaren
Überresten der Kulturdenkmäler in Tunesien ist das eigentliche Welterbe „Limes“ ein Bodendenkmal und liegt unter der
Oberfläche verborgen; allerdings ist es das größte archäologische Kulturdenkmal Europas.
550 km führt dieses Bodendenkmal durch Deutschland,
durchquert 4 Bundesländer (Rheinland-Pfalz, Hessen, BadenWürttemberg, Bayern) mit über 900 Wachtürmen und 100
größeren Kastell- und Militäranlagen, davon prägt dieser von
den Römern angelegte Grenzwall rund 70 Kilometer sowohl
die Landschaft als auch die Kultur in Mittelfranken.
Bereits im 1. Jahrhundert n. Chr. erfolgten zahlreiche
Vorstöße der Römer in das Gebiet zwischen der nördlichen
Alpengrenze und dem Lauf des Rheines vom Bodensee ab bis
zum Mittelrhein. Bei diesem Vordringen der Römer bildete
sich schon bald die römische Provinz Raetien zwischen den
nördlichen Alpen (Tirol und nördliche Schweiz), Teilen von
Südbayern bis zum Inn, Südschwaben und die südlichen Teile
des heutigen Frankens. Der abgrenzende Wall des Limes wurde schon unter dem Kaiser Domitian (81-91 n. Chr.) begonnen und bis zum Zerfall des Römischen Reiches (260 n. Chr.)
in unterschiedlicher Weise stark ausgebaut.
Das war auch das Entstehungsdatum des Limes Arabicus
zum Schutz der reichen Provinzen Syria und später (ab 106
n. Chr.) auch Arabia. Der Limes lag damit im Gebiet des
heutigen Syrien und Jordanien und schützte über mehrere
Jahrhunderte die römischen Provinzen als Grenze.
Um 813 v. Chr. wurde von den Phöniziern auf dem ByrsaHügel (heute am Stadtrand von Tunis) die Stadt Karthago
gegründet und entwickelte sich im Laufe der folgenden
Jahrhunderte zur führenden Handelsmacht im westlichen
Mittelmeer. Karthago war das Zentrum eines mächtigen
Reiches, zu dem der größte Teil Nordafrikas, der Süden der
iberischen Halbinsel, Sardinien und Teile Siziliens gehörten.
Die Konfrontation mit dem Römischen Reich führte zu den
drei Punischen Kriegen (seit 264 v. Chr.), die 146 v. Chr. mit
der Zerstörung Karthagos endeten. Daraufhin gründeten die
Römer die Provinz Africa.
Soweit man heute weiß, waren es Scipios Truppen im Jahre
203 oder 204 v. Chr. die ersten Römer, die von Sizilien aus
afrikanischen Boden betraten.
Unter Kaiser Septimius Severus (193-211) wurde die Provinz Numidia von der Provinz Africa proconsularis getrennt
und weitere Provinzen entstanden. Die Namen der neugeschaffenen Provinzen waren Africa proconsularis mit der
Hauptstadt Karthago, Byzacena im mittleren und südlichen
Teil Tunesiens mit der Hauptstadt Hadrumetum/Sousse sowie
weiter östlich Tripolitania mit der Hauptstadt Leptis Magna
östlich von Homs.
Trotz der recht komplexen und unterschiedlichen Zusammensetzung der afrikanischen Bevölkerung vollzog sich die
Romanisierung Nordafrikas in weniger als drei Generationen.
Africa war – denkt man an die vielen momumentalen Überreste nordafrikanischer Römerstädte – auch am sichtbarsten
von der römischen Zivilisation geprägt. Haupterzeugnis und
–ausfuhrprodukt des heutigen Tunesiens war Weizen. Schon
die Karthager hatte im Norden und Osten ihres Staatsgebietes
Getreide angebaut. Diese Produktion deckte den Kornbedarf
Roms zu zwei Dritteln.
So entwickelte sich „Africa“ zu einer der blühendsten
Provinzen Roms. Als Kornkammer lieferte sie neben Weizen auch Holz, Wolle und vor allem Olivenöl. Von großer
Bedeutung war auch der Abbau des marmor Numidicum in
SimitthusChemtou/Tunesien, der als wichtiger Exportartikel
der inner- und außerhalb der afrikanischen Provinzen seine
Abnehmer fand.
Im Hinterland des heutigen Tunesiens florierten Städte
wie Thysdrus (heute El-Djem) mit seinem Amphitheater für
35.000 Besucher.
So diente der Limes als Grenze des Römischen Reiches
nicht nur als militärische Befestigungslinie sondern sorgte
auch für Stabilität und Wirtschaftswachstum. Zahlreiche
Handelsgüter drangen in die Welt jenseits dieser Grenzen.
Luxuswaren wie Schmuck und kostbare Textilien aus Rom
passierten den Limes nach Germanien. Sie wurden gegen
Rohstoffe, wie Metalle und Honig,
aber auch gegen blonde Haarflechten der Germaninnen getauscht, die
bei den Römern heiß begehrt waren.
Der Limes der sich zentral durch
viele europäische, kleinasiatische
und nordafrikanische Länder zieht,
könnte ein gemeinsamer Garant dafür sein, um über unsere kulturellen
Unterschiede und Ungleichheiten
nachzudenken und eine moderne
grenzübergreifende Zusammenarbeit zu fördern.
Irene Hirari-Wüst
Das römische Weltreich zur Zeit seiner
größten Ausdehnung
42
EIN AUSSERGEWÖHNLICHER GEBURTSTAG
DTG Ehrenmitglied Dieter Bade wurde 90
I
n diesem Jahr feierte Ehrenmitglied der Deutsch-Tunesischen Gesellschaft, Dieter Bade, seinen 90. Geburtstag.
Geboren und aufgewachsen in Berlin, musste Bade mit 19 Jahren
an die Front.
Als Leutnant und Chef einer Panzerartellerieabteilung war er
in Nordafrika in Ägypten, Libyen und dem französischen Protektorat, das vom damaligen Bey von Tunis verwaltet wurde. Dann
von 1943 bis 1946 in amerikanischer Kriegsgefangenschaft in
der kleinen Stadt Trinidad in Colorado. Nach seiner Freilassung
waren inzwischen aus Feinden Freunde geworden. Dieter Bade
und seine Frau Eva erhielten in dieser Zeit für ihr Engagement
die Ehrenbürgerschaft der Stadt Trinidad.
Bei der Deutsch-Tunesischen Gesellschaft gehört er mit
Eintritt 1965 zu den ältesten Mitgliedern und wurde 2010 durch
den damaligen Präsident der DTG, Rolf-Dieter Backhauß, zum
Ehrenmitglied gekürt. 1967 wurde Dieter Bade, der in Westberlin
in einer großen Stahlbau / Fensterfirma Generalbevollmächtigter
war, Sektionsleiter der DTG in Berlin.
Ein Höhepunkt war für Bade 1964 sicherlich der Staatsbesuch
des tunesischen Präsidenten Habib Bourguiba. Da es damals
noch keine Botschaft und Konsulate von Tunesien gab, war das
Haus von Dieter Bade von der Deutsch-Tunesischen Gesellschaft
eine Station des tunesischen Präsidenten.
1980 wurde der Wohnsitz der Familie Bade nach München
Foto: Renate Mai
verlegt. Dort übernahm der Jubilar die Sektion Bayern von der
Sektionsleiterin Viktoria Lohmüller und ist seit dieser Zeit auch
als Präsidiumsmitglied in der DTG tätig.
In den 70er Jahren reiste Dieter Bade mit seiner Ehefrau Eva und den vier Kindern nach Tunesien um ihnen die Schauplätze
zu zeigen, wo er vor 30 Jahren gekämpft hat. Viele Freundschaften gibt es aus dieser Zeit und bei dem Jubilar eine auch heute
noch vorherrschende tiefe Dankbarkeit.
Deutsch-Tunesische Rundschau
begründet 1961
Herausgeberin:
Deutsch-Tunesische Gesellschaft e.V.
Laerheidestraße 26, 44799 Bochum
www.deutsch-tunesische-gesellschaft.de
Präsident: Werner Böckle
Redaktion, Design & Layout: Detlef Mai
Adresse der Redaktion:
Am Holm 19, 24783 Osterrönfeld
Tel.: 0151 40745689
E-Mail: [email protected]
Titelbild:
Kinder im SOS Kinderdorf Mahrés / Tunesien
Foto: SOS Kinderdorf weltweit
Bildnachweis:
sofern nicht anders angegeben
Deutsch-Tunesische Gesellschaft e.V.
Foto: Abdelwaheb Bouazizi
www.tunesienreporter.de
43
Deutsch-Tunesische Gesellschaft e.V.
Geschäftsstelle
Laerheidestraße 26,
44799 Bochum
www.deutsch-tunesische-gesellschaft.de
[email protected]
44