Inhaltsverzeichnis - Drei für Wuppertal
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Inhaltsverzeichnis - Drei für Wuppertal
1 Inhaltsverzeichnis 2 I. Präambel ............................................................................................................... 4 3 4 II. Bildung ................................................................................................................ 11 5 Kinderarmut bekämpfen ..................................................................................................... 13 6 Alle Talente fördern ............................................................................................................ 14 7 Schule ist Lern- und Lebensort für alle Kinder.................................................................... 14 8 Demokratie und Lebensgestaltung kann gelernt werden ................................................... 15 9 Diese Prävention in der Schule zahlt sich aus .................................................................... 15 10 Für lebensbegleitendes Lernen öffnen ............................................................................... 15 11 Vorbeugung schützt vor intensiven Ausgaben ................................................................... 16 12 Frühkindliche Bildung - Förderung von Anfang an ............................................................. 16 13 Dem Fachkräftemangel begegnen ..................................................................................... 17 14 U3-Ausbau weiter voranbringen ......................................................................................... 18 15 Inklusion in der Kita ............................................................................................................ 19 16 Sprachförderung ................................................................................................................. 19 17 Ein neues Gesetz für frühkindliche Bildung ........................................................................ 19 18 Elternmitwirkung weiter stärken .......................................................................................... 20 19 Kinderrechte stärken........................................................................................................... 20 20 Schule der Zukunft: Schule als Lern- und Lebensort .......................................................... 21 21 Wir verbessern den Übergang von Schule in den Beruf ..................................................... 27 22 Wissen schafft Chancen - Hochschulen in NRW vor großen Herausforderungen ............. 28 23 Forschen für den Fortschritt – Der Mensch im Mittelpunkt ................................................. 34 24 Die lernende Gesellschaft: Weiterbildung in NRW ............................................................. 38 25 26 III. Wirtschaft, Klimaschutz, Energie ...................................................................... 39 27 Nachhaltige Industriepolitik ................................................................................................. 40 28 Mittelstandspolitik ............................................................................................................... 43 29 Technologische Schwerpunkte setzen ............................................................................... 45 30 EU-Strukturfonds aus einem Guss ..................................................................................... 47 31 Klimaschutz made in NRW ................................................................................................. 54 32 Windenergie........................................................................................................................ 56 33 Photovoltaik ........................................................................................................................ 57 34 Wasserkraft......................................................................................................................... 57 35 Geothermie ......................................................................................................................... 57 36 Energieeinsparung.............................................................................................................. 57 37 Effizienz-Potenziale im Gebäudebestand ........................................................................... 58 38 Erneuerbares-Wärme-Gesetz (EWärmeG NRW) ............................................................... 58 Für eine Politik der Vorbeugung ......................................................................................... 11 Nachhaltige Wirtschafts- und Strukturpolitik ....................................................................... 39 1 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 39 Einsparung und Vermeidung von Energiearmut ................................................................. 59 40 Kraft-Wärme-Kopplung ....................................................................................................... 59 41 Wettbewerb, Netze und Speicher für die Energiewende .................................................... 60 42 Atomausstieg ...................................................................................................................... 61 43 Zukunftsperspektive für die Steinkohleregion sichern ........................................................ 62 44 Neue Kraftwerke für NRW .................................................................................................. 63 45 Kohlekraftwerke Datteln und Lünen.................................................................................... 64 46 Nachhaltige Perspektiven für das Rheinische Revier ......................................................... 65 47 Bergschäden und Restseen ............................................................................................... 66 48 Innovationsregion Rheinisches Revier ............................................................................... 66 49 Kohlendioxidabscheidung und -speicherung (CCS) ........................................................... 67 50 Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten....................................................................... 67 51 52 IV. Umwelt, Landwirtschaft, Verbraucherschutz ............................................ 69 Ökologischer Aufbruch in NRW - Besser leben in Stadt und Land ..................................... 69 53 NRW lebenswert halten - Natürliche Ressourcen schützen ............................................... 75 54 Starke ländliche Räume – naturnahe Landwirtschaft ......................................................... 79 55 Verbraucherinnen und Verbraucher mächtig machen - Verbraucherschutz stärken .......... 84 56 Mehr Tierschutz in NRW..................................................................................................... 87 57 58 V. Bauen, Wohnen, Verkehr ................................................................................... 88 59 60 VI. Arbeit, Soziales, Integration, Inklusion ......................................................... 107 61 62 Armut vermeiden und bekämpfen ....................................................................... 113 63 NRW schützt Menschen vor Verfolgung und in Not ......................................................... 117 64 Auf dem Weg zu einem inklusiven NRW .......................................................................... 118 65 66 Zukunftsfähige Mobilität für alle in NRW ............................................................................. 98 NRW setzt auf gute Arbeit und faire Löhne ...................................................................... 107 Integration in NRW erfolgreich gestalten .......................................................................... 115 VII. Familie, Jugend, Generationen, Sport ..................................................... 124 Familien in NRW ............................................................................................................... 124 67 Jugendpolitik: Ein eigenständiges Politikfeld .................................................................... 126 68 69 Zivilgesellschaftliches und Bürgerschaftliches Engagement in Nordrhein-Westfalen stärken .......................................................................................................................................... 128 70 Politische Bildung stärken................................................................................................. 129 71 Rechtsextremismus bekämpfen ....................................................................................... 130 72 Wir bewegen NRW ........................................................................................................... 131 73 74 VIII. Gesundheit, Pflege, Emanzipation ........................................................... 134 Gesundheitsversorgung sozial ausrichten ........................................................................ 134 75 Demografischer Wandel: Selbstbestimmtes Leben im Alter ermöglichen ........................ 139 76 Wir stehen für ein tolerantes NRW ................................................................................... 146 2 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 77 78 79 IX. Kommunen, Innen, Justiz ......................................................................... 148 Für handlungsfähige Kommunen und eine lebendige Demokratie in Nordrhein-Westfalen .......................................................................................................................................... 148 80 Wir stehen für handlungsfähige Kommunen ..................................................................... 149 81 Wir stärken die kommunale Daseinsvorsorge .................................................................. 153 82 Stadt und Land: Wir stehen für eine lebendige Demokratie ............................................. 154 83 Sicherheit stärken und Freiheit gewährleisten .................................................................. 156 84 Rechtspolitik in Nordrhein-Westfalen................................................................................ 161 85 86 X. Kultur, Medien, Kirchen und Religionsgemeinschaften ............................... 166 87 Medien in NRW - Vielfalt und Unabhängigkeit stärken ..................................................... 171 88 Religiöse Vielfalt gestalten ................................................................................................ 177 Kunst und Kultur in NRW sichern ..................................................................................... 166 89 XI. Europa, Eine-Welt ...................................................................................... 178 90 91 XII. Finanzen ..................................................................................................... 187 Nordrhein-Westfalen muss seine finanzielle Handlungsfähigkeit zurückgewinnen .......... 187 92 Wir stehen zu unseren Sparkassen .................................................................................. 193 93 Weitere Schritte zum Umbau der WestLB ........................................................................ 194 94 Dienstrechtsreform ........................................................................................................... 194 95 Glücks- und Automatenspiel ............................................................................................. 194 96 XIII. Allgemeine Vereinbarungen ..................................................................... 195 97 98 99 3 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 I. Präambel Verantwortung für ein starkes NRW – Miteinander die Zukunft gestalten Bei der Landtagswahl am 13. Mai 2012 haben die Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen für klare Verhältnisse gesorgt. SPD und Grüne haben eine deutliche Mehrheit errungen und den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten. Das Ergebnis der Wahl ist eine eindrucksvolle Bestätigung für die Arbeit der bisherigen rot-grünen Minderheitsregierung. Es ist ein großer Vertrauensbeweis. Wir stellen uns der Verantwortung und werden den von uns in den vergangenen zwei Jahren eingeschlagenen Weg der wirtschaftlichen und ökologischen, sozialen und demokratischen Entwicklung unseres Landes fortsetzen. Wir wollen, dass NordrheinWestfalen weiter gut regiert wird. Dabei folgen wir den Grundsätzen einer Politik, die auf Vorbeugung, Inklusion und Integration sowie auf Nachhaltigkeit setzt. Bei uns steht nicht der Markt, sondern der Mensch im Mittelpunkt. Deshalb bleibt es bei unserem Ansatz der vorsorgenden Politik mit dem Ziel: Wir lassen kein Kind zurück. Wir investieren in Kinder und Bildung, die wirtschaftliche und ökologische und ökonomischer Erneuerung, handlungsfähige Kommunen, Familien und Inklusion. Das stärkt die Gesellschaft als Ganzes und darüber hinaus auch den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen. Wir werden uns weiter für gute Zukunftsperspektiven unserer Städte und Gemeinden, für mehr Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt und für eine gute Entwicklung des Industrielandes NRW einsetzen. Die ökologische Erneuerung und den Klimaschutz wollen wir konsequent vorantreiben. Die rot-grüne Minderheitsregierung hat Wort gehalten. Auch für die Zukunft gilt: Wir werden halten, was wir versprechen, und nichts versprechen, was wir nicht halten können. Unsere Politik wird verlässlich und berechenbar bleiben. Dabei werden wir die Kultur des Dialogs, die wir als Minderheitsregierung begonnen haben, fortsetzen. Wir wollen auch als Mehrheitsregierung auf neue und innovative Formen der Beteiligung setzen, das Parlament weiterhin stärken und die direkte Demokratie fördern. Es geht um ein gutes Zusammenspiel von Regierung, Parlament und Zivilgesellschaft. Wir lassen kein Kind zurück – Beste Bildung für alle Indem wir gezielt und frühzeitig Familien und Kinder stärken, stärken wir gleichzeitig unser Gemeinwesen. Vorbeugend ausgerichtete Politik muss alle Kinder von Anfang an erreichen. Wir müssen früh beginnen und die Hilfsangebote besser miteinander 4 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 verknüpfen, damit eine Präventionskette entsteht, die sich am Lebensweg eines Kindes orientiert. So lassen sich auch spätere Kosten vermeiden. Jedes Kind soll seine Talente entfalten können. Wir wollen unser Bildungssystem gerechter und leistungsfähiger gestalten. Wir stehen dazu, dass der Zugang zu Bildung nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen darf. Das Ziel ist die Beste Bildung für alle. Zugang zu Bildung und Förderung auf hohem qualitativem Niveau, längeres gemeinsames Lernen in der Schule und ein beitragsfreies und qualitativ hochwertiges Studium sind der Schlüssel für wirtschaftliche Stärke und Zukunftsfähigkeit, für Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit. SPD und Grüne wollen den Eltern echte Wahlfreiheit in der Kinderbetreuung ermöglichen. Frühkindliche Bildung kann nur mit einem Ausbau von Kita-Plätzen gelingen. Durch die Umsetzung des Schulfriedens ermöglichen wir längeres gemeinsames Lernen und schaffen leistungsstarke und gute Schulen im ganzen Land. Wir wollen, dass Schülerinnen und Schüler mit Behinderung gemeinsam mit anderen Kindern lernen. Für uns gilt weiterhin: Kein Abschluss ohne Anschluss. Unser Ziel ist eine Ausbildungsgarantie. Wir wollen, dass alle Studierwilligen ein erfolgreiches Studium in NRW absolvieren können, stärken die Demokratie an unseren Hochschulen und setzen den Rahmen für eine breite und zukunftsgerichtete Forschung. Wir sind uns einig: Lebensbegleitendes Lernen ist einer der zentralen Pfeiler für Bildungsaufstieg. Nur mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, die Perspektiven haben, meistern wir gesellschaftliche Umbrüche und gelingen uns gesellschaftliche Aufbrüche. Nachhaltige Haushalts- und Finanzpolitik schafft Generationengerechtigkeit Wir werden unsere Haushaltspolitik der Verantwortung fortsetzen, die aus einem Dreiklang besteht – gezielt sparen, in Zukunft investieren, Einnahmen erhöhen. So wird es uns gelingen, die Schuldenbremse einzuhalten. Wir sind überzeugt davon, dass Nordrhein-Westfalen mit diesem Dreiklang einen ausgeglichenen Haushalt bis zum Jahr 2020 erreichen wird. In diesem Geiste wollen wir auch in der Landesverfassung eine Schuldenbremse verankern, die aber nicht zu Lasten der Kommunen gehen darf. Wir werden aufzeigen, dass eine Politik der Vorbeugung auch schon mittelfristig finanzielle Renditen für die öffentlichen Haushalte einbringt. Zu einer verantwortungsvollen Finanzpolitik gehört auch eine faire Verteilung der Finanzmittel. Deshalb werden wir in NRW massiv darauf drängen, dass im Bund eine Vermögenssteuer wieder eingeführt, der Spitzensteuersatz für Zukunftsinvestitionen erhöht und eine Finanztransaktionssteuer erhoben wird. Starke Schultern in diesem Land können und müssen mehr tragen als schwache. Sehr viele sind dazu auch 5 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197 198 199 200 201 202 203 204 205 206 207 208 209 210 211 212 213 214 215 216 217 218 219 220 221 222 223 224 225 226 227 228 229 230 bereit – im Sinne einer gerechten Gesellschaft. Außerdem dürfen Fördermittel des Bundes nicht mehr nach Himmelsrichtung, sondern müssen nach Bedarf verteilt werden. Handlungsfähige Kommunen stärken die Demokratie Die Kommunen sind das Fundament unserer Gesellschaft. Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen sind Heimat der Menschen. Hier zeigt sich täglich, wie vielfältig und lebenswert unser Gemeinwesen ist. Die Rahmenbedingungen für ein selbstbestimmtes Leben und die soziale und gesellschaftliche Teilhabe müssen deswegen dort gestaltet werden, wo die Menschen leben. Daher wollen wir zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern und den Kommunen lebenswerte Wohnquartiere gestalten und weiterentwickeln. Das Quartier ist der Ort, an dem sich gesellschaftliche Solidarität entfalten kann, durch einen Mix von professionellem und ehrenamtlichen Engagement und Nachbarschaftshilfen über Generationengrenzen hinweg. Wir werden die Voraussetzungen dafür gestalten, dass Menschen im Alter und Pflegebedürftigkeit selbstbestimmt in ihrer gewohnten Umgebung leben können. SPD und Grüne werden ihre Politik fortsetzen, die die Kommunen als Partner auf Augenhöhe betrachtet und nicht als Bittsteller. Deshalb setzen wir unsere Politik fort, die finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommunen zu stärken. Stadt und Land bilden eine Verantwortungsgemeinschaft. Schon zwischen 2010 und 2012 haben SPD und Grüne die Demokratie insbesondere auf kommunaler Ebene gestärkt und zu allen wesentlichen Themen den Dialog mit der Zivilgesellschaft gesucht. Demokratie zu stärken heißt, sie permanent weiterzuentwickeln. Wir werden deshalb auch auf Landesebene die direkte Bürgerbeteiligung erleichtern. Stärkung der Demokratie ist zugleich eine Stärkung der Zivilgesellschaft. Wer mitbestimmt, übernimmt Verantwortung für das Gemeinwesen. Beteiligung setzt Transparenz voraus. Wir wollen miteinander für mehr Transparenz von Politik sorgen – auf allen Ebenen. Dazu setzen wir auch auf die neuen Möglichkeiten, die die digitale Gesellschaft bietet. Wir wollen die Verfassung des Landes reformieren und werden dazu eine Verfassungskommission einrichten. Der Wirtschafts- und Innovationsstandort NRW ist innovativ und leistungsfähig Unsere Wirtschaft ist stark. Die Gründe dafür liegen zum einen in den hervorragend qualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und zum anderen in einer Vielzahl von innovativen und weltweit wettbewerbsfähigen Unternehmen. Mittelstand und Handwerk bilden das breite und tragfähige Fundament unserer erfolgreichen 6 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 231 232 233 234 235 236 237 238 239 240 241 242 243 244 245 246 247 248 249 250 251 252 253 254 255 256 257 258 259 260 261 262 263 264 265 266 267 268 269 270 271 272 273 274 Wirtschaft. Wir helfen ihr qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen und neue Leitmärkte zu erschließen. Sie kann sich zur Sicherung ihrer Innovationskraft auf ein exzellentes Netz an Hochschulen und Forschungseinrichtungen stützen. Wir werden die Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen mit einem Mittelstandsgesetz auf eine neue Grundlage stellen und die begonnene Handwerksinitiative NRW fortführen. Eine an Patientinnen und Patienten orientierte Gesundheitspolitik ist für uns die Basis für eine leistungsstarke Gesundheitswirtschaft. Sie ist treibender Faktor für Beschäftigungswachstum und Innovation. Nordrhein-Westfalen ist ein Industrieland und muss es bleiben. Die globale Wirtschafts- und Finanzkrise hat eindrucksvoll bestätigt, dass dies der richtige Weg war und ist. Gerade durch die Energiewende kann es uns gelingen, dieses Industrieland für die Zukunft fit zu machen. Die energieintensive Industrie kann die Energiewende durch neue Geschäftsfelder mit gestalten und davon profitieren. Die Fortentwicklung der Industriestandorte wollen wir gemeinsam mit den Unternehmen und den Menschen vor Ort umsetzen und dabei verschiedene Interessen miteinander in Einklang bringen. Nordrhein-Westfalen ist ein mobiles Land. Mobilität ist eine Grundvoraussetzung für Teilhabe und eine gute Zukunft in einem industrialisierten Land. Es ist eine zentrale Herausforderung in der kommenden Legislaturperiode, Mobilität insgesamt zu vereinfachen, zu sichern und bezahlbar zu halten. Dazu muss die gesamte Mobilität in den Blick genommen werden – und zwar nicht isoliert voneinander, sondern vernetzt zwischen Straße, Wasserweg und Schiene. Wir werden noch stärker als bisher gegenüber der Bundesregierung deutlich machen, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland insgesamt auf eine leistungsfähige Infrastruktur in Nordrhein-Westfalen angewiesen ist. Energiewende und Klimaschutz werden wir als Fortschrittsmotor nutzen Nordrhein-Westfalen ist das Energieland Nummer 1 und soll es auch bleiben. Dieses Potenzial müssen wir auch für die Jahrhundertaufgabe Klimaschutz nutzen. Energiewende und Klimaschutz sind zentrale Themen, die den notwendigen Umbau des Wirtschaftsstandortes NRW prägen und den Industriestandort NRW stärken werden: Klimaschutz ist für uns Fortschrittsmotor. Wir wissen dabei, dass Ökonomie und Ökologie, Arbeit und Umwelt keine Gegensätze sind. Deshalb treffen wir mit dem Klimaschutzgesetz eine politische Leitentscheidung und wollen die großen Chancen, die in der Energiewende liegen, konsequent nutzen, ohne die Herausforderungen aus dem Auge zu verlieren. Wir werden den schnellstmöglichen Umstieg auf Erneuerbare Energien und den Ausbau von Energieeffizienz und Energieeinsparung vorantreiben. Wir wollen die Energiewende sozial gestalten. Hohe Energiepreise treffen vor allem Menschen mit geringem Einkommen. Politik muss den Grundstein 7 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 275 276 277 278 279 280 281 282 283 284 285 286 287 288 289 290 291 292 293 294 295 296 297 298 299 300 301 302 303 304 305 306 307 308 309 310 311 312 313 314 315 316 317 318 legen und Anstöße geben, damit wir miteinander die Klimaziele erreichen und die Energiewende meistern. Verantwortungsvolle Politik schützt Mensch und Umwelt Wir verpflichten uns, Mensch und Natur in NRW nachhaltig zu schützen. Ein neuer ökologischer Aufbruch in NRW ist notwendig. Bei der Bekämpfung der Umweltprobleme haben wir erste Schritte gemacht, stehen aber weiter vor großen Herausforderungen. Kinder haben hier einen besonderen Schutzanspruch und das Recht, in einer intakten und nicht gesundheitsgefährdenden Umwelt aufzuwachsen. Nachhaltigkeit bedeutet für uns die Verbindung von sozialer Gerechtigkeit und ökonomischer Vernunft mit ökologischer Verantwortung. Deshalb setzen wir uns ein für ambitionierte Umweltstandards, eine Ökologisierung der Landwirtschaft, eine naturnahe und zukunftsorientiere Waldwirtschaft, einen starken Verbraucherschutz sowie eine neue Umweltwirtschaftsstrategie für NRW. Wir wollen einen nachhaltig ausgerichteten Industriestandort NRW. Wir wollen das Naturerbe in NRW bewahren, die biologische Vielfalt konsequent schützen und das Überleben zahlreicher Tier- und Pflanzenarten sichern. Sauberes und gesundes Trinkwasser ist unser wichtigstes Lebensmittel. Wasser ist ein Teil der Daseinsvorsorge und gehört in öffentliche Verantwortung. Wir verfolgen ein Konzept der nachhaltigen und ökologischen Wasserwirtschaft. Flüsse, Bäche und ihre Auen sollen wieder zu zentralen Lebensadern werden. Der Boden stellt eine unvermehrbare und unverzichtbare Lebensgrundlage dar. Sein Schutz hat mit Blick auf die Ressourcenknappheit, den Erhalt der regionaltypischen biologischen Vielfalt und der zukünftigen landwirtschaftlichen Produktion eine wachsende Bedeutung. Wir wollen eine nachhaltige, bäuerliche und gentechnikfreie Landwirtschaft, die zum Erhalt und zur Entwicklung lebenswerter ländlicher Räume beiträgt, und wollen den Ökolandbau ambitioniert ausbauen. Die Förderung tier- und artgerechter Haltungsformen und den Tierschutz wollen wir deutlich verstärken. NRW setzt auf gute Arbeit und gerechte Löhne Wir wollen uns nicht damit abfinden, dass die Schere auf dem Arbeitsmarkt zwischen denen, die einen festen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz haben und denen, die lediglich einer unsicheren und oftmals auch schlecht bezahlten 8 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 319 320 321 322 323 324 325 326 327 328 329 330 331 332 333 334 335 336 337 338 339 340 341 342 343 344 345 346 347 348 349 350 351 352 353 354 355 356 357 358 359 360 361 Beschäftigung nachgehen, immer größer wird. Wir wenden uns entschieden dagegen, dass die Zahl der befristeten Arbeitsverträge und die Zahl derer, die von einem Niedriglohn leben müssen, rasant steigt. Deshalb treten wir für einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn ein. Der Missbrauch in der Leih- und Zeitarbeit muss beendet werden. Wir werden den gravierenden Benachteiligungen am Arbeitsmarkt entgegentreten und setzen uns vor allem für gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit ein. Zu viele Menschen werden so auch bei uns dauerhaft von Wohlstand und gesellschaftlicher Teilhabe abgekoppelt. Gleichzeitig steigt der Fachkräftemangel. Wir setzen uns gemeinsam mit den Gewerkschaften für gute Arbeit, anständige Arbeitsbedingungen und faire Löhne ein. Wir halten am Ziel der Vollbeschäftigung fest. Wir treten auch in enger Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften für Mindeststandards als Regeln und gegen Missbrauch und Lohndumping auf dem Arbeitsmarkt ein. Für uns ist es eine Frage der Verantwortung für den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft, den Menschen durch gute Arbeit wieder Teilhabe und sozialen Aufstieg zu ermöglichen. Nordrhein-Westfalen: Land des Zusammenhalts Die Menschen in NRW wissen um den Wert von sozialer Gerechtigkeit und gesellschaftlicher Teilhabe. Doch nach wie vor haben viele weniger Chancen und sind vom gemeinsamen Leben in NRW ausgeschlossen. Deshalb wollen wir Nordrhein-Westfalen zum Land des Zusammenhalts weiterentwickeln und hier die Vorreiterrolle übernehmen. Alle Menschen, die hier leben, sind Teil dieses Landes – unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihrer körperlichen und geistigen Verfassung, unabhängig von Geschlecht, Alter oder sexueller Identität, unabhängig vom finanziellen oder sozialen Status. Unser Ziel einer geschlechtergerechten und diskriminierungsfreien Gesellschaft erreichen wir nur in enger Zusammenarbeit mit den Organisationen und Initiativen der Zivilgesellschaft. Den demografischen Wandel gestalten Der demografische Wandel ist eine der zentralen gesellschaftspolitischen Herausforderungen unserer Zeit. Wir werden die Veränderungen, Chancen und Herausforderungen, die durch die älter werdende Gesellschaft auf uns zukommen, aktiv gestalten. Wir werden zusammen mit allen beteiligten gesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren Kräfte bündeln, um Wirtschaft, Infrastruktur und soziale Sicherungssysteme für die älter werdende Gesellschaft zukunftsfähig zu machen. Nur so wird es uns gelingen, das Recht auf Selbstbestimmung und Teilhabe in jeder Lebensphase sicherzustellen. Unsere gesellschaftliche und pflegerische Versorgung 9 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 362 363 364 365 366 367 368 369 370 371 372 373 374 375 376 muss sich auf die veränderte Bedarfe einstellen und sich – statt an den Strukturen – an den Bedürfnissen der Menschen ausrichten. Rot-Grün – gut für Nordrhein-Westfalen und den Bund Die Wählerinnen und Wähler in Nordrhein-Westfalen haben am 13. Mai 2012 deutlich gemacht: Die Menschen in Nordrhein-Westfalen lehnen eine Politik der Entsolidarisierung ab. Sie haben sich für eine Politik der Verantwortung und des Miteinanders, einer gerechten und nachhaltigen Entwicklung und damit für eine gute Zukunft unseres Landes entschieden. SPD und Grüne arbeiten darauf hin, dass dies künftig auch für die Bundespolitik gilt. Wir übernehmen Verantwortung und gestalten miteinander die Zukunft. 10 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 377 378 379 380 381 382 383 384 385 386 387 388 389 390 391 392 393 394 395 396 397 398 399 400 401 402 403 404 405 406 407 408 409 410 411 412 413 414 II. Bildung 415 416 417 418 419 FüreinePolitikderVorbeugung Bildung bedeutet das Herausbilden einer Persönlichkeit, die Vermittlung von Wissen, das Miteinanderlernen, das Vermitteln von Werten und Haltungen, das Erlernen von Demokratie und sozialer Kompetenz. Gute Bildung ist ein entscheidender Baustein für Chancengleichheit, Gerechtigkeit, Partizipation, sozialen Zusammenhalt und für die persönliche Zukunft. Gute Bildungspolitik ist zugleich präventive Sozial-, Wirtschafts- und Integrationspolitik. Und gute Bildung ist ein Grundpfeiler für eine gestärkte lebendige Demokratie und die Zukunft unseres Landes. Noch immer hängt der Bildungserfolg in Deutschland stark von der sozialen Herkunft ab. Auch in NRW sind wir noch weit von Chancengleichheit entfernt. Das kann sich unsere Gesellschaft weder sozial noch volkswirtschaftlich länger leisten. Deshalb wollen wir ein gerechteres und leistungsfähigeres Bildungssystem schaffen. Wir wollen alle Talente fördern und alle Potenziale entwickeln. Wir wollen kein Kind zurücklassen. Hoffnungslose Fälle können wir uns nicht leisten. SPD und GRÜNE denken Bildung nicht von der Institution, sondern von den Kindern und Jugendlichen, dem Menschen aus. Jeder Mensch verfügt über Potenziale und Fähigkeiten, die erkannt, gefördert und entwickelt werden müssen. Für eine Wissensgesellschaft stellt sich auch die Frage von Teilhabe und Chancengleichheit neu. Wir wollen optimale Bildungsmöglichkeiten schaffen, um allen Kindern und Jugendlichen gleiche Chancen zu ermöglichen. Deshalb setzen wir auf ein inklusives Bildungssystem, auf lebensbegleitendes Lernen, auf mehr Qualität in den Kitas und auf leistungsstarke Schulen und Hochschulen. Zentrale Themen sind neben der Struktur eines gerechten und leistungsstarken Bildungssystems der quantitative und qualitative Ausbau von frühkindlichen Betreuungsplätzen, die innere Schulentwicklung, ausreichende Studienplätze an demokratischen Hochschulen sowie die Kooperation zwischen Bildungseinrichtungen, Familien und weiteren außerschulischen Einrichtungen in regionalen Netzwerken. Wir wissen: Je länger Kinder eine Kindertagesstätte besuchen, desto besser sind ihre späteren Bildungsabschlüsse. Wir sind überzeugt: Längeres gemeinsames Lernen macht unser Schulsystem gerechter und leistungsfähiger. Wir bekennen uns nach wie vor zu dem Ziel, bis 2015 gesamtstaatlich 10 % des Bruttoinlandsprodukts für Bildungs- und Forschungsausgaben aufzuwenden. Wir streben gemeinsam eine Aufhebung des Kooperationsverbotes an. Dabei wollen wir den gesamten Bildungsbereich einbeziehen. Wir wollen kein Kind zurücklassen. Soziale Herkunft darf Bildungschancen nicht erschweren. Davon hängen die Zukunftsfähigkeit und der Zusammenhalt unseres Landes ab. 11 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 420 421 422 423 424 425 426 427 428 429 430 431 432 433 434 435 436 437 438 439 440 441 442 443 444 445 446 447 448 449 450 451 452 453 In der vergangenen Wahlperiode haben wir große Anstrengungen unternommen, um Kinder in ihrer Entwicklung früh zu fördern und Eltern bei der Betreuung, Bildung und Erziehung ihrer Kinder zu unterstützen. Dazu gehört der präventive Kinderschutz. Dazu gehören Projekte wie der kostenlose Elternkurs und der Ausbau der Familienzentren in sozial benachteiligten Stadtteilen. Die Erfolge geben uns Recht. Wir müssen früh ansetzen und zielgenau helfen. Denn wir wollen, dass in NordrheinWestfalen alle Kinder die gleichen Chancen für ein gelingendes Aufwachsen haben. Deshalb setzen wir auf eine Politik der Vorbeugung. Diese baut auf den vorhandenen Angeboten der Einrichtungen und Trägern auf, so z.B. die der Kinder- und Jugendhilfe, der Bildungseinrichtungen der Familienpolitik sowie der Sozial- und Gesundheitspolitik. Wir wollen zudem Brücken zu zivilgesellschaftlichen Akteuren und zur Wirtschaft schlagen und setzen auf eine aktive Teilhabe der Familien, Kindern und Jugendlichen bei der Ausgestaltung des präventiven Ansatzes. Es geht uns um den Aufbau verbindlicher Netzwerkstrukturen, damit in der Prävention eine Hand in die andere greift und so ein wirksames Vorbeugesystem mit eindeutigen Zuständigkeiten entsteht. Mit dem gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung begonnenen Projekt „Kein Kind zurücklassen“ gehen wir diesen Weg. In 18 Kommunen bauen wir Präventionsketten auf, die ein systematisches präventives Handeln beispielhaft ermöglichen. Unsere Politik der Vorbeugung folgt dabei dem Grundsatz: Früh handeln, gezielt fördern und rechtzeitig unterstützen. Wir verknüpfen unseren politischen Ansatz des Projektes „Kein Kind zurücklassen“ mit den Zielen und Fördermöglichkeiten des neuen Bundeskinderschutzgesetzes und wollen mit einem Gesetz zum präventiven Kinderschutz vorbeugende Politik flächendeckend im Land umsetzen. Dabei streben wir deren Konkretisierung und Einbettung in die vorbeugende Politik unseres Landes an. Wir wollen ein Gesetz zum präventiven Kinderschutz und für frühe Hilfen entwickeln. Der vorbeugende Politikansatz bedeutet konkret: 454 455 456 457 458 459 460 461 Wir stärken unter Einbeziehung des Bundeskinderschutzgesetzes den präventiven Kinderschutz und verbinden ihn mit unserem vorbeugenden Politikansatz, wir unterstützen Eltern in ihrer Erziehungskompetenz und vernetzen die Bildungs- Beratungs- und Hilfsangebote (Familienhebammen), die wir weiter stärken wollen; wir setzen unsere begonnenen Aktivitäten zur Stärkung gesundheitlicher Präventions- und Hilfeangebote fort; 12 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 462 463 464 465 466 467 468 469 470 471 472 473 474 475 476 477 478 479 480 481 482 483 484 485 486 487 488 489 490 491 492 493 494 495 496 497 498 499 500 501 502 503 504 Kinderarmutbekämpfen wir konzentrieren unsere Angebote in sozial benachteiligten Stadtteilen sowie auf diejenigen, die sie am dringendsten benötigen und folgen dabei der Perspektive von Kindern und Jugendlichen; wir unterstützen die Kommunen dabei, ihre vorbeugenden Angebote passgenau fortzuentwickeln und setzen das Modellvorhaben „Kein Kind zurücklassen! – Kommunen in NRW beugen vor“ fort; wir verbessern die Voraussetzungen zur Vernetzung der Jugendhilfe mit Schule, Gesundheit und Familienförderung unter Einbeziehung aller, auch zivilgesellschaftlicher Akteure; wir beteiligen die Familien, Kinder und Jugendliche bei der Ausgestaltung unserer vorbeugenden Politik und wir bauen die Studien- und Berufswahlorientierung flächendeckend aus und werden das Übergangssystem von der Schule in den Beruf wirksam optimieren. Die Bekämpfung der Kinderarmut hat in diesem Kontext einen besonderen Stellenwert. Denn besonders Kinder, deren Eltern in Armut leben, sind von den positiven Entwicklungen unserer Gesellschaft oftmals ausgeschlossen und immer noch entscheidet der soziale Hintergrund der Eltern die Chancen und Möglichkeiten der Kinder. Das wollen wir ändern. Jedes sechste Kind in Deutschland ist von Armut bedroht. Rund 450.000 Kinder in NRW leben in Familien, die Leistungen nach dem SGB II beziehen. In Städten wie Dortmund und Duisburg sowie anderen strukturschwachen Regionen ist zudem die Quote der von Armut bedrohten Menschen seit 2005 zudem erheblich gestiegen; davon sind auch maßgeblich Kinder betroffen. Kinder mit armen Mütter und / oder Vätern haben bisher in unserer Gesellschaft weniger Chancen auf Teilhabe, sei es bei der Bildung, bei Sport oder Kultur. Wir setzen uns auf Bundesebene für die Einführung einer Kindergrundsicherung ein. Zudem müssen wir dafür sorgen, dass das Bildungs- und Teilhabepaket bei den Kindern und Jugendlichen ankommt. Dazu ist dieses weiterzuentwickeln und unbürokratischer zu gestalten. Wir wollen keine kommerziellen Hilfeagenturen, wir wollen ein qualitativ hochwertige und damit auch nachhaltig wirkende Infrastruktur an Bildungs- und Teilhabeeinrichtungen. Bevor dieser Ausbau möglich und erreicht ist, wollen wir dass die einzelnen Leistungen des Bildungs- und Teilhabepaketes finanziell bedarfsdeckend und den individuellen Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen entsprechend sind. Zudem sind die Antragsverfahren zu vereinfachen. Auch setzen wir uns dafür ein, dass alle Kinder, die bedürftig sind, am Bildungs- und Teilhabepaket partizipieren dürfen, und wir nicht wie bisher durch einen 13 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 505 506 507 508 509 510 511 512 513 514 515 516 517 518 519 520 Härtefallfonds des Landes aushelfen müssen. Zudem fordern wir grundsätzlich eine Aufhebung des im Grundgesetz festgehaltenen Kooperationsverbots in der Bildung. Somit wäre eine direkte Infrastrukturförderung der Bildungsund Teilhabeeinrichtungen möglich. 521 522 523 524 525 526 527 528 529 530 531 AlleTalentefördern 532 533 534 535 536 537 538 539 540 541 542 543 544 545 546 547 SchuleistLern‐undLebensortfüralleKinder Materielle Armut von Kindern ist auch häufig Bildungsarmut. Deshalb müssen und wollen wir alle Möglichkeiten nutzen, dieser Entwicklung entgegenzutreten und Kinder optimal fördern. Um die Maßnahmen und Ansätze - dort wo möglich miteinander zu verbinden ist der „Runde Tisch“ hilfreich. Der Runde Tisch „Hilfe für Kinder in Not“ soll daher fachübergreifende Strategie- und Handlungsmöglichkeiten gegen Kinderarmut für Nordrhein-Westfalen entwickeln. An ihm nehmen unter Federführung der obersten Landesjugendbehörde Vertreter verschiedener Ressorts der Landesregierung sowie Experten aus Kommunen, Verbänden und anderen Institutionen teil. Unser Schulsystem muss dem Ziel der Chancengleichheit für alle Kinder besser gerecht werden. Wir müssen alle Talente fördern und alle Potenziale entfalten. Die Teilhabe an Bildung stellt die Weichen für die Lebensplanung, sie ist der Schlüssel für Bildungskarrieren und eine gelingende Berufslaufbahn. Deshalb müssen insbesondere Benachteiligungen früh erkannt und kompensiert werden, um die soziale „Vererbung“ von Bildungsarmut zu verhindern. Hierzu bedarf es einer sozialräumlichen Ressourcensteuerung, für die wir den Sozialindex weiterentwickeln. Ganztagsschulen als Lern- und Lebensort bieten allen Kindern und Jugendlichen neue Chancen, Lernanregungen und eine vertiefte individuelle Förderung zu erhalten. Damit werden Wege zu neuen Erfahrungen geöffnet, die über die bisherigen Lebensweltbezüge hinausgehen. Schulaufgaben sollen nicht in die Familien verlagert werden. Der Bildungserfolg sollte nicht davon abhängen, ob sich Eltern Nachhilfe für ihre Kinder leisten können oder nicht. Gleichwohl gilt der Anspruch an die Eltern, sich aktiv und unterstützend in die Erziehungspartnerschaft von Schule und Elternhaus einzubringen. Wir wollen eine Willkommenskultur in den Schulen verankern, um diese Verantwortungsgemeinschaft zu stärken. Der Zusammenhalt der Gesellschaft wird mit einem inklusiven Bildungssystem gestärkt. Verschieden zu sein ist normal. Alle Kinder sollen willkommen und angenommen sein. Miteinander und voneinander zu lernen, eröffnet neue Lernchancen für alle Kinder. Die Vielfalt der Menschen mit ihren unterschiedlichen 14 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 548 549 550 551 552 553 554 Talenten und Fähigkeiten ist eine Bereicherung. Neben dem Erwerb fachlicher Kompetenzen wollen wir auch den Erwerb der notwendigen Schlüsselqualifikationen stärken. Kommunikations- und soziale Kompetenzen sind für eine erfolgreiche Berufslaufbahn ebenso unverzichtbar wie interkulturelle Kompetenz und die Wertschätzung von Verschiedenheit. 555 556 557 558 559 560 561 562 563 564 565 DemokratieundLebensgestaltungkanngelerntwerden 566 567 568 569 570 571 572 573 574 575 576 577 578 579 DiesePräventioninderSchulezahltsichaus 580 581 582 583 584 585 586 587 FürlebensbegleitendesLernenöffnen Schule hat den Auftrag, zum Leben in der sozialen Gemeinschaft und der Demokratie zu erziehen. Dazu muss sie Demokratie leben. Wir wollen den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken und frühzeitig gegen fundamentalistische und antidemokratische Tendenzen sensibilisieren. Wir stärken auch die Kompetenzen zur Lebensgestaltung, u. a. durch die Vermittlung von allgemeiner Finanzkompetenz, Verbraucher-, Gesundheitsund Ernährungsbildung. Bewegungsförderung und Sport haben für uns einen hohen Stellenwert. Gelingende Bildungsbiografien sind ein Schlüssel für gelingende Beschäftigungsbiografien. Durch gute Bildung wird das Risiko, erwerbslos zu werden, gemindert. Dies trägt dazu bei, Sozialtransfers zu reduzieren und die volkswirtschaftliche Leistung zu erhöhen. Der präventive Ansatz einer systematischen Begleitung von Kindern und Jugendlichen reagiert frühzeitig auf sich anbahnende Schwierigkeiten und nicht erst, wenn sich Auffälligkeiten zeigen, die repariert werden müssen. Multiprofessionelle Teams ergänzen die pädagogische Arbeit in den Schulen. Dadurch werden die Kinder gestärkt und die Lehrkräfte entlastet, die sich so besser auf ihre Kernaufgabe des guten Unterrichts konzentrieren können. Die gelingende Bildungsbiografie von Kindern und Jugendlichen bildet auch die Grundlage, sich im Berufs- und Lebensverlauf auf neue Herausforderungen einzulassen und sich für neue Anforderungen zu qualifizieren. Das Prinzip, Potenziale zu stärken, muss auch in der Weiterbildung stärker wirksam werden. 15 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 588 589 590 591 592 593 594 595 596 597 598 599 600 601 602 603 604 605 606 607 608 609 610 611 612 VorbeugungschütztvorintensivenAusgaben 613 614 615 616 617 618 619 620 621 622 623 624 625 626 627 628 629 630 FrühkindlicheBildung‐FörderungvonAnfangan Nordrhein-Westfalen investiert viel Geld in Maßnahmen der Hilfe, die erst spät ansetzen. Allein die Kosten für die Hilfen zur Erziehung überfordern die Jugendämter zunehmend. Auch die Kosten die durch Schulabbrüche, mangelnde Schulbildung etc. entstehen sind enorm. Das wollen und müssen wir durch unsere vorbeugende Politik anpacken. Die vorliegenden Daten und Fakten sprechen für sich. Wir halten am Rechtsanspruch auf Hilfen für Erziehung fest. Land und Kommunen finanzieren ein Vielfaches mehr in den Bereich der Reparaturen als in die Vorbeugung. Dieses Verhältnis muss umgekehrt werden. Denn Haushaltskonsolidierung und vorsorgende Politik sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Die gesellschaftlichen, sozialen und bildungspolitischen Versäumnisse von heute sind die Schulden von morgen. Was wir bei der Förderung unserer Kinder und bei der Unterstützung von Familien kurzfristig versäumen, kommt die öffentlichen Haushalte langfristig teuer zu stehen. Unsere vorsorgende Politik setzt daher auch bei den Ursachen von Einnahmeausfällen und Ausgabesteigerungen an, um Defizite durch eine Veränderung der Strukturen in den Griff zu bekommen. In Federführung der Obersten Landesjugendbehörde und unter Einbeziehung anderer Ressorts, die wichtige Entscheidungen für junge Menschen und Familien treffen, wollen wir daher diesen Prozess einer Politik der Vorbeugung steuern und fachlich begleiten. Die ersten Lebensjahre eines Kindes sind die entscheidenden Bildungsjahre. Sie sind für ein gelingendes Aufwachsen von zentraler Bedeutung. Wir wollen daher die Angebote frühkindlicher Erziehung, Bildung und Betreuung sowie die Familien in ihrer Bedeutung für die Bildung und Erziehung anerkennen und als prioritäre Glieder der Bildungskette fördern. Hier machen Kinder ihre ersten Erfahrungen, die grundlegend für alle weiteren Bildungsanstrengungen sind. Elementare Bildung geht von kompetenten Kindern aus, denen kompetente Erwachsene in gemeinsamer Verantwortung begegnen. Dies gilt in besonderer Weise für Sprache und Kommunikation, aber auch für andere Erfahrungs- und Bildungsbereiche von Bewegung und Motorik über Kultur bis hin zur Auseinandersetzung mit der Natur. Wir wollen Chancengleichheit und gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe. Deshalb brauchen wir ein Angebot elementarer Bildung, das den Kindern und den Bedarfen ihrer Familien gerecht wird. Bestehende Barrieren wie Gebühren, Mangel 16 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 631 632 633 634 635 636 637 638 639 640 641 642 643 644 645 646 647 648 649 650 an U3-Plätzen und Hemmnisse für Kinder mit Behinderung sollen abgebaut werden. Neben diesem notwendigen Abbau von Zugangsbarrieren brauchen wir auch einen weiteren Ausbau der Qualität der pädagogischen Arbeit in den Tageseinrichtungen und der Kindertagespflege. Wir werden prüfen, wie das Qualitätsmanagement in den Kindertageseinrichtungen weiter unterstützt und verbessert werden kann. 651 652 653 654 655 656 657 658 659 660 661 662 663 664 665 666 667 668 669 670 671 672 673 DemFachkräftemangelbegegnen Wir wollen in die frühe Bildung investieren, um eine gute Bildungsförderung für alle Kinder von Anfang an zu ermöglichen. Pädagogische Fachkräfte sind zentrale Beziehungspersonen, die Kinder intensiv fördern und Eltern in diesen Förderprozess einbeziehen müssen. Die Personalausstattung der Kitas und die Qualifizierung des pädagogischen Fachpersonals müssen den wachsenden Anforderungen gerecht werden. Deshalb wollen wir eine bessere Personalausstattung und uns stärker bei der Aus- und Weiterbildung des Kita-Personals engagieren. Nur ein guter Personalmix wird den heutigen Anforderungen an frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung gerecht. Dazu gehört auch der verstärkte Einsatz von Fachkräften mit Hochschulabschluss. Für die Kindertagespflege sind flächendeckende Maßnahmen zur Qualitätssicherung notwendig. Nordrhein-Westfalen hat in den letzten Jahren die Ausbildungskapazität für Erzieherinnen und Erzieher stark erhöht. Dennoch werden wir verstärkt Anstrengungen zur Gewinnung und Qualifizierung von Fachkräften unternehmen. Wir werden prüfen, ob zusätzliche Ausbildungsmöglichkeiten geschaffen werden können und wir gleichzeitig alle vorhandenen arbeitsmarktpolitischen Instrumente nutzen, um mehr Fachkräfte für die Kindertageseinrichtungen zu gewinnen. Wir wollen eine praxisintegrierte bzw. dualorientierte Erzieherinnen- und Erzieherausbildung gemeinsam mit interessierten Trägern und Berufskollegs an einigen Modellstandorten erproben. Für die staatliche Anerkennung der einschlägigen Studienabschlüsse werden wir die rechtlichen Grundlagen schaffen. Zugleich unterstützen wir die Durchlässigkeit und Anschlussfähigkeit der Bildungswege einschließlich der Studiengänge für Fachschulabsolventinnen und -absolventen. Qualitativ werden wir die Fachschulausbildung auch im Hinblick auf die Förderung der unterdreijährigen Kinder weiter entwickeln. Das Fachkräfteprinzip hat Bestand. Zur Sicherung des insbesondere mit dem U3Ausbau verbundenen Personalmehrbedarfs werden im Zusammenwirken mit den Trägern auch der Einsatz und Möglichkeiten zur Fortbildung von Kinderpflegerinnen und Kinderpflegern dauerhaft gewährleistet. 17 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 674 675 676 677 678 679 680 681 682 683 684 685 686 687 688 689 690 691 692 693 694 695 696 697 698 699 700 701 702 703 704 705 706 707 708 709 710 711 712 713 714 715 716 Wir werden Maßnahmen ergreifen, um mehr junge Männer für die Arbeit in der frühkindlichen Bildung zu gewinnen. Wir müssen allen Kindern die Chance geben, ihre Talente und Potenziale zu entfalten. Unsere Gesellschaft, aber auch der Wirtschaftsstandort NRW, sind auf Ideen und Kreativität angewiesen. Deshalb müssen wir mehr junge Menschen zu besseren Abschlüssen bringen. Damit dies gelingt, muss die Förderung früh beginnen. Wir dürfen kein Kind mehr zurücklassen. Daher ist für uns klar: Bildung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein. Wir werden schrittweise die Elternbeitragsfreiheit in den Kindertageseinrichtungen einführen. U3‐Ausbauweitervoranbringen Wir stehen zum Ausbau der Kita-Plätze für unter dreijährige Kinder und zum Rechtsanspruch ab 2013. Beim U3-Ausbau werden wir die bereits in der letzten Legislaturperiode gemeinsam mit den Kommunen und Trägern gestartete Ausbaudynamik steigern. Wir erkennen den verfassungsrechtlichen Anspruch der Kommunen auf einen Lastenausgleich (Konnexität) für die Investitions- und die Betriebskosten zur Erfüllung des Rechtsanspruchs an und werden die Kommunen bei der Finanzierung eines bedarfsgerechten Betreuungsangebotes dauerhaft unterstützen. Deshalb werden wir als eine der ersten Maßnahmen zu Beginn der Legislaturperiode den Gesetzentwurf für einen Kostenausgleich bei der Finanzierung der U3-Betreuung in den Landtag einbringen. Die Ausgleichszahlungen werden in den Folgejahren mit der Zahl neu geschaffener U3-Plätze weiter ansteigen. Wir erwarten im Gegenzug von den Kommunen, dass diese zusätzlichen Mittel vollständig für die Betreuung der unterdreijährigen Kinder zu Verfügung gestellt werden. Wir erwarten aber auch, dass sich der Bund, wie beim Krippengipfel 2007 zugesagt, an den tatsächlichen Kosten beteiligt. Nur so kann der bedarfsgerechte Ausbau eines qualitativ guten Betreuungsangebotes dauerhaft gesichert werden. Wir fordern den Bund auf, die geplanten Mittel für das Betreuungsgeld den Ländern und Kommunen zur Schaffung von U3-Plätzen zur Verfügung zu stellen. Unser Ziel bleibt: Ein bedarfsgerechtes Betreuungsangebot mit guter Qualität. Wir werden bei öffentlichen und privaten Arbeitgebern darauf hinwirken, sich im Sinne der Familienfreundlichkeit an der Schaffung von Kita-Plätzen stärker zu beteiligen. Die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist uns ein zentrales Anliegen. Wir wollen bedarfsgerechte Formen flexibler Betreuungsangebote erproben. 18 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 717 718 719 720 721 722 723 724 725 726 727 728 729 730 731 732 733 734 735 736 737 738 739 740 741 742 InklusioninderKita 743 744 745 746 747 748 749 750 751 752 753 754 Sprachförderung 755 756 757 758 EinneuesGesetzfürfrühkindlicheBildung Kein Kind mit Behinderung soll Ausgrenzung erfahren. Vielmehr sollen von Anfang an Kinder mit und ohne Behinderung zusammen in den Kindergarten gehen. Der Auftrag der UN Konventionen für die Rechte der Menschen mit Behinderung gilt in vollem Umfang auch in der frühkindlichen Bildung. Mit dem ersten KiBiz-Änderungsgesetz haben wir bereits die Inklusion in den Kindertagesstätten gestärkt. Wir wollen nun für ein bedarfsgerechtes Angebot an erforderlichen heilpädagogischen Maßnahmen in den Kindertageseinrichtungen sorgen. Die unterschiedlichen Wege, die die beiden Landschaftsverbände in der Frage der inklusiven Elementarbildung und Frühförderung eingeschlagen haben, wollen wir unter Beachtung der unterschiedlichen Erfahrungen harmonisieren, um einen landesweiten Fördermechanismus zu erreichen. Zur Stärkung des Inklusionsprozesses wollen wir, dass die bewährte Elternmitwirkung in den Kindertagesstätten und auf den verschiedenen politischen Ebenen auch auf die heilpädagogischen Einrichtungen ausgeweitet werden kann. Die frühkindliche Bildung hat mit ihrem hohen Inklusionsanteil von ca. 80 % eine Vorreiterrolle für das gesamte Bildungssystem. Gemeinsam mit den Landschaftsverbänden wollen wir erreichen, dass wir für jedes Kind mit Behinderung ein wohnortnahes inklusives Betreuungsangebot anbieten können. Gelingende Bildungsbiographien setzen das Beherrschen der deutschen Sprache voraus. Das Delfin 4 und 5-Verfahren genügt nicht den notwendigen Anforderungen. Daher werden wir die Sprachdiagnostik und -förderung gemeinsam mit den Trägern und mit wissenschaftlicher Unterstützung weiterentwickeln und auf eine verlässliche konzeptionelle Grundlage stellen. Hierzu gehört auch die Überprüfung der erforderlichen Kosten und Verfahren. Die Mehrsprachigkeit von Kindern ist - bei vorrangiger Förderung der Deutschkenntnisse - als Kompetenz anzuerkennen und zu fördern. Wer eine gute individuelle Förderung der Kinder will, braucht eine verlässliche gesetzliche Grundlage. Um Bildung, Erziehung und Betreuung in der Kita zu stärken, 19 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 759 760 761 762 763 764 765 766 767 768 769 770 771 772 773 774 775 776 777 778 brauchen wir eine auskömmliche Finanzierung. Diese werden wir für die kommunalen sowie die freien gemeinnützigen Einrichtungen und Träger sicherstellen. In diesem Sinne werden wir das Finanzierungssystem überprüfen und anpassen. 779 780 781 782 783 784 785 786 787 788 Elternmitwirkungweiterstärken 789 790 791 792 793 794 795 796 797 798 799 800 801 Kinderrechtestärken Den erfolgreichen und dialogorientierten KiBiz-Revisionsprozess werden wir weiterführen und mit einem neuen Gesetz abschließen. Dabei geht Sorgfalt vor Geschwindigkeit, da bereits mit dem ersten KiBiz-Änderungsgesetz die schwerwiegendsten Verwerfungen behoben werden konnten. Ziel ist es, den Elementarbereich so auszugestalten, dass ein Höchstmaß an individueller Förderung und Qualität erreicht wird. Wer Kinder gut und früh fördern will, muss auch die Eltern in ihrer Verantwortung unterstützen und stärken. Daher halten wir an der Vernetzung von Kindertagesbetreuung, Familienberatung und Familienbildung grundsätzlich fest. Wir werden den begonnenen Weg der Neuorientierung von Familienzentren fortsetzen, qualitativ weiterentwickeln und ihren quantitativen Ausbau in erster Linie dort vornehmen, wo besondere Unterstützungsbedarfe bestehen. Die mit dem ersten KiBiz-Änderungsgesetz eingeführten Elternbeiräte werten wir als großen Erfolg und wollen deren Rolle in den Einrichtungen, Jugendamtsbezirken, Landschaftsverbänden und auf Landesebene weiter stärken. Wir werden Eltern- und Beschäftigtenvertretungen sowie die Landesvertretung der Kindertagespflege stärker in die Entwicklung landesweiter Regelungen zur Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern einbeziehen und die Erfahrungen der Praxis berücksichtigen. In der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen sind Kinderrechte bereits festgelegt. Wir setzen uns weiter dafür ein, dass Kinder- und Jugendrechte auch im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankert werden. Im Deutschen Bundestag engagiert sich die Kinderkommission regelmäßig und fraktionsübergreifend für Kinderrechte und erörtert kinderpolitische Themen. Da sich diese Arbeitsweise bewährt hat, regen wir an, auch im Landtag von NordrheinWestfalen eine solche Kommission einzurichten. Dabei wollen wir ein eigenes Anrufungsrecht der Kinder verankern. 20 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 802 SchulederZukunft:SchulealsLern‐undLebensort 803 804 805 806 807 808 809 Das nordrhein-westfälische Schulsystem ist den Anforderungen der Zukunft noch nicht gewachsen. Nach wie vor hängt der Bildungserfolg viel zu sehr vom sozialen Status der Eltern ab. Dabei werden besonders Kindern mit Zuwanderungsgeschichte Chancen vorenthalten. Wir wollen ein sozial gerechtes und leistungsförderndes Schulsystem schaffen, das alle Talente nutzt, Verschiedenheit schätzt, kein Kind zurücklässt und eine Kultur des Behaltens für die aufgenommenen Schülerinnen und Schüler stärkt und pflegt. 810 811 812 813 814 815 816 Wir wollen leistungsstarke und gerechte Schulen, die Kinder ermutigen, ihr Selbstbewusstsein stärken und eine neue Lernkultur leben. Voneinander und miteinander lernen – Respekt und Wertschätzung, Beteiligung und Verantwortung – prägen die neue Schulkultur: Es ist normal, verschieden zu sein! Die Qualität von Schule wird wesentlich von Schulklima und Lernkultur bestimmt. Das spiegelt sich auch im Erziehungsauftrag der Schule und schließt die Partizipation von Eltern, Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften ein. 817 818 819 820 821 Der in der letzten Legislaturperiode geschlossene Schulkonsens ist eine wichtige Grundlage für die Arbeit der Landesregierung. Seitdem sind über 70 Schulen des gemeinsamen Lernens neu entstanden. Das belegt, wie sehr die Schulen in ihrer Entwicklung blockiert waren. Diese Blockade hat die Landesregierung aufgelöst. Unsere Kommunen nutzen nun offensiv ihre neuen Möglichkeiten. 822 823 824 825 826 Die Empfehlungen der Bildungskonferenz sind schon jetzt in die Arbeit der Landesregierung eingeflossen. Wir wollen die Kultur des Dialogs mit den Beteiligten in der Schulpolitik weiter pflegen. Mit den Mitwirkenden der Bildungskonferenz werden wir in regelmäßigen Abständen das Erreichte bilanzieren und weitere Schritte beraten. 827 828 829 830 831 Durch rückläufige Schülerzahlen frei werdende Ressourcen werden im System Schule systematisch für pädagogische Innovationen und Qualitätsverbesserungen sowie notwendige Weiterentwicklungen genutzt: z.B. für die Verbesserung der Unterrichtssituation etwa durch kleinere Lerngruppen, die Umsetzung der Inklusion und des Schulkonsenses. 832 833 Wir schaffen Inklusion 834 835 836 837 838 Seit 2009 ist die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung auch für Deutschland verbindlich. Kinder mit Behinderung haben demnach ein Recht auf inklusive Bildung. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode hatte der Landtag beschlossen, dass diesem Anspruch landesgesetzlich Rechnung getragen werden sollte. Die Landesregierung hat schon vor der Schaffung neuer gesetzlicher 21 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 839 840 Regelungen den Gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung forciert. 841 842 843 844 845 846 847 848 849 850 851 852 853 854 855 856 857 858 859 Inklusion ist die zentrale Herausforderung, vor der die Schulen in NRW stehen. SPD und GRÜNE bekennen sich zu dieser Aufgabe. Die Kinder und Jugendlichen, die Lehrkräfte und die Schulen sollen gemeinsam von der Inklusion profitieren. Inklusion bedeutet einen Paradigmenwechsel. Der Blick wird auf die Vielfalt und die Potenziale der Kinder und Jugendlichen gelegt und löst die defizitorientierte Tradition im deutschen Schulwesen ab. Der Umbau hin zur Inklusion ist aber ein dynamischer Prozess und nicht in allen Einzelheiten vorhersehbar. Dies zeigen auch die Erfahrungen anderer Bundesländer. Gerade deshalb ist es wichtig, dass dieser Prozess zielgerichtet und sorgsam zugleich angelegt wird. Die Schaffung der notwendigen Bedingungen und Ressourcenausstattung im Regelschulsystem ist verantwortbar nur schrittweise möglich. Bei sich ergebenden Fragestellungen im Prozess wollen wir im Dialog mit den Beteiligten gemeinsam Lösungen suchen. SPD und Grüne werden auf der Grundlage des Antrags aus der letzten Legislaturperiode unmittelbar eine parlamentarische Initiative ergreifen, die den für NordrheinWestfalen angelegten Weg beschreibt und vorgibt, um so schnell wie möglich den Rechtsanspruch auf den Besuch einer allgemeinen Schule zu schaffen. Die Verwirklichung eines inklusiven Schulwesens setzt voraus, dass sowohl das Land Nordrhein-Westfalen als auch die Kommunen, Kreise und Landschaftsverbände als Träger der öffentlichen Schulen und gesellschaftliche Gruppen im Sinne einer fairen Verantwortungspartnerschaft zusammenwirken. 860 861 Wir gestalten Schule im Dialog 862 863 864 Die durch die Bildungskonferenz eingeleitete neue politische Kultur des Dialoges wollen wir fortsetzen, Empfehlungen der Bildungskonferenz wertschätzen und aktiv über die Umsetzung der einzelnen Empfehlungsfelder informieren. Prioritäten sind: 865 866 867 868 869 870 871 872 873 874 875 876 877 Stärkung der individuellen Förderung aller Kinder und Jugendlichen unabhängig von sozialer Herkunft, Migrationsgeschichte oder Handicaps; Fortbildungsinitiative für Lehrerinnen und Lehrer im Rahmen einer kompetenzorientierten, systematischen Unterrichtsentwicklung; Stärkung der Leitungsaufgaben der Schulleitungen; eine systematische Schulentwicklung, die in den Regionalen Bildungsnetzwerken verankert ist; Ausbau des Ganztags verbunden mit Schulentwicklung, Stärkung der Kooperation mit der Jugendhilfe und Aufbau multiprofessioneller Teams; Ausbau der Elternarbeit; Verbesserung der Übergänge: Kita-Grundschule, Schule-Beruf, Sprachförderung in allen Schulstufen; Stärkung der eigenverantwortlichen Schule 22 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 878 879 880 Wir werden die Elternmitwirkungsmöglichkeiten auf Landesebene verbessern und die gesetzlichen Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich eine Landeselternvertretung – analog zur LandesschülerInnenvertretung – bilden kann. 881 882 Wir fördern den Ganztag 883 884 885 886 887 888 Ganztagsschulen sind nicht nur eine unerlässliche Voraussetzung, um Familie und Beruf zu vereinbaren, sondern für eine neue Kultur des Lernens besonders geeignet. Sie bieten mehr Zeit und Raum, um Kinder und Jugendliche individuell zu fördern, den Unterricht neu zu rhythmisieren und Raum für Bewegung zu schaffen. Sie eröffnen neue Möglichkeiten für Bildungs- und Erziehungspartnerschaften von Schule und Elternhaus und die Beteiligung der Kinder und Jugendlichen. 889 890 891 Im Ganztag ist die Einbindung von freien Trägern der Kinder- und Jugendhilfe, des Sports und der Kultur eine zentrale Grundlage und soll auf der Grundlage des bewährten Trägermodells partnerschaftlich weiterentwickelt werden. 892 893 Wir verbessern die Qualität des Lernens 894 895 896 897 898 899 Die Qualität des Lernens steht weiterhin im Zentrum schulischer Arbeit. Wir wollen Schulen zu pädagogischer Innovation ermutigen. Dabei stehen das erfolgreiche Lernen der Schülerinnen und Schüler sowie die Unterrichtsentwicklung im Fokus. Zur gelingenden Schulentwicklung gehört der Blick auf die sozialräumlichen Gegebenheiten, die Öffnung von Schule, die Vernetzung und Bündelung der regionalen Kompetenzen und das Nutzen von Multiprofessionalität. 900 901 902 903 904 905 906 Neue Anforderungen an das Bildungswesen bedingen neue Wege und Ausrichtungen auch im Unterstützungssystem. Nordrhein-Westfalen braucht daher ein Landesinstitut für Bildung. Wir werden mit dem Aufbau eines solchen Instituts für den Bereich Schule beginnen. Eine Kernaufgabe des Instituts bleibt die systematische Qualitätsentwicklung und Unterstützung der Schulen, u. a. im Zusammenhang mit der Lernplanentwicklung, Standardsicherung und Fortbildung. Das steigert die Professionalität. 907 908 SPD und GRÜNE werden die Qualitätsanalyse neu ausbalancieren. Sie soll zielgerichteter werden und den für die Schulen zu leistenden Aufwand reduzieren. 909 910 911 912 913 Wir setzen den Schulkonsens um Der zwischen CDU, SPD und GRÜNEN geschlossene Schulkonsens hat einen jahrzehntelangen ideologischen Streit beendet und eine neue Phase der Schulentwicklung in 23 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 914 915 916 917 918 919 920 921 922 923 924 925 926 927 928 929 930 931 Nordrhein-Westfalen eingeläutet. Das neue Denken stellt die Kinder in den Mittelpunkt. Außerdem ist es parteiübergreifend gelungen, längeres gemeinsames Lernen zu stärken. Der Schulkonsens wird von SPD und GRÜNEN konsequent und Schritt für Schritt 932 933 934 935 936 937 938 939 940 941 942 Das Berufskolleg ist ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Schulsystems und der dualen Berufsausbildung – dies gilt umso mehr in Zeiten des wachsenden Fachkräftebedarfs. Sie bieten darüber hinaus einen eigenen Weg zur Erlangung des Abiturs. Die Berufskollegs stehen vor einem erheblichen Lehrkräftemangel, der sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen wird. Die Landesregierung hat hierzu ein Maßnahmenpaket erarbeitet, um gegenzusteuern. Dies werden wir konsequent umsetzen und gegebenenfalls ergänzen. Zur Sicherung des Lehrkräftenachwuchses für das Berufskolleg hat die Landesregierung eine unabhängige Expertenkommission berufen, die entsprechende Empfehlungen vorlegen soll. Zur Sicherung einer ausreichenden Anzahl von Berufskolleg-Lehrkräften wird die Landesregierung die Kooperation von Universitäten und Fachhochschulen aktiv fördern. 943 944 945 946 947 948 949 Wir werden Möglichkeiten entwickeln, dass Berufskollegs innovative Formen wie jahrgangs- 950 951 952 953 954 955 umgesetzt. Dazu gehören u.a. die Gründung von Sekundar- und Gesamtschulen, die Sicherung eines wohnungsnahen und qualitativ hochwertigen Grundschulangebots sowie die schrittweise Absenkung der Klassengrößen in den Grundschulen, Realschulen, Gymnasien und bestehenden Gesamtschulen. Wir werden für eine weitere Entlastung bei der Schulzeitverkürzung sorgen Wir werden den begonnenen Weg zur Entschärfung der Schulzeitverkürzung fortsetzen. Das vom Schulministerium mit den Betroffenen ausgearbeitete SiebenPunkte-Programm werden wir umsetzen und weiterentwickeln. Die Lehrpläne der Sekundarstufe I werden auf weitere Möglichkeiten der Entlastung überprüft. Wir stärken die Berufskollegs und fachklassenübergreifenden Unterricht anwenden können. So können Berufskollegstandorte auch bei rückläufigen Schülerzahlen insbesondere im ländlichen Raum gesichert werden. Wir fördern Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund Der Bildung kommt für die Integration eine zentrale Rolle zu. Alle in der Schule Tätigen brauchen interkulturelle Kompetenzen. Darauf werden wir in der Aus- und Fortbildung des Personals verstärkt achten. Die Förderung von Sprache und Mehrsprachigkeit gewinnt in einem Bildungssystem, in dem der Anteil der Kinder aus Migrantenfamilien stetig wächst, immer weiter an Bedeutung. Dem wollen wir gerecht werden. 24 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 956 957 958 959 960 961 962 Wir orientieren uns am Potenzialansatz des Teilhabe- und Integrationsgesetzes im Sinne eines umfassenden Diversity Managements in der Schule. Wir wertschätzen die hohe Bereitschaft von Eltern mit Migrationshintergrund, ihren Kindern eine möglichst gute Bildung und Ausbildung zu ermöglichen. Um dieses Ziel für alle Kinder und Jugendliche zu erreichen werden wir daher Bildungspartnerschaften zwischen Schule und Familie ausbauen. Das Netzwerk der Lehrerinnen und Lehrer mit Zuwanderungsgeschichte werden wir systematisch einbinden. 963 964 965 966 Wir werden ein Gesamtkonzept der durchgängigen Sprachbildung entwickeln, das sich an den Zielen der Europäischen Union orientiert. Dabei sollen im Sinne einer „Wertschätzung der natürlichen Mehrsprachigkeit“ auch die Familien- und Herkunftssprachen mehr noch als bisher Anerkennung als Fremdsprachen finden. 967 968 969 970 Die Einführung eines islamischen Religionsunterrichts in Nordrhein-Westfalen ist ein wichtiger Beitrag auf dem Weg zur Gleichberechtigung aller Bürgerinnen und Bürger unabhängig von ihrer Religion und zur Integration von Kindern mit Migrationshintergrund. 971 972 Wir stärken Demokratie in und mit Schulen 973 974 975 976 977 978 979 980 981 982 Wir werden ein Gesamtkonzept der politischen Bildung erarbeiten, das gleichermaßen die schulische und die außerschulische Bildung im Blick hat. Zu einem solchen Konzept gehören die Auseinandersetzung mit neuen Formen der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an Entscheidungsprozessen, die Ermutigung zum zivilgesellschaftlichen Engagement, die Stärkung von Kinderrechten auch in der Schule, der Kampf gegen Kinderarmut und Exklusion, die Förderung einer allgemeinen Erinnerungskultur, Friedenserziehung und der Kampf gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit. Die Umsetzung des Konzepts soll sich gleichermaßen in Lehrplänen, Fachunterricht, fächerübergreifendem Unterricht, außerunterrichtlichen und außerschulischen Aktivitäten niederschlagen. 983 984 985 986 Das Prinzip „Demokratie lernen und leben“ muss in der Schulentwicklung verankert sein. Mit der Einführung der Drittelparität in der Schulkonferenz haben wir hierfür in der letzten Legislatur einen Baustein geschaffen. Ein weiterer wichtiger Baustein ist die Entwicklung einer Beteiligungs- und Feedbackkultur in der Schule. 987 988 989 990 991 992 993 Auf Bundesebene werden wir uns dafür einsetzen, dass die Bundesregierung ihre Mittel zum Kampf gegen Rechtsextremismus deutlich erhöht. Die Netzwerke „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ und „Schule ohne Homophobie“ sollen ausgeweitet werden. Wir werden die Profilbildung und Öffnung von Schulen unterstützen 25 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 994 995 996 997 998 Viele Schulen haben eigene Profile entwickelt und erlangen damit eine besondere Attraktivität in der Schullandschaft. Wir begrüßen dies und ermuntern andere Schulen, diesem Beispiel zu folgen. Dies gilt für die Bereiche Europa, Bildung für 999 1000 1001 Darüber hinaus werden wir eine landesweite Bildungsstrategie zur Bildung für nachhaltige Entwicklung erarbeiten und so an die UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung 2005 bis 2014“ anschließen. 1002 1003 1004 1005 1006 1007 1008 1009 1010 1011 1012 1013 1014 Im Zusammenhang der Öffnung von Schulen haben sich Partnerschaften von nachhaltige Entwicklung, Sport, Eine-Welt und Kultur. Schulen mit Unternehmen gebildet. Diese werden besonders beim neuen Übergangsmanagement von Schule und Beruf sichtbar werden. Wir stärken die Zusammenarbeit von Schulen, Kommunen und Regionen Schulen sollen selbst und verantwortlich über ihre Arbeit entscheiden können. Deshalb halten wir an der eigenverantwortlichen Schule fest, die in ein System von Beratung und Service eingebettet wird. Wir werden die Selbstevaluation von Schulen unter Einbeziehung von Eltern, Lehrkräften und Schülerschaft in Balance zur Qualitätsanalyse stärken. Das Land bleibt weiter dafür verantwortlich, Bildungsstandards vorzugeben und zu überprüfen. 1015 1016 1017 Wir wollen die derzeitige Verteilung des Sozialindex evaluieren und mit der Einrichtung von multiprofessionellen Teams an Schulen sinnvoll und kriteriengeleitet verknüpfen. Dies ist mit einem Controlling zur Wirksamkeit zu verbinden. 1018 1019 1020 1021 1022 Unsere Städte und Gemeinden verstehen sich immer mehr als bildungspolitische Akteure. Wir wollen die Verantwortungspartnerschaft des Landes mit den Kommunen stärken. Wir werden prüfen, wie die Arbeit von Schuladministrationen, Kompetenzteams und Regionalen Bildungsnetzwerken besser miteinander verknüpft und aufeinander abgestimmt werden kann. 1023 1024 1025 Mit den Regionalen Bildungsnetzwerken wollen wir die gute Kooperation zwischen Land, Kommune und Zivilgesellschaft ausbauen und bewährte Praxis systematisch nutzen. 1026 1027 1028 1029 1030 1031 1032 Wir richten die Lehrerausbildung auf die Zukunft aus Zu einer zukunftsorientierten Schulentwicklung gehört eine moderne Lehrerbildung und ein neues Lehrerleitbild. Dazu zählen vorrangig der professionelle Umgang mit Heterogenität und Diagnosekompetenz sowie Kompetenzen in interkulturellem Lernen und Geschlechtergerechtigkeit. Auf der Grundlage der 2013 anstehenden Evaluation des Lehrerausbildungsgesetzes werden wir Anpassungen und 26 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 1033 1034 1035 1036 1037 Optimierungen vornehmen. Die Lehrkräfte sind zukünftig stärker Lernbegleiter in einer Ganztagsschule, die durch multiprofessionelle Teams unterstützt werden. An diesem veränderten Lehrerleitbild muss sich Lehrerausbildung und –fortbildung orientieren. Wir werden die Fortbildung stärker systematisieren, damit sich die bildungspolitischen Schwerpunktsetzungen in ihr konkreter wiederfinden können. 1038 1039 WirverbesserndenÜbergangvonSchuleindenBeruf 1040 1041 1042 1043 1044 Wir werden den im Ausbildungskonsens beschlossenen Weg des Umbaus des Übergangssystems Schule/Beruf konsequent weitergehen. Wir wollen dafür sorgen, dass jede und jeder Jugendliche einen "Anschluss an den Abschluss" erhält und so eine Ausbildungsgarantie ermöglichen. Der Bildungsweg soll ohne Warteschleifen in eine Ausbildung münden können. 1045 1046 Dazu werden wir strukturelle Veränderungen vornehmen, so dass die Jugendlichen während der allgemeinbildenden Schulphase 1047 1048 1049 eine Kompetenzfeststellungsmaßnahme (Potenzialanalyse) durchlaufen, konkrete Berufsorientierung in verschiedenen Berufsfeldern oder Studiengängen erfahren und in mehreren Praktika betriebliche Wirklichkeit kennenlernen können. 1050 1051 1052 1053 Dabei sollen auch unterrichtsfreie Zeiten durch die Jugendlichen genutzt und die Entwicklung der Selbstverantwortung der Jugendlichen für ihre Berufsfindung gestärkt werden. 1054 Die Jugendlichen werden bei Bedarf durch Berufseinstiegsbegleiter unterstützt. 1055 1056 Alle Entwicklungsschritte sollen in einem Ausbildungspass dokumentiert werden. Der Ausbildungspass ist auch Bestandteil eines schulischen Portfolios. 1057 1058 1059 Wir werden Warteschleifen zwischen Schule und Ausbildung wo immer möglich abbauen und stattdessen individuell ausgerichtete Maßnahmen der Einstiegsqualifizierung und Berufsvorbereitung implementieren. 1060 1061 1062 1063 1064 1065 1066 1067 Für Jugendliche, die noch keine dieser Maßnahmen bewältigen können, werden wir ergänzend Angebote unterbreiten. Deshalb wollen wir Modelle von Produktionsschulen für Nordrhein-Westfalen prüfen. Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und des Fachkräftemangels erwarten wir von der Wirtschaft verbindliche Zusagen zur Bereitstellung von Praktikumsplätzen für die Berufsorientierung und Berufsvorbereitung sowie von Ausbildungsplätzen deutlich über dem Niveau der letzten Jahre. Wir werden die Einführung einer regionalen Umlagefinanzierung prüfen, falls die Zahl der von den 27 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 1068 1069 1070 1071 1072 1073 1074 1075 1076 1077 Unternehmen bereitgestellten Praktikums- und Ausbildungsplätze nicht ausreichen sollte. Darüber hinaus wollen wir die Angebote der vollzeitschulischen Ausbildung mit Kammerprüfung in den Berufskollegs durch mehr betriebliche Praktika qualitativ verbessern und bei Bedarf ausbauen. Wir erwarten, dass die Bundesagentur für Arbeit auch weiterhin ausreichend außerbetriebliche Ausbildungsplätze bereithält. Wir ermutigen und unterstützen die Jugendlichen bei dem erforderlichen höheren Maß an Mobilität. Auf der Grundlage eines erfolgreichen, neuen Übergangssystems wollen wir durch unsere vorbeugende Politik auch deutliche Ersparnisse erzielen: 1078 1079 1080 1081 1082 1083 1084 1085 1086 1087 1088 1089 1090 1091 1092 Wir haben mit dem Umbau des Übergangssystems in sieben Referenzkommunen begonnen und wollen den Prozess begleitend evaluieren, um in der Entwicklung des Systems ggf. nachsteuern zu können. Im Jahr 2012 werden weitere 20 Kommunen hinzukommen. 2018 soll das neue Übergangssystem in der Fläche verankert sein. Das setzt voraus, dass alle Partner ihren Beitrag erbringen. 1093 1094 1095 1096 1097 1098 1099 1100 1101 1102 1103 1104 1105 1106 1107 1108 Wissen schafft Chancen Herausforderungen Dadurch, dass weniger Jugendliche in Warteschleifen sind und dort kürzer verbleiben, können in den Berufskollegs ca. 500 Lehrerstellen abgebaut werden, die heute im Berufsorientierungsjahr, im Berufsgrundschuljahr, in der Berufsfachschule und in Klassen für Schülerinnen und Schüler ohne Ausbildungsverhältnis eingesetzt werden. Durch verbesserte, zielgenauere Berufsorientierung werden etliche Maßnahmen im Übergangssystem überflüssig, die teilweise durch den Bund bezahlt, teilweise durch landes-, aber auch kommunale Angebote abgedeckt werden. ‐ Hochschulen in NRW vor großen Die Zukunft Nordrhein-Westfalens liegt in der Bildung. Wir wollen möglichst alle Bildungspotenziale erschließen und kein Talent zurücklassen. Das wachsende Interesse an akademischer Bildung ist ein Glücksfall für unser Land. Wirtschaft und Gesellschaft brauchen akademisch ausgebildete Fachkräfte. Spitzenforschung aus NRW braucht eine breite Basis hervorragend qualifizierter Nachwuchskräfte. Deshalb müssen die Übergänge von der Schule zur Hochschule sowie zwischen Bachelor und Master gut gelingen, ebenso die Auswahl junger Nachwuchsforscherinnen und Nachwuchsforscher und die Übergänge in den Beruf. Erfolge wollen wir nachprüfbar sicherstellen. Dies ist die Verantwortung aller Akteure. Erfolgreich studieren in NRW – Alle Talente fördern 28 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 1109 1110 1111 1112 1113 1114 1115 1116 1117 1118 1119 1120 1121 1122 1123 1124 1125 1126 1127 1128 1129 Noch nie gab es so viele Studierende wie heute. Wir wollen, dass alle Studierwilligen ein erfolgreiches Studium in Nordrhein-Westfalen absolvieren können. Daher gehen wir den Weg der sozialen Öffnung konsequent weiter. Studiengebühren bleiben abgeschafft. Die ständig steigende Nachfrage von Studienbewerberinnen und Studienbewerbern, der doppelte Abiturjahrgang 2013 und die Aussetzung der Wehrund Zivildienstpflicht stellen die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen aktuell vor bisher nicht gekannten Herausforderungen. Deshalb gilt es, dem berechtigten Anspruch dieser Studierendengeneration auf ein erfolgreiches Studium in NordrheinWestfalen gerecht zu werden. Dazu brauchen wir: genügend und ausreichend finanzierte Studienplatzangebote sowie eine entsprechende Infrastruktur, individuelle, flexibel gestaltete Zu- und Übergänge und Strukturen an den Hochschulen, die die Vielfalt (Diversität) der Studierenden berücksichtigen, flexiblere Studienangebote für Teilzeitstudierende, eine hohe Qualität von Forschung und Lehre an den Hochschulen, sowie eine Struktur, die den Interessen von autonomen Hochschulen und verfassungsrechtlichem Bildungsauftrag des Landes gerecht wird. 1130 1131 1132 Die Abiturientinnen und Abiturienten des Doppeljahrgangs 2013 brauchen in ausreichender Zahl qualitativ hochwertige Studienplätze. Für alle Studierwilligen und –fähigen soll es einen Studienplatz geben. 1133 1134 1135 1136 1137 1138 Basis für die bereit gestellten Kapazitäten ist der zwischen Bund und Ländern geschlossene Hochschulpakt II (2011-2015), dessen Vorausberechnungen sich als deutlich zu niedrig erwiesen haben. Die begonnenen Verhandlungen mit dem Bund zur Fortführung und Weiterentwicklung des Hochschulpaktes laufen mit hoher Priorität weiter. Dieser muss seiner Verantwortung für eine gemeinsame Finanzierung gerecht werden. Hierfür sind vier Punkte grundlegend: 1139 1140 1141 1142 1143 Kapazitäten bereitstellen und Infrastruktur sichern Hochschulpakt 2020 Aufhebung des Finanzdeckels des Bundes Erhöhung der Vorauszahlungen, Einführung einer Masterkomponente, Fortsetzung und qualitative Weiterentwicklung des Hochschulpaktes über 2015 hinaus (Hochschulpakt III). 1144 1145 1146 Wir wollen prüfen, ob im künftigen Finanzierungsmodell der Studienerfolg berücksichtigt werden kann. Das Land sichert seine Ko-Finanzierung für die Hochschulpakte zu. 1147 1148 Studentenwerke stärken – Wohnraum schaffen 29 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 1149 1150 1151 1152 1153 1154 1155 1156 1157 1158 1159 1160 1161 1162 1163 1164 1165 1166 1167 1168 1169 1170 1171 1172 1173 1174 1175 1176 1177 1178 1179 1180 1181 1182 1183 1184 1185 1186 1187 1188 1189 1190 1191 1192 Die Studentenwerke erfüllen eine zentrale Aufgabe beim Ausbau und der Pflege der sozialen Infrastruktur. Dies wollen wir weiter stärken. Dabei ist zu prüfen, inwieweit zusätzlicher Wohnraum mobilisiert werden kann. Im Auftrag des Staates bearbeiten sie BAföG-Anträge, deren Bearbeitungszeit wollen wir reduzieren. Zugleich ist zu prüfen, inwieweit eine Novellierung des Studentenwerksgesetzes die Aufgabenerfüllung der Studentenwerke verbessern und zukunftsfest machen kann. Verstetigung des Fachhochschulausbaus – Hochschulbau weiterführen Die Fachhochschulen des Landes sind in herausragender Weise geeignet, den Studierenden ein erfolgreiches Studium zu ermöglichen. Ziel ist es daher, mittelfristig ein Verhältnis von 40 zu 60 bei der Aufteilung der Kapazitäten zwischen Fachhochschulen und Universitäten zu erreichen. Dies soll in künftige Überlegungen zur Neugestaltung der Hochschulfinanzierung einbezogen werden. Um in einem ersten Schritt die steigenden Ausbildungsleistungen der Fachhochschulen auch nach Auslaufen des Hochschulpakts 2020 zu erhalten, sollen den Fachhochschulen nach dem Jahr 2020 dauerhaft die Landesmittel zur Verfügung gestellt werden, die sie derzeit im Rahmen des Hochschulpakts befristet erhalten. Die Fächervielfalt an den Fachhochschulen soll weiterentwickelt werden, z. B. durch eine stärkere Kooperation im Rahmen der Lehramtsausbildung, um insbesondere den Lehrkräftebedarf an den Berufskollegs zu decken. Erfolgreiche Wissenschaft und Forschung braucht eine angemessene und moderne räumliche Umgebung. Es liegt im Interesse des Landes, seine Vermögenswerte in den Hochschulgebäuden zu erhalten. Gleichzeitig benötigen die Hochschulen Planungssicherheit. Deshalb wird das laufende Hochschulmodernisierungsprogramm (2009 bis 2015) ab dem Jahr 2016 durch ein HochschulbauKonsolidierungsprogramm fortgesetzt. Die im laufenden Programm nicht fertig gestellten Projekte werden zu Ende geführt und die begonnene Sanierung der Universitäten Bielefeld, Bochum und Dortmund wird weiter betrieben. Wir wollen, dass die Mittel aus dem Entflechtungsgesetz auch künftig für den Hochschulbau zweckgebunden bleiben. Insbesondere gilt es, eine Nachfolgefinanzierung für die nach 2019 auslaufende Kompensation der ehemaligen Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau zu finden. Der Sanierungsstau an den NRWHochschulen muss weiter abgebaut und eine bessere Energieeffizienz erreicht werden. Die Universitätskliniken des Landes sind Orte herausragender Forschung, hochqualifizierter Ausbildung und medizinischer Spitzenversorgung. Allerdings weist ihre Bausubstanz einen Investitionsstau auf, der ebenfalls weiter abgebaut werden muss. Darüber hinaus soll Ostwestfalen-Lippe zur Modellregion für die praktische Medizinausbildung werden. Dazu soll ein Kooperationsmodell zwischen der 30 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 1193 1194 1195 1196 1197 1198 1199 1200 1201 1202 1203 1204 1205 1206 1207 1208 1209 1210 1211 1212 1213 1214 1215 1216 1217 1218 1219 1220 1221 1222 1223 1224 1225 1226 1227 1228 1229 1230 1231 1232 1233 1234 1235 1236 1237 1238 Universität Bielefeld und der Ruhr-Universität Bochum angestoßen werden. Voraussetzung ist eine finanzielle Unterstützung dieses Modellvorhabens durch den Bund. Qualität von Lehre und Forschung an den Hochschulen verbessern – Vielfalt bei Zuund Übergängen berücksichtigen Zum erfolgreichen Studieren in NRW gehören ausreichende Infrastrukturen und Kapazitäten sowie eine herausragende Qualität von Lehre und Forschung an unseren Hochschulen. Die vielfältigen Zugänge von der Schule, aber auch aus der Berufstätigkeit heraus in die Hochschule, sowie die veränderte Zusammensetzung der Studierendenschaft, stellen die Hochschulen vor neue Herausforderungen. Flexiblere und individuellere Begleitungen sind daher notwendig. Ziel ist es, die Abbrecherquote um 20 % zu senken und die Übergangsquote an die Hochschulen zu erhöhen. Bologna an den Bedürfnissen der Studierenden ausrichten Die Umsetzung der Bologna-Reform werden wir weiter verbessern und bestehende Defizite beheben. Mit dem Online-Beteiligungsverfahren zur Studierendenzufriedenheit und dem „Memorandum Erfolgreich studieren in NRW“ hat das Land gemeinsam mit den Hochschulen überfällige Korrekturen eingeleitet. Um die Ziele des europäischen Hochschulraums zu verwirklichen und ein besseres Studieren zu garantieren, werden wir die Hochschulen weiterhin eng bei der Umsetzung des Memorandums begleiten. Auf diese Weise wollen wir vor allem die studentische Arbeitsbelastung und Prüfungsdichte reduzieren, die Anerkennung im Ausland erworbener Studienleistungen verbessern, Betreuungs- und Beratungsangebote stärken sowie Zugänge zum Master verbreitern. Entsprechende Korrekturen sollen direkt an den Hochschulen erfolgen. Wo es notwendig ist, werden wir weitere landesweite Regelungen treffen. Qualitätssicherung von Lehre und Studium Seit dem Wintersemester 2011/2012 können die Studierenden in Nordrhein-Westfalen wieder gebührenfrei studieren. Das Land stellt den Hochschulen jährlich mindestens 249 Mio. Euro zur Verbesserung der Lehr- und Studienbedingungen zur Verfügung. Zur Ermittlung dieses Bedarfs wurde das Studiengebührenaufkommen 2009 an den nordrheinwestfälischen Hochschulen zugrunde gelegt. Zugleich sollen die Hochschulen im Rahmen regelmäßiger Berichte Rechenschaft über Einsatz und Wirkung dieser Mittel ablegen. Qualitätsmanagementsysteme weiter optimiert. Zudem werden die Übergang Schule-Hochschule optimieren 31 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 1239 1240 1241 1242 1243 1244 1245 1246 1247 1248 1249 1250 1251 1252 1253 1254 1255 1256 1257 1258 1259 1260 1261 1262 1263 1264 1265 1266 1267 1268 1269 1270 1271 1272 1273 1274 1275 1276 1277 1278 1279 1280 1281 1282 1283 Alle, die studieren wollen und können, sollen dazu die Möglichkeit haben. Die derzeitige Übergangsquote an die Hochschulen ist zu niedrig, um den Fachkräftebedarf zu decken. Die Hochschulen müssen dabei einer immer heterogeneren Gruppe von Studierenden gerecht werden. Es gilt, insbesondere Jugendliche aus so genannten bildungsfernen Schichten, aus Familien mit Zuwanderungsgeschichte oder bereits beruflich Qualifizierte für ein Studium zu gewinnen und zu einem erfolgreichen Studienabschluss zu führen. Wir werden geeignete Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele entwickeln. Bestandteile sollen unter anderem eine modular aufgebaute strukturierte Studieneingangsphase und ein Diversity-Management an den Hochschulen sein. Das ist unser Modell für den Ersatz der weggefallenen Studienkollegs. Darüber hinaus wollen wir die Studienorientierung durch eine vertiefte Verbindung zur Schule und eine Verknüpfung mit der Berufsorientierung stärken und ausbauen. Das „Neue Übergangssystem Schule-Beruf NRW“ bietet hierzu Gelegenheit. Wir wollen die Instrumente zur Studienwahl stärken, indem unter anderem die zdi (Zukunft durch Innovation) „Schülerlabore“ evaluiert und die Ergebnisse bei der Fortführung berücksichtigt werden, das Online-Self-Assessment um ein freiwilliges „Fachspezifisches SelfAssessment“ ergänzen und das Dialogorientierte Serviceverfahren (DoSV) nutzen. BAföG weiterentwickeln Das BAföG ist und bleibt das wichtigste Instrument für die soziale Öffnung der Hochschulen. Die zunehmende Heterogenität der Studierendenschaft und der Bologna-Prozess müssen sich in der Ausgestaltung des BAföG stärker widerspiegeln. Dazu wollen wir auch eine teilweise elternunabhängige Studienfinanzierung anstreben. Einen entsprechenden Verhandlungsprozess mit dem Bund und den anderen Bundesländern wollen wir einleiten. Umsetzung des Landesprogramms für geschlechtergerechte Hochschulen In den kommenden fünf Jahren wollen wir unsere Hochschulen nachprüfbar geschlechtergerechter machen. Frauenförderung ist eine Frage der Gerechtigkeit und der Zukunftsfähigkeit. Wir werden daher das Landesprogramm für geschlechtergerechte Hochschulen umsetzen. Um das Gleichstellungsziel zu erreichen, soll in den Fachbereichen eine gesetzlich verankerte Frauenquote nach dem Kaskadenmodell eingeführt werden. Hochschulautonomie wahren – Verfassungsauftrag des Landes ernst nehmen Wir wollen das Hochschulgesetz novellieren. Ziel ist die Stärkung der gesellschaftlichen Verantwortung und der demokratischen Mitbestimmung sowohl im Verhältnis zwischen Land und Hochschulen, als auch innerhalb der Hochschulen. 32 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 1284 1285 1286 1287 1288 1289 1290 1291 1292 1293 1294 1295 1296 1297 1298 1299 1300 1301 1302 1303 1304 1305 1306 1307 1308 1309 1310 1311 1312 1313 1314 1315 1316 1317 1318 1319 1320 1321 1322 1323 1324 1325 1326 Die Regelungen des geltenden Hochschulgesetzes haben den Hochschulen eine umfassende Autonomie gesichert. In diesem Modell sind jedoch Fehlentwicklungen erkennbar, denen mit den gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen nicht begegnet werden kann. Der verfassungsmäßige Bildungsauftrag soll wieder stärker in die gemeinschaftliche Verantwortung von Staat und Hochschulen gelegt und ein transparenterer und verantwortlicher Umgang mit öffentlichen Mitteln abgesichert werden. Der Staat muss im Sinne einer ausgewogenen Leistungspolitik gewährleisten, dass bestimmte Fächer und Studienangebote, etwa in der Lehrerbildung oder im Bereich der Kleinen Fächer, erhalten bleiben. Weiterhin müssen strukturpolitische Ziele, wie etwa die Stärkung und der quantitative Ausbau des Fachhochschulbereichs, realisierbar sein. Beschäftigungsbedingungen in Hochschule und Wissenschaft verbessern Wir wollen die Arbeitsbedingungen des wissenschaftlichen, nicht-wissenschaftlichen und studentischen Personals verbessern, z. B. im Umgang mit Befristungen, tariflichen Eingruppierungen und der Vertretung studentischer Beschäftigter. Gute Wissenschaft kann nur unter guten Arbeitsbedingungen entstehen. Auch Beschäftigte in Forschung und Lehre brauchen, ebenso wie Beschäftigte in Verwaltung und Technik, eine sichere berufliche Perspektive. Anlässlich der Novellierung des Hochschulgesetzes prüfen wir deshalb, wie der Grundsatz der „Guten Arbeit“ in gemeinsamer Verantwortung von Land und Hochschulen gestaltet und erforderlichenfalls auch durch verpflichtende Rahmenvorgaben sichergestellt werden kann. Wie für die Beschäftigten an den Hochschulen ein Wechsel von Hochschule zu Hochschule erleichtert werden kann („gemeinsamer Arbeitsmarkt“), soll geprüft werden. In diesem Zusammenhang setzen wir uns, unter anderem im Rahmen einer Bundesratsinitiative, dafür ein, dass das Wissenschaftszeitvertragsgesetz im Sinne der Beschäftigten geändert wird, um die Anzahl der Kurzbefristungen zu reduzieren. Hochschulgesetz novellieren Wir wollen den begonnenen Dialogprozess für ein reformiertes Hochschulgesetz fortsetzen. Bestandteile werden unter anderem sein: Mehr demokratische Beteiligung aller Gruppen innerhalb der Hochschulen durch die deutliche Stärkung der Mitbestimmungsrechte der Studierenden und des Mittelbaus, unter anderem durch die Einführung einer Viertelparität. Die Zuständigkeiten und die Zusammensetzung der Hochschulorgane werden neu aufeinander abgestimmt. Das gilt insbesondere für die bisherigen Hochschulräte und die Senate. Die Senate werden gestärkt. Der Frauenanteil in den Hochschulgremien soll deutlich erhöht werden. 33 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 1327 1328 1329 1330 1331 1332 1333 1334 1335 1336 1337 1338 1339 1340 1341 1342 1343 1344 1345 1346 1347 1348 1349 Der Landtag beschließt auf Vorlage der Landesregierung künftig in regelmäßigen Abständen einen Landeshochschulentwicklungsplan, in dem die strategischen Ziele für die gesamte Wissenschaftslandschaft in NRW festgelegt werden. Ziel ist ein langfristig angelegtes Hochschulgesetz, dessen Einführung Rücksicht nehmen soll auf die besonderen Belastungen während der Eintrittsphase des doppelten Abiturjahrgangs. Flexible Studienangebote - Fernuniversität Hagen stärken Wir wollen die bislang alleine vom Land getragene FU Hagen auf eine gemeinsame Finanzierungsbasis durch das Land NRW, den Bund und weitere Bundesländer umstellen. Der gestiegenen Nachfrage an der FU Hagen wollen wir weiter Rechnung tragen. Kunst- und Musikhochschulen stärken Die nordrhein-westfälischen Kunst- und Musikhochschulen bilden auf höchstem internationalem Niveau aus und sind weltweit einzigartig. Dieses Niveau wollen wir halten und weiterentwickeln. Von zentraler Bedeutung für die Sicherstellung eines qualitativ hochwertigen Lehrangebotes sind die Lehrbeauftragten. 1350 1351 1352 1353 1354 1355 1356 1357 1358 1359 1360 1361 ForschenfürdenFortschritt–DerMenschimMittelpunkt 1362 1363 Daneben ist uns wichtig, dass wir die Zivilgesellschaft bei der Formulierung künftiger Forschungsziele aktiv beteiligen. 1364 1365 1366 1367 Nordrhein-Westfalen verfügt als bedeutender Industriestandort und starke Wirtschaftsregion über Hochschulen und Forschungseinrichtungen, die hervorragend in der Lage sind, ihren Beitrag hierzu zu leisten. Jetzt kommt es darauf an, deutliche Akzente in der Forschungsund Innovationspolitik zu setzen, um diese Stärken zu mobilisieren. Klimawandel, demografische Entwicklung, Gesundheit und Ernährungssicherheit, Ressourcen- und Energieknappheit, Mobilität und gesellschaftliche Integration – niemals zuvor erforderten große gesellschaftliche Herausforderungen so viel wissenschaftliche Expertise wie heute. Sie bilden daher auch die Ausrichtung für die kommenden Forschungsanstrengungen der EU. Die Wissenschaft muss zentrale Beiträge zu umfassenden technischen und sozialen Innovationen liefern und dabei ökologische, ökonomische und soziale Folgen berücksichtigen. Dazu gehört für uns sowohl ethische Verantwortung als auch sozialwissenschaftliche Begleitforschung. 34 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 1368 1369 1370 1371 1372 1373 1374 1375 1376 1377 1378 1379 1380 1381 1382 1383 1384 1385 1386 1387 1388 1389 1390 1391 1392 1393 1394 1395 1396 1397 1398 1399 1400 1401 1402 1403 1404 1405 1406 1407 1408 1409 1410 1411 Rahmenprogramm „Fortschritt NRW“ Wir wollen unsere forschungspolitischen Aktivitäten in einem Rahmenprogramm „Fortschritt NRW“ bündeln und dessen Förderaktivitäten und –instrumente neu ausrichten. Bei begrenzt zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen wollen wir uns neben wichtigen Akzenten in der Grundlagenforschung auf Forschungsfelder entlang der großen gesellschaftlichen Herausforderungen konzentrieren Eingebettet in die Forschungs- und Strukturförderung der Europäischen Union und des Bundes, soll Fortschritt.NRW darauf ausgerichtet sein, die dem Land zur Verfügung stehenden Instrumente und Mittel der Forschungsund Innovationsförderung verstärkt entlang der Nachhaltigkeitsziele, in Übereinstimmung mit den vier Leitlinien der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie, einzusetzen und den Hochschulen zu helfen, sich an anderen Förderprogrammen zu beteiligen. Das Programm besteht aus den Kernelementen: Regionale Innovationsnetzwerke, Fortschrittskollegs, Orte des Fortschritts und Foren des Fortschritts. Ergänzend wird der Innovationspreis NRW fortgeführt, um zu zeigen welche Lösungsbeiträge aus NRW kommen. Da diese Herausforderungen zu komplex für eine Analyse und Lösung durch oft technologisch geprägte Einzeldisziplinen sind, kommt der innovativen, interdisziplinär ausgerichteten Forschung aus dem geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Bereich eine unverzichtbare Bedeutung zu. Sie sind deshalb bei allen Forschungsfeldern zu integrieren, sollen aber auch mit einem eigenen Landesprogramm angemessen gestärkt werden, das in einer ersten Stufe in 2012 bereits angelaufen ist und fortgeführt wird. Neben den Feldern Energie, Klimaschutz, Ressourceneffizienz, nachhaltige Mobilität sowie Gesundheit und Lebenswissenschaften kommt der Erforschung von Schlüsseltechnologien eine besondere Rolle zu. Sie sind als Innovationstreiber von großer Bedeutung für den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort NRW, u. a. für Produktionszweige wie Automobil-, Chemie- oder Bauindustrie. Sie leisten – etwa im Leichtbau – einen wichtigen Beitrag zur Lösung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen. Zu den Schlüsseltechnologien gehören neben den Informationsund Kommunikationstechnologien der Bereich der Optoelektronik, die Neuen Materialien sowie die Mikro-, Nano- und Produktionstechnologien. Eine Schlüsselrolle im Bereich der medizinischen Forschung kommt der Stammzellenforschung zu. Sie wird auch künftig durch das Land unterstützt. Hier wird u.a. das etablierte und anerkannte Kompetenznetzwerk Stammzellforschung mit seiner Geschäftsstelle, den Nachwuchsgruppen und Projekten fortgeführt. Im Zentrum stehen die Forschung an adulten und reprogrammierbaren Stammzellen sowie die Begrenzung der Forschung an embryonalen Stammzellen auf die auslaufende Nutzung der vorhandenen Zelllinien. 35 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 1412 1413 1414 1415 1416 1417 1418 1419 1420 1421 1422 Darüber hinaus ist das Institut CARE förderfähig und soll auf den Weg gebracht werden. 1423 1424 Forschung braucht finanzielle Planungssicherheit - die ist in NRW für die Hochschulforschung sichergestellt. 1425 1426 Außeruniversitäre Forschungseinrichtungen 1427 1428 1429 1430 1431 1432 1433 Bei der Ansiedlung neuer außeruniversitärer Forschungsinstitute besteht gemessen an der Größe und Bedeutung des Landes und der Unterrepräsentanz dieser Einrichtungen in NRW ein klarer Nachholbedarf. De facto subventioniert das Land Forschungseinrichtungen in anderen Bundesländern inzwischen mit 80 Millionen Euro jährlich. Ziel muss es sein, diese Umverteilung zu beenden und in der kommenden Wahlperiode mehr überregionale Forschungseinrichtungen nach NRW zu holen. 1434 1435 1436 1437 Darüber hinaus fallen in den nächsten Jahren bei den außeruniversitären Forschungseinrichtungen Kosten für Sanierung und Neubau an. Hier muss und wird das Land seinen Beitrag leisten, um exzellente und wettbewerbsfähige Einrichtungen in NRW zu halten bzw. aufzubauen. Darüber hinaus soll Ostwestfalen-Lippe zur Modellregion für die praktische Medizinausbildung werden. Dazu soll ein Kooperationsmodell zwischen der Universität Bielefeld und der Ruhr-Universität Bochum angestoßen werden. Voraussetzung ist eine finanzielle Unterstützung dieses Modellvorhabens durch den Bund. Forschungsfinanzierung 1438 1439 EU Strukturfonds/Horizon 2020 1440 1441 1442 1443 1444 Für die Umsetzung der Strategie Europa 2020 und die Anstrengungen, Europa zu einer Innovationsunion zu entwickeln, sind Investitionen in Forschung, Entwicklung und Innovation von zentraler Bedeutung. Dabei wird der EU-Strukturpolitik neben dem Rahmenprogramm für Forschung und Innovation – Horizon 2020 – eine entscheidende Rolle beigemessen. 1445 1446 1447 1448 1449 Zwischen den Zielen des Landes und den aus der Strategie der Europäischen Kommission „Europa 2020" abgeleiteten Zielvorgaben für die EU-Strukturfonds besteht ein hohes Maß an Übereinstimmung; beide adressieren in besonderem Maße die großen gesellschaftlichen Herausforderungen. Das Land wird für eine Vereinfachung der finanziellen Abwicklung und Kontrolle der Programme Sorge 36 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 1450 1451 tragen, damit die administrative Belastung von Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen gesenkt wird. 1452 1453 1454 1455 1456 1457 Synergien zwischen den Strukturfonds und Horizon 2020 sollen dazu beitragen, die Ziele des Landes nachhaltiger zu unterstützen als bisher. Hierzu sollen Möglichkeiten der Kombination von Maßnahmen der EU-Strukturförderung mit denen der Horizont 2020 Förderung – wie sie von der EU im Rahmen der Strukturfondsverordnungen und der Verordnungen zu „Horizon 2020“ angelegt werden - genutzt werden, bis hin zur gemeinsamen Förderung in einem Projekt. 1458 1459 Johannes-Rau-Forschungseinrichtungen 1460 1461 1462 1463 Angesichts der großen gesellschaftlichen Herausforderungen und einer Flankierung des Strukturwandels in Nordrhein-Westfalen soll die Möglichkeit zur Etablierung einer Förderplattform für die Johannes-Rau-Forschungsinstitute mit entsprechender Mittelausstattung geschaffen werden. 1464 1465 Bereits in 2011 beschloss der Landtag, dieses Vorhaben im Haushalt abzusichern. Dies wird in der neuen Wahlperiode umgesetzt. 1466 1467 Instrumente der Forschungsförderung 1468 1469 1470 1471 Die Ausrichtung der Förderaktivitäten und –instrumente durch das Land an den großen gesellschaftlichen Herausforderungen setzt voraus, dass sich diese Instrumente an den Zielen von „Fortschritt NRW“ ausrichten, falls dies noch nicht geschehen ist. 1472 1473 1474 Darüber hinaus wollen wir die Hochschulen auch international stärker sichtbar machen, die Fachhochschulforschung stärken, den Wissensund Technologietransfer voranbringen und das Rückkehrerprogramm weiterführen. 1475 1476 1477 1478 1479 1480 1481 1482 Das Programm „Mittelstand.innovativ!“ ist in den letzten zwei Jahren neu ausgerichtet worden und soll in den nächsten Jahren fortgeführt und evaluiert werden. Wir wollen außerdem prüfen, inwieweit wir die Hochschulen auch bei Ausgründungen und innovativen Start-ups strategisch begleiten können. Darüber hinaus begleitet das Land den Aufbau landesaffiner Ansiedlungsstrategien, wie z. B. den „Campus RWTH Aachen“. 37 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 1483 DielernendeGesellschaft:WeiterbildunginNRW 1484 1485 1486 1487 1488 1489 1490 1491 1492 Nordrhein-Westfalen ist und bleibt das Land der Weiterbildung. Dazu hat das bundesweit beachtete Weiterbildungsgesetz, zu dem wir uns bekennen, einen wichtigen Beitrag geleistet. Das Gutachten zur Evaluation der Wirksamkeit der Weiterbildung durch das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung (DIE) stellt der Weiterbildung insgesamt ein gutes Zeugnis aus und zeigt zugleich Optimierungs- und Entwicklungsperspektiven auf. Die konstruktive und zielorientierte Arbeit in der „Weiterbildungskonferenz“ werden wir fortsetzen und unter Einbeziehung der Arbeitsergebnisse eine behutsame Weiterentwicklung des Weiterbildungssystems in Nordrhein-Westfalen einleiten. 1493 1494 1495 1496 1497 1498 1499 1500 Die Volkshochschulen sind eine zentrale Säule in der Weiterbildung. Daher bekennen wir uns zur kommunalen Pflichtaufgabe Volkhochschule. Eine weitere Säule ist die vielfältige Landschaft der Weiterbildungsträger in öffentlicher Verantwortung und die Familienbildung, die in ihrer Pluralität unterschiedlichen Anforderungen gerecht werden. Die Volkshochschulen als kommunale Weiterbildungszentren und die Einrichtungen in anderer Trägerschaft leisten einen wertvollen Beitrag zur kommunalen Bildungslandschaft, der für lebensbegleitendes und ganzheitliches Lernen unverzichtbar ist. 1501 1502 1503 1504 1505 1506 Wir haben Wort gehalten und die seit 2006 vorgenommen Mittelkürzungen zurückgenommen. Zudem werden wir, soweit es die Förderkriterien der EU zulassen, Mittel des ESF ergänzend zur Verfügung stellen. Diese Mittel sollen vorranging zur Finanzierung des Beitrages der Weiterbildung zur Herstellung von Chancengleichheit und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt verwandt werden. Wir bleiben verlässliche Partner der Weiterbildung. 1507 1508 1509 1510 1511 1512 1513 1514 1515 1516 Weiterbildung ist eine öffentliche Aufgabe zur Stabilisierung unseres demokratischen Gemeinwesens, zur Verbesserung der Teilhabemöglichkeiten und der sozialen Gerechtigkeit. Daher muss die Weiterbildungsbeteiligung insbesondere für Bildungsbenachteiligte durch gezielte Angebote zur Alphabetisierung und zur Grundbildung erhöht werden. Das handlungsleitende Motiv der zweiten Chance wollen wir noch stärker verankern. Dabei setzen wir neben Volkshochschulen und anderen Weiterbildungseinrichtungen verstärkt auch auf Weiterbildungskollegs. Das Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz wollen wir auch für die Bildung von jungen Menschen nutzen. Deshalb wollen wir die Auszubildenden als Anspruchsberechtigte in das Gesetz aufnehmen. 1517 1518 1519 Politische Bildung im lebensbegleitenden Lernen ist für die Demokratie und Teilhabe unverzichtbar. Hier hat die Landeszentrale für politische Bildung eine große Bedeutung. 1520 1521 Strukturierte Fort- und Weiterbildung verbessern nicht nur die persönlichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt, sondern erhöhen auch die Teilhabe in einer komplexen 38 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 1522 1523 1524 1525 1526 1527 1528 1529 Gesellschaft. Im Rahmen der Arbeitsmarktpolitik wirkt die Weiterbildung durch die Unterstützung der Integration junger Menschen und qualifizierter Menschen mit Migrationshintergrund in den Arbeitsmarkt. Weitere Aufgaben sind die Sicherung der Anpassungsqualifikation für Beschäftigte, die sich im Arbeitsprozess für zunehmend globaler werdende Arbeitsmärkte weiterbilden müssen und das Bereitstellen von berufsbezogenen und zunehmend auch gesundheitsorientierten Weiterbildungsangeboten für Ältere, die deutlich länger im Arbeitsmarkt verweilen werden. 1530 1531 1532 1533 1534 Weiterhin werden wir in enger Abstimmung mit allen an lebensbegleitender Bildung beteiligten Ressorts und der Trägerlandschaft u.a. folgende Themen angehen: die Weiterentwicklung der Fördersystematik, der Aufbau einer flächendeckenden Weiterbildungsberatung und die Einbindung der gemeinwohlorientierten Weiterbildung in die regionalen Bildungsnetzwerke. 1535 1536 1537 Die Wirksamkeit des nach dem Weiterbildungsgesetz finanzierten Angebots und der zusätzlich zur Verfügung gestellten ESF-Mittel soll mit Hilfe eines schlanken Berichtswesens dargestellt werden. 1538 1539 III. Wirtschaft,Klimaschutz,Energie 1540 1541 1542 1543 1544 1545 1546 1547 1548 1549 1550 1551 1552 1553 1554 1555 1556 1557 1558 1559 NachhaltigeWirtschafts‐undStrukturpolitik Wirtschaft in gesellschaftlicher Verantwortung Für unsere Wirtschaftspolitik gilt das Prinzip der Vorsorge und der ökonomischen, ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit. Eine solche Wirtschafts- und Strukturpolitik sichert einen stabilen Mittelstand und vermeidet damit Monostrukturen, unterstützt die Unternehmen vorausschauend bei der Gewinnung qualifizierter Fachkräfte, fördert Innovationen für nachhaltiges Wirtschaften und unterstützt die Wirtschaft bei der Erschließung neuer, zukunftsfähiger Leitmärkte. In der kommenden Europäischen Förderperiode ab 2014 werden wir die Möglichkeiten der EU-Strukturfonds nutzen. Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat gezeigt, wie verantwortungsloses Handeln von Banken und Finanzinstituten ganze Volkswirtschaften an den Abgrund führen kann. Die Folgen dieser Krise werden uns weiter beschäftigen. Wir wollen keine „marktkonforme Demokratie“ sondern eine demokratiekonforme Marktwirtschaft, die auf sozialer Partnerschaft und Mitbestimmung beruht. 39 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 1560 1561 1562 1563 1564 1565 1566 1567 1568 Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen wird die Unternehmen in NRW dabei unterstützen, ihre Leistungsfähigkeit zu verbessern und ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen. 1569 1570 1571 1572 1573 1574 1575 1576 1577 1578 1579 1580 1581 1582 1583 1584 1585 1586 1587 1588 1589 1590 1591 1592 1593 1594 1595 1596 1597 1598 1599 1600 1601 1602 1603 NachhaltigeIndustriepolitik Die internationale Wettbewerbsfähigkeit, die soziale Gerechtigkeit, die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen und die Umweltverträglichkeit stehen für uns als gleichrangige Ziele nebeneinander. Auf diese vier Ziele richten wir unsere Wirtschaftspolitik des nachhaltigen Wachstums für unser Land aus. Industrieland NRW Nordrhein-Westfalen ist ein starker Wirtschaftsstandort. Unser Land gehört zu den führenden Industrieregionen der Welt. Industrielle Produktion war und ist eine Grundlage unseres Wohlstands in NRW, dessen Strukturen sich aber auch wandeln müssen. Von besonderer Bedeutung für diesen industriellen Wandel ist eine Neuausrichtung, die auf Nachhaltigkeit, auf Klimaschutz sowie auf Ressourcen- und Energieeffizienz abzielt. Unsere Wirtschaftspolitik ist Motor dieses Fortschrittes. Wir müssen die traditionellen und innovativen Stärken des Standortes und der Industrieunternehmen in Nordrhein-Westfalen nutzen, um auch den ökologischen Fortschritt in NRW, Deutschland, Europa und weltweit zu beschleunigen. Mit alledem wollen wir Arbeitsplätze sichern und schaffen. Moderne Industrie geht eine enge Verbindung mit produktionsorientierten Dienstleistungen ein. Ohne Forschung und Entwicklung, Ausbildung, Logistik, Finanzierung und viele andere Dienstleistungen wäre die Industrie heute nicht mehr existenzfähig. Nur dieses Zusammenspiel, für das in NRW ausgezeichnete Bedingungen vorherrschen, macht uns auch zukünftig wettbewerbsfähig. „Allianz moderne Industrie“ Die Landesregierung wird eine nachhaltige Industriepolitik als strategischen Ansatz der Wirtschaftspolitik zur Leitlinie ihres Regierungshandelns machen. Wir werden in Zusammenarbeit mit Vertretern aus Wissenschaft, Kammern, Industrie, Mittelstand und anderen gesellschaftlichen Gruppen wie beispielsweise Gewerkschaften und Umweltverbänden eine „Allianz moderne Industrie“ ins Leben rufen. Bestandteil dieser Allianz sollen gemeinsame Verabredungen z. B. zur Innovationsförderung des Landes, zur Förderung von Akzeptanz von Industrie und Infrastrukturprojekten, zur Verbesserung der Kreditversorgung, zu einer Stärkung der außenwirtschaftlichen Aktivitäten und der internationalen Wirtschaftsförderung des Landes sein. Ziel dieser Allianz ist es, durch gemeinsame Anstrengungen die Kräfte zu bündeln und die Maßnahmen und Instrumente zu konzentrieren. 40 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 1604 1605 1606 1607 1608 1609 1610 1611 1612 1613 1614 1615 1616 1617 1618 1619 1620 1621 1622 1623 1624 1625 1626 1627 1628 1629 1630 1631 1632 1633 1634 1635 1636 1637 1638 1639 1640 1641 1642 1643 1644 1645 1646 Industrie im Wandel Im Zuge der Globalisierung werden Wertschöpfungsketten weltweit neu strukturiert, fortwährend überprüft und neu gestaltet. Um industrielle Produktion in NRW dauerhaft zu sichern, werden wir gemeinsam mit den Unternehmen, Gewerkschaften und Verbänden dafür arbeiten, aktiv die Chancen innovativer industrieller Produktion zu nutzen sowie deren Belastungen für Mensch und Umwelt nachhaltig zu senken. Wer will, dass die Industrie bleibt, muss auch wollen, dass sie sich umwelt- und ressourcenschonend verändert. Die Industrie ist nicht Teil des Problems; sie ist Teil der Lösung. Weltweit werden aus ökologischen und auch aus ökonomischen Gründen immer stärker Produkte und Dienstleistungen nachgefragt werden, die dazu beitragen, Energie vermehrt einzusparen, effizienter einzusetzen und die Erneuerbaren Energien stärker zu nutzen. Ressourceneffizienz senkt die Abhängigkeit von Rohstoffimporten, stärkt die Wettbewerbsfähigkeit fördert und entlastet Umwelt und Klima. Die nordrhein-westfälischen Unternehmen werden ihre sehr gute Stellung auf den nationalen und internationalen Märkten nur mit innovativen Produkten erhalten können. Nordrhein-Westfalen braucht eine Innovationskultur, die von Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft und getragen ist. Deshalb werden wir eine neue Innovationsoffensive für NRW starten und damit im Umfeld von Wachstumsbranchen den gezielten Ausbau und die Stärkung landesweiter Netzwerke zwischen Unternehmen, gesellschaftlichen Gruppen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen initiieren. Auch zukünftig wird NRW ein Land mit einem starken industriellen Kern sein. Gesellschaftlich verantwortliches Handeln von Unternehmen Wir werden die Unternehmen in Nordrhein-Westfalen dabei unterstützen, ein langfristig angelegtes Konzept für Corporate Social Responsibility/CSR zu entwickeln und daraus entstehende Chancen für innovative Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle auszuloten, die zum Wohlergehen der Gesellschaft und der Umwelt und zur Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze beitragen. Mit Leitmärkten die Zukunft erschließen Wir identifizieren die Leitmärkte der Zukunft und fördern deren Erschließung sowie die Vernetzung der Partner in der Wertschöpfungskette durch die Unterstützung von Clustern. Wir konzentrieren uns auf die Leitmärkte, in denen Nordrhein-Westfalen 41 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 1647 1648 1649 1650 1651 1652 1653 1654 1655 1656 1657 1658 1659 1660 1661 1662 1663 1664 1665 1666 1667 1668 1669 1670 1671 1672 1673 1674 1675 1676 1677 1678 1679 1680 1681 1682 1683 1684 1685 1686 1687 1688 1689 1690 besondere Stärken und Spezialisierungsvorteile hat oder die eindeutig dem Ziel des ökologischen Umbaus zuzurechnen sind. Maschinen- und Anlagenbau / Produktionstechnik Der Maschinen- und Anlagenbau sowie die Produktionstechnik sind dynamische Produktionszweige mit einem hohen Innovationsgrad. Als Querschnittsbereiche mit Technologieführerschaft auf vielen Gebieten integrieren sie neueste Erkenntnisse in Anlagen und Produkte und leistet ihren Beitrag zur Lösung drängender Zukunftsthemen wie Umweltschonung und Erhöhung der Energie- und Ressourceneffizienz. Neue Werkstoffe Die chemische Industrie ist eine Schlüsselbranche für den Standort NRW und die Umwelt. Die Werkstoffe der Chemischen Industrie, der Stahl- der Aluminium- oder der Kunststoffindustrie sind Innovationstreiber für die Industrie insgesamt und sind zentrale Materiallieferanten für die wichtigen industriellen Wertschöpfungsketten. Mobilität und Logistik Weltweit sind Lösungen gefragt, wie die Mobilität erhalten, zugleich aber auch die Umwelt entlastet werden kann. Neben der individuellen Mobilität rückt verstärkt die Logistik in den Mittelpunkt: Globalisierung, Spezialisierung der Produktionsprozesse und Zersplitterung von Wertschöpfungsketten, veränderte Handelsströme (z.B. Internethandel) erfordern innovative logistische Dienstleistungen und Produkte. Informations- und Kommunikationswirtschaft Die Informations- und Kommunikationstechnologien sind die Schlüsseltechnologien für die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen. Digitalisierung und Vernetzung entscheiden über die Zukunftsfähigkeit aller Branchen und Industriezweige. Energie- und Umweltwirtschaft Die Gestaltung der Energiewende und die Erreichung der Klimaschutzziele bieten vielfältige Chancen für die Energie und Umweltwirtschaft und wird damit zu einem Fortschrittsmotor, zum Beispiel durch Energieeffizienz, erneuerbare Energien, Rohstoff- und Materialeffizienz. 42 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 1691 1692 1693 1694 1695 1696 1697 1698 1699 1700 1701 1702 1703 1704 1705 1706 1707 1708 1709 1710 1711 1712 1713 1714 1715 1716 1717 1718 1719 1720 1721 1722 1723 1724 1725 1726 1727 1728 1729 1730 1731 1732 1733 Medien und Kreativwirtschaft Die Medien- und Kreativwirtschaft ist in ihrer Vielfalt ein wichtiger Innovationsmotor für Wirtschaft, Stadtentwicklung und Kultur in den Metropolen unseres Landes. Kreativquartiere geben Raum, um neue Anstöße für wirtschaftliche Aktivitäten zu geben. Gesundheit Angesichts der demografischen Entwicklung wird die Nachfrage nach den Dienstleistungen der Gesundheitswirtschaft und nach ihren medizintechnischen Produkten und Systemen weiter an Bedeutung gewinnen. Life Sciences „Gutes Leben“ und „gesundes Leben“ schaffen neue Chancen für health careAngebote und Innovationen in der Bio- und Medizintechnolgie. Zugleich nimmt auch die Ernährungswirtschaft eine besondere Position in Nordrhein-Westfalen ein. Mittelstandspolitik Mittelstand stärken Den rund 754.000 mittelständischen Unternehmen in NRW kommt wirtschaftspolitisch in unserem Land eine herausragende Rolle zu. Der Mittelstand stellt mit 99,5% das Gros unserer Unternehmen; 34,0% aller steuerpflichtigen Umsätze werden in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) erwirtschaftet; 79,2% aller Arbeitsplätze werden durch KMU bereitgestellt; 82,7% aller Auszubildenden in KMU ausgebildet und bei ihnen arbeiten knapp 80% aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. Daher werden wir den Mittelstand stärken, um für Wachstum, Innovation und Beschäftigung Impulse zu setzen. Dazu werden wir den in enger Kooperation mit den Spitzenvertretern der nordrheinwestfälischen Mittelstandsorganisationen erarbeiteten Entwurf für ein Mittelstandsgesetz. schnellst möglich in den Landtag einbringen. Wesentliche Instrumente des Gesetzentwurfes für eine Stärkung der mittelständischen Wirtschaft in NRW sind ein Clearingverfahren, bei dem alle mittelstandsrelevanten Vorhaben 43 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 1734 1735 1736 1737 1738 1739 1740 1741 1742 1743 1744 1745 1746 1747 1748 der Landesregierung frühzeitig auf ihre Folgen für die Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft und der freien Berufe untersucht werden, ein Mittelstandsbeirat, der die Landesregierung und den Landtag auf wichtige mittelstandsrelevante Vorgänge und Probleme hinweisen und in diesen Angelegenheiten beraten soll und eine Beratungsplattform für diversity management, die die Unternehmen bei der Annahme der Herausforderungen und Chancen einer vielfältiger werdenden Gesellschaft unterstützt. 1749 1750 1751 1752 1753 1754 1755 1756 Wir werden mittelständischen Unternehmen über ein spezielles Qualifizierungs- und Zertifizierungssystem die Möglichkeit geben, sich durch ein anerkanntes Label als „ressourceneffizienter Betrieb“ am Markt zu positionieren. 1757 1758 1759 1760 1761 1762 1763 1764 1765 1766 1767 1768 1769 1770 1771 1772 1773 1774 1775 1776 1777 Mittelständische Unternehmen werden wir von unnötigen bürokratischen Hemmnissen entlasten und das Vertrauen zwischen öffentlichen Verwaltungen und Wirtschaft stärken. Unser Ziel ist, gesetzliche Vorgaben in Art und Umfang so anzulegen, dass sie unternehmerische Initiativen befördern und nicht behindern und dabei gleichzeitig den Belangen der Beschäftigten nach Arbeitssicherheit und den Anforderungen des Verbraucher- und Umweltschutzes Rechnung trägt. Die NRW.Bank ist die Förderbank des Landes Nordrhein-Westfalen. Die Angebote der Förderbank wollen wir pro-aktiv für die Stärkung des Mittelstandes in allen Regionen des Landes beispielsweise durch regionale Beratungstage bekannter machen. In Zusammenarbeit mit der NRW.Bank werden wir Beteiligungskapital für mittelständische Unternehmen und technologieorientierte Unternehmensgründungen in stärkerem Maße zur Verfügung stellen, um die Eigenkapitalbasis von Unternehmen so zu verbreitern, dass diese ihre Chancen auf wachsenden Märkten besser nutzen können. Die Entwicklung neuer Finanzierungsmodelle auf Darlehensbasis zu prüfen, die auch großen mittelständischen Unternehmen die Möglichkeit eröffnen, zu expandieren und ihre Stellung als Weltmarktführer auszubauen. Politik für das Handwerk Wir werden die im Mai 2011 beschlossene Handwerksinitiative NRW u.a. mit den Elementen Meistergründungsprämie, Gründungsbürgschaften bei der Bürgschaftsbank („BürgschaftsScheck Handwerk“), Unterstützung des Wachstums der Handwerksunternehmen durch einen „WachstumsScheck Handwerk“ und den „InnovationsGutschein Handwerk“, auch in den kommenden Jahren fortführen, aktiv kommunizieren und im Dialog mit dem Handwerk durch weitere Initiativen ergänzen. Damit ist die Handwerksinitiative ein wichtiges Signal für Existenzgründer im Handwerk, aber auch für schon bestehende Unternehmen. 44 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 1778 1779 1780 1781 1782 1783 1784 1785 1786 1787 1788 1789 1790 1791 1792 1793 1794 1795 1796 1797 1798 1799 1800 1801 1802 1803 1804 1805 1806 1807 1808 1809 1810 1811 1812 1813 1814 1815 1816 1817 1818 1819 1820 Wir werden uns auf Bundesebene dafür einsetzen, die Novellierung der Handwerksordnung aus dem Jahr 2004 zu evaluieren. Fachkräfte sichern Die Sicherung von Fachkräften ist eine Aufgabe der Unternehmen. Sie ist aber auch zu einer der zentralen wirtschaftspolitischen Herausforderungen geworden. Noch im Laufe dieser Legislaturperiode wird in Nordrhein-Westfalen mehr als jeder dritte Erwerbsfähige älter als 50 Jahre sein. Die Zahl der Erwerbsfähigen im Alter über 50 Jahre wird dann etwa doppelt so groß sein wie die Zahl der 20-bis 29-jährigen. Unsere Fachkräfteinitiative werden wir fortsetzen und noch stärker auf die regionalen und sektoralen Herausforderungen ausrichten. Das duale Ausbildungssystem qualifiziert für die immer höheren Anforderungen in der betrieblichen Praxis und darüber hinaus auf die zu erwartenden demographischen Herausforderungen. Wir wollen es zur Erhaltung der Wettbewerbsund Innovationsfähigkeit erhalten und ausbauen. Darüber hinaus müssen Hürden und Barrieren im Berufsleben beseitigt werden. Die Förderung von Frauen stellt einen elementaren Bestandteil der Fachkräftesicherung dar. Im Sinne einer modernen Familienpolitik müssen auch im Interesse von Müttern, Vätern und den pflegenden Angehörigen weitere Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf umgesetzt werden. Weitere Möglichkeiten landespolitischen Handelns bestehen in der Ausschöpfung der inländischen Potenziale der Schul-, Berufsausbildungs- und Studienabbrecher, der Geringqualifizierten, der stärkeren Integration älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Partizipation von Inländern mit Migrationshintergrund, die Bindung von Ausländerinnen und Ausländern, die hier ihr Studium oder ihre Berufsausbildung absolviert haben und die Gewinnung ausländischer Fachkräfte durch vereinfachte Anerkennung im Ausland erworbener Bildungsabschlüsse. Das Wissen und das Können der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihrer betrieblichen Interessenvertretungen sind wichtige Faktoren für Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit und damit für Beschäftigung. Sie sollen verbindlicher in die Unternehmensentwicklung einbezogen werden und ihre Rolle für die Sicherung und Schaffung von guter Arbeit und als Motor von betrieblichen Innovationen gestärkt wird. TechnologischeSchwerpunktesetzen Elektromobilität 45 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 1821 1822 1823 1824 1825 1826 1827 1828 1829 1830 1831 1832 1833 1834 1835 1836 1837 1838 1839 1840 1841 1842 1843 1844 1845 1846 1847 1848 1849 1850 1851 1852 1853 1854 1855 1856 1857 1858 1859 1860 1861 1862 1863 1864 Wir werden die Elektromobilität in NRW entlang der Wertschöpfungskette und den infrastrukturellen Erfordernissen unterstützen und so den Ausbau von Elektromobilität in Verbindung mit Erneuerbaren Energien zusammen mit den Kommunen, der Wissenschaft und der Wirtschaft voranbringen. Wir wollen wichtige Schlüsselvorhaben aus den Schaufensterbewerbungen so unterstützen und begleiten, dass NRW als bundesweiter Vorreiter für E-Mobilität etabliert wird. Hierbei werden wir gleichermaßen Projekte forcieren, mit denen industriepolitische Kompetenz und ein ganzheitliches Verständnis von Öffentlichen Personenverkehr (z.B. Elektrobusse und Akku-Bahnen, elektrisch unterstützte Nahmobilität mit Pedelecs und Carsharing mit E-Cars) vorangetrieben werden. Über die bisherigen F & E - Schwerpunkte (Batterie/Elektrische Speicherung, Fahrzeuge und Antriebe, Infrastruktur und Netze) hinausgehend sollten dabei auch die wirtschaftlichen und stadtplanerischen Rahmenbedingungen und Fragen der Gestaltung der zukünftigen Verkehrsträger für den urbanen Raum in den Blick genommen werden. Breitband NRW Die Informations- und Telekommunikationstechnologien sind Innovationstreiber in allen Wirtschaftsbereichen. Diese Technologien und ganz besonders ein möglichst schnelles Breitbandnetz – auch in den ländlichen Regionen unseres Landes – sind existenziell für die nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit der nordrhein-westfälischen Wirtschaft. Darum ist die Breitbandstrategie auf den Ausbau von Glasfasernetzen der nächsten Generation auszurichten. Dort, wo in absehbarer Zeit keine Versorgung mit schnellen Glasfaserleitungen geleistet werden kann, ist zumindest eine Versorgung mit LTE sicherzustellen. Bereiche, die nicht in den nächsten fünf Jahren durch verbindliche Vereinbarungen mit Glasfaserleitungen (Outdoor-DSL, Kupfer auf der letzten Meile) erschlossen werden, sind als „weiße Flecken“ an die Regulierungsbehörde zu melden und die Telekommunikationsdienstleister sind im Rahmen der bei der Frequenzvergabe festgelegten Kriterien zur vorrangigen Versorgung dieser Gebiete zu verpflichten. In Zusammenarbeit mit der Bundesebene und anderen Bundesländern wollen wir das Ziel einer Breitbandversorgung von 50 MBit/s für alle Haushalte gewährleisten und dies bis 2018 erreichen. Wir werden eine Bundesratsinitiative für die Verankerung einer Breitband-Universaldienstverpflichtung im Telekommunikationsgesetz ergreifen. Beim Ausbau der Versorgung für schnellen Netzzugang sind möglichst wirtschaftliche, energieeffiziente und zukunftsfähige Netzinfrastrukturen durch 46 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 1865 1866 1867 1868 1869 1870 1871 1872 1873 1874 1875 1876 1877 1878 1879 1880 1881 1882 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894 Nutzung von Synergien bei Ausbau und Erneuerung in Zusammenarbeit von Kommunen und Telekommunikationsdienstleister durch eine Koordinierung des Landes sicherzustellen. 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 EU‐StrukturfondsauseinemGuss Wir wollen die Realisierungsbedingungen und Kosten unterschiedlicher Szenarien untersuchen und die Ergebnisse 2013 veröffentlichen. Tourismusangebote stärken den Wirtschaftsstandort Mit Wachstumsraten um fünf % in den beiden vergangenen Jahren gehört unser Land inzwischen zu den entscheidenden Wachstumstreibern beim Übernachtungstourismus in Deutschland. Wir wollen diese positive Entwicklung in den nächsten Jahren nachhaltig sichern und ausbauen. Unser Land hat aufgrund seiner räumlichen, ökonomischen und infrastrukturellen Angebote alle Chancen, den Ansprüchen an eine moderne Tourismus-Region künftig noch besser zu entsprechen als viele Wettbewerber. Denn so nah zusammen wie in Nordrhein-Westfalen liegen die vielfältigen Reize einer hoch verdichteten Stadt- und Kulturszene und die exzellenten naturnahen Erholungs- und Entschleunigungsmöglichkeiten in kaum einem anderen Wirtschaftsraum. Mit dem „Masterplan Tourismus“ wollen wir die Stärken Nordrhein-Westfalens ausbauen und national und international neu positionieren. Dazu wurden im vergangenen Jahr neue Landesproduktmarken etabliert, mit denen wir künftig ein ganzheitliches Bild von den touristischen Attraktionen unseres Landes zeichnen wollen. Wir streben an, die bisherigen Landesproduktmarken um eine Marke NRW.NATUR zu ergänzen und neue Angebote zum Thema „barrierefreier Tourismus“ zu entwickeln. Außerdem wollen wir das Hotel- und Gastgewerbe aktiv in die aktuelle Klimaschutzpolitik einbeziehen und bei zukünftigen Projekten vermehrt den Focus auf die Gestaltung eines nachhaltigen und sanften Tourismus legen. Wir wollen eine vorausschauende moderne Wirtschaftspolitik betreiben, die in allen Regionen unseres Landes die jeweiligen Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung verbessert. Mit einer ausbalancierten und effizienten Nutzung der uns zur Verfügung stehenden wirtschaftspolitischen Instrumente, schaffen wir eine den unterschiedlichen regionalen Ausgangslagen entsprechende passgenaue Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung. Sektoral werden wir zum einen landesweit mit entsprechenden Instrumenten die Akteure unterstützen, die auf den Leitmärkten der Zukunft besondere Kompetenzen 47 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 1908 1909 1910 1911 1912 1913 1914 1915 1916 1917 1918 1919 1920 1921 1922 1923 1924 1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 1950 1951 und Entwicklungspotenziale aufweisen. Regional werden wir uns zum anderen in der Strukturpolitik auch weiterhin auf die Regionen konzentrieren, die dem strukturellen Wandel in besonderem Maße unterworfen sind. Im Jahr 2014 beginnt eine neue EU-Strukturfondsperiode. Für die operationellen Programme des Landes werden wir folgende inhaltlichen Themen und Schwerpunkte unter Berücksichtigung der festgelegten Leitmärkte setzen: Forschung und Innovation (einschließlich Umweltwirtschaft und Gesundheitswirtschaft) Wettbewerbsfähigkeit von KMU (einschließlich Ressourceneffizienz); Bildungs- und Kompetenzentwicklung, Beschäftigungs- und Fachkräftesicherung Energieeffizienz und Klimaschutz Förderung der sozialen Eingliederung und Bekämpfung der Armut Umweltschutz, Nachhaltige Nutzung der Ressourcen, ländlicher Raum Bei der Umsetzung aller Themenschwerpunkte sind ein vorbeugender und nachhaltiger Politikansatz sowie das Querschnittsziel Chancengleichheit durch aktive Förderung der Gleichstellung von Männern und Frauen sowie die Herausforderungen durch den demografischen Wandel zu berücksichtigen. Die dabei für Nordrhein-Westfalen zur Verfügung stehenden Mittel wollen wir problemlösungsorientiert einsetzen. Dazu werden sich die Ressorts stärker koordinieren. Die Ziel-2-Förderung (EFRE, und da wo möglich und sinnvoll auch ESF und ELER) werden wir auf die zentralen und für NRW profilbildenden Leitmärkte konzentrieren. Wir wollen, dass die Mittel den Mittelstand besser erreichen und zu diesem Zweck die Bewerbungs-/Förderverfahren vereinfachen. Um positive Entwicklungen in strukturschwachen Regionen zu unterstützen werden wir einen Steuerungsmechanismus entwickeln, der die regionalen Disparitäten weiter vermindert und die regionalen Stärken ausbaut. So werden wir die Belange der strukturschwachen Regionen zukünftig stärker berücksichtigen. Die Vergabe der Fördermittel aus den Strukturfonds EFRE, ESF und ELER erfolgt auf der Grundlage wettbewerblicher Auswahlverfahren oder anderer kriteriengesteuerter Verfahren. Welche Verfahren konkret bei einem Programm oder Förderschwerpunkt gewählt werden, orientiert sich insbesondere an den Grundsätzen Qualität, Transparenz, Mobilisierung, Verwaltungs- und Kostenaufwand sowie Zielgruppenorientierung. Dabei wollen wir bei der Ziel-2 Förderung – soweit dies zweckmäßig und möglich ist – revolvierende Finanzierungsinstrumente (Fonds) einsetzen. Das EU-Instrument JESSICA-Fonds kann dabei Berücksichtigung finden. 48 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 Um diese Ziele zu erreichen, streben wir eine Strukturförderpolitik aus einem Guss an. Die für NRW wichtigen Mittel aus den Strukturfonds (EFRE, ESF und ELER) sollen ineinandergreifen und bestmöglich verzahnt eingesetzt werden. Die Landesregierung wird deshalb auf der Ebene der Staatssekretärinnen und Staatssekretäre entsprechend der EU-Vorgaben einen Monitoringprozess mit dem Ziel der Koordination zwischen den EU-Strukturfonds einrichten. Darüber hinaus ist möglichen Bewilligungsengpässen und Verzögerungen beim Mittelabfluss zeitnah, transparent und unbürokratisch entgegenzuwirken. Zur Erhöhung der Transparenz sowohl hinsichtlich des Bewilligungsvolumens als auch des Mittelabflusses wird die Landesregierung auch die Begleitausschüsse regelmäßig und strukturfondsübergreifend unterrichten. Auf dieser Basis bietet der inhaltliche Austausch zwischen den Begleitausschüssen die Möglichkeit, einen breiten Dialog über wichtige Themen zu führen und somit die Förderung "aus einem Guss" zu befördern. Die Mittelvergabe aus den Strukturfonds muss unbürokratischer, transparenter und zielgenauer gestalten werden. Dazu wird die Landesregierung die Landeshaushaltsordnung (LHO) auf Effektivität und Vereinfachung der Mittelvergabe (z.B. Pauschalierung von Personal- und Sachkosten, stärkere Nutzung des Instruments revolvierender Fonds) prüfen. Durch eine veränderte LHO wollen wir vermeiden, dass landesseitige, über die EU-Auflagen hinausreichende, Vorschriften die Projektbewilligung und -durchführung erschweren. Der sozialen und wirtschaftlichen Stabilisierung in den Städten kommt eine besondere Bedeutung zu. Die Kommunen sollen wieder stärker und zielorientierter von europäischen Fördermitteln profitieren. Wir werden auch zukünftig dafür Sorge tragen, dass alle Kommunen, auch jene im Stärkungspakt Stadtfinanzen, in Haushaltssicherung und unter Nothaushaltsrecht, ihren kommunalen Eigenanteil darstellen können. Mehr Effizienz des wirtschaftspolitischen Instrumentariums Mit Blick auf die haushaltspolitischen Erfordernisse werden wir überprüfen, an welchen Stellen eine Umstellung der Fördermaßnahmen von Zuschüssen auf Förderung durch Darlehen möglich ist. Das gilt für weite Teile der Investitionsförderung, aber auch z.B. für Teile der Forschungs-, Entwicklungs- und Qualifizierungsförderung. Alle Maßnahmen und Instrumente bedürfen einer ständigen kritischen Überprüfung. Deshalb werden wir die Schlagkraft und die Effektivität aller Einrichtungen der Wirtschaftsförderung erhöhen. Hierzu kann eine Evaluierung durch unabhängige externe Gutachter beitragen. 49 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026 2027 2028 2029 2030 2031 2032 2033 2034 2035 2036 2037 2038 2039 Die internationale Wirtschaftsförderung des Landes werden wir stärken, indem wir Synergien bei der Unterstützung der Erschließung neuer Märkte im Ausland ("Outgoing"), der Ansiedlung ausländischer Investoren und Unternehmen in NRW ("Incoming"), dem Standortmarketing und den Messeaktivitäten nutzen sowie die Vernetzung mit der regionalen Wirtschafts- und Innovationsförderung intensivieren. Dabei wird das internationale Konzept der Landesregierung eine wichtige Grundlage bilden. In allen Bereichen wollen wir die Förder- und Bewilligungswege straffen. Dafür werden wir die inhaltliche und die administrative Bewilligung enger miteinander verzahnen und Antragsteller bei der Antragstellung aktiv unterstützen. Wir werden darauf hinwirken, dass Gründungsprozesse beschleunigt werden und sich das Gründungsklima in NRW weiter verbessert. Gemeinwohlorientierte Wirtschaft stärken Arbeitsplätze und Produkte entstehen nicht nur für die globalisierten Märkte, sondern auch vor Ort in unserem Binnenmarkt. Der lokale Markt entscheidet über den Erfolg des Handwerks, vieler Dienstleistungsunternehmen, der freien Berufe und des Einzelhandels. Gemeinwohlorientierte Unternehmen sind ein dynamisch wachsender Wirtschaftssektor und bereichern die Wirtschaft in unserem Land. Sie sind ein Beitrag dazu, regionale Wirtschaftskreisläufe zu stärken und wirtschaftliche Selbstverantwortung zu stärken. Sie ermöglichen Innovation und erschließen neue Betätigungsfelder. Hierzu zählen insbesondere Genossenschaftsmodelle. Wir wollen hierfür vorhandene Beratungsangebote verstärken und ausbauen, Bürgschaftsmodelle prüfen, rechtliche Hemmnisse im Bereich der Solidarischen Ökonomie gezielt abbauen sowie Finanzierungsmöglichkeiten verbessern. Es müssen einerseits die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Gründung von Genossenschaften überprüft werden, andererseits sollten auch alle anderen möglichen Rechtsformen auf ihre Anwendbarkeit für gemeinwirtschaftliches Engagement hin untersucht und – wenn nötig – stärker als bisher gefördert werden. In der kommenden Europäischen Förderperiode ab 2014 werden wir auch die Möglichkeiten der EU-Strukturfonds nutzen, um den Bereich der Gemeinwohlorientierten und Sozialen Ökonomie zu stärken. Selbstverwaltungsorgane der Wirtschaft 50 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 2040 2041 2042 2043 2044 2045 2046 2047 2048 2049 2050 2051 2052 2053 2054 2055 2056 2057 2058 2059 2060 2061 2062 2063 2064 2065 2066 2067 2068 2069 2070 2071 2072 2073 2074 2075 2076 2077 2078 2079 2080 2081 2082 2083 Die Selbstverwaltung der Wirtschaft ist ein wichtiges Element des wirtschaftlichen Lebens. Wir halten an der Selbstverwaltung und Eigenverantwortung der regionalen Wirtschaft fest und wollen die Kammern bei der Erfüllung ihrer wichtigen Aufgaben weiter unterstützen ihre Bedeutung für das Funktionieren des Wirtschaftslebens herausstellen und dazu beitragen, ihre Akzeptanz zu festigen. Dies verstehen wir sowohl als Chance, wie auch als Verpflichtung für die Selbstverwaltungsorgane der Wirtschaft, die Strukturen der Kammern effizient, demokratisch, geschlechtergerecht und transparent zu gestalten. Wir wollen prüfen, wie und mit welchen rechtlichen Rahmenbedingungen wir diesen Prozess unterstützen und befördern können. Dazu werden wir den Dialog mit den Selbstverwaltungsorganen der Wirtschaft suchen. Sonn- und Feiertagsschutz sichern – Ladenöffnungsgesetz novellieren Vor allem die Abschaffung des Anlassbezuges im Ladenöffnungsgesetz hat zu einer Ausweitung der verkaufsoffenen Sonntage in NRW und somit zu einer Aushöhlung des Sonntagsschutzes geführt. Die Aushöhlung des Sonn- und Feiertagsschutzes werden wir korrigieren. Wir werden dazu insbesondere die Anzahl der zur Öffnung frei gegebenen Kalendersonntage begrenzen, wie es in einigen Kommunen bereits erfolgreich praktiziert wird sowie den Anlassbezug für die Sonn- und Feiertagsöffnung wieder herstellen. Für uns beginnt der Sonntagsschutz am Sonnabend um 22:00 Uhr. Wir ermöglichen aber weiterhin anlassbezogenes „LateNight-Shopping“ für eine begrenzte Anzahl von Samstagen. Tariftreue- und Vergabegesetz zielgerichtet umsetzen Mit dem von uns im Landtag verabschiedeten Tariftreue- und Vergabegesetz haben wir ein Instrument geschaffen, um Lohndumping zu verhindern, fairen Wettbewerb – international und vor Ort – zu ermöglichen und ökologische, soziale und faire Aspekte bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu berücksichtigen. Zur Unterstützung der öffentlichen Auftraggeber wird eine Prüfstelle aufgebaut, die die Einhaltung der Tariftreue- und Mindestlohnstandards überwachen wird und die Kommunen entlastet. Außerdem können Auftragnehmer im Rahmen eines Präqualifizierungsverfahrens nachweisen, dass sie für die öffentliche Auftragsvergabe geeignet sind und werden somit von der Nachweispflicht für jede Einzelbewerbung befreit. Wir wollen, dass das Land, die Kommunen und die Wirtschaft das Gesetz gemeinsam mit Leben füllen und ihren jeweiligen Beitrag dazu leisten, es zielgerichtet und praxisgerecht umzusetzen. Deutschland braucht endlich einen Masterplan für die Energiewende 51 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 2084 2085 2086 2087 2088 2089 2090 2091 2092 2093 2094 2095 2096 2097 2098 2099 2100 2101 2102 2103 2104 2105 2106 2107 2108 2109 2110 2111 2112 2113 2114 2115 2116 2117 2118 2119 2120 2121 2122 2123 2124 2125 2126 2127 2128 2129 2130 2131 Die Reaktorkatastrophe von Fukushima hat das endgültige Aus der Atomkraft in Deutschland eingeleitet. Für den Atomausstieg haben wir lange gekämpft. Der schnellstmögliche Umstieg auf eine Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien bis zur Mitte des Jahrhunderts ist politischer Konsens. Der Atomausstieg darf auch nicht als Vorwand gebraucht werden, um Klimaschutzziele in Frage zu stellen. Der Transformationsprozess ist eine technologische und infrastrukturelle Herausforderung, gleichzeitig aber auch die wirtschaftliche und industrielle Zukunftschance für Deutschland und insbesondere NRW. Um die Herausforderungen zu meistern, Risiken zu begrenzen und die Chancen zu nutzen, braucht Deutschland einen „Masterplan Energiewende“. Schwarzgelb ist nicht in der Lage, die Energiewende zu einem Gemeinschaftsprojekt zu machen. NRW hat ein hohes Interesse an der Gestaltung der Rahmenbedingungen und wirbt deshalb für einen „Masterplan Energiewende“ auf Bundesebene als Gemeinschaftswerk. NRW hat sich im letzten Jahr massiv in die Energie- und Klimapolitik auf Bundesebene eingebracht. Die Landesregierung wird sich weiterhin unter anderem für folgende Maßnahmen im Rahmen der Energiewende auf Bundesebene einsetzen: Das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) muss verlässliche Investitionsanreize für den Ausbau der Erneuerbaren Energien, insgesamt mindestens in der bisherigen Geschwindigkeit bieten, die Systemintegration inkl. dezentraler Speicher unterstützen und Mitnahmeeffekte durch die Marktprämie verhindern. Am Einspeisevorrang halten wir fest. Das Strommarktdesign muss Investitionen in Speicher, Lastmanagement und hocheffiziente, flexible Kraftwerke ermöglichen, die die Erzeugungsschwankungen der Erneuerbaren Energien ausgleichen können (auch durch virtuelle Kraftwerke, Kapazitätsmärkte). Für den weiteren Netzausbau sind Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungs(HGÜ)Trassen (Stromautobahnen) sowie die Optimierung der Verteilnetze zentral. Energieeffizienzmaßnahmen und die Einführung eines Energieeffizienzfonds sind genau so wie die Aufstockung der Mittel für die Gebäudesanierung und das Erneuerbare-Wärmegesetz auch für Bestandsgebäude unverzichtbar. Die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) muss deutlich ausgebaut werden (z. B. durch auskömmliche Vergütungssätze im KWK-Gesetz, Anreize zum Ausgleich schwankender Energieeinspeisung, Anhebung des Fördervolumens). Wir werden uns für ein Klimaschutzgesetz auf Bundesebene einsetzen. Das EU-Reduktionsziel soll auf 30% bis 2020 mit entsprechender Verminderung der Caps angehoben werden. Dies gilt unter der Voraussetzung, dass die Einnahmen in voller Höhe für Klimaschutzprojekte aufkommensgerecht in den Bundesländern verwendet werden. Ferner ist zu prüfen, unter welchen Bedingungen die jährliche Reduktion von 1,7 % ab 2020 ebenfalls angehoben werden kann. Bei allen Maßnahmen müssen die Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit, die Wettbewerbsfähigkeit und die Energiepreise für die privaten Verbraucher von Anfang an mit bedacht werden. NRW nutzt seine Chancen bei Klimaschutz und Energiewende 52 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 2132 2133 2134 2135 2136 2137 2138 2139 2140 2141 2142 2143 2144 2145 2146 2147 2148 2149 2150 2151 2152 2153 2154 2155 2156 2157 2158 2159 2160 2161 2162 2163 2164 2165 2166 2167 2168 2169 2170 2171 2172 2173 2174 2175 2176 2177 2178 2179 NRW hat eine besondere Verantwortung für das Gelingen der Energiewende und das Erreichen der Klimaschutzziele. Wir wollen, dass das Energie- und Industrieland NRW mit zahlreichen energieintensiven Unternehmen, als größter Kraftwerksstandort und Stromlieferant, und als Innovationsschmiede für Produkte und Prozesse gestärkt wird. Klimaschutz und Energiewende sind zentrale Themen, die den notwendigen Umbau des Wirtschaftstandortes NRW prägen werden. Im Gegensatz zur aktuellen Bundesregierung will NRW seine Klima- und Energiepolitik nicht im Hinterzimmer aushandeln, sondern in einem partizipativen Prozess unter Einbindung wichtiger gesellschaftlicher Gruppen in Nordrhein-Westfalen. Wir wollen, dass NRW hier dauerhaft eine Vorreiterrolle einnimmt. Wir werden entsprechende Rahmenbedingungen schaffen, damit die Unternehmen und Forschungseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen ihre ausgezeichnete Position sichern und ausbauen können. Mit dem Klimaschutzplan wird sich NRW in einer integrierten Energie- und Klimaschutzpolitik einen Fahrplan geben und zeigen, wie NRW seinen Beitrag zu den nationalen und internationalen Zielen für Klimaschutz, Energieeffizienz, Versorgungssicherheit, Preisstabilität und den Ausbau der Erneuerbaren Energien leisten kann. Die Energiewende ist als gesamtgesellschaftliche Herausforderung nur mit einem ausreichenden Angebot an hervorragend qualifizierten Facharbeiterinnen und Facharbeiter und Ingenieurinnen und Ingenieure erfolgreich zu gestalten. Auch die öffentlichen Verwaltungen müssen mit qualifiziertem Personal die Herausforderung der Energiewende angehen. Damit die notwendigen Investitionen und die Hebung der lokalen Wertschöpfungspotenziale nicht verzögert werden, muss eine zügige Bearbeitung (z.B. Planfeststellungsverfahren für neue Stromtrassen) sichergestellt werden. Es wird daher in den kommenden Jahren notwendig sein, auf allen Ebenen ein zielgerichtetes Projekt- und Prozessmanagement durchzuführen. Wir werden die erfolgreiche Effizienzagentur NRW zu einem flächendeckenden Angebot in NRW ausbauen und die Beratungsprozesse von Effizienzagentur und Energieagentur optimal miteinander verzahnen. NRW bleibt Standort für energieintensive Industrien NRW soll ein guter Standort für energieintensive Industrien mit den darauf aufbauenden Wertschöpfungsketten bleiben, die eine entscheidende Voraussetzung für Innovationen sind. Gleichzeitig haben bedeutende Zulieferer für Erneuerbare Energien und Klimaschutztechnik ihren Standort in NRW. Wir wollen mit der energieintensiven Industrie die NRW-Klimaschutzziele erreichen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit stärken. Wir verbinden Klimaschutz mit den Standortfaktoren Versorgungs- und Planungssicherheit, faire Energiepreise und Sicherstellung der Kapitalbeschaffung für die Unternehmen. Langfristig werden auch die energieintensiven Unternehmen vollständig zuverlässig mit Erneuerbaren Energien versorgt. Diesen Weg wollen wir gemeinsam mit den Unternehmen Schritt für Schritt gehen. 53 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 2180 2181 2182 2183 2184 2185 2186 2187 2188 2189 2190 2191 2192 2193 2194 2195 2196 2197 2198 2199 2200 2201 2202 2203 2204 2205 2206 2207 2208 2209 2210 2211 2212 2213 2214 2215 2216 2217 2218 2219 2220 2221 2222 2223 2224 2225 2226 In verschiedenen EU-Ländern werden Strompreise indirekt subventioniert. Im internationalen Wettbewerb stehende energieintensive Unternehmen in Deutschland sind deshalb auf wettbewerbsfähige Strompreise angewiesen, damit sie ihre Produktion und damit CO2Emissionen nicht ins Ausland verlagern. Ausnahmen und/oder Kompensationen müssen auf die Bereiche begrenzt werden, in denen sie für faire Wettbewerbsbedingungen erforderlich sind. Unternehmen, die dies in Anspruch nehmen wollen, müssen festzulegende Bedingungen, zum Beispiel zum Energiemanagement, erfüllen. Nur so können die Stromkosten für alle anderen begrenzt werden. Dies gilt insbesondere für eine Weiterentwicklung des Emissionshandels, EEGUmlage, Stromsteuer, Netzentgelt und Kompensationszahlungen. Wir wollen erreichen, dass besonders Unternehmen mit hohem regelbaren Energieverbrauch eine angemessene Vergütung erhalten, wenn sie durch abschaltbare Lasten zur Systemstabilität und zur Vermeidung von Investitionen in Netze, Speicher und Kraftwerke beitragen. KlimaschutzmadeinNRW Mehr als ein Drittel des in Deutschland entstehenden CO2 werden in NRW emittiert. NRW als Energieland kommt deshalb bei der Erfüllung der deutschen Klimaschutzziele eine besondere Verantwortung zu. Zur Erreichung der nationalen Klimaschutzziele (minus 40 % bis 2020) und (minus 80-95 % bis 2050) muss NRW seinen Beitrag leisten. Zur Erreichung seiner Klimaschutzziele ist NRW auf eine engagierte Klimaschutzpolitik des Bundes und eine Fortentwicklung der vorhandenen Instrumente auf Bundesebene (EEG, KWK-G, MAP, KfWProgramme usw.) angewiesen. Der Schutz unseres Klimas und der natürlichen Lebensgrundlagen gehört zu den größten politischen Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte. Klimaschutz ist eine gewaltige Aufgabe, aber auch eine große Chance. Durch Anstrengungen im Klimaschutz kann der Industriestandort NRW gestärkt werden: Klimaschutz ist Fortschrittsmotor. Nordrhein-Westfalen nimmt seine besondere Verantwortung für den Klimaschutz wahr: Wir begrenzen den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgasemissionen durch eine wirksame Klimaschutzpolitik. So hat die nordrhein-westfälische Landesregierung im Oktober 2011 den Entwurf für das erste Klimaschutzgesetz Deutschlands als zentrales Element für die Neuausrichtung der Klimaschutz- und Energiepolitik in NRW auf den Weg gebracht. Vor dem Hintergrund ausführlicher Diskussionen, Beratungen und Anhörungen werden wir ein Klimaschutzgesetz in den Landtag neu einbringen. Der Ausstoß von CO2 soll in NRW bis 2020 um mindestens 25 % und bis 2050 um mindestens 80 % gegenüber 1990 reduziert werden. Das Klimaschutzgesetz legt Klimaschutzziele für NRW fest und setzt den rechtlichen Rahmen. Auf der Basis dieses Gesetzes legt die Landesregierung 2013 einen Klimaschutzplan vor, der die notwendigen Klimaschutzmaßnahmen zur Erreichung der Klimaschutzziele enthält, insbesondere: Zwischenziele zur Treibhausgasreduktion, Ziele zum Ausbau der 54 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 2227 2228 2229 2230 2231 2232 2233 2234 2235 2236 2237 2238 2239 2240 2241 2242 2243 2244 2245 2246 2247 2248 2249 2250 2251 2252 2253 2254 2255 2256 2257 2258 2259 2260 2261 2262 2263 2264 2265 2266 2267 2268 2269 2270 2271 2272 2273 2274 Erneuerbaren Energien, zur Energieeinsparung und zur Ressourcen- und Energieeffizienz, Potenziale und Beiträge der einzelnen Sektoren, Strategien und Maßnahmen zur Zielerreichung, Konzept zu einer insgesamt klimaneutralen Landesverwaltung, Strategien und Maßnahmen, um den Auswirkungen des Klimawandels zu begegnen. Der Klimaschutzplan wird in einem breit angelegten Partizipationsprozess erarbeitet, bei dem alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen von Beginn an eingebunden werden. Wir werden insbesondere die Maßnahmen identifizieren und fördern, die den Energieverbrauch senken, die zum Klimaschutz beitragen und auch den Bürgerinnen und Bürgern mit geringem Einkommen zu Gute kommen. Die Landesregierung berichtet dem Landtag jährlich zur Umsetzung des Klimaschutzplans. Wir wollen auch Stärkungspakt-Kommunen, Kommunen mit Haushaltssicherungskonzepten oder in Nothaushaltslage nicht von rentablen Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen bzw. in die energetische Sanierung ihres Gebäudebestandes ausschließen. Fortschrittsmotor Klimaschutz-Expo Durch unsere Anstrengungen im Klimaschutz soll gleichzeitig der Industriestandort NRW gestärkt werden. Mit einer Ausstellung „Fortschrittsmotor Klimaschutz-Expo" wollen wir der Weltöffentlichkeit zeigen, dass insbesondere NRW bereits heute viele richtungweisende Projekte vorweisen kann und wie wir in NRW die ökologische industrielle Revolution in Angriff nehmen. Wir wollen deshalb zeigen, dass die Herausforderung des Klimawandels in allen Branchen und Regionen als Antrieb für neue wirtschaftliche Dynamik genutzt werden kann. Wir werden demonstrieren, dass die Leitmärkte der Zukunft eine ausgeprägte ökologische Dimension aufweisen und Klimaschutz so zum Job-Motor wird. Die Klimaschutz-Expo soll als Dekadenprojekt angelegt werden. Die Entwicklung und Umsetzung erfordert eine langfristige Ausrichtung. Die auf diesem Weg in NordrheinWestfalen bereits initiierten Vorhaben und Projekte wollen wir in regelmäßigen Abständen an einem für das Land zentralen Messestandort im Ruhrgebiet praxisnah und prozessorientiert präsentieren. Dabei wird verdeutlicht, welche Fortschritte auf den Feldern Klimaschutz, innovative Technologien und Stadtumbau durch gemeinsames Handeln von Wirtschaft, Städten und Land zum Nutzen der Menschen erreicht werden. Klimaschutz in der Landesplanung verankern Die Verbindung von Klimaschutz und Raumordnung wird im Klimaschutzgesetz, durch eine Änderung im Landesplanungsgesetz und im Landesentwicklungsplan (LEP) sichergestellt. Unabhängig von Festlegungen im LEP wollen wir folgendes umsetzen: Administrative Hindernisse gegenüber Standorten zur Nutzung Erneuerbarer Energien sind mit den Zielen der Landesplanung nicht vereinbar. Regionale und örtliche Energieversorgungskonzepte, die den Klimaschutzzielen dienen, sollen entwickelt werden. 55 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 2275 2276 2277 2278 2279 2280 2281 2282 2283 2284 2285 2286 2287 2288 2289 2290 2291 2292 2293 2294 2295 2296 2297 2298 2299 2300 2301 2302 2303 2304 2305 2306 2307 2308 2309 2310 2311 2312 2313 2314 2315 2316 2317 2318 2319 2320 Windenergie Fördermittel des Landes sind so zu verwenden, dass geförderte Maßnahmen der Erreichung von Klimaschutzzielen nicht entgegenstehen. Schnellstmöglicher Umstieg auf Erneuerbare Energien Derzeit werden in NRW jährlich ca. 12.500 GWh Strom aus Erneuerbaren Energien erzeugt. Dies entspricht knapp 10% des Stromverbrauchs in NRW. Die Stromerzeugung NordrheinWestfalens ist auf einen stetig steigenden Anteil Erneuerbarer Energien umzustellen. Wir halten am Einspeise-Vorrang für Erneuerbare Energien fest. Die Landesregierung setzt sich zum Ziel, 2025 mehr als 30% des Stroms in NRW aus Erneuerbaren Energien zu gewinnen. Dafür wird die Landesregierung ihre ambitionierte Politik für Erneuerbare Energien weiter stärken, und sich vermehrt für eine bessere Systemintegration einsetzen. Wir wollen NRW als Standort für Erneuerbare Energien weiter profilieren. NRW hat hier als Technologiestandort ein großes Potenzial, das noch besser ausgeschöpft werden muss. So kann NRW vermehrt als Standort des Maschinen- und Anlagenbaus sowie mit Betrieb und Service Arbeitsplätze sichern und neu schaffen. Um die Förderstruktur in NRW wie progres.nrw zu stärken, muss das Marktanreizprogramm des Bundes für erneuerbare Energien im Wärmemarkt (MAP) gesichert und über den Energie- und Klimafonds des Bundes aufgestockt werden. Zur Nutzung der wirtschaftlichen Potenziale der Erneuerbaren Energien werden wir ressortübergreifend Handlungsstrategien identifizieren und umsetzen. Dabei berücksichtigen wir Energie und Umwelt, Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung sowie Bildung und Qualifizierung. NRW ist ein hervorragender Windenergiestandort. Die Verhinderungspolitik von schwarzgelb zwischen 2005 und 2010 haben wir überwunden. Die Windenergie ist die tragende Säule der Erneuerbaren Energien. Ohne einen deutlichen Ausbau der Windenergie werden wir die Klimaschutzziele in NRW nicht erreichen. Deshalb wollen wir den Anteil der Windenergie in NRW an der Stromversorgung auf mindestens 15 % bis 2020, auch durch Repowering, ausbauen. Mit einem neuen Windenergieerlass und dem Leitfaden „Windenergie im Wald“ haben wir bereits als rot-grüne Minderheitsregierung den Ausbau der Windenergie ermöglicht, indem wir u.a. restriktive Regelungen beseitigt haben. Die Kommunen sollen bei der Ausweisung neuer Wind-Konzentrationszonen oder bei der Aufhebung von Höhenbeschränkungen die notwendige Rechtssicherheit bekommen. Wir werden uns im Bundesrat erneut für eine Änderung des § 249 BauGB einsetzen. Bei möglichen Interessenkonflikten zwischen Anwohnerinnen und Anwohnern, Kommunen, Naturschutz und Windenergie streben wir Lösungen im größtmöglichen Konsens an. Neben dem Beratungsangeboten wollen wir die 56 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 2321 2322 2323 2324 2325 2326 Akzeptanz des Ausbaus der Windenergie auch durch eine bessere kommunale Wertschöpfung und Bürgerwindparks sichern. 2327 2328 2329 2330 2331 2332 2333 2334 2335 2336 2337 2338 2339 2340 2341 2342 Photovoltaik 2343 2344 2345 2346 2347 2348 2349 2350 Wasserkraft 2351 2352 2353 2354 Geothermie 2355 2356 2357 2358 2359 2360 2361 2362 2363 2364 2365 Energieeinsparung Geeignete landeseigene Flächen werden mit dem Ziel identifiziert, auch diese Flächen zeitnah für die Windenergie zu nutzen. NRW hat sich in den letzten Jahren zu einem wichtigen Standort der Photovoltaikbranche entwickelt. Momentan sind in NRW fast 150.000 Photovoltaik-Anlagen installiert die jährlich etwa 2,2 TWh Strom erzeugen. Das entspricht knapp 2 % des Gesamtstromverbrauchs Nordrhein-Westfalens. Zehntausende Bürgerinnen und Bürger sind bereits zu Solarstromproduzenten geworden. Diese Entwicklung wollen wir fortsetzen. Die Landesregierung wird sich weiter dafür einsetzen, dass NRW Photovoltaik-Standort bleibt und nicht auf Bundesebene geschädigt wird. Die unberechenbare Politik der Bundesregierung zur Photovoltaik-Vergütung ist ein Angriff insbesondere gegen die Solarwirtschaft, den Mittelstand und das Handwerk. Jetzt gilt es, Planungssicherheit für die Unternehmen und Privathaushalte zu schaffen. Wir werden gesetzliche Restriktionen, die dem Ausbau entgegenstehen, wie etwa das Denkmalschutzgesetz, auf die Möglichkeit von Erleichterungen hin überprüfen. Wir wollen vorhandene Standorte mit Wasserkraftanlagen erhalten, sie energetisch und ökologisch optimieren sowie neue Wasserkraftanlagen errichten, soweit dies mit den Zielen der EU-Wasserrahmenrichtlinie vereinbar ist. In einem ersten Schritt wird in jedem Regierungsbezirk modellhaft mindestens eine neue Referenz-Wasserkraftanlage mit modernster Technologie errichtet. Die geothermischen Potenziale wollen wir weiterhin heben und wissenschaftlich begleiten. Jede Kilowattstunde, die nicht gebraucht wird, schont die Ressourcen, entlastet die Umwelt und verursacht keine Kosten. In Deutschland soll der Stromverbrauch um elf % bis 2020 sinken. Wir werden die Unternehmen weiterhin durch die EnergieAgentur.NRW dabei unterstützen, ihren Energiebedarf zu minimieren und Energiemanagementsysteme einzuführen. Die Landesregierung wird zusammen mit den Kommunen, den Energieversorgern und der NRW.Bank ein Konzept für einen revolvierenden Energieeffizienzfonds und andere Finanzierungsinstrumente erarbeiten, der Investitionen in Energiesparund 57 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 2366 2367 2368 2369 2370 2371 2372 Energieeffizienzprojekte in Gewerbe und Industrie in NRW ermöglicht. Mittelständische Unternehmen und Kommunen verfügen oftmals nicht über ausreichende Mittel, um notwendige Investitionen in Effizienztechniken zu finanzieren. Gemeinsam mit kommunalen Energieversorgern, Handwerkskammern, der Kreditwirtschaft und der Energieagentur wollen wir praxisgerechte Contractingmodelle entwickeln. 2373 2374 2375 2376 2377 2378 2379 2380 2381 2382 2383 2384 2385 2386 2387 2388 2389 2390 2391 2392 2393 2394 2395 2396 2397 2398 2399 2400 Effizienz‐PotenzialeimGebäudebestand 2401 2402 2403 2404 2405 2406 2407 2408 2409 Erneuerbares‐Wärme‐Gesetz(EWärmeGNRW) Die Sanierungsquote von derzeit rund ein Prozent wollen wir signifikant steigern und dafür die die Förderprogramme des Bundes mit den Programmen in Nordrhein-Westfalen verzahnen. Bestehende Beratungsangebote und Fördermöglichkeiten zum Energiesparen in privaten Haushalten führen wir weiter. Wir wollen erreichen, dass KfW-Programme auch für die energetische Sanierung öffentlicher Gebäude genutzt werden können. Im Rahmen unseres KWK- und Gebäudesanierungsprogramms wollen wir einen Großteil der rund 450.000 elektrischen Nachtspeicherheizungen in NRW bis 2020 ersetzen. Ein konsequentes Energiemonitoring ist die Grundlage für die kontinuierliche Senkung des Energieverbrauchs in den Landesbauten. Im Rahmen der Vermietung des BLB wird auf das Warmmietenmodell umgestellt. Neubauten des Landes werden nur noch als energiesparende Bauten ambitioniert unterhalb der jeweils gültigen EnEV errichtet. Darüber hinaus wollen wir die Öffnung von EU-Strukturfonds für Maßnahmen der energetischen Sanierung des Gebäudebestands ermöglichen. Nach „50 Solarsiedlungen in NRW“ und dem weiter laufenden Programm „100 KlimaschutzSiedlungen NRW“ wollen wir ein Projekt „100 Öffentliche Klima Gebäude“ starten. Regionale Innovationsnetzwerke von Wissenschaft und Wirtschaft, die die technologischen und ökonomischen Barrieren zur Erhöhung der Energieeffizienz überwinden helfen (zum Beispiel neue Geschäftsmodelle für Energieeffizienzmaßnahmen im Geschosswohnungsbau, Optimierung des Technikeinsatzes in der Gebäudetechnik, Sanierung im historischen Gebäudebestand) werden wir weiter unterstützen. Bundesweit gilt das Erneuerbare-Wärme-Gesetz, das die verpflichtende Nutzung Erneuerbarer Wärme, zum Beispiel in Form von solarthermischen Anlagen, Biomasseheizungen und Wärmepumpen für Neubauten, vorschreibt. Das Gesetz eröffnet den Ländern ausdrücklich die Möglichkeit, weitergehende Regelungen für den Gebäudebestand zu schaffen. Dort liegt das große ungenutzte Potenzial für die Erneuerbare Wärme und es besteht entsprechender Handlungsbedarf. 58 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 2410 2411 2412 2413 2414 Wir wollen die Erfahrungen aus Baden-Württemberg mit dem dortigen EWärmeG auswerten, um dann auf dieser Basis eine gesetzliche Regelung für NRW einzuführen. Dies kann einen Beitrag liefern, um eine Million Solardächer zu ermöglichen. 2415 2416 2417 2418 2419 2420 2421 2422 2423 2424 2425 2426 2427 2428 2429 2430 2431 2432 2433 2434 2435 2436 2437 2438 EinsparungundVermeidungvonEnergiearmut 2439 2440 2441 2442 2443 2444 2445 2446 2447 2448 2449 2450 2451 2452 2453 2454 Kraft‐Wärme‐Kopplung Wir wollen die Energiewende sozial gestalten. Hohe Energiepreise treffen vor allem Menschen mit geringem Einkommen. Eine Grundversorgung mit Energie, die zum Leben und zur sozialen Teilhabe unerlässlich ist, muss sichergestellt werden. Die geltenden Tarife der Stromanbieter sind weder ökologisch noch sozial. Einerseits können sich immer mehr Menschen selbst einen Mindestverbrauch nicht mehr leisten. Andererseits wird hoher Energieverbrauch vielfach noch durch die Tarifgestaltung belohnt. Deshalb wollen wir eine Tarifgestaltung erreichen, die einen geringen Energieverbrauch begünstigt (zum Beispiel kostenneutrale Einführung linearer Stromtarife durch die Abschaffung von Grundgebühren/preisen). Insbesondere bei Erwerbstätigen mit geringem Einkommen, aber auch bei Bezieherinnen und Beziehern von Leistungen nach dem SGB-II kommt es immer wieder zu Stromsperren. Wir werden im Dialog mit den Energieversorgern und Verbraucherverbänden Lösungen erarbeiten, um Stromsperren zu vermeiden und Energiearmut wirksam zu reduzieren. Zusammen mit der Verbraucherzentrale und den Wohlfahrtsverbänden starten wir hierzu Modellprojekte mit aufsuchender Energieberatung, um langfristig ein landesweites Angebot zu erreichen. Darüber hinaus wollen wir mit neuen Finanzierungsmodellen Möglichkeiten schaffen, dass auch Menschen mit geringem Einkommen Energie sparende Geräte kaufen können. Wir wollen prüfen, ob zum Beispiel über Contracting-Modelle ein Beitrag zum Austausch ineffizienter Elektrogeräte geleistet werden kann. Der deutliche Ausbau der dezentralen, effizienten und klimafreundlichen KWK ist einer der wesentlichen Beiträge zur Erreichung der Energie- und Klimaschutzziele. Kraft-WärmeKopplung in ihrer Vielseitigkeit, von Micro-KWK über dezentrale Blockheizkraftwerke bis hin zur Nutzung von Nah- und Fernwärme, ist der kostengünstigste, einfachste und umweltgerechteste Weg, mittelfristig Wärme aus Erneuerbaren Energien in urbane Versorgungsstrukturen zu integrieren. Die Landesregierung verfolgt deshalb ein ImpulsProgramm Kraft-Wärme-Kopplung mit insgesamt 250 Millionen Euro, auch über die laufende Förderperiode hinaus. Deshalb wollen wir auch in der Förderperiode 2014 - 2020 mit den EU-Strukturfondsmitteln einen Schwerpunkt setzen, um bestehende Investitionshemmnisse beim Ausbau der KWK aufzulösen. Zur Förderung dieser KWK-Projekte sowie zur Förderung von anderen, sich aus der Energiewende ergebenden Infrastrukturprojekten, soll unter dem Dach der NRW-Bank ein revolvierendes Finanzierungsinstrument (EnergieInfrastrukturfonds) eingerichtet werden. 59 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 2455 2456 2457 2458 2459 2460 2461 2462 2463 2464 2465 2466 2467 2468 2469 2470 2471 2472 2473 2474 2475 2476 2477 2478 2479 Neben der Vernetzung und Verdichtung der örtlichen Nah- und Fernwärmenetze soll als ein Leitprojekt die Fernwärmeschienen Niederrhein und Ruhr im Dialog mit den Kommunen verbunden werden. Darüber hinaus wollen wir kommunale KWK-Modellprojekte anstoßen. 2480 2481 2482 2483 2484 2485 2486 2487 Wettbewerb,NetzeundSpeicherfürdieEnergiewende 2488 2489 2490 2491 2492 Wir unterstützen die regionale Umsetzung der Energiewende, in dem zum Beispiel Regionalpläne um einen sachlichen Teilabschnitt „Energie/Klimaschutz“ ergänzt werden. Wir werden Kommunen und Kreise bei ihren energiewirtschaftlichen Aktivitäten unterstützen oder lokale und regionale Pilotvorhaben für Energiemanagement, Erneuerbare Energien und Klimaschutz umsetzen. 2493 2494 2495 2496 2497 2498 2499 Für die Integration der Erneuerbaren Energien sind Anreize für Investitionen in den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung, von Speicherkapazitäten und von Übertragungs- und Verteilnetzen erforderlich. Investitionen von Stadtwerken und Versorgungsunternehmen in KWK-Anlagen sind ein wichtiger Beitrag zur Förderung von lokaler Ökonomie, Klimaschutz sowie Wettbewerb und Versorgungssicherheit in der Erzeugung. Obwohl NRW mit seiner Bevölkerungs- und Industriedichte hervorragende Voraussetzungen bietet, wie das Beispiel Lemgo mit einem KWK-Anteil von über 70 % zeigt, beträgt die KWK-Quote hierzulande derzeit nur etwa zehn %. Die Bundesregierung plant, bis 2020 deutschlandweit 25 % des Stroms durch KWK zu erzeugen. NRW wird dies durch eine Landesquote von mehr als 25 % flankieren. Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, ist ein tiefgreifender technologischer und struktureller Wandel im Strom- und Wärmemarkt notwendig. Doch das vorhandene Instrumentarium des Bundes zur Förderung der KWK reicht bei weitem nicht aus, um dieses Ziel zu erreichen. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die vielfältige Diskriminierung der KWK auf Europa- und Bundesebene beseitigt wird. Mit der inzwischen vorliegenden KWK-Potenzialstudie wurden modellhaft die wirtschaftlichen KWK-Potenziale in Nordrhein-Westfalen ermittelt. Damit liegt jetzt eine Methodik zur Erfassung der Wärmepotenziale vor, die auf andere Städte und Regionen übertragbar ist. Gemeinsam mit der Machbarkeitsstudie für die Vernetzung der Fernwärmeschiene Rhein/Ruhr sind wichtige Grundlagen geschaffen. Im Strom- und Gasmarkt fehlt es nach wie vor an Wettbewerb und fairen Marktstrukturen. Auch deshalb unterstützen wir die Initiativen vieler Kommunen in NRW (zum Beispiel Beratung, Hilfestellung bei Rechtsfragen, Refinanzierungsmöglichkeiten), ihre Strom- und Gasnetze nach Ablauf der Konzessionsverträge zu rekommunalisieren. Um die Übertragung der Netze zu erleichtern und rechtssicher zu gestalten, werden wir uns weiter für eine Änderung der entsprechenden Regelung im Energiewirtschaftsgesetz einsetzen. Neben der notwendigen Genehmigung neuer Übertragungstrassen ist die Optimierung der bestehenden Stromtrassen und die Entwicklung und Erprobung neuer Übertragungstechniken unser Ziel. Oftmals können bestehende Leitungstrassen durch 60 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 2500 2501 2502 2503 2504 2505 2506 2507 2508 2509 2510 2511 2512 2513 2514 2515 2516 2517 2518 2519 2520 2521 2522 2523 Zubeseilung, neue Leitungsmaterialien, Temperaturmonitoring, punktuelle Verstärkung etc., eine beinahe doppelt so hohe Übertragungsleistung erreichen. Um mehr Akzeptanz zu erreichen, muss darüber hinaus der Netzausbau so anwohnerfreundlich wie möglich gestalten werden. Dabei kommt der Teil- und Vollverkabelung eine besondere Bedeutung zu. Eine Novellierung des Energieleitungsausbaugesetzes (EnLAG) muss weitere ErdkabelPilotstrecken auch in NRW ermöglichen. Wir setzen uns für frühzeitige Dialogprozesse beim Netzausbau ein und wollen diese durch mehr Transparenz und ein umfassendes OnlineInformationsangebot unterstützen. 2524 2525 2526 2527 2528 2529 2530 2531 2532 2533 2534 2535 2536 2537 2538 2539 2540 2541 2542 2543 2544 2545 2546 Atomausstieg Ein weiteres Ziel ist es, NRW zu einer Modellregion für intelligente Netze („Smart Grids“) mit moderner Netzsteuerung einschließlich der Entwicklung und des Ausbau von Speicherkapazitäten zu machen. Wir werden uns für eine deutsche Netzgesellschaft auf der Übertragungsnetzebene mit bestimmendem Einfluss der öffentlichen Hand einsetzen, um die Effizienz des Netzbetriebes zu verbessern. Die Landesregierung unterstützt den Ausbau der Pumpspeicherkapazitäten in NordrheinWestfalen, wie zum Beispiel die Projekte in der Eifel und im Weserbergland. Auch vorhandene Talsperren, die Entwicklung und Realisierung von Speicherkraftwerken in stillgelegten Bergwerken und Unterflurkraftwerke bieten bisher ungenutzte Speicherpotenziale. Hierzu wollen wir in Zusammenarbeit mit der NRW.Bank geeignete Finanzierungsinstrumente zur Absicherung von Planungskosten entwickeln. Atomkraft ist aus vielen Gründen eine unverantwortliche Form der Energieerzeugung. Deshalb ist NRW schon vor vielen Jahren aus der Nutzung der Atomkraft ausgestiegen. Wir haben uns vehement gegen die von der Bundesregierung betriebene Laufzeitverlängerung gewehrt. Die atomare Katastrophe von Fukushima hat diese ablehnende Position auf tragische Weise bestätigt und im Sommer 2011 zur Kehrtwende der schwarz-gelben Bundesregierung geführt. Zum Atomausstieg gehört jedoch auch ein vollständiger und endgültiger Ausstieg aus der gesamten nuklearen Brennstoffkette. Darum werden wir darauf drängen, dass die Bundesregierung den von NRW initiierten Bundesratsbeschluss vom Juni 2011 zur Stilllegung aller Anlagen des Kernbrennstoffkreislaufs umsetzt. Wir wollen die Urananreicherung in Gronau rechtssicher beenden. Zudem werden wir die Bundesregierung dazu auffordern, sich für einen europaweiten Atomausstieg einzusetzen. Wir wollen Initiativen unterstützen, die Konditionierungsanlage GNS in Duisburg außerhalb dicht besiedelter Gebiete zu verlegen. Zudem lehnen wir sinnlose und gefährliche Atomtransporte quer durch NRW ab. Wir wollen, dass die Castoren, vor allem die in Jülich lagernden, nur noch einmal transportiert werden – nämlich zu einem Endlager, wenn hierfür ein Standort gefunden ist. Wir werden zudem Evakuierungs- und Notfallpläne in NRW gründlich überprüfen und eine Bundesratsinitiative starten, um Standards der Strahlenschutzvorsorge zu verbessern. 61 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 2547 2548 2549 2550 2551 2552 2553 2554 2555 2556 2557 2558 2559 2560 2561 2562 Das Land NRW wird keinerlei Atomforschung mehr finanzieren, mit Ausnahme der Forschung für Sicherheit, Endlagerung und Rückbau. Dies gilt insbesondere für jedwede Finanzierung von Forschung für neue Kugelhaufenreaktoren und andere Reaktortechnik sowie für Transmutation. Die Errichtung entsprechender Forschungsanlagen und -reaktoren in NRW bleibt ausgeschlossen. 2563 2564 2565 2566 2567 2568 2569 2570 2571 2572 2573 2574 2575 2576 2577 2578 2579 2580 2581 2582 2583 2584 2585 2586 2587 2588 2589 2590 2591 2592 2593 ZukunftsperspektivefürdieSteinkohleregionsichern Der Rückbau der Atomruinen AVR Jülich und THTR Hamm-Uentrop wird noch Jahrzehnte dauern und insgesamt Milliarden Euro kosten. Insbesondere im Hinblick auf die ungeklärte Finanzierung des Rückbaus des THTR werden wir die früheren Betreiber bzw. Rechtsnachfolger und Eigentümer in die finanzielle Verantwortung nehmen. Die Arbeit der im Forschungszentrum Jülich eingerichteten Kommission zur Aufarbeitung der Geschichte des AVR im Hinblick auf technische Probleme und Störfälle werden wir begleiten. Die Landesregierung wird sich weiterhin auf Bundesebene für eine ernsthaft ergebnisoffene Endlagersuche einsetzen. Im Jahr 2018 endet die subventionierte Steinkohlenförderung in Nordrhein-Westfalen. Wir haben diesen schwierigen Prozess ohne strukturelle Brüche und betriebsbedingte Kündigungen geschafft. Der Steinkohlenbergbau erhält über die bereits zugesagten Mittel hinaus keine weiteren Mittel aus dem Landeshaushalt. Wir werden die Möglichkeiten des Landes nutzen, um zur Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen beizutragen und die von einem Auslaufbergbau betroffenen Regionen besonders begleiten. Die Option für private Investoren zur Gewinnung von Kokskohle für die nordrhein-westfälische Stahlindustrie ist zu sichern. Landesmittel werden hierfür nicht zur Verfügung gestellt. Über Arbeit und Aktivitäten der RAG-Stiftung, insbesondere über die Verwendung der Finanzmittel der Stiftung, ist größtmögliche Transparenz herzustellen. Für uns hat die Stiftung drei wichtige Aufgaben: Erstens muss die Finanzierung der Ewigkeitslasten langfristig gesichert werden. Zweitens müssen bei der strategischen Ausrichtung der Evonik industrielle Kernkompetenzen am Standort NRW erhalten bleiben und weiter entwickelt werden. Drittens müssen die Evonik-Wohnungsbestände auch zukünftig so bewirtschaftet werden, dass die Interessen der Mieterinnen und Mieter langfristig gesichert werden. Wir wollen die bei der RAG vorhandenen industriellen Kompetenzen erhalten und dabei auch die Möglichkeiten des bisherigen Bergbaus für den Ausbau der Erneuerbaren Energien und Speichertechnologien untertage und auf Halden nutzen. Wir wollen, dass die erfolgreiche Bergbauzulieferindustrie den weltweit wachsenden Markt auch weiterhin von Nordrhein-Westfalen aus beliefert. Die gewerblich-technische und kaufmännische Ausbildung in vielen Berufen über den Bergbau hinaus ist an den verbliebenen Standorten des Steinkohlebergbaus ein wichtiger Faktor für die Bildung des Fachkräftenachwuchses. Deshalb wollen wir gemeinsam mit den Kommunen und der Wirtschaft nach Möglichkeiten suchen, die Ausbildung zu sichern und weiter zu entwickeln. 62 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 2594 2595 2596 2597 2598 2599 2600 2601 2602 2603 2604 2605 2606 2607 2608 2609 2610 2611 2612 2613 2614 2615 2616 2617 2618 2619 2620 2621 2622 2623 2624 2625 2626 2627 2628 2629 2630 2631 2632 2633 2634 2635 2636 2637 2638 2639 Die rückläufige Tätigkeit des Bergbaus wirft neben der laufenden Bergschadensabwicklung eine Reihe von Problemen auf. Wir werden dafür sorgen, dass die Rechte der betroffenen Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Kommunen auf eine transparente und angemessene Beteiligung an diesem Prozess gesichert werden. NeueKraftwerkefürNRW NRW ist das Land mit der größten Stromproduktion Deutschlands. Wir wollen, dass das so auch in Zukunft bleibt. Mit der Abschaltung aller Atomkraftwerke ist klar, dass bis zur vollständigen Deckung des Strombedarfs durch die Erneuerbaren Energien noch fossile Kraftwerke benötigt werden. NRW kommt eine Schlüsselrolle zu, um in Deutschland die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, nicht von Stromimporten abhängig zu werden und die Klimaschutzziele auch tatsächlich zu erreichen. Am Einspeisevorrang für Erneuerbaren Energien halten wir fest. Der Strommarkt entwickelt sich dahin, dass fossile Grundlast zunehmend weniger nachgefragt wird. Deshalb plant die Energiewirtschaft derzeit aus wirtschaftlichen Gründen keine neuen Steinkohlekraftwerke. Parallel zum Ausbau der Erneuerbaren Energien brauchen wir neben Speichern und Lastmanagement vor allem hochflexible und -effiziente fossile Kraftwerke. Besonders dann, wenn diese Anlagen in Kraft-Wärme-Kopplung betrieben werden können, sind sie ein wichtiger Beitrag für Klimaschutz und Ressourcenschonung. Gaskraftwerken kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Investition in diesem Bereich sind eine große Chance für den Kraftwerks- und Industriestandort NRW. Allerdings warten die Unternehmen immer noch auf klare Rahmenbedingungen seitens der Bundesregierung. Wir setzen uns deshalb auf Bundesebene für eine entsprechende Ausgestaltung von Regelungen für Erzeugung von Kapazitäten, verbesserte Rahmenbedingungen für Kraft-Wärme-Kopplung und die Einführung von Mindestwirkungsgraden (für alte und neue Kraftwerke) im Bundesimmissionsschutzgesetz ein. Dies schafft die notwendigen Investitionsbedingungen für den Bau neuer Kraftwerke. Das im Bau befindliche Gas- und Dampf-Kraftwerk (GuD-Kraftwerk) in Hürth und die geplanten Gaskraftwerke in Köln, Leverkusen, Düsseldorf, Krefeld und Bocholt sind wichtig für eine flexible, ressourcenschonende und klimafreundliche Strom- und Wärmeversorgung, Versorgungssicherheit, Planungssicherheit und internationale Wettbewerbsfähigkeit. Sie ersetzen alte, ineffiziente und klimaschädliche Kraftwerke, die heute noch mit Kohle betrieben werden. Die Landesregierung wird darüber hinaus den Bau der notwendigen Infrastruktur, vor allem durch Verknüpfung und Verdichtung von Nah- und Fernwärmnetzen oder den Bau von Wärmespeichern, fördern. Kohlekraftwerke werden noch für eine längere Zeit einen Beitrag zur Strom- und Wärmeversorgung leisten. Ihre Emissionen müssen aber zur Einhaltung der nationalen Klimaschutzziele kontinuierlich reduziert werden. In Duisburg, Hamm und Grevenbroich sind derzeit fünf neue Kohlekraftwerke mit 4.500 MW Leistung im Bau oder bereits im Probebetrieb, die in den nächsten Jahren ohnehin ans Netz gehen. Die Projekte in Datteln und Lünen sind derzeit durch Gerichtsentscheidungen gestoppt. 63 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 2640 2641 2642 2643 2644 2645 2646 2647 2648 2649 2650 2651 2652 2653 2654 2655 2656 2657 2658 2659 Vor dem Hintergrund des Atomausstieges, des zunehmenden Anteiles erneuerbarer Energien, der ambitionierten Klimaschutzziele der Landesregierung ist der zukünftige Beitrag der fossilen Energieträger zur Stromerzeugung und zur Versorgungssicherheit in NordrheinWestfalen zu diskutieren und zu bewerten. Im Rahmen der Erstellung des Klimaschutzplans wollen wir entlang der verabredeten Klimaziele und Klimaszenarien eine Orientierungs- und Planungsperspektive für Investitionen in zukünftige Kraftwerke und Energieinfrastruktur abschätzen. Wir wollen eine „Plattform Kraftwerke“ einrichten, um im Dialog mit den Unternehmen einen „wirtschaftlichen und versorgungstechnischen Konsens“ mit Perspektive in NRW zu erreichen. In diesem Dialog wollen wir entwickeln, welche Investitionen auf welcher Grundlage von den Beteiligten in neue Speicher, Backup-Kraftwerke, Anlagen der Energieerzeugung, der Energieeffizienz und der Energieeinsparung geleistet werden können. Hierbei erwarten wir Aussagen zur Rolle der nordrhein-westfälischen fossilen Kraftwerke zur Versorgungssicherheit der Stromversorgung vor dem Hintergrund des gewollten Ausbaus der erneuerbaren Energien in NRW und Deutschland, 2660 2661 2662 2663 2664 2665 2666 2667 2668 2669 2670 2671 Auf Basis einer solchen Gesamtbewertung können dann Aussagen zur zukünftigen Rolle der einzelnen fossilen Energieträger getroffen werden. Ebenso können die Maßnahmen identifiziert werden, die NRW im Rahmen der Energiewende selbst umsetzen kann und die ein Masterplan auf Bundesebene leisten müsste (Netzausbau- und -anschluss, Kapazitätsmarktmodelle, Erneuerbare Energien). 2672 2673 2674 2675 2676 2677 2678 2679 2680 2681 2682 2683 2684 KohlekraftwerkeDattelnundLünen zur zukünftige Leistungsabsicherung durch Braunkohle, Steinkohle, Erdgas und Erneuerbaren Energien in ihrer zeitlichen Kompatibilität und im Abgleich zu dem Energiekonzept des Bundes und zu den Klimaschutzzielen auf Bundes- und Landesebene, zu den regionalwirtschaftlichen Effekten durch veränderte Erzeugungsstrukturen sowie zur Notwendigkeit der Netzergänzung, der Netzstabilisierung und der Netzkompatibilität. Die von der Regierung Rüttgers zu verantwortenden Verfahren für Kohlekraftwerke in Datteln und Lünen sind durch Gerichtsentscheidungen gestoppt worden. In beiden Verfahren streben die Vorhabenträger weiterhin eine rechtssichere Planung und Genehmigung für ihre nahezu fertig gestellten Projekte an. Beide Projekte stoßen weiterhin auf Widerstand; Rechtsmittel sind eingelegt. Der Rat der Stadt Datteln hat im März 2012 den Entwurf einer vorläufigen Kraftwerkskonfiguration für das Bauleitplanverfahren gebilligt und das Verfahren eingeleitet. Der RVR führt zurzeit ein neues Regionalplanänderungsverfahren durch. Es ist davon auszugehen, dass beide Verfahren erneuten gerichtlichen Klärungen zugeführt werden. Dabei gilt: Die Landesregierung selbst baut keine neuen Kraftwerke und reißt auch keine begonnenen Projekte ab. Sie wird deshalb den Vertrauensschutz dahingehend 64 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 2685 2686 2687 2688 2689 2690 2691 2692 gewährleisten, dass Projekte nicht in laufenden Verfahren durch Landesrecht schlechter gestellt werden als zum Zeitpunkt der Antragstellung. Die Landesregierung wird aber auch den Vertrauensschutz für Anliegerinnen und Anlieger nicht verschlechtern und schon deshalb Landesrecht zu Gunsten begonnener Projekte nicht verbiegen. Sofern der RVR eine Regionalplandarstellung des Kraftwerksstandorts Datteln beschließt, ist durch die Landesregierung eine Rechtsprüfung durchzuführen. Das Ergebnis einer solchen Prüfung kann nicht vorweg genommen werden. 2693 2694 2695 2696 2697 2698 2699 2700 2701 2702 2703 2704 2705 2706 2707 2708 2709 2710 2711 2712 2713 2714 2715 2716 2717 2718 2719 2720 2721 2722 2723 2724 2725 2726 2727 2728 2729 2730 NachhaltigePerspektivenfürdasRheinischeRevier Aus der Braunkohle stammt mit über 40 % der bisher größte Beitrag zur Stromproduktion in NRW. Gleichzeitig ist die Braunkohle für fast 85 Millionen Tonnen CO2 und damit ein Drittel aller CO2-Emissionen des Landes NRW verantwortlich. Diese Emissionen sind in den letzten Jahren nicht gesunken. Will NRW seine Klimaschutzziele erreichen, wird auch die Braunkohleverstromung in Zukunft ihren Reduktionsbeitrag leisten müssen. Gemeinsam mit dem Bergbau treibenden, Energie erzeugenden Unternehmen RWE Power wollen wir einen "Aktionsplan Rheinisches Revier" entwickeln, der in seiner Umsetzung folgenden Leitzielen folgen soll: Effizienzsteigerungen müssen – wie im Rahmenbetriebsplan Garzweiler II verbindlich festgelegt – dazu führen, Ressourcen zu schonen und die absoluten jährlichen CO2Emissionen im rheinischen Revier kontinuierlich zu senken. Deshalb ist verbindlich zu vereinbaren, dass die Kohleförderung entsprechend der Effizienzgewinne schrittweise gesenkt wird. Auch deshalb sind neue Tagebaue nicht notwendig. Dem Revier droht Stillstand, sofern für die nächsten Jahrzehnte die Braunkohleförderung unverändert bliebe und diese Kohle überwiegend in Uralt-Blöcken verstromt würde. Weder die Klimaschutzziele wären zu erreichen, noch würde es eine gute Zukunft für die Menschen und ihre Arbeitsplätze im Revier geben. Deshalb müssen Effizienzsteigerungen im Kraftwerkspark bzw. Stilllegung von Altanlagen besonders in der Braunkohle mit den Klimaschutzzielen auf Bundes- und Landesebene sowie den im Klimaschutzplan festgelegten Maßnahmen in Einklang gebracht werden. Die Braunkohlegewinnung und -verstromung muss einen Beitrag zur CO2-Reduktion leisten, der ihren jährlichen Emissionen entspricht. Wir werden gegenüber dem Energieerzeuger die gemeinsam vereinbarte Abschaltung von Altanlagen durchsetzen. Mit BoA 1- 3 wurden ca. 30 % der Kraftwerkskapazität erneuert. Nun muss zeitnah eine klare Perspektive für die Folgenutzung an den Standorten Weisweiler und Frimmersdorf aufgezeigt werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bis Ende 2012 am Standort Frimmersdorf alle 150-MW-Blöcke ohnehin abzuschalten sind. Auch die danach verbleibenden zwei 300-MW-Blöcke aus den Jahren 1966 und 1971 mit einem Wirkungsgrad von ca. 30 % dürfen eine Folgenutzung des gesamten Standortes nicht länger behindern. Nicht mehr benötigte Anlagen sind spätestens zwei Jahre nach ihrer Stilllegung zurückzubauen und die frei werdenden Flächen einer Nachfolgenutzung zuzuführen. Die Regionalplanung ist einzubeziehen. Die Immissionssituation für die Anwohnerinnen und Anwohner soll insgesamt verbessert werden. 65 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 2731 2732 2733 2734 2735 2736 2737 2738 2739 2740 2741 2742 2743 2744 2745 2746 2747 2748 2749 2750 2751 2752 2753 2754 2755 2756 2757 2758 2759 2760 BergschädenundRestseen 2761 2762 2763 2764 2765 2766 2767 2768 2769 2770 2771 2772 2773 2774 2775 InnovationsregionRheinischesRevier Auch im Rheinischen Revier wird der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung zügig und kontinuierlich gesteigert. Die vorhandenen Potenziale für die umweltfreundliche Kraft-Wärme-Kopplung sind so weit wie möglich auszuschöpfen. Potenziell Bergschadensbetroffene sollen zukünftig eine vergleichbare Rechtsstellung in der Braun- und Steinkohle erhalten. Das Land Nordrhein-Westfalen wird über eine Bundesratsinitiative eine Novellierung des Bundesberggesetzes beantragen, um damit die Umkehr der Beweislast für Bergschäden im rheinischen Braunkohlerevier zu erreichen. Im gesamten Einwirkungsbereich sind von den Behörden kontrollierte Messungen sowie eine kontinuierliche Führung des Risswerkes erforderlich. Wie in der Steinkohle sollen auch in der Braunkohle sämtliche bergschadensrelevanten Informationen, die beim Bergbauunternehmen oder den Behörden vorliegen – wie z.B. exakte Lage von Störungslinien, Ausmaß von Senkungen, Risswerke – öffentlich zugänglich gemacht werden. Dafür sind bundes- und landesrechtlich die Voraussetzungen zu schaffen (u. a. Markscheider-Bergverordnung). Das Problem des Grundwasserwiederanstiegs nach Beendigung der Kohleförderung und die damit verbundenen Risiken für Bergschäden sollen untersucht und mögliche Konsequenzen daraus für die Bauleitplanung mit den Kommunen im Rheinischen Revier gezogen werden. Für die Restseen bedarf es umfassender Risikoanalysen und darauf aufbauender Nachweise der Langzeitstabilität der Böschungen. Ein Langzeit-Monitoring der Stabilität der bebauten Böschungen muss während der Befüllung und des Betriebs durchgeführt werden. Wir werden hierfür die notwendigen gesetzlichen und vertraglichen Änderungen auf Landesebene durchführen und auf Bundesebene initiieren. Das von uns auf den Weg gebrachte Landesprogramm „Innovationsregion Rheinisches Revier“ (IRR) werden wir gemeinsam mit den Akteuren in der Region weiterentwickeln, um bereits heute auf die Strukturveränderungen durch das perspektivische Auslaufen der Braunkohleförderung zu reagieren. Die IRR umfasst das Braunkohlenrevier einschließlich seiner unmittelbaren Nachbarschaft und soll nicht im Gegensatz oder gar in Konkurrenz zu den bisherigen Regionalen Arbeitsstrukturen stehen, sondern diese ergänzen und Synergien schaffen. Wir wollen das Rheinische Revier auf Basis der gegebenen wirtschaftlichen und infrastrukturellen Stärken zu einer Modellregion entwickeln, in der in beispielhafter Weise die Energiewende durch eine moderne und nachhaltige Industrie- und Strukturpolitik voran gebracht wird. 66 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 2776 2777 2778 2779 2780 2781 2782 2783 2784 2785 2786 2787 2788 In diesem Sinne müssen jetzt unbedingt die Prioritäten für Entwicklungspfade und daraus resultierende Modellprojekte festgelegt werden. Entsprechende EntwicklungsPotenziale sehen wir hier in den Bereichen Solarwirtschaft, Strom-Speichertechnologien, E-Mobilität, Bioökonomie, klimaneutrales Wohnen und Logistik, aber auch in der Fachkräftesicherung oder dem Rück- und Umbau alter Industrieflächen zu neuen Innovationsräumen inklusive der Anpassung der hierfür notwendigen Infrastruktur. 2789 2790 2791 2792 2793 2794 2795 2796 2797 2798 2799 2800 2801 2802 2803 2804 2805 2806 2807 2808 2809 2810 Kohlendioxidabscheidungund‐speicherung(CCS) 2811 2812 2813 2814 2815 2816 2817 2818 2819 2820 2821 ErdgasausunkonventionellenLagerstätten Von zentraler Bedeutung sind hierfür die Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen der Region sowie das Engagement des Unternehmens RWE Power, welches sich auch im Interesse der dort beschäftigten Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer spürbarer und nachhaltiger als bisher in das Landesprogramm IRR einbringen muss, um so seiner Verantwortung für die Region gerecht zu werden. Ein nationales CCS-Gesetz ist bisher nicht zustande gekommen. Die CCS-Technologie ist für NRW in den kommenden Jahren nicht von praktischer Relevanz zur Reduktion der CO2Emissionen aus der Energiewirtschaft. NRW verfügt nicht über eigene geologische Speichermöglichkeiten; die Pipeline- und Speicherfragen sind nicht gelöst. CCS ist keine Begründung, den notwendigen und überfälligen Strukturwandel hin zu Erneuerbaren Energien und Effizienztechnologien aufzuschieben. Dennoch macht es Sinn, die CCS-Technologie zu erforschen und zu erproben, auch um eine Option zur Beseitigung von prozessbedingten Emissionen aus Stahl-, Zement-, Chemieindustrie usw. zu erhalten, die in Deutschland etwa acht % der CO2-Emissionen ausmachen. Im Hinblick auf eine CO2-freie Wirtschaft in der Mitte des Jahrhunderts (nationales Klimaschutzziel minus 80-95 % bis 2050, NRW-Ziel mindestens minus 80 % bis 2050) gibt es für diese Emissionen bisher keine Vermeidungsperspektive. Deshalb sehen wir eine Perspektive für NRW darin, die Abscheidung von CO2 und seine anschließende Wiederverwertung in Verbindung mit CO2-intensiven industriellen Produktionsprozessen weiter zu entwickeln. NRW bietet mit seinen Forschungseinrichtungen, seiner vielfältigen Industrie, seinem Know-how und seiner breit aufgestellten chemischen Industrie hierfür europaweit die besten Voraussetzungen. Eine Erdgasgewinnung in NRW erfolgt bislang nicht. Einige Unternehmen haben in den letzten Jahren mit der Datenrecherche und mit Erkundungsmaßnahmen begonnen, die auf Erdgas in so genannten unkonventionellen Lagerstätten gerichtet sind. Unkonventionelles Erdgas mit giftigen Chemikalien zu suchen und zu gewinnen, halten wir für nicht verantwortbar. Wasser ist unser Lebensmittel Nummer 1. Deshalb dürfen Trink- und Grundwasser nicht gefährdet werden. Wir wollen keine Genehmigungen für Erdgas-Probebohrungen und -frackingmaßnahmen zulassen, bis die nötigen Datengrundlagen zur Bewertung vorhanden sind und zweifelsfrei 67 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 2822 2823 2824 2825 2826 2827 2828 2829 2830 2831 2832 2833 2834 2835 2836 2837 2838 2839 2840 2841 2842 2843 2844 2845 2846 2847 2848 2849 2850 2851 2852 2853 2854 2855 2856 2857 2858 2859 2860 2861 2862 2863 2864 2865 2866 2867 2868 2869 geklärt ist, dass eine nachteilige Veränderung der Wasserbeschaffenheit nicht zu besorgen ist (Besorgnisgrundsatz nach Wasserhaushaltsgesetz). Die rot-grüne Landesregierung hat in einem Bundesratsantrag 2011 deutlich gemacht, dass angesichts der möglichen erheblichen Umweltauswirkungen der Fracking-Technologie diese Vorhaben einer obligatorischen Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterworfen werden müssen. Zukünftig sollen nicht nur oberflächliche Umweltauswirkungen, sondern auch untertägige Auswirkungen berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang ist eine transparente öffentliche Beteiligung unerlässlich. Außerdem möchten wir die Transparenz und die öffentliche Beteiligung verbessern. Zudem soll die Beweislastumkehr im Bundesberggesetz auch für unkonventionelles Erdgas gelten. Dafür werden wir uns im Bundesrat einsetzen. In diesem Sinne soll das Bergrecht novelliert werden. Planerische Vorsorge durch einen neuen Landesentwicklungsplan Der derzeit gültige Landesentwicklungsplan (LEP) wurde 1995 aufgestellt unter wesentlich anderen Rahmenbedingungen zum Beispiel beim demografischen Wandel der Bevölkerung und den Anforderungen des Klimawandels. Um ein einheitliches und zukunftsfestes Planungsrecht für NRW zu schaffen, werden das alte LEPro (Landesentwicklungsprogramm) und der LEP (Landesentwicklungsplan) inhaltlich zusammengefasst und als Verordnung verabschiedet. Die Beteiligungsmöglichkeiten werden wir bereits bei der Erarbeitung über die gesetzlichen Vorgaben hinaus verbessern, um frühzeitig Akzeptanz zu schaffen. Die Landesregierung hat in der letzten Legislaturperiode bereits einen Entwurf neuer landesplanerischer Regelungen zum großflächigen Einzelhandel in Form eines sachlichen Teilplans auf den Weg gebracht. Mit den neuen Regelungen sollen die Innenstädte, Stadtund Ortsteilzentren weiter gestärkt werden. Darüber hinaus werden die aufgrund der Auflösung des Landtages unterbrochenen Arbeiten am Entwurf des Gesamt-LEP mit dem Ziel fortgesetzt, diesen zeitnah ins Verfahren zu geben. Neue Chancen auf Konversionsflächen Der in NRW bis 2020 geplante Rückzug der Bundeswehr und der Britischen Armee stellt die Kommunen vor neue Herausforderungen, bietet aber auch neue Chancen für den Naturschutz, den Ausbau der Erneuerbaren Energien sowie die gewerbliche Nutzung auf geeigneten Teilflächen. Die sehr großen Flächen erfordern eine frühzeitige überörtliche landesplanerische Abstimmung der verschiedenen Nutzungsansprüche und die Entwicklung von Konzepten in regionalen Kooperationen. Wir wollen durch eine Änderung des Gesetzes über die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben erreichen, dass bei der Folgenutzung von Flächen nicht nur die finanziellen Interessen des Bundes, sondern auch strukturpolitische Ziele der Länder, Regionen und Kommunen sowie die Chancen für den Naturschutz stärker berücksichtigt werden als bisher. 68 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 2870 2871 2872 IV. Umwelt,Landwirtschaft,Verbraucherschutz 2873 2874 2875 2876 2877 2878 2879 2880 2881 2882 2883 2884 2885 2886 2887 2888 2889 2890 2891 2892 2893 2894 2895 2896 2897 2898 2899 2900 2901 2902 2903 2904 2905 2906 2907 2908 2909 2910 2911 2912 2913 2914 ÖkologischerAufbruchinNRW‐BesserlebeninStadtundLand Ein neuer ökologischer Aufbruch in NRW ist notwendig. Bei der Bekämpfung der großen Umweltprobleme haben wir erste Schritte gemacht, stehen aber weiter vor großen Herausforderungen. Lärm, Feinstaub und andere Umweltgifte machen krank. Der Klimawandel führt zu neuen Belastungen. Der Flächenverbrauch geht unvermindert weiter. Das Überleben zahlreicher Tier- und Pflanzenarten ist bedroht. Eine intensiv betriebene Landwirtschaft belastet vielerorts die Wasserqualität. Wir verpflichten uns, Mensch und Umwelt in NRW nachhaltig zu schützen. Die Menschen erwarten zu Recht einen handlungsfähigen Staat, der sie wirksam vor gesundheitlichen Umweltgefahren schützt, die natürlichen Lebensgrundlagen bewahrt und aktiv die notwendigen Zukunftsweichen stellt. Wir stehen konsequent dafür ein, Profitstreben durch Raubbau und Verschwendung nicht weiter zuzulassen, sondern durch nachhaltiges Wirtschaften dauerhaft unsere Lebensgrundlagen zu erhalten. Unser Leitprinzip heißt dabei Nachhaltigkeit. Darin verbinden wir ökologische Verantwortung und ökonomische Vernunft eng mit sozialer Gerechtigkeit. Dies bedeutet ambitionierte Umweltstandards, eine Ökologisierung der Landwirtschaft, eine naturnahe und zukunftsorientierte Waldwirtschaft, einen starken Verbraucherschutz sowie eine neue Umweltwirtschaftsstrategie für NRW. Wir wollen NRW zum Vorreiter der ökologisch-industriellen Revolution machen. Mit unserem Konzept des konsequenten ökologischen Umbaus der Industriegesellschaft wollen wir Ökonomie und Ökologie im 21. Jahrhundert zu wechselseitigem Nutzen entwickeln und damit den Schutz unserer Umwelt, nachhaltiges Wirtschaften und neue Arbeitsplätze ermöglichen. Wir setzen dabei vor allem auf den Ideenreichtum und die Innovationskraft der Menschen und der Wirtschaft in NRW. Damit durch die Auswirkungen des demographischen Wandels die Infrastruktur-Kosten z. B. der Abfall- und Abwasserentsorgung nicht nur auf weniger Bevölkerung verteilt werden müssen, wollen wir rechtzeitig in Kooperation mit den Kommunen für eine landesweite Koordinierung zur langfristigen Planung und Sicherung der Entsorgungsinfrastruktur sorgen. Ziel ist, dass auch künftig die Leistungen der Daseinsvorsorge wie Abfall- und Abwasserentsorgung erbracht werden können unter der Maßgabe der Preis- und Gebührenstabilität, einer langfristigen Entsorgungssicherheit und eines hohen Umweltschutzniveaus. NRW: Land der Nachhaltigkeit und der anspruchsvollen Umweltziele Um einen neuen ökologischen Aufbruch in NRW zu erreichen, ist es notwendig, ambitionierte Umweltstandards zu setzen und konkrete Umwelt- und Nachhaltigkeitsziele zu verfolgen. 69 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 2915 2916 2917 2918 2919 2920 2921 2922 2923 2924 2925 2926 2927 2928 2929 2930 2931 2932 2933 2934 2935 2936 2937 2938 2939 2940 2941 2942 2943 2944 2945 2946 2947 2948 2949 2950 2951 2952 2953 2954 2955 2956 2957 2958 2959 2960 2961 Den gravierenden Auswirkungen des Klimawandels werden wir im Rahmen des, auch im künftigen Klimaschutzgesetz NRW verankerten Prozesses, mit einer konsequenten ressortübergreifenden NRW-Klimafolgenstrategie begegnen. Die Beteiligungs- und Umweltinformationsrechte von Bürgerinnen und Bürgern, Verbänden und Initiativen sollen gestärkt werden. Dazu werden das Umweltinformationsgesetz (UIG), das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP-Gesetz) und das Landschaftsgesetz novelliert und die aktive Umweltberichterstattung ausgebaut. Auch außerhalb der formalisierten Verfahren des öffentlichen Planungsrechts wollen wir Informations- und Mitwirkungsmöglichkeiten für Bürgerinnen und Bürger verbessern. Dabei werden wir uns auch für die digitale Verfügbarkeit einsetzen. Wir werden die neuen Impulse der „Konferenz Rio 20 plus“ aufgreifen und in den Agenda-21Prozess in NRW (Nachhaltigkeitsstrategie NRW) mit aufnehmen, so auch die vielen lokalen Agenda-Prozesse neu beleben und die Erfahrungen im Rahmen eines Nachhaltigkeitsberichtes auswerten. Die Arbeit der Stiftung „Umwelt und Entwicklung“ bleibt finanziell abgesichert. Im Rahmen der Anforderungen, die sich aus der „UN-Dekade der Bildung für nachhaltige Entwicklung 2005 – 2014“ und ihrer Halbzeitbilanz ergeben, wird das Thema „Bildung für Nachhaltigkeit“ und insbesondere Umweltbildung im Rahmen einer landesweiten Bildungsstrategie für nachhaltige Entwicklung systematisch in allen schulischen und außerschulischen Bildungsbereichen implementiert und breit verankert werden. Wir wollen bessere gesetzliche Regelungen für Umwelt und Lebensqualität. Dies betrifft insbesondere das Wasser,- Abfall-, Landschafts- und Immissionsschutzrecht. Wir werden ein nachhaltiges Beschaffungswesen für das Land verbindlich einführen, einen Nachhaltigkeitscheck für alle Landesprogramme verankern sowie eine Ökoauditierung der gesamten Landesverwaltung durchführen. Bei der weiteren Umsetzung wollen wir durch entsprechende Hinweise auf die bei öffentlichen Bauvorhaben zu verwendenden Baustoffe/Materialien die Raumlufthygiene unter Umwelt- und Gesundheitsaspekten verbessern. Der fortschreitende Umwelt- und Flächenverbrauch sowie die Umweltschädigung muss im Sinne der Nachhaltigkeit auf ein vertretbares Minimum reduziert werden. Deshalb sollte das bestehende Instrumentarium an Abgaben mit ökologischen Lenkungswirkungen hinsichtlich notwendiger Erweiterungen und zusätzliche Abgaben geprüft und bewertet werden. Die Zahl der Plätze, die im Rahmen des Freiwilligen Ökologischen Jahres (FÖJ) vergeben werden, sollen verdoppelt (Ausgangsbasis 2010) werden sowie die Rahmenbedingungen für die Träger verbessert werden. CO-Pipeline 70 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 2962 2963 2964 2965 2966 2967 2968 2969 2970 2971 2972 2973 2974 2975 2976 2977 2978 2979 2980 2981 2982 2983 2984 2985 2986 2987 2988 2989 2990 2991 2992 2993 2994 2995 2996 2997 2998 2999 3000 3001 3002 3003 3004 3005 3006 3007 3008 3009 Wir wollen einen nachhaltig ausgerichteten Industrie- und Chemiestandort NRW. Die chemische Industrie ist eine Schlüsselbranche für den Standort NRW und die Umwelt. Als Materiallieferant unterstützt sie Innovationen und Ressourceneffizienz in allen Wertschöpfungsketten. Mit Blick auf die umstrittene CO-Pipeline für den Transport von hochgiftigem Kohlenmonoxid von Dormagen nach Krefeld-Uerdingen halten wir fest: Bei der CO-Pipeline dürfen Sorgen und Ängste der Menschen weiterhin nicht ignoriert werden. Auch die Arbeitsplatzsicherung an den Standorten hat für uns eine große Bedeutung. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat in seinem Beschluss 2007 Sicherheitsmängel deutlich gemacht und darüber hinaus Abwägungsdefizite des Gesetzes bei der Gemeinwohlorientierung festgestellt. Damit ist die Verfassungsmäßigkeit des Rohrleitungsgesetzes in Frage gestellt (Gemeinwohlorientierung der Enteignung). Es wurde mit einer Vielzahl von Planungs- und Ausführungsfehlern sowie mit einer defizitären Kommunikationsstrategie dazu beigetragen, dass vorhandene Zweifel an einem sicheren Betrieb der CO-Pipeline stetig verstärkt worden sind. Im Mai 2011 hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf in seinem Urteil festgestellt, dass es keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Rohrleitungsgesetzes hat. Zugleich hat es aber noch Mängel an der Planfeststellung aufgezeigt. Die weitere Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster bleibt abzuwarten. Die Landesregierung wird das Rohrleitungsgesetz abschließend evaluieren. In diesem Zusammenhang wollen wir den Versuch unternehmen, in Vermittlung zwischen Unternehmen und Betroffenen einen Dialogprozess und eine umfassende Problemlösung auszuloten. Dabei soll auch ein Ausbau der Produktion von Kohlenmonoxid am Standort Uerdingen geprüft werden. Umweltwirtschaftsstrategie Ökologie und Klimaschutz sind Leitidee unserer Regierungs- und Standortpolitik. Wir setzen auf Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Ressourcen- und Energieeffizienz sowie ambitionierte Umweltstandards. Wir führen deshalb die Arbeit einer Umweltwirtschaftsstrategie NRW fort, in der z. B. die Ressourcenwirtschaft, die Abfallwirtschaft, die Wasserwirtschaft, die Forst- und Landwirtschaft und die Erneuerbare-Energien-Wirtschaft systematisch vernetzt und unterstützt wird und starten ein umfassendes, ressortübergreifendes Umweltwirtschaftsprogramm. Wir unterstützen die Entwicklung ökologischer Leitmärkte, zum Beispiel für Energieeffizienz, erneuerbare Energien, Rohstoff- und Materialeffizienz. Die EUFördermittel für NRW werden wir stärker am ökologischen und sozialen Umbau der Industriegesellschaft orientieren. Wir werden einen Umweltwirtschaftsbericht NRW veröffentlichen. Ressourcen- und Materialeffizienz sind ein zentraler Markt der Zukunft. Dazu wollen wir den Aufbau eines Kompetenznetzwerkes in NRW mit den Schwerpunkten „Cluster Umwelttechnologie“, Ressourcen-Contracting, Ressourceneffizienzfonds, 71 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 3010 3011 3012 3013 3014 3015 3016 3017 3018 3019 3020 3021 3022 3023 3024 3025 3026 3027 3028 3029 3030 3031 3032 3033 3034 3035 3036 3037 3038 3039 3040 3041 3042 3043 3044 3045 3046 3047 3048 3049 3050 3051 3052 3053 3054 3055 3056 3057 Innovationsprogramm Ressourceneffizienz, Ressourceneffizienzkampagne sowie einer virtuellen Ressourcenuniversität in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft fortsetzen. Die erfolgreiche Effizienzagentur NRW soll weiter als flächendeckendes Angebot ausgebaut werden. Der "Dialog Wirtschaft und Umwelt" soll im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie konzentriert weiter geführt werden und als tatsächlicher Dialog zwischen Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden, Wirtschaft und Gewerkschaften fortgeführt werden. Abfallwirtschaft: Auf dem Weg zur umfassenden Ressourcenwirtschaft Wir verfolgen das Ziel einer ökologischen Abfallwirtschaft, fördern Abfallvermeidung in allen Bereichen, stärken eine konsequente Kreislaufwirtschaft und stellen hohe ökologische Standards sicher. Die Verantwortung für die Abfallentsorgung ist Teil der Daseinsvorsorge und Aufgabe der Kommunen. Dies gilt insbesondere für die Einführung einer Wertstofftonne. Wir werden einen neuen ökologischen Abfallwirtschaftsplan Nordrhein-Westfalen erstellen. Für diesen gilt: Umsetzung der neuen EU- Abfallrahmenrichtlinie, restriktive Bedarfsprüfung, Abfallvermeidung und Wiederverwertung, „regionale Entsorgungsautarkie“, die Unterstützung von Kooperationen, die Festsetzung des Prinzips der Nähe bis hin zur verbindlichen Zuweisung des Abfalls zu Entsorgungsanlagen. Mit dem neuen Abfallwirtschaftsplan werden wir insbesondere die Entwicklung regionaler Kooperationen aktiv fördern. Dazu gehört auch die landesweite Koordinierung einer langfristigen Anpassung der Kapazitäten bei den Abfallbehandlungsanlagen und Deponien. Die Anstrengungen, Bioabfälle getrennt zu erfassen, werden verstärkt. Dabei sollen Systeme zum Einsatz kommen, die flächendeckend die jeweils beste Erfassung von Bioabfällen gewährleisten. Zudem muss die Organisationshoheit der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger bei der Art und Weise der Erfassung der Bioabfälle sowie die bundesrechtlich vorgesehene Möglichkeit der Eigenkompostierung beachtet werden. Die Biogasnutzung soll als Mindeststandard bei der Biomüllverwertung festgeschrieben werden. Es darf kein Ökodumping bei der Müllmitverbrennung (Ersatzbrennstoff - EBS) geben. Wir streben eine ambitionierte Anpassung der 17. Bundes-Immissionsschutz-Verordnung (17. BImSchV) an, um aus Sicht des Umwelt- und Gesundheitsschutzes die Schadstoffbelastung durch gefährliche Stoffe soweit zu reduzieren, wie dies nach einem anspruchsvollen Stand der Technik möglich ist. Insbesondere wollen wir Ausnahmetatbestände für Mitverbrennungsanlagen streichen und Grenzwerte auch im Hinblick auf neue Schad-stoffe ambitioniert anpassen. Außerdem müssen die Behörden in die Lage versetzt werden, die Stoffströme bei der Beseitigung und der Verwertung von Abfällen konkret nachvollziehen zu können. Im Rahmen der Ausgestaltung der anstehenden Veränderungen der Wertstofferfassung werden wir uns für wirksame Maßnahmen zur Stärkung der Mehrwegsysteme einsetzen, um insbesondere die mittelständisch geprägte Getränkewirtschaft in NRW zu unterstützen. Dazu gehören eine klare und verbindliche vorgeschriebene Kennzeichnungspflichten für Einweg und Mehrweg sowie neue öko-logische und finanzielle Lenkungsinstrumente. 72 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 3058 3059 3060 3061 3062 3063 3064 3065 3066 3067 3068 3069 3070 3071 3072 3073 3074 3075 3076 3077 3078 3079 3080 3081 3082 3083 3084 3085 3086 3087 3088 3089 3090 3091 3092 3093 3094 3095 3096 3097 3098 3099 3100 3101 3102 3103 3104 Im anlaufenden Prozess des Gesetzgebungsverfahrens hin zu einem Wertstoffgesetz wollen wir eine klar ausgeprägte kommunale Organisationshoheit für die Wertstoffsammlung. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob Regelungen im Wertstoffgesetz die Verpackungsverordnung ablösen können. In diesem Zusammenhang wollen wir uns für eine zentrale Stelle auf Bundesebene einsetzen, die die dualen Systeme ersetzt. Durch „urban mining“ (Stadt als Rohstoffmine) werden wir „vergrabene Rohstoffschätze“ nutzbar machen. Wir werden Initiativen für Rückbaukonzepte, die sich insbesondere bei Stadterneuerungsmaßnahmen und bei der Rekultivierung alter Boden- und Bauschuttdeponien ergeben, intensiv begleiten. Wertvolles Naturerbe NRW schützen Auch in NRW stehen etwa 50 % der Tier und Pflanzenarten auf der Roten Liste. Hauptursachen für den Verlust unserer natürlichen Lebensgrundlagen in NRW sind der massive Flächenverbrauch, eine intensive Landwirtschaft, der naturferne Ausbau von Gewässern und eine oft nicht naturnahe und standortgerechte Bewirtschaftung der Wälder. Zum Schutz der Natur gilt es, die biologische Vielfalt konsequent zu schützen, gewachsene Kulturlandschaften zu erhalten sowie der Entwicklung von Wildnis Räume zu lassen. Im Rahmen einer Novelle des Landschaftsgesetzes hin zu einem NRW-Naturschutzgesetz wollen wir das neue Bundesnaturschutzrecht unter Nutzung landesrechtlicher Handlungsspielräume für einen starken Naturschutz umsetzen. Regelungen, die in den vergangenen Jahren zu Lasten der Natur (Verschlechterungen z.B. bei der Eingriffsregelung, den Mitwirkungs- und Klagerechten, den Landschaftsbeiräten und beim Biotopschutz) getroffen wurden. Weiterhin wollen wir zum Beispiel den Grünlandschutz und den Biotopverbund als wichtige Elemente zur Wahrung der Biodiversität stärken. In das zu novellierende Landschaftsgesetz werden wir Regelungen zu Biosphärenregionen, Naturmonumenten sowie ein Vorkaufsrecht für Naturschutzverbände und -Stiftungen bei Veräußerung von Schutzgebietsflächen landesrechtlich verankern. Gegen das fortschreitende Artensterben wird eine NRW-Biodiversitätsstrategie auf Basis der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt entwickelt, mit konkreten Handlungs- und Zeitplänen sowie transparenten Indikatoren für eine erfolgreiche Umsetzung. Wir verfolgen ein landesweites Biotopverbundsystem auf mindestens 15 % der Landesfläche Nationalpark Wir werden die Einrichtung des Nationalparks Senne-Egge/Teutoburger Wald gemäß einstimmigem Landtagsbeschluss vom April 2005 (Drs.13/6219) vorantreiben. Die Einrichtung des Nationalparks Senne wird unter Federführung des Landes vorangebracht. Das Land will zudem mit seinen Möglichkeiten zur Errichtung eines Nationalparks Teutoburger Wald beitragen und die regionale Initiative begleiten. 73 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 3105 3106 3107 3108 3109 3110 3111 3112 3113 3114 3115 3116 3117 3118 3119 3120 3121 3122 3123 3124 3125 3126 3127 3128 3129 3130 3131 3132 3133 3134 Darüber hinaus verfolgen wir das Ziel, weitere Nationalparks gemäß IUCN-Kriterien (International Union for Conservation of Nature) zu erkunden und zu ermöglichen. Der Nationalpark Eifel soll weiter entwickelt werden. Der Internationale Platz Vogelsang soll als NS Dokumentationszentrum, als Nationalparkzentrum und regionales Zentrum für Kultur und Tourismus ausgebaut werden. Das Land strebt mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) als Eigentümerin ein einvernehmliches Vorgehen an, um eine sinnvolle und umfassende Nachfolge-Nutzung der Grundstücke im Rahmen einer 3. Leitentscheidung sicherzustellen. 3135 3136 3137 3138 3139 3140 3141 3142 3143 3144 3145 3146 3147 3148 3149 3150 Wir wollen den ehrenamtlichen Naturschutz stärken und seine Mitwirkungsrechte auf Basis der Aarhus-Konvention umsetzen. Dazu gehören auch eine Stärkung der Naturschutzstrukturen (u. a. Biologische Stationen, Landesbüro) und eine verbesserte Umweltbildung. Für Arten, für die NRW eine besondere Verantwortung trägt oder deren Aussterben befürchtet werden muss, werden spezielle Artenschutzprogramme aufgelegt. Der gute Erhaltungszustand der NATURA 2000-Gebiete und die anspruchsvolle Einstufung von Erhaltungszuständen entsprechend den Zielen der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFHRichtlinie) sind abzusichern. Für die NATURA 2000-Gebiete sind bis Ende 2012 qualifizierte Managementpläne für alle Flächen des Europäischen Schutzgebietssystems zu erstellen. Neben dem ersten Wildnis-Gebiet im Siebengebirge werden wir das aus der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt resultierende Wildnisgebietskonzept NRW fortsetzen. So ist es bereits gelungen, ein nordrhein-westfälisches Netz von Wildnisflächen auf den Weg zu bringen. Dieser Weg muss jetzt konkretisiert und die Flächen in den Prozessschutz entlassen werden. Wir wollen in NRW eine "Stiftung für das Naturerbe" einrichten, um der Verpflichtung der öffentlichen Hand und des öffentlichen Eigentums zum Schutz der Natur nachzukommen und gleichzeitig neuen Raum für bürgerschaftliches Engagement zu eröffnen. Das Naturerbe NRW umfasst neben den NATURA 2000-Gebieten national und landesweit ausgewiesene Schutzgebiete, wertvolle Naturgebiete sowie die landeseigenen Waldflächen. Ziel ist es, diese Naturerbe-Flächen einschließlich der Betreuungsverantwortung der Stiftung zu übertragen. Für die Ausgestaltung werden wir einen Diskussionsprozess mit allen Beteiligten initiieren. Für NRW wollen wir im Dialog mit den Naturschutzverbänden ein Naturschutzfördergesetz prüfen. Das Netz der Biologischen Stationen, die bedingt durch ihre örtliche Lage unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen, wird dauerhaft sichergestellt. Die Biologischen Stationen werden als Antragsteller bei allen für ihre Aufgaben relevanten Förderprogrammen des Landes zugelassen und in ihrem Bestreben, EU-Mittel ins Land NRW zu holen, aktiv unterstützt. Die Tätigkeiten der Biologischen Stationen - auch im Rahmen der Landesfinanzierung - sind weiterhin steuerrechtlich als gemeinnützig anzuerkennen und dem ideellen Bereich zuzuordnen. 74 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 3151 3152 3153 3154 3155 3156 Wir wollen das Kleingartenwesen fördern, die Ergebnisse der Kleingartenstudie umsetzen und neue Zukunftsperspektiven entwickeln. Dazu prüfen wir ein Konzept für einen „Sozialfonds Kleingartenkredite“, der Familien mit geringem Einkommen die Finanzierung eines Kleingartens ermöglichen soll. 3157 3158 3159 3160 3161 3162 3163 3164 3165 3166 3167 3168 3169 3170 3171 3172 3173 3174 3175 3176 3177 3178 3179 3180 3181 3182 3183 3184 3185 3186 3187 3188 3189 3190 3191 3192 3193 3194 3195 3196 3197 NRWlebenswerthalten‐NatürlicheRessourcenschützen Ökologische und nachhaltige Wasserwirtschaft Sauberes und gesundes Trinkwasser ist unser wichtigstes Lebensmittel und für jeden Menschen unverzichtbar. Wir verfolgen ein Konzept der nachhaltigen und ökologischen Wasserwirtschaft. Flüsse, Bäche und ihre Auen sollen wieder zu zentralen Lebensadern werden. Wir treten für einen vorsorgenden ökologischen Hochwasserschutz ein und wollen diesen verbindlich und langfristig absichern. NRW verfügt über zahlreiche Wasservorkommen und eine anerkannte Wasserwirtschaft. Bei der Bekämpfung der Gewässerbelastung muss an der Schadstoffquelle angesetzt werden. Die Landesregierung wird das Programm Reine Ruhr zu einem „Masterplan Wasser NRW“ weiterentwickeln, der ein umfassendes Programm zur Reduzierung der Einleitung gefährlicher Stoffe, eine Verbesserung der Gewässerqualität und des Lebensraums Fließgewässer, eine nachhaltige Weiterentwicklung der Ver- und Entsorgung, der Wasserforschung und der Förderung der Chancen der Wasserwirtschaft enthält. Wir unterstützen die Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie und wollen diese zum nachhaltigen Gewässer- und Grundwasserschutz konsequent umsetzen. Dies erfordert eine Überarbeitung der bisherigen Planungen - in Kooperation mit allen Akteuren - und eine sichere Finanzierung. Der Bezug zu den Einnahmen aus dem Wasserentnahmeentgelt ist beizubehalten, so dass die entsprechenden Maßnahmen zweckgebunden und prioritär für die Finanzierung der Wasserrahmenrichtlinie verwendet werden. Mit einer Novelle des Landeswassergesetzes wollen wir das neue bundesweite Wasserrecht umsetzen und dabei landesrechtliche Handlungsspielräume zur Verbesserung nutzen. Wasser ist Teil der Daseinsvorsorge und gehört in öffentliche Verantwortung. Die Wasserverbände erbringen mit regional- und strukturwirtschaftlichen Beiträgen wie dem neuen Emschertal wichtige Leistungen für unser Land. Bei der Novellierung des Landeswassergesetzes (inkl. Verbandsgesetze) wollen wir im Bereich der Abwasserentsorgung und Wasserversorgung die Möglichkeiten interkommunaler Kooperationen z.B. durch eine interkommunale Anstalt des öffentlichen Rechts erleichtern und Kooperationen zwischen Kommunen und Wasserwirtschaftsverbänden (Übertragung der Kanalnetze) verbessern. Stabile Abwassergebühren sind sowohl für die Bürgerinnen und Bürger als auch für die Wirtschaft wichtig. Deshalb werden wir kostengünstige und effiziente Verfahren der Abwasserreinigung unterstützen. 75 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 3198 3199 3200 3201 3202 3203 3204 3205 3206 3207 3208 3209 3210 3211 3212 3213 3214 3215 3216 3217 3218 3219 3220 3221 3222 3223 3224 3225 3226 3227 3228 3229 3230 3231 3232 3233 3234 3235 3236 3237 3238 3239 3240 3241 3242 3243 3244 3245 Wir nehmen uns der Problematik der steigenden Grundwasserstände in den vom Steinkohlebergbau betroffenen Regionen an, um wirksam Maßnahmen zu entwickeln und zügig umzusetzen. So wird den berechtigten Sorgen der Bürgerinnen und Bürger in den betroffenen Regionen vor zunehmenden Kellervernässungen Rechnung getragen. Die Finanzierung dieser Maßnahmen ist verursachergerecht von den früheren und jetzigen Bergbautreibenden sowie den Kommunen sicherzustellen. Um langwierige Einzelfallentscheidungen zu vermeiden, soll ein rechtlich begründeter und nachvollziehbarer Verteilungsschlüssel und Berechnungsmodus entwickelt werden, der zur Rechtssicherheit und Akzeptanz für die Planung, Durchführung und Finanzierung der notwendigen Maßnahmen sowohl bei den Bürgerinnen und Bürgern als auch bei den Beteiligten beiträgt. Die Einleitungen der Salzabwässer von Kali und Salz AG in Werra und Weser verstoßen gegen die Anforderungen der EU-Wasserrahmenrichtlinie. Wir unterstützen deshalb die Empfehlung des Runden Tischs "Gewässerschutz Werra/Weser und Kaliproduktion" zum Bau einer Pipeline zur Nordsee. Funktionsprüfung von Abwasserkanälen Bei der Regelung der Funktionsprüfung von Abwasserkanälen werden wir eine dem Gewässerschutz verpflichtete Vorsorgepolitik gemäß dem Wasserhaushaltsgesetz des Bundes fortsetzen. Neben dem Gewässerschutz geht es um landespolitische Verlässlichkeit gegenüber Kommunen, Hauseigentümerinnen und Hauseigentümern und Handwerkerinnen und Handwerkern. Die Prüfung von privaten und öffentlichen Kanälen soll möglichst gleichzeitig vollzogen werden. Hierbei muss es zu einem fairen Ausgleich zwischen den Interessen aller Hauseigentümerinnen und Hauseigentümern und dem Gewässerschutz kommen. Die Fristen werden entsprechend angepasst. Dabei werden wir beispielsweise kürzere Fristen für Wasserschutzgebiete vorsehen und prüfen, ob längere Fristen (20-30 Jahre) in Siedlungsgebieten mit überwiegend Ein- und Zweifamilienhäusern festgelegt werden können. Wir werden bei der Funktionsprüfung zeitnah eine bürgerfreundliche und soziale Lösung erarbeiten, die insbesondere soziale Härten und Ungerechtigkeiten bei der Umsetzung von evtl. Sanierungen vermeiden wird. Für diesen Fall werden wir die Fördermöglichkeiten des Landes klarer regeln. Parallel werden wir gegenüber der Bundesregierung auch darauf drängen, dass diese eine bundeseinheitliche Regelung - eine Verordnung zum Wasserhaushaltsgesetz (WHG) - schnellstmöglich auf den Weg bringt. Boden- und Flächenschutz verbessern Der Boden stellt eine unvermehrbare und unverzichtbare Lebensgrundlage dar. Sein Schutz hat mit Blick auf die Ressourcenknappheit, den Erhalt der regional typischen biologischen Vielfalt und der zukünftigen landwirtschaftlichen Produktion eine wachsende Bedeutung. Wir setzen uns für eine EU-Bodenrahmen-Richtlinie ein. Der weiterhin zu große Boden- und Flächenverlust (z. B. durch Zersiedelung, Kiesabbau und großflächigen Unterglasanbau) muss verringert werden, auch damit insbesondere wertvolle landwirtschaftliche Flächen nicht weiter verloren gehen. 76 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 3246 3247 3248 3249 3250 3251 3252 3253 3254 3255 3256 3257 3258 3259 3260 3261 3262 3263 3264 3265 3266 3267 3268 3269 3270 3271 3272 3273 3274 3275 3276 3277 3278 3279 3280 3281 3282 3283 3284 3285 3286 3287 3288 3289 3290 3291 3292 Wir unterstützen das Ziel der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie, den Flächenverbrauch bis zum Jahr 2020 bundesweit auf 30 Hektar pro Tag zu senken, d.h. für NRW den Flächenverbrauch mindestens auf fünf Hektar pro Tag zu senken. Dazu erstellen wir für NRW ein entsprechendes Programm zur Reduzierung des Flächenverbrauchs. Längerfristig verfolgen wir das Ziel des Netto-Null-Flächenverbrauchs. Wir wollen die "Allianz für die Fläche" fortführen und ein Zertifizierungssystem für flächensparende Kommunen einrichten. Zur Erreichung einer praxisnahen und umsetzungsorientierten Breitenwirkung werden wir den erfolgreich aufgebauten Flächenpool NRW ab dem Jahr 2012 in den Regelbetrieb als Gemeinschaftsaufgabe von Stadtentwicklung und Flächenschutz überführen. Wir wollen den Freiraumschutz erhöhen, wirksame rechtliche und finanzielle Steuerungsinstrumente zum Flächenschutz entwickeln sowie entsprechende Maßnahmen in dem zu novellierenden Landesentwicklungsplan festlegen. Instrumente der Landes- und Regionalplanung werden wir weiterentwickeln sowie dem Flächenrecycling Vorrang geben. Neben Informationsmaßnahmen und rechtlichen Steuerungsinstrumenten werden wir z.B. im Kommunalen Finanzausgleich ein Anreizsystem für die Kommunen schaffen, das einen sparsamen Umgang mit Fläche belohnt. Geltende Instrumente und Maßnahmen, die den Flächenverbrauch belohnen, werden wir abschaffen. Wir werden die von den Kommunen erbrachten Leistungen zum Naturschutz oder zur Flächenschonung fördern und belohnen. Eine Ausweitung der Altlastenerkundung und -sanierung ist notwendig. Wir wollen gemeinsam mit der Wirtschaft im Verbund mit dem Altlastensanierungs- und Altlastenaufbereitungsverband NRW (AAV) zu einer langfristigen aufgabenadäquaten Finanzierung kommen. Der Altlastensanierungs- und Altlastenaufbereitungsverband NRW (AAV) soll als Partnerschaftsmodell zwischen Land, Kommunen und Wirtschaft fortgeführt und zu einem Kompetenzzentrum Umwelt weiterentwickeln werden. Das AAV-Gesetz wird entsprechend angepasst und eine Grundfinanzierung durch Land und Kommunen, sowie ein deutliches Signal zur Mitfinanzierung durch die Wirtschaft beinhalten. Die Finanzierung der Altlastensanierung und –aufbereitung aus Mitteln des Wasserentnahmeentgelts war hier ein wichtiger Schritt. Ressource Kies nachhaltig nutzen Rohstoffförderung führt in einem dicht besiedelten Land wie Nordrhein-Westfalen zwangsläufig zu Konflikten um die Nutzung des knappen Raumes. Die Diskussionen im Regionalrat Düsseldorf zum Kiesabbau zeigen, dass mit fortschreitender Flächeninanspruchnahme die Akzeptanz für die Rohstoffgewinnung schwindet. Wir greifen weiterhin die Initiativen des „Niederrhein-Appells“ auf. Es gilt, Fehlentwicklungen zu stoppen, das Prinzip der Nachhaltigkeit und eine restriktive Gebietsprüfung landesplanerisch umzusetzen. Darüber hinaus wollen wir eine Kiesabgabe in NRW einführen, bundesweit das ´Schlupfloch´ im Bergrecht schließen, Recyclingpotenziale 77 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 3293 3294 3295 3296 3297 3298 3299 3300 3301 3302 3303 3304 3305 3306 3307 3308 3309 3310 3311 3312 3313 3314 3315 3316 3317 3318 3319 3320 3321 3322 3323 3324 3325 3326 3327 3328 3329 3330 3331 3332 3333 3334 3335 3336 3337 3338 3339 3340 ausschöpfen und sicherstellen, dass vorhandene Kiesabgrabungen naturgemäß rekultiviert werden. Grundrecht „Gesund Leben“ - Umweltpolitik als Gesundheits- und Sozialpolitik Für den Schutz der Menschen und der Umwelt vor Umweltgiften, Luftschadstoffen, Lärm und Elektrosmog muss der Staat seine Schutzfunktion wahrnehmen. Dies wollen wir insbesondere mit einer umfassenden integrierten Gesamtkonzeption „Umwelt und Gesundheit“ erreichen. Kinder haben dabei einen besonderen Schutzanspruch und das Recht, in einer intakten und nicht gesundheitsgefährdenden Umwelt aufzuwachsen und sollen zentraler Maßstab der Betrachtung werden. Wir werden das Thema Umweltgerechtigkeit aufgreifen und die Zusammenhänge zwischen Umweltbelastungen und sozialer Benachteiligung systematisch aufarbeiten. Wir werden einen landesweiten „Masterplan Umwelt und Gesundheit NRW“ erarbeiten, der ein Handlungskonzept für die verschiedenen Aktivitäten auf Landes- und kommunaler Ebene darstellt. Dabei werden ambitionierte Ziele formuliert sowie ganzheitliche und integrierte Konzepte und Maßnahmen aufgestellt. Wir wollen die Gesundheitskonferenzen um das Themenfeld Umweltgesundheit erweitern. Dazu gehört auch die Einbeziehung der Daten und Auswertungen des Krebsregisters. Wir wollen, dass auch Kommunen „Aktionsprogramme Umwelt und Gesundheit“ aufstellen. Natur in den Städten wird für die Menschen als Erholungsquelle immer wichtiger. Öffentliche Grünräume können Umweltbelastungen wie Lärm oder Staub reduzieren und die Gesundheit der Bevölkerung fördern. So schaffen wir mehr Lebensqualität vor allem für Menschen mit niedrigem Einkommen. Dazu gehören vor dem Hintergrund des Klimawandels mehr Grüngürtel, naturnahe Gewässer, Stadtbäume, Gärten und Parkanlagen sowie Dach- und Fassadenbegrünung. In diesem Zusammenhang leisten wir einen Beitrag zum Programm „Grüne Stadt“, welches insbesondere sozial benachteiligte Stadtteile zügig verbessert. Wir begrüßen die Bewerbungsabsichten der Metropole Ruhr zur „Grünen Hauptstadt Europas 2015“. Zur wirksamen Bekämpfung von Feinstaub (auch mit Blick auf zukünftige EU-Regelungen), Stickoxiden und Lärm verfolgen wir großräumige integrierte Konzepte sowie eine Strategie der nachhaltigen Mobilität hin zu mehr Bus, Bahn und Fahrrad. Dazu gehört auch die Reduzierung der Feinstaubbelastung durch den Schiffsverkehr. Trotz intensiver Anstrengungen der Luftreinhalteplanung sind in unseren Ballungsräumen die gesundheitsbezogenen Grenzwerte für Stickstoffdioxid noch weitgehend deutlich überschritten. Daher werden wir mit einer umfassenden NOX-Minderungsstrategie alle relevanten Emissionsquellen in verschiedenen Bereichen auf den Weg bringen. Angesichts der großen Risiken von Schwermetallen (wie z.B. Cadmium, Arsen Nickel, und Quecksilber) für die menschliche Gesundheit und die Umwelt sind wirksame Maßnahmen zu deutlichen Reduzierung des Eintrags in die Umwelt notwendig. Nach der Wasserrahmenrichtlinie ist eine schrittweise Verringerung und Beendigung des Quecksilbereintrags in Gewässer zu erreichen. Es wird daher für die Medien Wasser, Boden 78 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 3341 3342 3343 3344 3345 3346 3347 3348 3349 3350 3351 3352 3353 3354 3355 3356 3357 3358 3359 und Luft der Handlungsbedarf bei Schwermetallen ermittelt und entsprechende Maßnahmen festgelegt und umgesetzt. 3360 3361 3362 3363 3364 3365 3366 3367 3368 3369 3370 3371 3372 3373 3374 3375 3376 3377 3378 3379 3380 3381 3382 3383 3384 3385 3386 3387 StarkeländlicheRäume–naturnaheLandwirtschaft Wir werden mit einer umfassenden Lärmminderungsstrategie und einem Aktionsbündnis „NRW wird leiser“ die Reduzierung des Umgebungslärms vorantreiben. Lärm macht krank und ist insbesondere in den Städten und Ballungsräumen eines der größten Umweltprobleme. Die EU-Umgebungslärmrichtlinie soll konsequent und einheitlich umgesetzt, die Lärmminderungsplanung bei Anpassung der Lärmgrenzwerte unter Gesundheitsaspekten ausgeweitet sowie die Finanzierung konkreter Maßnahmen verbessert werden. Bezogen auf die NRW-Flughäfen unterstützt das Land die zuständigen Kommunen aktiv bei der Erstellung von Lärmaktionsplänen gemäß EU-Umgebungslärmrichtlinie und bei der Umsetzung entsprechender Maßnahmen. Das Land wird verstärkt straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen gegen Verkehrslärm ergreifen sowie gegenüber dem Bund eine deutliche Mittelerhöhung zur Lärmsanierung von Bundesfernstraßen und Schienenwegen einfordern. Der Landesbetrieb Straßen hat bei eigenen Projekten künftig verstärkt Lärmschutzmaßnahmen durchzuführen. Ländliche Räume stärken Die ländlichen Räume in NRW sind wirtschaftsstark und lebenswert. Sie sind wichtige Standorte vieler kleiner und mittelständischer Unternehmen und bieten wertvolle Freizeitangebote und Naherholungsgebiete. Dies ist ein wichtiger Standortfaktor und macht NRW in Verbindung mit den Ballungsräumen attraktiv. Die Menschen, die im ländlichen Raum leben und arbeiten, haben einen Anspruch auf Zugang zu Bildung, Beschäftigung, sozialen Dienstleistungen und eine gute Infrastruktur. Es gilt für uns dabei der Grundsatz: Öffentliches Geld für öffentliche Güter. Die EU-Politik für den ländlichen Raum und EU-Agrarpolitik und stehen vor einem großen Umbruch. Der zukünftige Rahmen für die Finanzierungsphase 2014 - 2020 wird gegenwärtig auf EU-Ebene diskutiert. Wir begrüßen die Pläne der EU-Kommission, die Politik des ländlichen Raums an den Kriterien der „Europa 2020“-Strategie auszurichten. Wir wollen deshalb die Strukturpolitik stärker mit der Agrarförderung verzahnen. Durch eine zielgerichtete Förderung wollen wir vorhandene Potenziale aktivieren, um eine wirtschaftliche Dynamik im ländlichen Raum in Gang zu setzen. Parallel dazu wollen wir auf Bundes- und EU-Ebene erreichen, dass die Zahlungen an die Landwirtschaft degressiv ausgerichtet sowie verbindlich mit sozialen Leistungen der Landwirtschaft und Leistungen im Bereich des Klima-, Umwelt-, Natur- und Tierschutzes gekoppelt werden. Wir wollen Beschäftigung und Wertschöpfung in den ländlichen Räumen halten. Dafür wollen wir verstärkt in die Ausbildung und Qualifikation der Menschen investieren. Wir setzen uns für eine integrierte Politik zur Entwicklung der ländlichen Räume ein. Mit ihr wollen wir die 79 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 3388 3389 3390 3391 3392 3393 3394 3395 3396 3397 3398 3399 3400 3401 3402 3403 3404 3405 3406 3407 3408 3409 3410 3411 3412 3413 3414 3415 3416 3417 3418 3419 3420 3421 3422 3423 3424 3425 3426 3427 3428 3429 3430 3431 3432 3433 3434 verschiedenen Politikbereiche besser auf die speziellen Bedürfnisse der Menschen im ländlichen Raum abstimmen. Wir fordern gerechte Löhne für gute Arbeit. Dafür ist auch und gerade ein gesetzlicher Mindestlohn in der Ernährungs- und Agrarwirtschaft sowie im Gartenbau und der Forstwirtschaft unabdingbar. Wir werden neue Förderkonzeptionen entwickeln, durch die mit Hilfe von Diversifizierung neue Erwerbsmöglichkeiten geschaffen, regionale Wertschöpfungsketten gestärkt, die Nahversorgung gesichert, Allianzen zwischen Stadt und Land unterstützt und neue Entwicklungschancen geboten werden. Hierzu gehören die Erneuerbaren Energien und der Tourismus ebenso wie die Förderung des traditionellen Ernährungshandwerks und dessen regionaltypische Produkte. Durch einen effizienteren Wissens- und Technologietransfer kann die Wettbewerbsfähigkeit der kleinen und mittleren Betriebe in ländlichen Räumen verbessert werden. Eine gut ausgebaute Kommunikationsinfrastruktur ist hierfür ein wesentlicher Standortfaktor. Die Unternehmen und Menschen brauchen schnelle, leistungsfähige und kostengünstige Informationstechniken. Die Breitbandtechnologie muss deshalb auch für den ländlichen Raum zur Verfügung gestellt werden. Wir werden daher das von der letzten Landesregierung initiierte Konzept zur Breitbandförderung in den ländlichen Regionen fortsetzen. Programme wie LEADER und „Regionen Aktiv“ haben gezeigt, dass ländliche Regionen von den Ideen, der Tatkraft von Bürgerschaft und Wirtschaft profitieren. Eine erfolgreiche Entwicklung hängt nicht zuletzt auch vom Engagement der Menschen vor Ort ab. Die Bürgerinnen und Bürger sollen in den Regionen selbstbestimmt mitentscheiden, welche Entwicklungspfade sie für ihre Region beschreiten wollen. Dazu bedarf es eines effizienten Regionalmanagements. In diesem Zusammenhang werden wir mit einer „Regionalagentur Ländlicher Raum“, die sich an alle Akteure im ländlichen Raum richten wird den Ideenaustausch, die Fortbildung und Beratung für die Angelegenheiten des ländlichen Raums fördern und intensivieren sowie die Kooperation der Leader-Regionen und der Naturparke stärken. Wir wollen eine nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raumes mit starken grünen Regionen und einer Landwirtschaft, die zum Erhalt und zur Entwicklung lebenswerter ländlicher Räume beiträgt. Um dies zu gewährleisten benötigt das Land eine Verwaltungsstruktur, die sich mit allen Belangen der Entwicklung des ländlichen Raumes befasst. Deshalb werden wir die zersplitterte Struktur der Agrarverwaltung mit ihren unterschiedlichen Landesbehörden wie Landwirtschaftskammer als Landesbeauftragter, Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) und Bezirksregierungen überprüfen. Dabei stehen weiterhin die Ziele Handlungs- und Kosteneffizienz im Mittelpunkt. Wir werden außerdem die vorhandenen Strukturen mit den Zielen überprüfen, die hoheitlichen Aufgaben von der Selbstverwaltung zu trennen und die zukünftige Umsetzung des Programms „Ländlicher Raum“ optimal zu gewährleisten. Landwirtschaft – naturnah und artgerecht 80 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 3435 3436 3437 3438 3439 3440 3441 3442 3443 3444 3445 3446 3447 3448 3449 3450 3451 3452 3453 3454 3455 3456 3457 3458 3459 3460 3461 3462 3463 3464 3465 3466 3467 3468 3469 3470 3471 3472 3473 3474 3475 3476 3477 3478 3479 3480 3481 3482 Die Landwirtschaft in NRW hat eine große wirtschaftliche, ökologische und soziale Bedeutung. Der hohe Konkurrenzdruck und die bisherige EU-Agrarpolitik, der Boom agroindustrieller Tierhaltung, der Verlust von Tier- und Pflanzenarten sowie zunehmende Monokulturen bestimmen die Diskussion über die Zukunft der Landwirtschaft. Wir wollen eine nachhaltige, bäuerliche und gentechnikfreie Landwirtschaft, die zum Erhalt und zur Entwicklung lebenswerter ländlicher Räume beiträgt. Die Landwirtschaft braucht Produktionsformen und Tierhaltungsformen, die unsere Ressourcen nachhaltig nutzen und die ländlichen Räume nicht belasten. Wir wollen die Wettbewerbsfähigkeit einer Landwirtschaft fördern, deren Stärke in Qualität und Nachhaltigkeit besteht. Unser Ziel ist eine tier-, umwelt- und klimagerechte Modernisierung der Landwirtschaft. Statt einer Politik des Wachsens oder Weichens werden wir gezielt über die Agrarförderung mit der nächsten EU-Förderperiode ab 2014 die kleineren und mittleren Betriebe in den Mittelpunkt der Landesförderung stellen. Zusätzlich wollen wir uns auch in einer gesonderten Strategie mit den Nebenerwerbsbetrieben so beschäftigen, dass eine Fortführung auch in der nächsten Generation ermöglicht wird. Wir wollen mit einer Umstellungsoffensive und einer stärkeren Orientierung in der Ausbildung den Ökolandbau ambitioniert ausbauen und den Bioboom für NRW nutzen. Wir werden Initiativen ergreifen, um unsere Landwirtschaft dabei zu unterstützen, die heimische Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln zu decken. In diese Strategie wird die gesamte Wertschöpfungskette vom „Stall bis zur Ladentheke“ einbezogen. Im Sinne der Stärkung der Regionalvermarktung und zur Unterstützung der artgerechten Tierhaltung werden wir ein „100-Kantinen-Programm“ auflegen mit dem Ziel, in den nächsten fünf Jahren 100 Kantinen auf eine möglichst hohe Versorgung mit regionalen und artgerechten Produkten umzustellen. Angesichts der schwachen Marktstellung der Landwirte werden wir Erzeugergemeinschaften und Bündelungsinitiativen sowie Einrichtungen für mehr Markttransparenz (Monitoringstelle Milch) unterstützen, um so die Position der Erzeuger am Markt deutlich zu stärken und dadurch einen Beitrag für faire Marktbedingungen für Milch zu leisten. Die Förderung tier- und artgerechter Haltungsformen wollen wir deutlich verstärken. Eine Politik, die zu mehr Großmastanlagen führt, lehnen wir ab. Um die Fehlentwicklungen einzudämmen, werden wir hierzu die Instrumente der Regionalplanung und des Bau- und Immissionsschutzrechtes nutzen und verbessern. Den Kommunen müssen planungsrechtliche Möglichkeiten zur Steuerung von Intensivtierhaltungsanlagen an die Hand gegeben werden. Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass durch eine Absenkung der Tierplatzzahlen in der 4. BImSchV alle großen Anlagen den Vorsorgeanforderungen des Immissionsschutzrechts unterliegen und eine stärkere Öffentlichkeitsbeteiligung stattfindet. Im Außenbereich privilegiert sollen zukünftig nur noch Ställe sein, die keiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedürfen. In bereits besonders tierdichten Regionen ab 1,5 Großvieheinheiten/ha wollen wir die Genehmigung neuer Ställe an weitere Bedingungen (eigene Futtergrundlage, ortsnahe Gülleverwertung etc.) knüpfen. 81 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 3483 3484 3485 3486 3487 3488 3489 3490 3491 3492 3493 3494 3495 3496 3497 3498 3499 3500 3501 3502 3503 3504 3505 3506 3507 3508 3509 3510 3511 3512 3513 3514 3515 3516 3517 3518 3519 3520 3521 3522 3523 3524 3525 3526 3527 3528 3529 3530 Die Emissionen von Tierhaltungsanlagen können eine relevante Gesundheitsgefährdung darstellen. Wir werden dafür eintreten, die Anforderungen an den Stand der Technik und die Forschung hinsichtlich von Bioaerosolen insoweit zu verstärken. Zur Verminderung von Resistenzen setzen wir uns für eine drastische Verminderung des Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung ein und werden entsprechende Bundesratsinitiativen starten. Die biologische Vielfalt und Landwirtschaft dürfen sich nicht ausschließen. Dies wollen wir mit Maßnahmen und Programmen begleiten. Wie andere Bereiche ist auch die Landwirtschaft vor die Herausforderung gestellt, ihren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Die Biomassestrategie wollen wir realistisch, ausgewogen, nachhaltig und als integralen Bestandteil der Förderung der Erneuerbaren Energien weiterentwickeln. Dazu bedarf es als Grundlage einer regionalspezifischen Potenzialanalyse unter Nachhaltigkeitskriterien. Wir werden im Verbund mit der Landwirtschaft alle Möglichkeiten ausschöpfen, NRW gentechnikfrei zu halten. Im Bundesrat wird sich die Landesregierung dafür einsetzen, dass es keine weiteren Lockerungen am derzeitigen Gentechnikgesetz geben wird und die Verursacher von entsprechenden Kontaminationen zur Übernahme der Kosten herangezogen werden. Wir wollen, dass auch zukünftig kein Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen und keine Freisetzungsversuche in NRW stattfinden. Wir setzen uns dafür ein, dass jede Verunreinigung von Saatgut, Futter- und Lebensmitteln durch gentechnisch veränderte Organismen vermieden wird (Nulltoleranz-Prinzip). Wir halten an dem Prinzip fest, auf landeseigenen Flächen ein Gentechnikverbot auszusprechen. Damit Verbraucherinnen und Verbraucher die klare Wahl haben, werden wir uns auch weiterhin für eine eindeutige Kennzeichnung einsetzen. Für den Gartenbau sind innovative Perspektiven zu stärken und weiter auszubauen sowie die Energieeffizienz zu unterstützen. Die Agrarforschung, die Lehre und die landwirtschaftliche Ausbildung müssen stärker als bisher an den Anforderungen einer nachhaltigen Landwirtschaft ausgerichtet werden. Aufgrund des zunehmenden Bienensterbens werden wir die Imkerinnen und Imker in Nordrhein-Westfalen in ihrer Qualifikation unterstützen und uns für die Förderung einer artgerechten Bienenhaltung einsetzen. Nachhaltige Waldwirtschaft vorantreiben Wir wollen unsere Wälder durch nachhaltige und naturnahe Waldbewirtschaftung schützen und sichern. Wald ist nicht nur als Produktionsstätte für den nachwachsenden Rohstoff Holz und als natürliche Lebensgemeinschaft für Tier- und Pflanzenarten unverzichtbar. Ein gesunder Wald wird auch zum Schutz des Bodens und des Wassers, als Klima-, Immissions, Lärm- und Sichtschutz, aber vor allem als Erholungsraum und Lernort für Menschen dringend gebraucht. 82 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 3531 3532 3533 3534 3535 3536 3537 3538 3539 3540 3541 3542 3543 3544 3545 3546 3547 3548 3549 3550 3551 3552 3553 3554 3555 3556 3557 3558 3559 3560 3561 3562 3563 3564 3565 3566 3567 3568 3569 3570 3571 3572 3573 3574 3575 3576 3577 Wir wollen den Umbau und Aufbau von naturnahen Wäldern voranbringen, die den Folgen von Klimawandel, Schädlingsbefall und anderen Belastungen widerstehen können. Wir wollen das Landesforstgesetz zu einem Landeswaldgesetz weiterentwickeln, welches stärker an den Kriterien einer nachhaltigen Waldwirtschaft ausgerichtet ist. Mit einer Waldstrategie 2050 wird ein Fachkonzept erarbeitet, das als Grundlage und zum Maßstab für neue Initiativen der Wald- und Holzwirtschaft dienen soll. Wir wollen mehr Wald in NRW. Die Förderung des Kleinprivatwaldes wird an Nachhaltigkeits- und Klimaschutzkriterien ausgerichtet und deshalb im bisherigen System fortgeführt. Die langjährige Praxis der Beratung Betreuung und Förderung schafft die Voraussetzung zur Sicherung der Waldfunktionen auch im Klimawandel und der Erwirtschaftung von Holzerträgen ohne eigene ökonomische Interessen. Um den Schutz vorhandener Waldflächen vor einer weiteren Ausdehnung des Anbaus von Weihnachtsbäumen sicherzustellen, werden wir umgehend eine Änderung des Landesforstgesetzes vornehmen Der öffentliche Wald hat eine besondere Gemeinwohlorientierung. Wir lehnen einen weiteren Verkauf des Staatswaldes, wie in der Eifel geschehen, ab. Im Gegenteil: Wir wollen mehr landeseigenen Wald. Investitionen in naturnahen Dauerwald sind auch in ökonomischer Hinsicht vorteilhaft. Wir prüfen deshalb Investitions- und Beteiligungsmöglichkeiten Dritter, um die Waldverluste aus den Jahren 2005 – 2010 zu kompensieren und insbesondere auch das bürgerschaftliche Engagement zu stärken. Für eine nachhaltige Bewirtschaftung des Waldes wollen wir eine gut aufgestellte Einheitsforstverwaltung flächendeckend erhalten, damit die Aufgaben hier gebündelt und konzentriert für die gesamte Landesverwaltung wahrgenommen werden. Beratung und Betreuung der Waldbäuerinnen und -bauern sind wichtige Instrumente. Hier wollen wir für Kontinuität sorgen. Der gesamte Staatswald wird nach den Kriterien des Forest Stewardship Council (FSC) laufend weiter zertifiziert. Zur Nutzung brach liegender Potenziale ist die Holzmobilisierung voranzutreiben (auch durch Gründung und Förderung von Waldgenossenschaften und gezielte Flurbereinigungen) und die Holzvermarktung zu fördern. Im Rahmen der Umsetzung einer integrierten Umweltwirtschaftsstrategie kommt dem Cluster Wald und Holz eine Vorbildfunktion zu. Wir beabsichtigen, die Clusterstudie Wald und Holz weiter fortzuschreiben. Kleine und mittlere Betriebe der holzverarbeitenden Industrie wollen wir erhalten, um so Beschäftigung und Ausbildung auch in diesem Bereich zu stärken. Dabei ist auch das Cluster Wald und Holz mit einer Klimaschutzleistung von ca. 10 % der CO2- Emissionen in NRW ein bedeutender Baustein (180 000 Beschäftigte). Wir wollen eine Steigerung der Holzverwendung aus heimischen Wäldern bei Neubau und im Bestand (Gebäudesanierung) erreichen, z.B. durch eine Novelle der Landesbauordnung Natur- und tierschutzgerechte Jagd 83 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 3578 3579 3580 3581 3582 3583 3584 3585 3586 3587 3588 3589 3590 3591 3592 3593 3594 3595 3596 3597 3598 3599 3600 3601 Bestandteil einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung und der Nutzung des Offenlandes ist auch eine zeitgemäße Form der Jagd. Hier wollen wir einen Paradigmenwechsel hin zur Nachhaltigkeit einleiten und das Jagdrecht an ökologischen Prinzipien und dem Tierschutz ausrichten (Ökologisches Jagdgesetz). Oberstes Ziel der Jagd muss der Schutz des Waldes vor zu hohen Wildbeständen sein. In Schutzgebieten darf nur gejagt werden, wenn der Schutzzweck dies erfordert. In der letzten Legislaturperiode hat das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz dazu bereits einen interdisziplinären Arbeitskreis „Jagd und Naturschutz“ eingerichtet, um mit allen beteiligenden Akteuren die Erfahrungen aus den anderen Bundesländern auszuwerten und einen möglichst breiten Konsens zu erreichen. Dieser konstruktive und fachlich orientierte Dialog soll mit allen Betroffenen und Beteiligten fortgesetzt werden. Wir erwarten dabei von den entsprechenden Jagdverbänden, dass sie sich fair und konstruktiv in den Dialog einbringen. Das Jagd- und Fischereirecht muss nach ökologischen und Tierschutzkriterien ausgerichtet werden. Praktiken, die mit dem Tierschutz unvereinbar sind, wollen wir künftig untersagen. 3602 3603 3604 3605 3606 3607 3608 3609 3610 3611 3612 3613 3614 3615 3616 3617 3618 3619 3620 3621 3622 3623 Verbraucherinnen und Verbraucher mächtig machen ‐ Verbraucherschutz stärken Wir wollen ein Fischerei- und Jagdrecht, das den Schutz aller Arten umfasst. Ein wichtiger Schritt ist hierzu, die Verordnungen der Länder (z.B. bei Brut- und Rastvögeln, Kormoranen) besser aufeinander abzustimmen und zu einem einheitlichen fachlich abgestimmten und zielgerichteten Management zu kommen. Die bisherige Jagdsteuer läuft Ende 2012 aus. Den Kommunen soll die Möglichkeit gegeben werden, bei Wunsch weiterhin die Jagdsteuer zu erheben. Wir wollen den Verbraucherschutz in NRW stärken. Ein funktionierender Wettbewerb setzt starke Verbraucherrechte und die Gleichgewichtigkeit zwischen Anbieterinnen und Anbietern auf der einen und Nachfragerinnen und Nachfragern auf der anderen Seite voraus. Starke Verbraucherinnen und Verbraucher brauchen zusätzlich starke und unabhängige Verbraucherschutzstrukturen. Bei vielen Aufgaben der Verbraucherpolitik ergeben sich Schnittpunkte mit den Bereichen Soziales, Jugend, Migration, Bildung, Energie, Gesundheit, neue Medien und Familie. Es gilt deshalb die Verbraucherpolitik zu stärken und zwischen den Ressorts weiter zu vernetzen. Verbraucherinnen und Verbraucher brauchen unabhängige Informationen, Beratung und Bildung, um in globalen und liberalisierten Märkten mündige und selbstbewusste Entscheidungen treffen zu können. Dazu sind starke Verbraucherinstitutionen als "Anwälte" der Verbraucherinnen und Verbrauchen unabdingbar. Die mit der Verbraucherschutzzentrale bis 2015 getroffenen Vereinbarung werden wir langfristig fortschreiben und dadurch finanzielle Planungssicherheit sowie einen flächendeckenden Ausbau des Beratungsstellennetzes gewährleisten. Wir werden zugleich die „Verbraucherschutzstiftung in NRW“ stärken, um weitere wichtige Vorhaben im Verbraucherschutz für die Menschen in unserem Land voranzubringen. 84 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 3624 3625 3626 3627 3628 3629 3630 3631 3632 3633 3634 3635 3636 3637 3638 3639 3640 3641 3642 3643 3644 3645 3646 3647 3648 3649 3650 3651 3652 3653 3654 3655 3656 3657 3658 3659 3660 3661 3662 3663 3664 3665 3666 3667 3668 3669 3670 3671 Wir werden dort die Beratung intensivieren, wo Menschen keine Möglichkeit haben oder ihnen das Wissen fehlt, Informationen zu gewinnen und sachgerecht zu bewerten. Deshalb sollen die Beratungs- und Unterstützungsangebote der Verbraucherzentralen so ausgebaut werden, dass eine gleichberechtigte Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger vor Ort gesichert ist. Im Bereich des Finanzmarktes wollen wir umfassende Transparenz über Produkte, Risiken und Provisionen für die Verbraucherinnen und Verbraucher schaffen. Durch Initiativen auf Bundesebene wollen wir eine Stärkung der Finanzmarktaufsicht voranbringen, um einen besseren Schutz der Kundinnen und Kunden vor unseriösen Angeboten und fehlerhafter Beratung zu erreichen. Dazu gehört die Aufnahme des Verbraucherschutzes als Aufgabe der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die Einrichtung eines Finanzmarktwächters sowie der Ausbau der Kontrollinstrumente („mystery shopping“, Verbot des Angebots eigener oder besonders risikoreicher und komplexer Finanzprodukte etc.). Auch die unabhängigen Anlageberater sowie die Preisaufsicht über Finanzprodukte sollen zukünftig der Aufsicht der BaFin unterstehen. Drückermethoden am Bankenschalter wollen wir bekämpfen. Gleichzeitig hat sich bei Verbraucherinnen und Verbrauchern ein erheblicher Bedarf an unabhängiger Beratung und Information über Finanzprodukte offenbart, dem wir mit der Verbraucherzentrale NRW entsprechen wollen. Viele Haushalte befinden sich in einer prekären Finanzsituation. Wir haben deshalb die Landesförderung der gemeinnützigen Schuldnerund Verbraucherinsolvenzberatung bereits erhöht und werden mit den Mitteln aus dem Sparkassenfonds auch weiter für eine auskömmliche Finanzierung sorgen. Analog zum Sparkassenfonds wollen wir auch die Banken an der Finanzierung der gemeinnützigen Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung und von Bildungsangeboten zur Verbraucherfinanzbildung beteiligen. Wir werden uns auch dafür einsetzen, dass Geschäfte mit der Armut etwa durch unseriöse Schuldnerberater und überhöhte Inkassokosten wirksam verhindert werden und dass es eine gesetzliche Regelung für ein Girokonto auf Guthabenbasis für alle gibt. Die Gesundheitspolitik der vergangenen Jahre hat die Weichen im Gesundheitswesen in Richtung mehr Wettbewerb und Wahlfreiheit gestellt. Patientinnen und Patienten müssen Entscheidungen über Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL), die Wahl ihrer Krankenkasse und verschreibungsfreier Medikamente treffen und sich immer stärker an den Kosten beteiligen. Neben dem Einsatz für bessere Verbraucherrechte im Gesundheitsmarkt werden wir es der Verbraucherzentrale NRW ermöglichen, unabhängige Informationen bereitzustellen, eine Rechtsberatung im Pflegemarkt voranzutreiben sowie Rechtsverstößen von Gesundheitsdienstleistern entgegenzutreten. Unser Ziel ist es, nachhaltiges Konsumverhalten bei Verbraucherinnen und Verbrauchern zu verankern und die Voraussetzungen für einen nachhaltigen Lebensstil zu schaffen. Daher unterstützt das Land insbesondere Maßnahmen zur Wertschätzung von Lebensmitteln und zur Reduzierung der CO2-Emissionen. Zur Verbesserung der Transparenz Verbraucherschutzbericht vorlegen. Das werden wir alle zwei Jahre einen Verbraucherinformationsgesetz wollen wir 85 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 3672 3673 3674 3675 3676 3677 3678 3679 3680 3681 3682 3683 3684 3685 3686 3687 3688 3689 3690 3691 3692 3693 3694 3695 3696 3697 3698 3699 3700 3701 3702 3703 3704 3705 3706 3707 3708 3709 3710 3711 3712 3713 3714 3715 3716 3717 3718 3719 entsprechend der vom NRW Verbraucherschutzministerium im letzten Jahr in den Bundesrat eingebrachten Anträge fortentwickeln und insbesondere auf verbrauchernahe Dienstleistungen (Finanzmarktprodukte, Mobilität, Energiedienstleistungen etc.) ausweiten. Wir werden für Transparenz bei den amtlichen Kontrollergebnissen im Gastronomie- und Lebensmittelbereich (Hygienebarometer) sorgen. Sollte es nicht zeitnah zu einer Lösung auf Bundesebene kommen, werden wir den Beschluss der Verbraucherschutzministerkonferenz aus dem Jahr 2011 soweit wie rechtlich möglich auf Landesebene umsetzen. Noch in diesem Jahr wollen wir in ausgewählten Kommunen mit einem internetbasierten Modellprojekt beginnen. Verstöße gegen Vorschriften zum Gesundheits- und Täuschungsschutz, Hygienemängel, Grenzwertüberschreitungen bei Lebensmitteln im Sinne des § 40 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) werden wie auf einer landeseinheitlichen Homepage veröffentlichen, um eine möglichst umfassende Transparenz zu gewährleisten. Die Überwachung des Internethandels und der EnergiekennzeichnungsVO wollen wir intensivieren und im Kompetenzteam des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) bündeln. Wir wollen die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher im Internet stärken. Wir setzen uns für verbindliche Maßnahmen zum Schutz vor Abo-Fallen, Massenabmahnungen und betrügerischen Angeboten im Netz ein. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen sich möglichst rasch und einfach einen Überblick über die Qualität und Eigenschaften von Produkten und Dienstleistungen verschaffen können. Wir werden deshalb insbesondere Bundesratsinitiativen für einheitliche und verbindliche Kriterien für die Kennzeichnung von Ökostromangeboten, zur Novellierung der PKW-Energieverbrauchskennzeichnungs-Verordnung (CO2-Ausstoß gemessen an der Fahrzeugstandfläche bzw. Anzahl der Sitzplätze) sowie für einheitliche Standards und Kriterien für Energiepreisportale einbringen. Darüber hinaus werden wir Initiativen zur Kennzeichnung von Produkten und Lebensmitteln bezüglich ihrer Klimarelevanz sowie zur Erarbeitung und Einführung eines Regionalzeichens mit anspruchsvollen qualitativen Standards (ohne Gentechnik etc.) starten. Auch bei zusammengesetzten Lebensmitteln muss zukünftig die Haltungsform, mit denen die zur Herstellung verwandten Eier produziert worden sind, klar erkennbar sein. An oberster Stelle müssen gesunde und sichere Lebensmittel und Produkte (z.B. kein Gift in Kinderspielzeug) stehen. Neben umfassender Transparenz ist eine konsequente und qualifizierte Lebensmittelkontrolle der beste Schutz vor Lebensmittelskandalen. Die Lebensmittel- und Bedarfsgegenständeüberwachung wollen wir weiter verbessern. Neben einer weiteren Erhöhung der Zahl der Lebensmittelkontrolleure und insbesondere des wissenschaftlichen Personals werden wir das beim LANUV eingerichtete Kompetenzteam erweitern und ausbauen. Den Empfehlungen des Bundesrechnungshofes folgend wollen wir die Tierarzneimittelüberwachung und die Kontrolle großer Lebensmittelunternehmen auf staatliche Ebene überführen. Dazu wollen wir Gespräche mit der kommunalen Familie aufnehmen und auf Bundesebene ein solches Vorgehen möglichst konsensual verabreden. 86 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 3720 3721 3722 3723 3724 3725 3726 3727 3728 3729 3730 3731 3732 3733 3734 3735 3736 3737 3738 3739 3740 3741 3742 3743 3744 3745 3746 3747 3748 3749 3750 3751 3752 3753 3754 3755 3756 3757 3758 Um eine angemessene Überwachung im Verbraucherschutz zu gewährleisten und Kommunen und Land zu entlasten, sollen Kontrollen zukünftig weitgehend über kostendeckende Gebühren finanziert werden. 3759 3760 3761 3762 3763 3764 3765 3766 MehrTierschutzinNRW Wir wollen, dass die Verpflegung in Kitas und Schulen in einer hohen gesundheitlichen und ökologischen Qualität angeboten wird. Deshalb werden wir uns dafür einsetzen, die Rahmenbedingungen insgesamt zu verbessern und die Vernetzungsstellen Schulverpflegung, die seit 5 Jahren Schulen und Trägern mit Rat und Tat zur Seite stehen, weiterhin finanziell fördern und erwarten von der Bundesregierung, dass sie sich ebenfalls weiter an den Kosten beteiligt. Das EU-Schulobstprogramm NRW werden wir fortführen und bedarfsgerecht ausweiten. Wir setzen uns dafür ein, dass Ernährungs- und Verbraucherbildung im Rahmen der UNDekade Bildung für Nachhaltige Entwicklung auch in der Schule verstärkt wird. Dort sollen elementare Kenntnisse in Ernährung, Medienkompetenz und Finanzen vermittelt werden. Wir setzen uns weiterhin für die Umsetzung des von NRW initiierten Bundesratsbeschlusses zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor illegaler Telefonwerbung sowie die Einführung der sog. Buttonlösung bei Vertragsabschlüssen im Internet ein. Mit dem Kompetenzzentrum Verbraucherforschung NRW wird die Landesregierung die Verbraucherforschung weiterhin unterstützen, um eine Wissensbasis als Grundlage für effizientes und nachhaltiges verbraucher- und wirtschaftspolitisches Handeln zu schaffen. Dabei soll auch die Kommunikation zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern angeregt, die Verbraucherforschung vernetzt und ihre Ergebnisse für eine zielgenaue Verbraucherpolitik genutzt werden. Energiepreise bekommen eine immer stärkere soziale Dimension. Insbesondere bei Erwerbstätigen mit geringem Einkommen, aber auch bei Bezieherinnen und Beziehern von Leistungen nach dem SGB-II kommt es immer wieder zu Stromsperren. Wir werden im Dialog mit den Energieversorgern und Verbraucherverbänden Lösungen erarbeiten, um Stromsperren zu vermeiden und Energiearmut wirksam zu reduzieren. Wir wollen eine Tarifgestaltung erreichen, die einen geringen Energieverbrauch begünstigt (z. B. kostenneutrale Einführung linearer Stromtarife durch die Abschaffung von Grundgebühren/preisen). Zusammen mit der Verbraucherzentrale und den Wohlfahrtsverbänden starten wir Modellprojekte gegen Energiearmut und Stromsperren. Nach deren Evaluierung wollen wir ein landesweites Angebot schaffen. Tiere sind Lebewesen und als solche zu respektieren. Das Staatsziel Tierschutz muss konsequent umgesetzt werden. Wir setzen uns dafür ein, dass Tiere artgerecht leben können und ihnen Schmerz und Leid erspart bleiben. Deswegen brauchen Tiere mehr Rechte. Eine artgerechte und qualfreie Nutztierhaltung ist für uns der oberste Maßstab in der Landwirtschaft. Aus diesem Grund wollen wir die Förderung tiergerechter Zucht- und Haltungsformen deutlich verstärken. Darüber hinaus müssen die Transportzeiten für 87 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 3767 3768 3769 3770 3771 3772 3773 3774 3775 3776 3777 3778 3779 3780 3781 3782 3783 3784 3785 3786 3787 3788 3789 3790 3791 3792 3793 3794 3795 3796 3797 3798 3799 3800 Nutztiere auf den Prüfstand. Ebenso werden wir die Arbeitsmethoden und -bedingungen auf Schlachthöfen untersuchen, um sie auch im Sinne des Tierschutzes zu verbessern. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Dauer von Tiertransporten erheblich verkürzt wird, mit dem Ziel, dass kein Transporttag für Tiere acht Stunden überschreitet. Das in der letzten Legislaturperiode aufgrund der Auflösung des Landtages nicht mehr verabschiedete Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände werden wir unverzüglich wieder in den Landtag einbringen und beschließen. NRW setzt sich auf EU-Ebene für eine Absenkung der Tierversuche ein. Dafür werden wir deutliche Anreize schaffen. Um die Tierversuchszahlen wirksam in NRW zu senken, werden wir die alternativen Forschungsmethoden stärker unterstützen. Für die bereits bestehenden Alternativmethoden zur Tierversuchsforschung werden wir uns auf allen Ebenen dafür einsetzen, dass diese konsequent angewandt werden. Wir verfolgen das Ziel, einen Lehrstuhl für Tierschutz als Stiftungsprofessur einzurichten, der sich unter anderem verstärkt mit Alternativmethoden zu Tierversuchen befassen soll. Darüber hinaus wollen wir mehr Transparenz und Ansprechbarkeit für die Bevölkerung. Wir setzen ins für eine umfassende Novelle des Tierschutzgesetzes auf Bundesebene ein, die insbesondere eine wesentliche Verbesserung der Haltungsbedingungen für Nutztiere, ein Verbot von Börsen mit exotischen Tieren und ein bundesrechtliches Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine umfassen soll. Die Haltung und Dressur von Wildtieren muss zu Gunsten eines zeitgemäßen Tierschutzes neu geregelt werden. Im Sinne des Tier- und Artenschutzes, aber auch zum Schutz von Anwohnerinnen und Anwohnern, wollen wir die Haltung von exotischen Tieren durch Privatpersonen auch landesrechtlich streng reglementieren. Tierheimen wollen wir mit einem Förderprogramm bei der Sanierung weiter helfen. V. Bauen,Wohnen,Verkehr 3801 3802 3803 3804 3805 3806 3807 3808 3809 3810 3811 Nordrhein-Westfalen braucht starke und lebenswerte Städte und Regionen. Städte gewinnen für alle Bevölkerungsgruppen als Lebensraum, Wohnstandort und Arbeitsort wieder an Bedeutung. Heute leben etwa 80% aller Menschen in NordrheinWestfalen in Städten. Unsere Städte sind Wissenszentren und Quellen für Wachstum und Innovation, kulturelle und kreative Aktivitäten, nachhaltige Entwicklung und die Entwicklung von Arbeitsplätzen. In ihnen konzentrieren sich historische, kulturelle, soziale und bauliche Vielfalt und deren Zusammenwirken sowie wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten. Gleichzeitig stehen sie vor großen Herausforderungen: Die Bevölkerung wird älter und vielfältiger. Die soziale Spaltung wächst, die 88 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 3812 3813 3814 3815 3816 3817 3818 3819 3820 3821 3822 3823 3824 3825 3826 3827 3828 3829 3830 3831 3832 3833 3834 3835 3836 3837 3838 3839 3840 3841 3842 3843 3844 3845 3846 3847 3848 3849 3850 3851 3852 3853 3854 Ausgrenzung bestimmter Bevölkerungsgruppen nimmt zu, in einigen Gebieten fehlt preisgünstiger und geeigneter Wohnraum. In anderen Gebieten steht Wohnraum leer, weil mit dem demografischen Wandel schon allgemeine Schrumpfungsprozesse eingesetzt haben. Wir wollen unsere Städte bei der Bewältigung dieser Herausforderungen unterstützen und helfen ihnen bei ihrer Weiterentwicklung. Stadtentwicklungspolitik als gesamtgesellschaftliche Querschnittsaufgabe Die Entwicklung von Stadt- und Ortsteilen ist eine ganzheitliche Aufgabe. Darum wollen wir das Handeln aller am Prozess der Stadtentwicklung und Wohnungsbauförderung beteiligten Personen und Institutionen verbindlicher abstimmen und öffentliche und private Investitionen besser koordinieren. Wir werden unser Wissen und unsere finanziellen Mittel bündeln, damit die Wirksamkeit der knappen öffentlichen Mittel verbessern und ein neues Verantwortungsbewusstsein für eine integrierte Stadtentwicklungspolitik schaffen. Dies soll dazu dienen, sich verschlechternde Quartiersituationen frühzeitig zu erkennen und ihnen zu begegnen - bevor diejenigen, die es sich leisten können, das Quartier verlassen und so überforderte Nachbarschaften entstehen. Die Bemühungen der verschiedenen Fachministerien, die im Bereich Stadtentwicklung tätig sind oder auf die Stadtentwicklung Einfluss nehmen, wollen wir besser aufeinander abstimmen und verknüpfen. Mit einer sozial orientierten, alters- und behindertengerechten, klimaangepassten, integrierten und integrativen Stadtentwicklungspolitik und Wohnungsbauförderung wollen wir die Standortqualitäten der Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen erhalten und stärken sowie die gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe aller sichern. Hierzu dienen beispielsweise die Verbesserung von Aufenthaltsqualitäten in öffentlichen Räumen, der Wohnfunktionen, der Nahversorgung, der vernetzten und städtebaulich integrierten Mobilitätsangebote, sichere und barrierefreie Fuß- und Radwege, sowie mehr Wohnort nahes Grün. Eine vorsorgende, stadtteilorientierte, soziale Stadtentwicklungspolitik stärkt den sozialen Zusammenhalt, wirkt der sozialen Ausgrenzung entgegen und schafft Sicherheit. Dies gelingt, wenn die städtebauliche Qualität stimmt, gutes Wohnen sicher ist und die sozialstrukturelle Vielfalt vorhanden ist. Die Natur in den Städten ist den Menschen als Erholungsquelle wichtig. Öffentliche Grünräume können Umweltbelastungen wie Lärm oder Staub reduzieren und Orte der Begegnung für Jung und Alt sowie des kulturellen und sportlichen Austausches sein. Sie schaffen mehr Lebensqualität für alle. Vor dem Hintergrund des Klimawandels streben wir im Sinne eines Leitbildes „Grüne Stadt“ als Teil einer 89 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 3855 3856 3857 3858 3859 3860 3861 3862 3863 3864 3865 3866 3867 3868 3869 3870 3871 3872 3873 3874 3875 3876 3877 3878 3879 3880 3881 3882 3883 3884 3885 3886 3887 3888 3889 3890 3891 3892 3893 3894 3895 3896 3897 3898 nachhaltigen Stadtentwicklung mehr wohnortnahes Grün, Grüngürtel, Stadtbäume, Parkanlagen sowie Dach- und Fassadenbegrünung an. Diese vorsorgende Politik für die Menschen in unseren Städten erspart auf Dauer erhebliche soziale und ökologische Folgekosten. Eine wohnoder stadtquartierbezogene Abwärtsspirale zu bremsen oder umzukehren, erfordert im Vergleich dazu ein Vielfaches der Kosten. Das Markenzeichen unserer nachhaltigen Politik ist das offene Gespräch mit allen Beteiligten. Unsere Stadtentwicklungs- und Wohnpolitik bindet die Bürgerinnen und Bürger aktiv in die Gestaltung ihres unmittelbaren Lebensumfeldes ein. Damit wollen wir Betroffene zu Beteiligten machen und zugleich größere Akzeptanz sowie mehr Planungs- und Investitionssicherheit erreichen. Hierzu gehört auch, dass wir die Initiative StadtBauKultur fortsetzen, die Baukultur durch Wettbewerbe fördern und die Fortentwicklung des Stadttourismus unterstützen. Stadtentwicklung in Nordrhein Westfalen braucht Unterstützung vom Bund und der Europäischen Union Stadtentwicklungspolitik ist für uns eine gesamtgesellschaftliche Querschnittsaufgabe aller politischen Ebenen. Deshalb werden wir gegenüber der Bundesregierung auch weiterhin auf die Ausstattung der Städtebaufördermittel in bisheriger Höhe dringen. Das gilt insbesondere für die Förderprogramme „Stadtumbau West“ und „Soziale Stadt“. Grundsätzlich werden wir uns dafür einsetzen, dass die Bundesmittel für die Stadtentwicklung insgesamt auf hohem Niveau verstetigt werden. Das Programm „Soziale Stadt“ wollen wir mit den anderen beteiligten Ressorts im Rahmen eines integrierten Rahmenkonzeptes verbindlich verknüpfen. Das federführende Stadtentwicklungsministerium wird hierzu ein mit allen Fachressorts abgestimmtes Konzept vorlegen. Darüber hinaus fordern wir für das Land zusätzliche Mittel im Rahmen des Bundesprogramms „Stadtumbau-West“ für die Bewältigung der Konversion der ehemaligen militärisch genutzten Flächen in den durch Truppenabzug betroffenen Gemeinden. Der Bund ist auch gefordert, den Kommunen Konversionsliegenschaften zu einem angemessenen Preis zu überlassen und damit die Entwicklung von Nachfolgenutzungen zu unterstützen. Zudem werden wir prüfen, inwieweit Mittel des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) stärker als bisher für die Stadtentwicklungspolitik in NordrheinWestfalen eingesetzt werden können. Unsere vorsorgende Politik darf nicht durch 90 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 3899 3900 3901 3902 3903 3904 3905 3906 3907 3908 3909 3910 3911 3912 3913 3914 3915 3916 3917 3918 3919 3920 3921 3922 3923 3924 3925 3926 3927 3928 3929 3930 3931 3932 3933 3934 3935 3936 3937 3938 3939 3940 3941 Entscheidungen auf europäischer Ebene behindert werden. Hierfür werden wir uns mit Nachdruck einsetzen. Eine nachhaltige Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik braucht integrierte, stadtteilorientierte Handlungsansätze, um die komplexen sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Probleme mit möglichst guten Ergebnissen zu lösen. Deshalb wollen wir eine stadtteilorientierte Neuausrichtung der Stadtentwicklungs- und Wohnpolitik, indem wir vorhandene Förderansätze der sozialen Wohnraumförderung und der Stadtentwicklung enger miteinander verzahnen und mit stadt- und wohnrelevanten Förderprogrammen anderer Fachressorts unter Koordination des Städtebauministeriums konzentrieren. Wir wollen die Städte bei der Entwicklung integrierter Konzepte beraten und werden eine Förderstrategie erarbeiten, mit der wir den Kommunen bei der Umsetzung dieser Konzepte helfen können. Zukunftsthema Wohnen Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Für viele Menschen in NRW ist Wohnen jedoch zu einem Problem geworden. Obwohl viele Haushalte Anspruch auf eine öffentlich geförderte Wohnung hätten, sind nur noch weniger als 9 % der Wohnungen in Nordrhein-Westfalen preisgebunden; Preisbindungen fallen weg und Altbestände müssen zum Teil abgerissen werden. Dies führt zu Versorgungsengpässen und Verdrängungsprozessen, insbesondere in den Wachstumsregionen und Universitätsstädten unseres Landes. Gleichzeitig gibt es in vielen Städten Stadtquartiere mit massiven Leerständen und vernachlässigten Wohnungsbeständen, denen der Verfall droht. Demgegenüber müssen in manchen ländlichen Gebieten Eigentümerinnen und Eigentümer mit einem massiven Wertverlust ihrer Immobilien rechnen, weil die Nachfrage aufgrund des demografischen Wandels wegbricht. Für uns ist Wohnen ein Zukunftsthema. Wir wollen ein nachfragegerechtes, breit gefächertes Wohnungsangebot in allen Preissegmenten und ein attraktives Wohnumfeld in sozial stabilen Quartieren schaffen. Das sind für uns wichtige Faktoren für ein gutes Leben der Menschen in all ihren Lebenslagen und die positive Entwicklung der Städte und Gemeinden. So schaffen wir Lebensqualität und vermeiden spätere Sozialkosten. Deshalb wollen wir integrierte (stadtentwicklungs-) Ansätze auf den Weg bringen, die auch die soziale und technische Infrastruktur, funktionierende Nahversorgung und Chancen für die Anbindung an das gesellschaftliche Leben für alle Bürgerinnen und Bürger in den Blick nehmen. Mit unserer sozialen Wohnraumpolitik wollen wir die Versorgung der Menschen, 91 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 3942 3943 3944 3945 3946 3947 3948 3949 3950 3951 3952 3953 3954 3955 3956 3957 3958 3959 3960 3961 3962 3963 3964 3965 3966 3967 3968 3969 3970 3971 3972 3973 3974 3975 3976 3977 3978 3979 3980 3981 3982 3983 3984 3985 insbesondere mit geringeren Einkommen, mit bezahlbarem, verbrauchsarmen und möglichst barrierefrei erreichbarem Wohnraum deutlich verbessern. Zum Zukunftsthema Wohnen gehören selbstverständlich auch ein wirksamer Mieterschutz und ein wirksames Instrumentarium für die kommunale Wohnungswirtschaft, um auf vernachlässigte Wohnungsbestände und verantwortungslose Wohnungsunternehmen einwirken zu können. In enger Abstimmung mit den Kommunen in NRW wollen wir diese Ziele verwirklichen. Verantwortlich wirtschaftende, bestandshaltende Wohnungsunternehmen sind dabei unsere Partner. Neuorientierung der sozialen Wohnraumförderung fortsetzen Finanzierungsgrundlage der Wohnraumförderung ist das Wohnungsbauvermögen des Landes, das die wohnungspolitische Handlungsfähigkeit des Landes sicherstellt und für den sozialen Wohnungsbau und die Aufwertung und Stabilisierung von Wohnquartieren verwendet wird. Dieses Vermögen werden wir erhalten. Mit der bisherigen Wohnungsbauförderung hat das Land in den vergangenen Jahrzehnten erfolgreich den sozialen Wohnungsbau in allen Landesteilen gefördert. Das geschieht auf einem immer noch sehr hohen Niveau.. Die zunehmende Ausdifferenzierung der Wohnungsmärkte in den einzelnen schrumpfenden und wachsenden Städten und Regionen des Landes macht jedoch eine höhere Flexibilisierung des Mitteleinsatzes notwendig, um auf die regional unterschiedlichen Anforderungen reagieren zu können. Zudem bedarf es verstärkt integrierter Förderansätze, um den veränderten Anforderungen gerecht zu werden. Das Gesetz zur Förderung und Nutzung von Wohnraum (WFNG) formuliert als Ziel der sozialen Wohnraumförderung u.a. auch die Stärkung und den Erhalt der städtebaulichen Funktion von Wohnquartieren. Die städtebauliche Funktion von Quartieren lebt aber ganz wesentlich auch vom Vorhandensein sozialer, kultureller und integrativer Einrichtungen, die ein Quartier attraktiv und lebenswert machen. Gegenüber dem Bund werden wir darauf dringen, dass die entsprechenden Entflechtungsmittel auch nach 2013 erhalten bleiben und bis zum Jahr 2019 in unverminderter Höhe zur Verfügung gestellt sowie für die soziale Wohnraumförderung verwandt werden. Die soziale Wohnraumförderung wollen wir nach regionalen Bedarfsgesichtspunkten steuern. Neubau, insbesondere in den Wachstumsregionen des Landes, energetische Sanierung sowie Ersatzneubau für nicht mehr zeitgemäße und abgängige Mietwohnungen bleiben die Kernaufgaben der sozialen Wohnraumförderung in Nordrhein-Westfalen. Darüber hinaus muss Soziale 92 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 3986 3987 3988 3989 3990 3991 3992 3993 3994 3995 3996 3997 3998 3999 4000 4001 4002 4003 4004 4005 4006 4007 4008 4009 4010 4011 4012 4013 4014 4015 4016 4017 4018 4019 4020 4021 4022 4023 4024 4025 4026 4027 4028 4029 Wohnraumförderung zukünftig zu einem Instrument der Quartiersentwicklung weiterentwickelt werden und dabei so ausgestaltet sein, dass die Bereitstellung familien-, generationen- und altengerechten Wohnraums im Bestand forciert wird. Eine Förderung soll grundsätzlich auf der Basis kommunaler Handlungskonzepte erfolgen, die auch institutionelle und private Wohnungseigentümer bzw. Bestandshalter in diese Handlungskonzepte einbeziehen sollten. Wir wollen Fördermöglichkeiten und Finanzierungswege für schwierige Wohnquartiere in den Städten entwickeln, insbesondere für stadtteilprägende Problemimmobilien und so die Attraktivität des Wohn- und Wirtschaftsstandortes NRW erhöhen. Wir wollen für teilrentierliche Maßnahmen unter Nutzung von EUFördermitteln Stadtteilentwicklungsfonds erproben. Wir wollen Wohnungsbau-, Städtebauförderung und Mobilität für die Menschen in unserem Land stärker miteinander verknüpfen. Die Förderung wollen wir stärker von geeigneten querschnittsorientierten Förderkonzepten abhängig machen. Die Entwicklung von regionalen Entwicklungskonzepten wollen wir unterstützen. In diesem Zusammenhang bleibt die Eigentumsförderung für uns ein Bestandteil der sozialen Wohnraumförderung in Nordrhein-Westfalen. Wir werden sie auf die zeitgemäßen Erfordernisse des demographischen Wandels ausrichten. Eigentumsförderung soll vor allem im Bestand und zur Wiederbelebung städtischer Wohnquartiere betrieben werden, um eine positive Lenkungswirkung im Sinne unserer Stadtentwicklungspolitik zu erzielen. Hierbei streben wir bei bestehenden Immobilien eine enge Verzahnung mit Förderangeboten zur energetischen Sanierung an. Im Zentrum dieser Förderung sollen Familien mit Kindern stehen. Angesichts historisch niedriger Kapitalmarktzinsen ist eine breitere Eigentumsförderung weder erforderlich noch ökonomisch oder finanzwirtschaftlich zu vertreten. Energetische Erneuerung intensivieren Die energetische Gebäudesanierung ist weiterhin eine Herkulesaufgabe. Ein Drittel des bundesdeutschen CO2-Ausstoßes wird direkt oder indirekt durch den Gebäudebereich verursacht. Der Schlüssel zur Erfüllung von Klimaschutzzielen im Wohnungsbau liegt im vorhandenen Gebäudebestand. Zudem belasten die steigenden Energiekosten Mieterinnen und Mieter als „zweite Miete“ immer stärker. Wir werden die Anstrengungen zur energetischen Sanierung des Bestands daher intensivieren. Wir wollen mit der Wohnungswirtschaft in einen Dialog eintreten, um möglichst schnell Maßnahmen zum Klimaschutz und zum demographischen Wandel zu vereinbaren und mehr Sanierungs- und Neubaumaßnahmen auf den Weg zu bringen, die für die Menschen, die Wohnungsunternehmen und das Klima vorteilhaft sind. Beim Neubau werden wir in Abstimmung mit der Wohnungswirtschaft die 93 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 4030 4031 4032 4033 4034 4035 4036 4037 4038 4039 4040 4041 4042 4043 4044 4045 4046 4047 4048 4049 4050 4051 4052 4053 4054 4055 4056 4057 4058 4059 4060 4061 4062 4063 4064 4065 4066 4067 4068 4069 4070 4071 4072 4073 Förderrichtlinien schrittweise bis 2020 auf das von der EU vorgegebene Ziel des Niedrigstenergiegebäude ausrichten. Damit soll auch der Wohnungssektor in Nordrhein-Westfalen einen angemessenen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Das Land kann eine finanziell unzureichend ausgestattete und nicht verlässliche Klimaschutzpolitik des Bundes insbesondere im Gebäudebereich nicht kompensieren. Wir werden uns deshalb weiterhin für sozial gerechte und von Bund und Ländern gerecht finanzierte steuerliche Förderung für energetische Gebäudesanierungsmaßnahmen einsetzen. Zusätzlich fordern wir eine Direktförderung durch den Bund. Gegenüber der Bundesregierung werden wir darauf dringen, dass auskömmliche Mittel über die Kreditanstalt für Wiederaufbau zur Verfügung gestellt und auf hohem Niveau verstetigt werden. Wir treten dafür ein, dass die Bundesregierung ihre Verantwortung angemessen wahrnimmt, die ihr bei dieser wichtigen gesamtgesellschaftlichen Aufgabe zukommt und die sie durch ihre Zielvorgaben für den Klimaschutz selbst festgeschrieben hat. Darüber hinaus werden wir auf eine Öffnung des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) für Maßnahmen der energetischen Sanierung des Gebäudebestands drängen. Die Möglichkeiten von EFRE, Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und sozialer Wohnraumförderung wollen wir besser miteinander verzahnen. Mieterschutz verbessern Den Mieterschutz wollen wir weiter verbessern. Dazu haben wir das Zweckentfremdungsverbot und die Kündigungssperrfristen bei Eigenbedarfskündigung des Eigentümers wieder eingeführt. Die Wirkungen der neuen Kündigungssperrfristen wollen wir gewissenhaft prüfen. Unser Ziel ist, dass deutlich mehr Mieterinnen und Mieter in den angespannten Wohnungsmärkten unseres Landes einen erhöhten Kündigungsschutz im Fall von Eigenbedarfskündigungen erhalten. Deshalb streben wir wenn möglich, sowohl eine als auch eine quantitative Ausweitung der Gebietskulissen an. Für Erhaltungssatzungsgebiete werden wir in Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden prüfen, in wie weit bei Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen ein kommunaler Genehmigungsvorbehalt eingeführt werden kann. Auch die Mieterinnen und Mieter in vernachlässigten Wohnungsbeständen sogenannten „Heuschreckenbeständen“ - brauchen mehr konkrete gesetzliche Hilfe. Hier haben wir mit der Neufassung des Wohnraumförder- und Nutzungsgesetzes (WFNG) erste Schritte unternommen. Das wollen wir fortsetzen. 94 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 4074 4075 4076 4077 4078 4079 4080 4081 4082 4083 4084 4085 4086 4087 4088 4089 4090 4091 4092 4093 4094 4095 4096 4097 4098 4099 4100 4101 4102 4103 4104 4105 4106 4107 4108 4109 4110 4111 4112 4113 4114 4115 4116 4117 Veränderungen des Mietrechts auf Bundesebene, die zulasten der Mieterinnen und Mieter gehen, lehnen wir ab. Kommunen stärken Wohnungsmärkten im Umgang mit neuen Finanzinvestoren auf den Die Ergebnisse der Enquete-Kommission "Wohnungswirtschaftlicher Wandel und Finanzinvestoren" wollen wir aufarbeiten, sichern, veröffentlichen und politische Konsequenzen ziehen. Aus den bisherigen Ergebnissen zeichnet sich ab, dass wir die Instrumente der kommunalen Wohnungsaufsicht schärfen und die Rechte der betroffenen Mieterinnen und Mieter stärken wollen. Wir zielen darauf ab, die Möglichkeiten des Eingriffs bei Problemimmobilien und des Zugriffs auf die verantwortlichen Wohneigentümerinnen und -eigentümer zu erweitern und die Rechtsinstrumente unter anderem im Baugesetzbuch (BauGB), innerhalb des Mietrechts (BGB), des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG), des Sozialgesetzbuches (SGB II), der Landesbauordnung (LBO) NRW und des Wohnraumförderungsgesetz NRW (WFNG NRW) zu schärfen. Wir wollen eine Ergänzung der Rechtsgrundlagen um kombinierte Instandsetzungsund Vermietungsanordnungen, die Aufnahme des ordentlichen Kaufmanns im Sinne des Handelsrechts sowie gegebenenfalls weitere Instrumente prüfen. Dazu gehört auch die Stärkung der kommunalen Wohnungswirtschaft im Rahmen von Zwangsversteigerungsverfahren, indem die Kosten von erfolgten Ersatzvornahmen als „öffentliche Last“ erstrangig zu behandeln sind. In diesem Themenfeld kommt der NRW.Bank eine besondere Verantwortung zu. Wir wollen die Kommunen bei der Aufwertung schwieriger Wohnquartiere und beim Umgang mit verwahrlosten Immobilien unterstützen. Dazu werden wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass auf der Basis von kommunalpolitischen Handlungs- bzw. Stadtteilentwicklungskonzepten querschnittsorientierte, integrierte und zielgenaue Fördermöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden können. Die Erstellung entsprechender Konzepte werden wir unterstützen, um damit im Rahmen von Kooperationen mit wohnungswirtschaftlichen Investoren die Wohnraumversorgung von Zielgruppen, die Stabilisierung des Wohnquartiers, die Aufwertung des Wohnumfeldes und eine ausgewogene Bewohnerstruktur sicherzustellen. Beim Umgang mit verwahrlosten Immobilien werden wir grundlegend prüfen, inwieweit speziell bei Zwangsversteigerungsverfahren Ankaufdarlehen für deren Erwerb bereitgestellt werden können. Hierzu gehört für uns auch, die Kommunen bei einer darauf ausgerichteten Wohnungsmarktbeobachtung zu unterstützen. Zudem wollen wir auf eine Änderung der EU–Beitreibungsrichtlinie dringen, um den 95 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 4118 4119 4120 4121 4122 4123 4124 4125 4126 4127 4128 4129 4130 4131 4132 4133 4134 4135 4136 4137 4138 4139 4140 4141 4142 4143 4144 4145 4146 4147 4148 4149 4150 4151 4152 4153 4154 4155 4156 4157 4158 4159 4160 4161 Kommunen die Beitreibung von Forderungen auch über Ländergrenzen hinweg zu ermöglichen. Wir werden uns landesweit für qualifizierte Mietspiegel einsetzen, damit die Mietsituation und der Rechtsschutz für Transferleistungsbezieherinnen- und bezieher verbessert werden können. Vermieterinnen und Vermietern, die in ihre Wohnungen nicht investieren und diese verwahrlosen lassen, sollen nicht von garantierten Mieteinnahmen und kaum hinterfragten Nebenkostenabrechnungen profitieren können („Geschäftsmodell Hartz IV“). Wir werden prüfen, inwieweit mit kombinierten Instandsetzungsund Untervermietungsanordnungen das Instrumentarium der kommunalen Wohnungswirtschaft weiter gestärkt werden kann. Bestandshalter unterstützen Verantwortungsbewusste Bestandshalter – auch von kleinen Wohnungsbeständen – die ein unverzichtbarer und stabilisierender Faktor für die Wohnungsmärkte in Nordrhein-Westfalen sind, wollen wir in ihrer Eigenverantwortlichkeit stärken. Wir werden in diesem Zusammenhang die Bildung von Immobilien- und Standortgemeinschaften des Wohnens gesetzlich ermöglichen und die Kooperationsstrukturen ausbauen. Kommunale Wohnungsunternehmen sind für die kommunale Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik unverzichtbar. Wir werden diese Unternehmen nach Kräften bei ihrer wichtigen Aufgabe unterstützen. Das gilt zugleich für die Wohnungsgenossenschaften. Auch sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung einer sozial orientierten Wohnungsmarktes. Deswegen werden wir auch weiterhin die Gründung neuer Wohnungsgenossenschaften und Baugruppen positiv begleiten und uns für die Verbesserung ihrer Rahmenbedingungen einsetzen. Ökologische und zukunftsfähige Flächenpolitik Zu einer sozialen und zukunftsfähigen Wohn- und Städtebaupolitik gehört für uns auch der verantwortliche Umgang mit den vorhandenen Flächen. Wir wollen unsere Innenstädte durch landesplanerische Hilfen attraktiver machen und „Zentren schädliches Bauen auf der grünen Wiese" verhindern. Künftige Siedlungsentwicklung werden wir verstärkt unter der Beachtung der sozialen, ökologischen und finanziellen Konsequenzen bei der Schaffung und dem Betrieb der notwendigen Infrastrukturen betrachten. Es kommt uns im Sinne einer effektiven, ökologischen und zukunftsgewandten Flächenpolitik darauf an, allen Kommunen anzubieten, deren nicht- oder ungenutzte Altstandorte anzugehen und die Eigentümer in eine städtebauliche und 96 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 4162 4163 4164 4165 4166 4167 4168 4169 4170 4171 4172 4173 4174 4175 4176 4177 4178 4179 4180 4181 4182 4183 4184 4185 4186 4187 4188 4189 4190 4191 4192 4193 4194 4195 4196 4197 4198 4199 4200 4201 4202 4203 4204 4205 regionalplanerische Lösungsstrategie einzubeziehen. Das schließt auch Konversionsflächen im Besitz des Bundes ein. Wir wissen aber, dass es in den Wachstumsregionen weiter notwendig ist, Flächen für gewerbliche Nutzung und für den Wohnungsbau zu entwickeln. Hierzu werden wir den erfolgreich gestarteten und effizienten FlächenPool.NRW aus der Pilotphase in den Regelbetrieb überführen und zum zentralen Instrument des Flächenmanagements in NRW machen. Wir werden dafür eine auskömmliche Finanzierung sicherstellen sowie den Grundstücksfond NRW und die Bahnflächenentwicklungsgesellschaft NRW einbeziehen. Bau- und Liegenschaftsbetrieb Der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB) hat bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben die baupolitischen Ziele des Landes zu beachten. Nordrhein-Westfalen ist als größtes Land neben dem Bund der wichtigste öffentliche Bauherr in Deutschland. Daher hat das NRW eine besondere Verantwortung und Vorbildrolle für die gebaute Umwelt. Landespolitische Zielsetzungen und Schwerpunkte sollten sich gerade in der Verwaltung und Gestaltung der Landesliegenschaften widerspiegeln. Darüber hinaus ist es erforderlich die Organisation des BLB zu optimieren. Novellierung der Landesbauordnung Wir werden die Landesbauordnung zur Verbesserung der Beachtung von Kinderbelangen und Rücksichtnahme auf die vorhandene Natur fortentwickeln. Die Vereinfachung von Antragsverfahren werden wir prüfen und Anpassungen beim Brandschutz vornehmen. Im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention besitzt für uns die bedarfsgerechte Ausgestaltung der Wohn- und Stadtentwicklungspolitik insgesamt sowie der Wohnquartiere und der Sozialräume im Einzelnen große Bedeutung. In einer Novelle der Landesbauordnung wollen wir dies aufgreifen, um allen Menschen eine möglichst gleichberechtigte soziale Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Insbesondere die Regelungen zur Barrierefreiheit in § 55 und die Unterstützung der kommunalen Akteurinnen und Akteure bei der Verbesserung der Zugänglichkeit von Gebäuden und Sozialräumen sind uns wichtig. Wir wollen diese Entwicklung in Abstimmung mit den Kommunen vorantreiben. Rauchwarnmelder retten Leben. Wir wollen deshalb noch in diesem Jahr den Einbau von Rauchwarnmeldern in Wohnungen in der Landesbauordnung gesetzlich verpflichtend machen. Richten soll sich diese Verpflichtung an die Mieterinnen und Mieter bzw. die selbst nutzenden Eigentümerinnen und Eigentümer. Unverzichtbar ist 97 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 4206 4207 4208 4209 4210 4211 4212 4213 4214 4215 4216 4217 daneben eine intensive Öffentlichkeitsarbeit für Rauchwarnmelder. Hier setzen wir neben dem bewährten Beitrag des Landes auch künftig auf das kreative Engagement der Feuerwehren, Kommunen, Kammern, Verbände und Unternehmen. 4218 4219 4220 4221 4222 4223 4224 4225 4226 4227 4228 4229 4230 4231 4232 4233 4234 4235 4236 4237 4238 4239 4240 4241 4242 4243 4244 4245 4246 4247 4248 4249 Zukunftsfähige Mobilität für alle in NRW Archäologischer Denkmalschutz Neue Rechtsprechung und notwendige Anpassungen an internationale Normen machen eine Gesetzesänderung für den Bereich der Bodendenkmalpflege unabdingbar. Materiell müssen folgende drei Güter neu festgelegt werden: Das Veranlasserprinzip, ein Schatzregal und ein deklaratorisches Eintragungsverfahren für Bodendenkmäler. NRW ist als das bevölkerungsreichste Land und als die Transitdrehscheibe zwischen Nord und Süd sowie West und Ost elementar auf gute Verkehrsinfrastruktur angewiesen. Es besitzt eine umfangreiche und ausdifferenzierte Infrastruktur bei Autobahnen, Bundes- und Landesstraßen, Schienenstrecken, Binnenwasserstraßen, Häfen und Flughäfen und damit die Voraussetzung für die Mobilität von Menschen und deren Teilhabe an der Gesellschaft. Diese Mobilität sichert zudem die internationale Wettbewerbsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandortes mit seinen Arbeitsplätzen für die Menschen in NordrheinWestfalen. Um den Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden, ist jedoch eine konsensuale Fortentwicklung der Verkehrsinfrastruktur in Nordrhein-Westfalen notwendig. Hierzu werden wir mit neuen Informations- und Angebotsformen die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger verbessern. Die Fortentwicklung eines zukunftsfähigen und nachhaltigen Güterverkehrs werden wir durch eine Mobilitätsinitiative fördern und mit der Einsetzung eines wissenschaftlichen Beirats für Intermodalität fachlich begleiten. Mit „kombinierten Verkehr“ wollen wir die Leistungsfähigkeit unserer Verkehrsinfrastruktur stärken und die Umweltbelastungen senken. Unseren Weg der Veränderung des Modal-Splits zu Gunsten der Verkehrsträger Schiene und Binnenwasserstraße setzen wir fort und stärken ihn mit einem Logistikkonzept für Nordrhein-Westfalen. Für diese Investitionen muss der Bund die notwendigen Mittel bereitstellen und darf NRW insbesondere beim Schienenwegeausbau nicht weiter benachteiligen. Der Bund darf sich hier seiner Verantwortung für Nordrhein-Westfalen nicht entziehen und muss stärker in die Verkehrsinfrastruktur Nordrhein-Westfalens investieren. Auch die Erhaltung des Landesstraßennetzes ist eine wichtige Aufgabe, deren Finanzierung wir auf bedarfsgerechtem Niveau sichern wollen. 98 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 4250 4251 4252 4253 4254 4255 4256 4257 4258 4259 4260 4261 4262 4263 4264 4265 4266 4267 4268 4269 4270 4271 4272 4273 4274 4275 4276 4277 4278 4279 4280 4281 4282 4283 4284 4285 4286 4287 4288 4289 4290 4291 4292 Gute Busse und Bahnen für alle NRW ist unter der Regierungsverantwortung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen bis 2005 im bundesweiten Vergleich zum Bahnland Nummer 1 geworden. An die erfolgreiche Zielsetzung der Vorrangpolitik für Busse und Bahnen in NRW in den letzten zwei Jahren knüpfen wir an.. Hierzu hat die bisherige Landesregierung unter der Mitwirkung der Zweckverbände des Landes, der Fahrgastverbände, des Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) sowie der kommunalen Spitzenverbände eine Zukunftskommission für den ÖPNV in NRW eingerichtet, die bis Mitte 2013 die Voraussetzungen für eine sachgerechte Finanzierung des ÖPNV im Land ermitteln und darlegen soll. Ihre Ergebnisse wollen wir nutzen, um die Grundlagen für die anstehenden Gespräche mit dem Bund über die Folgevereinbarungen zum Regionalisierungsmittelgesetz und zu den Entflechtungsmitteln zu legen. Für uns steht fest, dass die heutige Höhe der Regionalisierungsmittel nach den Kürzungen im Jahr 2006 nicht ausreicht und korrigiert werden muss – auch unter dem Gesichtspunkt der horizontalen Verteilung zwischen den Ländern, die NRW als größtes stark benachteiligt. Auch für die anstehende Diskussion um die Höhe der Entflechtungsmittel nach 2014 ist angesichts der immensen Sanierungsaufwendungen allein bei U-Bahnen und kommunalen Brücken klar, dass es nicht zu den angekündigten Kürzungen kommen darf. Deswegen hat sich auch die bisherige Landesregierung wie die anderer Länder freiwillig zur Zweckbindung dieser Mittel im Verkehrsbereich verpflichtet und führt sie ab 2014 nicht dem allgemeinen Haushalt zu. Wir nehmen die Verantwortung des Landes für den Schienengebundenen Personennahverkehr (SPNV) ernst und werden deshalb prüfen, welche Maßnahmen notwendig sind, um den SPNV in NRW effektiver im Sinne seiner Nutzerinnen und Nutzer zu gestalten. Der von uns eingesetzte Beirat für den SPNV unter Beteiligung der Zweckverbände des Landes sowie der Fahrgastverbände hat bereits in einer ersten Stufe 32 Maßnahmen identifiziert, die innerhalb der nächsten fünf Jahre umgesetzt werden. Wir wollen, dass er seine Arbeit fortsetzt und auch den zuständigen politischen Gremien des Landtages regelmäßig berichtet. Wir werden die Rechte der Fahrgäste weiter stärken, ihre Anliegen und Eingaben in der Mobilitätsplanung berücksichtigen und die Arbeit der Schlichtungsstellen unterstützen. Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass die Belange von NRW auf EU-Ebene gewahrt werden – das gilt insbesondere auch für den Personennah- und Regionalverkehr auf der Schiene und für den Verkehr auf den GüterVorrangkorridoren.. 99 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 4293 4294 4295 4296 4297 4298 4299 4300 4301 4302 4303 4304 4305 4306 4307 4308 4309 4310 4311 4312 4313 4314 4315 4316 4317 4318 4319 4320 4321 4322 4323 4324 4325 4326 4327 4328 4329 4330 4331 4332 4333 4334 4335 4336 Wir unterstützen die Zielsetzung des EU-Weißbuches Verkehr nach einer CO2freien Stadtlogistik im Jahr 2030. Zudem wollen wir detailliert prüfen, wie die Fördermittel der EU für den grenzübergreifenden Verkehr („Connecting Europe“) für NRW eingesetzt werden können. Die Leistungsfähigkeit des Schienennetzes insgesamt muss deutlich gesteigert und der Nah- und Fernverkehr sowie der Güterverkehr mit gezielten Investitionen wirksam gestärkt werden.. Dazu erwarten wir von Bund und Bahn die zügige Planung und Umsetzung der großen Projekte in NRW. Für das dritte Gleis der Betuwe-Linie und einen guten Lärmschutz muss der Bund eine tragfähige Finanzierungsvereinbarung vorgelegen. Unser Ziel ist die Realisierung des Rhein-Ruhr-Express, weil damit eine erhebliche und dringend notwendige Verbesserung der verkehrlichen Infrastruktur im größten bundesdeutschen Ballungsraum an Rhein und Ruhr verbunden ist. Das Vorgehen der aktuellen Landesregierung, auch einzelne Abschnitte mit einem eigenen Verkehrswert voranzubringen, hat sich bewährt. Es gibt nun erstmalig eine Finanzierungszusage des Bundes für die ersten Planfeststellungsabschnitte zwischen Köln und Düsseldorf. Wir werden für NRW bei Bahn und Bund darauf drängen, dass diese Zusagen eingehalten werden und der RRX in allen Abschnitten zügig geplant und durch die Bereitstellung der notwendigen Mittel unmittelbar nach der Herstellung der baurechtlichen Voraussetzungen gebaut werden kann. Die weiteren Planungsabschnitte des RRX müssen nun vorangetrieben und das dritte Gleis zwischen Aachen und Düren muss Bestandteil des Bundesverkehrswegeplanes werden. Für den Eisernen Rhein muss der Bund vor dem Hintergrund des Landtagsbeschlusses gemeinsam mit dem Land eine umweltverträgliche und lärmarme Lösung in Anlehnung an die A52-Trasse finden. NRW nimmt eine einseitige Festlegung des Bundes auf die Historische Trasse nicht hin. Wir werden uns dafür einsetzen, dass dieser Prozess durch Gutachten des Landes konstruktiv unterstützt wird, um eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung zu finden. Die bundesweiten Störungen durch Engpassstellen der Bahnknotenpunkte in NRW sind aus Landessicht mit Vorrang zu beheben. Dazu gehören insbesondere der Knoten Köln mit Ausbau des Bahnhofes Köln-Deutz und einem weiteren Gleis im Kölner Hauptbahnhof, der Knoten Dortmund mit dem Ausbau des dortigen Hauptbahnhofs und der Knoten Hamm, aber auch der Ausbau der Ruhrtalstrecke und die Verbindung Venlo-Kaldenkirchen. Die Finanzierung des zweigleisigen Ausbaus der Strecke Münster-Lünen, für die das Land freiwillig umfangreiche planerische Vorarbeiten finanziert hat, muss durch Bund und Bahn so sichergestellt werden, dass bis zum Jahr 2018 mit dem Bau begonnen werden kann. Die Beseitigung von Eingleisigkeit und die Elektrifizierung von Strecken muss mit hoher Priorität vorangetrieben werden. Bei der DB AG werden wir uns dafür 100 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 4337 4338 4339 4340 4341 4342 4343 4344 4345 4346 4347 4348 4349 4350 4351 4352 4353 4354 4355 4356 4357 4358 4359 4360 4361 4362 4363 4364 4365 4366 4367 4368 4369 4370 4371 4372 4373 4374 4375 4376 4377 4378 einsetzen, dass die rund 900 unbeschrankten Bahnübergänge in NRW sukzessive mit Schranken ausgestattet werden. Durch die Unterstützung des Landes können weit mehr als die Hälfte der einkommensschwächsten Bürgerinnen und Bürger heute schon ein Mobilitäts- oder Sozialticket beziehen, in vielen weiteren Städten und Kreisen steht es kurz vor der Einführung. Die Unterstützung des Landes werden wir auf dem bisherigen Niveau fortführen und qualitativ weiter entwickeln. Gleichzeitig drängen wir darauf, dass der ordnungspolitisch zuständige Bund für die Mobilitätsaufwendungen der SGB IIBezieherinnen und Bezieher eine angemessene Ausgestaltung in den monatlichen Zuwendungen schafft, die die Förderung des Landes als Sachleistung ablöst. Die vom Landtag beschlossene Abschaffung der Ungleichbehandlung im Schülerverkehr zu Lasten der Teilnehmer des 2. Bildungsweges (Schokoticket) wollen wir umsetzen. Neue Finanzierungsgrundsätze für den ÖPNV Im Hinblick auf die Finanzierungsgrundlagen für Busse und Bahnen werden sich kurz- und mittelfristig entscheidende Weichenstellungen ergeben. Für die Zukunft eines guten Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) stellen der Erhalt und Ausbau der Infrastruktur sowie der demografische Wandel mit seinen Folgen insbesondere im ländlichen Raum große Herausforderungen dar, die ohne eine bedarfsgerechte Finanzierung mit Regionalisierungs- und Entflechtungsmittel nicht zu bewältigen sind. Hinzu kommt, dass die Deutsche Bahn die Trassen- und Stationspreise in den letzten Jahren so drastisch erhöht hat, dass diese Kostensteigerungen kaum noch aufzufangen sind. Hierzu werden wir gegenüber dem Bund die Rücknahme der Kürzungen der Regionalisierungsmittel sowie zumindest eine Dynamisierung in Höhe von 2,5 Prozent einfordern. Wir wollen landesseitig unter Berücksichtigung der Kostensteigerungen bei Energie-, Personal-, Trassen- und Stationspreisen eine tragfähige finanzielle Mindestausstattung sicherstellen. Mit einem neuen ÖPNV-Gesetz werden wir die Finanzierung des ÖPNV in NRW transparenter und effizienter aufstellen. Das schließt die bedarfsgerechte Verteilung der Regionalisierungsmittel und die Verbesserung der Steuerungsmöglichkeiten des Landes ein. Außerdem werden wir darauf achten, dass der Übergang zwischen den einzelnen Verbundräumen mit einem Ticket möglich ist und die Ausschreibungen verbundraumübergreifender Linien insbesondere in Vorbereitung auf den RRX wirtschaftlich und einheitlich gestaltet wird. 101 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 4379 4380 4381 4382 4383 4384 4385 4386 4387 4388 4389 4390 4391 4392 4393 4394 4395 4396 4397 4398 4399 4400 4401 4402 4403 4404 4405 4406 4407 4408 4409 4410 4411 4412 4413 4414 4415 4416 4417 4418 4419 4420 4421 Hierbei sollen auch Vorschläge zur Beseitigung der unübersichtlichen Tarifvielfalt im ÖPNV und für die Weiterentwicklung zu einem echten, landesweiten Verbundtarif sowie zur Verbesserung der Fahrgastrechte entwickelt werden. Darüber hinaus wollen wir die barrierefreie und -arme Umgestaltung der Bus- und Straßenbahnhaltestellen erreichen und klimafreundliche Elektromobilität bei Bussen und Bahnen durch Innovationen in diesem Bereich fördern. Das Personenbeförderungsgesetz muss rechtssicher an die neue EU-Verordnung für den ÖPNV angepasst werden. Das Land wird sich im Bundesrat für eine europarechtskonforme und kommunalfreundliche Anpassung des Gesetzes einsetzen. Wir erwarten vom Bund einen Gesetzesvorschlag, der den kommunalen Gestaltungsanspruch im ÖPNV mit der unternehmerischen Initiative zur Erbringung der Verkehrsleistung verbindet. Für zukunftsfähigen und nachhaltigen Güterverkehr Angesichts der Wachstumsprognosen für den Gütertransport auf der Straße droht unser Land im Dauerstau zu ersticken. Insbesondere der Hinterlandverkehr durch die Überseehäfen Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen stellt eine besondere Herausforderung dar. Die Anwohnerinnen und Anwohner entlang unserer Autobahnen und der Güterkorridore auf der Schiene sind vor diesem Hintergrund besonderen Belastungen beim Lärm und bei Luftschadstoffen ausgesetzt. Beim Bau der Betuwe-Linie werden wir darauf achten, dass der Bund und die DB AG ihre Ankündigung wahr machen und ein Pilotprojekt für den Einsatz innovativer Lärmschutztechnik umsetzen. Hierzu werden wir die Initiative für eine vertragliche Zusage und Finanzierung ergreifen und auf eine Erhöhung der Lärmschutzmittel der DB und den verstärkten Einsatz lärmarmer Bremsen und Güterwaggons dringen. Wir werden bei unserer Zusage bleiben, die Kommunen von ihrem Anteil der Kosten für die Beseitigung von schienengleichen Bahnübergängen beim Bau des dritten Gleises auf der Betuwe-Strecke zwischen Emmerich und Oberhausen freizustellen. Bei der Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans setzen wir uns für eine weitere Verlagerung von Gütertransporten auf die Schiene ein. Das Schienennetz soll lärmarm ausgebaut werden, damit mehr Container auf der Schiene statt auf der Straße transportiert werden können. Wir wollen die LKW-Maut weiter entwickeln und in einem ersten Schritt die Erhebung auf LKW ab 7,5t ausweiten. Die Kostenberechnung für die LKW-Maut muss umgehend an die heutigen Erkenntnisse der immensen Erhaltungsaufwendungen im Bereich der Autobahnen und ihrer Brücken angepasst werden, für deren Verschleiß die LKW-Belastung die Hauptursache ist. Mittelfristig auch die externen Kosten in die 102 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 4422 4423 4424 4425 4426 4427 4428 4429 4430 4431 4432 4433 4434 4435 4436 4437 4438 4439 4440 4441 4442 4443 4444 4445 4446 4447 4448 4449 4450 4451 4452 4453 4454 4455 4456 4457 4458 4459 4460 4461 4462 4463 4464 4465 Berechnung der LKW-Mautsätze einfließen, weil nur so die großen Herausforderungen beim Ausbau der Schieneninfrastruktur finanzierbar sein werden. Wir werden außerdem Initiativen der Kommunen unterstützen, den Mautausweichverkehr durch Einbeziehung betroffener Straßen in die Mauterhebung oder durch den Erlass von straßenverkehrsrechtlichen Fahrbeschränkungen zurückzudrängen. Die bundesseitigen Pläne zur Ausweitung der LKW-Maut auf nachgeordneten Straßen werden wir unterstützen. Den bundesweiten Modellversuch mit Riesen-LKW lehnen wir weiter ab. Wir werden eine Binnenschifffahrtsinitiative starten. Im Güterverkehrskonzept des Landes werden wir aufzeigen, wie die Binnenschifffahrt gestärkt und eine stärkere Verlagerung von Gütertransporten auf Binnenschiffe gelingen kann, damit die zu erwartenden Containerverkehrszuwächse nach dem Bau der „Maasflaakte II“ in Rotterdam leistungsfähig und möglichst umweltverträglich bewältigt werden. Maßnahmen wie die Vertiefung der Fahrrinne des Rheins bis nach Köln, der Ausbau des Kanalnetzes für moderne Motorschiffe mit einer mehrlagigen Containerbeladung, die Optimierung der Zulassung, Verkehrssteuerung und Abgaben sowie ein abgestimmtes Ausbaukonzept für die Binnenhäfen in NRW stehen für uns im Vordergrund. Dazu gehört für uns auch deren Anbindung an das übergeordnete Straßen- und Schienennetz. Voraussetzung für eine leistungsfähige Binnenschifffahrt in NRW ist für uns der Verbleib der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) des Bundes in unserem Land, mit einer Zuständigkeit auch für den Rhein, die der Bedeutung des Binnenschifffahrtslandes NRW entspricht. Eine weitere Privatisierung von hoheitlichen Aufgaben, insbesondere von Sicherheitsmaßnahmen an externe Dienstleister im Wege der Fremdvergabe lehnen wir ab. Insgesamt werden wir uns gegenüber dem Bund und der EU dafür einsetzen, dass verstärkt die transeuropäischen Netze vom Zentrum in die Peripherie geplant, realisiert und prioritär finanziert werden. Die Auflösung der Engpässe rund um die Produktionszentren Europas und der Häfen muss gerade für verantwortungsvolle Klima- und Verkehrspolitik Vorrang haben. Nichtmotorisierte Nahmobilität ist Zukunftsaufgabe für Land und Städte Verkehr ist heute schon vernetzt und wird es in Zukunft immer mehr sein müssen. Deshalb wollen wir ein Mobilitätsmanagement genauso wie Verleihsysteme für Fahrräder und PKW fördern. Das Straßen- Wegegesetz des Landes werden wir mit Blick auf Radschnellwege und die Förderung von Car-Sharing-Plätzen modernisieren. 103 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 4466 4467 4468 4469 4470 4471 4472 4473 4474 4475 4476 4477 4478 4479 4480 4481 4482 4483 4484 4485 4486 4487 4488 4489 4490 4491 4492 4493 4494 4495 4496 4497 4498 4499 4500 4501 4502 4503 4504 4505 4506 4507 4508 4509 4510 Unsere Kommunen wollen wir bei der schwierigen Aufgabe der Instandhaltung der Infrastruktur für den öffentlichen Verkehr nach Kräften unterstützen. Sie leisten einen wichtigen Beitrag für die Aufrechterhaltung des Öffentlichen Verkehrs. Im Hinblick auf die auslaufende Zweckbindung für die GVFG-Mittel (Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz) des Bundes ab dem Jahr 2013 sowie für die Entflechtungsmittel werden wir sicherstellen, dass diese zweckgebunden für kommunale Investitionen wie bisher bestehen bleiben. NRW ist das Fahrradland Nummer eins. Diese Position und das Radwegenetz wollen wir ausbauen. Wir werden den Aktionsplan Nahmobilität umsetzen und eine nahmobilitätsorientierte Förderrichtlinie „Stadtverkehr“ entwickeln. Dazu wollen wir auch die Infrastruktur an touristischen Radrouten mit EU-Fördermitteln aus der nächsten Ziel-2-Dekade ausbauen. Wir werden die Zukunftspotenziale des Radverkehrs durch die Elektromobilität für die Regionen in unserem Land erschließen und den Bau von Radschnellwegen wie beispielsweise den Radschnellweg Ruhr unterstützen und uns dafür einsetzen, dass der Bund die Investitionsförderung übernimmt. Das Programm "Radstationen" soll gerade vor dem Hintergrund der wachsenden E-Mobilität an den Schnittstellen zum Öffentlichen Nah- und Fernverkehr ausgebaut werden. Nordrhein-Westfalen braucht sichere Fuß- und Radwege, damit auch jedes Kind sicher zu Schule gehen kann. Wir wollen alle Primarschulen davon überzeugen, an der Aktion „Zu Fuß zur Schule“ teilzunehmen. Verkehr muss sicher sein – auch zu Fuß und mit dem Rad. Die „Vision Zero – Null Verkehrstote“ bleibt für uns handlungsorientiertes Leitbild. Elektromobilität als Chance begreifen Wir werden die Elektromobilität in NRW entlang der Wertschöpfungskette und den infrastrukturellen Erfordernissen unterstützen und so den Ausbau von Elektromobilität in Verbindung mit sauberen Erneuerbaren Energien zusammen mit den Kommunen, der Wissenschaft und der Wirtschaft voranbringen. Wir wollen wichtige Schlüsselvorhaben aus den Schaufensterbewerbungen so unterstützen und begleiten, dass NRW als bundesweiter Vorreiter für E-Mobilität etabliert wird. Hierbei werden wir gleichermaßen Projekte forcieren, mit denen industriepolitische Kompetenz, Öffentlicher Verkehr mit Elektrobussen und AkkuBahnen, elektrisch unterstützte Nahmobilität mit Pedelecs und Carsharing mit E-Cars vorangetrieben werden. Wir werden dazu wichtige Schlüsselvorhaben vorliegender Konzepte zeitnah umsetzen, um bisher Erreichtes konsequent auszubauen und weitere zentrale Elemente der Elektromobilität in NRW zu verankern. 104 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 4511 4512 4513 4514 4515 4516 4517 4518 4519 4520 4521 4522 4523 4524 4525 4526 4527 4528 4529 4530 4531 4532 4533 4534 4535 4536 4537 4538 4539 4540 4541 4542 4543 4544 4545 4546 4547 4548 4549 4550 4551 4552 4553 4554 Straßeninfrastruktur: Vorrang für Investitionen in den Erhalt An die Verkehrsinfrastruktur und -organisation werden aufgrund der Bedeutung NRWs als Transitland, der intensiven wirtschaftlichen Außenverflechtung und des Verkehrs in den Ballungsräumen hohe Anforderungen gestellt. Die ausgeprägte Siedlungsdichte und die knappen Freiräume führen jedoch auch zu besonderen Problemen und Belastungen der Bevölkerung und der Umwelt durch den Verkehr. Unser Land verfügt mit den Autobahnen, Bundes- und Landesstraßen über eines der dichtesten Straßennetze. Dieses Netz, insbesondere auch die zur Sanierung anstehenden Brücken, in einem guten Zustand zu erhalten, hat für uns Priorität. In diesem Zusammenhang werden wir auch dafür Sorge tragen, dass die regionale mittelständische Bauwirtschaft von Maßnahmen im Landesstraßenerhalt profitiert. Trotz der im Wesentlichen gut ausgebauten Straßeninfrastruktur in NRW und der Begrenztheit des Systems Straße wollen wir Engpässe beseitigen. Dazu werden wir besonders die Verkehrsströme an den Autobahnkreuzen entflechten und hoch belastete und netzwichtige Autobahnabschnitte um eine Fahrtrichtungsspur und guten Lärmschutz ergänzen. Die Planungen von Projekten im Bereich der Bundesfernstraßen sind auf solche zu konzentrieren, die eine Realisierungschance in den nächsten Jahren bieten. Gleichzeitig werden wir weiterhin darauf achten, keine Bundesgelder ungenutzt zurückgeben zu müssen und werden die dafür notwendigen Planungen vorantreiben. Die von der aktuellen Bundesregierung geplante PKW-Maut bestraft die Pendlerinnen und Pendler unabhängig davon, wie verbrauchsarm ihr Fahrzeug ist. Sie wird deshalb von uns abgelehnt. Stattdessen sollte die LKW-Maut ergänzt werden, sodass auch für Landes- und Kommunalstraßen die immensen Kosten für den Verschleiß aus dem Schwerlastverkehr verursachergerecht entgolten werden. Darüber hinaus werden wir gegenüber dem Bund die intensive Prüfung alternativer Finanzierungsgrundlagen für die Verkehrsinfrastruktur anregen. Um Bauarbeiten zeitnah sicher zu ermöglichen und zugleich unvermeidbare Verkehrsbeeinträchtigungen zu minimieren, wollen wir die strategische Baustellenplanung des Landesbetriebes und das Baustellencontrolling in NordrheinWestfalen, , bedarfsgerecht fortentwickeln. Insbesondere für die in den nächsten Jahren anstehenden großen Brückensanierungen bedarf es einer frühzeitigen Abstimmung mit allen Beteiligten und einer engen Kontrolle in den Abläufen. Bei der strategischen Baustellenplanung wird die Verkehrszentrale eine wichtige Rolle spielen. Für den Aufbau der neuen Verkehrszentrale des Landes haben wir die Grundlagen gelegt, damit alle Aktivitäten des Landes beim Landesbetrieb Straßen.NRW gebündelt werden können. Auf diese Weise werden wir auch Baustellenmanagement und Verkehrssteuerung besser miteinander verzahnen und 105 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 4555 4556 4557 4558 4559 4560 4561 4562 4563 4564 4565 4566 4567 4568 4569 4570 4571 4572 4573 4574 4575 4576 4577 4578 4579 4580 4581 4582 4583 4584 4585 4586 4587 4588 4589 4590 4591 4592 4593 4594 4595 4596 4597 4598 4599 zusammen mit dem Landesbetrieb mehr dauerhafte und temporäre Nutzungen von Seitenstreifen möglich machen. Unter Berücksichtigung und Anerkennung der erbrachten erheblichen Vorleistungen des Landesbetriebs Straßen.NRW wollen wir seine Struktur hinsichtlich einer effektiveren und den Zukunftsaufgaben adäquaten Steuerung verbessern. Wir werden auch prüfen, wie wir für die politischen Gremien die Transparenz erhöhen können. Vor dem Hintergrund knapper öffentlicher Mittel wollen wir dem Erhalt der Landesstraßen weiter Vorrang vor dem Neubau einräumen. Die Landesstraßen unterliegen wegen der über viele Jahre zu geringen Aufwendungen für den Erhalt einem massiven Instandhaltungsstau, der einen immensen Finanzierungsbedarf nach sich zieht. Gleichzeitig wird auch zukünftig noch Neubau von Landesstraßen zur Beseitigung von Engpässen, Lückenschlüssen und Ortsdurchfahrten notwendig sein. Wir konzentrieren uns bei der Finanzierung der Projekte des Landesstraßenbedarfsplans auf die innerhalb der gebildeten Prioritätenliste festgelegten Projekte, weil damit die Neubaumittel für die nächsten Jahre ausgeschöpft sein werden. Unsere Kommunen wollen wir bei der schwierigen Aufgabe der Instandhaltung der kommunalen Straßen nach Kräften unterstützen. Sie unterhalten rund 77% unseres Straßennetzes. Dazu werden wir uns für den Erhalt der bundesseitigen Entflechtungsmittel in derzeitiger Höhe auch nach 2013 einsetzen und hierzu landesseitig bei der gesetzlichen Zweckbindung bleiben. Straßenlärm wirksam bekämpfen Mit der Mobilität und dem Straßenverkehr sind hohe Lärmbelastungen verbunden. Die Landesregierung hat in den letzten beiden Jahren an vielen Stellen damit begonnen, besonders laute Straßenbeläge im Rahmen anstehender Sanierungen durch lärmmindernde Beläge zu ersetzen. Gleichzeitig haben wir Modellversuche mit neuen lärmmindernden Belägen auf den Weg gebracht und werden diese, wo immer möglich, in Zukunft auch auf Brücken einsetzen. Wir werden die Ergebnisse des Modellversuchs mit Geschwindigkeitsbeschränkungen im Bereich der Bezirksregierung Arnsberg in Hinblick auf die Auswirkungen auf Sicherheit, Verkehrsflüssigkeit, Lärm und Abgasemissionen ergebnisoffen auswerten. Luftverkehr: Zukunft gestalten und Interessensausgleich herstellen 106 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 4600 4601 4602 4603 4604 4605 4606 4607 4608 4609 4610 4611 4612 4613 4614 4615 4616 4617 4618 4619 4620 4621 4622 4623 4624 4625 4626 4627 4628 4629 4630 4631 4632 4633 4634 4635 4636 4637 Neben gut ausgebauten Straßen-, Schienen- und Wasserstraßennetzen kommt in Zeiten zunehmender Globalisierung dem Luftverkehr eine hohe Bedeutung zu. In einem bevölkerungsreichen Land wie NRW verursacht dies Konflikte zwischen den berechtigten Forderungen nach Lärm- und Umweltschutz sowie den Interessen der Wirtschaft und der Fluggäste. Gleichzeitig gibt es eine große Konkurrenz der Flughäfen in NRW untereinander, zusätzlich auch die zu Flughäfen in benachbarten Bundesländern und im Ausland. Neben eigenen Initiativen setzen wir uns deshalb nicht nur für nationale, sondern auch für umfassende europaweite wettbewerbsneutrale Regelungen ein. Dem stetigen Wachstum im Luftverkehr und den Anforderungen, die Klimawandel und Lärmschutz an den Luftverkehr stellen, muss durch intelligente, klima- und anwohnerfreundliche sowie wirtschaftliche Lösungen begegnet werden. Die Bundesregierung muss ihrer Verantwortung für den Flugverkehr gerecht werden und ein nationales Luftverkehrskonzept vorlegen, das die Bedürfnisse des Landes Nordrhein-Westfalen berücksichtigt und auf dessen Basis ein Luftverkehrskonzept für NRW aufbauen kann. Klimaund Lärmschutz, langfristige wirtschaftliche Tragfähigkeit und Planungssicherheit sind die Ziele, die wir in einem solchen Nationalen Luftverkehrskonzept umgesetzt sehen wollen, mit dem die Bundesregierung die ruinösen Konkurrenzen zwischen den Flughafenstandorten eindämmen soll. Im Rahmen eines solchen Nationalen Flughafenkonzeptes wollen wir unter Beteiligung der Anliegerinnen und Anlieger, der Beschäftigten und Betreiber sowie der Airlines für NRW ein Luftverkehrskonzept 2020 erarbeiten und Klarheit für alle Betroffenen herstellen. Für den Flughafen Köln/Bonn hat die Landesregierung aus SPD und Grünen festgestellt, dass der nächtliche Frachtflug bis 2030 rechtlich gesichert ist. Gleichzeitig hat sie das Passagiernachtflugverbot auf den Weg gebracht und erwartet von der Bundesregierung die Umsetzung. Wir haben des Weiteren in einer Prüfung für den Flughafen Düsseldorf festgestellt, dass eine Rücknahme der in der Betriebsgenehmigung festgeschriebenen Eckwerte nicht mehr möglich ist. Neben diesen aktualisierenden Feststellungen bleibt es zu den einzelnen Flughäfen bei den Zielsetzungen des Koalitionsvertrages von 2010. 4638 4639 VI.Arbeit,Soziales,Integration,Inklusion 4640 4641 NRWsetztaufguteArbeitundfaireLöhne 107 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 4642 4643 4644 4645 4646 4647 4648 4649 4650 4651 4652 4653 4654 4655 4656 4657 4658 4659 4660 4661 4662 4663 4664 4665 4666 4667 4668 4669 4670 4671 4672 4673 4674 4675 4676 4677 4678 4679 4680 4681 4682 4683 4684 4685 Arbeit ist ein zentraler Schlüssel für gesellschaftliche Teilhabe. Deshalb wollen wir dazu beitragen, dass alle Frauen und Männer ein existenzsicherndes Einkommen durch Erwerbsarbeit erzielen können. Wir wollen das Prinzip 'Gute Arbeit' durchsetzen. Unser Ziel ist und bleibt die Vollbeschäftigung. Wir werden den im Ausbildungskonsens beschlossenen Weg des Umbaus des Übergangssystems Schule/Beruf konsequent weiter gehen und auf diesem Wege bis 2018 sicherstellen, dass kein junger Mensch einen "Abschluss ohne Anschluss" macht. Auf dem weiteren Weg wollen wir eine Ausbildungsgarantie für ausbildungsfähige und ausbildungswillige Jugendliche erreichen, die wir mittelfristig zu einer Ausbildungsplatzgarantie ausbauen möchten. Hier werden wir die Unternehmen und Kammern in die Pflicht nehmen. Das geschieht in ihrem eigenen Interesse. Denn künftig werden sie ansonsten ihren Fachkräftebedarf nicht mehr decken können. Den jungen Erwachsenen ohne Ausbildung wollen wir durch geeignete Unterstützungsmaßnahmen des Landes eine Ausbildungs- und Berufsperspektive eröffnen. Das Land und seine landeseigenen Betriebe müssen bei der Ausbildung ihrer Vorbildfunktion gerecht werden. Dies betrifft sowohl die eigenen Ausbildungsmöglichkeiten wie auch die grundsätzliche Möglichkeit für alle Kommunen in Nordrhein-Westfalen, selbst auszubilden. Dies gilt auch für Kommunen in Haushaltsnotlagen. Wir wollen die politischen Rahmensetzungen, die prekäre Arbeitsverhältnisse und den Niedriglohnsektor befördert haben, verändern. Sie waren ein politischer Irrweg wie die konkreten Erfahrungen zeigen. Die Ordnung auf dem Arbeitsmarkt muss gerecht, existenzsichernd, fair und so gestaltet sein, dass sie den heutigen Anforderungen im wirtschaftlichen Wettbewerb gerecht wird und den Aufstieg möglich macht. Deswegen setzen wir uns für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 8,50 € ein, für dessen Ausgestaltung und kontinuierliche Anpassung eine unabhängige Kommission zuständig ist. Davon würden allein in Nordrhein-Westfalen eine Millionen Menschen profitieren. Wir würden auf diese Weise effektiv die Altersarmut bekämpfen. Die öffentlichen Kassen in Nordrhein-Westfalen würden zudem um gut eine Milliarde entlastet, weil keine staatlichen Transferleistungen mehr nötig wären, um die Existenz der Menschen zu sichern. Wir wollen neuen Regeln gegen den Missbrauch in der Leih- und Zeitarbeit. Dabei muss wie überall gleicher Lohn für gleiche Arbeit ohne Tarifvorbehalt gelten. Wir werden zudem weitere Initiativen unternehmen, damit reguläre Arbeitsverhältnisse nicht durch Leiharbeitsverhältnisse ersetzt werden. 108 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 4686 4687 4688 4689 4690 4691 4692 4693 4694 4695 4696 4697 4698 4699 4700 4701 4702 4703 4704 4705 4706 4707 4708 4709 4710 4711 4712 4713 4714 4715 4716 4717 4718 4719 4720 4721 4722 4723 4724 4725 4726 4727 4728 "Wir werden uns auf Bundesebene dafür einsetzen, dass befristete Beschäftigungsverhältnisse, Werkverträge und Praktika stärker als bisher reglementiert werden. So sollte, außer bei Existenzgründungen, die sachgrundlose Befristung abgeschafft werden, um den berechtigten Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gerecht zu werden. Minijobs dürfen einen Umfang von 12 Stunden in der Woche nicht überschreiten." Wir wollen den gravierenden Benachteiligungen von Frauen am Arbeitsmarkt entgegen treten und setzen uns insbesondere für gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit ein. Es sind weitere Regelungen mit konkreten Verfahren und Sanktionen notwendig, um Entgeltdiskriminierung von Frauen zu beenden. Der öffentliche Dienst muss mit gutem Beispiel vorangehen. Deshalb wollen wir die Eignung des Instruments "eg-check-Verfahren“ (Entgeltgleichheits-Check) zur Ermittlung von Entgeltdiskriminierung im öffentlichen Dienst prüfen. Gemeinsam mit Betriebsparteien, Gewerkschaften, Verbänden und Einzelpersönlichkeiten werden wir eine Landesinitiative "Faire Arbeit - fairer Wettbewerb" starten, die zunächst folgende Kernelemente umfasst: Verbesserung der Arbeitsbedingungen geringfügig Beschäftigter, faire Gestaltung von Leih- und Zeitarbeit, Sicherung auskömmlicher Löhne. Wir werden uns für den Arbeitnehmerdatenschutz einsetzen. Wir wollen die regionalen Arbeitsmarktstrukturen revitalisieren. Die Kenntnisse und Erfahrungen lokaler arbeitsmarktpolitischer Akteurinnen und Akteure einzubeziehen ist ebenso grundlegend wie die Instrumente der Arbeits- und Ausbildungspolitik mit regionalen Entwicklungsstrategien abzustimmen. Dies gewährleistet eine effiziente Umsetzung und konsistente Weiterentwicklung der Landesarbeits- und Ausbildungspolitik. Die erfolgreich gestartete Fachkräfteinitiative in den 16 Regionen unseres Landes ist ein gutes Beispiel für die Revitalisierung regionalisierter Arbeitsmarktpolitik. Wir werden sie bis zum Ende der Legislaturperiode fortsetzen. Dabei setzen wir insbesondere auf das große vorhandene Potenzial in den Betrieben und den Menschen, die in den Beruf streben. Ausgehend von konkreten Bedarfen in den Branchen, Betrieben und Regionen, die in regional erarbeiteten Handlungskonzepten beschrieben sind, werden wir alle tragfähigen Vorhaben zur Entwicklung und Sicherung qualifizierter Fachkräfte unterstützen. Beschäftigungsfähigkeit kann nur durch gesunde, humane Arbeitsbedingungen gesichert werden. Darauf werden wir den Gesundheits- und Arbeitsschutz in NRW stärker konzentrieren. 109 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 4729 4730 4731 4732 4733 4734 4735 4736 4737 4738 4739 4740 4741 4742 4743 4744 4745 4746 4747 4748 4749 4750 4751 4752 4753 4754 4755 4756 4757 4758 4759 4760 4761 4762 4763 4764 4765 4766 4767 4768 4769 4770 4771 Gemeinsam mit Sozialpartnern und Sozialversicherungen werden wir das Programm "Arbeit gestalten - NRW" auflegen und umsetzen, dass sich schwerpunktmäßig mit der Gestaltung von betrieblichen Handlungsfeldern auf folgenden Gebieten befasst: alternde Belegschaften, gesundheitsgerechte Arbeitsbedingungen, Umgang mit Vielfalt und Unterschiedlichkeit in den Belegschaften. Dies gilt insbesondere für psychische Erkrankungen, die zu hohen Ausfallzeiten führen und der häufigste Grund für Frühverrentungen sind. Wir wollen daher in Kooperation mit interessierten Unternehmen oder Unternehmensverbänden eine auf Selbsthilfegruppen gestützte Präventionsoffensive starten. Dabei gilt es einerseits zu untersuchen, was die Beschäftigten am Arbeitsplatz belastet, um Konzepte zu entwickeln wie menschlicher und intelligenter gearbeitet werden kann und andererseits innerbetriebliche Beratungs- und Krisenhilfe aufzubauen. Die bestehende Deckelung des Rehabilitations-Budgets nach § 220 Abs. 1 SGB VI seit 1997 ist aufzuheben und dem tatsächlichen Bedarf anzupassen. Der Rechtsanspruch nach dem SGB IX auf Leistungen zur Teilhabe der Versicherten muss zwingend erfüllt werden. Der Grundsatz „Reha vor Rente“, die Tendenzen zur Verdichtung der Arbeit, zunehmende belastende Arbeitsbedingungen, bedingt ein höheres Budget für Rehabilitation, um frühzeitig drohende Leistungsminderung, Erkrankung, Behinderung und Erwerbsminderung zu verhindern. Wir werden den einheitlichen Arbeitsschutz wiederherstellen. Der einheitliche Arbeitsschutz umfasst dabei das Aufgabenspektrum des technischen und betrieblichen Arbeitsschutzes, denn beides kann nicht unabhängig voneinander gedacht werden. Daher muss er auch in der Organisation in der Verwaltung deutlich zu erkennen und abzugrenzen sein. Die Zahl der Stellen für das Fachpersonal muss auskömmlich sein und vom zuständigen Fachressort fachlich verwaltet werden. Wir wollen den Zugang zum Arbeitsmarkt für besonders benachteiligte Personengruppen erheblich verbessern. Insbesondere haben wir dabei Menschen mit Migrationsgeschichte, Alleinerziehende sowie Berufsrückkehrerinnen und rückkehrer, ältere Menschen, Menschen mit Behinderung sowie junge Menschen ohne Schulabschluss im Blick. Zu ihrer Unterstützung werden wir die Arbeitsmarktaktivitäten der Grundsicherungsträger mit Landesfördermitteln ergänzen und Mittel aus dem europäischen Sozialfonds (ESF-Mittel) einsetzen. Chancengleichheit, Armutsbekämpfung, Nachhaltigkeit und Erhöhung der Frauenerwerbstätigkeit müssen Zielperspektiven auch in der künftigen Förderperiode des ESF sein. Die Ausrichtung des Europäischen Sozialfonds (ESF) sollte so ausgestaltet werden, dass sichergestellt wird, dass eine sozialraumorientierte und vernetzte 110 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 4772 4773 4774 4775 4776 4777 4778 4779 4780 4781 4782 4783 4784 4785 4786 4787 4788 4789 4790 4791 4792 4793 4794 4795 4796 4797 4798 4799 4800 4801 4802 4803 4804 4805 4806 4807 4808 4809 4810 4811 4812 4813 4814 Arbeitsmarktpolitik weiter entwickelt, ausgebaut und mit den integrierten Entwicklungskonzepten der Kommunen auf Quartiersebene koordiniert werden kann. Aus- und Weiterbildung sind zudem verstärkt in den Mittelpunkt zu stellen, um Langzeitarbeitslosigkeit frühzeitig und nachhaltig zu verhindern und auch eine nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt zu begleiten. Dies geschieht unter Einbindung der regionalen Arbeitsmarktakteure. Für Menschen mit mehreren Vermittlungshemmnissen, die mittelfristig keine Chance zur Integration in den ersten Arbeitsmarkt haben und die früher durch die Jobperspektive unterstützt wurden, wollen wir dauerhafte Beschäftigung in einem öffentlich geschaffenen Sektor ermöglichen. Deshalb setzen wir auf Bundesebene auf den Ausbau der bisherigen Möglichkeiten sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung, statt auf Begrenzung. Wir brauchen ein breites Spektrum von dauerhafter Beschäftigungsförderung. Dabei werden wir auch die Erfahrungen aus den Modellen der Sozialen Wirtschaftsbetriebe, der Dienstleistungspools und der Integrationsunternehmen berücksichtigen. Durch die Intensivierung und Ausweitung der öffentlich geförderten Beschäftigung werden wir in Modellprojekten praktisch nachweisen, dass „Arbeit statt Arbeitslosigkeit“ sowohl erfolgreich machbar als auch finanzierbar ist, wenn passive Transferleistungen in aktive und individuell angepasste Förderwege umgewandelt werden. Arbeitgeber im privat-gewerblichen Bereich, Sozialbetriebe, die freie Wohlfahrtspflege, Integrationsunternehmen, Kommunale Spitzenverbände und Behörden, Verbände, Gewerkschaften und Kammern sind Partner bei der Integration von Menschen durch öffentlich-geförderte Arbeit. Es erfolgt keine Beschränkung auf gemeinnützige und zusätzliche Beschäftigungsfelder. Dieses Konzept eines Sozialen Arbeitsmarktes werden wir auf Bundesebene vorantreiben. Wir werden uns dafür einsetzen, dass der Bund entsprechende Mittel bereitstellt und Wege für eine ausreichende und nachhaltige Finanzierung eröffnet. Maßstab für uns sind die individuellen Möglichkeiten, aber auch die Fähigkeiten, Neigungen und Lebenslagen der Betroffenen. Wir wollen Defizite ausgleichen sowie Chancen und Perspektive schaffen. Wir wollen die berufliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung verbessern und dazu beitragen, dass die Anforderungen der UN-Behindertenrechts-konvention und hierbei das Recht auf selbstbestimmte Teilhabe am Arbeitsleben verwirklicht wird. Wir werden darauf hinwirken, dass die berufliche Teilhabe von Frauen mit Behinderung in Beruf und Ausbildung deutlich verbessert und die Angebote zur beruflichen Teilhabe und Rehabilitation weiter auf die Bedarfe von Frauen mit Behinderung ausgerichtet wird. 111 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 4815 4816 4817 4818 4819 4820 4821 4822 4823 4824 4825 4826 4827 4828 4829 4830 4831 4832 4833 4834 4835 4836 4837 4838 4839 4840 4841 4842 4843 4844 4845 4846 4847 4848 4849 4850 4851 4852 4853 4854 4855 4856 4857 4858 Die Integrationsunternehmen möchten wir gemeinsam mit den Landschaftsverbänden weiter ausbauen. Die Schaffung von alternativen, inklusiven Arbeitsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung außerhalb von 'Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) mit dem Ziel der sozialversicherungspflichtigen, tariflich entlohnten und dauerhaften Beschäftigung wollen wir unterstützen. Wir werden uns dafür einsetzen, dass zur Schaffung von Alternativen zur WfbM ein leistungsträgerübergreifendes Budget für Arbeit zur Förderung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse ermöglicht wird, an dem sich die Landschaftsverbände mit Mitteln der Eingliederungshilfe (alternativ zur Finanzierung eines WfbM-Platzes) und der Ausgleichsabgabe und/oder die Arbeitsagenturen und Jobcenter auf der Basis ihres jeweiligen gesetzlichen Auftrages beteiligen, damit die erforderliche Unterstützung für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerin, Arbeitgeber und die Arbeitgeberin sowie ein angemessener Nachteilsausgleich finanziert werden kann. Wir werden uns dafür einsetzen, dass das Land den Dialog zwischen den beteiligten Leistungsträgern mit dem Ziel der Konsensbildung initiiert. Auf Bundesebene werden wir uns für entsprechende gesetzliche Veränderungen einsetzen. Wir wollen die Schaffung von zusätzlichen Außenarbeitsplätzen für WfbMBeschäftigte fördern, um auf diesem Wege dem Menschen mit Behinderung den Schritt weg von der WfbM hin zu einer regulären Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erleichtern und gleichzeitig Arbeitgeber, insbesondere öffentliche, zu ermutigen, Menschen mit Behinderung einzustellen. Wir erwarten, dass die beiden Landschaftsverbände als zuständige Leistungsträger Menschen mit Behinderung auch bei anderen, alternativen Anbietern eine Beschäftigung ermöglichen, wenn sie die gleiche Unterstützung und Förderung anbieten wie eine WfbM. Wir werden uns auf Bundesebene dafür einsetzen, dass das Sozialgesetzbuch dahingehend geändert wird, damit diese alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten den gleichen Renten- und Krankenversicherungsschutz bieten wie eine Tätigkeit in einer WfbM. Soziale Bürgerrechte sichern Um die sozialen Bürgerrechte von erwerbslosen Menschen zu stärken, wollen wir die trägerunabhängige qualitätsgesicherte Erwerbslosenberatung und die Arbeitslosenzentren weiter fördern. Zusätzlich werden wir uns für unabhängige Ombudsstellen in den Grundsicherungsstellen einsetzen und das Widerspruchsrecht der Betroffenen stärken. Die Arbeitsmarktpolitik des Bundes schränkt Förderung ein und weitet Sanktionen aus. Wir fordern den Bund zu einem grundsätzlichen Paradigmenwechsel in der Arbeitsmarktpolitik auf. Ohne diese sind unsere landespolitischen Ziele nicht umfassend umsetzbar. Die Arbeitslosenversicherung muss das vorrangige Sicherungssystem bei Erwerbslosigkeit sein, die Grundsicherung das nachrangige. 112 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 4859 4860 4861 4862 4863 4864 4865 4866 4867 4868 4869 4870 4871 4872 4873 4874 4875 4876 4877 4878 4879 4880 4881 4882 4883 4884 4885 4886 4887 4888 4889 4890 4891 4892 4893 4894 4895 4896 4897 4898 4899 4900 4901 4902 Auch dafür bedarf es eines Politikwechsels auf der Bundesebene. Armut vermeiden und bekämpfen Armut muss über alle Lebenslagen hinweg entgegengewirkt werden. Wir werden in NRW die Armutsprävention ausbauen und die Entwicklung von Präventionsketten unterstützen, mit denen die unterschiedlichen Zielgruppen erreicht, Hilfen insbesondere im Lebens- und Sozialraum der Menschen angeboten und die unterschiedlichen altersbedingten Lebenslagen berücksichtigt werden. Die SGB II- und SGB XII- Regelsätze müssen so ausgestaltet werden, dass sie dem sozialstaatlichen Gebot der Deckung des sozio-kulturellen Existenzminimums für ein menschenwürdiges Leben Rechnung tragen. Deshalb werden wir auf Bundesebene bedarfsdeckende und armutsbekämpfende Regelsätze einfordern. Wir wollen, dass durch eine frühzeitige, vorbeugende Unterstützung das Wohlergehen und die Lebensperspektiven von Kindern und Jugendlichen stabilisiert und wo nötig verbessert werden. Deshalb unterstützen und fördern wir den präventiven Ansatz, bei dem Handlungsstrategien und Lösungsansätze möglichst entlang der Biografie von Kindern und Jugendlichen - von der Geburt an bis zum erfolgreichen Berufseinstieg - entwickelt werden. Wir wollen den Runden Tisch „Hilfe für Kinder in Not“ unter der Federführung der obersten Landesjugendbehörde als Plattform für den Austausch der zuständigen Sozialakteurinnen und Sozialakteure sowie von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren weiterentwickeln. Das von der Bundesregierung durchgesetzte Bildungs- und Teilhabepaket für Kinder und Jugendliche aus Familien mit geringem Einkommen ist gescheitert, weil es bei diesen Familien nicht ankommt. Dies weiterzuentwickeln und unbürokratischer zu gestalten, ist Aufgabe der Sozialpolitik. Ziel muss eine qualitativ hochwertige und damit auch nachhaltig wirkende Infrastruktur sein, die Bildung und Teilhabe von benachteiligten Kindern und Jugendlichen befördert. Wir wollen mit dem Härtefallfonds „Alle Kinder essen mit“ auch weiterhin diejenigen Kinder und Jugendlichen in Kinderbetreuung und Schulen finanziell unterstützen, die an einer gemeinsamen Mittagsverpflegung teilnehmen wollen, aber trotz bestehender Bedürftigkeit keine Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabepaket erhalten. Unser Ziel ist es auch weiterhin, dass der Bund über eine Reform des Asylbewerberleistungsgesetzes noch mehr finanzielle Verantwortung für die betroffenen Kinder übernimmt. 113 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 4903 4904 4905 4906 4907 4908 4909 4910 4911 4912 4913 4914 4915 4916 4917 4918 4919 4920 4921 4922 4923 4924 4925 4926 4927 4928 4929 4930 4931 4932 4933 4934 4935 4936 4937 4938 4939 4940 4941 4942 4943 4944 4945 Kinderarmut lässt sich am besten durch ein existenzsicherndes und auskömmliches Einkommen der Eltern verhindern. Deswegen fordern wie die Einführung von Mindeststandards auf dem Arbeitsmarkt. Dazu gehören auch Entscheidungen, wie z.B. einen flächendeckenden Mindestlohn in Höhe von 8,50 EUR, die Eindämmung von Leih- und Zeitarbeit, die Durchsetzung des Prinzips gleicher Lohn für gleiche Arbeit oder ein sozialer Arbeitsmarkt für arbeitsmarktferne Menschen. Es gehört aber auch dazu, dass die Kürzungen der Eingliederungsmittel für Langzeitarbeitslose wieder zurückgenommen werden, um die Chancen für eine Arbeitsmarktintegration zu erhöhen; zudem sind die Regelbedarfe nach dem SGB II richtig zu bemessen. Sie müssen existenzsichernd sein und gleichberechtigte soziale Teilhabe ermöglichen. Dass das Bundesverfassungsgericht erneut ein Urteil zu den Regelsätzen fällen muss, bestätigt uns in dieser Auffassung. Auf Bundesebene werden wir uns weiterhin dafür einsetzen, dass Frauen und Männer, die sich in Bezug von Leistungen nach den Sozialgesetzbüchern SGB II, SGB XII und AsylbLG befinden, einen kostenlosen Zugang zu Verhütungsmitteln erhalten. Um Altersarmut zu vermeiden, wollen wir junge Menschen in Ausbildung und gute Arbeit bringen. Wir werden uns auf der Bundesebene dafür einsetzen, dass wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung von Altersarmut ergriffen werden. Wir wollen das Aktionsprogramm „Obdachlosigkeit verhindern“ fortführen und gendersensibel ausgestalten. Präventive Ansätze sollen verstärkt, neue Angebote entwickelt sowie der Austausch zwischen den Trägern gefördert werden. Die Armutsund Reichtumsberichterstattung werden wir fortführen. Armutsbekämpfung ist eine Querschnittsaufgabe aller Ressorts. Wir wollen auch in Zukunft eine kontinuierliche Sozialberichterstattung im Lande fortsetzen und einen strategischen Sozialplanungsprozess auf kommunaler Ebene weiterentwickeln und fördern. Eine präventiv ausgerichtete Sozialpolitik benötigt eine belastbare Datenund Informationsbasis, um gesellschaftliche Problem- und Lebenslagen frühzeitig identifizieren zu können. Eine strategisch ausgerichtete kommunale Sozialplanung kann sozialräumlichen Polarisierungs- und Segregationsprozessen entgegenwirken und die soziale Lage der Bevölkerung verbessern sowie längerfristig die finanziellen Gestaltungsmöglichkeiten von Kommunen und Kreisen verbessern. Wir werden deshalb ein dialogorientiertes Netzwerk zur "Strategischen Sozialplanung" aufbauen. Die Bekämpfung von Armut und die Förderung der sozialen Eingliederung müssen stärker noch als bisher in den Fokus des Europäischen Sozialfonds gestellt werden. Mit der EUROPA 2020 Strategie ist die Armutsbekämpfung zu einem der Schwerpunkte geworden und wurde auch in den Europäischen Sozialfonds (ESF) als 114 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 4946 4947 4948 4949 eigenständiges Ziel aufgenommen. Das eröffnet neue und integrierte Strategien für den ESF-Einsatz. Diese werden wir auch für NRW nutzen. 4950 4951 4952 4953 4954 4955 4956 4957 4958 4959 4960 4961 4962 4963 4964 4965 4966 4967 4968 4969 4970 4971 4972 4973 4974 4975 4976 4977 4978 4979 4980 4981 4982 4983 4984 4985 4986 4987 4988 IntegrationinNRWerfolgreichgestalten Nordrhein-Westfalen ist wie kein anderes Land von Einwanderung geprägt. Wir begreifen das als Stärke unseres Landes und wollen – möglichst im Konsens mit den anderen demokratischen Parteien – die Integrationspolitik der vergangenen Jahrzehnte weiterentwickeln. Eine aktive Integrationspolitik ist unverzichtbar für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Deshalb wollen wir sie zu einer modernen Einwanderungspolitik weiterentwickeln und dazu all unsere Aktivitäten und Kräfte in den Bereichen Integrationspolitik, Einwanderungspolitik, gesellschaftliche Prävention von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit bündeln. Erfolgreiche Integration setzt voraus, dass Einwanderinnen und Einwanderer Chancen zur Teilhabe in der Gesellschaft erhalten und nutzen. Wir wollen, dass die Eingewanderten und ihre Kinder so früh und so umfassend wie möglich ihre Kompetenzen und Potenziale in Bildung, Ausbildung und Beruf entfalten können. Darüber hinaus werden wir im Land Nordrhein-Westfalen und auf der Bundesebene aktiv darauf hinwirken, dass die rechtliche und politische Teilhabe von Einwanderinnen und Einwanderern verbessert wird. Dazu gehören die Modernisierung des Wahl- und des Staatsangehörigkeitsrechts. In diesem Sinne werden wir uns für das Kommunalwahlrecht auch für Nicht-EU-Bürgerinnen und Bürger sowie für die erweiterte Hinnahme von Mehrstaatigkeit einsetzen. Außerdem wollen wir erreichen, dass junge Menschen nicht mehr gezwungen werden, sich für eine Staatsangehörigkeit zu entscheiden, wenn sie volljährig werden (Abschaffung des Optionszwangs). Aktiver Einsatz für Integration hat in Nordrhein-Westfalen eine lange und gute Tradition. Bürgergruppen, Kirchengemeinden, Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften und Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber haben in einer großen Zahl von Initiativen und Projekten dazu beigetragen, dass Integration in unserem Land weitestgehend gelingt. In den letzten Jahren haben verstärkt auch Migrantenselbstorganisationen dazu beigetragen. Nicht zuletzt hat die im fraktionsübergreifenden Konsens entstandene Integrationsoffensive Nordrhein-Westfalen dazu geführt, dass sich in Nordrhein-Westfalen eine vielfältige und leistungsfähige Integrationspraxis entwickelt hat. Deutschland hat es lange versäumt, die Integration von Eingewanderten systematisch zu unterstützen. Deshalb haben wir ein Gesetz zur Förderung der 115 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 4989 4990 4991 4992 4993 4994 4995 4996 4997 4998 4999 5000 5001 5002 5003 5004 5005 5006 5007 5008 5009 5010 5011 5012 5013 5014 5015 5016 5017 5018 5019 5020 5021 5022 5023 5024 5025 5026 5027 5028 5029 5030 5031 5032 gesellschaftlichen Teilhabe und Integration in Nordrhein-Westfalen verabschiedet, das nun mit Leben gefüllt werden muss: Wir werden leistungsfähige Integrationsstrukturen in unserem Lande schaffen. Dabei sind die kommunale Ebene und die Selbstorganisationen der Menschen mit Migrationshintergrund wichtig, weil sie am nächsten an den Menschen sind.. Deswegen werden wir ein flächendeckendes Netz von kommunalen Integrationszentren und Integrationsagenturen knüpfen, vor allem auch mit Blick auf Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund, und die Handlungsmöglichkeiten der Migranten-Selbstorganisationen stärken. Die im Gesetz vorgenommene Stärkung des Landesintegrationsrates wollen wir durch eine Ausweitung der Rechte der kommunalen Integrationsräte bzw. – ausschüsse in der Gemeindeordnung konsequent ergänzen. Wir wollen im Rahmen einer Staatsangehörigkeitskampagne aktiv um die Menschen werben, die die Voraussetzungen für die Einbürgerung erfüllen. Darüber hinaus werden wir die landesrechtlichen Möglichkeiten voll ausschöpfen, um mehr Einbürgerungen, insbesondere für die ersten Generationen der Einwanderinnen und Einwanderer, zu ermöglichen. Auf der Bundesebene werden wir uns für Erleichterungen bei der Einbürgerung einsetzen, indem wir uns z.B. dafür aussprechen, die Fristen verkürzen, das Niveau der Sprachtests abzusenken (bzw. ab dem 54. Lebensjahr ganz auf Sprachtests zu verzichten) sowie Einbürgerungstests abzuschaffen und durch ein Seminar zur Staatsbürgerkunde zu ersetzen. Der Fachkräftemangel in der Wirtschaft sollte neben allen anderen Maßnahmen auch durch mehr Neuzuwanderung bekämpft werden. Auch der Familiennachzug besonders von Ehegatten muss wieder erleichtert werden, Wir werden den öffentlichen Dienst weiter für Menschen mit Migrationshintergrund öffnen, ihren Anteil an der Gesamtbeschäftigtenzahl erhöhen und anonymisierte Bewerbungsverfahren, die frei von Diskriminierung sind, durchführen. Damit wollen wir auch Vorbild für private Unternehmen werden. Über den Weg der Zielvereinbarung mit den Jobcentern wollen wir das Ziel der nachhaltigen und existenzsichernden Integration von Menschen mit Migrationshintergrund verbindlich festschreiben. Dazu gehört auch, dass Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in Kombination mit sprachlicher Qualifizierung mit Berufsbezug angeboten werden. Außerdem werden wir das Gesetz zur Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen zeitnah umsetzen. Das dazugehörige Landesgesetz für landesrechtlich geregelte Berufe werden wir ebenfalls schnellstmöglich verabschieden. Dabei wollen wir innovativere Verfahren zur Kompetenzfeststellung gegenüber dem Bundesgesetz 116 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 5033 5034 5035 5036 5037 5038 5039 5040 5041 5042 5043 5044 5045 5046 5047 5048 5049 5050 5051 erproben. und eine entsprechende Beratungsstruktur für Fragestellungen zur Anerkennung ausbauen. Wir erwarten vom Bund die Einhaltung seiner Zusagen zur Finanzierung von Anpassungsqualifikationen. Dies gilt nicht nur für Transferleistungsbezieherinnen und -bezieher, sondern auch für diejenigen, die weit unterhalb ihrer Qualifikation arbeiten müssen und die aus der Familienphase in den Arbeitsmarkt streben. Eine landesweite Kampagne für Vielfalt und gegen Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt soll diese Maßnahmen unterstützen 5052 5053 5054 5055 5056 5057 5058 5059 5060 5061 5062 5063 5064 5065 5066 5067 5068 5069 5070 5071 5072 5073 5074 5075 5076 5077 5078 NRWschütztMenschenvorVerfolgungundinNot Wir wollen gemeinsam mit dem Zentrum für Türkeistudien und Integration mögliche rechtliche und strukturelle Diskriminierung auf Landesebene identifizieren und darauf aufbauend Maßnahmen einleiten. Ein besonderes Augenmerk ist auf die Armuts-Zuwanderung von Menschen aus Südosteuropa zu richten. Die Kommunen, die Ziel dieser Zuwanderung sind, bedürfen besonderer Unterstützung. Integrationsmaßnahmen müssen von Bemühungen vor allem der gesundheitsdienstlichen Versorgung dieser Menschen begleitet werden. Die bestehende Altfallregelung für langjährig geduldete und integrierte Flüchtlinge konnte das Problem der so genannten Kettenduldungen nicht nachhaltig lösen. Daher wird sich NRW im Bundesrat und in der Innenministerkonferenz weiterhin für eine wirksame gesetzliche Bleiberechtsregelung ohne Stichtag und mit abgesenkten Anforderungen an die Lebensunterhaltsicherung einsetzen. Das Fehlverhalten einzelner Familienmitglieder darf aufenthaltsrechtlich nicht der übrigen Familie angelastet lastet werden. Für Alte, Kranke und Traumatisierte muss eine an humanitären Kriterien ausgerichtete Regelung geschaffen werden. Wir wollen darüber hinaus – unterbesonderer Berücksichtigung integrationspolitischer und humanitärer Gesichtspunkte - die landesrechtlichen Spielräume nutzen, damit die Betroffenen von der bestehenden Rechtslage profitieren können. § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz ist im Sinne der Betroffenen und im Einklang mit der Rechtsprechung anzuwenden. Wir begrüßen, dass die Bundesregierung die Vorbehaltserklärung zur UN Kinderrechtskonvention zurückgenommen und das Zusatzprotokoll unterzeichnet hat. Damit wird dem besonderen Schutz minderjähriger Flüchtlinge Rechnung getragen. Dies wollen wir bei der Unterbringung und Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge in NRW weiterhin umsetzen. Die unabhängige Arbeit des Flüchtlingsrates NRW, der die ehrenamtliche Arbeit für Flüchtlinge in unserem Land vernetzt und unterstützt, wollen wir weiter fördern. Auch eine qualitativ und quantitativ soziale Beratung und Betreuung werden wir bedarfsgerecht fördern. 117 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 5079 5080 5081 5082 5083 5084 5085 5086 5087 5088 5089 5090 5091 5092 5093 5094 5095 5096 5097 5098 5099 5100 5101 5102 5103 5104 5105 5106 5107 5108 5109 5110 5111 5112 5113 5114 5115 5116 5117 5118 5119 Wir wollen, dass humanitäre Hilfe für "Menschen ohne Papiere" nicht kriminalisiert wird. Daher setzen wir uns auf Bundesebene für eine entsprechende Änderung des Aufenthaltsgesetzes ein. 5120 5121 5122 5123 AufdemWegzueineminklusivenNRW NRW wird sich auf Bundesebene für die Abschaffung des Asylbewerberleistungs-gesetzes unter Wahrung der Kostenneutralität für Kommunen und Land einsetzen. Auf Landesebene werden wir alle rechtlichen Möglichkeiten nutzen, damit Asylbewerberinnen und –bewerber nach Beendigung der Verpflichtung, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, die ihnen zustehenden Leistungen grundsätzlich in Geldleistung erhalten und so eine einheitliche Anwendung des Gesetzes in NRW erfolgt. Abschiebehaft kann in einem Rechtsstaat nur Ultima Ratio sein und soll soweit als möglich vermieden werden. Das Land ist zuständig für den Vollzug und wir wollen, dass die Haftbedingungen so human wie möglich ausgestaltet werden. Für Minderjährige müssen die Vorgaben der EU-Rückführungsrichtlinie und der UN - Kinderrechtskonvention Beachtung finden, das heißt es müssen altersgerechte Freizeitbeschäftigungen und Erholungsmöglichkeiten gewährleistet und der Zugang zu Bildung ermöglicht werden. Unbegleitete Minderjährige müssen so weit wie möglich in Einrichtungen untergebracht sein, die personell und materiell ihre altersgemäßen Bedürfnisse berücksichtigen. Im Bundesrat wird sich NRW für eine Abschaffung des Flughafenverfahrens nach § 18a Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) und bis dahin für eine Aussetzung dieser Praxis in Düsseldorf einsetzen. NRW begrüßt die bundesweite dauerhafte Aufnahme von jährlich mindestens 300 Flüchtlingen im Rahmen des Resettlementverfahrens des UNHCR. Dies ist uns jedoch nicht weitreichend genug, denn die Flüchtlinge konnten bisher nur mit hohen bürokratischen Hürden aufgenommen werden. Deshalb setzen wir uns für eine humanitäre zügige Verständigung zwischen Bund und Ländern ein. Mit Blick auf die Zukunft muss eine europäische Gesamtkonzeption für die Lösung der humanitären Frage der Flüchtlingspolitik gefunden werden. Wir erneuern unsere Forderung an den Bund, weitere iranische Flüchtlinge aus der Türkei aufzunehmen. Für die Angehörigen von Minderheiten im Kosovo sind die wirtschaftliche und soziale Lage sowie deren Integrationschancen immer noch schwierig. Vor diesem Hintergrund wollen wir geplanten Rückführungsmaßnahmen der Ausländerbehörden unter dem Aspekt des Schutzes von Familien und alleinreisenden Frauen überprüfen. Ziel ist es, besondere Härten im Rahmen der landesrechtlichen Spielräume zu verhindern. Mit einer Fachveranstaltung der Koalitionsfraktionen wollen wir uns ein umfassendes Bild von der Situation vor Ort verschaffen. Rückführungen im Winter werden wir an den Ergebnissen der Fachveranstaltung ausrichten. Inklusion bedeutet Wertschätzung von Vielfalt. Es ist normal, verschieden zu sein. Eine inklusive Gesellschaft sieht alle Menschen als individuell, besonders und 118 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 5124 5125 5126 5127 5128 5129 5130 5131 5132 5133 5134 5135 5136 5137 5138 5139 5140 5141 5142 5143 5144 5145 5146 5147 5148 5149 5150 5151 5152 5153 5154 5155 5156 5157 5158 5159 5160 5161 5162 5163 5164 5165 5166 gleichberechtigt an, unabhängig von Herkunft, Alter, Weltanschauung oder Behinderung. Inklusionspolitik für Menschen die behindert werden, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe von hoher Bedeutung, die alle Lebensbereiche und Lebensphasen mit umfasst. Zentraler Ausgangspunkt und Maßstab für unsere Politik ist dabei die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen. Wir richten unsere Politik deswegen auch auf alle Menschen aus, die von der UNBehindertenrechtskonvention erfasst sind. Also alle Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben und damit in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in all seinen Facetten gehindert werden. Dazu gehören auch alle alten und kranken Menschen, die erst im oder durch das Alter mir Einschränkungen leben müssen. Inklusion bedeutet für uns, gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit Behinderung durchzusetzen: Menschen, die behindert werden, müssen Rechte und Ansprüche auf Hilfsmittel haben; die Gesellschaft muss den Bedürfnissen aller Menschen gerecht werden, ohne dass es noch besonderer Anpassungen bedarf. Dazu muss sich unsere Gesellschaft erst zu einer „barrierefreien Gesellschaft“ wandeln, denn sie ist noch immer in zu vielen Bereichen in erster Linie auf die Bedürfnisse von Menschen ohne Behinderung zugeschnitten. Das Fachwissen der Expertinnen und Experten in eigener Sache ist für die Aufstellung und Gestaltung unseres Aktionsplans und unserer Maßnahmen unverzichtbar. Die Umsetzung unseres Aktionsplans muss dem Grundsatz der Behindertenrechtskonvention folgen: „Nichts über uns ohne uns! Barrierefreiheit umfasst nicht nur bauliche Maßnahmen, sondern auch den vollen Zugang zur sozialen und wirtschaftlichen Umwelt, also gleichberechtigte Teilhabe an Bildung, Arbeit, Kultur, Sport, Zugang zu Medien und Kommunikationswegen und vieles mehr. Sie bedeutet aber auch Barrierefreiheit im Denken von allen beteiligten Akteuren und Gesellschaftsgruppen. Die großen Aufgaben und Herausforderungen einer inklusiven Gesellschaft wollen wir umgehend mit unserem Aktionsplan „Eine Gesellschaft für alle – NRW inklusiv“ angehen. Eine inklusive Gesellschaft - Bewusstseinsbildung und Beteiligung von Menschen mit Behinderung 119 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 5167 5168 5169 5170 5171 5172 5173 5174 5175 5176 5177 5178 5179 5180 5181 5182 5183 5184 5185 5186 5187 5188 5189 5190 5191 5192 5193 5194 5195 5196 5197 5198 5199 5200 5201 5202 5203 5204 5205 5206 5207 5208 5209 Wir wollen eine neue Kultur inklusiven Denkens und Handelns zur Stärkung des gesellschaftlichen Bewusstseins und eines disability mainstreamings aufbauen. Dazu beteiligen wir alle Akteure, insbesondere die kommunale Familie, die Organisationen und Verbände der Menschen mit Behinderung, d.h. auch der älteren und alten Menschen, und alle Ressorts der Landesregierung unter Federführung des für Inklusion zuständigen Ministeriums an der Umsetzung, Überprüfung und Weiterentwicklung des Aktionsplans in einem Inklusionsbeirat. Begleitende Gremien sollen, wenn möglich, bezogen auf alle Interessengruppen jeweils geschlechterparitätisch besetzt werden. Wir werden Aus- und Weiterbildungsangebote zur Stärkung des inklusiven Bewusstseins bei den Beschäftigten innerhalb und außerhalb der Landesregierung fördern. Wir wollen den Grundsatz verwirklichen, Sondereinrichtungen für Menschen, die behindert werden, weitestgehend zu vermeiden bzw. bestehende umzuwandeln mit dem Ziel, mehr Möglichkeiten zur gleichberechtigten Teilhabe in allen gesellschaftlichen Institutionen zu eröffnen. Wir wollen in einem inklusiven Gemeinwesen Menschen mit Behinderung keinen Lebensweg vorgeben, sondern Selbstbestimmung und individuelle Wahlmöglichkeiten eröffnen. Dazu gehört auch einer gendersensible Assistenz. Wir werden alle landesrechtlichen Regelungen dahingehend prüfen, ob sie dem Ziel der Inklusion nicht entgegenstehen. Das Ziel der Inklusion, gleichberechtigte Teilhabe und Selbstbestimmung, ist gerade in unserer Politik für ältere Menschen ein integraler Bestandteil. Wir werden ihm vor allem bei der Reform des Wohn- und Teilhabegesetzes (WTG) und des Landespflegegesetzes (LPfLG) noch stärker als bisher Geltung verschaffen. Und wir werden die Bundesregierung bei der Entwicklung von Initiativen und Maßnahmen zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention auf Bundesebene konstruktiv kritisch begleiten. Rechte von Menschen mit Behinderung stärken Damit Menschen mit Behinderung ihre Rechte wahrnehmen können, wollen wir dafür sorgen, dass sie Beratung in Anspruch nehmen können. Hierzu sollen u.a. die „Kompetenzzentren Selbstbestimmt Leben“ als Anlaufstellen für Menschen mit Behinderung weiter ausgebaut werden. Ferner soll in Zusammenarbeit mit den beiden Landschaftsverbänden sowie der Freien Wohlfahrtspflege eine möglichst landesweit einheitliche anbieterübergreifende und leistungsträgerunabhängige Beratungsstruktur entwickelt und mit den Quartiersstrukturen vernetzt werden. Darüber hinaus wollen wir die Inanspruchnahme des leistungsträgerübergreifenden persönlichen Budgets gemäß § 17 SGB IX stärken. 120 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 5210 5211 5212 5213 5214 5215 5216 5217 5218 5219 5220 5221 5222 5223 5224 5225 5226 5227 5228 5229 5230 5231 5232 5233 5234 5235 5236 5237 5238 5239 5240 5241 5242 5243 5244 5245 5246 5247 5248 5249 5250 5251 Für die Umsetzung der UN-Konvention hat die Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung eine zentrale Schlüsselfunktion. Die beiden Landschaftsverbände haben hierzu beachtenswert Schritte eingeleitet und gemeinsam mit den Verbänden der Wohlfahrtspflege bundesweit wegweisende Vereinbarungen geschlossen. Mit einer landesgesetzlichen Regelung wollen wir sicherstellen, dass die Landschaftsverbände gemeinsam mit dem Land, den Kommunen, den Verbänden der Menschen mit Behinderung und den Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege einheitliche Vorgehensweisen entwickeln, die eine gemeinsam getragene zielgerichtete Politik zugunsten der Weiterentwicklung der Inklusion und Gewährleistung gleichberechtigter Teilhabe behinderter Menschen sicherstellt. 5252 5253 Die Kooperation der Landschaftsverbände, der Kommunen und der Träger von Diensten und Einrichtungen der Behindertenhilfe werden wir hierzu verbessern. Alle zuständigen Leistungsträger sind gefordert, ihre Leistungen in diesem Sinne weiterzuentwickeln und zu vernetzen. Für uns gilt dabei der Grundsatz: Ungeklärte Zuständigkeiten der Sozialleistungsträger dürfen nicht zu Lasten der Betroffenen gehen. Hierzu gehört auch eine deutliche Qualitätsverbesserung der Instrumente des SGB IX. Wir werden hierzu auf Bundesebene aktiv. Außerdem fordern wir vom Bund das Recht für Menschen mit Behinderung ein, alle Leistungen der Sozialgesetzbücher gleichberechtigt in Anspruch nehmen zu können. Wir setzen uns für die Einführung eines eigenständigen Bundesleistungsrechtes für Menschen mit Behinderung ein, das den Behinderungsbegriff der UNBehindertenrechtskonvention zugrunde zu legt. Hierzu werden wir die Initiative im Bundesrat ergreifen, Damit soll u.a. auch die Eingliederungshilfe als ausschließlich kommunal finanzierte „Fürsorgeleistung“ abgelöst werden. Früh und konsequent fördern: Eine erfolgreiche Inklusionskette schaffen Frühe Förderung verbessert die Lebensqualität, vergrößert die individuellen Chancen im Inklusionsprozess und verringert in den meisten Fällen öffentliche Kosten für spätere Unterstützungsleistungen. "Kein Kind zurückzulassen", das gilt deshalb vor allem auch für Kinder mit Behinderung im Vorschulalter und Kinder, die von Behinderung bedroht sind. Wir haben in der letzten Legislaturperiode die langjährige Forderung nach Evaluation der vorhandenen Frühförderstellen in den Kommunen eingeleitet. Diese Ergebnisse sind Grundlage weiteren Handelns. Dabei werden wir die Kooperation aller Leistungsanbieter mit dem Ziel befördern: zuständigen Rehabilitationsträger einheitliche Standards zur Dauer und zu den Inhalten von Diagnostik und Fördereinheiten in der "Komplexleistung Frühförderung" festzulegen, 121 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 5254 5255 5256 5257 5258 5259 5260 5261 5262 5263 5264 5265 5266 5267 5268 5269 5270 5271 5272 5273 5274 5275 5276 5277 5278 5279 5280 5281 5282 5283 5284 5285 5286 5287 5288 5289 5290 5291 5292 5293 5294 5295 5296 5297 Anforderungen an die Qualifikation der Fachkräfte und an das Leistungsentgelt zu definieren und eine Schiedsstellenlösung als verbindlichen Konfliktlösungsmechanismus einzurichten. Vor allem für betroffene Eltern wird damit die Sicherheit einer landesweit einheitliche Unterstützungs- und Förderstruktur geschaffen. Inklusion in der Kita Kein Kind mit Behinderung soll Ausgrenzung erfahren müssen. Vielmehr sollen von Anfang an Kinder mit und ohne Behinderung zusammen in den Kindergarten gehen. Der Auftrag der UN- Behindertenrechtskonvention gilt in vollem Umfang auch in der frühkindlichen Bildung. Wir wollen mit den weiteren Stufen der Revision ein bedarfsgerechtes Angebot an erforderlichen heilpädagogischen Maßnahmen in den Kindertageseinrichtungen sorgen. Inklusive Schulen Wir wollen so schnell wie möglich den Rechtsanspruch auf den Besuch einer allgemeinen Schule umsetzen. Inklusion ist eine Aufgabe, die sich für alle Schulen und Schulformen stellt. Wir wollen, dass Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderung gemeinsam lernen. Die Schulen werden wir durch Fortbildung und zusätzliches Personal unterstützen. Der Prozess wird schrittweise zielgerichtet und verlässlich gestaltet. Der inklusive Arbeitsmarkt Menschen mit Behinderung haben vielfältiges Potenzial. Arbeit ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes Leben, für gesellschaftliche Teilhabe und die Verhinderung von Altersarmut. Arbeit bedeutet unmittelbar Einkommen und damit die existenzielle Grundlage für die Verwirklichung von Lebensplanungen und gesellschaftlicher Anerkennung, für die Sicherung von Lebensstandards und Handlungsspielräumen. "Menschen mit Behinderung haben das gleiche Recht auf Arbeit und die Möglichkeit, in einem offenen, integrativen und zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld den Lebensunterhalt zu verdienen". NRW bekennt sich zu diesem Programmsatz der UNKonvention. In NRW sind in der Vergangenheit große Erfolge erzielt worden. Dieser Weg wird fortgesetzt. Gemeinsam mit den beiden Landschaftsverbänden wird ein 122 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 5298 5299 5300 5301 5302 5303 5304 5305 5306 5307 5308 5309 5310 5311 5312 5313 5314 5315 5316 5317 5318 5319 5320 5321 5322 5323 5324 5325 5326 5327 5328 5329 5330 5331 5332 5333 5334 5335 5336 5337 5338 5339 5340 5341 NRW-Budget für Arbeit entwickelt, um wesentlich mehr behinderten Menschen der Weg in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu ebnen. Deswegen werden wir die Integrationsunternehmen weiter ausbauen, in denen 25 – 50 % der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen Menschen mit einer Behinderung sind. Darüber hinaus werden wir das Leistungsangebot der Werkstätten für Menschen mit Behinderung noch stärker auf die Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausrichten und Beschäftigungsalternativen für Mitarbeiter der Werkstätten für Menschen mit Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt fördern. Selbstbestimmtes Wohnen Menschenwürde ist in jeder Lebensphase zu wahren. Wir werden dafür eintreten, dass alle Menschen mit Behinderung sowie mit Unterstützungs- und Pflegebedarf selbstbestimmt leben können. Wir wollen deshalb bessere Rahmenbedingungen für ein selbstbestimmtes Wohnen schaffen. Der Kostenvorbehalt im SGB XII ist mit den Vorgaben der UN-BRK nicht vereinbar und muss bei der notwendigen Reform des SGB XII auf Bundesebene bzw. mit Einführung eines eigenständigen Bundesleistungsrechts aufgehoben werden. Die Landschaftsverbände sollen auch in Zukunft für alle stationären wie ambulanten Leistungen der Eingliederungshilfe im Bereich Wohnen zuständig bleiben. Dies werden wir in einem Ausführungsgesetz regeln. Dabei ist in Kooperation mit den kommunalen Spitzenverbänden eine Zuständigkeitsregelung zu finden, die „Hilfen aus einer Hand“ auch für die komplementären Unterstützungsformen im Sozialraum berücksichtigt. Personenzentrierung und Umbau der Versorgungsangebote weg von Wohnheimen hin zu selbstbestimmten Wohnformen mit der Möglichkeit der ambulanten Unterstützung sollen in NRW im Mittelpunkt der Weiterentwicklung der Leistungen der Eingliederungshilfen zum Wohnen stehen. Dabei wollen wir auch, dass das unterstützte selbständige Wohnen auch für Menschen mit intensivem und vielfältigem Unterstützungsbedarf weiterentwickelt und ausgebaut wird. Menschen mit Behinderung sollen selbst bestimmen können, wo sie wohnen und mit wem sie wohnen. Deswegen werden wir durch die Bereitstellung von Mitteln der sozialen Wohnraumförderung kontinuierlich das Angebot, der für Menschen mit Behinderung geeignet und bezahlbar ist, erweitern und verbessern. Das Programm der NRW.Bank zum Abbau von Barrieren werden wir fortsetzen. Zudem ist ein auskömmliches Angebot von haushaltsnahen Dienstleistungen erforderlich. Deshalb wollen wir landespolitisch die Rahmenbedingungen für Dienstleistungspools auf der kommunalen Ebene mit sozialversicherungspflichtig 123 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 5342 5343 5344 5345 5346 5347 Beschäftigten schaffen, damit ortsnah ein bedarfsgerechtes und für die Haushalte erschwingliches Dienstleistungsangebot entstehen kann. Darüber hinaus wollen wir eine Bundesratsinitiative zur steuerlichen Gleichstellung von haushaltsnahen Dienstleistungen mit ambulanten Pflegedienstleistungen ergreifen. 5348 VII. Familie,Jugend,Generationen,Sport 5349 5350 5351 5352 5353 5354 5355 5356 5357 5358 5359 5360 5361 5362 5363 5364 5365 5366 5367 5368 5369 5370 5371 5372 5373 5374 5375 5376 5377 5378 5379 5380 5381 5382 5383 FamilieninNRW „Familie“ im 21. Jahrhundert hat sich gewandelt und versteht sich heute als der Ort, wo Menschen unterschiedlicher Generationen füreinander Verantwortung übernehmen. Ihr Engagement ist unverzichtbar für ein gelingendes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen. Den sich verändernden Lebensrealitäten der Familien und den vielfältigen Herausforderungen, vor denen sie stehen, werden wir Rechnung tragen. Die Stärkung der Familien ist uns ein wichtiges Anliegen. Daher werden wir Initiativen zur Weiterentwicklung familienpolitischer Ansätze auf Landesebene ergreifen. Wir erkennen das Bedürfnis von Familien an, die verschiedenen Lebensbereiche in Einklang bringen zu wollen. Wir werden deshalb die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern, partnerschaftliche Familienmodelle unterstützen, eine aktive Vaterschaft stärken und für mehr Zeitsouveränität von Familien eintreten. Wir tun dieses gemeinsam mit Kommunen, Verbänden der Wirtschaft sowie Sozial- und Familienverbänden und sichern dabei die Beteiligung von Eltern, Kindern und Jugendlichen. Wir werden einen „Familienbericht Nordrhein-Westfalen“ erstellen. Neben der Erhebung von Daten und Fakten wollen wir daraus vor allem auch Handlungsoptionen für eine moderne Familienpolitik entwickeln. Uns geht es darum, dass die Anliegen von Familien bei wirtschaftlichen und politischen Vorhaben regelmäßig berücksichtigt werden. Das gilt für die Sozial- und Gesellschaftspolitik ebenso wie in der Wohnungsbaupolitik, in der Verkehrspolitik und besonders im Bildungsbereich. Wir wollen, dass die Belange von Familien hier von Beginn an berücksichtigt werden. Oberste Priorität hat für uns auch hier der Leitsatz: „Wir wollen kein Kind zurücklassen.“ Für eine Umsteuerung familienpolitischer Leistungen Wir setzen uns für eine zukunftsorientierte Umsteuerung familienpolitischer Leistungen ein. Es ist nicht hinnehmbar, dass von der Bundesebene nahezu 200 124 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 5384 5385 5386 5387 5388 5389 5390 5391 5392 5393 5394 5395 5396 5397 5398 5399 5400 5401 5402 5403 5404 5405 5406 5407 5408 5409 5410 5411 5412 5413 5414 5415 5416 5417 5418 5419 5420 5421 5422 5423 5424 5425 5426 5427 Mrd. Euro jährlich in die Familien fließen und dennoch viele Familien arm sind. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die vorhandenen Leistungen zu einem gerechten Familienleistungssystem neu gestaltet und ausgebaut werden. Es soll vor allem drei Ziele erfüllt: Materielle Absicherung und Teilhabe von Kindern und Familien, bezahlbare haushaltsnahe Dienstleistungen für Familien und die Förderung des partnerschaftlichen Familienmodells. Auch das geplante Betreuungsgeld erfüllt diese Forderung nicht, da es am Bedarf der Familien nach verlässlicher Kinderbetreuung vorbeigeht. Es ist bildungspolitisch kontraproduktiv, da es einen Anreiz setzt, um Kindern eine wichtige Förderung vorzuenthalten. Dies ist mit einer konsequenten Präventionsstrategie unvereinbar. Außerdem ist das Betreuungsgeld sozial ungerecht, da es Eltern, die auf Arbeitslosengeld II angewiesen sind und sich dadurch in einer wirtschaftlich besonders schwierigen Lage befinden, nach dem Willen der Bundesregierung nicht zu Gute kommen soll. Das Betreuungsgeld verfestigt damit die Armut in vielen jungen Familien. Daher lehnen wir es ab und werden als Land alle Möglichkeiten nutzen, um es wieder abzuschaffen. Wir setzen uns auch dafür ein, dass das Elterngeld nicht mehr wie bisher auf das Arbeitslosengeld II angerechnet wird. Es ist nicht hinnehmbar, dass gerade die Familien bei dieser Leistung leer ausgehen, die sich unter besonders schwierigen Bedingungen für ein Kind entscheiden. Den Wunsch von immer mehr Familien nach einem partnerschaftlichen Familienmodell nehmen wir ernst. Die notwendigen Rahmenbedingungen, um diesen Wunsch auch umzusetzen, müssen wir schrittweise schaffen. Es muss sichergestellt werden, dass Eltern, die sich Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit während der Elternzeit partnerschaftlich teilen, indem sie beide Teilzeit arbeiten, beim Elterngeld nicht benachteiligt werden. Stärkung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf Wir setzen uns für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein. Das ist der Wunsch der meisten Familien und es entspricht auch dem wachsenden Fachkräftebedarf in der Wirtschaft. Wir wollen eng mit Arbeitgebern, Gewerkschaften, Betriebsräten, Verbänden und anderen Akteuren zusammenarbeiten, um gute Ansätze für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbreitern. Dazu werden wir die bestehende Aktionsplattform „Familie@Beruf“ weiterentwickeln. Die Bundesregierung stellt in ihrem 8. Familienbericht, der sich dem Thema „Zeit“ widmet, fest, dass das Arbeitsrecht eine strukturelle „Blindheit“ gegenüber Familien hat. Wir wollen, dass dieser richtigen Erkenntnis auch Taten folgen und werden deshalb in einer Bundesratsinitiative Vorschläge für familienfreundliche Arbeitszeitregelungen im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz und im Teilzeit- und 125 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 5428 5429 5430 5431 5432 5433 5434 5435 5436 5437 5438 5439 5440 5441 5442 5443 5444 5445 5446 5447 5448 5449 5450 5451 5452 5453 5454 5455 5456 5457 5458 5459 5460 5461 Befristungsgesetz unterbreiten. Dabei geht es uns darum, dass Eltern mehr Einfluss auf die Ausgestaltung ihrer Arbeitsbedingungen haben, wie Arbeitszeit und Arbeitsort. Ebenso wollen wir erreichen, dass Teilzeitstellen nicht zur Sackgasse werden. So werden wir uns dafür einsetzen, dass Teilzeitmodelle an Lebensphasen orientiert werden und es ein Rückkehrrecht auf Vollzeit gibt. 5462 5463 5464 5465 5466 5467 5468 5469 5470 Jugendpolitik:EineigenständigesPolitikfeld Stärkung der Erziehungskompetenz vortreiben Bildung und Erziehung von Kindern erfordert erhebliche Anstrengungen. Wir wollen daher die Unterstützung für Familien bei der Bewältigung dieser Aufgaben weiter ausbauen und den Zugang zu Information und Beratung erleichtern. Dazu gehört es, Angebote in Stadtteile zu bringen und dort anzusiedeln, wo Familien ihren Lebensmittelpunkt haben. Deshalb wollen wir die Familienbildung und Familienberatung in den Familienzentren stärken und verlässlich fördern. Wir wollen Eltern in ihrer Verantwortung für die Entwicklung ihrer Kinder spürbar unterstützen. Deshalb wollen wir das gebührenfreie Angebot der Familienbildung „Elternstart NRW“, das 2012 für Mütter und Väter von Kindern bis zu einem Jahr eingeführt wurde, fortführen. Neujustierung in der Schwangerschaftsberatung Wir werden die Förderung der Schwangerenberatung neu justieren und die gesetzliche Förderung des Landes sachgerechter als bisher verteilen. Deshalb streben wir eine Novellierung des Ausführungsgesetzes zum Schwangerschaftskonfliktgesetz an, nach der die Verteilung der Förderung auch an der Nachfrage der Beratungs- und Präventionsangebote der Beratungsstellen ausgerichtet wird. Dabei sollen die Aufgaben nach den Paragrafen 2 und 5 SchwG einbezogen werden. Damit wollen wir die bisherige Regelung, die eine schematische gleichhohe Förderung alter Trägergruppen vorsieht, ablösen. Wir wollen den Weg fortsetzen, Jugendpolitik zu einem eigenständigen Politikfeld der Landespolitik zu machen. Durch gezielte Förderung wollen wir erreichen, dass alle Kinder und Jugendlichen im Land ihre individuellen Möglichkeiten und Begabungen entfalten können. Wichtig ist uns dabei, dass Kinder und Jugendliche sich selbst stärker in die Ausgestaltung der Angebote der Jugendarbeit einbringen können. Hierfür stärken wir gemeinsam mit den Einrichtungen und Organisationen der Jugendarbeit Beteiligungsmöglichkeiten Dabei soll mit Blick auf die Jugendarbeit 126 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 5471 5472 5473 5474 5475 5476 5477 5478 5479 5480 5481 5482 5483 5484 5485 5486 5487 5488 5489 5490 5491 5492 5493 5494 5495 5496 5497 5498 5499 5500 5501 5502 5503 5504 5505 5506 5507 5508 5509 5510 5511 5512 5513 5514 insgesamt sichergestellt werden, dass möglichst alle Jugendliche unabhängig von Geschlecht, sexueller Identität oder Orientierung, ethnischer Herkunft, Beeinträchtigungen und Behinderung Zugang zu Angeboten erhalten. Gerade benachteiligte Jugendliche wollen wir besser fördern. Kinder- und Jugendarbeit ist ein Feld zur Selbstentfaltung und Persönlichkeitsbildung junger Menschen. Es handelt sich um einen Bildungsbereich, der in vielfältiger Weise nonformale und informelle Bildungsprozesse ermöglicht. Dies wollen wir stärken und zugleich eine noch bessere Verknüpfung mit dem Lern- und Lebensort Schule sicherstellen. Daher muss die Kooperation von Jugendhilfe und Schule unter Beachtung des eigenständigen Charakters von Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit weiter verbessert werden. Der Entwicklung kommunaler Bildungslandschaften kommt dabei eine besondere Rolle zu. Darüber hinaus ist es von großer Bedeutung, dass Kinder und Jugendliche auch unter den Bedingungen eines Ausbaus der Ganztagsschulen weiterhin über die notwendige Zeit für Engagement und selbstbestimmte Freizeit verfügen. Hierüber werden wir einen breiten gesellschaftlichen Dialog anregen. Das zentrale Instrument unserer Jugendpolitik in NRW ist der von uns aufgestockte Kinder- und Jugendförderplan, den wir im bisherigen Fördervolumen fortschreiben werden. Die darin enthaltenen Schwerpunktsetzungen auf Bildung, Prävention, die Bekämpfung sozialer Benachteiligung sowie Integration und Inklusion werden wir beibehalten. Jahresübergreifende Förderungen sind zu erleichtern. Wir wollen auch die geschlechtersensible Jugendarbeit fortsetzen und weiter stärken. Die Jugendeinrichtungen von und für Jugendliche mit LSBTTI-Identität werden wir gezielt und verlässlich ergänzend fördern. Um insgesamt Bildung und gesellschaftliche Teilhabe von benachteiligten jungen Menschen zu verbessern, werden wir darauf hinwirken, dass die Angebote der Jugendsozialarbeit noch besser mit den Angeboten anderer Hilfesysteme und den Schulen zusammenwirken. Besonders die Gruppe junger Volljähriger aus benachteiligten Milieus wollen wir aufgrund der bestehenden Schnittstellenproblematik stärker in den Blickpunkt nehmen. Jugendarbeit lebt vom ehrenamtlichen Engagement, das wir weiter fördern und unterstützen wollen. Bei der Umsetzung des Bundeskinderschutzgesetzes ist darauf zu achten, dass dieses Engagement in der Jugendarbeit nicht beeinträchtigt wird. Eine Kultur des Hinsehens und freiwillige Selbstverpflichtungen in der Jugendarbeit und im Sport leisten einen wichtigen Beitrag zum Kinder- und Jugendschutz. Freiwilligendienste eröffnen jungen Menschen die Chance persönlicher und beruflicher Orientierung. Sie ermöglichen neue Lernerfahrungen und vermitteln wichtige fachliche, soziale und interkulturelle Fähigkeiten. Daher werden wir das 127 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 5515 5516 5517 5518 5519 5520 5521 5522 5523 5524 5525 5526 5527 5528 5529 5530 5531 5532 5533 5534 5535 Freiwillige Soziale Jahr sowie andere Freiwilligendienste unterstützen und das Freiwillige Ökologische Jahr ausbauen. 5536 5537 5538 5539 5540 5541 5542 5543 5544 5545 5546 5547 5548 5549 5550 5551 5552 5553 5554 5555 5556 5557 Zivilgesellschaftliches und Bürgerschaftliches Engagement in Nordrhein‐ Westfalenstärken Das Kinder- und Jugendförderungsgesetz fordert die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen in politische Entscheidungsprozesse auf allen Ebenen. Eine Servicestelle Jugendbeteiligung kann helfen, Initiativen zu unterstützen, die das Ziel der Ausweitung und Verbesserung der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen auf kommunaler Ebene haben. Darüber hinaus werden wir die Wirksamkeit der vorhandenen Beteiligungsmodelle prüfen. Die Rechte von Kindern und Jugendlichen wollen wir stärken. Das kann durch eine Ausweitung von Teilhabemöglichkeiten erreicht werden. Ansätze wie z.B., die Einrichtung eines unabhängigen Beschwerdemanagement in der Kinder- und Jugendhilfe (Ombudsstellen) können ein wichtiger Beitrag dazu sein. Hier werden wir Unterstützungsmöglichkeiten prüfen. Wer junge Menschen für Politik und wichtige Zukunftsfragen interessieren und ihnen Verantwortung übertragen will, muss sie daran beteiligen. Junge Menschen ab 16 Jahren sollen bei den Landtagswahlen mitwählen können. Denn wer reif genug für die Kommunalwahlen ist, ist es auch für die Landtagswahlen. Hunderttausende Menschen aller Altersklassen engagieren sich in NRW ehrenamtlich. Sie bilden ein starkes Fundament für viele Bereiche der Sozial-, Jugend- und Familienarbeit, im Sport, in der Kultur und in unseren Vereinen. Diese Begeisterung und dieses gesellschaftliche Verantwortungsbewusstsein wollen wir erhalten und nach Möglichkeit weiter ausbauen. Denn eine lebendige Zivilgesellschaft stärkt die Demokratie und den solidarischen Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Gesellschaftliches Engagement zeigt sich in vielen Formen: vom klassischen Ehrenamt, langfristig und in festen organisatorischen Strukturen, bis hin zu projektgebundenen oder losen Organisationsformen, von der Nachbarschaftshilfe über Selbst- und Fremdhilfe, dem Einsatz in gemeinnützigen Organisationen, Bürgerinitiativen und politischer Partizipation. Auch Unternehmen sind hier gefordert, zivilgesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen und beispielsweise ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Raum für Engagement zu geben. Dieses unterschiedliche und vielfältige Engagement lässt sich weder verordnen noch gezielt steuern. Aber es kann und sollte durch den Staat gefördert und unterstützt werden. 128 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 5558 5559 5560 5561 5562 5563 5564 5565 5566 5567 5568 5569 5570 5571 5572 5573 5574 5575 5576 5577 5578 5579 5580 5581 5582 5583 5584 5585 5586 5587 5588 5589 5590 5591 5592 5593 5594 5595 5596 5597 5598 5599 Die bestehenden und sehr erfolgreichen Instrumente wie der Engagementnachweis NRW, die Unfall- und Haftpflichtversicherung für Ehrenamtliche in NRW, das Informationsportal „engagiert-in-nrw“ und die Ehrenamtskarte NRW werden wir fortführen. Ein besonderes Anliegen sind uns Aktivitäten zur Stärkung des Engagements von jungen Menschen. Ihr Engagement ist seit einigen Jahren rückläufig, diesem Trend wollen wir entgegen wirken. Möglichkeiten hierzu bestehen z.B. in Verbänden, im Freiwilligen Sozialen Jahr und im Freiwilligen Ökologisches Jahr. Auch das Soziale Jahr in der Kultur gehört dazu. Mit dem Bundesfreiwilligendienst ist eine zusätzliche Möglichkeit für junge und ältere Menschen entstanden, generationenübergreifend freiwilliges Engagement wahrzunehmen. Für uns dienen solche Jahre der Bildung, fördern die persönliche Weiterentwicklung und die Bereitschaft zur Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung. Sie dürfen nicht als Instrument des Arbeitsmarktes missbraucht werden. Die Bereitschaft gerade älterer Menschen, sich für die Gesellschaft zu engagieren, ist unverzichtbar, um lebendige und zukunftsfähige Quartiere zu gestalten. Aufgabe des Landes wird es sein, die Kommunen bei der Förderung bürgerschaftlichen Engagements durch landesweit wirksame Strukturen der Koordination und Qualifikation zu unterstützen. Die Leistungen der engagierten Bürgerinnen und Bürger für das Wohl unserer Gesellschaft verdienen Wertschätzung. Wir setzen uns weiterhin für eine Kultur der öffentlichen Anerkennung ein und wollen unter anderem durch Veranstaltungen auf die Bedeutung zivilgesellschaftlichen und bürgerschaftlichen Engagements aufmerksam machen. Wir werden zur Verleihung eines Engagementpreises NRW ein Konzept der Landesregierung erstellen, das die Vielfalt des Engagements berücksichtigt. Im Rahmen der Engagementkampagne möchten wir mit gutem Bespiel vorangehen und uns im Sinne des Corporate Volunteering regelmäßig in gemeinnützigen Einrichtungen engagieren. Ein entsprechendes Corporate Volunteering-Konzept für die Landesregierung wird erarbeitet. PolitischeBildungstärken Die Bedeutung der politischen Bildung wächst in Zeiten zunehmender Globalisierung und damit einhergehenden Unsicherheiten in der Beurteilung politischer Entwicklungen. Toleranz und ein solidarisches Miteinander sind die Basis unserer Demokratie. Deshalb bleibt es eine stetige Herausforderung, den Bürgerinnen und 129 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 5600 5601 5602 5603 5604 5605 5606 5607 5608 5609 5610 Bürgern die Chancen und die Errungenschaften der Demokratie aktiv zu vermitteln und sie zu einem zivilgesellschaftlichen Engagement zu ermuntern. 5611 5612 5613 5614 5615 5616 5617 5618 5619 5620 5621 5622 5623 5624 5625 5626 5627 5628 5629 5630 5631 5632 5633 5634 5635 5636 5637 5638 5639 5640 5641 5642 Rechtsextremismusbekämpfen Daher werden wir die Entwicklung weiterer demokratischer Strukturen in Jugend- und Bildungseinrichtungen unterstützen. Wir wollen eine Identifizierung mit demokratischen Werten erreichen und so die Voraussetzungen für eine eigene Urteilsfähigkeit schaffen. Eine pluralistische Gesellschaft kann nur ohne Ausgrenzung funktionieren. Deshalb setzen wir auch weiterhin auf eine starke Landeszentrale für politische Bildung und auf eine starke politische Bildungslandschaft. Wir stehen für ein weltoffenes, pluralistisches und demokratisches NordrheinWestfalen. Die Aufdeckung der menschenverachtenden NSU-Morde hat unsere demokratische Gesellschaft erschüttert. Auch in NRW wurden und werden Menschen Opfer rechter Gewalt. Deshalb werden wir die rechtsextreme Szene und die dahinter liegenden menschenfeindlichen Einstellungen wie Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Sexismus und Homophobie entschieden bekämpfen. Wir geben dem Rechtsextremismus keine Chance. Gerade im präventiven Bereich haben wir bereits viel gegen Rechtsextremismus unternommen. Das wollen wir verstärken und ein integriertes Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus und Rassismus entwickeln. An der Erstellung des Konzepts wollen wir viele beteiligen und es so möglichst breit aufstellen. Zivilgesellschaftliche Initiativen sind das Herzstück im Kampf gegen Rechtsextremismus. Deshalb wollen wir diejenigen unterstützen, die sich aktiv gegen Rechtsextremismus und Rassismus einsetzen. Die unterschiedlichen Aktivitäten der Landesregierung werden wir durch eine nachhaltige Strategie besser aufeinander abstimmen. Wichtig sind uns auch die Opfer von rechtsextremer Gewalt und Einschüchterungsversuchen. Die bereits bestehenden Opferberatungsstellen, mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus und die bei der Landeszentrale für politische Bildung eingerichtete Koordinierungsstelle wollen daher wir stärken. Da Frauen und Mädchen verstärkt als Aktivistinnen in der rechtsextremen Szene auftreten, müssen alle Maßnahmen auch unter der Genderperspektive betrachtet werden. Wir fordern den Bund auf, sich weiterhin am Kampf gegen Rechtsextremismus zu beteiligen und erfolgreiche Programme fortzuführen. Die Extremismusklausel der Bundesregierung lehnen wir ab, da sie unverhältnismäßig ist und Misstrauen fördert. 130 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 5643 5644 5645 5646 5647 5648 5649 5650 5651 5652 5653 5654 5655 5656 5657 5658 5659 5660 5661 5662 5663 5664 5665 5666 5667 5668 5669 5670 5671 5672 5673 5674 5675 5676 5677 5678 5679 5680 5681 5682 5683 5684 5685 5686 WirbewegenNRW Sport bietet als wichtiger Teil unserer Alltagskultur den Menschen die Möglichkeit, ethnische, kulturelle und soziale Grenzen und Unterschiede zu überwinden. Darüber hinaus leistet er einen unersetzlichen Beitrag zur Gesundheitsprävention. Der Vereins-, Breiten- und Leistungssport sowie die Jugendarbeit im Sport bedürfen deshalb einer gezielten Förderung, um Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen das Verständnis für eine gesunde Lebensführung und die Werte des Fairplay zu vermitteln. Sport fördert darüber hinaus bürgerschaftliches, ehrenamtliches Engagement. Das wichtigste Ziel unserer Sportpolitik besteht darin, allen Menschen Zugang zum Sport zu ermöglichen. Diese Aufgabe hat angesichts des demographischen Wandels noch an Bedeutung gewonnen. Besonders wichtige Zielgruppen sind auch Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit Behinderung, ältere Menschen und Frauen. Wir wollen die Vereine und Verbände im Inklusions-Prozess unterstützen. Dazu gehört vor allem die Aus, Fort- und Weiterbildung von Trainerinnen und Trainern, Betreuerinnen und Betreuern, Übungsleiterinnen und Übungsleitern sowie Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern. Vor allem gilt es, die Behindertensportverbände und -vereine und ihre Expertise in diesen Prozess einzubinden. Alle Sportverbände werden darin unterstützt, sich stärker als bisher auch für gemeinsamen Sport von Menschen mit und ohne Behinderung zu öffnen – dazu gehören auch barrierefreie Sportstätten. Zu diesem Zweck werden wir die Förderung beim Bau und der Sanierung von Sportstätten mit überregionaler Bedeutung an eine barrierefreie Gestaltung knüpfen. Sporträume und Sportstätten sollen auch für Frauen, Menschen mit Migrationsgeschichte und ältere Menschen entsprechend ihrer Bedürfnisse gestaltet werden. Wir sehen diese Aufgabe als Teil einer integrierten Stadtplanung und wollen die Kommunen verstärkt bei der Erstellung von Sportstättenentwicklungsplanungen unterstützen. Dabei müssen immer auch die ökologischen Auswirkungen und das ökologische Potenzial von Neubauten und Sanierungen Beachtung finden. Wir wollen insbesondere auch die neuen Entwicklungen im Sport stärker begleiten und innovative Modelle innerhalb und außerhalb traditioneller Vereinsstrukturen unterstützen. Die Sportpauschale wollen wir erhalten und sicherstellen, dass sie entsprechend der Zweckbestimmung ausschließlich für Sportzwecke eingesetzt wird. Wir wollen den organisierten Sport darin unterstützen, für Menschen jeder Altersgruppe Angebote zu machen, dafür die entsprechenden Sportanlagen vorzuhalten und Übungsleiterinnen und Übungsleiter zu qualifizieren. Die Übungsleiterpauschale für die Sportvereine soll erhalten bleiben. Das Ehrenamt im Sport wird von uns in jeder Beziehung gefördert, Programme zur Gewinnung und 131 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 5687 5688 5689 5690 5691 5692 5693 5694 5695 5696 5697 5698 5699 5700 5701 5702 5703 5704 5705 5706 5707 5708 5709 5710 5711 5712 5713 5714 5715 5716 5717 5718 5719 5720 5721 5722 5723 5724 5725 5726 5727 5728 5729 Qualifizierung von ehrenamtlichen Menschen des Landessportbundes sind daher im Sinne einer Anerkennungskultur weiter zu fördern. Jede Diskriminierung im Sport, jede Gewalt und sexuelle Übergriffe werden von uns konsequent bekämpft. Präventive Maßnahmen im Sport, insbesondere in der Ausbildung der Übungsleiterinnen und Übungsleiter, werden von uns unterstützt. Zu diesem Zweck gilt es, das notwendige Wissen bereitzustellen und den Kontakt zu bestehenden Strukturen bzw. Einrichtungen (auch außerhalb des Sports) zu vermitteln. Das gemeinsame Breitensportprogramm der Landesregierung und des Landessportbundes „Sport für Alle“ wollen wir in den nächsten Jahren umsetzen. Spezielle Landesprogramme und Projekte werden fortgeführt. Insbesondere werden kommunale Aktivitäten unterstützt, die allen Kindern und Jugendlichen ein Angebot zu Bewegung und Sport unterbreiten, das ihren Möglichkeiten gerecht wird. Nordrhein-Westfalen versteht sich als Sportland Nummer 1. Dazu gehört unabdingbar die Förderung des Leistungssports und seines Nachwuchses. Die mit dem Landessportbund, den Olympiastützpunkten und der Sportstiftung vereinbarten Programme und Konzepte werden wir Schritt für Schritt umsetzen. Besonders wollen wir die Duale Karriere unterstützen, damit leistungssportliche Spitzenergebnisse und die Qualifizierung in der Schule, in der Hochschule, in der Berufsausbildung und im Beruf möglich sind. Dazu werden wir das „Verbundsystem Schule und Leistungssport“ verbessern und das Ziel der 18 NRW-Sportschulen in dieser Legislaturperiode realisieren. Diese Schulen sollen ihre Zusammenarbeit mit Grundschulen ausbauen. Das Land wird in Zusammenarbeit mit den Sportverbänden weiterhin Sportgroßveranstaltungen in Nordrhein-Westfalen ermöglichen. Bei diesen gilt es jedoch immer auch, ökologische Kriterien zu beachten und einen Ausgleich zwischen Sport und Umweltschutz zu schaffen. NRW kann hier international eine Vorbildfunktion einnehmen. Wir verstehen Sportpolitik als Querschnittaufgabe, die nur in enger Kooperation mit anderen Politikbereichen weiterentwickelt werden kann. So ist insbesondere die bewegungsfreudige Schule unser Ziel. Dazu benötigen wir gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer, damit der Sportunterricht im vorgesehenen Umfang von drei Wochenstunden durch qualifiziertes Personal erteilt werden kann. Wir wollen, ausgehend von dem Projekt „Tägliche Sportstunde an Grundschulen“ ein neues Konzept erarbeiten. Ziel sind mehr tägliche Bewegungszeiten in den Schulen und eine bessere Rhythmisierung von Lern- und Entspannungszeiten im Schulalltag. Der Schwimmunterricht muss einen höheren Stellenwert bekommen. 132 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 5730 5731 5732 5733 5734 5735 5736 5737 5738 5739 5740 5741 5742 5743 5744 5745 5746 5747 5748 5749 5750 5751 5752 5753 5754 5755 5756 5757 5758 5759 5760 5761 5762 5763 5764 5765 5766 5767 5768 5769 5770 5771 5772 5773 Die Maßnahmen zur Sicherstellung der Sportangebote im Ganztag werden fortgeführt. Hierbei sind die Sportvereine und ihre Verbände unsere verlässlichen und bewährten Partner. Ähnliche Anstrengungen werden in Bezug auf die Förderung von Bewegungskindergärten und der Verbindung von Sportvereinen mit Kindertagesstätten unternommen. Das Programm „1000 x 1000 – Sport im Ganztag“ wollen wir fortführen. Wir stehen für einen sauberen Sport und bekämpfen entschieden jede Form des Dopings. Neue Doping-Methoden müssen frühzeitig erkannt und entsprechende Nachweisverfahren entwickelt werden. Wir treten für einen humanen Leistungssport ein, bei dem Respekt, Toleranz und Unversehrtheit im Vordergrund stehen. Kinder und Jugendliche müssen so früh wie möglich über die Gefahren des Dopings informiert und über die ethischen Grundlagen des Sports aufgeklärt werden. Wir wollen in Nordrhein-Westfalen die Einrichtung einer Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft zum Thema „Doping“ prüfen. Ein wichtiger Partner für die Sportpolitik des Landes ist und bleibt die Deutsche Sporthochschule in Köln. Wir wollen die ganzheitliche Forschung und Lehre zu allen Bereichen des Sports weiter fördern und stärken. Den eingeschlagenen Weg für „Mehr Sicherheit bei Fußballspielen“ wollen wir konsequent fortsetzen. Wir werden Gewalt im Kontext von Fußballspielen nicht tolerieren und werden Gewalttäter und Gewalttäterinnen konsequent strafrechtlich verfolgen. Die Stärkung der Prävention, wie sie durch die Fanprojekte in NRW geleistet wird, ist uns ein wichtiges Anliegen. Darüber hinaus wollen wir den Dialog zwischen Politik, Vereinen und Verbänden sowie der Polizei und den Fans fördern. Wir sind der Ansicht, dass eine Strategie, die allein auf Repression setzt, dem Problem nicht gerecht wird. Pakt für den Sport In NRW gibt es 20.000 Sportvereinen, die vom Landessportbund mit seinen Fachverbänden und Stadt- und Kreissportbünden vertreten werden. Der organisierte Sport benötigt weiterhin unsere Unterstützung. Deshalb wollen wir den in der letzten Legislaturperiode zwischen der Landesregierung und dem Landesportbund abgeschlossenen „Pakt für den Sport“ fortsetzen. Wir streben eine vertragliche Regelung für die gesamte Legislaturperiode an, in der dem Landesportbund Planungssicherheit gegeben werden kann. Dabei sollen Verabredungen zur Sportförderung in den Kommunen, insbesondere hinsichtlich der Sportvereine sowie der Unterstützung von Sport- und Bewegungsangeboten im Ganztag und im Primarbereich getroffen werden. Ein Schwerpunkt soll die Förderung von Sport und Bewegung in Kindertagesstätten und die Zusammenarbeit mit örtlichen Sportvereinen werden. 133 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 5774 5775 VIII. Gesundheit,Pflege,Emanzipation 5776 5777 5778 5779 5780 5781 5782 5783 5784 5785 5786 5787 5788 5789 5790 5791 5792 5793 5794 5795 5796 5797 5798 5799 5800 5801 5802 5803 5804 5805 5806 5807 5808 5809 5810 5811 5812 5813 5814 5815 Gesundheitsversorgungsozialausrichten Unser Ziel ist eine flächendeckende, bedarfsgerechte und ohne Hürden zugängliche gesundheitliche und medizinische Versorgung für alle Bürgerinnen und Bürger in NRW – unabhängig von sozialem Status, Alter, Herkunft oder Geschlecht. Unsere Gesellschaft muss sich in Zukunft auch daran messen lassen, wie es gelingt, gesundheitsfördernde Lebens-, Wohn- und Arbeitsbedingungen zu realisieren. Hierzu muss Prävention gleichberechtigt neben Kuration, Pflege und Rehabilitation einen Beitrag dazu leisten, soziale und geschlechtsspezifische Ungleichheiten zu verringern und Lebenschancen zu erhöhen. Sie muss die Menschen in ihren Lebenswelten erreichen und Zugangsbarrieren abbauen. Die finanziellen und strukturellen Rahmenbedingungen werden auf Bundesebene gesetzt. Wir werden unseren Einfluss geltend machen, um einkommensunabhängige Gesundheitsprämien zu verhindern. Wir wollen keine Zwei-Klassen-Medizin und werden daher darauf hinwirken, dass die solidarische Krankenversicherung und Pflegeversicherung in Richtung einer Bürgerversicherung weiterentwickelt wird. Außerdem fordern wir die Abschaffung der Praxisgebühr, die keinerlei steuernde Wirkung entfaltet hat. Eine nutzer- und patientenorientierte Gesundheitspolitik bildet die Grundlage für eine qualitativ hochwertige Versorgung und gleichzeitig für eine leistungsstarke Gesundheitswirtschaft. Angesichts der demografischen Entwicklung wird die Nachfrage nach den Dienstleistungen der Gesundheitswirtschaft sowie nach ihren medizinischen Produkten und Systemen weiter wachsen. Sie ist daher ein anerkanntes Kompetenzfeld und treibender Faktor für Beschäftigungswachstum und Innovation. Der übergroße Teil umfasst dabei Arbeitsplätze in der medizinischen und pflegerischen Versorgung. Die Landesregierung wird die an der gesundheitlichen Versorgung beteiligten Institutionen in NRW dabei unterstützen, dass die Arbeitsbedingungen für die in der medizinischen Versorgung beschäftigten Menschen verbessert werden. Dabei werden wir die Leistungserbringer in ihrem Bemühen um attraktivere und familienverträglichere Arbeitsbedingungen unterstützen. Um die Kräfte in den Regionen zu bündeln, ist ein neues Zusammenspiel der Ärztinnen und Ärzte, Pflegenden, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Unternehmen vor Ort notwendig. Notwendig bleibt auch eine geschlechter- und herkunftsdifferenzierte Gesundheitsberichterstattung. Wir laden alle relevanten Akteurinnen und Akteure im Gesundheitswesen dazu ein, für die Umsetzung dieser Ziele gemeinsam mit uns Verantwortung zu übernehmen. Die Weiterentwicklung des Gesundheitscampus NRW mit dem Ziel einer neuen Balance zwischen regionaler und landesweiter Vernetzung und lokaler Konzentration 134 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 5816 5817 5818 5819 5820 5821 5822 5823 5824 5825 5826 5827 5828 5829 5830 5831 5832 5833 5834 5835 5836 5837 5838 5839 5840 5841 5842 5843 5844 5845 5846 5847 5848 5849 5850 5851 5852 5853 5854 5855 5856 5857 5858 5859 wird fortgesetzt. Leitidee ist, dass die medizinischen und pflegerischen Herausforderungen unserer alternden Gesellschaft nur in einer partnerschaftlichen Anstrengung von Versorgung, Wirtschaft und Wissenschaft über die Grenzen der einzelnen Versorgungssektoren hinweg und gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten bewältigt werden können. Der Gesundheitsstandort NRW muss sich stärker als bisher gemeinsam nach außen präsentieren, dies zu fördern ist ebenfalls Kern der Arbeit des Landeszentrums Gesundheit im Campus. Die Ansiedlung von Einrichtungen und Instituten auf dem Gesundheitscampus werden wir zügig vorantreiben und so die Verzahnung von Wissenschaft, Forschung, Lehre und Wirtschaftsförderung im Gesundheitsbereich stärken. Die anwendungs- und forschungsorientierten Wettbewerbe um innovative Ideen in der Gesundheitswirtschaft werden evaluiert und im Rahmen einer abgestimmten Strategie für den Leitmarkt Gesundheit ggf. erneut aufgelegt. Wir wollen die Rechte der Patientinnen und Patienten durch ein transparentes, unabhängiges Beratungsangebot weiter stärken. Eine unabhängige, nicht durch wirtschaftliche Interessen gelenkte Beratung ist für Patientinnen und Patienten in schwierigen Situationen wichtig. Mit der Einsetzung der Patientinnen- und Patientenbeauftragten haben wir eine Struktur geschaffen, die in diesem Handlungsfeld einen wichtigen Beitrag leistet. Die Krankenhäuser in NRW müssen auch in Zukunft hohe Behandlungsqualität mit Wirtschaftlichkeit in Einklang bringen können. Dabei gilt es, die wohnortnahe Grundversorgung ebenso zu sichern wie Krankenhäuser der Maximalversorgung und spezialisierte Zentren. Dabei muss den besonderen Bedarfen älterer Menschen und Menschen mit Behinderung und eingeschränktem Bewegungsradius entsprochen werden. Krankenhäuser dürfen nicht dem freien Spiel des Marktes überlassen werden. Es gibt in diesem Bereich der Gesundheitsversorgung kein funktionierendes Marktgeschehen, weil die Patientinnen und Patienten in vielen Fällen nicht über die Kundensouveränität verfügen, sich ein Krankenhaus ihrer Wahl auszusuchen. Die Krankenhausplanung in NRW muss deshalb unter Berücksichtigung der Morbidität und des demographischen Faktors eine flächendeckende Versorgung für Bürgerinnen und Bürger gewährleisten. Sie muss dabei ein gesichertes und internationalen Standards entsprechendes Qualitätsniveau gewährleisten. Die pauschale Förderung wird auch zukünftig durch einen "Sonderfonds Krankenhäuser" ergänzt. So ist offensichtlich, dass durch vermeidbare Versorgungs- und vor allem Hygienemängel Patientinnen und Patienten zu Schaden kommen und die Krankenkassen mit zusätzlichen unnötigen Behandlungskosten belastet werden, weil 135 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 5860 5861 5862 5863 5864 5865 5866 5867 5868 5869 5870 5871 5872 5873 5874 5875 5876 5877 5878 5879 5880 5881 5882 5883 5884 5885 5886 5887 5888 5889 5890 5891 5892 5893 5894 5895 5896 5897 5898 5899 5900 5901 5902 5903 5904 Verantwortliche immer wieder Pflege- und Behandlungsfehler verharmlosen. Die Reduzierung des Pflegepersonals verschärft das Problem. Insbesondere die Verbreitung des MRSA-Keims gibt immer stärker Anlass zur Sorge. Wir wollen daher den bereits begonnenen Hygieneaktionsplan fortführen und ihn zusammen mit den Akteurinnen und Akteuren der Selbstverwaltung und der Landesgesundheitskonferenz NRW zum Wohle der Patientinnen und Patienten zeitnah umsetzen. Trotz umfassender und moderner Hygieneempfehlungen und Richtlinien des RobertKoch-Instituts scheitert die Umsetzung an fehlendem Hygienefachpersonal in den Krankenhäusern. Die Bundesregierung darf sich nicht allein auf die Diskussion zusätzlicher Richtlinien und Register beschränken. Sie muss endlich dafür sorgen, dass die Krankenhäuser in ihrer Aufgabenwahrnehmung gestärkt werden. Die Landesregierung wird darüber hinaus prüfen, ob Maßnahmen auf Landesebene unterstützend ergriffen werden können. Die medizinische und gesundheitliche Versorgung in ländlichen und strukturschwachen Regionen sowie in sozial benachteiligten Stadtteilen wollen wir sichern und verbessern sowie die ambulante und wohnortnahe Versorgung stärken. Dazu gehört auch, dass wir gemeinsam mit den Akteurinnen und Akteuren im Gesundheitswesen Quartierskonzepte für die sozialraumorientierte Versorgung, Prävention und Gesundheitsförderung befördern und auf eine Weiterentwicklung integrierter Versorgungsangebote hinwirken. Wir wollen dabei insbesondere dem sich abzeichnenden Ärztemangel entgegenwirken. Hierzu sind auch neue Angebotsund Kooperationsformen (z.B. verstärkte Nutzung der Telemedizin) zu entwickeln und umzusetzen. Die Weiterentwicklung der örtlichen Gesundheitshilfe insbesondere auf Quartiersebene sowie die Entwicklung von aufsuchenden und nachsorgenden Gesundheitshilfen für Benachteiligte muss sich auch in einer entsprechenden Weiterentwicklung des Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGDG) NRW niederschlagen. Hierbei sind Zugangsbarrieren zum Hilfesystem abzubauen oder zielgruppenspezifische Angebote zu entwickeln. Die Präventions- und Gesundheitsförderungspraxis muss sich zunehmend mit dem Anspruch auseinandersetzen, geschlechtergerechte Konzepte zu entwickeln, um somit auch eine geschlechtersensible Versorgung im Sinne des Gender Mainstreaming verbindlich umsetzen zu können. Ziel wird es sein, neue sektorenübergreifende Versorgungsformen zu fördern, die dabei helfen, Gesundheitsversorgung als ein regionales Netz entlang der Patientenbedürfnisse umzusetzen. Eine ganzheitliche, alle Aspekte von Gesundheit einbeziehende Sichtweise ist notwendig. Auf Bundesebene werden wir uns dafür einsetzen, dass die Betriebskostenfinanzierung an die Bedarfe der Krankenhäuser angepasst wird. 136 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 5905 5906 5907 5908 5909 5910 5911 5912 5913 5914 5915 5916 5917 5918 5919 5920 5921 5922 5923 5924 5925 5926 5927 5928 5929 5930 5931 5932 5933 5934 5935 5936 5937 5938 5939 5940 5941 5942 5943 5944 5945 5946 5947 5948 Zudem wollen wir gemeinsam mit anderen Akteurinnen und Akteuren darauf hinwirken, dass insbesondere die gesundheitliche Versorgung von Kindern und Jugendlichen aus sozial benachteiligten Familien verbessert und hierzu ein Handlungskonzept aufgelegt wird. Wir wollen die Teilhabemöglichkeiten für Menschen mit Behinderung in unserem Gesundheitswesen deutlich verbessern und die Entwicklung hin zu einem inklusiven und barrierefreien Gesundheitssystem unterstützen. Dies ist auch in der Aus- und Weiterbildung in den Pflege- und Gesundheitsberufen angemessen zu berücksichtigen Die noch oft vorhandenen Barrieren für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte bei der Inanspruchnahme gesundheitlicher Leistungen wollen wir abbauen helfen und darauf hinwirken, dass vor Ort für Menschen, die als Flüchtlinge kommen, ein Zugang zur gesundheitlichen Versorgung geschaffen wird. Für Menschen ohne Papiere werden wir modellhafte Maßnahmen vor Ort unterstützen, um eine Grundversorgung zu ermöglichen. Wir wollen gemeinsam mit anderen Akteurinnen und Akteuren die psychosoziale Versorgung geschlechtergerecht ausrichten und sie den verschiedenen Bedürfnissen – etwa von Kindern und Jugendlichen, Migrantinnen und Migranten, Menschen mit Behinderung und der älteren Bevölkerung – weiter anpassen. Allen betroffenen Kindern, Jugendlichen und deren Familien muss der Zugang zu bedarfsgerechten, zielgerichteten und vernetzten Hilfen ermöglicht werden. Dabei ist dafür Sorge zu tragen, dass die Angebote vor Ort besser mit Schule, Familien- und Jugendhilfe koordiniert und abgestimmt werden. Den Ursachen der zunehmenden psychischen Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen wollen wir dabei entgegenwirken. Mit der Landesinitiative „Erhalt und Verbesserung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen“ ist hierzu ein erster Schritt getan. Unser Ziel ist der flächendeckende Ausbau und die Sicherung gemeindepsychiatrischer Versorgungsstrukturen und damit die Sicherstellung einer wohnortnahen Grundversorgung, die an den Bedürfnissen der psychisch erkrankten Menschen und ihrer Familien ausgerichtet ist und ein weitgehend eigenständiges und sozial integriertes Leben ermöglicht. Das Selbstbestimmungsrecht und die Persönlichkeitsrechte psychisch kranker Menschen wollen wir beachten und weiter stärken. Wir wollen alternative Behandlungsformen für Menschen in psychotischen Krisen voranbringen und erreichen, dass es zu wesentlichen weniger Anwendung von Zwangsmaßnahmen kommt, und der Umgang mit neuroleptischer Medikation zurückgefahren wird. Psychische Erkrankung im Erwachsenalter ist die Erkrankungsart mit der höchsten Steigerungsrate. Ursachen sind sowohl in den veränderten Anforderungen in unserer 137 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 5949 5950 5951 5952 5953 5954 5955 5956 5957 5958 5959 5960 5961 5962 5963 5964 5965 5966 5967 5968 5969 5970 5971 5972 5973 5974 5975 5976 5977 5978 5979 5980 5981 5982 5983 5984 5985 5986 5987 5988 5989 5990 5991 5992 Gesellschaft insbesondere am Arbeitsplatz zu suchen. Sie verursachen enorme Kosten im Gesundheitssystem und kommen durch in der Regel langen Arbeitsausfall auch die Unternehmen teuer zu stehen. Das Thema „psychische Gesundheit“ ist daher auch in der Landesgesundheitspolitik aufzuwerten. Zur Verbesserung des psychiatrischen Versorgungssystems wollen wir, aufbauend auf die Erfahrungen in Schleswig-Holstein, in mindestens jeweils einem Pflichtversorgungsgebiet in Westfalen und Nordrhein ein regionales Budget erproben. Im Bereich der Drogen- und Suchtberatung wie auch der AIDS-Prävention und beratung werden wir die Auswirkungen der Kommunalisierung kritisch überprüfen und Defizite aufzuzeigen. Die AIDS-Prävention wollen wir gemeinsam mit der AidsHilfe zeitgemäß ausrichten. Wir werden prüfen, wie das Land insbesondere mit Blick auf die Weiterentwicklung der Präventions- und Hilfestrukturen stärker Steuerungsaufgaben übernehmen kann. Da wo das Ziel, für alle Zielgruppen den Zugang zu bedarfsgerechten Angeboten zu erhalten, nicht sichergestellt ist, müssen auf Landesebene geeignete Maßnahmen zur Gegensteuerung eingeleitet werden. Darüber hinaus wollen wir insbesondere die zielgruppenspezifischen und niedrigschwelligen Angebote stärken und das Landessuchtprogramm unter Einbeziehung neuer Ansätze und Konzepte zur Prävention weiterentwickeln. In einem Aktionsplan zu Drogen und Sucht werden wir die drogenpolitischen Schwerpunkte zu Prävention, Hilfe und Entkriminalisierung ausweiten und fortführen. Die unabhängigen Krebsberatungsstellen werden wir bei ihren Bemühungen unterstützen, Finanzierungsquellen, z.B. über Krankenkassen, zu erschließen. Um gesundheitliche Versorgungssicherheit zu gewährleisten, ist ein funktionierendes aufeinander abgestimmtes Rettungswesen erforderlich. Dazu soll der Rettungsdienst weiterhin mit den Katastrophenschutzbehörden bei der Bewältigung von Großschadensereignissen und Katastrophen zusammenwirken. Durch die Novellierung des Rettungsdienstgesetzes müssen daher unter Berücksichtigung europarechtlicher Vorgaben öffentliche Planung und Einsatzleitung gesichert sein, und qualifizierte Dauerarbeitsplätze, Mitbestimmung und Tarifvereinbarungen Grundlage eines stabilen Systems mit öffentlichen, privaten und karitativen Trägern bleiben. Letztere sind wegen ihrer großen Mobilisierungsfähigkeit von ehrenamtlichen, gleichwohl ausgebildeten Helferinnen und Helfern insbesondere bei Großschadensereignissen unverzichtbar. 138 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 5993 5994 5995 5996 5997 5998 5999 6000 Aus Gründen des Gesundheitsschutzes, der Chancengleichheit und des Wettbewerbsgedankens ist der Nichtraucherschutz auch im Gastromiebereich konsequent und rechtssicher auszugestalten. 6001 DemografischerWandel:SelbstbestimmtesLebenimAlterermöglichen Wir werden ein zukunftsorientiertes Handlungskonzept zur Weiterentwicklung und Sicherung des Maßregelvollzugs umsetzen. 6002 6003 6004 6005 6006 6007 6008 6009 6010 6011 6012 6013 6014 6015 6016 6017 6018 6019 6020 6021 6022 6023 6024 6025 6026 6027 6028 6029 6030 6031 6032 6033 6034 6035 Zu den Herausforderungen des demografischen Wandels gehört der notwendige strukturelle Umbau mit Blick auf eine älter werdende Gesellschaft. Unser politisches Ziel ist es, älteren Menschen - auch bei einer möglichen Pflegebedürftigkeit - ein selbstbestimmtes Leben in dieser sich wandelnden Gesellschaft zu ermöglichen. Zur Umsetzung diese Ziels werden wir konsequent unseren Weg fortsetzen, Bedarfe und Rahmenbedingungen für ein selbstbestimmtes Leben in einem offenen Dialog mit allen Akteurinnen und Akteuren im Themenfeld Pflege und Alter und den Vertretungen der älteren Menschen zu diskutieren und gemeinsame Handlungsansätze zu erarbeiten. Um für diesen partizipativen Prozess eine noch bessere Grundlage zu schaffen, werden wir den bereits begonnenen Aufbau einer fortlaufenden Berichterstattung über die Lebenslagen älterer Menschen in NRW und einer landesweiten Datenbank über Versorgungs- und Pflegeangebote zeitnah abschließen. Zur Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen und zur Unterstützung von Kommunen und anderen Akteurinnen und Akteuren werden wir mit einem Landesförderplan im Themenfeld Pflege und Alter eine verlässliche und transparente Fördergrundlage schaffen. Er bündelt die derzeit bereits verfügbaren Finanzressourcen und kann den Rahmen für eine bedarfsorientierte Anpassung der Förderinstrumente und Finanzressourcen bieten. Altersgerechte Quartiersentwicklung Die Rahmenbedingungen für Selbstbestimmung und soziale Teilhabe müssen dort vorhanden sein, wo die Menschen leben und auch im Alter leben wollen: In ihrem direkten Lebensumfeld, ihrem "Quartier". Deshalb werden wir die Entwicklung von Quartierskonzepten befördern, die eine Versorgungssicherheit im Wohnumfeld gewährleisten und unsere bisherigen Anstrengungen zur Umgestaltung der Wohnquartiere, ausgerichtet an den Bedürfnissen von älteren und mobilitätseingeschränkten Menschen, intensivieren. Mit dem Konzept "Masterplan altengerechtes Quartier" verfolgen wir weiterhin das ressortübergreifende Ziel, durch eine angepasste, verlässliche und niedrigschwellige Versorgungsstruktur, - zu der wir auch ein Angebot haushaltsnaher Dienstleistungen zählen - und ein optimales 139 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 6036 6037 6038 6039 6040 6041 6042 6043 6044 6045 6046 6047 6048 6049 6050 6051 6052 6053 6054 6055 6056 6057 6058 6059 6060 6061 6062 6063 6064 6065 6066 6067 6068 6069 6070 6071 6072 6073 6074 6075 6076 6077 6078 6079 Zusammenwirken der Gesundheits- und Pflegeinfrastruktur, die Selbstständigkeit der Menschen so weit wie möglich zu erhalten. Wir werden hierzu den Dialog mit den Kostenträgern und Anbietern suchen. Wir werden unseren Einsatz für bessere Rahmenbedingungen zur Schaffung neuer Wohn- und Pflegeformen wie Altenwohngemeinschaften, Mehrgenerationenwohnen oder das Wohnen mit Versorgungssicherheit fortsetzen sowie dabei die Rolle der Kommunen nachhaltig stärken. Den Anspruch auf eine umfassende und unabhängige Beratung, die gerade für den Verbleib in der eigenen Häuslichkeit und die Gestaltung einer optimalen Versorgung bei Pflege- und Betreuungsbedarf unverzichtbar ist, wollen wir durch eine Optimierung der Strukturen der Wohn- und Pflegeberatung im fortgesetzten Dialog mit den Akteurinnen und Akteuren und unter Berücksichtigung bewährter kommunaler Strukturen noch besser verwirklichen. Um die Kommunen bei der umfassenden Entwicklung ihrer Quartiere und Sozialräume optimal zu unterstützen, werden wir die Aktivitäten im Rahmen des "Masterplans altersgerechtes Quartier" eng mit anderen landespolitischen Aktivitäten zur Sozialraumgestaltung abstimmen und insbesondere auch themen- und generationenübergreifende Handlungsansätze und Infrastrukturnutzungen prüfen. Verlässliche und menschliche Pflege sichern Die Zahl der pflegebedürftigen Menschen wird in den kommenden Jahren und Jahrzehnten deutlich ansteigen. Gleichzeitig zeichnet sich ein dramatischer Fachkräftemangel im Bereich Pflege ab. Wir können die Qualität der professionellen Pflege nur mit einer ausreichenden Zahl gut qualifizierter und engagierter Pflegekräfte sichern. Pflegekräfte, die heute in den Einrichtungen und Diensten trotz schwieriger Rahmenbedingungen engagiert um das Wohl der pflegbedürftigen Menschen bemüht sind, verdienen mehr gesellschaftliche Anerkennung und bessere Arbeitsbedingungen. Das gilt auch für den aufopferungsvollen Einsatz pflegender Angehöriger. Ihnen gebührt ebenfalls mehr Wertschätzung, Unterstützung und Entlastung. Hierfür Rahmenbedingungen zu schaffen und den haupt- und ehrenamtlich Pflegenden Stimme und Anerkennung zu geben, ist ein wichtiges eigenständiges Ziel unserer Pflegepolitik. Um vor diesem Hintergrund eine zukunftsfähige Versorgungsstruktur und eine menschliche und gute Pflege zu sichern, werden wir in unserem Einsatz für eine durchgreifende Reform der Pflegeversicherung auf Bundesebene nicht nachlassen. Dabei werden wir uns vor allem für eine Neufassung des Pflegebegriffs einsetzen, damit die Einschränkungen dementiell erkrankter Menschen in der Pflegeversicherung entsprechend berücksichtigt werden. Erforderlich ist auch die umgehende Änderung aller bundesrechtlichen Regelungen, die mit dem Selbststimmungsrecht der Pflegebedürftigen oder der Inklusionszielsetzung der UN140 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 6080 6081 6082 6083 6084 6085 6086 6087 6088 6089 6090 6091 6092 6093 6094 6095 6096 6097 6098 6099 6100 6101 6102 6103 6104 6105 6106 6107 6108 6109 6110 6111 6112 6113 6114 6115 6116 6117 6118 6119 6120 6121 6122 6123 Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) unvereinbar sind. Hierzu gehören nach unserer Überzeugung vor allem der Kostenvorbehalt des SGB XII und der Ausschluss pflegebedürftiger Menschen mit Behinderung von bestimmten Leistungen des SGB XI. Auf Landesebene werden wir den erfolgreichen Weg fortsetzen, gemeinsam mit vielen Akteurinnen und Akteuren und unter Einbeziehung der Betroffenenverbände, das Landespflegerecht und das Wohn- und Teilhabegesetz zu reformieren, um die Rahmenbedingung für eine qualitätsgesicherte, ortsnahe und zukunftsorientierte Pflegestruktur praxisnah neu zu gestalten und stärker auf die neuen Wohn- und Pflegeformen auszurichten. Bei der Umsetzung der neuen Regelungen wird es darum gehen, die Entwicklungsmöglichkeiten für alternative Wohnformen - auch finanziell - zu verbessern sowie die Modernisierung bestehender stationärer Heime, deren Öffnung ins Quartier und die weitere Umsetzung von Hausgemeinschaftskonzepten voranzutreiben. Hierzu gehört auch die Umgestaltung bestehender Heimeinrichtungen zu Hausgemeinschaften. Den zusätzlichen Aufbau klassischer stationärer Einrichtungen wollen wir dagegen nicht befördern. Im Rahmen der Novelle des Landespflegegesetzes werden wir prüfen, ob wir den Kommunen im Rahmen kommunaler Planungsinstrumentarien bei stationären Pflegeinrichtungen ein Versagungsgebot ermöglichen können. Außerdem werden wir die gesetzlichen Finanzierungsregelungen für Pflegeeinrichtungen hinsichtlich ihrer Lenkungswirkungen untersuchen und bei Bedarf anpassen. Das Pflegewohngeld hat sich in NRW sozialpolitisch bewährt und soll im Rahmen der Reform des Landespflegegesetzes erhalten bleiben. Neben dem Abbau vermeidbarer Bürokratie im Rahmen der entsprechenden Bewilligungsverfahren wollen wir dabei Fehlsteuerungen u. a. insoweit abbauen, dass Leistungen der Kriegsopferfürsorge nach dem Bundesversorgungsgesetz künftig ihre volle Wirkung entfalten. Das wird in die Novellierung des Landespflegegesetzes mit einfließen. Zur Bekämpfung des Fachkräftemangels, haben wir mit der Einführung der Ausbildungsumlage einen wichtigen ersten Schritt getan. Die Förderung der erforderlichen Fachseminarplätze für eine steigende Zahl von Auszubildenden werden wir sicherstellen und rechtlich verpflichtend ausgestalten. Daneben gilt es, zur Steigerung der Attraktivität der Pflegeberufe die von uns bereits engagiert angestoßenen Prozesse zur Schaffung besserer Qualifikationsund Aufstiegsmöglichkeiten - etwa im Rahmen der modellhaften Akademisierung - im bewährten Zusammenwirken mit Berufsverbänden und Bildungsträgern zielgerichtet voranzutreiben. Bezogen auf die berufliche Ausbildung sollen die drei bestehenden Ausbildungsgänge basierend auf bewährten Vorgaben aus dem Alten- und Krankenpflegebereich langfristig zu einer generalistisch ausgerichteten 141 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 6124 6125 6126 6127 6128 6129 6130 6131 6132 6133 6134 6135 6136 Pflegeausbildung zusammengeführt werden, die zu einem einheitlichen Berufsabschluss führt. Ziel ist es, die bestehenden Strukturen an die veränderten Anforderungen in der Versorgung anzupassen sowie durch eine breiter angelegte Ausbildung das Berufsbild der Pflege attraktiver zu gestalten, da sich Auszubildende bei der Wahl der Ausbildung noch nicht einseitig auf ein Einsatzgebiet festlegen müssen. Diese Entwicklung muss im engen Dialog mit den Akteurinnen und Akteuren des Gesundheitswesens gestaltet werden, damit die speziellen Bedarfe der einzelnen Berufsbilder in der Ausbildung angemessen Berücksichtigung finden, Versorgungs- und Qualitätseinbrüche vermieden werden sowie um die spätere Wettbewerbsfähigkeit aller Berufsfelder durch vergleichbare Rahmenbedingungen zu sichern. So muss die Finanzierung der Ausbildung aller Pflegeberufe perspektivisch vereinheitlicht und solide finanziert werden. 6137 6138 6139 6140 6141 6142 6143 6144 6145 6146 Aufbauend auf unseren in den letzten Jahren gewonnenen Erkenntnisse werden wir die Qualitätssicherung in der Pflege ergebnisorientierter und effizienter ausgestalten und weitere Themen wie etwa die Vermeidung freiheitsbeschränkender Maßnahmen und fehlerhaften Medikamenteneinsatzes in der Pflege sowie die Verbesserung der Arbeitsbedingungen Pflegender weiter voranbringen. Pflege muss in hohem Maße die besonderen Bedürfnisse von Männern und Frauen beachten und kultursensibel sein. Auch hier wollen wir weiterhin Impulse geben. Engagement und Partizipation stärken 6147 6148 6149 6150 6151 6152 6153 6154 Politik für ältere Menschen muss mit ihnen gemeinsam gestaltet werden. Alle Menschen, egal welchen Alters, müssen sich an der kreativen Umgestaltung ihres Wohnquartiers oder Stadtteils beteiligen können und selbstverständlich gilt es, die Selbsthilfe- und Stadtteilinitiativen in Planung und Quartiersgestaltung einzubeziehen. Daher werden wir uns für die Landesseniorenvertretung und ihren Einsatz für eine landesweite Verankerung freiwilliger kommunaler Seniorenvertretungen weiter stark machen. 6155 6156 6157 6158 6159 6160 6161 6162 6163 6164 6165 Altersarmut droht immer mehr ältere Menschen von der gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen. Wir werden daher in unserem Bemühen nicht nachlassen, diese Teilhabebarriere soweit wie möglich durch langfristige - auch arbeits- und bildungspolitische - Strategien präventiv zu vermeiden und uns dafür einsetzen, dass auch ältere Menschen mit geringem Einkommen aktiver Teil der Gesellschaft sein und bleiben können. Zukunft geht nur mit Frauen und Mädchen 142 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 6166 6167 6168 6169 6170 6171 6172 6173 6174 6175 6176 6177 6178 6179 6180 6181 6182 6183 6184 6185 6186 6187 6188 6189 6190 6191 6192 6193 6194 6195 6196 6197 6198 6199 6200 6201 6202 6203 6204 6205 6206 6207 6208 6209 Mehr als die Hälfte der Bevölkerung in NRW sind Frauen und Mädchen. Die neue Landesregierung wird sich in allen Politikfeldern für sie stark machen und geschlechtsspezifische Benachteiligungen abbauen. Wir sind davon überzeugt, dass Geschlechtergerechtigkeit Chancen in allen gesellschaftlichen Bereichen schafft. Unser Ziel ist ein selbstbestimmtes und partnerschaftliches Miteinander der Geschlechter in allen Lebensbereichen. Da derzeit keine zusätzlichen Personal- und Sachmittel zur Verfügung stehen, richten die Staatskanzlei und die Ressorts zur Umsetzung der Querschnittsaufgaben Gender Mainstreaming und Gender Budgeting richten jeweils die Funktion einer/ eines Gender Mainstreaming-Beauftragten ein. Diese Funktion wird nicht den Gleichstellungsbeauftragten übertragen. Die Landesregierung beauftragt die Staatskanzlei, den Prozess der weiteren Implementierung und Umsetzung von Gender Mainstreaming zu koordinieren und dem Kabinett regelmäßig zu berichten. Perspektivisch hält die Landesregierung an ihrem Ziel fest, zur erfolgreichen Umsetzung von Gender Mainstreaming und Gender Budgeting eine Gender Stabstelle in der Staatskanzlei einzurichten. Schutz gegen Gewalt Mit der Wideraufnahme der Förderung der 4. Personalstelle in den Frauenhäusern haben wir die Kürzung aus der 14. Wahlperiode korrigiert. Perspektivisch ist es unser Ziel, jeder von Gewalt betroffenen Frau und jedem ihrer Kinder kostenlose Zuflucht in einem Frauenhaus zu gewährleisten, unabhängig von Herkunft, Wohnort, Einkommen, Aufenthaltsstatus, sexueller Identität oder Behinderung. Daher wollen wir ein Landesgesetz auf den Weg bringen, das eine verlässliche und bedarfsgerechte Finanzierung von Frauenhäusern in ihrer Aufgabenvielfalt verankert, und eine Förderung aus einer Hand sicherstellt. Gemeinsam mit den Akteurinnen der Frauenhäuser werden wir Impulse zur Weiterentwicklung der Frauenhäuser setzen. Zum Schutz von Mädchen vor sexualisierter und häuslicher Gewalt und jenen, die von Zwangsheirat betroffen sind, werden wir eine ausreichende Zahl von Unterbringungsplätzen in spezialisierten Mädchenhäusern an zwei Standorten in NRW zur Verfügung stellen. Im Bundesrat werden wir uns weiterhin dafür einsetzen, die aufenthaltsrechtliche Situation von Opfern von Zwangsheirat zu verbessern. Mit den Frauennotrufen und allgemeinen und spezialisierten Frauenberatungsstellen existieren professionelle Beratungsangebote, die den betroffenen, teils traumatisierten Frauen und Mädchen zur Seite zu stehen. Sie gilt es weiter in auskömmlicher Höhe zu fördern. Zudem werden wir prüfen, ob auch eine auskömmliche Finanzierung des Beratungsangebots der Frauenberatungsstellen und -notrufe gesetzlich in dem obengenannten Gesetz zur Frauenhausfinanzierung abgesichert werden kann. 143 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 6210 6211 6212 6213 6214 6215 6216 6217 6218 6219 6220 6221 6222 6223 6224 6225 6226 6227 6228 6229 6230 6231 6232 6233 6234 6235 6236 6237 6238 6239 6240 6241 6242 6243 6244 6245 6246 6247 6248 6249 6250 6251 6252 6253 6254 Wir streben ein bedarfsgerechtes Angebot zur anonymen Spurensicherung bei sexualisierter und häuslicher Gewalt mit Einlagerung der Spuren in den rechtsmedizinischen Instituten des Landes an. Wir werden den Landesaktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Mädchen und Frauen mit den Akteurinnen und Akteuren in diesem Arbeitsbereich weiterentwickeln. Darüber hinaus wollen wir die Einbeziehung der Thematik Gewalt im Geschlechterverhältnis in die Aus- und Fortbildung verschiedener Berufsgruppen voranbringen. Gleiche Rechte für Frauen Wir werden das Landesgleichstellungsgesetz NRW novellieren und durch die Stärkung seiner Durchsetzungskraft zu einem effektiven Instrumentarium für eine aktive Frauenförderung ausgestalten. Um die Stellung der Gleichstellungsbeauftragten zu festigen sowie der Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen und Gremien entgegenzuwirken, müssen auch neue rechtliche Wege beschritten werden. Dabei werden wir rechtliche Spielräume zur verbindlichen Festlegung von Zielquoten sowie zur Verankerung von Sanktionen prüfen. Die Vorgaben für Frauenförderpläne und den Landesgleichstellungsbericht werden wir effizienter ausgestalten. Zur Erhöhung des Anteils von Frauen mit Migrationsgeschichte im Öffentlichen Dienst werden wir Maßnahmen und Instrumente im Gesetz festschreiben. Darüber hinaus wollen wir Maßnahmen ergreifen, um den Anteil von Frauen im Landesparlament und den kommunalen Vertretungen zu erhöhen. Zur Verbesserung der Situation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt haben wir regional vernetzte Kompetenzzentren Frau und Beruf als Unterstützungs- und Förderangebot für Frauen entwickelt, die in jeder der 16 arbeitsmarktpolitischen Regionen des Landes an den Start gehen. Wir werden die Kompetenzzentren bei der Herstellung von Chancengleichheit für Frauen durch die Verankerung von Genderaspekten in der Wirtschafts- und Strukturpolitik aktiv begleiten. Im Bereich der Öffentlichen Auftragsvergabe haben wir im Rahmen des Tariftreueund Vergabegesetzes eine gleichstellungspolitische Weichenstellung vorgenommen, indem Auftragnehmerinnen und -nehmer zukünftig verpflichtet werden, bei der Ausführung des Auftrags Maßnahmen zur Frauenförderung im eigenen Unternehmen durchzuführen oder einzuleiten. Wir werden dafür Sorge tragen, dass die Förderrichtlinien der EU unter Einbeziehung der Umsetzung von Gender Mainstreaming eingehalten werden. 144 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 6255 6256 6257 6258 6259 6260 6261 6262 6263 6264 6265 6266 6267 6268 6269 6270 6271 6272 6273 6274 6275 6276 6277 6278 6279 6280 6281 6282 6283 6284 6285 6286 6287 6288 6289 6290 6291 6292 6293 6294 6295 6296 6297 6298 Um das geschlechterstereotype Berufswahlverhalten von Mädchen und Jungen und die tradierte Berufsorientierung von Frauen und Männern aufzubrechen, werden wir geschlechtersensible Angebote im Rahmen des Übergangssystems Schule-Beruf initiieren. In weiteren Schritten werden wir die Regeleinrichtungen von Kita über Schule bis hin zu den Trägern von Weiterbildung und -qualifizierung in diese Überlegungen einbeziehen. Wir setzen wir uns für die Durchsetzung des Prinzips "Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit" ein. In Kooperation mit den Tarifpartnern wollen wir eine öffentlichkeitswirksame Kampagne zur Entgeltgleichheit starten und uns für die Neubewertung so genannter frauenspezifischer Arbeitsplätze einsetzen. Der öffentliche Dienst muss mit gutem Beispiel vorangehen. Deshalb wollen wir die Eignung des Instruments „eg-check-Verfahren“ zur Ermittlung von Entgeltdiskriminierung im öffentlichen Dienst prüfen. Wir haben bereits eine Bundesratsinitiative zur Quotierung von Aufsichtsräten auf den Weg gebracht. Auch weiterhin werden uns für die Förderung von Frauen in Führungspositionen in der Privatwirtschaft einsetzen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass freiwillige Selbstverpflichtungen zur Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsräten und Vorständen nicht eingehalten werden. Daher brauchen wir gesetzliche Regelungen. Wir werden in allen Bereichen darauf achten, dass die geschlechtsspezifischen Belange von Frauen mit Behinderung konsequent berücksichtigt werden. Die Förderung des Netzwerk-Büros Frauen und Mädchen mit Behinderung werden wir fortführen. Um Menschen mit Behinderung in ihren reproduktiven und sexuellen Rechten zu stärken, wollen wir in Zusammenarbeit mit den Landschaftsverbänden eine Fachstelle zum Thema „Sexualität und Behinderung“ auf den Weg bringen, die zudem zum Ziel hat, trägerübergreifend Multiplikatorinnen und Multiplikatoren der Regeleinrichtungen zu schulen. Um Prostituierten ein möglichst großes Maß an Selbstbestimmung zu ermöglichen, ihnen menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu gewährleisten sowie Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung zu bekämpfen, werden wir die bisherigen Erkenntnisse des Runden Tisches zur Regelung der Prostitution auf kommunaler Ebene erproben und wissenschaftlich begleiten, um die gewonnen Erkenntnisse für sämtliche Kommunen NRWs transferfähig zu machen. Gendergerechte Gesundheitsversorgung Frauen und Männer sind anders krank. Diese Erkenntnis setzt sich derzeit noch viel zu langsam im gesundheitlichen Versorgungssystem durch. Den Schaden haben 145 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 6299 6300 6301 6302 6303 6304 6305 6306 6307 6308 6309 6310 6311 6312 6313 6314 6315 6316 6317 6318 6319 6320 6321 6322 6323 6324 6325 6326 6327 6328 6329 6330 Patientinnen und Patienten aufgrund nicht sachgerechter Versorgung sowie die Volkswirtschaft durch vermeidbare finanzielle Belastungen. Wir haben uns diesem Problem gestellt und die Landesfachstelle Frauen und Sucht sowie das Kompetenzzentrum Frauen und Gesundheit wieder an den Start gebracht. 6331 6332 6333 6334 6335 6336 6337 6338 6339 6340 6341 WirstehenfüreintolerantesNRW Allerdings sind weitere Bemühungen unerlässlich, um notwendige Fortschritte in der geschlechtergerechten medizinischen Versorgung zu erzielen. Wir werden uns auf Bundesebene für eine Änderung der Approbationsordnung für Ärztinnen und Ärzte einsetzen, um zukünftig die Vermittlung von Genderwissen und Handlungsmöglichkeiten in der ärztlichen Ausbildung zu verankern. Zur Stärkung der Gesundheit von Mädchen und Jungen werden wir bisherige Maßnahmen intensivieren, gesundheitliche Präventionsangebote konsequent geschlechtersensibel gestalten und zudem ein stärkeres Gewicht auf interkulturelle Gesundheitsprojekte für Jugendliche legen. Um Essstörungen angemessen zu begegnen, werden wir ein Landeskonzept Essstörungen erstellen. Zur Versorgung medikamentenabhängiger schwangerer Frauen, Mütter und ihrer Kinder werden wir Maßnahmen auf den Weg bringen. Wir werden uns dafür einsetzen, dass in der Pflege älterer Menschen die unterschiedlichen Bedürfnisse von Frauen und Männer besser wahrgenommen werden und das Selbstbestimmungsrecht gerade in geschlechtersensiblen Fragen besondere Beachtung findet. Und nicht zuletzt werden wir uns auf Bundesebene für eine bessere Alterssicherung pflegender Angehöriger einsetzen. Wir werden einen Runden Tisch Geburtshilfe einrichten, um sicherzustellen, dass in NRW trotz immer schwieriger werdenden Rahmenbedingungen für die Hebammen auch weiterhin das Recht auf freie Wahl bei der Geburtshilfe gewährleistet wird. Zudem werden wir uns auf Bundesebene für verbesserte Rahmenbedingungen der Hebammentätigkeit und für die Überführung der Hebammenleistungen in das SGB V einsetzen. Damit leisten wir auch einen Beitrag gegen die Fehlentwicklung der steigenden Kaiserschnittrate. Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Transsexuelle und Intersexuelle (LSBTTI) sind ein Teil unserer vielfältigen Gesellschaft. Wir werden auch weiterhin dafür eintreten, dass alle Menschen in NRW, unabhängig von Geschlecht, Alter, Herkunft, Behinderung, Religion oder sexueller Identität, diskriminierungsfrei leben können. Der Abbau von Diskriminierung, Homo- und Transphobie ist Querschnittsaufgabe der Landesregierung. Wir werden die Umsetzung eines Aktionsplans gegen Homo- und Transphobie kontinuierlich vorantreiben. Die LSBTTI-Nichtregierungsorganisationen sind dabei 146 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 6342 6343 6344 6345 6346 6347 6348 6349 6350 6351 6352 6353 6354 6355 6356 6357 6358 6359 6360 6361 6362 6363 6364 6365 6366 6367 6368 6369 6370 6371 6372 6373 6374 6375 6376 6377 6378 6379 6380 6381 6382 6383 6384 unsere wichtigsten Partner. Die Arbeit der unterschiedlichen Verbände, Beratungsstellen, regionalen und landesweiten Projekte im Bereich Selbsthilfe, Akzeptanzförderung, Antigewaltarbeit, Coming-out-Arbeit für Menschen mit Migrationsgeschichte und Beratung von Diskriminierungsopfern sowie Beratung von Regenbogenfamilien wollen wir unterstützen, stärken und vernetzen. In Verbindung damit wollen wir zur Förderung der Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Lebensweisen eine landesweite Akzeptanzkampagne in NRW initiieren, die sich an die Allgemeinbevölkerung in NRW wendet. Um auch gerade in ländlichen Gegenden eine effektive Akzeptanzarbeit und hilfreiche Selbstorganisation leisten zu können, wollen wir die ehrenamtlichen Projekte im ländlichen Raum stärken. Wir sind uns einig, dass Jugendliche bei der Entwicklung ihrer Identität in Schule und Jugendhilfe besondere Unterstützung brauchen. Wir stellen dies, unter Berücksichtigung im Kinder und Jugendförderplan und durch Sicherung des Projektes Schule ohne Homophobie und des Landesprojekts SchLAu NRW sicher. Wir wollen die Gender- und Queerkompetenzen in allen pädagogischen Berufen stärken und sie zu einem festen Bestandteil der Aus-, Fort- und Weiterbildung machen. LSBTTI soll Eingang in die Lehrpläne finden und in den Lehr- und Lernmaterialien berücksichtigt werden. Auch in der außerschulischen Jugendarbeit setzen wir uns für eine verstärkte Sensibilisierung für LSBTTI-Belange ein. Besonders im Bereich der Trans- und Intersexualität gibt es in unserer Gesellschaft noch tiefsitzende Vorurteile, die sicherlich zu einem nicht unerheblichen Teil auf Unwissenheit zurückzuführen sind. Wir wollen die Akzeptanz und das Selbstbestimmungsrecht von trans- und intersexuellen Menschen in unserer Gesellschaft stärken und Beratungsangebote für Trans- und Intersexuelle fördern. Wir wollen darauf hinwirken, dass die Empfehlungen des Deutschen Ethikrates zur Intersexualität Eingang in Recht und Praxis finden. Unser Ziel ist die vollständige rechtliche Gleichstellung aller Menschen in NRW unabhängig von ihrer sexuellen Identität. Dies umfasst alle Rechtsbereiche, insbesondere das Adoptions- und Steuerrecht sowie die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare und die Ergänzung des Art. 3 des Grundgesetzes um das Merkmal sexuelle Identität. Wir werden uns auf der Bundesebene für die Aufhebung der Unrechtsurteile die zwischen 1949 und 1994 auf der Basis des § 175 StGB in Deutschland gefällt worden sind einsetzen. In diesem Zusammenhang bedarf es einer gründlichen Aufarbeitung sowie einer angemessenen Wiedergutmachung. Des Weiteren werden wir uns für die Reform des Transsexuellen-Gesetzes einsetzen. 147 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 6385 6386 6387 6388 IX. Kommunen,Innen,Justiz 6389 6390 6391 6392 6393 6394 6395 6396 6397 6398 6399 6400 6401 6402 6403 6404 6405 6406 6407 6408 6409 6410 6411 6412 6413 6414 6415 6416 6417 6418 6419 6420 6421 6422 6423 6424 6425 6426 Für handlungsfähige Kommunen und eine lebendige Demokratie in Nordrhein‐Westfalen Unsere Städte und Gemeinden sind das Fundament unseres Landes. Nirgendwo wird Politik so unmittelbar wahrgenommen wie in unseren Kommunen. Sie sind es, die für die Daseinsvorsorge verantwortlich sind und den Alltag der Menschen prägen. Daher ist es eine Pflicht, aber auch ein Merkmal guter Landespolitik, dieses Fundament zu stärken und zukunftsfest zu machen. In den Kommunen entscheidet sich zu großen Teilen, ob und wie unsere Gesellschaft den ökonomischen Strukturwandel bewältigt, den sozialen und demografischen Wandel meistert und den Klimawandel wirksam bekämpft. Dies gilt für die ländlichen Regionen und die großen Städte gleichermaßen. Gerade deshalb brauchen wir hier den Mut und die Möglichkeiten zu strukturellen Veränderungen. Was wir heute in vorsorgende Strukturen der Städte und Gemeinden investieren, wird sich mittel- und langfristig auszahlen. Das entlastet zukünftig unsere Kommunen und stärkt unsere Gesellschaft. Daher werden wir die kommunale Selbstverwaltung weiter stärken und die Handlungsfähigkeit unserer Kommunen erweitern. Wir haben den Raubzug der schwarz-gelben Landesregierung durch die kommunalen Kassen beendet und ermöglichen den Gemeinden, sich finanziell zu konsolidieren. Eine lebendige Demokratie macht Betroffene zu Beteiligten und ermöglicht ihre Einbeziehung in wichtige politische und gesellschaftliche Entscheidungen. Gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe, die Wertschätzung bürgerschaftlichen Engagements und wirksame Mitwirkungsmöglichkeiten sind der Schlüssel, um die Menschen in den Städten und Gemeinden für die kommunale Demokratie zu begeistern. Wir nehmen die Stärkung der kommunalen Demokratie in den letzten zwei Jahren zum Vorbild für die Erweiterung der Beteiligungsrechte auf der Landesebene. Dies gilt ebenso für die direkte Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger wie ihrer gewählten Vertreterinnen und Vertreter. Im Rahmen einer überparteilichen Verfassungskommission wollen wir neben der Senkung der Hürden für Volksbegehren und -initiativen und der Herabsenkung des Wahlalters auf 16 Jahre grundsätzlich die Regelungen der Verfassung auf ihre Zeitgemäßheit überprüfen. Der Bericht der durch den Landtag eingerichteten Geschäftsordnungskommission soll hier einfließen. 148 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 6427 6428 6429 6430 6431 6432 Wir begrüßen es, wenn Kommunen sich aktiv in die Landespolitik einbringen. Sie leisten damit einen wertvollen Beitrag, NRW gemeinsam weiterzuentwickeln. Daher werden wir alle wesentlichen Reformen, die Städte und Gemeinden in NRW betreffen, in enger Abstimmung mit den Verantwortlichen aus den Kommunen und den sie vertretenden kommunalen Spitzenverbänden entwickeln und umsetzen. 6433 6434 6435 6436 6437 6438 6439 6440 6441 6442 6443 6444 6445 6446 6447 6448 6449 6450 6451 6452 6453 6454 6455 6456 6457 6458 6459 6460 6461 6462 6463 6464 6465 6466 6467 6468 6469 6470 WirstehenfürhandlungsfähigeKommunen Die kommunale Finanzsituation ist entscheidend für die Handlungsfähigkeit der Städte und Gemeinden in NRW. Nach einer krisenhaft zugespitzten Situation der kommunalen Haushalte bundesweit wie in NRW bis zum Jahr 2010 ist durch die konjunkturelle Entwicklung eine leichte Entspannung erkennbar. Ein durchgreifender Abbau der strukturellen Defizite ist damit jedoch trotz aller Anstrengungen der Kommunen selbst wie auch der Landesregierung noch nicht verbunden. Unser Ziel bleibt es, für alle Kommunen eine verlässliche und aufgabenadäquate Finanzausstattung zu erreichen. Unser Wort gilt: Die Kommunalfinanzierung bleibt auf hohem Niveau Die rot-grünen Koalition war gut für die Entwicklung der kommunalen Finanzen. Noch nie hat eine Landesregierung die Kommunen so intensiv finanziell unterstützt: Auf allein 815 Mio. € beläuft sich das strukturelle Einnahmeplus im Jahr 2012 aufgrund der neuen Politik von Rot-Grün gegenüber der Situation vor dem Regierungswechsel 2010. Wir haben durch den „Aktionsplan Kommunalfinanzen“ und den Stärkungspakt Stadtfinanzen sowie die Reform des Nothaushaltsrechts wichtige Beiträge zur Wiederherstellung der finanziellen Handlungsfähigkeit der Städte und Gemeinden – insbesondere der vom Strukturwandel besonders betroffenen Kommunen – geleistet. In NRW haben wir damit eine Trendwende bei der Kommunalfinanzierung eingeleitet. An diesem Kurs werden wir auch in der neuen Wahlperiode festhalten. Kommunale Selbstverwaltung braucht eine verlässliche Finanzierung Die kommunale Selbstverwaltung schließt eine auskömmliche Finanzausstattung ein. Deswegen werden wir die landespolitische Umsetzung der Schuldenbremse so gestalten, dass die Städte und Gemeinden nicht zu Ausfallbürgen des Landes bei der Erreichung dieses Zieles werden. Gleiches gilt für neue oder erweiterte staatliche Aufgabenzuweisungen an die Kommunen. „Wer die Musik bestellt, bezahlt“ – diese Grundaussage der Konnexität zwischen Aufgaben und dazugehöriger Ausfinanzierung ist Grundlage einer guten und erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen den staatlichen Ebenen und den Kommunen. Wie in der vergangenen Wahlperiode werden wir diese strikte 149 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 6471 6472 6473 6474 6475 6476 6477 6478 6479 6480 6481 6482 6483 6484 6485 6486 6487 6488 6489 6490 6491 6492 6493 6494 6495 6496 6497 6498 6499 6500 6501 6502 6503 6504 6505 6506 6507 6508 6509 6510 6511 6512 6513 6514 Konnexität weiter anwenden. Eine umgehungssichere Ausgestaltung der landesrechtlichen Konnexitätsbestimmungen und der Einsatz gegenüber dem Bund, dieser Anforderung auch bei seiner Gesetzgebung strukturell gerecht zu werden, gehören zusammen. Wir fordern als Anwalt der Kommunen die Verantwortung des Bundes ein Die Städte und Gemeinden in NRW bleiben auch nach den massiven Anstrengungen des Landes in den vergangenen zwei Jahren strukturell unterfinanziert. Grund ist, dass in den vergangenen drei Jahrzehnten immer mehr staatliche Sozialtransferleistungen ohne entsprechende Ausfinanzierung vom Bund an die Städte und Gemeinden übertragen worden sind. Mit einem Gesamtvolumen von über 40 Mrd. Euro sind die Kommunen inzwischen neben den Sozialversicherungen der zweite große Sozialleistungsträger in Deutschland. Die Folgen des Strukturwandels und damit steigender Sozialleistungen werden insbesondere im Ruhrgebiet und im Bergischen Städtedreieck spürbar. Die Belastungen treten deshalb gerade in NRW besonders deutlich zu Tage. Statt mit Steuergeschenken die Einnahmen von Land und Kommunen zu verringern, muss der Bund endlich seine Verantwortung für die aufgabenadäquate Finanzierung seiner Entscheidungen gegenüber den Städten und Gemeinden übernehmen. Die Beteiligung des Bundes an der Finanzierung der Sozialtransferleistungen ist die Grundvoraussetzung für die nachhaltige Gesundung der Kommunalfinanzen in NRW. Wir machen uns als Regierungskoalition deshalb die fraktionsübergreifende Forderung des Landtags nach einer Beteiligung an den Sozialtransferleistungen der Kommunen von mindestens 50% durch den Bund zu Eigen und werden hierzu gezielte Bundesratsinitiativen ergreifen: Die schrittweise Übernahme der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (SGB XII) muss ergänzt werden durch eine maßgebliche Beteiligung an der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung (SGB IX) im Rahmen eines Bundesteilhabegeldes sowie eine stärkere Beteiligung des Bundes an den Kosten der Unterkunft (SGB II). Die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftssteuer, die zu einer Verstetigung der Einnahmen führt, und eine Reform der Grundsteuer, die mehr Steuergerechtigkeit schafft, werden weitere konkrete Initiativen der Landesregierung gegenüber dem Bund sein, um die kommunale Finanzsituation nachhaltig zu sichern. Unser Verteilungsmaßstab lautet Bedürftigkeit und nicht Himmelsrichtung Nordrhein-Westfalen hat solidarisch die Entwicklung anderer Länder über den Länderfinanzausgleich mitfinanziert, solidarisch finanzieren das Land NRW und die 150 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 6515 6516 6517 6518 6519 6520 6521 6522 6523 6524 6525 6526 6527 6528 6529 6530 6531 6532 6533 6534 6535 6536 6537 6538 6539 6540 6541 6542 6543 6544 6545 6546 6547 6548 6549 6550 6551 6552 6553 6554 6555 6556 6557 6558 nordrhein-westfälischen Kommunen die Entwicklung der ostdeutschen Bundesländer seit der Einigung im Rahmen des „Solidarpakt Ost“ mit. Solidarität ist keine Einbahnstraße. Dort, wo heute in nordrhein-westfälischen Städten und Gemeinden die gleichen strukturellen Problemlagen existieren, müssen gleiche Förderbedingungen gegeben sein. Wir werden uns daher dafür einsetzen, dass Bundesprogramme, die den Strukturwandel in den Städten und Gemeinden unterstützen, wieder auf einen akzeptablen Stand angehoben werden und ihre Verteilung nach Bedürftigkeit erfolgt. Bereits heute hilft der Bund darüber hinaus, die unterschiedliche Finanzkraft der Länder auszugleichen. Dabei werden Finanzkraft und Finanzbedarf der Gemeinden und Gemeindeverbände berücksichtigt. Wir fordern der besonders schwierigen Finanzsituation der Kommunen in unserem Land durch eine Neuausrichtung der Instrumente des Finanzausgleichsrechts Rechnung zu tragen. Wir gestalten den kommunalen Finanzausgleich verlässlich und gerecht Den im Gemeindefinanzierungsgesetz verankerten Kommunalen Finanzausgleich werden wir aufgabengerecht weiterentwickeln. Dabei bleiben ein Verbundsatz von 23% und die Funktion des Ausgleichs von strukturellen Ungleichheiten zwischen den Städten und Gemeinden in NRW Grundlage für eine gerechte Gemeindefinanzierung. Das Gemeindefinanzierungsgesetz 2012 werden wir unverändert wieder einbringen und im Rahmen der anstehenden Haushaltsberatungen zügig beschließen. Nach der längst überfälligen Anpassung des Soziallastenansatzes und der Einführung eines Flächenansatzes sowie eines Demografiefaktors werden wir auf der Grundlage der vereinbarten Begutachtung die weitere zukunftsorientierte Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs im engen Dialog mit den Kommunalen Spitzenverbänden entwickeln. Wir unterstützen mit dem Stärkungspakt Stadtfinanzen nachhaltig Mit dem Stärkungspakt Stadtfinanzen unterstützt die nordrhein-westfälische Landesregierung die Konsolidierung der Haushalte in den 61 von der kommunalen Finanznot strukturell besonders betroffenen Kommunen aktuell rd. 465 Mio. €. Wir werden diesen Stärkungspakt bis 2014 vereinbarungsgemäß auf rd. 660 Mio. € jährlich aufstocken und damit dafür sorgen, dass die Kommunen der zweiten Stufe die gleiche prozentuale Unterstützung erhalten, wie dies für die Kommunen der erste Stufe der Fall ist. 151 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 6559 6560 6561 6562 6563 6564 6565 6566 6567 6568 6569 6570 6571 6572 6573 6574 6575 6576 6577 6578 6579 6580 6581 6582 6583 6584 6585 6586 6587 6588 6589 6590 6591 6592 6593 6594 6595 6596 6597 6598 6599 6600 6601 6602 Ziel ist es, damit nachhaltige Konsolidierungsstrategien auch in den Städten und Gemeinden zu ermöglichen, die aus eigener Kraft diese Aufgabe nicht mehr bewältigen können. Dies setzt deutliche Konsolidierungsmaßnahmen ausdrücklich voraus. Ein Kaputtsparen bei der öffentlicher Infrastruktur sowie sozialen und kulturellen Aufgaben lehnen wir ab. Betriebsbedingte Kündigungen und Ausbildungsverbote werden weiterhin nicht von den Kommunen erwartet. Nach 350 Mio. Euro zusätzlicher Landesfinanzierung und 115 Mio. Euro, die aus zusätzlichen kommunalspezifischen Einnahmen gespeist werden, wird auch der Restbetrag von 195 Mio. Euro nicht über eine ausgleichslose Befrachtung des GFG erfolgen. Der kommunale Anteil soll stattdessen von den nachhaltig finanzstarken Kommunen im Wege einer Solidaritätsumlage aufgebracht werden. Die Umlage werden wir so ausgestalten, dass sie für die betroffenen Kommunen tragbar ist und keine neuen Haushaltsnotlagen entstehen. Der Stärkungspakt verlangt als gemeinsamer Kraftakt Anstrengungen aller Ebenen. Kreise und Landschaftsverbände sind davon nicht ausgenommen. Die Beteiligung der Umlageverbände an der Konsolidierung sowie die Durchleitung der durch die Übernahme von Sozialtransferkosten von Bundesseite erzielten Einsparungen muss dabei ebenso gewährleistet werden wie die Sanierung überschuldeter Kreise. Wir werden deshalb als eine der ersten Maßnahmen den Entwurf für ein Umlagengenehmigungsgesetz wieder einbringen. Die planmäßig vorgesehene Evaluation des Stärkungspaktgesetzes im Jahr 2014 werden wir dazu nutzen, die Erfahrungen und Entwicklungen die bis zu diesem Zeitpunkt auszuwerten und ggf. Anpassungen im Gesetz zu verankern. Wir gestalten die Beteiligung an den Kosten der Einheit gerecht Die Entscheidung des nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshofes über die Verfassungswidrigkeit des vom Landtag mit den Stimmen von CDU und FDP im Frühjahr 2010 verabschiedeten Einheitslastenabrechnungsgesetzes macht eine kurzfristige, verfassungskonforme Novellierung notwendig. Wir wollen gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden eine für beide Seiten faire Regelung unter Berücksichtigung des Urteils erarbeiten und zügig umsetzen. Kommunales Haushaltsrecht schnell reformieren und Standards überprüfen Die Novellierung des Nothaushaltsrechts in § 76 der NRW-Gemeindeordnung hat für die Kommunen endlich eine Perspektive zur Wiedererlangung der finanziellen Handlungsfähigkeit eröffnet. Wir setzen diesen Weg fort, indem wir kurzfristig den Entwurf einer Novellierung des Kommunalen Haushaltsrechts wieder in den Landtag einbringen. 152 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 6603 6604 6605 6606 6607 6608 6609 6610 6611 6612 6613 6614 6615 6616 6617 6618 6619 6620 6621 6622 6623 6624 6625 6626 6627 6628 6629 6630 6631 6632 6633 6634 6635 6636 6637 6638 6639 6640 6641 6642 6643 6644 6645 Wir wollen eine Überprüfung der Standards in NRW, um Einsparmöglichkeiten auf kommunaler Ebene bei Erhalt einer fachlich notwendigen Aufgabenerledigung vornehmen zu können bzw. weiteren Kostensteigungen vorzubeugen. WirstärkendiekommunaleDaseinsvorsorge Neben öffentlich-rechtlichen Leistungsträgern erbringen kommunale Unternehmen essentielle Dienstleistungen wie die Wasserversorgung oder die Belieferung mit Energie für die Bürgerinnen und Bürger. Kommunale Unternehmen sichern in unseren Städten und Gemeinden für alle Menschen Mobilität durch einen bezahlbaren öffentlichen Nahverkehr, entsorgen unsere Abfälle fach- und umweltgerecht, halten preiswerten Wohnraum vor oder stellen Sportstätten und Bäder bereit. Darüber hinaus schaffen und sichern sie direkt und indirekt Arbeitsplätze in unseren Kommunen und sind wichtige Partner der kommunalen Infrastrukturpolitik. Nicht zuletzt erwirtschaften sie positive finanzielle Beiträge zur Stärkung der kommunalen Haushalte. Aus diesen Gründen werden wir die Städte und Gemeinden bei deren Bemühungen um eine stetige Verbesserung der Leistungen und der Effizienz ihrer kommunalen Unternehmen aktiv begleiten. Wir begrüßen die Bestrebungen vieler Kommunen, ihre Energienetze wieder selbst zu betreiben und unterstützen sie dabei. Wir haben in der Zeit seit 2010 das Kommunalwirtschaftsrecht durch Änderungen der Gemeindeordnung wieder so reformiert, dass die kommunalen Unternehmen ihre vielfältigen Aufgaben ohne zusätzliche „Fesseln“ im Wettbewerb erfüllen können. Wir werden uns weiterhin für den Erhalt der Umsatzsteuerfreiheit gebührenrechnender kommunaler Betriebe sowie für den Beibehalt des steuerlichen Querverbundes einsetzen. Unser besonderes Augenmerk werden wir darauf richten, dass unsere Städte und Gemeinden ihrer Rolle als Verantwortliche für die kommunale Daseinsvorsorge voll gerecht werden können und nicht durch Bundespolitik oder europäische Gesetzgebung in ihrer Freiheit, die kommunal beste Lösung zu wählen, eingeschränkt werden. Wir wollen die kommunalen Unternehmen so stärken, dass sie den Herausforderungen auch in Zukunft erfolgreich begegnen und ihre Aufgaben im Bereich der Daseinsvorsorge erfüllen können. Öffentliche Unternehmen haben eine Vorreiterrolle bei der Sicherstellung der Arbeitnehmermitbestimmung. Deswegen haben wir mit dem neuen § 108a GO sichergestellt, dass die Beteiligung von Arbeitnehmervertreterinnen und Arbeitnehmervertreter auch in fakultativen Aufsichtsräten rechtssicher ausgestaltet werden kann. Den Problemen in der kommunalen Praxis werden wir mit einer Anpassung der Regelungen begegnen. 153 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 6646 6647 6648 6649 6650 6651 6652 6653 6654 6655 6656 6657 6658 6659 6660 6661 6662 6663 6664 6665 6666 6667 6668 6669 6670 6671 6672 6673 6674 6675 6676 6677 6678 6679 6680 6681 6682 6683 6684 6685 6686 6687 Auch bei den Anstalten öffentlichen Rechts nach § 114a GO werden wir die Mitbestimmung der Vertretungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ermöglichen. StadtundLand:WirstehenfüreinelebendigeDemokratie Betroffene zu Beteiligten zu machen bleibt auch und gerade bei kommunalen Gestaltungsfragen der Schlüssel dazu, Bürgerengagement zu fördern, Identifikation mit dem eigenen Lebensumfeld zu stiften und Akzeptanz für wichtige Planungen vor Ort zu schaffen. Dies gilt gleichermaßen für die Mitwirkung in den Selbstverwaltungsgremien der Städte und Gemeinden wie für die direkte Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an Entscheidungen. Wir haben deshalb die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger an den politischen Prozessen auf kommunaler Ebene verbessert. Mit der Wiedereinführung der Stichwahl und der Ermöglichung der direkten Abwahl sowie mit der Senkung der Schwellen für Bürgerbegehren und -entscheide, haben wir die direkte Einflussnahme der Bürgerinnen und Bürger auf die Entscheidungen vor Ort deutlich gestärkt und das Verhältnis zwischen repräsentativer und direkter Demokratie auf der kommunalen Ebene neu justiert. NRW bleibt auch in der neuen Wahlperiode Vorreiter der lebendigen Demokratie und Bürgerbeteiligung. Wir wollen die gelungene Balance zwischen repräsentativer und direkter Demokratie auf die Landesebene übertragen. Unsere Leitlinie bleibt dabei die Stärkung direktdemokratischer Mitwirkungs- und Mitentscheidungsrechte in eine enge Beziehung zu setzen mit der Stärkung der gewählten Volksvertreterinnen und Volksvertreter in ihrer Funktion. Wir setzen auf die kommunale Verantwortungsgemeinschaft Rat, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie Kreistag, Landrätinnen und Landräte bilden eine Verantwortungsgemeinschaft. Dies wollen wir zukünftig wieder in einer zeitgleichen Wahl zum Ausdruck bringen. Die Zusammenführung der Wahl der (Ober)Bürgermeisterinnen und (Ober)Bürgermeister sowie Landrätinnen und Landräte mit den Wahlen der Räte und Kreistage im Jahr 2020 werden wir in einem Gesetzentwurf kurzfristig vorlegen. Dabei werden wir auch die einmalige freiwillige Niederlegung des Amtes zeitgleich zur im Jahr 2014 stattfindenden Kommunalwahl ermöglichen. 154 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 6688 6689 6690 6691 6692 6693 6694 6695 6696 6697 6698 6699 6700 6701 6702 6703 6704 6705 6706 6707 6708 6709 6710 6711 6712 6713 6714 6715 6716 6717 6718 6719 6720 6721 6722 6723 6724 6725 6726 6727 6728 6729 6730 6731 Starke Räte sind wichtig für das Funktionieren unserer Kommunen. Wir wollen deshalb die Informations- und Kontrollrechte der Räte bzw. Kreistage ausbauen. Bei den Kreisen wollen wir zusätzlich die Einrichtung der Funktion von gewählten Beigeordneten ermöglichen. Nach vielen Jahren des Wirkens der „von unten“ durchgesetzten kommunalen Seniorenbeiräte steht deren Bedeutung vielerorts nicht mehr in Frage. Wir werden die Gemeindeordnung um eine Regelung zur freiwilligen Bildung von Seniorenbeiräten ergänzen. Die Ausgestaltung ist entsprechend der Vielfalt der Beteiligungsmöglichkeiten in den Kommunen und Kreisen zu regeln. Wir stärken das kommunale Ehrenamt Die kommunale Demokratie braucht engagierte Menschen, die sich für ihr Gemeinwesen einsetzen. Weil bürgerschaftliches Engagement immer schwerer mit den Anforderungen von Beruf und Privatleben in Einklang zu bringen ist, werden wir die Rahmenbedingungen des kommunalen Ehrenamtes verbessern. Wir werden deshalb das kommunale Ehrenamt in Räten, Bezirksvertretungen und Landschaftsverbänden weiter stärken. Dazu werden wir zügig den vorliegenden Gesetzentwurf, erweitert um die einvernehmlichen Vorschläge der kommunalpolitischen Vereinigungen (z.B. Haushaltsentschädigung und Herausnahme von freizustellenden Tätigkeiten des Ehrenamts aus dem Nebentätigkeitsrecht) wieder einbringen. Weitere Reformen zur Stärkung des kommunalen Ehrenamts und der Räte insgesamt werden in einer neuen Expertenkommission behandelt. Probleme, die sich aus Schichtarbeit und für Freiberuflerinnen und Freiberufler ergeben, werden dabei mit dem Ziel einer Lösung besonders überprüft. Wir ermöglichen den Ausbau der interkommunalen Zusammenarbeit Interkommunale Zusammenarbeit ist vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und knapper Kassen eine Chance für mehr Effizienz und für die Verbesserung in der Qualität in der Aufgabenerledigung. Mit der Novellierung des Gesetzes zur kommunalen Gemeinschaftsarbeit und anderer Fachgesetze wollen wir eine stärkere interkommunale Zusammenarbeit ermöglichen. Gleichzeitig wollen wir einen Listenausgleich im Zweckverbandsrecht ermöglichen. Darüber hinaus wird die Koalition im Rahmen einer Bundesratsinitiative gesetzliche Änderungen hinsichtlich der neuen – die interkommunale Zusammenarbeit erschwerenden – umsatzsteuerlichen Einordnung öffentlicher Leistungen durch die Rechtsprechung einbringen 155 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 6732 6733 6734 6735 6736 6737 6738 6739 6740 6741 6742 6743 6744 6745 6746 6747 6748 6749 6750 6751 6752 6753 6754 6755 6756 6757 6758 6759 6760 6761 6762 6763 6764 6765 6766 6767 6768 6769 6770 6771 6772 6773 6774 6775 Die gesetzlich verfassten Kommunalverbände in NRW sind wichtige Bindeglieder zwischen den Kommunen und stärken sie durch die gemeinsame Aufgabenwahrnehmung. Wir werden den RVR in seiner Funktion und in seinen Aufgaben als starke Klammer für das Ruhrgebiet stärken und ihn in seinen Strukturen durch eine Novellierung des RVR-Gesetzes weiterentwickeln. Die Landschaftsverbände als höhere Kommunalverbände genießen Bestandsschutz. Wir stärken die direkte Demokratie auch auf der Landesebene Bürgerinnen und Bürger in NRW sollen mit Hilfe von Volksbegehren, Volksentscheid und Volksinitiative direkter an politischen Entscheidungen mitwirken können. Deshalb wollen wir das Quorum für ein Volksbegehren deutlich absenken und finanzwirksame Volksbegehren zulassen. Die Durchführung von Volksinitiativen werden wir vereinfachen und sie bei Ablehnung durch den Landtag nicht ins Leere laufen lassen. Wir wollen das Wahlalter auch bei Landtagswahlen senken Wer junge Menschen für Politik und für die Auseinandersetzung mit wichtigen Zukunftsfragen gewinnen und ihnen Verantwortung übertragen will, muss sie daran beteiligen. Junge Menschen ab 16 Jahren sollen bei den Landtagswahlen mitwählen können, denn wer reif genug für die Kommunalwahlen, ist es auch für die Landtagswahlen. SicherheitstärkenundFreiheitgewährleisten Wir sichern die Zukunftsfähigkeit des öffentlichen Dienstes Wir wollen einen starken öffentlichen Dienst als wesentliche Voraussetzung für einen handlungsfähigen, bürgerfreundlichen Staat und als wichtige Säule für ein demokratisches und friedliches Zusammenleben. Hierfür brauchen wir motivierte und qualifizierte Beschäftigte, denen wir in den letzten Jahren einen großen und zum Teil spürbaren Beitrag zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte abverlangt haben. Diesen geleisteten Beitrag der Beschäftigten erkennen wir ausdrücklich an. In Abstimmung mit den Spitzenorganisationen und Gewerkschaften wollen wir unverzüglich nach der Sommerpause 2012 beginnen, das Dienstrecht in zwei Stufen weiterzuentwickeln und zu modernisieren. In einer ersten Stufe werden wir die rechtlich zwingenden Veränderungen (WBesoldung, Regelaltersgrenze/Rentenrecht, Urlaubsansprüche, Lehrkräfte Sekundarschule) vornehmen. 156 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 6776 6777 6778 6779 6780 6781 6782 6783 6784 6785 6786 6787 6788 6789 6790 6791 6792 6793 6794 6795 6796 6797 6798 6799 6800 6801 6802 6803 6804 6805 6806 6807 6808 6809 6810 6811 6812 6813 6814 6815 6816 6817 In der zweiten Stufe wollen wir durch frühzeitige, vertrauensvolle Zusammenarbeit gemeinsam Regelungen erarbeiten, die die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes gewährleisten, die Attraktivität des Arbeitgebers öffentlicher Dienst steigern und die Interessen der Beschäftigten sichern. Dazu gehören Veränderungen des Laufbahnrechts, Durchlässigkeit zwischen öffentlichem und privatem Sektor, flexible Arbeitszeitmodelle und die Begleitung von beispielhaften Praxisprojekten zur Gestaltung altersgerechter Arbeitsbedingungen und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Im Sinne einer modernen öffentlichen Verwaltung wollen wir Frauen attraktive Arbeitsbedingungen bieten und gleiche Karrierechancen ermöglichen. Wir verstehen ein umfassendes strategisches Gesundheitsmanagement als eine Aufgabe aller Landesbehörden und werden die Umsetzung aktiv fördern, um die Wiedereingliederung von kranken Beamtinnen und Beamten in den Dienst zu verbessern. Wir sichern die Zukunftsfähigkeit der Feuerwehren und des Katastrophenschutzes Der Feuer- und Katastrophenschutz in NRW ist im bundes- und europaweiten Vergleich gut aufgestellt und genießt in der Öffentlichkeit großes Vertrauen und hohes Ansehen. Zu verdanken ist dies insbesondere dem Engagement und dem Leistungsstand der ca. 120.000 haupt- und vor allem ehrenamtlichen Angehörigen der Feuerwehren und Hilfsorganisationen. Wir unterstützen die Feuerwehren mit Nachdruck bei der Nachwuchsförderung und Jugendarbeit, indem wir u.a. in einem modernen Feuerschutzrecht die Einrichtung von so genannten "Kinderfeuerwehren" ermöglichen und die inhaltliche Arbeit der etablierten Jugendfeuerwehren fördern. Bei der erforderlichen FSHG-Novellierung wollen wir den Aufgabenbereich des Katastrophenschutzes stärker betonen und die Regelungen zum Feuerschutz anpassen. Durch eine Image- und Personalwerbekampagne werden wir das Engagement von Feuerwehren und Kommunen bei der Gewinnung neuer Mitwirkender (insbesondere Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund) flankieren. Um der ehrenamtlichen Arbeit unserer Feuerwehren größere Wertschätzung entgegen zu bringen und insbesondere die lebenswichtige Funktion der Freiwilligen Feuerwehren im ländlichen Raum stärker zu betonen, werden wir Pilotprojekte zur Stärkung des Ehrenamtes in der Feuerwehr gemeinsam mit dem Verband der Feuerwehren initiieren. 157 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 6818 6819 6820 6821 6822 6823 6824 6825 6826 6827 6828 6829 6830 6831 6832 6833 6834 6835 6836 6837 6838 6839 6840 6841 6842 6843 6844 6845 6846 6847 6848 6849 6850 6851 6852 6853 6854 6855 6856 6857 6858 6859 6860 6861 Wir begrüßen den mit den Betroffenen gefundenen Konsens für eine qualifizierte Ausbildung zum Führen von Einsatzfahrzeugen. Die Umsetzung soll schnellstmöglich beginnen. Wir fördern moderne Verwaltungsstrukturen und bauen Bürgernähe aus Nordrhein-Westfalen muss als Flächenstaat eine bürgernahe staatliche Verwaltungsstruktur sicherstellen. Darum werden wir die fünf Bezirksregierungen als starke Bündelungsbehörden in der Mittelinstanz mit ihren bewährten Strukturen und dem Querschnittspersonal erhalten. Die flächendeckende Abschaffung von Widerspruchsverfahren hat den Rechtsschutz der Bürgerinnen und Bürger eingeschränkt, den bewährten Dialog zwischen ihnen und der Verwaltung geschwächt und die Verwaltungsgerichte in NRW erheblich belastet. Deshalb werden wir Widerspruchsverfahren dort wieder einführen, wo dies nach sorgfältiger Prüfung sinnvoll ist. Als Konsequenz aus der Katastrophe bei der Love Parade 2010 in Duisburg hat die Landesregierung die Anforderungen an die Prüfung der Sicherheit von Großveranstaltungen (im Freien) erhöht und die Vorlage von Sicherheitskonzepten im Einvernehmen mit Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst vorgeschrieben. Wir haben die Kompetenzen der Genehmigungsbehörden gestärkt und werden in Abstimmung mit den Kommunalen Spitzenverbänden und den betroffenen Interessengemeinschaften einen Orientierungsrahmen vorlegen, der den Kommunen Hilfestellung bietet, ihre Planungs-, Genehmigungs- und Kontrollprozesse für Großveranstaltungen zu optimieren und die Verantwortlichkeiten bei der Sicherheitskontrolle klar beschreibt. Informationstechnik modernisieren und den Datenschutz fortentwickeln Die Bedeutung der Informationstechnik für eine moderne Verwaltung ist heute stärker denn je. Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaft, Verbände und Vereine erwarten von der Verwaltung qualitativ hochwertige Dienstleistungen, kurze Wege und eine schnelle Bearbeitung ihrer Anliegen. All das ist nur möglich mit einer sicheren, zuverlässigen und gut ausgestatteten IT-Struktur. Eine diesen Ansprüchen genügende Informationstechnik ist aber auch Voraussetzung und Motor für Kosteneinsparungen in der Verwaltung. Wir werden daher den Weg einer Bündelung von IT-Strukturen und IT-Kompetenzen in der Landesverwaltung konsequent fortsetzen. Die Datenmissbrauchsskandale der jüngeren Vergangenheit offenbaren massive Lücken beim Schutz persönlicher Daten. Der Schutz des Rechts auf informationelle 158 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 6862 6863 6864 6865 6866 6867 6868 6869 6870 6871 6872 6873 6874 6875 6876 6877 6878 6879 6880 6881 6882 6883 6884 6885 6886 6887 6888 6889 6890 6891 6892 6893 6894 6895 6896 6897 6898 6899 6900 6901 6902 6903 6904 6905 Selbstbestimmung hat für uns einen zentralen Stellenwert. Wir wollen alle Bürgerinnen und Bürger besser vor Datenmissbrauch schützen und ihre informationelle Selbstbestimmung stärken. Daher haben wir in der letzten Legislaturperiode die Datenschutzaufsicht, insbesondere im nichtöffentlichen Bereich, und die Unabhängigkeit des Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit gestärkt. Der Datenschutz hat für uns auch weiterhin einen hohen Stellenwert. Wir werden uns auf Bundesebene für ein modernes Datenschutzgesetz einsetzen, das festlegt, dass Kundinnen- und Kundendaten nicht ohne explizite Einwilligung weitergegeben und verarbeitet werden dürfen und die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besser geschützt werden müssen. So hilft Datenschutz auch bei der Bekämpfung und Eindämmung von Wirtschaftskriminalität durch Datenhandel. Wir begrüßen die Entwicklungen auf europäischer Ebene, den Datenschutz sowohl im öffentlichen wie auch im nicht-öffentlichen Bereich zu stärken und Strafen bei Missachtung zu erhöhen. Um die Datenschutzstandards in den Unternehmen zu verbessern, wollen wir den Dialog zwischen Wirtschaft, Behörden und dem Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit in Form einer Landesdatenschutzkonferenz organisieren. Sie soll bei der Erarbeitung eines NRW-Datenschutzsiegels helfen. Gemeinsam mit anderen Akteurinnen und Akteuren wollen wir die Wissens- und Kompetenzvermittlung im Bereich Datenschutz, gerade auch im Internet, ausbauen und einen selbstbestimmten und souveränen Umgang mit den eigenen Daten fördern. Wir erkennen die Arbeit der Polizei an und gestalten sie transparent Wir werben in der Gesellschaft für eine Kultur des gegenseitigen Respekts und der Wertschätzung der polizeilichen Arbeitend sind besorgt über die zunehmende Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte. Wir treten für eine konsequente und wirksame Strafverfolgung solcher Taten ein. Durch Aus- und Fortbildung sowie Ausrüstung werden wir einen größtmöglichen Schutz unserer Polizeibeamtinnen und Beamten gewährleisten. Wir setzen uns für eine Führungskultur in der Polizei ein, deren Ziel es ist, Anregungen und Beschwerden von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten konstruktiv aufzunehmen und eine Kultur des offenen Umgangs mit vorhandenen Problemen zu prägen. Dies soll in der Aus- und Fortbildung berücksichtigt werden. Um die Rechte der Bürgerinnen und Bürger auch gegenüber der Polizei zu stärken, haben wir das Beschwerdemanagement verbessert. Der eingeschlagene Weg der Landesregierung beim qualifizierten Beschwerdemanagement der Polizei NRW ist 159 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 6906 6907 6908 6909 6910 6911 6912 6913 6914 6915 6916 6917 6918 6919 6920 6921 6922 6923 6924 6925 6926 6927 6928 6929 6930 6931 6932 6933 6934 6935 6936 6937 6938 6939 6940 6941 6942 6943 6944 6945 6946 6947 6948 6949 richtig und soll weiter gefördert werden. Wir wollen es evaluieren und durch eine regelmäßige Veröffentlichung anhand eines Beschwerdeberichtes transparenter gestalten. Transparenz stärkt das Vertrauen der Bevölkerung in die Arbeit der Polizei. Wir werden unter Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Polizistinnen und Polizisten eine individualisierte anonymisierte Kennzeichnung der Polizei beim Einsatz geschlossener Einheiten einführen. Für die Polizeiarbeit sind nicht nur gut ausgebildete und motivierte Beamtinnen und Beamte notwendig sondern auch eine moderne und aufgabengerechte Ausstattung. Deswegen halten wir gemeinsam mit den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten an der beschleunigten, flächendeckenden Einführung des Digitalfunks fest. Wir wollen prüfen, inwieweit die Nutzung sozialer Medien im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der nordrhein-westfälischen Polizei stärker ermöglicht werden kann. Der demografische Wandel stellt die Polizei in NRW vor eine schwierige Situation. Um in den nächsten Jahren die Pensionierungen von jährlich bis zu 2.000 Polizistinnen und Polizisten abzufedern werden wir an der heute die Ausbildungsmöglichkeiten erschöpfenden jährlichen Einstellung von 1.400 Anwärterinnen und Anwärtern festhalten. Um die Qualität polizeilicher Arbeit vor Ort zu sichern, sind die Organisationsstrukturen fortlaufend zu optimieren .Damit sorgen wir weiterhin dafür, dass die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in NRW im Vordergrund steht. Wir stärken die Verfassung und schärfen die Instrumente im Kampf gegen Rechtsextremismus Das Bekanntwerden der menschenverachtenden NSU-Morde hat zu einem Vertrauensverlust der Bürgerinnen und Bürger in die Arbeit des Verfassungsschutzes geführt. Wir nehmen diesen Vertrauensverlust ernst und werden deshalb die Arbeit des Verfassungsschutzes in NRW transparenter und für die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbarer gestalten. Wir wollen das Verfassungsschutzgesetz NRW daher mit dem Ziel novellieren, einen modernen, transparenten und durch das Parlament umfassend kontrollierten Verfassungsschutz zu gewährleisten. Die Bürgerinnen und Bürger in NRW sollen nachvollziehen können, wie eine Behörde, die den Auftrag hat, die Verfassung der Bürgerinnen und Bürger zu schützen, in ihren Grundzügen handelt und funktioniert. Wir werden die parlamentarische Kontrolle durch personelle und sächliche Unterstützung sowie durch eine größtmögliche Transparenz wirkungsvoll erweitern. 160 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 6950 6951 6952 6953 6954 6955 6956 6957 6958 6959 6960 6961 6962 6963 6964 6965 6966 6967 6968 6969 6970 6971 6972 6973 6974 6975 6976 6977 6978 6979 6980 6981 6982 6983 In diesem Zusammenhang werden wir prüfen, ob Sitzungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) öffentlich stattfinden können. 6984 6985 6986 6987 6988 6989 RechtspolitikinNordrhein‐Westfalen 6990 6991 6992 Eine starke und effiziente Justiz braucht hoch qualifizierte und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bewusst wenden wir uns den Menschen in der Justiz zu. Nur mit ihnen gemeinsam können wir den vielfältigen und anspruchsvollen Das taktische Verhalten und technische Vorgehen der Gegner und Gegnerinnen der Demokratie hat sich verändert. Ein moderner und effektiver Verfassungsschutz muss sich darauf einstellen. Wir wollen dem Verfassungsschutz NRW die sog. QuellenTelekommunikationsüberwachung (TKÜ) ermöglichen und die gesetzliche Grundlage dafür schaffen. Eine Anwendung erfolgt erst dann, wenn die genannten technischen und rechtlichen Bedingungen erfüllt sind. Für den Einsatz einer Quellen-TKÜ sind folgende Bedingungen an die eingesetzte Software zur Durchführung unverzichtbar: Zertifizierung der Software für jeden Einzelfall nach Zugriff auf den Quelltext unter Beteiligung der G10-Kommission. Eine Nachladefunktionalität ist genauso unzulässig wie Zugriffe auf weitere Schnittstellen des Computers wie Kamera oder Tastatur. NRW setzt sich für eine Zertifizierung der Software durch eine von Weisungen unabhängige Stelle ein. Die Anforderungen an den Einsatz von V-Leuten sollen durch Richtlinien verbindlich vorgegeben werden. Wir wollen die Aufgabe des Verfassungsschutzes als gesellschaftliches Frühwarnsystem stärker nach innen und außen konturieren. Der Schutz der Verfassung ist eine Aufgabe, derer sich staatliche und zivilgesellschaftliche Akteure annehmen müssen. Den Rechtsextremismus werden wir weiterhin konsequent bekämpfen. Für den Ausstieg aus der rechtsextremistischen Szene und für eine gesellschaftliche Reintegration wollen wir mit dem Aussteigerinnen und Aussteigerprogramm des Verfassungsschutzes Hilfestellungen anbieten. Dieses soll auch für die islamistische Szene entwickelt werden. Beide Programme sollen evaluiert werden. Wir unterstützen ein NPD-Verbotsverfahren, wenn dafür die rechtlichen Voraussetzungen für ein erfolgreiches Verfahren vorliegen. Da Verbote allein nicht ausreichend sind, werden wir gleichzeitig die Prävention und den Opferschutz durch ein Landesprogramm gegen Rechtsextremismus stärken. Ziel unserer Rechtspolitik ist es, den Rechtsfrieden in unserer Gesellschaft zu sichern und Gerechtigkeit durchzusetzen. Wir werden gewährleisten, dass die nordrhein-westfälische Justiz für alle Bürgerinnen und Bürger eine effektive Rechtsprechung und zügige Vollstreckung auf hohem Niveau bietet. 161 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 6993 6994 6995 6996 6997 6998 Anforderungen der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes entsprechen. Den Herausforderungen des demografischen Wandels werden wir durch gezielte Personalentwicklung und optimiertem Gesundheitsmanagement begegnen. Wir werden weiter konsequent daran arbeiten, die die jeweiligen Betroffenen sehr belastenden befristeten Arbeitsverhältnisse in unbefristete Beschäftigung umzuwandeln. 6999 7000 7001 7002 7003 7004 Das neue LPVG war ein Erfolg und eine Bereicherung auch für die Justiz. Ein eigenständiges Landesrichter- und Staatsanwältegesetz zu schaffen, soll die Bedeutung des Berufsstandes abbilden. In das Vorhaben sollen konkrete Erkenntnisse aus der fortdauernden Prüfung von Modellen für eine selbstverwaltete Justiz ebenso einfließen, wie bestehender Raum zur Stärkung von Beteiligungsrechten genutzt werden soll. 7005 7006 7007 7008 7009 7010 7011 7012 7013 Alle Bürgerinnen und Bürger müssen unabhängig von ihrem Einkommen ihre Rechte durchsetzen können. Gleicher Zugang zum Recht setzt den gleichen Zugang auch bereits zur Rechtsberatung im Vorfeld eines Rechtsstreits voraus. Wir werden uns weiter dafür einsetzen, dass Änderungen im Prozesskosten- und Beratungshilferecht diesen Maßstäben gerecht werden. 7014 7015 7016 7017 7018 7019 Ebenfalls werden wir uns weiter für ein breiteres Angebot der Streiterledigungsverfahren einsetzen. Außer- wie vorgerichtliche Streitschlichtung wollen wir stärken, gerichtsnahe wie gerichtliche Mediation etablieren und die bestehende Struktur von Schiedsfrauen und Schiedsmännern als Streitschlichtungsangebot noch breiter als bisher in der Gesellschaft bekanntmachen und verankern. Zugang zum Recht 7020 7021 7022 7023 7024 7025 7026 7027 7028 7029 Betreuungsrecht Wir werden uns dafür einsetzen, dass eine rechtliche Betreuung nur dann eingerichtet wird, wenn dies zum Wohle der betroffenen Menschen erforderlich ist. Wir werden dafür eintreten, dass rechtliche Betreuungen vermieden werden, sofern andere Hilfen zur Verfügung stehen, und dementsprechende Strukturverbesserungen anstreben. Das Bewusstsein der Gesellschaft für ein im Interesse aller liegendes eigenverantwortliches und selbstbestimmtes Leben wollen wir durch die Stärkung der ehrenamtlichen Betreuung, des Einsatzes von Vorsorgevollmachten und der Betreuungsvereine schärfen. 7030 7031 Opferschutz 162 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 7032 7033 7034 7035 7036 7037 7038 Kein Opfer einer Straftat darf vergessen werden. Die rot-grüne Landesregierung hat erstmals einen Opferschutzbericht erstellt, der es Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht, sich einen umfassenden Überblick über die Rechtslage sowie die Maßnahmen und Projekte der Landesregierung zum Schutz und zur Unterstützung der Opfer von Straftaten in NRW zu verschaffen. Den von dem Bericht aufgezeigten weiteren Handlungsbedarf werden wir in konkrete Projekte der Verbesserung des Opferschutzes umsetzen. 7039 7040 7041 7042 7043 7044 7045 7046 7047 7048 7049 7050 7051 7052 7053 7054 7055 7056 7057 7058 7059 7060 7061 7062 7063 7064 7065 7066 7067 7068 7069 7070 7071 7072 7073 Justiz und Wirtschaftsstandort NRW Die elektronische Datenübermittlung ist heute in Wirtschaft und Gesellschaft selbstverständlich. Ein elektronisches Postfach gehört zur Standardausstattung. Dieser Entwicklung darf sich auch die Justiz nicht verschließen. Um die Vorteile ausschöpfen zu können, welche die elektronische Kommunikation mit den Gerichten für alle Beteiligten mit sich bringt, muss es möglich sein, dass zumindest alle „professionellen Einreicher“, wie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte und Notarinnen und Notare, mit den Gerichten in elektronischer Form sicher kommunizieren können. Neben der weiter voranzutreibenden internationalen Verknüpfung der Register und der Zusammenarbeit der registerführenden Stellen mit Mitteln moderner Informationstechnik werden wir daher im Interesse von Wirtschaft und Gesellschaft, auch im Sinne von mehr Bürgernähe, den elektronischen Rechtsverkehr in der gesamten Justiz ausbauen und etablieren. Um gegen Wirtschafts-, Umwelt- und Korruptionsdelikte besser vorgehen zu können, werden wir den Bedarf für ein spezifisches Unternehmensstrafrecht prüfen. Daneben werden wir das Instrument der Vermögensabschöpfung als bereits bestehende Waffe im Kampf gegen die Wirtschafts- und organisierte Kriminalität weiter optimieren und auch hier gesetzgeberischen Handlungsbedarf prüfen. Für die Wirtschaft von erheblicher Bedeutung ist die Rechtssicherheit und Rechtsgewährleistung insbesondere auch in Patentstreitverfahren. Am Gerichtsstandort in Düsseldorf werden europaweit die meisten Patentverletzungsverfahren – meist mit hohen Streitwerten und entsprechenden Einnahmen für die Landeskasse - verhandelt. Um auch in Zukunft zu gewährleisten, dass die Parteien in gewohnt hoher Qualität rasch mit einer Entscheidung rechnen können, wollen wir den Patentgerichtsstandort Düsseldorf und damit den Wirtschaftsstandort NRW auch im europäischen Kontext stärken. Um die Leistungsfähigkeit der Justizbehörden in NRW sicherzustellen, bedarf es zudem einer sinnvollen Zusammenführung und Bündelung übergreifender operativer Aufgaben. Seit Anfang der 80er Jahre ist der Umfang der von den Gerichten und Justizbehörden zu erledigenden operativen Verwaltungsaufgaben quantitativ und 163 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 7074 7075 7076 7077 7078 qualitativ deutlich angestiegen. Nach dem Vorbild anderer Ressorts wie auch anderer Landesjustizverwaltungen, die solche Aufgaben zur Erzielung von Synergieeffekten teilweise zentralisiert haben, soll auch in NRW ein Landesamt für Justiz eingerichtet werden, das ausgewählte operative Verwaltungsaufgaben der Justizbehörden übernimmt. 7079 7080 Jugend und Recht 7081 7082 7083 7084 7085 7086 7087 7088 7089 7090 7091 7092 7093 Die Bewältigung der Jugendgewalt- und Intensivkriminalität ist eine zentrale kriminalpolitische Herausforderung, der wir weiter unsere ganze Aufmerksamkeit widmen werden. Hier geht es um eine gesamtgesellschaftliche und ressortübergreifende Aufgabenstellung, die zu allererst präventiv, aber auch repressiv ansetzen muss. Dazu bedarf es der intensiven Zusammenarbeit mit den Kommunen und einer Vernetzung aller an der Jugendkriminalprävention und am Jugendstrafverfahren beteiligten Einrichtungen, die wir in jeder Weise, insbesondere durch weitere Stärkung und Ausbau bestehender Projekte fördern werden. Die Einrichtung weiterer "Häuser des Jugendrechts" wird ebenso vorangetrieben wie der flächendeckende Ausbau des Projekts "Staatsanwalts für den Ort", wodurch die Zuständigkeiten umfeldbezogen gestaltet und damit an die Realität der Jugendkriminalität, ihrer lokalen Zusammenhänge, angepasst werden. 7094 7095 7096 7097 7098 Wir werden den Rechtskundeunterricht an den Schulen weiter ausbauen. Durch fachkundige, interdisziplinäre Zusammenarbeit werden wir ihn fortlaufend modernisieren, so dass er in attraktiverer Form künftig schon vielen jungen Menschen unser Rechtssystem näher bringen, den Dialog über das Recht fördern und das Rechtsbewusstsein schärfen wird. 7099 7100 7101 7102 7103 7104 7105 7106 7107 7108 7109 Der Vollzug des vom Bundesgesetz vorgesehenen Jugendarrests wird auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Es wird gewährleistet, dass der Jugendarrest künftig pädagogischen Gesichtspunkten genügen wird. Er soll straffälligen jungen Menschen vielfältige Anstöße zu einem Umdenken geben, alternative Handlungsformen aufzeigen und professionelle Hilfs- und Beratungsangebote bereitstellen. Auch hierdurch sollen kriminelle Karrieren noch frühzeitig abgebrochen werden. Unabhängig hiervon werden wir weiter die Wirksamkeit von Kurz- und Freizeitarresten überprüfen und ggf. durch eine Bundesratsinitiative auf die Abschaffung dieser pädagogisch sehr zweifelhaften Maßnahme drängen. Die von der Bundesregierung geplante Möglichkeit, einen "Warnschussarrest" zu verhängen, lehnen wir entschieden ab. 7110 7111 Mit einem auf Erziehung ausgerichteten Jugendstrafvollzug wollen wir junge Straftäterinnen und Straftäter befähigen, ein eigenverantwortliches Leben in Freiheit 164 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 7112 7113 zu führen. Unseren begonnenen Weg, über den geschlossenen und offenen Vollzug hinaus einen Vollzug in freien Formen durchzuführen, wollen wir weiter gehen. 7114 7115 7116 Strafvollzug 7117 7118 7119 7120 7121 7122 7123 Um die Sicherheit der Bevölkerung umfassend gewährleisten zu können, bedarf es sowohl eines effizienten und sicheren als auch eines auf Resozialisierung ausgerichteten Justizvollzug. Nur wenn die Gefangenen im Strafvollzug geeignet auf die Zeit nach ihrer Entlassung vorbereitet werden, besteht eine echte Chance, dass sie ihr künftiges Leben in Freiheit ohne Rückfall in die Kriminalität führen. Dies ist der beste und sicherste Schutz der Gesellschaft vor weiteren Straftaten. 7124 7125 7126 7127 7128 7129 7130 7131 7132 7133 7134 7135 7136 7137 7138 7139 7140 Ein moderner, dem verfassungsrechtlich verankerten Resozialisierungsgebot entsprechender Strafvollzug braucht klare Rahmenbedingungen. Hierzu werden wir der Praxis Leitlinien an die Hand geben, die in naher Zukunft auch in ein neues Strafvollzugsgesetz für das Land NRW einfließen werden, das einen modernen Behandlungsvollzug ermöglicht und dem berechtigten Sicherheitsbedürfnis unserer Bevölkerung in ausgeprägter Weise Rechnung trägt. Neben einer menschenwürdigen Unterbringung werden wir den Gefangenen qualifizierte Resozialisierungsangebote wie Schul- und Berufsbildung, Konfliktbewältigung und Umgang mit dem Verbraucheralltag bieten. Den besonderen Bedürfnissen von Frauen im Strafvollzug wird ebenso besondere Beachtung zuteil wie einem optimierten Übergangsmanagement. Hierzu gehört insbesondere die berufliche Reintegration der Gefangenen, zu der wir durch den Ausbau der Arbeits- und Ausbildungsplätze beitragen, genauso aber die Unterstützung der in diesem Bereich tätigen freien Träger mit dem Ziel einer Systematisierung und flächendeckenden Vereinheitlichung des konkreten Angebots. Um Ersatzfreiheitsstrafen zu vermeiden, wollen wir weiter einen bedarfsgerechten Ausbau der Haftvermeidungsprojekte vorantreiben. 7141 7142 7143 7144 7145 Zur Bekämpfung der in vielen Fällen für die Straffälligkeit ursächlichen Drogenabhängigkeit werden Drogenberatungs- und Therapieangebote gefördert und ausgebaut. Vorhandene und in den Straftaten zum Ausdruck gekommene Defizite bei den Gefangenen sollen dadurch nachhaltig aufgelöst und praktikable Möglichkeiten zu alternativen, sozialadäquaten Lebensformen angestrebt werden. 7146 7147 7148 7149 7150 Zur Bewältigung dieser anspruchsvollen Arbeit hat die rot-grüne Landesregierung bereits 200 zusätzliche Stellen geschaffen. Mit dem Haushalt 2012 werden weitere Entlastungsschritte folgen, auch um noch hinzukommende neue Aufgaben wahrnehmen zu können. So hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 4. Mai 2011 die wesentlichen Regelungen zur Sicherungsverwahrung für nicht mit dem 165 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 7151 7152 7153 7154 7155 7156 7157 Grundgesetz vereinbar erklärt. Gemäß der Auflage des Bundesverfassungsgerichts werden wir auf eine bundesgesetzliche Neuregelung hinwirken, die dem verfassungsrechtlichen Gebot Rechnung trägt, wonach sich der Vollzug der Sicherungsverfahrung vom Vollzug der Strafhaft deutlich zu unterscheiden habe. Wir werden daneben die erforderlichen landesgesetzlichen Regelungen schaffen und eine eigene Unterbringungseinrichtung schaffen, die den verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung trägt. 7158 7159 7160 7161 X. Kultur,Medien,KirchenundReligionsgemeinschaften 7162 7163 7164 7165 7166 7167 7168 7169 7170 7171 7172 7173 7174 7175 7176 7177 7178 7179 7180 7181 7182 7183 7184 7185 7186 7187 7188 7189 7190 7191 KunstundKulturinNRWsichern Kulturelle Vielfalt und Teilhabe stärken Kultur ist geistige Lebensgrundlage der Menschen und öffentliches Gut. Wir wollen ein kulturell vitales Land, das Kraft aus seiner Vielfalt schöpft und in dem Kunst und Kultur einen zentralen Platz einnehmen. Nordrhein-Westfalen ist eine lebendige und innovative Kulturregion in Europa. Unsere Künstlerinnen, Künstler und Kultureinrichtungen genießen weltweit hohe Wertschätzung. Sie sind damit zu wichtigen Kulturbotschaftern unseres Landes geworden. Wir wollen den europäischen und internationalen Kulturaustausch weiter unterstützen. Die Digitalisierung der Welt und damit auch der Kultur, historische Umbrüche, das Spannungsverhältnis zwischen Bewahren und Entstehen und der demografische Wandel stellen große Herausforderungen dar. Auch die Lebens- und Schaffensrealitäten der Künstlerinnen und Künstlern und die engen finanziellen Spielräume für Land und Kommunen müssen diskutiert werden. Wir wollen uns diesen Herausforderungen stellen und Antworten in einem transparenten Dialog auf Augenhöhe mit den Kulturbeteiligten entwickeln. Weil uns diese Gespräche wichtig sind, werden wir den erfolgreich begonnenen kulturpolitischen Dialog auf Landesebene ebenso fortsetzen wie die Regionaltagungen, mit denen wir vor Ort den Erfahrungs- und Informationsaustausch zwischen den unterschiedlichen Sparten etabliert haben. Der Schwerpunkt der Kulturförderung in NRW liegt in den Städten und Gemeinden und beim bürgerschaftlichen Engagement. Kulturpolitik bleibt daher auch weiterhin entsprechend unserer Landesverfassung eine Gemeinschaftsaufgabe von Land und Kommunen in Kooperation mit zivilgesellschaftlichem Engagement. 166 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 7192 7193 7194 7195 7196 7197 7198 7199 7200 7201 7202 7203 7204 7205 7206 7207 7208 7209 7210 7211 7212 7213 7214 7215 7216 7217 7218 7219 7220 7221 7222 7223 7224 7225 7226 7227 7228 7229 7230 7231 7232 7233 7234 7235 7236 Wir treten ein für die Freiheit von Kunst und Kultur. Wir werden die Kulturförderung durch das Land für alle Sparten auch in Zukunft auf dem erreichten Niveau erhalten und - wo möglich und geboten - ausbauen. Kunst und Kultur dürfen kein Luxus sein. Daher wollen wir ein möglichst flächendeckendes Kulturangebot zu erschwinglichen Preisen und mit niedrigen Zugangsschwellen für alle. Wir bejahen die kulturelle Vielfalt unserer Gesellschaft und wollen den Dialog der Kulturen als ein wichtiges Element sozialer Integration von Menschen unterschiedlicher ethnischer Herkunft, religiöser Überzeugung und kultureller Prägung fördern. Vielfalt der Kultur vor Ort weiter sichern Weil der größte Teil der Kulturförderung durch die Kommunen erfolgt, ist eine verlässliche Finanzausstattung der Gemeinden durch den Bund und das Land die wichtigste Voraussetzung für den Erhalt und den Ausbau der Kulturlandschaft in unserem Lande. Deshalb haben wir bereits viel für die finanzielle Stärkung unserer Kommunen getan und werden dies im Rahmen der Möglichkeiten des Landes fortsetzen. Außerdem werden wir regionale Kulturpolitik als Gemeinschaftsaufgabe zwischen Land, Kommunen, Regionen, Verbänden, Wirtschaft und Zivilgesellschaft stärken und ihr neue Impulse geben. Für ein Kulturfördergesetz Kulturförderung braucht eine verlässliche Grundlage. Deshalb werden wir den bereits begonnenen Prozess für die Erarbeitung eines NRW-Kulturförder-gesetzes fortsetzen. Mit dem Beschluss des Antrags für ein Gesetz zur Förderung und Entwicklung der Kultur, der Kunst und der kulturellen Bildung in NRW haben wir die dafür notwendige Basis bereits geschaffen. Wir werden prüfen, ob entweder - in Abstimmung mit der kommunalen Finanzaufsicht -, trotz bisheriger "Freiwilligkeit" der Kulturausgaben, auch für Kommunen in finanziell schwieriger Situation ein Grenzwert für die Kulturförderung gesichert werden kann; oder wie es gelingen kann, die kommunale Kulturförderung auf der Grundlage des Artikels 18 Absatz 1 der Landesverfassung rechtlich verbindlicher zu gestalten. Wir werden die Arbeit im Theaterpakt zur Unterstützung der kommunalen Theaterund Orchesterlandschaft fortsetzen. Und wir wollen Strategien zur Weiterentwicklung der Tanzlandschaft, für die Literatur mit ihren zahlreichen Projekten und für die 167 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 7237 7238 7239 7240 7241 7242 7243 7244 7245 7246 7247 7248 7249 7250 7251 7252 7253 7254 7255 7256 7257 7258 7259 7260 7261 7262 7263 7264 7265 7266 7267 7268 7269 7270 7271 7272 7273 7274 7275 7276 7277 7278 7279 7280 regionale Kulturpolitik. Die Förderung der Filmkunst und die filmkulturelle Bildung bleibt weiterhin ein wichtiger Teil der NRW-Kulturpolitik Wir stehen zu unseren vier Landestheatern, den drei Landesorchestern, der Landesmusikakademie Heek und der Kunstsammlung NRW. Lesekultur und Bibliotheken stärken Die Arbeit der Literaturbüros und die Literaturförderung durch Stipendien und Preise bleiben wichtige Grundlagen der literarischen Schreib- und Lesekultur in NRW. Die reiche und vielfältige Bibliothekenlandschaft in unserem Land muss erhalten bleiben und ihr Ausbau zu multimedialen Kommunikationszentren soll unterstützt werden. Kulturelle Bildung ausbauen Das zentrale Projekt unserer Kulturpolitik auch in dieser Legislaturperiode bleibt der Ausbau der kulturellen Bildung. Kulturelle Bildung und ästhetische Erziehung sind Voraussetzungen für eine aktive Teilnahme am gesellschaftlichen und kulturellen Leben und prägen die Persönlichkeit eines jeden Einzelnen. Kunst- und Kulturvermittlung stellen einen wesentlichen Beitrag zur Bildungs- und Sozialpolitik dar. Teilhabe an und Zugänge zu Kunst und Kultur gehören als ein elementarer Baustein in den Mittelpunkt unserer vorsorgenden Politik und sind wesentlicher Bestandteil unseres Demokratieverständnisses, weil hierüber Chancengleichheit ermöglicht wird. Wir haben dabei folgende Schwerpunkte im Blick: Kulturrucksack Der Kulturrucksack wurde in NRW 2012 für insgesamt rund 320.000 Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 14 Jahren gestartet. Dieses erfolgreich begonnene Projekt soll weiter ausgebaut werden. Kultur und Schule Wir wollen auch die bisherigen Projekte im Bereich von "Kultur und Schule" verstetigen und streben an, sie in den Schulen stärker strukturell zu verankern. Der Ausbau der Schulen zu Ganztagsschulen bietet dafür besondere Chancen. Musikalische Früherziehung 168 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 7281 7282 7283 7284 7285 7286 7287 7288 7289 7290 7291 7292 7293 7294 7295 7296 7297 7298 7299 7300 7301 7302 7303 7304 7305 7306 7307 7308 7309 7310 7311 7312 7313 7314 7315 7316 7317 7318 7319 7320 7321 7322 7323 7324 7325 Das Projekt „Jedem Kind ein Instrument“ soll überprüft werden. Eine Ausweitung auf ganz Nordrhein-Westfalen ist in der ursprünglichen Ausrichtung des Projektes und der aktuellen finanziellen Lage nicht leistbar. Da musikalische Früherziehung nachweislich einen positiven Einfluss auf Kinder hat, wollen wir ein Konzept für NRW entwickeln, das auf den vielfältigen Ansätzen im Land aufbaut und an dem sich Kitas, Grundschulen und freie Träger beteiligen können. Jugendkunst- und Kulturschulen Ein weiteres wichtiges Instrument der Jugendkulturförderung sind auch unsere 43 vom Land geförderten Jugendkunstschulen. Sie helfen jungen Menschen auch aus benachteiligten Familien bereits in frühen Jahren, ihr Talent und ihr Interesse zu wecken. Darüber hinaus sehen wir mit der im kommunalen Raum beginnenden Entwicklung von Kulturschulen einen neuen Akzent in der Zusammenarbeit von Kultur und Schule. Dies werden wir aufgreifen und gemeinsam mit den Kommunen weiterentwickeln. Kinder- und Jugendtheater Unsere Kinder- und Jugendtheater haben sich erfolgreich weiterentwickelt. Auch sie leisten einen wichtigen Beitrag zur kulturellen Bildung junger Menschen. Wir wollen sie stärken und verlässlich fördern. Freiwilliges Soziales Jahr in der Kultur Wir wollen junge Menschen an die Kultur heranführen. Das FSJ in diesem Bereich hat sich bewährt. Wir wollen, dass künftig noch mehr junge Menschen diese Möglichkeit nutzen. So kann auch der Übergang in die Berufswelt sinnvoll gestaltet werden. Medienkompetenz Mit Blick auf die rasante Entwicklung der elektronischen Medien ist auch die Förderung von Medienkompetenz eine wichtige Aufgabe kultureller Bildung. Die für diesen umfassenden Ausbau der kulturellen Bildung notwendige Zusammenarbeit zwischen den Bereichen Kultur, Jugend, Medien, Schule und Wissenschaft werden wir verbessern. Zu diesem Zweck wird eine hochrangige Steuerungsgruppe aus den beteiligten Ministerien eingerichtet, die die notwendigen Maßnahmen ressortübergreifend vorbereitet und initiiert. 169 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 7326 7327 7328 7329 7330 7331 7332 7333 7334 7335 7336 7337 7338 7339 7340 7341 7342 7343 7344 7345 7346 7347 7348 7349 7350 7351 7352 7353 7354 7355 7356 7357 7358 7359 7360 7361 7362 7363 7364 7365 7366 7367 7368 7369 7370 Förderinstrumente verbessern – Verfahrensabläufe vereinfachen Um Flexibilität und Transparenz zu schaffen wollen wir in der Kulturförderung, wo es oft um relativ kleine Fördersummen geht Bürokratie abbauen. Hierfür müssen verstärkt Förderpauschalen, Möglichkeiten der Selbstbewirtschaftung und Festbetragsfördermittel eingesetzt werden. Dies betrifft auch Fragen des Eigenanteilsnachweises und wesentliche Vereinfachungen in den bisherigen Förderabläufen. Freie Szene stärken Die freie Kulturszene und soziokulturelle Zentren wollen wir weiter verstärkt fördern. Hier wollen wir in dieser Legislaturperiode einen Akzent setzen, denn die freien Kultureinrichtungen haben bereits sehr flexible Betriebsstrukturen entwickelt, welche die Förderungen hoch effizient einsetzen. Die Verbindung von innovativer ästhetischer Auseinandersetzung und modernem Kulturmanagement ist ein zukunftsweisendes Modell. Wir unterstützen Künstlerinnen und Künstler Nur eine Minderheit der Künstlerinnen und Künstler kann allein von ihren kulturellen Tätigkeiten leben. Deshalb hat der Staat eine besondere Verantwortung für deren soziale Absicherung. Wir werden deshalb weitere Maßnahmen zur individuellen Künstlerförderung prüfen und eine Bündelung dieser Maßnahmen organisieren. Das Fördernetz unserer Landeskulturbüros hat sich bewährt. Wir wollen dieses Netz ergänzen und auch nach Wegen suchen, wie die Bildenden Künste gestärkt werden können. Erinnerungskultur in neuen Formen weiter entwickeln Zur Kulturförderung gehört auch die Förderung der Erinnerungskultur. Sie ist ein zentraler Auftrag sowohl der kulturellen wie der politischen Bildung. Gedenkstätten sind zentrale Orte der Aufklärung und Auseinandersetzung mit der Geschichte unseres Landes - vor allem auch für junge Menschen. Daher streben wir die Erstellung eines „Landeskonzepts Erinnerungskultur“ an. Gerade die aktuelle politische Situation in Hinblick auf den Rechtsextremismus zwingt uns in vielerlei Hinsicht zum Handeln. Demokratiestärke bedarf des Wissens um unserer Geschichte, Erinnerung braucht Orte. Daher wollen wir diese auf gesicherte finanzielle Grundlagen stellen. 170 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 7371 7372 7373 7374 7375 7376 7377 7378 7379 7380 7381 7382 7383 7384 7385 7386 7387 7388 7389 7390 7391 7392 7393 7394 7395 7396 7397 7398 7399 7400 7401 7402 7403 7404 7405 7406 7407 7408 7409 7410 7411 7412 7413 7414 Kulturelles Erbe erhalten Nordrhein-Westfalen ist reich an materiellen und immateriellen Kulturgütern. Wir wollen die Anstrengungen, sie zu erhalten, zu sichern und ihre Institutionen zu vernetzen, weiter verstärken. Denkmalpflege, Archäologie und konsequenter Erhalt und Ausbau der Archive bleiben deshalb wichtige Aufgaben. Baukultur Den Beitrag der Architektur zur Kultur unseres Landes wollen wir stärker öffentlich würdigen und fördern. Zu diesem Zweck prüfen wir mehrere in der Diskussion befindliche Alternativen wie Architekturschule, Bauakademie und die Auslobung neuer Preise. Die Landeskulturpolitik wird auch weiterhin innovative Prozesse unterstützen. Mit der Kunststiftung NRW hat die Landeskulturpolitik einen weiteren wichtigen Kooperationspartner für eine lebendige und sich stets wandelende Kulturlandschaft Nordrhein-Westfalen. MedieninNRW‐VielfaltundUnabhängigkeitstärken Unabhängige und vielfältige Medien sind Grundpfeiler einer lebendigen und funktionierenden Demokratie. Es ist deshalb unser erklärtes Ziel, die Medienvielfalt und –unabhängigkeit nachhaltig zu stärken. Dazu werden wir auch weiterhin die Balance zwischen öffentlich-rechtlichen, kommerziellen und anderen privaten Angeboten gewährleisten. Wir unterstützen Kooperationen zwischen öffentlichrechtlichen und kommerziellen Medienhäusern, wenn dadurch Meinungsvielfalt und – unabhängigkeit gestärkt werden, beispielsweise mit einer gemeinsamen On-demandPlattform und einer engeren Kooperation bei der europäischen und internationalen Nachrichtenbeschaffung. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist und bleibt eine unverzichtbare Säule unserer Medienordnung. Wir stehen zur Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Wir werden eine Initiative ergreifen, mit der die Telemedien als „dritte Säule“ neben Hörfunk und Fernsehen gestärkt werden. Beitragszahlerinnen und -zahler sollen die öffentlich-rechtlichen Telemedienangebote über die im Rundfunkstaatsvertrag festgeschriebene 7-Tages-Frist hinaus abrufen können – online und mobil. Zugleich werden wir uns dafür einsetzen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf Werbung und Sponsoring verzichtet. Werbung und Sponsoring sollte ausschließlich der Finanzierung kommerzieller Medienangebote dienen. 171 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 7415 7416 7417 7418 7419 7420 7421 7422 7423 7424 7425 7426 7427 7428 7429 7430 7431 7432 7433 7434 7435 7436 7437 7438 7439 7440 7441 7442 7443 7444 7445 7446 7447 7448 7449 7450 7451 7452 7453 7454 7455 7456 7457 7458 Mit Blick auf die privaten Veranstalter werden wir uns für eine Anreizregulierung im Medienrecht einsetzen. Denn die Verantwortung für qualitätsvolle Angebote liegt nicht nur bei dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, sondern auch bei den privaten Veranstaltern. Die Nutzung gleicher Inhalte über verschiedene Plattformen, die Konvergenz der Endgeräte sowie veränderte Nutzungsgewohnheiten erfordern eine Neubewertung der bisherigen Bewertungsregeln im Medienkonzentrationsrecht. NRW wird sich für eine vielfaltssichernde Reform des Medienkonzentrationsrechts einsetzen. Zudem fordern wir die Bundesregierung auf, eine jährliche Medienstatistik zu erstellen, die sich insbesondere mit den Entwicklungen bei den Printmedien befasst. Die NRW-Zeitungsverlage mit ihren professionellen Redaktionen sind für die Informations- und Willensbildung besonders in unseren Regionen von zentraler Bedeutung. Privat betriebene Blogs sind eine wichtige Ergänzung zur Meinungsbildung. Den erfolgreichen Lokalfunk in NRW wollen wir auch in der digitalen Welt sichern. Media Governance: Digitale Medienordnung weiterentwickeln Eine digitale Medienordnung benötigt rechtliche Rahmenbedingungen, kulturelle Leitlinien und Verfahren, die den Veränderungen des vernetzten Internetzeitalters Rechnung tragen. Dabei haben wir es mit einer Vielzahl unterschiedlicher Mechanismen und Akteure zu tun, deren Zusammenspiel man nicht mit einem Gesetz oder einem Staatsvertrag regulieren kann. Daher setzen wir auf die Prinzipien der koregulierten Selbstregulierung und Media Governance; wir werden unsere Verantwortung für eine funktionale Media Governance wahrnehmen. Dazu werden wir u.a. das Landesmediengesetz NRW reformieren und Änderungen des Rundfunkstaatsvertrages anstreben, mit dem Ziel, Meinungsvielfalt, Transparenz und Teilhabe zu stärken. Die Einrichtung einer Stiftung für „Vielfalt und Partizipation“ soll Qualität, Unabhängigkeit und Vielfalt bei der Produktion von Medieninhalten in NRW sicherstellen. Wir wollen partizipative Elemente offline und online einführen und die Durchführung von Medienversammlungen wieder ins Landesmediengesetz aufnehmen, damit Mediennutzerinnen und Mediennutzer über Inhalte und das Internet diskutieren und Hinweise für die gemeinsame Gestaltung der Mediengesellschaft geben. Wir wollen die Medienaufsicht stärken, hierzu gehört u.a. die Erweiterung der Kompetenzen der Medienkommission der Landesanstalt für Medien (LfM) sowie des Rundfunk- und Verwaltungsrates des WDR. Dies soll durch die gesetzliche Verankerung eines 172 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 7459 7460 7461 7462 7463 7464 7465 7466 7467 7468 7469 7470 7471 7472 7473 7474 7475 7476 7477 7478 7479 7480 7481 7482 7483 7484 7485 7486 7487 7488 7489 7490 7491 7492 7493 7494 7495 7496 7497 7498 7499 7500 7501 7502 eigenen Haushaltes sowie die entsprechende Personalhoheit erreicht werden. Ferner soll geprüft werden, wie die Transparenz der Gremienarbeit und ihre Kommunikationsprozesse mit den Mediennutzerinnen und Mediennutzern erreicht werden kann. Zur Partizipation und Vielfaltserweiterung gehören in NRW die Bürgermedien, wir wollen sie stärken und die Teilhabemöglichkeiten verbessern. Um die Aufsicht in NRW zu bündeln, wird das Telemedienzuständigkeitsgesetz geändert und die Zuständigkeit für die Einhaltung der Bestimmungen des Telemediengesetzes für ganz NRW von der Bezirksregierung Düsseldorf auf die Landesanstalt für Medien NRW übertragen. Darüber hinaus soll zukünftig mit einer Medienanstalt der Länder eine Aufsichtsstruktur geschaffen werden, die dem föderalen System der Bundesrepublik Deutschland und der Medienkonvergenz Rechnung trägt. Hier streben wir eine Änderung des Rundfunkstaatsvertrages an. Wir setzen uns dafür ein, dass die Verfahren zur Änderung der Rundfunkstaatsverträge künftig nachvollziehbarer und partizipativer durchgeführt werden. Hierzu gehören konsistente Verfahrensregeln, die gesetzlich abgesicherte Einbindung der Landtage sowie eine Reform der Rundfunkkommission der Länder. Pressevielfalt sichern Wir werden die Unabhängigkeit der Medienhäuser und der Vertriebswege auch mit Hilfe des Landespressegesetzes verbessern. Dazu gehört auch die Transparenz bei den Eigentümerstrukturen der Medienhäuser. Die Verantwortung von Journalistinnen und Journalisten nimmt deutlich zu, die rasant wachsende Flut an Informationen qualitativ hochwertig einordnen zu können. Deshalb wollen wir die Aus- und insbesondere Weiterbildung gezielt stärken. Dies gilt vor allem für die lokale und regionale Berichterstattung. Das bewährte Presse-Grosso-System werden wir, sollte es zu keiner freiwilligen oder bundesgesetzlichen Regelung kommen, über unsere gesetzlichen Möglichkeiten absichern. Nach der Veröffentlichung des Medienkonzentrationsberichtes der Landesanstalt für Medien soll überprüft werden, ob die Regelungen der §§ 33 bis 33e des Landesmediengesetzes, mit denen verhindert werden soll, dass Medienunternehmen durch ihre Beteiligungen an Rundfunkprogrammen vorherrschende Meinungsmacht erlangen reformbedürftig sind. Wir erwarten, dass die LfM diesen Bericht jährlich fortschreibt. Qualität in der digitalen Gesellschaft stärken Mit der LfM, dem WDR und RTL, der Film- und Medienstiftung, dem Grimme-Institut, den Telekommunikationsunternehmen und zahlreichen exzellenten Hochschulen 173 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 7503 7504 7505 7506 7507 7508 7509 7510 7511 7512 7513 7514 7515 7516 7517 7518 7519 7520 7521 7522 7523 7524 7525 7526 7527 7528 7529 7530 7531 7532 7533 7534 7535 7536 7537 7538 7539 7540 7541 7542 7543 7544 7545 stehen wichtige Partner für Konzepte einer gesellschaftsfreundlichen Medienentwicklung zur Verfügung. Das Grimme Institut steht durch den Grimme-Preis und den Grimme-Online-Award für Qualität von Medieninhalten und liefert Orientierung für Mediennutzerinnen und Mediennutzer. Dem Grimme Institut kommt in der digitalen Gesellschaft als Ort des Diskurses eine herausragende Bedeutung zu. Wir wollen das Institut in diesem Sinne weiterentwickeln. Die Arbeit der Internationalen Filmschule (IFS), des Audiovisuellen Gründerzentrums und der Kunsthochschule für Medien (KHM) sind - mit anderen Hochschulinstitutionen - wichtige Säulen auch in der Film- und Fernsehaus- und Weiterbildung. Die Digitalisierung bietet auch für Medienvielfalt und –unabhängigkeit neue Chancen. Die Weiterentwicklung zur Film- und Medienstiftung war ein richtiger Schritt, um die Position Nordrhein-Westfalens als führendem Medienstandort in Deutschland zu stärken. Daher werden wir unter maßgeblicher Beteiligung der Film- und Medienstiftung die Initiative „Digitales Medienland NRW“ mit Landes- und EU-Mitteln fortführen und ausbauen. Insbesondere die Förderung der Bereiche Innovation, Gründung und Qualifizierung wird im Interesse der Zukunftssicherung für den Medienstandort NRW ausgebaut. Hierbei kommt der NRW.Bank eine wichtige Rolle zu. Wir werden weiterhin Wettbewerbe nutzen, um die innovative Kraft der Kreativen in Nordrhein-Westfalen zu entfalten, zum Beispiel zur wirtschaftlichen Nutzung von Open Data. Medienkompetenz ist eine unverzichtbare Schlüsselqualifikation und die Grundlage für lebensbegleitendes Lernen. Medienkompetenz ist für uns auch die Voraussetzung für einen wirksamen Kinder- und Jugendmedienschutz. Der Bereich der Medienkompetenzförderung soll bei der LfM NRW weiter verbessert und vernetzt werden. Wir werden dafür Sorge tragen, dass es frei zugängliche Lernangebote und Gelegenheiten zum Erwerb von Medienkompetenz in NRW gibt, insbesondere für Kinder, Jugendliche, ältere Menschen und Menschen, die sozial benachteiligt sind. Ziel ist ein möglichst barrierefreier, selbstbestimmter Umgang mit dem Internet, Computern und Medieninhalten. Wir werden u.a. mit dem Medienpass, der für die Sekundarstufen weiterentwickelt werden soll, die Voraussetzungen dafür schaffen, dass auch in der digitalen Welt kein Kind zurückbleibt. Bei uns steht dabei das Kind im Mittelpunkt und nicht der Computer. Netzpolitik – Freiheitsrechte im Internet sichern Den digitalen Wandel zu gestalten, ist für uns eine zentrale gesellschaftliche und politische Querschnittsaufgabe. Richtschnur und Basis sind dabei unsere zentralen Werte Teilhabe, demokratisches und solidarisches Miteinander, Offenheit und Freiheit. Wir wollen im Zeitalter der Digitalisierung die Potenziale des Internets 174 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 7546 7547 7548 7549 7550 7551 7552 7553 7554 7555 7556 7557 7558 7559 7560 7561 7562 7563 7564 7565 7566 7567 7568 7569 7570 7571 7572 7573 7574 7575 7576 7577 7578 7579 7580 7581 7582 7583 7584 7585 7586 7587 7588 7589 7590 nutzen, um für die Bürgerinnen und Bürger mehr Mitgestaltung zu gewährleisten, neue Zugänge zur Demokratie ermöglichen und um Teilhabe an Wissen zu stärken. Wir unterstützen weitere Initiativen für eine Open Government-Strategie mit dem Ziel, dass Partizipation im Netz Akzeptanz und Eingang in Regierungshandeln findet. Unsere Vision des sozial und digital vernetzten Zusammenlebens in der Digitalen Gesellschaft ist nicht vereinbar mit der Idee eines Überwachungsstaates. Das Recht auf Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung ein, analog wie digital. Dialog über Urheberrecht fördern Wir fördern und unterstützen den Dialog mit den Urheberinnen und Urhebern, den Nutzerinnen und Nutzern und den Werkvermittlerinnen und Werkvermittlern mit dem Ziel einer Modernisierung des Urheberrechts. Es sollen in diesem Prozess einfache und nutzerfreundliche Modelle für einen fairen Interessensausgleich entwickelt werden, durch die das Urheberrecht zum Wohle aller gestaltet und genutzt werden kann. Die Eindämmung massenhafter Abmahnungen ist für uns ein wichtiges Vorhaben insbesondere für einen wirksamen Verbraucherinnen- und Verbraucherschutz im Internet und zur Stärkung der Akzeptanz des Urheberrechts. Die bisherige Regelung zur Begrenzung der Abmahnkosten ist für uns nicht weitgehend genug. Wir werden eine Bundesratsinitiative auf den Weg bringen, um Fälle mit geringem Unrechtsgehalt zu entkriminalisieren. Modernes Regieren im digitalen Zeitalter Wir wollen die Öffnung von Politik und Verwaltung für die Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein- Westfalen weiter engagiert vorantreiben. Wir bekennen uns zu den Prinzipien des Open Government. Open Government bedeutet eine Politik für mehr Transparenz in der Verwaltung (Open Data), mehr Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an politisch-administrativen Entscheidungsprozessen (Partizipation) und mehr Zusammenarbeit zwischen Verwaltungen, Bürgerinnen und Bürgern, Verbänden sowie Expertinnen und Experten. Politik und politische Institutionen sind somit gefordert, sich für den politischen Diskurs im Internet, aber auch offline weiter zu öffnen und damit eine neue politische Kultur zu leben. Um das demokratische Miteinander in unserem Land zu stärken, müssen wir den Bürgerinnen und Bürgern auch die der Regierung und den Verwaltungen vorliegenden Daten, Dokumente und Informationen möglichst einfach zugänglich und nutzbar machen, nämlich maschinenlesbar in offenen Formaten und unter freien Lizenzen. Denn die Voraussetzung für Beteiligung ist Information - nur wer sich 175 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 7591 7592 7593 7594 7595 7596 7597 7598 7599 7600 7601 7602 7603 7604 7605 7606 7607 7608 7609 7610 7611 7612 7613 7614 7615 7616 7617 7618 7619 7620 7621 7622 7623 7624 7625 7626 7627 7628 7629 7630 7631 7632 7633 7634 informieren kann, kann an ausgewogenen Entscheidungen mitwirken und an Debatten gleichberechtigt teilhaben. Wir sehen nicht nur die Chance, die demokratische Legitimation der öffentlichen Verwaltung auszubauen, sondern vor allem auch neue Möglichkeiten, über einen proaktiv angelegten Prozess mehr „Demokratie 2.0“ zu wagen. Wir werden dazu das Open.NRW-Portal anbieten, um dort die Aktivitäten in diesem Bereich zu bündeln und in zentraler Verantwortung weiterzuentwickeln. Über das Informationsfreiheitsgesetz werden wir die Holschuld unserer Bürgerinnen und Bürger bzgl. Informationen, Dokumente und Daten, in eine Bringschuld des Staates umwandeln. Hierfür werden wir ein zentrales Online-Portal für Daten des Landes einrichten und dieses im Informationsfreiheitsgesetz verankern. Wir werden die Veröffentlichungspflichten der öffentlichen Stellen deutlich ausweiten und damit das Informationsfreiheitsgesetz hin zu einem Transparenzgesetz weiterentwickeln. Die durchgeführten Konsultationen verdeutlichen, dass Partizipation im Internet Akzeptanz und Eingang in das Regierungshandeln finden kann und gefunden hat. Wir werden weiterhin Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft und der Open-Government Community einladen, sich an diesem Prozess zu beteiligen. Dazu werden wir ein Zukunftsforum „Digitale Bürgerbeteiligung“ durchführen. Das dient letztlich auch dem Ziel, damit unser Land Nordrhein-Westfalen auf seinem Weg zu mehr Transparenz (Open Data), Beteiligung (E-Partizipation) und Zusammenarbeit (Kollaboration) nicht den Anschluss an die nationale und internationale Open Government-Entwicklung verliert, sondern in dieser voranschreitet. Wir werden unsere Open Government Strategie auf der Basis technischer Offenheit vorantreiben. Deshalb wollen wir den Einsatz von Offenen Standards, Protokollen und Formaten sowie freier und offener Software in der Landesverwaltung unter Beachtung der vergaberechtlichen Rahmenbedingungen weiter fördern und mit IT.NRW prüfen, wie eine Strategie der Landesregierung hierzu aussehen kann. Gerade im Bildungsbereich wollen wir freie Medien und Software nutzen, um technische Vielfalt vorzuleben. Dazu soll es Modellprojekte zur Schaffung offener und freier Lehr- und Lerninhalte geben. Wir wollen die Prinzipien von Open Data und Open Government auch für den Hochschul- und Wissenschaftsbereich umsetzen. Wir werden regelmäßig Wettbewerbe durchführen, bei denen Entwicklerinnen und Entwickler unter Verwendung öffentlich bereitgestellter Daten Applikationen erstellen, die zu Transparenz, Partizipation und Zusammenarbeit beitragen. Wir wollen die Daten auch zur kommerziellen Nutzung unter freier Lizenz bereitstellen. Teilhabe am Internet stärken Zugang zum Internet ist heute Voraussetzung für soziale, demokratische und ökonomische Teilhabe in der digitalen Gesellschaft. Deshalb werden wir uns 176 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 7635 7636 7637 7638 7639 7640 7641 7642 7643 7644 7645 7646 7647 7648 7649 weiterhin für den Ausbau der Breitband-Infrastruktur in Nordrhein-Westfalen einsetzen. Wir werden eine Bundesratsinitiative für die Verankerung einer BreitbandUniversaldienstverpflichtung im Telekommunikationsgesetz ergreifen. Wir stellen Beispiele öffentlicher WLAN-Zugänge auf einer NRW-Plattform zusammen, um den WLAN-Ausbau zu erleichtern. Wir bereiten eine Bundesratsinitiative vor mit dem Ziel, eine Haftungsprivilegierung von Betreiberinnen und Betreibern öffentlicher WLANZugänge zu erreichen. 7650 7651 7652 7653 7654 7655 7656 7657 7658 7659 7660 7661 7662 7663 7664 7665 7666 7667 7668 7669 7670 7671 7672 7673 7674 7675 7676 7677 ReligiöseVielfaltgestalten Wir wollen die Netzneutralität gesetzlich absichern. Zukünftige staatliche Förderungen des Landes NRW beim Breitbandausbau sollen an eine Verpflichtung zur Netzneutralität durch die Anbieter verknüpft werden. Wir werden eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel starten, die Netzneutralität im Telekommunikationsgesetz durchsetzungsstark festzuschreiben. Weltanschauliche und religiöse Vielfalt gehören zu NRW. Mit ihren Verbänden und Einrichtungen stärken Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften das gesellschaftliche und soziale Leben in unserem Land. Wir wollen den intensiven Austausch mit ihnen fortsetzen und die Zusammenarbeit bei gemeinsamen Aufgaben ausweiten. Dabei muss allerdings für jede Kirche, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaft gelten, dass ihre Grundhaltung im Einklang mit den Grundsätzen unserer freiheitlichdemokratischen Rechtsordnung steht. Das hohe Gut der Religionsfreiheit in unserem Land darf nicht als Rechtfertigung für religiös begründete Haltungen gegen Menschrechte und Demokratie missbraucht werden. Die christlichen Kirchen sind für uns weiterhin wichtige Partner bei der Gestaltung einer gerechten Gesellschaft und in ethischen Fragen. Auf der Grundlage der Subsidiarität werden wir sie weiter nachhaltig unterstützen. Auch mit der Jüdischen Gemeinschaft in Nordrhein-Westfalen wollen wir den Dialog fortsetzen und die guten Beziehungen weiter ausbauen. Der Islam ist heute in NRW die zweitgrößte Glaubensrichtung. Gelingende Integration der Muslime setzt voraus, dass Staat und Islam zu einem konstruktiven Miteinander finden. Die Einführung eines islamischen Religionsunterrichts an Schulen in NordrheinWestfalen ist ein sichtbares Zeichen der Gleichberechtigung. Ziel muss es nun sein, den islamischen Religionsunterricht im Anschluss an die bis zum 31.07.2019 befristete Beiratslösung unmittelbar über den Art. 7 Absatz 3 Satz 2 GG fortzuführen. 177 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 7678 7679 7680 7681 7682 7683 7684 7685 7686 7687 7688 7689 7690 7691 7692 7693 7694 7695 7696 7697 7698 7699 7700 Dazu werden wir den unterschiedlichen islamischen Verbänden einen Arbeitsprozess anbieten, der auf Gegenseitigkeit beruht und die Voraussetzungen und Möglichkeiten für die Gründung anerkannter islamischer Religionsgemeinschaften aufzeigt, damit die Voraussetzungen des deutschen Religionsverfassungsrechts erfüllt werden können. 7701 7702 7703 7704 7705 7706 7707 7708 7709 7710 7711 7712 7713 7714 7715 7716 7717 7718 7719 XI. Auch in Zukunft wollen wir den Dialog mit unseren muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern vertiefen und die Akzeptanz muslimischen Lebens durch Aufklärungsund Informationsarbeit nachhaltig verbessern. Niemand darf aufgrund seiner religiösen Überzeugungen diskriminiert werden. Rassistischen, antisemitischen und islamfeindlichen Übergriffen werden wir deshalb mit aller Kraft entgegen treten genauso wie allen Angriffen auf Demokratie und Menschenrechte, die sich in religiösem Fundamentalismus begründen. Für ein friedliches und vertrauensvolles Miteinander setzen wir auf Begegnungen zwischen Menschen unterschiedlicher Religion und Weltanschauung. Wir werden den interreligiösen Dialog in besonderer Weise fördern. Wir wollen zudem die Anerkennung von Körperschaftsrechten für Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften auf eine allgemeine gesetzliche und damit verlässliche Grundlage stellen Europa,Eine‐Welt Nordrhein-Westfalen: Engagiert im Herzen Europas Nordrhein-Westfalen als Europas bevölkerungsreichste und wirtschaftsstärkste Region in zentraler Lage profitiert stark vom europäischen Integrationsprozess und unterstützt engagiert die Vertiefung und Erweiterung der Europäischen Union. Leitbild ist für uns eine starke Region Nordrhein-Westfalen in einem demokratischen, sozialen, ökologischen, transparenten, handlungsfähigen, nachhaltigen und stabilen Europa. In diesem Sinne wollen wir unseren Einfluss in Brüssel, Straßburg und Berlin weiter stärken. Die europapolitischen Rechte der Länder bzw. des Bundesrats werden wir verantwortungsvoll nutzen. Gerade in der aktuell schwierigen Situation werden wir uns positiv in die EU einbringen und uns für nordrhein-westfälische Interessen einsetzen. Wir werden daher einen intensiven und frühzeitigen Austausch mit der EUKommission pflegen sowie eng mit unseren europäischen Partnerregionen und dem Europäischen Parlament, insbesondere den aus NRW stammenden Abgeordneten, zusammenarbeiten. Wichtig ist für uns eine bessere Vernetzung von Düsseldorf und 178 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 7720 7721 7722 7723 7724 7725 7726 7727 7728 7729 7730 7731 7732 7733 7734 7735 7736 7737 7738 7739 7740 7741 7742 7743 7744 7745 7746 7747 7748 7749 7750 7751 7752 7753 7754 7755 7756 7757 7758 7759 7760 7761 7762 7763 Brüssel, von Landesregierung, Landtagsabgeordneten sowie den NRW-Kommunen mit den Europaabgeordneten und deren Fraktionen sowie den nationalen Experten und Expertinnen aus NRW in den EU-Institutionen. Europapolitik und grenzüberschreitende Zusammenarbeit sind für uns eine Querschnitts- und Koordinierungsaufgabe. An der Gestaltung der Europapolitik des Landes sollen alle Ressorts mitarbeiten. Die konsistente Vertretung nordrhein-westfälischer Interessen auf europäischer, interregionaler und grenznachbarschaftlicher Ebene ist Auftrag und Aufgabe aller Ressorts. Innerhalb der Landesregierung hat das für Europa zuständige Ressort eine besondere Verantwortung für die Herstellung von Kohärenz im europapolitischen Handeln der Landesregierung. Wichtiges Instrument der Interessenvertretung bleibt die Vertretung des Landes in Brüssel. Wir setzen auf eine starke und kompetente Interessenvertretung in Berlin Brüssel als Bindeglied zwischen Nordrhein-Westfalen, dem Bund und Europäischen Institutionen. Die beiden Vertretungen sollen Multiplikatorinnen Multiplikatoren, Institutionen, Verbände und gesellschaftliche Gruppen, Nordrhein-Westfalen bei ihren Aktivitäten in Brüssel und Berlin unterstützen ihnen als Forum zur Kommunikation und Kontaktpflege dienen. und den und aus und Wir werden die gute Arbeit im Ausschuss der Regionen fortsetzen und sie konsequent verknüpfen mit allen anderen Wegen zur Vertretung unserer europapolitischen Landesinteressen, insbesondere im europäischen Rechtsetzungsprozess. Wir wollen die Interessen der regionalen und lokalen Ebene stärken und dafür Sorge tragen, dass das „Europa der Regionen“ an Kontur gewinnt. Wichtigste europapolitische Handlungsgrundlage der Landesregierung werden die jährlich zu erstellenden Europapolitischen Prioritäten bleiben, die von der Landesregierung dem Landtag vorgeschlagen werden. Wir unterstützen den Landtag bei seinen wiedergewonnenen europapolitischen Kompetenzen und werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass die europapolitische Handlungsfähigkeit des Landtages gestärkt wird. Ein demokratisches, soziales, wirtschaftlich starkes und nachhaltiges Europa Um die Vertrauenskrise bei den Bürgerinnen und Bürgern in Bezug auf die EU zu überwinden, muss der Primat der Politik wieder hergestellt werden. Deshalb setzen wir uns in NRW für eine Stärkung des Europäischen Parlaments und notwendige institutionelle Reformen ein. Bei uns im Land setzen wir uns für ein Landeswahlrecht für EU-Bürgerinnen und Bürger ein. Wir treten ein für ein soziales Europa, das den Bürgerinnen und Bürgern aller Mitgliedsstaaten eine Perspektive für ein Leben in Frieden, Wohlstand und sozialer 179 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 7764 7765 7766 7767 7768 7769 7770 7771 7772 7773 7774 7775 7776 7777 7778 7779 7780 7781 7782 7783 7784 7785 7786 7787 7788 7789 7790 7791 7792 7793 7794 7795 7796 7797 7798 7799 7800 7801 7802 7803 7804 7805 7806 Sicherheit bietet. Wir wollen eine EU, die sich nicht an den niedrigsten, sondern an den höchsten sozialen Standards als Zielvorgabe orientiert. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Gestaltungshoheit und der Handlungsspielraum der Kommunen zur Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge durch europäische Wettbewerbsregelungen nicht unangemessen eingeschränkt werden. Leistungen der Daseinsvorsorge können und müssen dort geregelt werden, wo sie entstehen und den Bürgerinnen und Bürgern zugutekommen. Die zukünftige wirtschaftliche, ökologische und soziale Entwicklung unseres Landes hängt in vielen Punkten davon ab, dass die Europäische Union den richtigen politischen Rahmen setzt. Wir brauchen wichtige Modernisierungsimpulse aus Europa. Vor allem beim ökologischen und solidarischen Umbau unserer Industrieund Energiestrukturen. Wir brauchen eine starke europäische Stimme in der internationalen Politik, z. B. beim Klimaschutz und den internationalen Wirtschaftsstrukturen („Green Economy“). Deswegen muss die europäische Energie- und Klimaschutzpolitik angesichts der großen Herausforderungen internationaler Schrittmacher sein und zu einem breit angelegten internationalen Abkommen mit verbindlichen und ambitionierten Zielen beitragen, um zu den notwendigen Emissionssenkungen, Planungssicherheit und fairen Wettbewerbsbedingungen zu kommen. Wir wollen uns auch für die notwendige Modernisierung der Verträge einsetzen, auf denen die heutige Europäische Union beruht. Besonders reformbedürftig ist der völlig überholte Euratom-Vertrag aus den 1950er Jahren, der die Europäische Union noch immer auf eine bedingungslose Förderung der Atomkraft und der Kernfusion verpflichtet. Wir wollen eine klare vertragliche Verpflichtung der Europäischen Union auf den Klimaschutz, die Förderung der erneuerbaren Energien, der Energieeffizienz und der intelligenten Netze und Speicher sowie einen sicheren Ausstieg aus der Kernenergie. Wir werden uns dafür einsetzen, dass auch der Haushalt der Europäischen Union diese Prioritäten abbildet. NRW liegt mitten in Europa und mehr als die Hälfte unserer Exporte geht in die Länder der EU. Europa ist für uns aber mehr als ein gemeinsamer Markt und eine gemeinsame Währung. Wir müssen die richtigen Lehren aus der weltweiten Finanzmarktkrise und der darauf folgenden Krise in der Eurozone ziehen: Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Europa. Wir brauchen eine demokratische, ökologische, soziale und an nachhaltiger Entwicklung ausgerichtete Europäische Union. 180 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 7807 7808 7809 7810 7811 7812 7813 7814 7815 7816 7817 7818 7819 7820 7821 7822 7823 7824 7825 7826 7827 7828 7829 7830 7831 7832 7833 7834 7835 7836 7837 7838 7839 7840 7841 7842 7843 7844 7845 7846 7847 7848 7849 7850 Wir sprechen uns für verbesserte Mechanismen zur Sicherung nachhaltiger öffentlicher Finanzen in den Mitgliedstaaten, für mehr europäische Steuergerechtigkeit, für eine bessere europäische Finanzmarktregulierung und eine stärkere Handlungsfähigkeit der EU-Institutionen einbringen. Der in den letzten Monaten gewählte Weg über immer neue Vereinbarungen der europäischen Regierungen jenseits der europäischen Verträge scheint uns nicht der richtige Ansatz für ein transparentes und demokratisches Europa der Bürgerinnen und Bürger zu sein. Für eine nachhaltige Entwicklung ist Schuldenabbau in allen Mitgliedstaaten nötig. Allerdings reicht Sparpolitik allein nicht aus, um die Wirtschaftskrise in den europäischen Staaten zu überwinden. NRW setzt sich deshalb für eine nachhaltige Wachstumsinitiative ein, die auch unserem exportstarken Land zu Gute kommen wird. Über eine gemeinsame europäische Wirtschaftspolitik müssen die Wachstumskräfte in den Krisenländern gestärkt und den Menschen eine Zukunftsperspektive in ihren Heimatländern gegeben werden. Im Sinne einer vorbeugenden Politik setzten wir uns weiterhin für eine wirksame Finanzmarktregulierung und die Einführung einer Finanztransaktionsteuer ein. Ebenso halten wir an dem Ziel fest, die Verursacher der Wirtschafts- und Finanzkrise an der Bewältigung ihrer Folgen zu beteiligen. Europa der Bürgerinnen und Bürger Wir wollen, dass Europa für die Bürgerinnen und Bürger als positiver Raum erlebbar ist. Wir wollen das aktive Engagement in und für Europa erleichtern und dazu die notwendigen Voraussetzungen schaffen. Wir werden deshalb ein Gesamtkonzept für die europapolitische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit erarbeiten, unter Einbeziehung des Europäischen Parlaments, der Europäischen Kommission, der Landeszentrale für politische Bildung und der Europe-Direct-Informationszentren in NRW. Wir werden das Netzwerk europapolitischer Akteure in NRW stärken und für Schulpartnerschaften, Städtepartnerschaften und Jugendorganisationen ein systematisches Informationsangebot entwickeln. Dazu gehören für uns auch wichtige Pfeiler wie die Europa-Schulen sowie die Europa-Union. Wir werden auf die Erfahrungen des „Leitprogramms für die Stärkung der Europafähigkeit der Kommunen“ aufbauen, dass wir weiterführen und ausbauen wollen. Es sollen nicht nur besonders europaaktive Kommunen ausgezeichnet werden, sondern wir werden gerade für diejenigen Anreize setzen, die noch nicht „europafit“ sind. Dazu bedarf es vor allen Dingen einer umfassenden Aufklärung und Hilfestellung seitens der Landesregierung. 181 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 7851 7852 7853 7854 7855 7856 7857 7858 7859 7860 7861 7862 7863 7864 7865 7866 7867 7868 7869 7870 7871 7872 7873 7874 7875 7876 7877 7878 7879 7880 7881 7882 7883 7884 7885 7886 7887 7888 7889 7890 7891 7892 7893 7894 7895 7896 Eine bürgernahe, demokratisch verwurzelte und subsidiär aufgebaute Europäische Union bedarf starker Regionen und starker Kommunen. Die Landesregierung wird deshalb einen Dialog mit den kommunalen Spitzenverbänden entwickeln, um sicherzustellen, dass sie die Belange der Kommunen bei der Positionierung zu EUVorhaben zu berücksichtigen. Das gilt insbesondere bei solchen Vorlagen, die ganz oder teilweise von Gemeinden oder Gemeindeverbänden auszuführen sind, ihre Finanzsituation unmittelbar betreffen oder auf ihre Verwaltungsorganisation einwirken. Wir wollen dass alle Kommunen in Zukunft von Europäischen Förderprogrammen profitieren können. Wir bauen mit am Europa 2020 – Für ein Europa der Zukunft Wir wollen Europa gestalten. Wir wollen ein Europa für die Menschen. Wir wollen nicht Fördermittel als Selbstzweck, sondern um einen europäischen Mehrwert zu schaffen. Europäische Strukturpolitik ist mehr als ein reiner Umverteilungsmechanismus, sie ist vielmehr Ausdruck europäischer Solidarität. Die Europäische Union wird die entscheidenden Weichen stellen, um eine Erreichung der Ziele der Europa-2020-Strategie sicher zu stellen. Mit dem neuen Mehrjährigen Finanzrahmen für die Zeit 2014-2020, den neuen Strukturfondsverordnungen, dem neuen integrierten Forschungsund Innovationsprogramm Horizon 2020 und dem neuen Infrastrukturprogramm „Connecting Europe“ muss Europa die großen Zukunftsthemen für Europa, seine Mitgliedstaaten und seine Regionen richtig anpacken: Die Schaffung sozialer Gerechtigkeit und Inklusion sowie nachhaltiger und solidarischer Wirtschaftsstrukturen in Europa und weltweit, den Klimaschutz, die Anpassung an den bereits eingetretenen Klimawandel, die Ressourceneffizienz, für nachhaltiges Wachstum und nachhaltige Beschäftigung, die Innovationsfähigkeit unserer Gesellschaft, den demografischen Wandel, die Sicherstellung universeller Zugänge zur Daseinsvorsorge, die Chancengleichheit und nachhaltige öffentliche Finanzen Die Prinzipien des Gendermainstreaming müssen sich darüber hinaus in allen Programmen niederschlagen. Im Rahmen der Debatte über den Mehrjährigen Finanzrahmen der Europäischen Union ist es unser Ziel, dass auch nach dem Jahr 2013 wie vorgesehen im Rahmen der EU-Strukturförderung ausreichende Mittel in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung stehen und diese effizient und nachhaltig mit hohen Synergieeffekten eingesetzt werden. NRW hat eine Verantwortung, den wirtschaftlichen Wandel in Europa hin zu mehr nachhaltiger, das heißt sozial und ökologisch verantwortungsvoller Wertschöpfung, mit zu beschreiten. Wir werden dafür sorgen, dass die Strukturfondsgelder der Europäischen Union einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung dieser Aufgabe leisten. 182 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 7897 7898 7899 7900 7901 7902 7903 7904 7905 7906 7907 7908 7909 7910 7911 7912 7913 7914 7915 7916 7917 7918 7919 7920 7921 7922 7923 7924 7925 7926 7927 7928 7929 7930 7931 7932 7933 7934 7935 7936 7937 7938 7939 7940 7941 7942 Wir werden uns dabei für eine Vereinfachung der Förderprozesse einsetzen, damit innovative Ideen schnell umgesetzt werden. Wir werden uns auch für eine integrierte Förderpolitik einsetzen, die bei den Herausforderungen vor Ort ansetzt. Wir wollen zum Beispiel NRW-Akteure zunächst fit für den Wettbewerb um eine erfolgreiche Horizont 2020-Förderung zu machen, um so unsere wissens- und forschungsbasierte Entwicklung zu stimulieren. Im Anschluss an die Teilnahme an einem europäischen Forschungsprojekt sollen nordrhein-westfälische Unternehmen zukünftig innovative, zum Beispiel klimaschonende und ressourceneffiziente Produkte, die aus der Forschung hervorgehen, mit Unterstützung einer Ziel-2-Förderung auf den Markt bringen können. Durch einen derart gezielten Einsatz von Strukturfördermitteln kann sowohl die europäische als auch die regionale Wissensbasis gestärkt werden. Wir wollen die EU-Strukturfondsmittel im Rahmen der EU-Vorgaben für unseren vorbeugenden Politikansatz nutzen. Wir stehen zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Europa Ein herausragender Eckpfeiler der nordrhein-westfälischen Europapolitik stellen die Beziehungen zum Beneluxraum dar, die wir weiterentwickeln wollen. Hierzu werden wir gemeinsam mit den Partnern auf beiden Seiten der Grenzen einen strategischen Ansatz entwickeln, den wir unter anderem auch weiter mit Hilfe der INTERREGProgramme konkret umsetzen wollen. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit, insbesondere im Rahmen der Euregios, ist für uns dabei von überragender Bedeutung. Die Landesregierung setzt sich zudem für eine Stärkung des regionalen Weimarer Dreiecks ein. Die Erfahrungen im Rahmen unserer trilateralen Partnerschaft mit der französischen Region Nord-Pas-de-Calais und der polnischen Woiwodschaft Schlesien werden wir für gemeinsame Projekte und Aktivitäten nutzen. Die vielen gemeinsamen Erfahrungen und Projekte haben unsere Partnerschaft und Freundschaft gestärkt. Wir wollen darauf aufbauen und unsere Beziehungen zu Polen und Frankreich nachhaltig festigen. Aber auch die Zusammenarbeit mit den anderen Partnern in der Europäischen Union, insbesondere in Mittel- und Osteuropa, soll aktiv weitergeführt werden. Die Landesregierung wird die laufenden und zukünftigen Verhandlungen der EU mit beitrittswilligen Staaten positiv begleiten. Den Verhandlungen mit der Türkei und den Westbalkan-Staaten kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, da viele Menschen, die Wurzeln in diesen Staaten haben, heute mit uns zusammenleben. Internationale Beziehungen Die Landesregierung setzt sich weiterhin für die guten Beziehungen zu EUMitgliedsstaaten ein. Darüber hinaus wollen wir die bestehenden engen Beziehungen 183 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 7943 7944 7945 7946 7947 7948 7949 7950 7951 7952 7953 7954 7955 7956 7957 7958 7959 7960 7961 7962 7963 7964 7965 7966 7967 7968 7969 7970 7971 7972 7973 7974 7975 7976 7977 7978 7979 7980 7981 7982 7983 7984 7985 7986 z.B. zu Nordamerika, Japan sowie China und zu den NRW-Partnerprovinzen weiterentwickeln. Dabei werden auch die in NRW lebenden Bürgerinnen und Bürger mit ausländischen Wurzeln einbezogen. Die internationale Wirtschaftsförderung des Landes werden wir stärken, indem wir Synergien bei "Incoming", "Outgoing", Standortmarketing und Messeaktivitäten nutzen, sowie die Vernetzung mit der regionalen Wirtschafts- und Innovationsförderung intensivieren. Dabei wird das internationale Konzept der Landesregierung eine wichtige Grundlage bilden. Das Land NRW wird die engen und freundschaftlichen Beziehungen zu Israel weiter vertiefen und mit einem eigenen Beitrag insbesondere kommunale und zivilgesellschaftliche Kontakte zwischen NRW, Israel und den palästinensischen Gebieten sowie den arabischen Nachbarländern fördern. Zukunftsfähige Eine-Welt-Politik – gerecht, friedlich, nachhaltig Es liegt im existenziellen Interesse Nordrhein-Westfalens, unseren Beitrag dazu zu leisten, die Welt gerechter, friedlicher, ökologischer, wirtschaftlich zukunftsfähiger und nachhaltig zu gestalten. Wir müssen unsere Lebensverhältnisse mit den Anforderungen an eine global gerechte und nachhaltige Entwicklung in Einklang bringen. Wir wollen in der Landespolitik entwicklungspolitische Kohärenz herstellen. Vor dem Hintergrund sich zuspitzender globaler Umweltrisiken und -krisen, einer noch nicht überwundenen weltweiten Finanz-und Wirtschaftskrise und wachsenden sozialen Disparitäten gilt es insbesondere mit einer auf die veränderten globalen Rahmenbedingungen angepassten Eine-Welt-Politik zu reagieren. Unsere Produktions-und Konsumweisen sind hauptverantwortlich für die krisenhaften globalen Probleme. Eine zukunftsfähige Eine-Welt-Politik muss eine ressourcenschonende, klimaverträgliche Wirtschafts-und Lebensweise im Interesse der Bekämpfung von Armut und Ungleichheit verfolgen. Konsequenterweise heißt das, dass wir auch auf Landesebene die Verzahnung der entwicklungspolitischen und umweltpolitischen sowie der wirtschaftspolitischen und sozialen Ziele verstärkt befördern wollen. Wir unterstützen aktiv die Idee, im Nachgang der Rio+20 Konferenz und in Vorbereitung der Post-2015 Phase, neue international vereinbarte Nachhaltigkeitsziele voranzutreiben. Dabei sollen die Millenniumentwicklungsziele weiterentwickelt, um Nachhaltigkeitsaspekte erweitert und die bislang weitgehend ausgeklammerten strukturellen Fragen der Verteilungsgerechtigkeit mit aufgegriffen werden. Diese globalen Nachhaltigkeitsziele sollen insbesondere auch Zielvereinbarungen für die Industrie-und Schwellenländer 184 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 7987 7988 7989 7990 7991 7992 7993 7994 7995 7996 7997 7998 7999 8000 8001 8002 8003 8004 8005 8006 8007 8008 8009 8010 8011 8012 8013 8014 8015 8016 8017 8018 8019 8020 8021 8022 8023 8024 8025 8026 8027 8028 8029 aufweisen. Fragen sozialer Gerechtigkeit, die Bekämpfung von Armut und die Verwirklichung der Menschenrechte sind integraler Bestandteil dieser nachhaltigen, ökologischen und gendergerechte Entwicklungsstrategie, die wir für NordrheinWestfalen verankern wollen. Nordrhein-Westfalen steht wie alle Industrieländer in der internationalen Verantwortung, den Ressourcenverbrauch und die von uns ausgehenden Umweltbelastungen zu verringern. Wir fördern auch den Know-How-Transfer in die Länder des Südens, um z.B. Erneuerbare Energien auszubauen. Der faire Handel ist für uns ein wichtiger Baustein für die Umsetzung globaler Gerechtigkeit. Das Land und die Kommunen gehen bei der öffentlichen Beschaffung mit gutem Vorbild voran: Auf Grundlage des im Mai 2012 in Kraft getretenem Tariftreue- und Vergabegesetzes werden wir die faire und umweltfreundliche Beschaffung ausbauen. Die etablierte Messe FAIR! werden wir als Leitprojekt des Fairen Handels weiterhin unterstützen. Wir wollen zudem dafür sorgen, dass in NRW verwendete Natur- und Grabsteine mit den Kriterien des Fairen Handels in Einklang stehen. NRW ist ein Akteur mit globaler Bedeutung: Viele in NRW ansässige zivilgesellschaftliche Organisationen, Hochschulen und Unternehmen arbeiten mit Partnerinnen und Partner aller Welt zusammen, zunehmend auch in Schwellen- und Entwicklungsländern. Dort liegen viele auch für unser Land wichtige Märkte und Ressourcen. Wir haben ein Interesse an einer nachhaltigen Entwicklung in diesen Ländern. Das globale Engagement von Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft werden wir im Rahmen der neuen Eine-Welt-Strategie unterstützen und fördern. Wir wollen ein verlässlicher und verantwortungsvoller Partner sein und unseren Beitrag zu einer sozial, ökologisch und wirtschaftlich nachhaltigen Entwicklung leisten. Die Landesregierung will ihre Eine-Welt-Politik auf sechs Handlungsfelder konzentrieren, die den Kompetenzen und Potenzialen des Landes in besonderer Weise entsprechen. Neben Bildung gehören dazu Forschung und Wissenschaft, Klimaschutz, Wirtschaft und Energie, die Gestaltung von Regierungshandeln (Governance) und das bürgerschaftliche Engagement. Auf diesen Handlungsfeldern möchten wir gemeinsam mit den Partnerinnen und Partnern aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Wirtschaft und Diaspora unseren Beitrag zu einer Politik der globalen Verantwortung leisten, die im gemeinsamen Interesse unseres Landes und unserer Partnerinnen und Partner den Entwicklungs- und Schwellenländern einen Nutzen für alle schafft. Die Landesregierung wird besonders auf die Wirksamkeit der Maßnahmen achten und dabei verstärkt die Rolle einer Moderatorin übernehmen, um Prozesse zu stimulieren und zu koordinieren. Innerhalb der Landesregierung hat das für Eine-Welt zuständige Ressort eine besondere Verantwortung für die Herstellung 185 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 8030 8031 8032 8033 8034 8035 8036 8037 8038 8039 8040 8041 8042 8043 8044 8045 8046 8047 8048 8049 8050 8051 8052 8053 8054 8055 8056 8057 8058 8059 8060 8061 8062 8063 8064 8065 8066 8067 8068 8069 8070 8071 8072 von Kohärenz im Regierungshandeln mit Blick auf die Umsetzung der Eine-WeltStrategie. Die Entwicklungszusammenarbeit ist eine Aufgabe, bei der Bund, Land und Kommunen eng kooperieren müssen. Die Landesregierung wird weiterhin die kommunale Entwicklungsarbeit unterstützen, denn viele Prozesse für nachhaltige Entwicklung werden auf kommunaler Ebene angestoßen und umgesetzt. Die Aktivierung von zivilgesellschaftlichem Engagement ist dabei unverzichtbar. Nordrhein-Westfalen kann auf eine lange entwicklungspolitische Tradition zurückblicken und ist in vielerlei Hinsicht bereits Vorreiter beim entwicklungspolitischen Engagement auf Länderebene: Mit mehr als 3.000 EineWelt-politisch engagierten Vereinen und Initiativen, zahlreichen kirchlichen Hilfswerken oder Nichtregierungsorganisationen ist NRW ein Land mit außergewöhnlich großem Engagement von Bürgerinnen und Bürgern in diesem Politikfeld. Dabei bauen wir auf den bestehenden Strukturen auf und werden das Koordinatorenprogramm weiterhin stabilisieren sowie die entwicklungspolitische Bildungsarbeit weiterhin fördern. Die internationalen Partnerschaften haben sich bewährt. Im Rahmen dieser Partnerschaften und Kooperationen setzen wir uns für die Einhaltung der Menschenrechte und den Schutz vor Ausbeutung von Mensch und von Land ein. Wir wollen, dass zivile und präventive Strategien des Konflikt- und Krisenmanagements gestärkt werden. Wir wollen die bei uns lebenden Menschen aus anderen Ländern stärker als Partnerinnen und Partner sichtbar machen und einbinden. Migrations- und Eine-WeltPolitik wollen wir stärker verzahnen. Austausch- und Förderprogramme, gerade für junge Menschen, zum Beispiel im Rahmen des konkreten Friedensdienstes oder „weltwärts", sollen gestärkt und um Reverse-Elemente und die Arbeit mit Rückkehrerinnen und Rückkehrern ergänzt werden. Wir wollen die UNESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt auch im Hinblick auf ihre entwicklungspolitische Dimension umsetzen. Durch das Engagement der Landesregierung sowie ihrer Partnerinnen und Partner wollen wir das Potenzial des internationalen Standortes Bonn als Kompetenzzentrum für globale Entwicklung und Umwelt ausbauen. NRW wird sich für die Ansiedlung weiterer internationaler Organisationen einsetzen. Zugleich dient die Konzentration vieler nationaler, interund supranationaler Einrichtungen und das starke Profil im Bereich Nachhaltigkeit auch der Synergiebildung im Wissenschaftsbereich sowie der Stärkung der internationalen Sichtbarkeit von Nordrhein-Westfalen. Wir wollen deshalb die Bundesstadt Bonn auch als Internationale Wissensstadt stärken. 186 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 8073 8074 8075 8076 8077 8078 8079 8080 8081 Im Sinne einer global gerechten und nachhaltigen Entwicklung wollen wir die Kampagne „Schule der Zukunft – Bildung für Nachhaltigkeit“ im Rahmen der UNDekade 2005-2014 „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ fortsetzen, um globales Lernen in der Bildungsarbeit im schulischen und außerschulischen Bereich voranzubringen. Wir setzen uns dafür ein, dass globales Lernen auch nach Auslaufen der aktuellen UN-Dekade auf internationaler Ebene weiterhin eine wichtige Rolle spielt. 8082 8083 XII. Finanzen 8084 8085 8086 8087 8088 8089 8090 8091 8092 8093 8094 8095 8096 8097 8098 8099 8100 8101 8102 8103 8104 8105 8106 8107 8108 8109 8110 8111 8112 8113 8114 Nordrhein‐Westfalen zurückgewinnen muss seine finanzielle Handlungsfähigkeit Die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ist unser Ziel. Dazu muss die Neuverschuldung weiter zurückgeführt werden, weil sonst steigende Zinslasten und wachsende Zinssatzrisiken den Raum für die Erfüllung wichtiger Aufgaben des Landes einschränken. Allerdings hat sich die Situation des nordrhein-westfälischen Landeshaushaltes in den vergangenen Jahren weiter dramatisch verschärft. Die Ursachen hierfür sind nicht nur in der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise zu suchen, sondern auch die Politik der derzeitigen Bundesregierung hat in den vergangenen Jahren zu einer erheblichen Verschlechterung der finanziellen Situation in NRW in Höhe von jährlich rund 5 Mrd.€ beigetragen. Betrachtet man diese Entwicklung im Zusammenhang mit der im Grundgesetz festgeschrieben Schuldenbremse sind sowohl grundlegende als auch strukturelle Veränderungen in allen Bereichen und Ressorts auf der Ausgabenseite sowie massive Einnahmeverbesserungen in Hinblick auf die Bund-Länder-Beziehungen unausweichlich. Zur Unterstützung unseres eingeschlagenen Weges der Haushaltskonsolidierung werden wir unter Beteiligung der Kommunalen Spitzenverbände zur Konkretisierung der bereits bestehenden Regelung im Grundgesetz einen eigenen Vorschlag zur Aufnahme der Schuldenbremse in die Landesverfassung in den Landtag einbringen. Er überträgt einerseits die ohnehin feststehenden Zielvorgaben auf das Land und macht gleichzeitig deutlich, dass diese nicht auf dem Rücken der Kommunen verfolgt werden. Daher stehen alle haushaltswirksamen Vorhaben im Rahmen dieses Koalitionsvertrags unter Finanzierungsvorbehalt. Eine ehrliche und wirklich auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Haushaltspolitik darf das Schuldenmachen nicht vom einen auf den anderen verschieben. Nachhaltige Haushaltspolitik muss dafür sorgen, dass der staatliche Gesamthaushalt auf jeder 187 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 8115 8116 8117 8118 8119 8120 8121 8122 8123 8124 8125 8126 8127 8128 8129 8130 8131 8132 8133 8134 8135 8136 8137 8138 8139 8140 8141 8142 8143 8144 8145 8146 8147 8148 8149 8150 8151 8152 8153 8154 8155 8156 8157 8158 8159 Ebene ausgeglichen ist. Die Schuldenbremse verpflichtet daher auch den Bund zu einer angemessenen Finanzierung der auf die Kommunen und Länder übertragenen Aufgaben. Zur Konsolidierung des Haushaltes setzen wir auf Einnahmenverbesserungen, Investitionen in vorbeugende Maßnahmen, Sparen durch Aufgabenkritik und Effizienzsteigerungen. Nachhaltig investieren, Spielräume für die Zukunft schaffen Haushaltskonsolidierung und vorsorgende Politik sind zwei Seiten einer Medaille. Deshalb setzen wir heute auf Zukunftsinvestitionen in Bildung und Qualifizierung, und auf den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft, auf die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung und der Infrastruktur, auf unsere Städte und Gemeinden und auf den Klimaschutz. Wir sind überzeugt davon, dass sich diese Investitionen lohnen – für jeden Einzelnen und für die gute Entwicklung von NRW. Wir sind uns einig, dass in der kommenden Legislaturperiode die zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen zielgenau und nachhaltig eingesetzt werden müssen. Die Zukunftsinvestitionen von heute sind die Rendite von morgen. Das ist verantwortungsvoll und vorausschauend. Das ist nachhaltige Finanzpolitik. In Anbetracht des in NRW in den vergangenen Jahren, nicht zuletzt aufgrund der (Steuer-) Politik des Bundes, angehäuften Schuldenberges fordern wir vom Bund, die Ausgabe gemeinsamer Anleihen des Bundes und der Länder, um die erdrückenden Zinszahlungen deutlich reduzieren zu können. Weg der Konsolidierung fortsetzen Zum Konsolidierungsprozess gehört eine konsequente Aufgabenanalyse und –kritik, die ausnahmslos alle Bereiche und Ressorts erfasst. Wir werden alle Maßnahmen im Landeshaushalt hinsichtlich vorhandener Effizienz-Reserven, zu erwartender Demografie-Effekte sowie Einsparmöglichkeiten aufgrund des technischen Fortschrittes überprüfen, um so die notwendigen Ressourcen für die zukünftige Aufgabenerfüllung zu ermitteln sowie realisierte Einsparpotenziale zum Abbau des strukturellen Finanzierungsdefizits im Landeshaushalt einzusetzen. Ziel muss es hierbei sein, insgesamt nachhaltig Personal- und Sachkosten insbesondere Büroflächenverbrauch strukturell zu optimieren und Effizienzgewinne zu realisieren. Diese Analyse wollen wir mit den Erfahrungen des Effizienzteams vorantreiben. Wir werden entscheiden, welche Aufgaben zukünftig noch vom Land wahrgenommen werden sollen. Wir werden die Wirksamkeit und die Effizienz des Mitteleinsatzes über alle Einzelpläne hinweg am erzielten oder zu erreichenden Ergebnis messen. Aufgaben, 188 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 8160 8161 8162 8163 8164 8165 8166 8167 8168 8169 8170 8171 8172 8173 8174 8175 8176 8177 8178 8179 8180 8181 8182 8183 8184 8185 8186 8187 8188 8189 8190 8191 8192 8193 8194 8195 8196 8197 8198 8199 8200 8201 8202 die unterschiedlichen Zuständigkeiten in der Landesverwaltung unterliegen, im Kern aber dem gleichen Zweck oder derselben Zielgruppe dienen, werden dabei zusammen und systematisch betrachtet. Wir haben den Anspruch, mit den begrenzten Mitteln die höchste Effizienz zu erreichen. Das heißt auch, Entscheidungsvorschläge für die beste Organisationsstruktur bei der Erledigung von Aufgaben zu entwickeln. Im Rahmen der Aufgabenkritik wollen wir bei der Förderung verstärkt kreditwirtschaftliche Instrumente einsetzen. Alle Förderprogramme sind daraufhin zu überprüfen, ob sie auf eine Darlehensvergabe umgestellt werden können. Unser Ziel ist es, so dauerhaft finanzielle Rückflüsse zu generieren und sich selbst tragende Förderprozesse aufzubauen. Haushaltseinsparungen sollen entweder durch einhergehenden sukzessiven Abbau von Landeszuschüssen oder durch den einmaligen Aufbau eines sich selbst tragenden Förderprozesses realisiert werden. Hierbei ist die landeseigene NRW.BANK ein wichtiger Partner. Wir werden die Landesbetriebe einer grundsätzlichen Aufgabenanalyse und -kritik unterziehen und strukturelle Defizite beseitigen. Das Effizienzteam hat in der letzten Legislaturperiode mit einer Reihe von Untersuchungen (Benchmark Analyse, Demografieuntersuchungen, Vorschläge zu Umschichtungen im Bereich der Förderprogramme etc.) die Grundlage für viele Ansätze in der 16. Wahlperiode gelegt. Wir wollen das Effizienzteam unter der Leitung des Finanzministers fortführen. Ziel ist es, weitere Konsolidierungspotenziale für den Landeshaushalt aufzuzeigen und zu erschließen. Chronische Unterfinanzierung beenden Politik, die einseitig nur auf Ausgabenkürzungen setzt, führt zu nachlassender Wirtschaftskraft und zu sinkenden Einnahmen. Ein stetiges Wachstum ist für unsere Haushaltskonsolidierung ebenso unabdingbar wie die Stärkung der Einnahmebasis der Länder und Kommunen. Die Schere zwischen der Finanzausstattung und der wachsenden Aufgabenfülle der Bundesländer und Kommunen öffnet sich immer weiter. Ergebnis ist eine chronische Unterfinanzierung. Wir nehmen die Pflicht zur Haushaltskonsolidierung ernst. Deshalb werden wir auf Bundesebene Initiativen für eine steuerliche Stärkung der Einnahmenseite auf den Weg bringen und uns gegen Steuergeschenke zur Wehr setzen, die von den Bürgerinnen und Bürgern an anderer Stelle wieder finanziert werden müssten. Um unseren Landeshaushalt wieder auf eine solide und langfristig tragfähige Basis zu stellen, wollen wir steuerpolitische Bundesratsinitiativen für eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer und eine sozial gerechte Reform der Einkommensteuer mit einer Anhebung des Spitzensteuersatzes. Starke Schultern müssen mehr zum Gemeinwohl beitragen. Deshalb müssen vor allem auch die Profiteure des 189 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 8203 8204 8205 8206 8207 8208 8209 8210 8211 8212 8213 8214 8215 8216 8217 8218 8219 8220 8221 8222 8223 8224 8225 8226 8227 8228 8229 8230 8231 8232 8233 8234 8235 8236 8237 8238 8239 8240 8241 8242 8243 8244 8245 8246 Finanzmarktes an den Folgen der Finanzkrise durch eine Finanztransaktionssteuer beteiligt werden. Wir werden uns darüber hinaus für eine stabile und nachhaltige Wirtschafts- und Finanzordnung einsetzen. Dazu bedarf es neben soliden öffentlichen Haushalten vor allem einer verbesserten Finanzmarktaufsicht. Zusätzlich werden wir uns für eine grundsätzliche Reform der Erbschaftsteuer mit dem Ziel einsetzen, sehr reiche Erben stärker zu besteuern. Die gegenwärtige Generation hinterlässt ihren Kindern weit mehr als nur öffentliche Schulden. Keine Generation zuvor hat so viel an privatem Geldvermögen, an privaten Immobilien und anderem Sachvermögen und auch an öffentlicher Infrastruktur angehäuft. Der allergrößte Teil des privaten Wohlstands konzentriert sich allerdings auf einen extrem kleinen Anteil der Bevölkerung. Ohne die im internationalen Vergleich hervorragende Infrastruktur, ohne unser Bildungswesen, ohne das hohe Maß an öffentlicher Sicherheit hätte privater Reichtum in dieser Größenordnung nicht entstehen können. Deshalb ist es eine Frage der Gerechtigkeit, große Vermögen und Erbschaften, hohe Einkommen und insbesondere die Gewinne des Finanzsektors stärker an der Finanzierung des öffentlichen Leistungsangebotes zu beteiligen, um die öffentlichen Haushalte wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Eine Frage der Gerechtigkeit ist es auch, Steuerflucht ins Ausland wirksam zu bekämpfen. Wer hier lebt und das staatliche Leistungsangebot in Anspruch nimmt, darf sich seiner Mitfinanzierungspflicht nicht entziehen. Abkommen, die den Fortbestand von Schlupflöchern im großen Stil gewährleisten, werden auch künftig nicht die Zustimmung des Landes Nordrhein-Westfalen finden. Kommunen weiter stärken Unser Ziel ist es, die kommunale Einnahmensituation auf eine verlässliche und langfristig tragfähige Basis zu stellen. Wir wollen die Gewerbesteuer zu einer kommunalen Wirtschaftssteuer mit einer nachhaltig verbreiterten Erhebungsbasis entwickeln. Gleichzeitig ist klar, dass der Bund deutlich mehr zur Finanzierung der Soziallasten der Kommunen beitragen muss. Wir werden uns hier dauerhaft zum Anwalt der Kommunen machen, im Bundesrat jede weitere Verschlechterung der Finanzausstattung der Kommunen abwenden und darüber hinaus für einen höheren Anteil des Bundes an den Soziallasten über die Grundsicherung hinaus einsetzen. Wir werden die Selbstverwaltungsrechte der Kommunen auch im Bereich der kommunalen Steuern stärken. Wir respektieren das kommunale Steuerfindungsrecht als wesentlichen Bestandteil der Finanzautonomie und die Landesregierung wird dies in ihrer Genehmigungspraxis zum Ausdruck bringen. 190 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 8247 8248 8249 8250 8251 8252 8253 8254 8255 8256 8257 8258 8259 8260 8261 8262 8263 8264 8265 8266 8267 8268 8269 8270 8271 8272 8273 8274 8275 8276 8277 8278 8279 8280 8281 8282 8283 8284 8285 8286 8287 8288 8289 8290 8291 Die Grundsteuer ist eine wichtige und verlässliche Einnahmequelle der Kommunen. Nordrhein-Westfalen wird daher im Bundesrat die Reform der Grundsteuer vorantreiben, um eine gerechtere Bemessung und Erhebung sicherzustellen. Ziel ist ein Modell, das eine faire und sozial ausgewogene Besteuerung ermöglicht und keine Fehlanreize bezüglich des Flächenverbrauchs setzt. Dabei soll auch eine mögliche Ermächtigung der Kommunen zur Festlegung von differenzierenden Hebesätzen geprüft werden. Solidarität ist keine Frage der Himmelsrichtung Bundesweite Solidarität ist für den Umbau erneuerungsbedürftiger und für den Aufbau zukunftsgerichteter Strukturen eine unverzichtbare Grundlage. Unser gemeinsamer Wohlstand hat viel damit zu tun, dass wir dem Auseinanderdriften von Regionen immer entschlossen entgegengewirkt haben. Der Solidarpakt zum Aufbau der ostdeutschen Länder war und ist dafür ein wichtiger Baustein. Aber der Bedarf ist erkennbar keine ausschließliche Frage der Himmelsrichtung. Es gibt auch in den ostdeutschen Bundesländern vitale Wirtschaftsregionen. Zugleich gibt es auch im Westen Herausforderungen des Wandels, die nicht allein auf Landesebene zu stemmen sind. Gelder für den Hochschulbau, den Schienenverkehr oder die Soziallastenfinanzierung des Bundes müssen nach fachlichen Gesichtspunkten und nach Bedarf ausgewogen vergeben werden. Deshalb treten wir dafür ein, frühzeitig eine angemessene Nachjustierung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs für die Zeit nach 2019 einzuleiten. Um die bereits jetzt erkennbare Übersteuerung durch den Solidarpakt auszugleichen, müssen Förderprogramme des Bundes für Forschung und Infrastruktur verstärkt auf Regionen in Nordrhein-Westfalen konzentriert werden. Die in den achtziger Jahren vor der Wiedervereinigung eingeleitete Strukturhilfe des Bundes für unterstützungsbedürftige Regionen im westlichen Bundesgebiet wollen wir wiederbeleben. Transparente Haushaltsführung fortentwickeln Wir brauchen mehr Transparenz im Haushalt, eine ganzheitliche Betrachtung der Kosten, Periodengerechtigkeit, Vergleiche mit anderen Bundesländern, Kenntnisse aus dem Haushaltsvollzug und eine Optimierung der Abläufe, eine erleichterte Identifizierung von Doppelstrukturen und von Kostensteigerungen sowie ein verbessertes Controlling. Wir wollen keine Einsparungen mit dem Rasenmäher, sondern ein intelligentes Sparen durch gezielte Aufgabenkritik und Effizienzverbesserungen. Die begonnene Umstellung des bisherigen Buchungssystems auf ein modernes und leistungsfähiges Rechnungswesen wird daher fortgesetzt. 191 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 8292 8293 8294 8295 8296 8297 8298 8299 8300 8301 8302 8303 8304 8305 8306 8307 8308 8309 8310 8311 8312 8313 8314 8315 8316 8317 8318 8319 8320 8321 8322 8323 8324 8325 8326 8327 8328 8329 8330 8331 8332 8333 8334 8335 8336 Die Einführung einer Kosten- und Leistungsrechnung werden wir für die gesamte Landesverwaltung vorantreiben. Das Parlament wollen wir in den Umstellungsprozess frühzeitig mit einbeziehen. Wir erwarten neben den gewonnenen Steuerungsinformationen auch unmittelbare Effizienzverbesserungen im allgemeinen Zahlungsverkehr des Landes und insbesondere beim Landesamt für Besoldung und Versorgung sowie der Kontrolle durch den Landesrechnungshof. Die Modernisierung des Rechnungswesens stellt einen wichtigen Eckpfeiler in der ITPlanung des Landes dar. Dabei wollen wir die modularen Erweiterungsmöglichkeiten für die Modernisierung der Landes-IT prüfen. Zusätzlich wollen wir eine qualifizierte und transparente Förderberichterstattung einführen. Außerdem soll das Haushaltsaufstellungsverfahren bürgernäher und transparenter erfolgen. Sicherung einer modernen Landesverwaltung und Ausbau der Steuergerechtigkeit Das Land Nordrhein-Westfalen verfügt über eine gute, leistungsfähige und moderne Verwaltung. Wir wollen diese Leistungsfähigkeit sichern und im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger erhalten. Dazu gehört zum Beispiel im Bereich der Finanzverwaltung eine zielorientierte Verwaltungsorganisation. Damit wollen wir gewährleisten, dass die notwendige risikoorientierte Bearbeitung nicht zu unkalkulierbaren Steuerausfällen sondern zu einer bürgerfreundlichen und gerechten Besteuerungspraxis führt. Die Steuerpolitik des Bundes hat nicht nur maßgeblichen Einfluss auf die Einnahmesituation im Landeshaushalt und die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes, sondern auch auf die Arbeitsbelastung der Finanzverwaltung. Wir setzen uns für eine Ausweitung der Betriebs- und Außenprüfung ein, da sie zu mehr Steuereinnahmen und mehr Steuergerechtigkeit führt. Wir werden daher die Betriebsprüfung unserer Einnahmenverwaltung zukunftsfest machen, indem wir die Ausbildungskapazitäten um 50 erhöhen, da die langfristige demographische Entwicklung hier nicht trägt und die Prüfungsdichte noch verbessert werden muss. Wir gehen davon aus, dass diese Investition in Personal sich über die Verlagerung von Stellen bereits nach drei Jahren positiv im Landeshaushalt niederschlägt und die zusätzlichen Kosten mehr als kompensiert. Gleichzeitig wollen wir eine Initiative ergreifen, dass jene Länder, die verstärkte Steuerprüfungen durchführen, zumindest einen wesentlichen Teil der Mehreinnahmen im eigenen Haushalt behalten können. Bundesländer, die ihren Verpflichtungen für eine ausreichende Steuer- und Betriebsprüfung nicht nachkommen, müssen sanktioniert werden. Mit einer Modernisierung der Landeshaushaltsordnung wollen wir die Rahmenbedingungen für mehr 192 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 8337 8338 8339 8340 8341 8342 8343 8344 8345 8346 8347 8348 8349 8350 8351 8352 8353 8354 8355 8356 8357 8358 8359 8360 8361 Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verbessern. Dabei werden wir eine langfristigere Planung und Flexibilisierung des Mitteleinsatzes ermöglichen sowie die Mittelvergabe aus dem Strukturfonds unbürokratischer und transparenter gestalten, indem wir über das EU-Recht hinausgehende Restriktionen vermeiden. 8362 8363 8364 8365 8366 8367 8368 8369 8370 8371 8372 8373 8374 8375 8376 8377 8378 8379 WirstehenzuunserenSparkassen NRW.Bank: Als leistungsstarken Dienstleister weiterentwickeln Die Auswirkungen der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise zeigen: Eine starke und gut ausgerichtete Förderbank ist für die mittelständische Wirtschaft und die Kommunen unerlässlich. Wir werden daher den Prozess fortsetzen, die NRW.Bank zur zentralen Förderplattform in Nordrhein-Westfalen auszubauen. Die Refinanzierungsmöglichkeiten der Bank sollen genutzt werden, um weitere intelligente und zukunftsweisende Förderlösungen zu entwickeln, um mittel- und langfristig bisher bereitgestellte Haushaltsmittel zu ersetzen. Dabei werden wir prüfen, wie die Potenziale der Bank besser ausgeschöpft werden können und diese als zentrale Anlaufstelle für Fördererdarlehen, Landesbürgschaften und eigene Kreditprodukte fungieren kann. Dabei erwarten wir weitere Effizienzgewinne im Personal- und Sachmittelaufwand. Im Sinne der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes des Landes NRW vom 13. Dezember 2011 werden wir die Prüfmöglichkeiten des Landesrechnungshofes ausweiten, um so eine Prüfungstiefe zu erreichen, die bereits jetzt für nahezu alle anderen deutschen Förderbanken gilt und für ein Institut, das sich als Dienstleister des Landes begreift, selbstverständlich sein muss. Das Drei-Säulen-Modell des Kreditgewerbes hat in der Krise seine Festigkeit und Robustheit unter Beweis gestellt. Vor allem die öffentlich rechtlichen und genossenschaftlichen Kreditinstitute sind ihrer hohen Verantwortung besonders gegenüber dem Mittelstand in Nordrhein-Westfalen gerecht geworden. Speziell die öffentlich-rechtlichen Sparkassen erwiesen sich als stabilisierender Anker und sind damit unverzichtbarer Bestandteil des Finanzstandortes NRW. Ihr Geschäftsmodell sowie ihr öffentlicher Auftrag, gemeinnützige Zwecke in den Bereichen Kultur und Sport, Soziales, Umwelt, Verbraucherschutz und Forschung zu unterstützten, beweist in einer Landschaft wachsenden Misstrauens in den Finanzsektor Nachhaltigkeit und Verlässlichkeit. Zudem werden die erzielten Gewinne in der Region reinvestiert und kommen so den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort zu Gute. Deshalb wollen wir darauf hinwirken, dass die Sparkassen diesen Kurs strikt und gestärkt fortführen können und unvermindert an dieser erfolgreichen 193 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 8380 8381 8382 8383 8384 8385 8386 8387 8388 8389 8390 8391 8392 Geschäftsstrategie festhalten. Gleichzeitig treten wir allen Bestrebungen nach Privatisierung und Vertikalisierung der Sparkassen entschieden entgegen. 8393 8394 8395 8396 8397 8398 8399 8400 8401 8402 8403 8404 8405 8406 8407 8408 8409 8410 8411 WeitereSchrittezumUmbauderWestLB 8412 8413 8414 8415 8416 8417 8418 8419 8420 Dienstrechtsreform 8421 8422 Glücks‐undAutomatenspiel Gemeinsam mit den Sparkassen werden wir daher darauf hinwirken, dass die Stabilität und Verlässlichkeit der kommunalen Sparkassen auch in Zukunft dauerhaft erhalten bleibt. Die Änderung von Paragraf 36 Sparkassengesetz (Fusion der Sparkassenverbände) werden wir davon abhängig machen, ob die Sparkassenverbände tragfähige und substanzielle alternative Formen der Zusammenarbeit vorlegen, die den Zielen der aktuellen Rechtslage Rechnung tragen. Soweit erforderlich, wird das nordrhein-westfälische Sparkassengesetz angepasst werden, damit die kommunalen Sparkassen in unserem Land zukunftsund europafest bleiben. Mit der Entscheidung zum Umbau der WestLB haben die Eigentümer, das Land Nordrhein-Westfalen, die Landschaftsverbände und die Sparkassen zusammen mit dem Bund die Weichen für einen gewaltigen Kraftakt gestellt, der das Kapitel WestLB mit seinen vielen Höhen und Tiefen endgültig beenden wird. Anders als andere Bundesländer werden wir keine weiteren Steuermilliarden mehr für die Aufrechterhaltung des Geschäfts mit ungewissen Folgen zur Verfügung stellen, sondern alle Aktivitäten in Landeseigentum nach und nach verkaufen oder abwickeln. Aber auch dieser Prozess wird noch viel Zeit und Geld kosten. Das gilt insbesondere für die in der Vergangenheit gegebenen Garantien, für die nur zu einem Teil Rücklagen gebildet werden durften. In der jetzt beginnenden Legislaturperiode geht es darum, den Übergang geordnet zu vollziehen, den von der EU-Kommission bis zum Jahr 2016 verordneten Verkauf der im Eigentum des Landes verbleibenden Portigon AG in die Wege zu leiten und die Beschäftigten der Bank dabei zu unterstützen, angemessene Anschlussperspektiven zu finden. Die demografische Entwicklung, die zunehmende Belastung des Landeshaushaltes durch nichtbeeinflussbare Ausgabenblöcke und die fortwährende Ungleichbehandlung von Beamtinnen/Beamten und Tarifbeschäftigten stellen auch veränderte Anforderungen an das Dienstrecht. Die Landesverwaltung muss als Arbeitgeberin attraktiv und finanzierbar bleiben. Deshalb werden wir das Dienstrecht ausgabenneutral optimieren. 194 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen 8423 8424 8425 8426 8427 8428 8429 8430 8431 8432 8433 8434 8435 8436 8437 8438 8439 8440 8441 8442 8443 Wir wollen in Nordrhein-Westfalen an unserer, am Prinzip der gesellschaftlichen Verantwortung sowie an Suchtprävention, Jugendschutz, der Kanalisierung illegalen Spiels, Kriminalitätsbekämpfung, Schutz vor Manipulationen und der Integrität des Sports orientierten Glücksspielpolitik festhalten, welche die Förderung des Breitensports, der karitativen Organisationen, des Denkmalschutzes, der Kultur sowie weiterer Verbände und Vereine aus dem gemeinnützigen Bereich sicherstellt. Für eine effektive Lenkung des Spiels in legale Bahnen wollen wir die landeseigene Lotteriegesellschaft und die landeseigenen Glücksspielunternehmen stärken. Eine Kommerzialisierung des Glücksspiels sehen wir kritisch. Wir wollen die Expansion der gewerblichen Spielhallen eindämmen und uns in den Entscheidungsprozessen beim Bund zur Novellierung der Spielverordnung für mehr Spielerschutz und mehr Suchtprävention beim gewerblichen Automatenspiel einsetzen, um die negativen sozialen Folgen des Glücksspiels zu vermindern und die vom EuGH angemahnte Kohärenzlücke zu schließen. 8444 XIII. AllgemeineVereinbarungen Die Einnahmen aus dem staatlichen Glückspiel schwanken stark und bilden so keine ausreichende Planungssicherheit für die einzelnen Destinatäre. Wir werden zukünftig diese Erträge verstetigen um den begünstigten Vereinen und Stiftungen eine höhere Planungssicherheit zu ermöglichen. 195 Koalitionsvertrag 2012 – 2017 NRWSPD – Bündnis 90/Die Grünen