Ovid Lösungen zu den Aufgaben in Kapitel

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Ovid Lösungen zu den Aufgaben in Kapitel
Lösungen zu den Aufgaben in Kapitel
7771-06
Ovid
Der Dichter der Ars amatoria
S. 85
S. 86
1. Bedeutungsumfang von ars: (handwerkliche) Geschicklichkeit, Fähigkeit, Kunst,
Technik, Wissenschaft, Eigenschaft, Mittel, Kunstgriff, Trick. Sinnnuancen im
vorliegenden Text: Geschicklichkeit, Technik, Kunst, Können, technische Perfektion, Trick.
2. Die Begriffe und Wendungen: legat – lecto carmine doctus – artem non novit
amandi – arte regendus Amor – datas mihi ... artes weisen deutlich darauf hin, dass
Ovid sein Thema als Lehre verkünden will. Wissen von der Kunst der Liebe soll
auf dem Wege der Lektüre seines Büchleins vermittelt werden.
3. Ovid empfiehlt sein Buch zur Lektüre (legat), weil der dadurch Belehrte (lecto
carmine doctus) dann zu lieben (amare) imstande ist; zum angemessenen Umgang
mit der Liebe bedarf es der Kunst, die er lehrt (arte regendus Amor), wie der Schiffer die Kunst des Steuerns und der Wagenfahrer die Kunst des Lenkens braucht,
die ihnen gelehrt wird.
4. Der Dichter kann sich nicht auf prophetische Inspiration durch Apollo oder der
Musen berufen; göttliche Weisheit von den dafür zuständigen Instanzen steht
ihm also nicht zur Verfügung. Er richtet seine Bitte um Unterstützung an die
Mutter der Liebe, Venus. Ovid begründet es damit, dass er durch deren Hilfe zu
der eigenen Erfahrung (usus) gekommen ist, aufgrund der er sich zur Liebeslehre
berufen fühlt. Letztlich ist er gewissermaßen selbst der Inspirator.
5. Ovid distanziert sich von Apoll und den Musen; seine göttliche Instanz ist die Venus. In dieser Hinsicht unterläuft er das bekannte Schema des Musenanrufs. Die
Weisheit kommt nicht von den üblichen Instanzen, sondern von der Göttin der
Liebe. Darin ist ein leicht parodistischer Zug spürbar.
1. Auf das Thema „Jäger“ verweisen die Begriffe venator (retia tendere); aucupes; qui
sustinet hamos: auf das Adjektiv „kundig“ im Thema ist durch die Verben scire,
notum esse, novisse Bezug genommen. Der Text lässt sich in vier Abschnitte gliedern:
- Wähle frei den Gegenstand der Liebe!
- Doch du musst die Frau mit den Augen suchen.
- Jeder Jäger weiß den Ort, wo er Beute macht.
- Mach dich also kundig darüber, wo man Frauen treffen kann!
2. Der Liebhaber kann sich nicht darauf verlassen, dass ihm das Mädchen sozusagen vom Himmel in den Schoß fällt; es bedarf des aktiven Einsatzes seinerseits.
Die Imperative elige/disce zeigen diesen Appell ebenso an wie das nezessitäre Gerundivum quaerenda est.
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3. Jagd
loris ire solutis / eligere
retia / hamos quaerere
Beute
quaerenda est puella.
materiam quaerere amori
quo sit loco puella
Der Mann ist der aktiv Handelnde, das Subjekt, das auf Jagdbeute ausgeht; die
Frau ist das Objekt der Jagd, der Stoff, der Gegenstand, das Objekt (materia) für
den Liebenden; sie ist die passiv Erleidende.
4. Wissen ist auf dem Gebiet der Liebe die Voraussetzung für die „Kunst der Liebe“;
die Liebesjagd setzt Wissen voraus. Der anaphorische Gebrauch von scit/scit weist
ebenso darauf hin wie die Repetitio von noti/novit und der Imperativ disce (Wissen ist ja das Ergebnis des Lernens). Der Dichter setzt Wissen für den Erfolg in
der Liebesjagd geradezu voraus.
5. Dass Liebeskunst nicht allein Liebesjagd ist, liegt auf der Hand; dazu gehört das
Werben, Gewinnen, Bezaubern, Verführen und Behalten (wozu vom Dichter
noch Lehren im nachfolgenden Teil des Werkes erwartet werden).
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1. Ovid sieht auch in der Partnersuche der Frau eine Art von Jagd, insofern er ihr
Vorgehen mit Fischfang (Angel) oder Hirschjagd (Netze) vergleicht.
2. Die Frau stellt ihre Schönheit zur Schau, um attraktiv zu sein; sie bietet sich als
Jägerin letztlich zur Beute an.
3. Die Begriffe „Partnersuche“, „auf die Jagd gehen“, „im Netz etwas finden“ – Ausdrücke im Internet – haben im lateinischen Text ihr direktes Pendant: quaerere,
venator, retia ponere.
In dieser begrifflichen Übereinstimmung zeigt sich die frappierende Ähnlichkeit
der Methode. Allerdings ist ein Unterschied in den Rollen von Mann und Frau
hier nicht erkennbar.
1. forma, ae: Form, (Wohl-)Gestalt, Schönheit. In Verbindung mit puellae bedeutet
das Adjektiv formosus, a, um: reich an Schönheit, wohlgestaltet, mit schönen Formen.
2. Die Überschrift zielt auf die Zahl („voller“) und die Schönheit („bezaubernd“)
der Mädchen in Rom.
Zahl: tot puellas, quot caelum stellas, tot habet Roma puellas; iuvenes mille; plenius
agmen.
Schönheit: tam formosas puellas, placebunt.
3. Es bieten sich in Rom schöne Frauen aller Altersklassen an; jede von drei Erwartungen kann sich erfüllen: das ganz junge, „echte“ (vera) Mädchen, die schon etwas reifere Dame (iuvenis) und die Frau im gesetzteren, „weiseren“ Alter können
Beute des Liebe begehrenden Mannes werden.
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4. Die puellae unterscheiden sich durch Alter und „Weisheit“; dabei ist mit dem
Wort sapiens sicherlich die kluge Erfahrung in der Erotik gemeint. Andere Werte
spielen keine Rolle. Die älteren Frauen besitzen sozusagen die „Weisheit“ der Venus in höherem Maße.
5. Venus als die Göttin der Liebe ist die Stammherrin der Stadt, Rom ist also vom
Ursprung her auf Liebe und Liebeserfahrung angelegt. Die Römer, die von Ovid
als Leser mit dem Thema angesprochen werden, werden demnach mit ihrem ureigenen Stoff konfrontiert; dadurch ist von Anfang an ein Identifikationsimpuls
gegeben. Reaktion der Leser: Wir verstehen uns auf diese Kunst und lächeln über
die vom Dichter hier erteilten Lehren. Eine gewisse ironische Distanz wird also
zugleich geschaffen.
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1. Wörter und Wendungen: argutum forum, consultus, disertus, patronus, capere (jdn.
in eine Finte locken, reinlegen), cavere (sich für jdn. juristisch einsetzen), novae
res veniunt, causa agenda est, cliens. Es soll beim Leser der Eindruck entstehen,
dass dort der Ort der Gerichtsbarkeit ist, also streng rationale Argumentation
und Redegewalt vorherrschen.
2. Auch auf dem Forum ist Venus präsent, hier sogar durch ihren Tempel (der Venus Genetrix); davon geht Macht aus, wie die Einwirkungen auf den Rechtsgelehrten anzeigen; er wird von Amor erfasst und verliert alle Kautelen gegenüber
seinen Affekten.
3. In Vergleich treten der juristische Bereich und der erotische Bereich; die gewählten Begriffe wie capere, cavere, res novae veniunt, causam agere, clientem esse kommen in beiden Bereichen vor, jedoch mit jeweils anderer Bedeutung; darin liegt
der humorvoll-parodistische Zug dieser Textstelle.
4. Venus lacht, weil sie selbst hier an diesem strengen Ort des Geistes und der Beredsamkeit ihren Sieg feiert; ihr Lachen ist ein subtiles Zeichen ihres Triumphes.
5. Bestes Jagdterrain: das Theater (1,89-100)
1. Die Jagd im Theater wird dem Mann empfohlen, weil sich ihm hier Möglichkeiten bieten, die alle seine Wünsche übertreffen. Der Liebhaber findet seine Beute
für den Flirt (ludere), für den einmaligen Liebesdienst (semel tangere) und für eine
dauerhaftere Bindung (tenere). Verwendete Stilmittel: anaphorische Setzung des
quod, Klimax der Verbinhalte ludere, tangere, tenere.
2. Der Naturvergleich dient Ovid vordergründig dazu, den massenhaften Andrang
der Frauen zu den Spielen zu verdeutlichen; mit hintergründigem Witz stellt er
dadurch aber auch deren Begehrlichkeit und Flatterhaftigkeit bloß.
3. Die metrische und stilistische Analyse des Satzes ist im Lehrerkommentar S. 120
vorgestellt; die geschliffene, kristallene Form, die Prägnanz der Aussage hat sicherlich dazu geführt, dass daraus ein geflügeltes Wort geworden ist.
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4. Ovid meint, dass das Theater als Ort der öffentlichen Kontaktaufnahme für Liebende die sittsame Scham (pudor) gefährdet, ihr Schaden bringt. Damit soll gewiss der Ort für den Mann noch anlockender sein, doch die Prostituierung der
Liebeswerbung mag wohl selbst Ovid nicht so recht gefallen haben (ein Eindruck, der durch spätere Stellen, s. Lehrerkommentar S. 127f., verstärkt wird).
Man darf also dieser Feststellung einen gewissen Ernst nicht absprechen.
5. Die Ergebnisse der Recherche sollten von einzelnen Schülern in der Klasse vorgetragen werden.
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1. Im Text herrschen die Ausdrücke für „Wein“ vor: vinum, merum (unvermischter
Wein), deus Bacchus; die Wirkungen sind: Mut machen, das Herz für das Liebesspiel erhitzen, Sorgen lösen, dreist machen, Schmerzen, Kümmernisse, Stirnfalten verschwinden lassen, die Rücksicht auf die Etikette missachten lassen, die
Mädchen instand setzen, den jungen Männern den Verstand zu rauben.
2. Chancen für den Liebesschüler sind insofern gegeben, als das Verhalten von
Männern und Frauen völlig enthemmt ist und alle Sinne durch den Wein so betört sind, dass die Frauen leicht die Männer in ihre „Gewalt“ bringen (animos iuvenum rapuere puellae). Das Bild des Raubes wird hier zur Verdeutlichung eingesetzt.
3. Ovid warnt seinen Schüler vor zu früher Entscheidung. Das sei eine Gefahr. Der
amator solle erst bis zum nächsten Tag warten, wo er, seiner Sinne wieder mächtig, bei Tageslicht die Schönheit seiner nächtlichen Eroberung überprüfen kann.
Stilmittel: aevo rarissima nostro simplicitas (doppeltes Hypberbaton) – Venus in vinis, ignis in igne (doppelte Alliteration, Parallelismus) – Veneri „Vincis utramque,
Venus.“ (Alliteration, Assonanz). Verben: artes excutiente deo (verjagen) – animos
rapuere (rauben) – noxque merumque nocent (schaden).
4. Die Erwähnung des Parisurteils soll Ovids Ratschlag in seiner Richtigkeit bestätigen. Dem Mythos kommt die Funktion eines logischen Arguments zu; der Mythos erscheint hier gewissermaßen rationalisiert.
5. Die Verwendung dieses Mythos vom Parisurteil setzt die Kenntnis der ganzen
Geschichte voraus. Der Leser muss wissen, warum und wann Paris das Urteil fällen musste, welche Göttinnen bei der Schönheitskonkurrenz dabei waren, welche Folgen das Urteil hatte. Das Parisurteil ist hier gleichsam als Muster für das
Urteil des Mannes vorgegeben, das er über eine nächtlich „gewonnene“ Geliebte
bei Tag fällen soll.
1. Wörter und Wendungen, die Partnersuche andeuten: legere, retia ponere, capere
puellam; auswählen, ein Fangnetz aufstellen, fangen/erobern stellen eine Steigerung (Klimax) dar.
2. Der Dichter meldet sich hier aus übergeordneter Erzählperspektive zu Wort, allerdings als der Dichter der Ars, also in der Rolle, in die er bei der Abfassung seines
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Werkes geschlüpft ist. Ovid selbst wird dazu noch mehr auf Distanz stehen. Es
liegt hier eine Überleitung vor von einem ersten zu einem zweiten Abschnitt des
Werkes, nämlich „vom ersten zum zweiten Kapitel der Liebeslehre“ (J. WILDBERGER).
3. Der folgende Teil bietet die Lehre dazu an, wie man eine Frau erobert; dies
scheint auch nach antiker Vorstellung keine leichte Kunst gewesen zu sein; molior (ich strenge mich intensiv an, ich unternehme eine mühevolle Aufgabe) deutet auf diese Schwierigkeit hin. Der Autor erwartet deshalb von Seiten der Leser
eine gewogene Aufmerksamkeit und ein engagiertes Mitmachen.
4. Die Wendung, die sich auf GUSTAV KLIMTS Bild beziehen lässt, könnte sein: quas
sit capienda per artes dicere praecipuae molior artis opus: Der Autor unternimmt es,
in seinem Werk auszuführen, wie man die besondere (schwierige) Kunst, eine
Frau zu erobern (capere), erlernen kann. Das Bild zeigt, wie der Mann die sich
schüchtern wehrende Frau zu einem Kuss gewinnt oder verführt.
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1. Begriffe und Wendungen: signa tuenda viris – nox, hiems, longae viae, saevique dolores – feres imbrem, frigidus nuda iacebis humo. Prägnanter Satz für die Überschrift: Militiae species amor.
2. Gliederung des Textes (Der Text lässt sich in zwei Teile gliedern.):
a) Befehle an den Liebenden und ihre bedingungslose Erfüllung.
b) Gleichsetzung des Liebesdienstes mit dem Kriegsdienst.
3. Venus und Mars, die Stadtgötter Roms, symbolisieren Liebe und Krieg, sie gehören als Symbole existentieller Urmächte des Menschen zusammen. Ihre Liebesbeziehung bezeugt die Härte des Einsatzes des Liebhabers für die Geliebte. Nicht
zum Ausdruck kommt bei Ovid, dass Venus den Kriegsgott durch ihren Liebreiz
von seinem Handwerk abhält, also den Krieg außer Wirkung setzt, sie also quasi
als Friedensstifterin wirkt.
4. In t6,8 sind die Strapazen, Entbehrungen und Opfer, die der Liebende mit dem
einfachen Soldaten gemeinsam hat, dargestellt; sie sind die Voraussetzung, dass
sein Liebesverlangen gelingt. Er darf kein Feigling, kein Schlappschwanz sein. Insofern ist Liebe harter Kriegsdienst. In z6,2 ist der Liebhaber als erfolgreicher
Krieger bewertet, der triumphiert und sich des Sieges freut. Es geht nicht um die
Strapazen des Kriegerseins, sondern um die Freude der gelungenen Eroberung,
die dem amator ohne Zutun anderer gelungen ist. Liebe ist Inhalt und Ergebnis
des kriegerischen Triumphes.
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l. Ovid hatte gewiss diese (oder eine ähnliche Venus-Statue) vor Augen, als er die
Verse II, 612f. abfasste; das zeigen deutlich die Wörter und Wendungen: velamina poni: sie nimmt ihre Kleiderhülle ab (und legt sie, wie zu sehen, neben
sich); pubem protegitur, laeva manu: sie bedeckt ihre Scham mit der linken Hand;
semi-reducta: sie ist (wie die Statue erkennen lässt) etwas nach rückwärts geneigt.
2. Selbst Venus, die Göttin der Liebe, bedeckt, wenn sie sich enthüllt, ihre Scham.
Denn in Liebe verbindet sich vor aller Augen (in medio) nur das Vieh. Ein anständiges Mädchen schaut auch da weg. Zur Liebesverbindung schickt sich die
Abgeschiedenheit des Schlafgemachs, wobei die Schamteile unter der Decke zu
liegen kommen. Wenn man schon nicht das Dunkel der Nacht hat, so doch den
Schatten einer Wolke und etwas, wo weniger das Licht des Tages hinfällt. Liebe
geschieht also nicht im Licht, den Augen anderer zugänglich. Liebe ist etwas Geheimes.
3. Im Zentrum dieser Liebesanweisung steht der Wertbegriff pudor, das natürliche
Schamgefühl. pars pudenda steht dem Begriff inhaltlich und etymologisch nahe.
4. pudor ist ein Substantiv zur Wortwurzel pud-, das die Grundbedeutung hat: sittsam, ehrbar, schamhaft; alle Bildungen davon sind dann meist auf die Geschlechtsteile bezogen: Schamteile, Geschlechtsorgane (pars pudenda). pudor bedeutet also: Gefühl für Sittsamkeit, Schamhaftigkeit; in einem erweiterten Sinn:
Gefühl für das angemessene menschliche Verhalten, der Sinn für Anstand und
Sitte.
5. Der Dichter rät an der uralten Sitte festzuhalten, den Liebesakt nicht unter freiem Himmel, sondern in Zurückgezogenheit, im Zimmer oder dort, wo kein grelles Licht hinfällt, etwa unter dem schützenden Dach eines Baumes oder Strauches zu vollziehen. Liebe in der Öffentlichkeit wäre tierisch; zur Erotik gehört die
Intimität. Ovid erkennt es als einen Zug des Menschen, die natürliche Scham,
die von Anfang an da war, zu achten. Trotz des fortschreitenden cultus der Gesellschaft ist offensichtlich dieser Wert beständig geblieben.
6. Die Diskussion sollte zu dem Ergebnis kommen: Ovid spricht hier nicht in
Ironie; er meint es mit dieser Regel ernst.
1. Das Schlüsselwort des Textes ist formosus – forma: Zeile 1; sua <forma> – forma
sine arte: Zeile 2 – forma dei munus – forma ... superbit: Zeile 3. Als fast synonym zu forma steht facies (2 x Zeile 5) im Text.
2. Der Dichter unterscheidet zwischen den wenigen Frauen und dem Großteil der
Frauen; den ersteren ist die Schönheit (forma) gleichsam von Natur als Mitgift
gegeben, Schönheit ist für sie ein Geschenk Gottes. Letztere besitzen diese Gabe
der Natur nicht, müssen sich künstlich (artis ope) die Schönheit verschaffen.
3. Allen Mädchen rät der Dichter zur Pflege der Schönhneit (cura formae); denn
eine Schönheit, die man vernachlässigt, selbst wenn sie der der Venus ähnlich ist,
wird verloren gehen. Die jungen Leute werden hier Ovid sicher die Zustimmung
nicht verweigern: Ovid sagt hier Richtiges.
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1. Ovid rät den Frauen, bes. den weniger schönen, sie sollten erst spät zum Gastmahl kommen, weil da bei Lampenlicht ihre Defizite nicht so sichtbar würden,
sie sollten jedoch dabei reizend und verführerisch in den Raum treten, also ihren
Auftritt geradezu inszenieren, um die Blicke der Männer auf sich zu ziehen. Beim
Essen sollten sie mit Fingerspitzen die Speisen anfassen, sich nicht das Gesicht
mit der schmutzigen Hand verschmieren. Weingenuss sei für sie angemessen,
denn der lasse Venus ihre Macht entfalten, allerdings sei ein Vollrausch für Frauen unangebracht, wohl weil das den Männern die Lust verdirbt.
2. Dort, wo Ovids Ratschläge ins Extreme gehen (zu spät kommen, reizend auftreten, Wein zum Anreiz der Liebe trinken), mag die Liebeslehre ironische Untertöne haben. Doch gerade am Ende, wo der Dichter vor übertriebenem Weingenuss warnt, der der Frau den Kopf vewirrt, ihr die Beine wegzieht oder sie alles
doppelt sehen lässt, ist durchaus Ernst in der Aussage des Liebeslehrers zu spüren.
Was Ovid hier anrät, changiert gewiss zwischen witziger Übertreibung und ernst
gemeintem Gebot.
1. Wendungen: Me vatem celebrate, mihi dicite laudes! Cantetur toto nomen orbe meum. Als Anspruch auf Ruhm gilt auch der Iussiv: … inscribat spoliis: „Naso magister erat.“ Der Anspruch des Dichters ist gewiss hoch; er zeugt von einem starken
Selbstbewusstsein des Dichters. Der Anspruch ist, da als Erwartung gestaltet,
durchaus verständlich. Freilich bleibt zu diskutieren, inwieweit Ovid ihn bis ins
Letzte ernst gemeint hat. Ironie mag mitschwingen.
2. Ovid verdeutlicht hier nochmals, dass der Liebesdienst gewissermaßen als Kriegsdienst aufgefasst werden soll. Die Waffen dazu hat Ovid geschmiedet so, wie Vulcanus für Achill im Mythos die Waffen zum siegreichen Kampf über Hektor geschaffen hat. Dem Leser soll bewusst werden, dass Liebesdienst eine strapaziöse,
entbehrungsreiche, vielleicht auch gefährliche Sache ist, in der man durch entsprechenden Einsatz von Kunst (ars) siegreich sein wird.
3. Dass es sich um einen Epilog handelt, erkennt man daran, dass der Dichter nun
seinen Preis fordert, durch Imperative und Iussive. Man soll ihn preisen und Anerkennung spenden und sein Name möge auf der ganzen Welt gefeiert werden.
Mit dem konstatierenden Perfekt arma dedi beendet er seine Lehre über den Liebesdienst und fordert deren erfolgreiche Anwendung. Auf den durch Sieg gewonnenen Rüstungen sollen die Belehrten dann den Namen des Meisters schreiben,
durch den sie erfolgreich geworden sind: Naso magister erat.
4. Die mythische Figur des Pegasus, die sich bald als Dichterross verstand, verband
sich im Lauf der Zeit mit der Vorstellung der Freiheit im Denken und Schreiben.
Pegasus ist zum Symbol für den wahren Dichter geworden, der freimütig seine
Wahrheit verkündet.
5. GÜNTER KUNERT darf sich auf Ovid berufen, weil er wie dieser durch „schlimme Worte“ die Leser (hier die männlichen) dazu anregt, durch entsprechende
Kunst bei den Frauen Gier und Gunst beim Liebesakt zu erzeugen.
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Auswertung der Urteile:
1. PETRARCA: Er erkennt zwar die Sprachkunst des Autors an, verurteilt aber den
unmoralischen Inhalt seiner Ars amatoria, weshalb er zu Recht ihrethalben verbannt worden sei.
2. SCHANZ/HOSIUS: Die Darstellungskunst wird zwar als meisterhaft angesehen,
allerdings liefert sie nur die äußere Verbrämung eines frivolen Inhalts.
3. KYTZLER: Hier wird Ovids Genie anerkannt, das ihn seit dem Mittelalter zu
einem der wirkungsmächtigsten Autoren der Antike bis heute machte. Auch die
erotischen Stoffe werden als reizvoll beurteilt, doch sei der Grund für Ovids Wirkung mehr in seiner Beherrschung der lateinischen Sprache zu sehen.
4. HOLZBERG: Er würdigt das in der Ars amatoria spürbare Streben nach Humanität
zwischen Mann und Frau, hier werden moderne Maßstabe der Psychologie und
Sexualwissenschaft in die Deutung des Werkes einbezogen.
5. V. ALBRECHT: Hier wird Ovid als freier und undogmatischer, zuweilen auch frecher Dichter apostrophiert. Diese Art habe ihm in den vergangenen zwei Jahrtausenden seine Frische erhalten.
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