Urlaubsrecht im öffentlichen Dienst – aktuelle

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Urlaubsrecht im öffentlichen Dienst – aktuelle
Aktuelles zum Tarif- und Arbeitsrecht
für das
krz-Forum
des kommunalen Rechenzentrums Lemgo
am 23. Mai 2012
Teil II
„Aktuelle Rechtsprechung zum Urlaubsrecht und
weitere Themen aus dem Tarif- und Arbeitsrecht“
Referent:
Christian Wäldele, Offenburg
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht
TVöD-Consult, Institut für Tarif- und Arbeitsrecht
www.tvoed-consult.de
© Schwerdle / Wäldele – Folie 1
Urlaubsrecht im öffentlichen Dienst
– aktuelle Rechtsprechung
© Schwerdle / Wäldele – Folie 2
Urlaubsdauer
Kurztitel
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Schwerdle
/ Wäldele
– Folie 3
Seite 3 von XX
Urlaubsdauer
Teilurlaub bei Beginn/Beendigung des AV
im Laufe eines Jahres
§ 26 Abs. 2 Buchst. b) TVöD/TV-L:
Beginnt oder endet das Arbeitsverhältnis im Laufe eines Jahres, erhält
der Beschäftigte für jeden vollen Monat des Arbeitsverhältnisses
ein Zwölftel des Urlaubsanspruchs;
§ 5 BUrlG bleibt unberührt.
Beispiel:
Beschäftigung vom 15.1. bis 14.2.
Jan
Febr
= Anspruch auf 1/12 von 30 Tagen = 2,5
gerundet 3 Tage.
Maßgebend ist der Beschäftigungsmonat,
nicht der Kalendermonat!
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– Folie 4
3 Tage
Seite 4 von XX
Urlaubsdauer
Teilurlaub bei Beginn/Beendigung des AV
im Laufe eines Jahres
Ҥ
§ 5 BUrlG bleibt unberührt.“
Keine Zwölftelung des gesetzlichen Mindesturlaubs insbes.
bei Ausscheiden nach erfüllter Wartezeit in der zweiten Jahreshälfte
(Umkehrschluss aus § 5 Abs. 1 Buchst. c) BUrlG)
Beispiel:
AN > 6 Monate beschäftigt, Ausscheiden
durch Aufhebungsvertrag zum 31.7.2012:
Nach § 26 TVöD/TV-L: 7/12 von 30 Tagen = 17,5
gerundet 18 Tage
Nach §§ 3, 5 BUrlG:
18 Tage
20 Tage!
Jan
Febr
Mindesturlaub 20 Arbeitstage!
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– Folie 5
Seite 5 von XX
Urlaub und Elternzeit
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– Folie 6
Seite 6 von XX
Urlaub und Elternzeit
Kürzung des Urlaubs bei Elternzeit
Der Fall:
Ein bereits seit mehreren Jahren beschäftigter Arbeitnehmer
nimmt Elternzeit vom
16.8.2008 - 15.10.2008 = 2 „Partnermonate“.
Der Arbeitgeber kürzte den Urlaub um 2/12 mit Hinweis auf
eine tarifliche Regelung, wonach bei einer Arbeitsleistung an
weniger als ¾ der Arbeitstage im Kalendermonat kein Anspruch
auf Urlaub entstehe.
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– Folie 7
Seite 7 von XX
Urlaub und Elternzeit
Kürzung des Urlaubs bei Elternzeit
BAG, Urteil v. 17.5.2011 – 9 AZR 197/10
Der Urlaubsanspruch entsteht nach erfüllter Wartezeit jeweils
mit Beginn des Urlaubsjahrs (§ 4 BUrlG)
-> Anspruch auf 12/12 des Urlaubs.
Auch während der Elternzeit sind Urlaubsansprüche entstanden.
Der Arbeitgeber ist berechtigt, den Urlaub für jeden vollen
Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel zu kürzen
(§ 17 Abs. 1 S. 1 BEEG).
-> Kürzung des Urlaubs um 1/12 (für September).
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– Folie 8
Seite 8 von XX
Urlaub und Elternzeit
Kürzung des Urlaubs bei Elternzeit
BAG, Urteil v. 17.5.2011 – 9 AZR 197/10
BAG:
Der Senat musste nicht darüber entscheiden, ob die
gesetzliche Kürzungsbefugnis europarechtskonform ist.
LAG Niedersachsen, Urteil v. 16.11.2010 – 3 Sa 1288/10
Die Kürzungsbestimmung in § 17 BEEG verstößt nicht gegen
Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG.
Die Grundsätze der Schultz-Hoff-Entscheidung des EuGH
vom 20.1.2009 lassen sich nicht auf die Elternzeit übertragen.
Bei Elternzeit beruht die Unmöglichkeit der Urlaubsgewährung
auf einer Entscheidung der/des Beschäftigten.
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– Folie 9
Seite 9 von XX
Urlaub und Elternzeit
Übertragung des Urlaubs bei Elternzeit – § 17 BEEG
Urlaub, der vor Antritt der Elternzeit nicht genommen wurde, ist “nach
der Elternzeit” im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr zu gewähren.
BAG, 20.5.2008 – 9 AZR 219/07
§ 17 Abs. 2 BEEG ist unter Beachtung europarechtlicher Vorgaben (Art. 7
der EG-Arbeitszeit-Richtlinie) so auszulegen, dass der wegen Elternzeit nicht
genommene Urlaub nicht mit Ablauf des auf die Beendigung der Elternzeit
folgenden Jahrs verfällt, wenn er wegen einer weiteren Elternzeit nicht
in Anspruch genommen werden konnte.
Der Arbeitnehmer nimmt den Urlaubsanspruch
zeitlich unbefristet in eine zweite und weitere
Elternzeit mit.
Wird das Arbeitsverhältnis beendet, ist der Urlaub
abzugelten.
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– Folie 10
Seite 10 von XX
Urlaub und Krankheit
Referent: Kurztitel
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– Folie 11
Seite 11 von XX
Urlaub und Krankheit
Geklärte Fragen und anstehende Entscheidungen
Verfall des tariflichen Mehrurlaubs?
Urlaubsanspruch für frühere Urlaubsjahre?
Verjährung, Begrenzung der Urlaubsübertragung auf 15 / 18 Monate?
Befristung von alten Urlaubsansprüchen
Urlaubsanspruch bei befristeter Erwerbsminderungsrente?
Urlaubsabgeltung, Ausschlussfristen, Vererblichkeit?
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– Folie 12
Seite 12 von XX
Urlaub und Krankheit
Rechtsprechungsänderung durch
EuGH 20.1.2009 – RS-C 350/06:
Der Urlaubsanspruch entsteht auch,
wenn der AN im gesamten Jahr krank war.
Der Urlaub verfällt nicht am 31.3. des Folgejahrs, wenn der
Urlaub wegen Erkrankung nicht realisiert werden konnte.
Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat auch der
weiterhin erkrankte Arbeitnehmer Anspruch auf Abgeltung
des Urlaubs.
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– Folie 13
Seite 13 von XX
Urlaub und Krankheit
Rechtsprechungsänderung durch EuGH 20.1.2009
– RS-C 350/06:
Die Rechtsprechung des EuGH erfasst grundsätzlich nur den
gesetzlichen Urlaub.
Mindesturlaub 24 Werktage
(in 5-Tage-Woche 20 Arbeitstage).
BAG, Urteil v. 24.3.2009 – 7 AZR 983/07
Der Schwerbehinderten-Zusatzurlaub
(5 Tage nach § 125 SGB IX)
ist an das rechtliche Schicksal des Mindesturlaubs
gebunden und verfällt nicht!
BAG, Urteil v. 23.3.2010 – 9 AZR 128/09
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– Folie 14
Seite 14 von XX
Urlaub und Krankheit
Rechtsprechungsänderung durch EuGH 20.1.2009
– RS-C 350/06:
Über den gesetzlichen Urlaub hinausgehender Urlaub
kann weiterhin „frei“ geregelt werden.
Die „Abkoppelung“ muss eindeutig erkennbar sein.
BAG, Urteil v. 24.3.2009 – 7 AZR 983/07
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– Folie 15
Seite 15 von XX
Urlaub und Krankheit
Vertragsgestaltung
Formulierungsvorschlag
für nicht tarifgebundene Arbeitgeber
§ … Urlaub
1. Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf den gesetzlichen Urlaub nach Maßgabe
des BUrlG.
2. Über den gesetzlichen Urlaub hinaus hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf
– ausgehend von einer 5-Tage-Woche – weitere 10 Arbeitstage bezahlten
Jahresurlaub. Dieser Anspruch verfällt abweichend von den gesetzlichen
Bestimmungen am 31.3. des Folgejahrs auch dann, wenn der Arbeitnehmer
den Urlaub wegen Krankheit nicht in Anspruch nehmen konnte.
3. Bei der Gewährung von Urlaub wird vorrangig der gesetzliche Urlaub erfüllt.
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– Folie 16
Seite 16 von XX
Urlaub und Krankheit
Rechtsprechungsänderung durch EuGH 20.1.2009
– RS-C 350/06:
Die „Abkoppelung“ muss eindeutig erkennbar sein.
BAG, Urteil v. 24.3.2009 – 7 AZR 983/07
„Es besteht ein jährlicher Anspruch von
30 Arbeitstagen.“
(BAG, Urteil v. 4.5.2010: 30 Tage bleiben stehen)
„Urlaub, der nicht innerhalb der genannten
Fristen angetreten ist, verfällt,
soweit gesetzlich nichts anderes geregelt ist.“
Referent: Kurztitel
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– Folie 17
Seite 17 von XX
Urlaub und Krankheit
Verfall des tariflichen Mehrurlaubs bei Krankheit?
BAG, Urteil v. 23.3.2010 – 9 AZR 128/09
zum MTAng-BfA (entspricht §§ 47 ff BAT):
Der überschießende Tarifurlaub verfällt. Die Tarifvertragsparteien haben
ein weitgehend vom BUrlG gelöstes „Urlaubsregime“ geschaffen.
Der Tarifvertrag
regelt Anspruchsvoraussetzungen, Dauer, Übertragung des Urlaubs,
ordnet über die Regelung in § 7 BUrlG hinaus ausdrücklich den
Verfall des Urlaubsanspruchs an:
„Urlaub, der nicht innerhalb der genannten Fristen angetreten ist,
verfällt.“
unterscheidet ausdrücklich zwischen der Abgeltung des
gesetzlichen und des übergesetzlichen Urlaubsanspruchs.
Referent: Kurztitel
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– Folie 18
Seite 18 von XX
Urlaub und Krankheit
Verfall des tariflichen Mehrurlaubs bei Krankheit?
Differenziert § 26 TVöD/TV-L hinreichend transparent?
Ausdrückliche Differenzierung zwischen dem Tarifurlaub und
dem gesetzlichen Mindesturlaub
(nur) hinsichtlich des Teilurlaubs bei Beginn / Beendigung des AV im
Laufe eines Jahrs.
§ 26 Abs. 2 Buchst. b) TVöD/TV-L:
ein Zwölftel für jeden vollen Monat des AV.
„§
§ 5 BUrlG bleibt unberührt.“
Referent: Kurztitel
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– Folie 19
Seite 19 von XX
Urlaub und Krankheit
Verfall des tariflichen Mehrurlaubs bei Krankheit?
BAG, 12.4.2011, 9 AZR 80/10 (zu MTV Boden):
Anhaltspunkte für eine ausreichende Differenzierung, wenn der TV
entweder zwischen dem gesetzlichen Urlaub und dem tariflichen
Mehrurlaub unterscheidet
(„§ 5 BUrlG bleibt unberührt“ reicht nicht aus!)
oder wesentlich von § 7 Abs. 3 BUrlG abweichende
Übertragungsregeln bestimmt.
§ 26 Abs. 2 Buchst. a) TVöD/TV-L:
am 31.3. „angetreten“, bei Arbeitsunfähigkeit oder dienstlichen
Gründen weitere Übertragung, am 31.5. angetreten.
Referent: Kurztitel
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– Folie 20
Seite 20 von XX
Urlaub und Krankheit
Verfall des tariflichen Mehrurlaubs bei Krankheit?
Rechtsklarheit ist zu erwarten am 22. Mai 2012:
Termin beim BAG (9 AZR 575/10)
Der Fall:
Der Beschäftigte war vom 23.6.2007 bis 7.10.2009 krank.
Der Beschäftigte verlangt für 2007 und 2008 den tariflichen
Mehrurlaub von 10 Tagen (TVöD).
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
(LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 19.8.2010 – 10 Sa 244/10)
§ 26 TVöD enthalte eine eigenständige Regelung über
Urlaubsansprüche und deren Verfall.
Referent: Kurztitel
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– Folie 21
Seite 21 von XX
Urlaub und Krankheit
Urlaubsanspruch für frühere Urlaubsjahre?
Kein Vertrauensschutz für Arbeitgeber
BAG, Urteil v. 24.3.2009 – 7 AZR 983/07:
die Arbeitgeber haben „jedenfalls“ für die Zeit ab 4.8.2006
keinen Vertrauensschutz.
BAG, Urteil v. 23.3.2010 – 9 AZR 128/09:
„mit Ablauf der Umsetzungsfrist für die Arbeitszeitrichtlinie
93/104/EG am 23.11.1996 war das Vertrauen von Arbeitgebern
in den Fortbestand der Rechtsprechung nicht länger schutzwürdig“.
Referent: Kurztitel
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– Folie 22
Seite 22 von XX
Urlaub und Krankheit
Verjährung von Urlaubsansprüchen?
LAG Hessen, Urteil v. 7.12.2010;
LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 16.12.2010
Mangels Erfüllbarkeit verjährt der Urlaubsanspruch während der
Arbeitsunfähigkeit nicht.
Folge:
Referent: Kurztitel
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– Folie 23
Seite 23 von XX
Urlaub und Krankheit
Verjährung von Urlaubsansprüchen?
LAG Hessen, 7.12.2010, 19 Sa 939/10
Der Fall:
Schwerbehinderter AN, arbeitsunfähig 23.11.1997 - 30.9.2009.
Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag
gegen Zahlung einer Abfindung i. H. v. 15.000 EUR.
Klage auf Urlaubsabgeltung i. H. v. 29.198,24 EUR.
Das (nicht rechtskräftige) Urteil:
Der Urlaubsanspruch verjährt nicht. Anspruch auf Abgeltung von
260 Tagen gesetzlichem Mindesturlaub nach BUrlG +
54 Tagen Schwerbehindertenzusatzurlaub =
314 Tagen Urlaub = 29.198,23 EUR brutto.
Referent: Kurztitel
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– Folie 24
Seite 24 von XX
Urlaub und Krankheit
Verjährung von Urlaubsansprüchen?
LAG Düsseldorf, Urteil v. 18.8.2010 – 12 Sa 650/10
Urlaubsansprüche verjähren in 3 Jahren.
Die Verjährungsfrist beginnt stets zum Schluss des Urlaubsjahrs.
Für Beginn und Lauf der Verjährungsfrist ist unerheblich, ob der
Arbeitnehmer arbeitsfähig oder langandauernd arbeitsunfähig ist.
Der Fall:
Der Arbeitnehmer war vom 22.8.2005 bis Anfang 2007 ununterbrochen
krank.
Termin beim BAG (9 AZR 540/10) am 20. April 2012.
Referent: Kurztitel
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– Folie 25
Seite 25 von XX
Urlaub und Krankheit
Ansammeln von Urlaubsansprüchen
bei mehrjähriger Erkrankung?
LAG Hamm, Beschluss v. 15.4.2010 – 16 Sa 1176/09:
Vorlage an EuGH wg. Übereinkommen Nr. 132 der
Internationalen Arbeitsorganisation (ILO).
Frage:
Kommt es auch bei langjährig arbeitsunfähigen Arbeitnehmern
zu einer Ansammlung von Urlaubsansprüchen oder ist der
Urlaubsanspruch zeitlich befristet auf eine „angemessene Frist“
von z. B. 18 Monaten nach Ende des Urlaubsjahrs?
Zweck:
durch bezahlten Jahresurlaub die Gesundheit und die Sicherheit des
Arbeitnehmers schützen = Jahre später?
Referent: Kurztitel
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– Folie 26
Seite 26 von XX
Urlaub und Krankheit
Kehrtwende beim EuGH
EuGH, Urteil v. 22.11.2011, Rs. C 214/10 (Schulte):
Begrenzung auf 15 Monate ab Ende des Urlaubsjahrs ist zulässig
15-monatige Verfallsregelung im MTV Metall- und Elektroindustrie
NRW ausdrücklich geregelt
Erholungszweck
(Vervielfachung des Urlaubs erhöht nicht die
Erholungswirkung)
Ansonsten: Gefahr des Kündigungsanreizes.
LAG Hamm, Urteil v. 22.3.2012, 6 Sa 1176/09:
AN arbeitsunfähig seit Januar 2002, Beendigung des AV zum 31.8.2008.
AG ist verpflichtet, „für 15 Monate den Urlaub abzugelten“.
Referent: Kurztitel
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– Folie 27
Seite 27 von XX
Urlaub und Krankheit
Kehrtwende beim EuGH
Folgen des EuGH-Urteils v. 22.11.2011, Rs. C 214/10 (Schulte)
(Begrenzung auf 15 Monate ab Ende des Urlaubsjahrs ist zulässig)
Muss abgewartet werden, bis das BUrlG bzw. der TVöD/TV-L
eine entsprechende Verfallsregelung enthält?
Oder wird das BAG die 15-Monatsgrenze übernehmen?
LAG Baden-Württemberg (Urteil v. 21.12.2011 - 10 Sa 19/11):
die 15-Monatsgrenze gilt!
§ 7 Abs. 3 BUrlG ist im Lichte der neuesten EuGH-Rechtsprechung
so anzuwenden, dass der Urlaub bei Langzeiterkrankten nicht am
31.3. des nächsten Jahres, sondern am 31.3. des übernächsten
Jahres - also nach 15 Monaten – verfällt.
Referent: Kurztitel
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– Folie 28
Seite 28 von XX
Urlaub und Krankheit
Kehrtwende beim EuGH
Folgen des EuGH-Urteils v. 22.11.2011, Rs. C 214/10 (Schulte)
(Begrenzung auf 15 Monate ab Ende des Urlaubsjahrs ist zulässig)
LAG Hamm (Urteil v. 22.3.2012 – 16 Sa 1176/09):
die 15-Monatsgrenze gilt – allerdings nur im Bereich des
MTV Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen,
weil dort die Frist ausdrücklich geregelt ist.
LAG Hamm (Urteil v. 12.1.2012 – 16 Sa 1352/11):
der MTV Einzelhandel enthält keine eigenständige Regelung
für den Verfall des übergesetzlichen Urlaubs.
Eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung des BUrlG gebietet
die Anwendung eines 18-monatigen Übertragungszeitraums
(ILO-Übereinkommen).
Referent: Kurztitel
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– Folie 29
Seite 29 von XX
Urlaub und Krankheit
Befristung von alten Urlaubsansprüchen
Der Fall:
Der Beschäftigte war vom 11.1.2008 bis 6.6.2011 arbeitsunfähig
erkrankt.
Im Verlauf des Jahrs 2011 gewährte der Arbeitgeber 30 Tage Urlaub.
Fragen:
1. Wie viel Urlaub steht 2011 zu?
2. Wann muss der aus den Vorjahren wegen Krankheit
übertragene „Alturlaub“ genommen werden?
Referent: Kurztitel
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– Folie 30
Seite 30 von XX
Urlaub und Krankheit
Befristung von alten Urlaubsansprüchen
Der Beschäftigte war vom 11.1.2008 bis 6.6.2011 arbeitsunfähig krank.
Anspruch auf Urlaubstage:
2011:
2010:
2009:
2008:
30 Tage
20 Tage (mindestens gesetzlicher Urlaub, verfällt frühestens am 31.3.2012)
0 Tage (vorausgesetzt, das BAG wendet die 15- bzw. 18-Monats-Frist an)
0 Tage
50 Tage.
Im Verlauf des Jahrs 2011 gewährte der Arbeitgeber
30 Tage Urlaub. 20 Tage Resturlaub?
Referent: Kurztitel
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– Folie 31
Seite 31 von XX
Urlaub und Krankheit
Befristung von alten Urlaubsansprüchen
BAG, 9.8.11, 9 AZR 425/10:
Wegen Arbeitsunfähigkeit übertragene Urlaubsansprüche
sind im laufenden Urlaubsjahr zu nehmen,
wenn der Arbeitnehmer rechtzeitig arbeitsfähig wird.
Sie verfallen in gleicher Weise wie der am 1.1. des
Urlaubsjahrs neu entstandene Urlaub.
§ 7 Abs. 3 BUrlG: Urlaubsjahr = Kalenderjahr.
Im vorstehenden Beispiel ist der nicht genommene Urlaub
am 31.12.2011 untergegangen.
Bei dringenden betrieblichen Gründen oder erneuter Arbeitsunfähigkeit:
weitere Übertragung.
Referent: Kurztitel
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– Folie 32
Seite 32 von XX
Urlaub und Krankheit
Urlaubsanspruch bei befristeter Erwerbsminderungsrente?
Ausgangslage:
§ 33 TVöD/TV-L:
Bei Erwerbsminderungsrente auf Zeit ruht das Arbeitsverhältnis.
§ 26 Abs. 2 Buchst. c) TVöD/TV-L:
Ruht das Arbeitsverhältnis, so vermindert sich die Dauer des Urlaubs
für jeden vollen Kalendermonat um ein Zwölftel.
Frage:
Erfasst die Verminderung auch den gesetzlichen Mindesturlaub?
Referent: Kurztitel
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– Folie 33
Seite 33 von XX
Urlaub und Krankheit
Urlaubsanspruch bei befristeter Erwerbsminderungsrente?
einmal „Hü“
LAG Köln, Urteil v. 10.3.2011 – 3 Sa 1057/10;
LAG Düsseldorf, Urteil v. 5.5.2010 – 7 Sa 1571/09
Ruht das Arbeitsverhältnis wegen befristeter Erwerbsminderungsrente, entstehe kein Anspruch auf Urlaub
es fehlt das für Arbeitsverträge typische „Austauschverhältnis“.
Referent: Kurztitel
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– Folie 34
Seite 34 von XX
Urlaub und Krankheit
Urlaubsanspruch bei befristeter Erwerbsminderungsrente?
und
einmal „Hott“
LAG Hamm, Urteil v. 22.3.2012, 6 Sa 1176/09
LAG Düsseldorf, Urteil v. 8.2.2011 – 6 Sa 1574/10;
LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 29.4.2010 – 11 Sa 64/09
Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub,
auch in einem wegen befristeter Erwerbsminderungsrente ruhenden
Arbeitsverhältnis entstehen Urlaubsansprüche.
Der Anspruch verfällt jedoch spätestens 15 Monate nach Ende des
Urlaubsjahrs (LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 21.12.2011 – 10 Sa 19/11).
Referent: Kurztitel
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– Folie 35
Seite 35 von XX
Urlaub und Krankheit
Urlaubsansprüche bei ruhendem Arbeitsverhältnis
Gesetzliche Kürzungsregelung bei ruhenden
Arbeitsverhältnissen:
Bei Elternzeit (§ 17 BEEG) sowie
bei Wehr-/Ersatz-/Zivildienst (§ 2 ArbPlSchG)
kann der Arbeitgeber den Urlaub anteilig kürzen.
Für sonstige Ruhenstatbestände
(z. B. PflegeZG, Sonderurlaub, Erwerbsminderungsrente)
fehlen gesetzliche Regelungen.
Referent: Kurztitel
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– Folie 36
Seite 36 von XX
Urlaub und Krankheit
Urlaubsansprüche bei ruhendem Arbeitsverhältnis
BAG, Urteil v. 17.5.2011 – 9 AZR 197/10 (zu Urlaub bei Elternzeit)
Es muss nicht entschieden werden, ob bei einem vereinbarten Ruhen
der Hauptleistungspflichten (z. B. bei Bezug einer befristeten Erwerbsminderungsrente) Urlaubsansprüche entstehen können.
Jedenfalls folgt für die Elternzeit aus der Kürzungsnorm in § 17 BEEG, dass
auch während des Ruhens der Hauptleistungspflichten in der
Elternzeit Urlaubsansprüche entstehen.
Denn nur ein entstandener Urlaubsanspruch kann gekürzt werden.
Bei Ruhen wegen befristeter Erwerbsminderungsrente?
Referent: Kurztitel
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– Folie 37
Seite 37 von XX
Urlaub bei Wechsel in
Teilzeitarbeit
Referent: Kurztitel
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© Schwerdle
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– Folie 38
Seite 38 von XX
Urlaub bei Wechsel in Teilzeitarbeit
Urlaubsanspruch bei Wechsel in Teilzeit
Bisherige Handhabung:
Bei Wechsel von Vollzeit in Teilzeit wird noch vorhandener Resturlaub
bei Verteilung der Arbeitszeit auf weniger als 5 Tage
entsprechend umgerechnet
und
mit dem anteilig verringerten Entgelt bezahlt
§ 21 TVöD/TV-L:
- Tabellenentgelt und monatliche Zulagen wie sie ohne Urlaub zustünden,
- nicht ständige Entgeltbestandteile nach dem Durchschnitt der letzten
3 Kalendermonate bzw. der Kalendermonate nach Wechsel der
Arbeitszeit.
Referent: Kurztitel
| TT.MM.JJJJ
© Schwerdle
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– Folie 39
Seite 39 von XX
Urlaub bei Wechsel in Teilzeitarbeit
Urlaubsanspruch bei Wechsel in Teilzeit
– EuGH, Urteil v. 22.4.2010 – C – 486/08 („Tirol“)
Tenor der Entscheidung:
Nach § 4 Nr. 2 der EU-Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit darf
das Ausmaß des in der Zeit der Vollzeitbeschäftigung erworbenen und
noch nicht verbrauchten Urlaubsanspruchs bei Wechsel zu einer
Teilzeitbeschäftigung
nicht in der Weise „angepasst“ werden, dass
der Urlaubsanspruch „reduziert“ wird oder
der Arbeitnehmer diesen Urlaub nur mehr mit einem
„geringeren Urlaubsentgelt“ verbrauchen kann.
Referent: Kurztitel
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– Folie 40
Seite 40 von XX
Urlaub bei Wechsel in Teilzeitarbeit
Urlaubsanspruch bei Wechsel in Teilzeit
– EuGH, Urteil v. 22.4.2010 – C – 486/08 („Tirol“)
Beispiel:
Ein bisher in Vollzeit beschäftigter Arbeitnehmer wechselt am 1.7.
in eine Teilzeitbeschäftigung mit 50 % in der 3-Tage-Woche.
Der AN konnte wegen Erkrankung den auf die Zeit der
Vollzeitbeschäftigung entfallenden anteiligen Urlaub von
15 Tagen nicht vor dem 1.7. nehmen.
Wie bisher:
30 : 5 x 3 = 18 Tage Urlaub (= 6 Wochen)
Aber:
Die ersten 3 Wochen mit Vollzeitentgelt.
Referent: Kurztitel
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© Schwerdle
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– Folie 41
Seite 41 von XX
Urlaub bei Wechsel in Teilzeitarbeit
Urlaubsanspruch bei Wechsel in Teilzeit
– EuGH, Urteil v. 22.4.2010 – C – 486/08 –
Die neue Rechtsprechung greift nur unter der
Voraussetzung:
dass der „Resturlaub“ vor AZ-Änderung
nicht genommen werden konnte.
TIPP:
Wenn möglich, anteiligen
Vollzeiturlaub vor AZÄnderung gewähren
Referent: Kurztitel
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– Folie 42
Seite 42 von XX
Urlaub bei Wechsel in Teilzeitarbeit
Urlaubsanspruch bei Wechsel von Teilzeit in Vollzeit
Gilt hier das EuGH-Urteil v. 22.4.2010 – C – 486/08
(„Tirol“) entsprechend?
Steht bei Verlängerung der Arbeitszeit für den in der Teilzeitphase
erworbenen, jedoch erst in der Vollzeitphase realisierten Urlaub
nur Teilzeitgehalt zu?
EuGH-Urteil stützt sein Urteil auf das Benachteiligungsverbot
für Teilzeitbeschäftigte in der RL 97/81.
Diese steht einer Begünstigung von Teilzeit nicht entgegen!
Zudem: Tariflicher Anspruch auf Urlaubsentgelt nach
§ 21 TVöD/TV-L, grds. Entgeltausfallprinzip.
Den Grundsatz des Entgeltausfallprinzips hat der EuGH nur für
den Wechsel von Vollzeit in Teilzeit durchbrochen.
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– Folie 43
Seite 43 von XX
Urlaubsgewährung durch
Freistellung von der Arbeit
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– Folie 44
Seite 44 von XX
Urlaubsgewährung
Urlaubsgewährung durch Freistellung
Können künftige Urlaubsansprüche durch eine vor Beginn des
Urlaubsjahrs erfolgte Freistellungserklärung wirksam erfüllt
werden?
Der Fall:
Der Arbeitgeber stellte den Beschäftigten im Zusammenhang mit einer
(nicht wirksamen) Kündigung am 13.11.2006 zum 31.3.2007
„ab sofort unter Anrechnung Ihrer Urlaubstage von Ihrer Arbeit unter
Fortzahlung der Bezüge“ frei.
Anspruch auf (Rest-)Urlaub für 2007?
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– Folie 45
Seite 45 von XX
Urlaubsgewährung
Urlaubsgewährung durch Freistellung
BAG, Urteil v. 17.5.2011 – 9 AZR 189/10:
Anspruch besteht jedenfalls auf den Resturlaub für
April bis Dezember 2007.
Der Freistellungserklärung des AG lasse sich nicht mit hinreichender
Sicherheit entnehmen, ob der AG den vollen Urlaubsanspruch für 2007
oder lediglich den auf 1.1. - 31.3.2007 entfallenden Teilurlaubsanspruch
erfüllen wollte.
Zweifel gehen zu Lasten des AG.
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– Folie 46
Seite 46 von XX
Urlaubsabgeltung
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– Folie 47
Seite 47 von XX
Urlaubsabgeltung
Abgeltung des Urlaubs
§ 7 Abs. 4 BUrlG:
„Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses
ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er
abzugelten.“
Keine Abgeltung im
laufenden Arbeitsverhältnis!
Anspruch auf Urlaubsabgeltung
auch bei Ausscheiden
infolge Langzeitkrankheit!
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– Folie 48
Seite 48 von XX
Urlaubsabgeltung
Urlaubsabgeltungsansprüche und Ausschlussfristen
BAG, 9.8.11, 9 AZR 352/10:
Die 6-monatige Ausschlussfrist des § 37 TVöD/TV-L
gilt für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung bei Beendigung
des Arbeitsverhältnisses.
Abgeltung ist kein Surrogat des Urlaubsanspruchs, sondern
reine Geldforderung, die den Ausschlussfristen unterliegt.
Abgeltungsanspruch entsteht auch bei Arbeitsunfähigkeit mit
Beendigung des Arbeitsverhältnisses und ist sofort fällig.
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– Folie 49
Seite 49 von XX
Urlaubsabgeltung
Anspruch der Erben auf Urlaubsabgeltung
bei Tod des Beschäftigten?
Der Fall:
Ein langjährig arbeitsunfähiger Arbeitnehmer stirbt;
die Erben begehren Urlaubsabgeltung.
Die Entscheidung:
Tod beendet das Arbeitsverhältnis.
Urlaubsanspruch erlischt und geht nicht
als Abgeltungsanspruch auf die Erben über.
BAG, 20.9.11 – 9 AZR 416/10
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– Folie 50
Seite 50 von XX
Urlaubsabgeltung
Vererblichkeit von Abgeltungsansprüchen
Fallvariante:
Das Arbeitsverhältnis endet durch Abschluss eines
Auflösungsvertrags zum 31.3.2012.
Der Beschäftigte verstirbt am 1.4.2012 morgens
um 5.30 Uhr.
Die Erben begehren Urlaubsabgeltung.
Die Lösung:
Der Abgeltungsanspruch ist mit Ablauf des
31.3.2012, 24 Uhr entstanden.
Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung geht als
Zahlungsanspruch auf die Erben über.
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– Folie 51
Tarifrecht und AGG
© Schwerdle / Wäldele – Folie 52
Seite 51 von XX
AGG
– Lebensaltersstufen im BAT, Überleitung in TVöD/TV-L
Vorlagebeschluss des BAG an den EuGH - Ausgangsfrage
Enthält der BAT eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters,
die im TVöD/TV-L „nachwirkt“?
im BAT:
TVöD/TV-L:
Grundvergütung nach Lebensaltersstufen
Entgeltstufen nach Berufserfahrung und Leistung.
Ein „Nachwirken“ der BAT-Vergütung
kann sich ergeben, weil bei der Überleitung die im BAT erreichte
Altersstufe berücksichtigt wurde.
© Schwerdle / Wäldele – Folie 53
AGG
– Lebensaltersstufen im BAT, Überleitung in TVöD/TV-L
EuGH, 8.9.2011, C-297/10 und C-298/10
Vergütung nach Lebensaltersstufen im BAT verstößt gegen das
europäische Verbot der Diskriminierung wegen des Alters.
Folge:
Land Hessen und Berlin (Geltung des BAT bis 31.12.2009 bzw. 31.3.2010)
BAG, 10.11.2011, 6 AZR 481/09 u.a. - bei fehlender Tarifbindung
Beschäftigte haben Anspruch auf Grundvergütung
der höchsten Lebensaltersstufe.
Nur so könne die Diskriminierung beseitigt werden.
© Schwerdle / Wäldele – Folie 54
AGG
– Lebensaltersstufen im BAT, Überleitung in TVöD/TV-L
EuGH, 8.9.2011, C-297/10 und C-298/10
Durch Überleitung in das auf objektive Kriterien gestützte Entgeltsystem
des TVöD/TV-L wurde die Diskriminierung beseitigt.
Um die Überleitung ohne Einkommensverluste zu gewährleisten,
dürfen für einen befristeten Übergangszeitraum einige der diskriminierenden
Auswirkungen bestehen bleiben.
BAG, Urt. v. 8.12.2011 zum TVöD-Bund
Keine Korrektur der Überleitung!
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Nichtberücksichtigung der Elternzeit beim Aufstieg in
den Entgeltstufen - AGG (§§ 17 Abs. 3 TVöD / TV-L)
Unterbrechung
Unschädliche Unterbrechung
– Uhr läuft weiter –
– Uhr wird angehalten –
– Uhr wird zurückgedreht –
• Unterbrechung
bis 3 Jahre
• über 3 Jahre
• Schutzfristen MuSchG
• AU bis 39 Wo
• Urlaub
• Sonderurlaub bei
Anerkennung eines
dienstlichen Interesses
• Vorübergebende Übertragung höherwertiger
Tätigkeit
• Unterbrechung unter
1 Monat
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• Elternzeit
• TVöD: Elternzeit
über 5 Jahre
- TVöD: bis 5 Jahre
- TV-L: ohne Obergrenze
Neue Zuordnung der Stufe
• Eine Stufe zurück
• Mindestens wie bei
Neueinstellung
AGG – Nichtberücksichtigung der Elternzeit
beim Aufstieg in den Entgeltstufen
BAG, Urteil v. 27.1.2011 – 6 AZR 526/09
Die Nichtberücksichtigung von Elternzeit bei der Stufenlaufzeit im
Entgeltsystem des TVöD / TV-L stellt
weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Diskriminierung
wegen des Geschlechts dar.
Während der Elternzeit wird keine Berufserfahrung gewonnen.
Der Stufenaufstieg im Entgeltsystem des TVöD/TV-L soll aber gerade
die durch größere Erfahrung eintretende Verbesserung der Arbeitsleistung honorieren.
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AGG – Auskunftsanspruch eines
abgelehnten Stellenbewerbers?
Eine 45-jährige, in Russland geborene Bewerberin auf die Stelle eines/einer
Softwareentwicklers/in wurde abgelehnt, ohne Mitteilung, ob ein anderer
Bewerber eingestellt wurde.
BAG, Beschluss v. 20.5.2010, 8 AZR 287/08:
„Das AGG sieht keinen Auskunftsanspruch vor“.
Aber Vorlage an den EuGH:
Auskunftsanspruch nach europäischem Recht, ob ein anderer Bewerber
eingestellt wurde und wenn ja, aufgrund welcher Kriterien?
Wird eine Diskriminierung vermutet, nur weil der Arbeitgeber diese
Auskunft verweigert?
© Schwerdle / Wäldele – Folie 58
AGG – Auskunftsanspruch eines
abgelehnten Stellenbewerbers?
Urteil des EuGH vom 19.04.2012, C-415/10:
Erfolglose Bewerber, die eine Diskriminierung vermuten, können vom
Arbeitgeber keine Auskünfte darüber verlangen, ob und aufgrund
welcher Kriterien dieser einen anderen Bewerber eingestellt hat.
Die Auskunftsverweigerung kann eine Diskriminierung vermuten
lassen, wenn weitere Umstände hinzutreten,
− etwa die offensichtliche Eignung des Bewerbers für die Stelle und
− eine (wiederholt) unterbliebene Einladung zum Vorstellungsgespräch.
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Rechtsprechung
zu Entgeltfragen usw.
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Leistungsentgelt TVöD – Aktuelle Rechtsprechung
Ist eine Dienst-/Betriebsvereinbarung noch nicht vorhanden
wird das Leistungsentgelt pauschaliert ausgezahlt:
6 % des September-Tabellenentgelts. Das Leistungsentgelt erhöht
sich im Folgejahr um den Restbetrag des Gesamtvolumens
(Protokollerklärung Ziffer 1 Satz 3-5 zu § 18 TVöD).
Im Folgejahr wird nur ein Teil des Leistungstopfes in Höhe von
„6 v. H. des für September zustehenden Tabellenentgelts“
pauschaliert ausgezahlt.
LAG Düsseldorf, 13.1.2011 – 13 Sa 1424/10.
a. A. ArbG Bremen-Bremerhaven, Urteil v. 23.9.2010 –
5 Ca 5142/09 = 6 % plus Restbetrag aus Vorjahr.
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Leistungsentgelt TVöD – Aktuelle Rechtsprechung
Ist eine Dienst-/Betriebsvereinbarung zum Leistungsentgelt
noch nicht vorhanden
wird das Leistungsentgelt pauschaliert ausgezahlt
(Protokollerklärung Ziffer 1 Satz 3-5 zu § 18 TVöD):
2007 = 12 %, seit 2008 = 6 % des „für den Monat September jeweils
zustehenden Tabellenentgelts“.
Anspruch auf pauschaliertes Leistungsentgelt
besteht auch, wenn der Beschäftigte im
September kein Tabellenentgelt erhalten hat
(BAG, Urteil v. 23.9.2010 - 6 AZR 338/09).
© Schwerdle / Wäldele – Folie 62
Leistungsentgelt TVöD – Aktuelle Rechtsprechung
Der Fall
Begründung
AN war vom 26.6.2007 - 10.10.2007
arbeitsunfähig krank, im September
nur Anspruch auf Krankengeldzuschuss.
Das für September „zustehende“ Entgelt ist
nur Berechnungsgrundlage,
2007 wird das 2006 erwirtschaftete Volumen ausbezahlt.
WICHTIG:
keine „Zwölftelung“ des pauschalierten Leistungsentgelts!
(BAG, Urteil v. 23.9.2010 - 6 AZR 338/09)
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Zulage für vorübergehende Übertragung höherwertiger
Tätigkeit
BAG, 27.7.2011, 10 AZR 484/10
Die Zulage (§ 14 TVöD/TV-L) wird bei Tariferhöhung neu berechnet.
Der Fall: AN in EG 9 TV-L, individuelle Endstufe; ab 1.9.2007 vorübergehende
Übertragung Tätigkeit EG 10. Zum 1.1.2008 Tariferhöhung.
EG \ Stufe
TV-L 2007
4
5
Individuelle
Endstufe
10
3.000 €
3.380 €
9
2.730 €
2.980 €
3.000,11 €
EG \ Stufe
TV-L 2008
4
5
Individuelle
Endstufe
10
3.090 €
3.480 €
9
2.810 €
3.070 €
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3.090,00 €
Zulage:
379,89 €
Zulage:
50,00 €
Garantiebetrag
Besitzstand TVÜ - aktuelle Rechtsprechung
BAG, 14.4.2011, 6 AZR 726/09
Strukturausgleich (§
§ 12 TVÜ):
maßgebend sind die Verhältnisse bei Inkrafttreten des TVÜ,
spätere Veränderungen wirken sich nur aus,
soweit im TVÜ ausdrücklich angeordnet
Höhergruppierungen und Veränderungen der individuellen wöchentlichen
Arbeitszeit wirken sich aus
Keine Veränderung des Strukturausgleichs bei Herabgruppierung!
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Weitere aktuelle
Rechtsprechung
© Schwerdle / Wäldele – Folie 66
Befristungsrecht – Sachgrundlose Befristung
– Vorbeschäftigungsverbot – § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG (1)
Rechtsprechungsänderung
sachgrundlose Befristung nur möglich,
wenn ...
bisher:
jetzt:
... der Arbeitnehmer
niemals zuvor bei
diesem Arbeitgeber
beschäftigt war
... das Ende des
vorangegangenen
Arbeitsverhältnisses
mehr als 3 Jahre
zurückliegt
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Befristungsrecht – Sachgrundlose Befristung
– Vorbeschäftigungsverbot (2)
BAG, Urteil vom 6. 4. 2011 – 7 AZR 716/09
Bei sachgrundloser Befristung liegt eine „Zuvor-Beschäftigung“ nicht vor,
wenn ein früheres Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre zurückliegt.
verfassungskonforme, am Sinn und Zweck des Gesetzes orientierte
Auslegung:
Arbeitgeber sollen auf schwankende Auftragslagen reagieren können,
Arbeitnehmern soll eine Brücke zur Dauerbeschäftigung geschaffen
werden.
Gefahr von unzulässigen „Befristungsketten“ besteht nicht bei lange
zurückliegender Beschäftigung
(Orientierung an der gesetzlichen Verjährungsfrist).
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Befristungsrecht – Sachgrundlose Befristung
– Vorbeschäftigungsverbot (2)
• P gilt nur für die „sachgrundlose“ Befristung
Befristung mit Sachgrund auch bei Vorbeschäftigung möglich
• P gilt nur für „denselben“ Arbeitgeber
Zeitarbeitsunternehmen, anderes Konzernunternehmen sind nicht
derselbe Arbeitgeber
• Zeitlicher Abstand 3 Jahre – jedes Arbeitsverhältnis mit diesem Arbeitgeber
in diesem Zeitraum ist „schädlich“
Arbeitsverhältnis
bis 31.12.2008
3 Jahre kein
Arbeitsverhältnis
sachgrundlos
befristetes
Arbeitsverhältnis
ab 1.1.2012
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Befristung ohne Sachgrund
§ 14 Abs. 2 TzBfG
Kein Zitiergebot
Bei Schweigen zum Befristungsgrund kann Befristung auf
§ 14 Abs. 2 TzBfG gestützt werden
Dies gilt sogar, wenn im Arbeitsvertrag ein Befristungsgrund
genannt wird.
Auch die umgekehrte Fallkonstellation ist möglich
(BAG 12.8.2009 – 7 AZR 270/08)
© Schwerdle / Wäldele – Folie 70
Befristete Verträge mit sachlich gerechtfertigtem Grund
(§ 14 Abs. 1 TzBfG – Schriftform erforderlich nach § 14 Abs. 4 TzBfG!)
1. nachweisbar „vorübergehender“ betrieblicher Bedarf
(auch bei Aushilfsbeschäftigungen unter sechs Monaten!)
2. im Anschluss an Ausbildung oder Studium zur Erleichterung des Übergangs
in eine Anschlussbeschäftigung
3. Vertretung eines anderen Mitarbeiters
(insbes. bei Krankheit, Mutterschutz, Elternzeit, Pflegezeit)
4. Eigenart der Arbeitsleistung (Projektbefristung)
5. zur Erprobung des Mitarbeiters
6. aus in der Person des AN liegenden Gründen, auf Wunsch des Mitarbeiters
7. im öffentlichen Dienst: Vergütung aus Haushaltsmitteln, die für eine befristete
Beschäftigung bestimmt sind
8. gerichtlicher Vergleich
9. Sonderregelungen – im Hochschulbereich
– in der Facharztausbildung
nicht:
a) im Interesse Dritter
b) Wegschieben des Arbeitgeberrisikos
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Befristete Verträge
Befristungsgrund:
Vertretung für die Dauer der
Mutterschutzfrist, Elternzeit, Pflegezeit
zuzüglich Einarbeitung.
Bei Zweckbefristung muss der Grund schriftlich vereinbart werden.
Besonderes Kündigungsrecht,
wenn Mutterschutz, Elternzeit, Pflegezeit aufgrund Rechtsanspruchs
vorzeitig endet.
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Befristung zur Vertretung – aktuelle Rechtsprechung
Bisher:
Dem Sachgrund „Befristung zur Vertretung“ stand auch eine größere Anzahl
der mit einem Arbeitnehmer geschlossenen befristeten Verträgen nicht
entgegen. Entscheidend ist allein, ob bei der letzten Befristungsabrede ein
Vertretungsfall vorlag
(Rechtsprechung zum „letzten Glied“ in einer Kette von befristeten
Verträgen).
BAG, Beschluss v. 17.11.2010 – 7 AZR 443/09:
Vorlage an den EuGH:
Kann an dieser Rechtsprechung zur wiederholten Befristung von
Arbeitsverhältnissen in Fällen eines ständigen Vertretungsbedarfs
festgehalten werden?
© Schwerdle / Wäldele – Folie 73
Befristung zur Vertretung – aktuelle Rechtsprechung
Der Fall:
Mit einer Justizangestellten des Amtsgerichts Köln wurden
13 befristete Arbeitsverträge zur Vertretung von sich in
Elternzeit oder Sonderurlaub befindlichen Mitarbeitern geschlossen
in einem Zeitraum von Juli 1996 bis Dezember 2007
= 11 ½ Jahren.
EuGH: ist zulässig!
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