Erfahrungsbericht Université Lumière Lyon II
Transcription
Erfahrungsbericht Université Lumière Lyon II
Erfahrungsbericht Université Lumière Lyon II Ich erinnere mich noch gut daran, wie schwer ich mich bei der Wahl der Erasmus-Stadt tat und wie wichtig mir es war, die Erfahrungen der Ex-Teilnehmer durchzulesen. Lyon war bei mir „zweite Wahl“, was ich im Nachhinein in keinster Weise bereue. Nun kannte ich die drittgrößte Stadt Frankreichs gar nicht, lediglich vom Schild auf der Autobahn auf dem Weg nach Südfrankreich. Umso erstaunter war ich nach meiner Ankunft ob der Attraktivität dieser Stadt. Wohnen Da ich vor Beginn meines Auslandaufenthaltes einen äußerst straffen Zeitplan verfolgen musste, ging ich vorerst nicht auf Wohnungssuche. Dennoch hatte ich großes Glück und nistete mich in einem gemütlichen Hotel ein, das zudem in einem der schönsten Stadtteile Lyons, dem 9. Arrondissement, lag. Den Hinweis auf diese Bleibe erhielt ich im wohl einzigen deutschen Lyon-Reiseführer, den ich zu meinem Geburtstag kurz vorher gleich dreimal bekam. Vielleicht wäre ich Anfang September auf der Suche nach einer WG fündig geworden, doch der Sprachkurs, den ich belegte, beanspruchte nahezu den kompletten Tag. Plus Hausaufgaben, plus zwei Hausarbeiten für die Freiburger Uni. Schwierig. Und wirklich nicht empfehlenswert. So konnte ich mich mit der netten Vermieterin auf einen Deal einigen: Ich durfte wohnen bleiben, bis ich neues Asyl finden würde. Für 350 €. Klang doch ganz gut. Noch besser fand ich dann die Idee, bei der großen Tochter mitten in der Altstadt einziehen zu können. Nachdem ich ein halbes Jahr darauf gewartet habe, weiß ich nun, dass dies nicht geklappt hat. Ende Oktober fand ich dann endlich Zeit, noch einmal auf Wohnungssuche zu gehen. Theoretisch hätte ich auch dort wohnen bleiben können. Die Vorteile lagen auf der Hand: Die ruhige, grüne Lage, das Joggen direkt am Fluss (einer von den beiden) sowie die Vorzüge der Nebensaison: So kam es schon mal vor, dass ich das Hotel ganz allein bewohnte. Ohne Vermieter, ohne Gäste und mit Klavier, großem Garten und eigener Küche. Doch nicht zuletzt der Kälte wegen – ich lief schon mal die 45 Minuten in die Uni, was nicht zuletzt am tollen Wetter und dem erlebnisreichen Fußweg lag – entschied ich mich dagegen. Zu groß war die Verlockung, auch einmal laut Musik zu hören und nach dem Feiern nicht auf ein Taxi angewiesen zu sein. Eine WG-Suche erschien mir für die letzten drei Monate zu lästig. So ging ich auf Wohnungssuche. Und ihr müsst wissen, es gibt sehr schöne Wohnungen in Lyon. Direkt in der Innenstadt, schickes Design, preislich attraktiv. Ärgerlicherweise wohnen alle Vermieter zu 100 Prozent in London (da wäre ein bisschen mehr Kreativität empfehlenswert) und möchten die erste Monatsmiete verständlicherweise schon vor der Besichtigung haben. Eine alternativ gängige Variante: Bilder von der Wohnung im Internet anschauen, Geld vorher überweisen und den Schlüssel unter einem Blumentopf suchen. Letztere Möglichkeit fand ich so verrückt, dass ich (natürlich ohne vorher überwiesen zu haben) dieses ominöse Haus aufsuchte und aus allen Wolken fiel, als mir die Nachbarn erzählten, den Namen jener Vermieter noch nie gehört zu haben. So hatte ich es irgendwann Leid und kontaktierte alle privaten Wohnheime, die mir zu 99 Prozent mitteilten, nur Verträge über mindestens ein halbes Jahr abzuschließen. Die öffentlichen Heime, die ich übrigens schon vor meinem Aufenthalt anschrieb, präferieren generell nur Medizin- und Pychologiestudenten. Sieht auch nicht schön aus da, aber für den Preis (ich glaube er lag bei ca. 130 Euro), ein wahres Schnäppchen. Versuchts also. Ich entschied mich letzten Endes für die Résidence Dali 2 im 3. Arrondissement, direkt neben dem großen Einkaufszentrum Part Dieu. Inklusive CAF-Zuschuss für 19 m2 um die 350 €. Studieren Wer glaubt, Frankreich sei schon im Zeitalter von Computern angelangt, irrt gewaltig. Zu spüren bekam ich das bei der Kurswahl. Für die Belegung ist es nämlich tatsächlich notwenig, die ellenlangen Listen vor den jeweiligen Klassenzimmern zu durchforsten und in die vom DRI ausgehändigten Listen einzutragen. Ich hatte mich anfangs gewundert, warum die Asiaten (und es gibt derer viele Erasmusstudenten) auch innerhalb der Universität nur am Knipsen waren. Jetzt weiß ich warum. Eines seht fest: Zu organisieren gibt es IMMER etwas. Und in der Uni in ganz besonders hohem Maße. Erster Ansprechpartner für euch wird der Vietnamese Emmanuelle Villemont sein, der für alle ein offenes Ohr hat und euch speziell in den ersten Wochen etliche Mails schreiben wird. Die Uni ist ganz ansehnlich. Im Vergleich zu Freiburg jedoch viel kleiner, was unter anderem daran liegt, dass beispielsweise die Juristen in der nahegelegenen Universität Lyon 3 untergebracht sind. Zu den Highlights zählen: Eine kleine Caféteria, in der man besonders die günstigen Snacks empfehlen kann, ein topausgestatteter Computerraum sowie ein gemütlicher Innenhof, der zum Flanieren einlädt. Im Sommer kann man in das directement gegenüberliegende Freibad gehen. Die Bibliothek ist auch nur ein Katzensprung entfernt und bietet ausreichend Material. Habt ihr Kurse in Bron belegt, müsst ihr eine halbe Stunde Tram in Kauf nehmen. Da dort jedoch auch fast alle Sportkurse stattfinden, sollte man Uni und Leibesübungen verbinden. Den Tenniskurs, der für „fortgeschrittene und starke Spieler“ ausgeschrieben ist, kann ich nicht empfehlen. Er ist viel zu spielerisch ausgelegt, so dass er eher einem Anfängerkurs gleichkommt. Das Training für die Uni-Meisterschaften sowie die Meisterschaften selbst hingegen haben mir große Freude bereitet. Ein großartiges Niveau. Ich belegte vorneweg einen Sprachkurs, den ich allen empfehlen kann. Dieser ist weniger für die Auffrischung der Französischkenntnisse gedacht, als viel mehr zum Knüpfen erster Kontakte und zur Wiederholung einiger Basics. Ihr müsst euch also nicht schämen, als Französischstudent dort teilzunehmen – es sind zig Französischexperten dabei. Vor Beginn wird man per Einstufungstest dem entsprechenden Niveau und Kurs (mio: La verdure) zugeordnet. Als Freiburger genoss ich sehr hohes Ansehen, da das Vauban als Vorzeigemodell für Nachhaltigkeit gilt. Auch wenn die Kosten von gut 300 € etwas zu hoch bemessen sind, stehen neben dem eigentlichen Kurs diverse Ausflüge (Weinprobe, Stadtführung etc.) auf dem Programm, die das schöne Lyon noch attraktiver erscheinen lassen. Auch ist es möglich, sich den Kurs später anrechnen zu lassen. Mitte September beginnt die Uni. Ich wählte folgende Kurse: • Théâtre TD • Littérature francaise • Thème TD • SLM (suivi linguistique et méthodologique) • Vérsion TD • Tennis (für die notwenigen Erasmus-Punkte) Théâtre TD (Mme Wisniewski) war ein interessanter, wenn auch recht schwieriger Kurs. Die Dozentin war unwesentlich älter als ich und demnach relativ entspannt. Trotzdem mussten drei Bücher gelesen werden. Als Leistungsnachweis wurden diverse Tests (Abfragen einzelner recht leichter Fragen zum Buch), Hausaufgaben (Erörtern eines zentralen Themas innerhalb des Buches) und eine Abschlussklausur über 4 Stunden verlangt. In diesem Kurs kam der oft mit Frankreich verbundene Frontalunterricht zum Tragen, was bisweilen einen hohen Grad an Aufmerksamkeit erforderte. Ich ließ ihn mir letztendlich nicht bewerten, da ich die erforderten Leistungsnachweise auch aus zeitlichen Gründen nicht erbringen konnte. Littérature culture contemporaine francaise (M. Bonnet) behandelte französische Literatur und war bewusst für ausländische Studenten angelegt. Ich besuchte den späteren Kurs, der nicht ganz so gut besucht war, aber meines Erachtens den besseren Dozenten hatte (ich kenne den anderen nicht, aber unserer muss besser gewesen sein). Außerdem war er ein 1a Gustav Mahler-Verschnitt. Wir widmeten uns speziell der Französischen Geschichte, was im ersten Moment vielleicht etwas langweilig klingt, sich aber als sehr interessant erwies. Als Nachweis wurden fairerweise zwei der besten Hausaufgaben gewertet sowie ein Kurztest über das allseits beliebte Thema Subjonctif. Als Bonbon gingen wir in der letzten Woche mit dem Dozenten in die „Brasserie Georges“, eine sehr empfehlenswerte Gaststätte in der Nähe von Perrache. Großzügig wie er war, spendierte er alle Getränke. Thème TD (Mme Depretto). Wer einen KSK-ähnlichen Kurs sucht, wird hier nicht vorbeikommen. Wer ihn schon hat oder sich die Zeit nimmt, diesen ein Semester später in Deutschland zu belegen, sollte das auch tun. War ich von allen anderen Kursen begeistert, kann ich diesen hier nicht im Ansatz empfehlen. Während sich das Niveau noch im Rahmen hielt, waren die Unterrichtsformen eine Katastrophe. Dass die Dame uns Deutsche generell bei den schwersten Sätzen drannahm, die nicht einmal die Franzosen richtig hatten, mag sie selbst vielleicht noch als sehr witzig aufgefasst haben. Aber die Diskriminierung von einigen Kommilitonen verdarben einem regelrecht die Laune. Ich könnte sehr viel erzählen, möchte aber nur eine Story erwähnen: Bei der Abschlussklausur kam ein farbiger Mitstudent fünf Minuten zu spät und durfte nicht mehr mitschreiben. Jegliche Versuche von uns Kommilitonen stießen auf taube Ohren. Ein Zuspätkommen während der Klausur würde eine Eliminierung aus dem Kurs hervorrufen. Dies sei so in der Universitätsordnung geschrieben. Wers glaubt... SLM (suivi linguistique et méthodologique, M. Bonnivard). Für diesen Kurs war ein Einstufungstest erforderlich, der dem des Sprachkurses von September entsprach. Der Unterricht dauerte 4 Stunden am Stück, was vielleicht etwas viel erscheint, letztendlich aber sehr kurzweilig war. Auch hier waren viele Erasmusstudenten versammelt, so dass man das Hauptthema als Kulturenaustausch der verschiedenen Nationen begreifen konnte. Leistungsnachweis war ein Referat nach Wahl (!), so dass es sehr amüsant war, Themen wie „Oktoberfest“ oder „Vanessa Black und ihr Song ‚Friday’“ lauschen zu dürfen. Zudem wurden zwei der besten Hausaufgaben (zumeist kulturelle Themen) miteinbezogen. Einen großen Anteil der Note machte die Abschlussklausur aus, in der sehr machbare Fragen zu einem sehr langweiligen Buch und einem ganz netten Film beantwortet werden mussten. Vérsion TD (Mme Grazioli). Dieser Kurs mutierte von Zeit zu Zeit zu meinem Lieblingskurs. Es war das Gefühl eines Überfliegers, das mich überkam und das mir bis dato noch nie zu Teil geworden war. Die Dozentin erinnerte mich an eine Grundschullehrerin, so nett und einfühlsam war sie. Zwar fühlte man sich manchmal ein wenig unterfordert – schließlich ist die Übersetzung D - Frz. Für einen Deutschen nicht der ganz große Sport – doch war es eine sehr gute Übung und ein Befriedigung, Sätze zu hören wie: „Bitte frustriere die anderen nicht mit deinen sehr guten Antworten“. Es war einfach ein perfekter Start ins Wochenende. Leistungsnachweis waren zwei Klausuren. Leben Wer schon einmal in Frankreich war, weiß dass es dort etwas anders zugeht als hier. Organisation ist ein Wort, dem der Zutritt in den Wortschatz der Franzosen verwehrt blieb. Hatte ich vielleicht nicht allzu viele Kurse in der Uni belegt, so könnte man der Beantragung des Wohnungsgeldes (CAF) als themenübergreifenden Exkurs durchaus einen Einzug ins Kursverzeichnis gewähren. Ich muss mal nachsehen, ob das Geld mittlerweile auf meinem Konto angelangt ist (Stand April 2012)... Abgesehen davon, gestaltet sich das Leben in Lyon sehr angenehm. Es ist zwar alles sehr teuer – ich meine mich an eine Statistik zu erinnern, in der Lyon direkt nach Paris aufgeführt wurde – aber dann geht halt davor arbeiten. Wer so verrückt ist und gerne mal ein Bier trinkt, sollte sich dieses im günstigen Lidl (direkt an der Uni) oder eben generell in einem Supermarkt zulegen. Beim abendlichen Weggehen zahlt man gut und gerne nen Fünfer dafür. Wein hingegen ist in den Kneipen bezahlbarer. Es scheint, als tränken Franzosen tatsächlich gerne Wein. So sieht man vortrinkende Leute immer mit Weinpulle auf der Straße. Jeder eine eigene in der Hand. Ein sehr eigentümlicher Anblick. Empfehlenswert ist natürlich besonders der große Carrefour, den einige sicher schon aus Mulhouse kennen. Ich empfand es mitunter als kulturellen Höhepunkt, Stunden dort zu verbringen und einfach nur zu schauen – und zu genießen. Zum Feiern gibt es diverse Diskotheken und Milchbars. Sehr beliebt waren die Erasmuspartys, die angeblich sehr wild gewesen sein müssen. Es gab aber auch „anspruchsvollere“ Clubs in Croix-Rousse oder der Altstadt. Oder einfach in die Oper gehen. Eine eigene Form der Glückslotterie stellt die Anmeldung zu einem Erasmusausflug dar. Seid ihr mit der Erasmus-Dame bei Facebook befreundet, bekommt ihr stets Hinweismails mit neuen Erasmusevents (Ausflügen, Stadtbesichtigungen etc.). Die Anmeldung erfolgt selbstverständlich nicht per Mail, da dies nicht dem urtümlichen Standard entspräche. Vielmehr stellten wir uns immer brav in die Schlange vor dem winzigen Büro. Mal hatte man Glück, meist nicht. Bevor ich hier ausschweife, fasse ich zusammen, dass kulturell so ziemlich alles geboten wird, was das Herz begehrt. Wer sich für Museen interessiert, sollte unbedingt in das Film figuren und -kulissenmuseum („Musée miniature et cinéma“) in der Altstadt gehen. Für Liebhaber der modernen Kunst sei das „Musée des Beaux-Arts“ direkt am Rathaus empfohlen. Oder ihr lauft in der italienisch angehauchten Altstadt hin und her. Da kann man sich gar nicht satt sehen. Das absolute Highlight (Wortspiel!) ist das Lichterfest im Dezember. Ich hatte das Glück, eine persönliche Führung von einer Französin zu erhalten, die mir noch ein paar Storys zu den Lichterfesten erzählen konnte und die besten Plätze kannte. Wer da nicht hingeht, ist selbst schuld. Summa summarum hatte ich eine richtig gute Zeit in Lyon. Auch wenn ich vielleicht ab und zu etwas böse über die Stadt gesprochen habe, ist dies eher scherzhaft zu verstehen (Frau Depretto natürlich ausgenommen). Freut euch also, wenn ihr die Zusage bekommt und genießt! Bei Fragen, einfach eine Mail an [email protected] oder call me!