Uiuiui! 40 Jahree Sesamsttraßee
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Uiuiui! 40 Jahree Sesamsttraßee
02 | 10 1,80 ter und das Münsterland Straßenmagazin für Müns er 0,70 Euro für den Verkäuf ussen www.muenster.org/dra e ß a r t s m a s e S e r h a J 0 4 Uiuiui! Editorial Liebe Leserinnen und Leser, schreckliche Meldungen von zig Tausenden Toten, Millionen von Verletzten und Obdachlosen haben in den letzten Wochen wieder mal die Nachrichten beherrscht. Der mittelamerikanische Staat Haiti wurde von einem schweren Erbeben heimgesucht. Unweigerlich wird man an die schlimmen Bilder erinnert, als vor gut fünf Jahren im indischen Ozean Hunderttausende Menschen einem Seebeben zum Opfer fielen. _Damals wie auch heute zeigten alle Medien weltweit die Bilder von Leichen, von verletzten und hungernden Menschen. Und dann diese vielen armen Kinder mit erschreckten, angstvollen, hungrigen und bittenden Blicken. Ein Aufschrei ging durch alle Bevölkerungsschichten. Spontan wurden überall auf der Welt Hilfsaktionen gestartet und millionenschwere Geldbeträge gesammelt. Riesige Mengen an medizinischen und technischen Hilfsgütern und Nahrungsmitteln wurden zusammengetragen und in die Krisenregion gesendet. Man organisierte Konzerte und alle möglichen anderen Solidaritätsveranstaltungen zu Gunsten der armen Erdbebenopfer von Haiti. _Das ist die eine Seite der Medaille. Aber da gibt es noch eine weitere, nämlich jene, die gerade heutzutage immer öfter allzu gerne vergessen wird. Denn schon seit vielen Jahren ist Haiti ein Land, das längst die Hilfe von außen nötig hat. Haiti gilt als ärmstes Land der westlichen Hemisphäre mit dem geringsten Pro-Kopf-Einkommen von ganz Lateinamerika. Rund 65% Anzeige 2 der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze, 50% sind arbeitslos und fast ein Viertel der Bevölkerung ist chronisch unterernährt. Die Baby- und Kindersterblichkeit ist erschreckend hoch. Die politische Lage Haitis ist seit vielen Jahren katastrophal: Korrupte Machthaber haben Land und Menschen bis aufs Blut ausgesaugt und unterdrückt. Der Regenwald war bereits vor 20 Jahren fast völlig abgeholzt. Überwirtschaftung und Starkregen taten ihr Übriges. Haiti wird immer wieder von katastrophalen Wirbelstürmen heimgesucht. _Und so hätten es die Menschen von Haiti im Grunde schon lange verdient gehabt, dass man ihnen ernsthaft Hilfe entgegenbringt. Aber wie heißt es doch so schön: Das Kind muss erst in den Brunnen fallen! In diesem Fall müssen über 110.000 Menschen von Trümmern erschlagen werden und Millionen anderer halb verhungert vor dem Nichts stehen, bevor die Weltöffentlichkeit endlich reagiert. Sigi Nasner Anzeige ~ Für Ihre Patenschaft unser Patenspendenkonto: Kto. 34205427 BLZ 40050150 Sparkasse Münsterland Ost Ihre Unterstützung ist Hilfe, die direkt ankommt Jeder Euro wird sinnvoll und verantwortungsvoll genutzt, um Obdachlosen und schwer vermittelbaren Langzeitarbeitslosen neue Chancen zur Verbesserung ihrer Lebenssituation zu bieten. Helfen Sie mit, es gibt vielfältige Möglichkeiten: Kaufen und Weiterempfehlen der ~ ist die direkte Hilfe zur Selbsthilfe für die VerkäuferInnen (kleines Zubrot, Akzeptanz, Eröffnung neuer Perspektiven) und steigert die Auflage der Zeitung. Preis: 1,80 Euro. Seitensponsoring ist eine besondere Form, die Druckkosten einer Seite in der ~ direkt zu finanzieren. Preis: ab 50,- Euro. (Kto. 33878, BLZ 40050150) Werbung in ~ unterstützt die laufenden Betriebskosten und zeigt außerdem Ihr gesellschaftliches Engagement und Ihre soziale Verantwortung. Preis ab 58,- Euro (incl. MwSt.) (Kto. 33878, BLZ 40050150) Spenden sind wichtig für den Erhalt des Projektes. Summe: beliebig (Kto 33878, BLZ 40050150) Patenschaften ermöglichen uns die Finanzierung von Voll- und Teilzeitstellen für Verkäufer. Summe: langfristig und beliebig Vier Jahrzehnte auf derselben Straße 4 Impressum Herausgeber „~” e.V. Berliner Platz 8 48143 Münster Redaktion Heinz Dalmühle Jörg Hüls Sabrina Kipp Sigi Nasner Carsten Scheiper (V.i.S.d.P.) Tel.: 02 51 / 49 09 118 E-Mail-Adresse [email protected] Streetwork Sabrina Kipp [email protected] Internetseite www.muenster.org/draussen Administrator: Cyrus Tahbasian An dieser Ausgabe haben mitgearbeitet Adik Alexanian, Destiny Ani, Heinz Dalmühle, Thorsten Enning, Jannine Forsthove, Nora Gantenbrink, Horst Gärtner, Michael Heß, Jörg Hüls, Sabrina Kipp, Jan Magunski, Sigi Nasner, Annette Poethke, Carsten Scheiper, Kathrin Staufenbiel Fotos Adik Alexanian, Buio Omega Filmclub, Michael Heß, Jörg Hüls, Sabrina Kipp, Sigi Nasner, NDR/Sesameworkshop, Nico Obenhaupt, Mike Schermann, Kathrin Staufenbiel Titelfoto NDR/Sesameworkshop Layout, Titelgestaltung Adik Alexanian Heinz Dalmühle Gestaltungskonzept Lisa Schwarz/Christian Büning Auflage 8000 Inhalt 6 40 Jahre Sesamstraße Motzende, krümelnde Monster 7 Ernie und Bert im Interview Weltbekannte Puppenspieler 9 Mann mit der Matte Günther, der personifizierte Schalk 10 Big Issue Die Straßenzeitung im Bankgebäude 12 Eine Stimme für die Wohnungslosen Die Arbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe stellt sich vor 13 Alex kommt Zwänge finde ich zum Kotzen 14 Erfolgsmodell Chance e.V. Hilfe für Knackis und Langzeitarbeitslose 16 Wenn nichts mehr geht Schluss mit Flatratesaufen 18 Eine Praktikantin für alle Fälle Hübsch und unverzichtbar 19 Jeder besitzt einen Stern Geheimnisvoller Gast 20 Du bist der verkleidete Gott Dilettantischer Pfaffe 22 Cinema Bizarr Schräges auf Zelluloid 26 Preußen Report Münster lechtzt nach Aufstieg Druck Borgsmüller Druck unterstützt durch Siverdes-Stiftung Fontshop, Berlin (spendierte die Satzschrift FF Fago) Bankverbindung Sparkasse Münsterland Ost Konto-Nr. 33 878 BLZ 400 501 50 Anzeige Paten-Spenden-Konto Sparkasse Münsterland Ost Konto-Nr. 34205427 BLZ 400 501 50 Wir danken allen Spendern! Bitte berücksichtigen Sie unsere Anzeigenpartner 5 Interview | Text: Nora Gantenbrink | Fotos: NDR/Sesame Workshop 40 Jahre Sesamstraße Gefährliches Ghetto Wenn man das Wort „Ghetto“ hört, dann denken heutzutage viele Menschen vermutlich an New Yorker Stadtteile wie „Bronx“ oder „Harlem“. Vielleicht denken manche an Eminem, an Hip Hop, an Trailerparks, an Armut und Hoffnungslosigkeit oder an deutsche, so genannte Brennpunkte wie Berlin Neukölln. Es könnten einem auch der Rapper Bushido einfallen oder Sido und sein Song „Mein Block“. Was sicherlich niemandem in Verbindung mit dem Wort „Ghetto“ einfallen würde, ist die Sesamstraße. Könnte es aber. Wieso, weshalb, warum? Darüber berichtet Nora Gantenbrink. _Am 8. Januar 1973 startete die deutsche Sesamstraße mit dem Ohrwurm-Titellied „Wieso, weshalb, warum“ und sorgte für reichlich Gesprächsstoff. Die Kindersendung spielte in der gleichnamigen Straße und orientierte sich an einem amerikanischen Format namens „Sesame Street“. Die Hauptfiguren waren motzende, krümelnde und kreischende Monster sowie zwei witzig dreinschauende Puppen namens Ernie und Bert, ein travestitisch anmutender gelber Vogel und wahlweise ein paar Erwachsene. Insgesamt präsentierte sich die Sendung als wilder Mix aus MitSing-Liedern, kurzen Szenen und wirrwitzigen Kuschelmonstern mit GriesgramAnarcho-Allüren. Und während die Kleinsten vergnügt kreischend das irrsinnige Spektakel vor der Flimmerkiste verfolgten, waren Pädagogen, Journalisten und Eltern verunsichert. Frei nach dem Motto „Was Spaß macht, wird verboten“ passierte genau das: Die Sendung wurde für gefährlich erklärt. Harald Hohenacker, damals Leiter der Projektgruppe Erziehungswissenschaft beim Bayerischen Rundfunk, erkannte in der Sendung „unerträgliche Inhalte“ sowie einen „Missbrauch der pädagogischen Mittel in infamster Art und Weise“. Der Bayerische Rundfunk, der Süddeutsche Rundfunk, der Südwestfunk und der Saarländische Rundfunk boykot6 tierten zum Starttermin die Kindersendung mit der Begründung, diese „amerikanische Ghettosendung hätte nichts mit der Lebenswirklichkeit deutscher Kinder gemein“. Die Szenen erinnerten die Intendanten an ein Ghetto-Milieu. Das Urteil: Viel zu amerikanisch. Deutschland ward in Süd und Nord gespalten. Auch der Direktor des Österreichischen Fernsehens lehnte 1973 das bunte KinderTV-Konzept harsch ab. Wenn jemand ihm mit dem Erfolg der Sendung zu überzeugen versuchte, antwortete er: „Auch Haschisch ist bei vielen beliebt, der Bekanntheitsgrad ist kein Beweis für Bekömmlichkeit.“ Ende der Diskussion? irgendwann auch die Schnecke Finchen sowie das undefinierbare Etwas namens Herr Bödefeld. Auch Feli Filu, Pferd und Wolle sind neu in der deutschen Sesamstraße. Mittlerweile wird die Sendung mit stets kulturell angepasstem Konzept bereits in über 140 Ländern welteit ausgestrahlt. In der Türkei heißen Ernie und Bert zum Beispiel „Edi“ und „Budu“. In Amerika wurde 2007 eine Sonder-DVD produziert. In der Spezial-Folge klären Figuren wie Ernie und Bert über den IrakKrieg und die daraus entstandenen Behinderungen vieler Soldaten auf. Die Sendung wurde an Familien von im Irak verwundeten Amerikanern verteilt . _Nein. Ein halbes Jahr nach dem Start der Sesamstraße willigten auch die Bayern und das Saarland bei der Ausstrahlung der Sendung ein. Zu groß war der Erfolg der Sendung, zu gut das Konzept. Denn gerade der Bildungshintergrund war den Machern der Kindersendung von großer Bedeutung. Ur-Intention war es, amerikanischen, unterprivilegierten Kindern ein Unterhaltungsprogramm auf hohem Niveau zu gewähren. Die freche Puppenschar sollte Fragen beantworten, aufklären, spielerisch Buchstaben beibringen oder das Zählen. Bildung mischte sich mit Blödsinn, die Puppen wurden Kinderhelden, Kinder steppten mit Elmo oder brüllten mit Oskar: „Ich mag Müll!“ Infantile Evergreens, die einen bis heute begleiten, sind Ernies „Hätt ich dich heut erwartet, hätt ich Kuchen da!“ oder „MaNa-Ma-Na“. Mittlerweile sind die Kinder aus den 70ern zumeist selbst schon Eltern. Die Widerstände gegen die deutsche „Sesamstraße“ sind geschwunden, die Freude an der Sendung blieb ungebrochen. Die Helden sind Helden geblieben. Aber auch die Ansprüche sind gestiegen, das Kinder-Fernsehen hat sich ausdifferenziert. Neue Figuren bevölkerten die farbenfrohe Straße: 1977 kam die pinke Puppe Tiffy hinzu, ein Jahr später Samson, _Letztes Jahr feierte die amerikanische Sesamstraße ihren 40. Geburtstag, 2013 ist es auch in Deutschland so weit. Dr. Jan-Uwe Rogge hat 2002 eine Studie namens „Fantasie, Emotion und Kognition in der Sesamstraße“ veröffentlicht. Er kommt zu dem Ergebnis: „Die Sesamstraße ist ein Ort, an dem sich Kinder wiedererkennen und deshalb aufgehoben fühlen.“ Das genialste Kinder-Ghetto der Fernsehgeschichte darf allein aus diesem Grund schon nicht zerstört werden. Es wäre viel zu gefährlich. # Interview | Text: Nora Gantenbrink | Fotos: NDR/Sesame Workshop Ernie und Bert im Interview Wer nicht fragt, bleibt dumm! Wer was wissen will, muss fragen. Das hat keine Fernsehsendung so eindeutig kommuniziert wie die Sesamstraße. ~-Mitarbeiterin Nora Gantenbrink bekam die Chance zum „Wer-WieWas-Wieso-Weshalb-Warum“-Interview mit den Ernie-und-Bert-Sprechern Martin Paas (42) und Carsten Haffke (42). Ein Gespräch mit zwei Menschen, die zum Puppentanzenlassen nie zu alt geworden sind. ~: Herr Paas, Sie spielen den Sesamstraßen-Ernie, Herr Haffke den Bert. Im Tagesspiegel habe ich gelesen, dass Sie schon zusammen mit Herrn Haffke als „Pille“, dem sprechende Ball, Goleo, das WM-Fußballmaskottchen, dargestellt haben. Sind Sie ein eingefleischtes Puppenspieler-Team? Paas: Wir kennen uns seit 1992 durch die „Hurra Deutschland“-Produktion. Da waren wir beide schon als Puppenspieler aktiv. Haffke: Die Szene ist ja sehr überschaubar, damals suchten wir noch gute Spieler und fanden so den Martin! Wir haben dann ziemlich schnell ein Team gebildet und für diverse Produktionen zusammen gearbeitet. ~: Seit wann sind Sie denn Puppenspieler? Haffke: Seit 1989. Oh Gott, ich hatte 20-jähriges Jubiläum und hab es nicht gewusst! Aber vielleicht ist das auch besser so, sonst gehört man irgendwann zu den Menschen, die sagen: Ich mach das schon seit 20 Jahre und sowas ist mir noch nie untergekommen. Paas: Bei mir gibt es da gar keinen Anfang. Zunächst habe ich das neben meinem Studium gemacht. Dann wurde mir der Job immer wichtiger, die Freude am Puppen spielen immer größer - das war ein fließender Übergang. Letztendlich habe ich unglaublich lange studiert und dann, als ich alle Scheine zusammen hatte, sehr erfolgreich abgebrochen. ~: Und wie wird man Puppenspieler? Haffke: Das ist kein typischer Ausbildungsberuf. Es gibt da zwei, drei Ausbildungswege in Deutschland, soweit ich weiß, die an Theaterschulen angeschlossen sind. Aber eigentlich ist das ‘learning by doing’, natürlich benötigt man schon ein bestimmtes Talent für Koordination. Wir hatten für die Sesamstraßen-Produktionen das Glück, immer wieder an tollen Workshops teilnehmen zu dürfen. Unter anderem sind wir unterrichtet worden von Kevin Clash (Elmo) und noch so ein paar Größen, die bei der Sesamstraße in New York arbeiten. ~: Haben Sie es je bereut, Puppenspieler zu werden? Haffke: Nein, nie. Ich glaub, ich kann da für uns beide sprechen. Ich habe schon die erste Sendung der Sesamstraße auf Englisch gesehen und nix verstanden. Trotzdem haben mich die Figuren so be- geistert und zwar bis heute noch. Das ist ein Kindheitstraum, der nun Beruf geworden ist. Manchmal, da sehe ich mich um am Set, sehe den Kollegen zu und denke, dass kann doch gar nicht echt sein. Teilweise bin ich so vertieft im Zuschauen, dass ich meinen Einsatz verpasse. Dann fühl ich mich wieder wie vor dem Fernseher vor 37 Jahren. Paas: Ich kann mich da nur anschließen. Ich muss zugeben, ich habe recht lange sogar geglaubt, dass das gar keine Puppen sind. Für mich waren das Helden. Wenn wir mit den Sesamstraßen-Puppen mal auf einem Außendreh sind, dann merkt man, welche unglaubliche Anziehungskraft die Figuren besitzen. Dann lugen Kinder aus den Buggys und Mütter bleiben ganz selbstverständlich staunend stehen. ~: Ich habe im Internet gelesen, dass Sie beide auch bei Käpt´n Blaubär mitspielen? Paas: Das stimmt. Ich aber weitaus weniger als Carsten. Ein Wikipedia-Eintrag ist übrigens sehr praktisch, wenn man zu faul ist, sich selbst eine Homepage zuzulegen. (lacht) 7 ~: Nun aber mal was zu Ernie und Bert: Was ist dran an dem Gerücht, dass die beiden schwul sind? Paas: Zu den homosexuellen Neigungen habe ich Ernie unlängst persönlich befragt. Er hat mir glaubhaft versichert, dass er keine Ahnung habe, wovon ich spreche, und mir stattdessen QuietscheEntchens Fortschritte am Schlagzeug vorgeführt. ~: Hmmh, das klingt natürlich glaubwürdig. Machen Sie eigentlich manchmal auch Telefonscherze? Haffke: Jaaa, aber nicht mit der Stimme von Bert (lacht). Paas: Nein, eher nicht. Aber Carsten hat ja zwei sehr süße Kinder und die wollen schon regelmäßig mal mit den Bewohnern der Sesamstraße kommunizieren. Irgendwann stößt man da aber an seine Grenzen, wenn man zum zehnten Mal gefragt wird: Kann ich jetzt noch mal den Samson? Und jetzt nochmal Tiffi? (lacht) ~: Ernie hat ja eine sehr spezielle Stimme und Lache, Herr Paas, sind Sie manchmal heiser? Paas: Nein, ehrlich gesagt nicht. Neulich sind wir allerdings beide Mal angeschlagen auf einen Dreh gefahren und meine Stimme klang dann nachher katastrophal, dass ich neulich zehn Folgen mich selbst nachsynchronisieren musste, was natürlich sehr ärgerlich war. Haffke: Noch schlimmer als das Nachsynchronisieren ist übrigens der Spott der Kollegen! (lacht) ~: Ich habe gelesen, dass man in Amerika versucht, die Figuren etwas moderner zu machen. Zum Beispiel denkt man darüber nach Ernie und Bert ande8 re Pullover anzuziehen. Wie finden Sie das überhaupt? Paas: Frau Gantenbrink, Sie müssen jetzt ganz stark sein: Die Pullover sind festgenäht! (lacht) Haffke: Nein, im Ernst: Ich finde, dass das so ein tolles Kostüm ist, das sollte man nicht verändern. Das ist so, als wenn man Charly Chaplin plötzlich ein T-Shirt anzieht. Paas: Außerdem haben Ernie und Bert doch manchmal andere Sachen an: Schlafanzug, Smoking, Regenmäntel… ~: Okay, ich sag besser nichts mehr gegen Ernie und Berts Garderobe. Haffke: Was natürlich schon stimmt, ist, dass die deutsche Sesamstraße versucht, auch nach 37 Jahren modern und aktuell zu bleiben. Und Sie haben insofern Recht, als dass man in Amerika im Moment wirklich versucht -soweit ich weiss- über Verbesserungen nachzudenken, was natürlich sehr schwierig ist. Denn auf der einen Seite sollte man Bewährtes bewahren, auf der anderen Seite ist die heutige Wirklichkeit der Vorschulkinder natürlich eine andere als die in den 70ern. ~: Apropos 70er: Als die Sesamstraße 1973 in Deutschland an den Start ging, waren sich Pädagogen über das Konzept uneinig. Der Bayrische Rundfunk, der Bayerische Rundfunk und der Süddeutsche Rundfunk sowie der Südwestfunk boykottierten die Kindersendung. Helmut Oeller, der Fernsehdirektor des Bayrischen Rundfunks, begründete seine Ablehnung mit den Worten, die Szenen aus dem Slum-Milieu kämen ihm „zu amerikanisch“ vor, weil es „in Deutschland keine unterprivilegierten Kinder gebe. Paas: Ja, ich habe mir gerade auf Ebay den Spiegel aus der Zeit bestellt, da hatten Ernie und Bert übrigens eine Titelseite, das ist ganz süß. Was damals passierte, ist wirklich sehr interessant gewesen, denn natürlich war das Konzept der Sesamstraße zunächst für unterprivilegierte Kinder gedacht, auch die Sesamstraße ist ja nicht das feinste Viertel. Damit hatten manche Sender offensichtlich ein Problem. Das hat sich zum Glück mittlerweile gewandelt. ~: Ja, ein halbes Jahr nach dem Start der Sesamstraße in der Bundesrepublik lenkte auch der Bayerische Rundfunk und das Saarland ein. Die Sesamstraße wurde vom umstrittenen Phänomen zum weltweiten Erfolg. Haffke: Mittlerweile sind es 140 Länder, in denen die Sesamstraße ausgestrahlt wird. Paas: Und es gibt wirklich tolle Anpassungen. Es gibt Puppen mit Kopftüchern und in Afrika klärt seit 2002 eine HIVpositive Puppe namens Kami die Kinder über die Gefahren von Aids auf. Auch daran wird deutlich, dass die Sesamstraße keineswegs veraltet ist. ~: Vielen Dank für das Gespräch! # Verkäuferportrait | Text: Michael Heß | Foto: Sigi Nasner Der Mann mit der Matte Verkäufer Günter vorgestellt Der Mann mit der Matte - heißt es oft über Verkäufer Günter. Oder: der Verkäufer mit dem Schalk im Nacken. Unbestritten gehört Günter Reintke zu den profiliertesten Verkäufern mit echtem Alleinstellungsmerkmal. Ein Portrait des Mannes mit der Matte von ~-Autor Michael Heß. _Ab wann ist man Münsteraner? An Günter dürften sich die Geister scheiden, denn seit über 50 Jahren wohnt der fast 60-jährige nun an der Aa. Geboren im niederbayerischen Straubing, zog er mit sechs Jahren samt Eltern hierher. Gut, zum Paohlbürger reicht das lange nicht, aber die Masse der Zugewanderten, die schlägt er längst aus dem Feld. _Günters Markenzeichen sind seine langen Haare. Günter ist hier Überzeugungstäter. „Zu meiner Matte stehe ich, die habe ich seit meinem 18. Lebensjahr“, zeigt er Lebensart und, wer sich die Matte näher betrachtet, sieht, hier pflegt einer seine Haarpracht mit Inbrunst. Vom Umstand abgesehen, dass die meisten Männer in Günters Alter bestenfalls noch lückenhaften Bewuchs vorzeigen können. _Aber wie wird man ~-Verkäufer? Indem das Leben folgende Geschichte schreibt: Nach einer Lehre als Einzelhandelskaufmann schließen sich Jahren als Gehilfe eines Vermessers sowie als Auslieferungsfahrer für diverse Firmen an. Zumindest Münsters Gummibärchenliebhaber der 70er Jahre stehen in Günters Schuld, sorgte er damals doch für die rasche Verteilung des zeitlos beliebten Naschwerks in die hiesigen Geschäfte. Auf Gummibärchen steht Günter deshalb aber noch lange nicht. So geht das etliche Jahre, bis er 1981 arbeitslos wird und das auch bleibt. Wir überspringen die folgenden Jahre und finden Günter wieder als Gast des Obdachlosentreffs an der Clemenskirche. Nicht, dass er ohne Dach überm Kopf gewesen wäre. „Obdachlos war ich nie“, stellt Günter klar. Das leckere Essen zieht ihn an und vielleicht die Kontakte zu anderen. Er beschließt, seine viele Zeit sinnvoller zu nutzen und hilft vier Jahre im Treff mit. Auf ehrenamtlicher Basis für Gotteslohn sorgt Günter dafür, dass die Dinge zwischen 7 Uhr morgens und 14 Uhr ihren geregelten Gang gehen. Bis ihn dann 2005 ~-Mutti Sabrina anspricht und er beginnt, als Zuverdienst Hefte zu verkaufen. Seitdem betreibt Günter zumeist vor Karstadt, manchmal auch in der Salzstraße seine dritte Karriere im Dienst der ~. Freundschaften findet man auch.“ In der warmen Jahreszeit ist er gerne mit seinem Fahrrad unterwegs, auch auf längeren Touren durch die Baumberge. Er hat sich eingerichtet im Leben, sein Credo: „Ich brauche keinen Mercedes!“ klingt glaubhaft. Zwar stammt Günter aus Bayern, aber mit Brez'n und Hax'n braucht man ihm nicht zu kommen. „Roullade, das ist es!“, benennt er seine Lieblingsspeise. Dazu ein gepflegtes Bier wieviel braucht es denn zum Glücklichsein? Der Schalk in Günters Wesen macht ihm manches leichter. _Nur eines bereitet ihm wirklich Kummer. Seit 29 Jahren wohnt Günter in einer kleinen Wohnung in der Dorotheenstraße. „Ohne richtiges Fenster, nur mit Glasbausteinen“ umreißt er seinen Kummer. Gerne würde er in der Innenstadt „etwas Vergleichbares aber mit richtigem Fenster“ beziehen. An pünktlichen Mietzahlungen soll es nicht scheitern, denn die leistet er seit 29 Jahren. _Als wäre das nicht genug, zeigte die jüngste Skulpturenschau 2007, wie vielseitig Günter ist. Im Rahmen der Ausstellung lief im damaligen Metropolis ein Endlosfilm mit Szenen rund um und im Bahnhof. Das typische Flair solcher Orte eben. Mitten im Film ein Blick auf einen der Bahnsteige, zwei Polizisten wachen über die Einhaltung der Gesetze. Ein näherer Blick zeigt: In den Uniformen stecken Detlev und Günter von ~. Sie machen ihre Sache gut mit strengem Blick und souveräner Geste und wäre es ein Prüfungsgang gewesen, Günter wäre heute wohl Polizist und die ~-Vermittlungs-Erfolgsstory um eine Geschichte länger. Es sollte nicht sein und so bleibt Günter uns erhalten. _Ein hartnäckiges Gerücht ist jedoch noch zu korrigieren, dass Günter nämlich Millionär sei und nur in die Rolle schlüpfe, um seinen Spaß zu haben. Zuzutrauen wäre diesem Schalk selbst das, denn schmunzelnd gesteht freimütig: „So einen 500-Euro-Schein bügele ich doch immer wieder gerne.“ # _“Ich habe hier eine sinnvolle Beschäftigung gefunden“, sagt er über seine heutige Tätigkeit und fügt hinzu: „Es sind gute Leute bei ~ und 9 Bericht | Text: Kathrin Staufenbiel | Foto: Jörg Hüls und Kathrin Stauffenbiel Big Issue Ein Einblick in Londons Straßenzeitung Die Idee, eine Straßenzeitung zu Gunsten von Obdachlosen ins Leben zu rufen, stammt nicht aus England, sondern aus New York. Doch bereits 1991 wurde diese Idee vom Unternehmer Gordon Roddick - Mitbegründer der Firma Body Shop - nach England importiert: Der Startschuss für die Erfolgsgeschichte der Londoner Zeitung 'Big Issue'. Heute wird die Straßenzeitung in ganz England verkauft und unterstützt derzeit etwa 3.000 Obdachlose. 'Big Issue' wurde zum Vorbild für viele Obdachlosenzeitungen in Europa. Für uns Grund genug einmal nachzuforschen, was genau hinter dem Phänomen 'Big Issue' steckt. Unsere Autorin Kathrin Staufenbiel hat sich in Englands Hauptstadt auf die Suche nach Antworten gemacht. _Ihre Blicke hasten durch den Raum. Schließlich wird Lara McCullagh fündig und sie bietet mir einen Stuhl an. Die Britin entschuldigt sich mehrfach dafür, dass ich so lange auf einen Interviewtermin warten musste. In letzter Zeit wäre immer so viel los, erklärt sie und schaut mich erwartungsvoll und gleichzeitig etwas unnahbar an. Lara McCullagh arbeitet nun seit acht Jahren für die Londoner Straßenzeitung 'Big Issue'. Anfangs war sie für die Werbung zuständig, jetzt leitet sie die komplette Öffentlichkeitsarbeit. McCullagh erscheint noch sehr jung, fast jugendlich, doch ihr selbstsicheres Auftreten lässt auf viel Erfahrung schließen. Die Ungeduld in ihrer Stimme verfliegt erst bei meiner ersten Frage. Ausführlich erklärt sie mir, aus welchen Gründen sie für 'Big Issue' arbeitet: „Es ist die Arbeit mit so vielen unterschiedlichen Menschen, die mich wirklich fasziniert“, meint sie nachdenklich. „Ich spreche mit Journalisten, mit Firmen und Organisationen, die in unserer Zeitung für ihre Zwecke werben wollen und ich bin im ständigen Austausch mit einigen Obdachlosen.“ _In London wird 'Big Issue' derzeit von etwa 500 Obdachlosen verkauft. Die wöchentlich erscheinende Zeitung bietet Unterhaltung und sozialkritische Themen an und erreicht in ganz England 10 etwa 700.000 Leser und Leserinnen. Die Obdachlosen kaufen die Zeitung für 75p pro Exemplar ein und verkaufen diese für 1,50£. Somit verdienen sie 75p pro Exemplar. Die Verkäufer können Zeitungen jedoch nicht mehr zurückgeben. Daher muss sowohl der Einkauf der Zeitungen genau geplant als auch der Verkauf so gestaltet werden, dass am Ende der Woche kein Exemplar übrig bleibt. Jedem Verkäufer wird eine festgelegte Verkaufsstelle, ein so genannter „Pitch“, zugewiesen. Aus Gründen der Fairness rotiert diese Zuordnung für die meisten Verkaufsstellen jedoch wöchentlich. _Wenn man die 'Big Issue' verkaufen möchte, muss man erst nachweisen, dass man in sehr schlechten Wohnverhältnissen lebt. Daraufhin durchlaufen die zukünftigen Verkäufer ein kurzes Training und unterzeichnen schließlich einen Vertrag, einen 'Code of Conduct'. Dieser Vertrag bezieht sich auf das Verhalten beim Verkaufen der Zeitungen. „Es geht ja schließlich auch um unseren Namen“, erklärt McCullagh. „Unsere Verkäufer sind das Herz von 'Big Issue', sie repräsentieren uns täglich auf den Straßen. Das muss jedem Verkäufer ganz klar bewusst gemacht werden.“ Als Willkommensgeschenk erhält jeder Verkäufer 10 Exemplare der Zeitung kostenlos. _Seit 1995 gehört auch eine Wohlfahrtsorganisation zu 'Big Issue', die den Obdachlosen zusätzlich zum Verkauf der Zeitung Hilfe zur Selbsthilfe anbietet. Der Gewinn, der durch den Verkauf oder durch die Werbung in der Zeitung entsteht, wird an diese angegliederte Organisation weiter geleitet. „Dabei duplizieren wir jedoch keine bereits bestehende soziale Einrichtung. Vielmehr geht es darum, Kontakte zwischen diesen Einrichtungen und unseren Verkäufern herzustellen“, so McCullagh. Bei diesen Hilfsangeboten werden Fragen rund um Wohnraum, Finanzen oder Gesundheit besprochen. Den Obdachlosen soll somit Schritt für Schritt der Weg von der Straße gelingen. Wie viele Obdachlose dies durch 'Big Issue' tatsächlich erreicht haben, kann McCullagh nur schwer quantifizie- ren: „Da wir nicht nach Gründen fragen, wenn ein Verkäufer nicht mehr für uns arbeitet, erfahren wir oft gar nicht, wie es ihnen weiterhin ergangen ist. Doch natürlich sind es die positiven Geschichten vieler Menschen, die zusammen genommen die Erfolgsgeschichte von 'Big Issue' ausmachen. Das treibt mich jeden Tag an!“ McCullagh strahlt und vergisst vielleicht für einen Moment, dass sie für mein Interview nur eine halbe Stunde eingeplant hat. _Die Geschichte von Billie wird beispielsweise in der neusten Ausgabe der Zeitung beschrieben. Billie wurde mit 14 Jahren von seiner Mutter vor die Tür gesetzt und lebte seitdem auf der Straße, wo er auch in Kontakt mit Drogen kam. In seinen Jahren auf der Straße war Billie in insgesamt 96 Strafanzeigen verwickelt. Als er anfing, die 'Big Issue' zu verkaufen, war dies für ihn eine Art und Weise, ein wenig Geld zu verdienen, ohne gleich wieder der Polizei negativ aufzufallen. Doch 'Big Issue' konnte ihn schließlich davon überzeugen, in eine Herberge zu ziehen, und auch dabei unterstützen, clean zu werden. Heute verkauft Billie mit großer Freude die 'Big Issue' und ist dabei besonders stolz auf seine große Zahl an Stammkunden. _'Big Issue' ist auf diese Kundschaft, auf die Hilfe von kirchlichen Organisationen und auf Spenden von Einzelpersonen angewiesen. Von lokalpolitischer Seite erhält die Zeitung nämlich nur wenig Unterstützung. „Natürlich ist es für eine Zeitung nie gut von politischer Seite finanziell abhängig zu sein, doch etwas mehr Unterstützung würde ich mir schon wünschen“, meint McCullagh. „Um möglichst viel Geld an unsere Wohlfahrtsorganisation überführen zu können, überlegen wir uns jedoch ständig neue Spendenaktionen.“ Eine etwas ausgefallenere Spendenaktion findet nächstes Jahr statt: 'Big Issue' organisiert eine Fahrradtour von London nach Berlin. Die Ankunft dieser Fahrradtour soll übrigens im Olympiastadion gebührend gefeiert werden. Die Uhr tickt. Vielleicht auch besonders, wenn es um einen guten Zweck geht. Ab- schließend möchte ich von Lara McCullagh noch wissen, was sie sich für die Zukunft von 'Big Issue' erhofft. „Ich wünsche mir noch ein wenig mehr tatkräftige Unterstützung aus der Bevölkerung. Bei 'Big Issue' arbeiten in ganz England etwa 120 festangestellte Mitarbeiter. Es wäre schön, wenn wir noch einige ehrenamtliche Mitarbeiter für ein paar Stunden pro Woche hätten. Doch das ist wohl in erster Linie eine Frage der effektiven Öffentlichkeitsarbeit“, meint Misses McCullagh schmunzelnd. _Nach einer guten halben Stunde verlasse ich das Gebäude, an dessen Hauswand in großen Lettern 'Big Issue' geschrieben steht. Nachdenklich steige ich in einen roten Doppeldeckerbus und lasse das Gespräch mit Lara McCullagh Revue passieren. Beim Piccadilly Circus überzeugt mich das Großstadtflair doch noch dazu auszusteigen. Ich lasse mich von der internationalen Menschenmasse treiben. In der Nähe des St. James Parks treffe ich völlig unerwartet auf einen Verkäufer von 'Big Issue'. Ich erwerbe bei ihm eine Ausgabe und setzte mich dann eine Weile zu ihm. Rod, 32, arbeitet seit März dieses Jahres für 'Big Issue'. Seine Hundedame Minie unterstützt ihn dabei. „'Big Issue' ist schon eine super Sache. Vielen Menschen hat es wirklich geholfen“, sagt Rod. „Allerdings dauert es auch sehr lange, bis man wirklich Fortschritte macht und man ein bisschen mehr Geld in der Tasche hat.“ Das Hauptproblem sieht Rod im Preis der Zeitung, der zu hoch sei und seiner Meinung nach viele potentielle Käufer abschreckt. Schließlich frage ich auch ihn danach, was er sich für 'Big Issue' wünscht. Für einen Moment ist Stille. Rod schaut gedankenverloren den Schuhpaaren zu, die vor uns durch den Abend laufen. Dann erleuchtet sich sein Gesicht zusehends und er entgegnet leise, aber bestimmt: „Ich würde mir wünschen, dass Obdachlose auch an mehreren Stellen bei der Herstellung der Zeitung tätig sein können und nicht nur beim Verkauf. In jeder Zeitung ist zwar eine Seite von einem Obdachlosen geschrieben. Das ist gut, könnte aber viel mehr sein.“ # Anzeige 11 Bericht | Text: Horst Gärtner Eine Stimme für die Wohnungslosen Die Arbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe Münster Wohnungslosigkeit kennt viele Gesichter, komplex sind meist die individuellen Problemlagen der Betroffenen, besonders für alleinstehende Wohnungslose ist oft das harte Ende eines langen Elendskreislaufes erreicht. Deshalb äußert sich auch die Betreuung und Hilfe für Wohnungslose mannigfaltig, eine stattliche Anzahl von Institutionen und Trägern bietet Beratung und Beistand an. Damit sich diese Angebote zu einem ineinander greifenden sozialen Netzwerk verknüpfen, bedarf es einer guten Koordination der Bemühungen. Die Grundlage für eine fruchtbare Zusammenarbeit im Bereich der Wohnungslosenhilfe wird in Münster durch die Arbeit der Arbeitsgemeinschaft gelegt. ~ sprach mit Bernd Mühlbrecht, seit über 15 Jahren Sprecher dieser Arbeitsgemeinschaft und Leiter des Hauses der Wohnungslosenhilfe (HdW). _Die Initiative zur Gründung dieser Arbeitsgemeinschaft ging aus der Sozialgesetzgebung hervor. Dort schreibt der Gesetzgeber fest, dass die staatlichen Träger der Sozialhilfe mit Vereinigungen und Stellen, die sich die gleichen Aufgaben zum Ziel gesetzt haben, wirksam zusammenarbeiten sollen. Um diesen nackten Buchstaben des Gesetzes hierzulande Atem einzuhauchen, wurde die Arbeitsgemeinschaft ins Leben gerufen, um das Gespräch der verschiedenen Akteure untereinander zu fördern, die Hilfen abzustimmen, Bedarfslücken zu erkennen und gegebenfalls soziale und gesundheitliche Hilfen bei den zuständigen Stellen anzuregen. Doch die Arbeitsgemeinschaft in Münster ist heute mehr als die bloße Umsetzung dieses gesetzlichen Auftrages, denn eine ganze Reihe von Menschen ohne Obdach bezieht gar keine Sozialhilfe, muss aber in die Planungen und die Überlegungen zur Verbesserung der Situation einbezogen werden. _Die Arbeitsgemeinschaft bietet eine Plattform für Gespräche und Gedankenaustausch zur Entwicklung von Initiativen und neuen Ideen. „In den letzten Jahren hat es eine ganze Reihe von Re12 formen gegeben, die diesen Sozialbereich unmittelbar betreffen oder ihn auf jeden Fall berühren. Insofern erfüllt das monatliche Treffen der Arbeitsgemeinschaft eine ganz wichtige Informationsund Abstimmungsaufgabe. Wir haben deshalb auch immer wieder Gäste der jeweiligen Fachdisziplinen bei uns: Vertreter der Krankenkassen, des Arbeitsamtes, der ARGE, des Sozialamtes und vieler anderer Stellen. Hier ist es Aufgabe der Arbeitsgemeinschaft, das Anliegen Wohnungsloser rechtzeitig zur Geltung zu bringen, immer dann, wenn es Entwicklungen und Planungen gibt, bei denen die Interessen und Belange wohnungsloser Menschen berührt werden“, erklärt Bernd Mühlbrecht. So wirkt die Arbeitsgemeinschaft 'Wohnungslosenhilfe Münster' im Beirat von ARGE und Sozialamt, im Arbeitskreis „Ordnungspartnerschaft“ (Hauptbahnhof/Drogen) und im Arbeitskreis „Psychiatrie“ mit. „Auf diese Weise können wir auf Entwicklungen, die die Situation wohnungsloser Menschen betreffen, möglichst präventiv und gestalterisch einwirken“, ergänzt der Sprecher des Gremiums. _Auch die Öffentlichkeit- und Lobbyarbeit nimmt einen großen Raum im Aufgabenspektrum des Arbeitskreises ein. Bernd Mühlbrecht erläutert dazu: „Hier nehmen wir auch Möglichkeiten wahr, uns an überregionalen Aktivitäten wie der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe zu beteiligen. Hand in Hand mit anderen nehmen wir so Einfluss auf aktuelle Schwerpunktthemen, die für die Gestaltung des Zusammenlebens im öffentlichen Raum von Bedeutung sind. Wir waren zusammen mit anderen auch beteiligt, als die Landesregierung das Programm 'Wohnungslosigkeit vermeiden - Wohnraum sichern' abschaffen wollte und dieser Plan durch die gebündelten Aktivitäten vieler Kräfte zu Fall gebracht werden konnte.“ Gerade in diesen Wochen mit den für Wohnungslose bedrohlichen Minustemperaturen wird deutlich, wie wichtig es ist, die Öffentlichkeit auf besonders problematische Situationen immer wieder aufmerksam zu machen, Gespräche mit der Politik und mit anderen Verantwortlichen anzuregen, um die brennende Aktualität des Themas „parzielle Wohnungsnot und Wohnungsversorgung“ nachhaltig ins öffentliche Bewusstsein zu rufen. _Auf die Frage, welche Gruppen, Institutionen und Träger im Arbeitskreis zusammenarbeiten, entgegnet B. Mühlbrecht: „Eine Vielzahl von Institutionen unterschiedlichster Provenienz beteiligt sich an den Aktivitäten unseres Gremiums. Die Arbeitsgemeinschaft bietet ein willkommenes Forum, um die Profile der verschiedenen Hilfsangebote einander vorzustellen, so dass in der praktischen Zusammenarbeit alle davon profitieren können. Es engagieren sich bei uns Einrichtungen wie die Bischof-Hermann-Stiftung mit dem Kettler- und dem Christopherushaus, der Sozialdienst katholischer Frauen, die Diakonie, die 'Pension Plus' gGmbH, der 'Chance' e.V., der 'Verein integrativer Projekte' (VIP), dessen Augenmerk der Straffälligenhilfe gilt, der Verband sozialtherapeutischer Einrichtungen (VSE), der Treffpunkt Loerstraße/Misericordia, die Bahnhofsmission, das Selbsthilfeprojekt Reinhold Hach/SKM, der Ordensarbeitskreis, die Bewährungshilfe Münster und nicht zuletzt die Stadt Münster mit der Fachstelle für Wohnungslosenhilfe, die den wichtigen Brückenschlag zum 'Amt' und zu diversen Fachämtern der Stadtverwaltung sicher stellt.“ _Die Erfolge dieser Arbeitsgemeinschaft können sich wirklich sehen lassen, meint ~. Weiter so! # ~ Mitarbeiter (fest angestellt) sucht dringend 1-22 Zimmer Wohnung bis 350 Euro warm Hundehaltung erwünscht. 0251/ 4909118 Bericht | Text und Foto: Sabrina Kipp Alex kommt Nicht normkonform! Eigentlich ist die Wende Schuld am Lebensweg von ~-Verkäufer Alex. Geboren 1980 in Gera, aufgewachsen in Dessau, ist seine kleine Welt in Ordnung. Zwar hat sich der Vater aus dem Staub gemacht, als Alex gerade vier Jahre alt war, aber das Leben mit Mutter und Schwester lässt nichts zu wünschen übrig. Die Mutter, eine gelernte Krankenschwester, hat Arbeit in einer Magnetbandfabrik. Das Auskommen ist gesichert. Dann kommt die Wende. Ein einschneidendes Erlebnis im Leben des damals Neunjährigen. Sabrina Kipp hat er erzählt, wie die Wiedervereinigung sein Leben verändert hat. _“Nachdem die Mauer gefallen war, wurde meine Mutter wie fast alle anderen in unserer Gegend arbeitslos“, erinnert sich Alex, der mit vollem Namen Alexander heißt. Nach langer Suche ergibt sich ein Arbeitsangebot, allerdings weit weg von der lieb gewonnenen Heimatstadt. Die Mutter zieht nach Celle, um ein Jobangebot als Krankenschwester anzunehmen. Da Alex mit inzwischen 12 Jahren noch schulpflichtig ist, lässt sie ihn allein in der Wohnung zurück. „Natürlich ging das nicht gut. Ich habe die Situation natürlich gnadenlos ausgenutzt und wir haben nur Blödsinn gemacht. Welcher 12Jährige hat schon 'dauersturmfrei'?“, erzählt der junge Mann mit dem bunten Haarschopf. Nach vier Monaten war dann Schluss. Die Mutter holt den Jungen zu sich in die fremde Stadt. Hier fühlt Alex sich fremd, hat keine Freunde, findet nur schwer Anschluss. „Ich wollte da nicht bleiben. Immer wieder bin ich abgehauen, zurück nach Dessau“, sagt Alex. Zuweilen war er drei Monate lang unterwegs. Auf der Straße, bei Freunden, irgendwie schlägt er sich durch. Weil er die Schule nicht besucht, schaltet sich das Jugendamt ein. Es folgt ein Hilfeplangespräch und er wird vor die Wahl gestellt: Entweder bleibt er in Celle bei der Mutter oder in Dessau im Kinderheim. Da die Mutter inzwischen ein Alkoholproblem hat, zieht Alex das Heim vor. Doch auch hier gibt es Probleme. Alex ist nicht „normkonform“, schwimmt immer gegen den Strom. Schwänzt die Schule, färbt sich die Haare bunt. Mit 14 wird er in ein Heim nach Kropstett verlegt. „Das war am Arsch der Welt. Ein ganz kleines Kaff, jenseits von Gut und Böse. Da konnteste gar keine Scheiße bauen“, grinst er. Tatsächlich schafft er es in der Einöde seinen Realschulabschluss erfolgreich zu bestehen. Inzwischen wohnt er in einer eigenen kleinen Wohnung, wird vom Heim aber weiterhin betreut. Seine Mutter ist zwischenzeitlich nach München umgezogen. Alex verbringt regelmäßig seine Ferien bei ihr und nach der Schule zieht er ebenfalls in den Bayrischen Freistaat. „Gemacht hab ich da eigentlich nix, nur rumgegammelt“, gesteht er. _Dann wird seine Mutter schwer krank. Krebs heißt die niederschmetternde Diagnose. Im Frühling 2000 stirbt sie mit nur 45 Jahren. Für Alex bricht eine Welt zusammen. Jeder Halt scheint verloren. Er beginnt zu trinken, probiert sich in Drogen aus, macht Schulden. „Irgendwann saß ich so tief in der Scheiße, dass ich mich nirgendwo mehr sehen lassen konnte“, erinnert er sich. Auch die Wohnung wird ihm gekündigt. Als er in Kontakt mit einer Drückerkolonne kommt, schließt er sich dort an und landet in Haltern. Doch das Leben hat er sich dort auch anders vorgestellt. Es gibt keine Freizeit, keine Privatsphäre. Kurzerhand packt Alex seine sieben Sachen und verschwindet. Jetzt ist er das erste Mal richtig auf der Straße, pennt mal hier mal da, macht Platte. Kreuz und quer durch das Ruhrgebiet führt sein Weg, bis nach Hamm. Hier findet er über einen alten Freund endlich wieder eine eigene Wohnung in der Beukenbergstraße. Hier wohnen viele gleichgesinnte Punks, Alex findet Anschluss. Irgendwann ist er in Münster und lernt ein Mädchen kennen. Weil diese wohnungslos ist und nicht aus Münster weg will, geht Alex aus Liebe und Beschützerinstinkt zurück auf die Straße. Die Beziehung hält 18Monate, danach steht er wieder allein vor dem nichts. Vor einiger Zeit kam Alex dann zur ~. Durch den Verkauf der Zeitung und den Kontakten, die dadurch zustande kommen, findet der heute 29Jährige wieder ein wenig Halt und Struktur in seinem Leben. „~-Verkaufen macht mir Spaß. Vor allem, weil ich verkaufen kann, wann ich will. Zwänge finde ich zum Kotzen!“, sagt der Punk und fügt hinzu: „Jetzt fehlt mir nur noch ein eigenes Zimmer!“ # Wer Alex bei der Zimmersuche helfen kann, meldet sich unter 0251/4909118 Diese Seite wurde gesponsert vom Zoodirektor Jörg Adler 13 Bericht | Text und Fotos: Sigi Nasner Erfolgsmodell Chance e.V. Neuer Standort: Friedrich-Ebert-Straße Viele Menschen werden den Chance e.V. bereits kennen, der sich unter anderem um aus der Haft entlassene Menschen und deren Angehörige kümmert und zu diesem Zweck eine Entrümpelungsfirma mit angeschlossenem Möbel-Trödel-Projekt betreibt. Weil das Mietverhältnis des Vereins am Bohlweg beendet wurde, fand er ein neues, zentral liegendes Domizil in der FriedrichEbert-Straße 15. Sigi Nasner sprach am neuen Standort mit Rainer Wick, dem hauptamtlichen Geschäftsführer des Vereins. _Für Menschen, die aus der Haft entlassen werden, ist es oft sehr problematisch, wenn sie mit dem, was auf sie zukommt - den ganzen Amtsgängen und der Job- und Arbeitssuche -, allein gelassen werden. Nicht nur, dass sie schnell mit der Situation überfordert sein können, sondern sie sind auch oft willkürlichen Angriffen durch Menschen ausgesetzt, die kein Verständnis für sie aufbringen können oder wollen. Durch die dadurch ausgelöste Frustration ist bei den Betroffenen die Gefahr eines Rückfalls in alte Verhaltensmuster sehr groß und damit eine erneute Inhaftierung fast vorprogrammiert. Um einer solch ungünstigen Entwicklung entgegenzuwirken, wurde 1987 der Verein Chance e. V. gegründet. „Egal, ob es sich dabei nun um Haftentlassene, Nochhäftlinge, Leute, die von Haft bedroht sind oder auch die Angehörigen solcher Menschen handelt, der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, all diesen Menschen zu helfen“, erklärt Rainer Wick, der Geschäftsführer des Vereins. _Ein erheblicher Teil der beratenden Tätigkeiten besteht in einer Art Übergangsmanagement für die Häftlinge beim Gang vom Knast in die Freiheit. Das bedeutet, dass die Gefangenen im Knast von Mitabeitern des Vereins besucht und durch Gespräche auf die Entlassung vorbereitet werden. In diesen Gesprächen wird überlegt, was die Entlassenen nach ihrer Entlassung als erstes benötigen, was für Probleme auf sie zukommen könnten und wo der Verein die Betroffenen bei 14 der Bewältigung dieser Problematik unterstützen kann. „Wenn die Leute rauskommen, haben sie keine Wohnung. Außerdem haben sie kein Geld“, meint Rainer Wick. „Wir helfen dann bei den Fragen: Wo kriegst du dein Geld her und wo könntest du wohnen? Als wir im Jahr 2007 unser 20-jähriges Bestehen feierten, trat die Leiterin der JVA Münster als Festrednerin auf und äußerte sich sehr positiv über die Zusammenarbeit mit Chance e.V. Schließlich kann nur ein derart gutes Verhältnis dafür sorgen, dass man den Leuten, um es die letztendlich geht, auch wirklich entsprechend helfen kann.“ _Nachdem die Beratungsstellen eingerichtet waren, wurden zusätzlich die Entrümplungs- und Verkaufsfirmen Möbelrampe und Möbeltrödel gegründet. Dort hatten die betroffenen Ex-Häftlinge auch eine reelle Chance, sich in so genannten Arbeitsgelegenheiten (früher ABM) wieder an das Berufsleben außerhalb der Gefängnismauern zu gewöhnen. „Grundsätzlich muss man sagen, dass diese Maßnahmen des zweiten Arbeitsmarkts den Menschen sehr helfen, wieder Fuß zu fassen, und sie vorbereiten für den ersten Arbeitsmarkt. Wir haben heute eine Vermittlungsquote, die bei ungefähr 30 bis 40% liegt. Ich bin von solchen Maßnahmen überzeugt“, sagt Rainer Wick. _Die negative Entwicklung auf dem deutschen Arbeitsmarkt brachte es mit sich, dass auch verstärkt Nichthäftlinge in die Beschäftigungsprojekte des Vereins integriert wurden. „Wir halten es für sehr wichtig, uns auch um die Langzeitarbeitslosen zu kümmern“, so Wick. „Bei uns werden diese in guter Zusammenarbeit mit der ARGE mit den Exhäftlingen gemeinsam ebenso arbeitstechnisch vorbereitet, sozial betreut und unterstützt. Und so haben auch sie wieder gute Aussichten, einen festen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden.“ Sind die ersten Hürden genommen, ist vielleicht schon eine Arbeit gefunden und ein wenig Normalität eingekehrt, kann ein Schritt weitergegangen werden. Die Betroffenen können bei Bedarf durch die vereinseigene Schuldnerberatung bei der Bewältigung eventueller Schulden, die sich oft über Jahre angehäuft haben und im Gefängnis nur „auf Eis gelegt“ waren, unterstützt werden. _Neben der genannten Sozial- und der Schuldnerberatung hat der Verein auch noch eine spezielle berufliche Beratung, die so genannte MABiS.NeT (Marktorientierte Ausbildungs-und Beschäftigungsintegration für Strafentlassene) im Angebot. Dort wird versucht, ehemalige Häftlinge innerhalb eines halben Jahres auf dem ersten Arbeitsmarkt, aber zumindest erst einmal überhaupt in Arbeit zu vermitteln. „Entweder bekommen wir aus dem Gefängnis die Information, dass jemand entlassen wird oder entlassen worden ist, oder wir gehen in die Gefängnisse“, meint Wick. „Hier in der JVA Münster machen wir auch Gruppenveranstaltungen. Wir gehen in die Knäste, befragen die Insassen. Und jene, die Interesse bekunden, vermerken wir und beginnen dann mit unseren Vermittlungsbemühungen.“ Für diese Vermittlungstätigkeiten arbeitet Chance e.V. mit etlichen Zeitarbeitsunternehmen Hand in Hand, durch die die Betroffenen auf dem ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden können. Es gibt aber auch etliche Kontakte zum zweiten Arbeitsmarkt. Da wird geschaut, ob das, was die Unternehmen suchen, zu dem passt, was ver- mittelt werden kann. „Wenn die Arbeitssuchenden es wollen, begleiten unsere Berater sie natürlich auch bei den Bewerbungsgesprächen“, berichtet Wick, „die telefonische Absprache mit den möglichen Firmen und Betrieben findet aber auf jeden Fall statt. Allein schon um eine eventuelle Stigmatisierung der arbeitssuchenden ehemaligen Häftlingen zu vermeiden.“ Außerdem gibt es bei Chance e.V. noch den „Jobcoach“: Das sind Sozialarbeiter, die die durch Chance e.V. auf dem zweiten Arbeitsmarkt vermittelten Beschäftigen sozialpädagogisch betreuen. Sie versuchen bestehende Vermittlungshemmnisse bei den Beschäftigten abzubauen und sorgen dafür, dass, wer will, sich zusätzlich qualifizieren kann. Damit steigen natürlich die Chancen auf Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt erheblich. _Zusätzlich besitzt der Verein in Sprakel ein Haus, in dem Haftentlassene für eine Übergangszeit von etwa drei bis maximal sechs Monate wohnen können, bis sie eine eigene Wohnung gefunden haben. Dort stehen den Betroffenen vier voll möblierte Zimmer sowie Gemeinschaftsräume und Küche zur Verfügung. Als jüngstes Projekt betreibt der Verein seit Mitte 2009 das so genannte ‘teilstationäre Wohnen’. „In dieser Einrichtung leben bis zu zwölf Personen, die für einen Großteil, aber nicht während des ganzen Tages vor Ort betreut werden“, so der Geschäftsführer. Die Leute wohnen in zwei Wohngemeinschaften mit je sechs Plätzen. Diese Wohnungen haben die Leute selbst angemietet. Die Betreuer haben im Haus ein Büro, in dem sie den Bewohnern bei der Beantwortung von Fragen und Bewältigung von Problemen zu festgelegten Zeiten zur Verfügung stehen. Dieses neue betreute Wohnen wurde aufgebaut, weil sich herausgestellt hat, dass die Haftentlassenen immer mehr Probleme haben „draußen“ wieder Fuß zu fassen. Besonders nach einer mehrjährigen Haftstrafe tauchen oft sehr große Schwierigkeiten im Bereich der Selbstständigkeit auf. Die meisten sind nicht mehr in der Lage, sich eine Arbeit zu suchen und für die wesentlichen Leben- grundlagen zu sorgen. Schon für den Durchschnittsbürger, der nicht im Knast gesessen hat, ist das Leben heutzutage in seiner immer mehr zunehmenden Komplexität sehr schwer zu bewältigen. Da hat es jemand, der über lange Jahre hinweg vor der Welt abgeschottet war, noch weitaus schwerer. „Der Tagesablauf eines Häftlings war 100% klar durchstrukturiert. Er hatte im Knast das zu tun, was man ihm sagt, und nun ist er plötzlich wieder draußen“, meint Wick. „Der weiß doch oft gar nicht, wie er seine wiedererlangte Selbstständigkeit alleine bewerkstelligen soll.“ Im neuen Wohnprojekt können die Betroffenen bis zu 16 Monaten wohnen. Nach dieser Zeit sollten sie wieder fit genug sein, um ohne Hilfe klar zu kommen, mindestens aber soweit, dass sie dann in weniger intensiv betreute Wohneinrichtungen weitervermittelt werden können. _Die Beschäftigungsbereiche im eigenen Haus, sprich Möbeltrödel und Möbelrampe, die nun nach dem Umzug in die Friedrich-Ebert-Straße 15 zusammengelegt wurden, ist ein wichtiges Standbein des Vereins. Der organisatorische Aufwand für die beiden ehemaligen Läden an den verschieden Standorten war sehr umfangreich. Zudem wurde die Möbelrampe an der Dieckstraße - sie war in einem Kellerlager im Hinterhof untergebracht nicht optimal wahrgenommen. „Wir sitzen nun an der Straße und nicht mehr im Hinterhof“, so Geschäftsführer Rainer Wick. „Man wird uns zukünftig besser wahrnehmen und mehr beachten. Hier im neuen Laden ist etwas Tolles geschaffen worden. Zwar herrscht immer noch dieses Trödel-Ambiente wie früher vor, schließlich kommen die Leute her, weil sie auch gerne trödeln und Schnäppchen suchen, es hat aber nicht mehr diesen etwas unangenehmen Kramladen-Touch, diese dunkle Keller-Atmosphäre wie in der Dieckstraße. Hier ist es hell und sehr freundlich, die Leute fühlen sich gleich viel wohler.“ Die zukünftigen Büros des Vereins werden übrigens gleich nebenan in der Friedrich-Ebert-Straße 7 eingerichtet. _Erwähnenswert wäre noch, dass der Verein auch einen eigenen Verlag besitzt. In ihm werden Bücher zum Thema Haft und Haftentlassung mit vielen Tipps und Informationen für Betroffene angeboten. Vor allem aber hat der Verlag den bundesweit ersten Ratgeber für Angehörige von Inhaftierten herausgegeben. _Dass der Verein Chance e.V. wahrhaft ein Erfolgsmodell ist, dafür sprechen folgende Zahlen: Im Laufe seines über 20jährigen Bestehens haben über 7.000 Häftlinge oder deren Angehörige die Hilfe des Vereins in Anspruch genommen, weit über 1.000 Personen waren in den hauseigenen Arbeitsprojekten beschäftigt. # Am 19. Februar findet an der Friedrich-EEbert-SStraße 15 die große Eröffnungsfeier am neuen Standort des Chance e.V. statt. Alle interessierten Menschen sind herzlich eingeladen. Anzeige 15 Bericht | Text und Foto: Michael Heß Wenn nichts mehr geht Alkoholverbotszonen in Münster? Lange Zeit zogen auf Münsters städtischen Partymeilen Anwohner und Gastwirte an einem Strang. Die problematische Paarung erforderte von allen Beteiligten ein hohes Maß an Einsichten. Damit scheint es nun vorbei zu sein. In jüngster Zeit eskaliert der Streit Anwohner gegen Gastwirte nämlich gleich an mehreren Stellen der Innenstadt. Das Problem erörtert ~-Autor Michael Heß. _Die Innenstadt wandelt sich zur Erlebniszone. Nach dem Shopping winkt das Vergnügen in Gestalt vielfältiger Gastronomie mit Erlebnischarakter bis in die Puppen. Entsprechend hat sich die Außengastronomie ausgeweitet. Noch vor zehn Jahren war Außenbestuhlung wie vor Stuhlmacher am Prinzipalmarkt die Ausnahme. Das ist längst vorbei. In der gesamten Innenstadt rücken die Stuhlreihen von Jahr zu Jahr vor. Oftmals bleibt zu Mauern oder Bordsteinkanten kaum Platz für Passanten. Das Geschäft boomt, die Geräuschkulisse steigt und auch andere Belästigungen nehmen zu. Alle Nachtschwärmer gehen irgendwann, die Gastronomen machen Kasse und fahren ins ruhige Heim, die ruhebedürftigen Anwohner müssen bleiben. Und die nächste laute Nacht kommt so sicher wie das Amen in der Kirche. So geht es am Alten Fischmarkt, im Kuhviertel, im Umfeld der Partymeile am Hafen (zugegeben, dort hat sich die Situation etwas entspannt). _Grundsätzlich geht es um die Frage, wie viel Lärm und Unrat ein Wohngebiet speziell in den Ruhezeiten erträgt. Es ist nicht nur ein lokales Problem und auch nicht neu. Schon 1999 stellte das Berliner Straßengesetz den öffentlichen Konsum von Alkohol unter Androhung eines Ordnungsgeldes sowie Platzverweises. Diese Bestimmung wurde zwar 2006 wieder aufgehoben, aber dafür erwärmten sich andere deutsche Städte wie Bamberg, Erfurt, Magdeburg und Marburg für derartige Regelungen. Besonderes Aufsehen erregte im vorigen Jahr das südbadische Freiburg, das schon seit Januar 2009 16 öffentlichen Alkoholkonsum in der Innenstadt verbot. Auf die Klage eines Jurastudenten kassierte das zuständige Verwaltungsgericht im Juli die städtische Verfügung. Dies geschah aber nur wegen der zu pauschalen Formulierung des Freiburger Verbots, konkrete Maßnahmen gegen konkrete Auswüchse wären nach Ansicht des Gerichtes nämlich statthaft. Kein Wunder also, wenn selbst der Deutsche Städtetag als Dachverband der bundesdeutschen Kommunen die verstärkte Nutzung von Alkoholverbotszonen empfiehlt. Denkbar sind auch das Verbot von Flatrate-Partys und vorgezogene Sperrstunden - das alles wird noch in Münster seinen Auftritt bekommen. _Zurück also in die westfälische Metropole. Im Hansaviertel eskalierte der Konflikt schon vor Jahren zeitgleich mit der Etablierung des nahe liegenden KreativKais. Neuerdings sind das Kuhviertel sowie die Bereiche um die Hörster Straße und um den Alten Fischmarkt betroffen. Mit dem wachsenden Zuspruch durch die Nachtschwärmer erhöhten sich auch die Belastungen durch Alkoholmissbrauch und Gewalt. Wechselseitig erfolgen heute die Schuldzuweisungen zwischen Anwohnern und Wirten. Die einen wollen mehr Ruhe, die anderen mehr Geschäft. Die einen wollen die Wirte in der Pflicht sehen, die anderen wehren sich gegen Pauschalierungen und machen immerhin eigene Vorschläge zur Verbesserung der Situation. So sollen Ordnungsdienste für gesittete Zustände im Kiez sorgen oder mehr Mitarbeiter des Ordnungsamtes und Polizisten. Doch Stadt und Polizei winken ab. Die dünne Personaldecke lässt weitere Abstellungen gar nicht zu und von den Wirten organisierte, private Ordnungsdienste dürfen im Grunde gar nichts machen. Lachende Dritte sind einmal mehr die Feierlustigen. Sie sehen sie sich in keiner Pflicht, denn sie verlassen den Ort des Unfriedens ohne Unrechtsbewusstsein. Woher sollten sie das auch haben, wenn keiner die nötige Sensibilität erzeugt? _Politische Unterstützung für die geplagten Anwohner ist rar. Noch vor der Kommunalwahl bezog vor allem die UWG Position pro Anwohner. Nutzen tat es nichts, die Unabhängigen wurden dennoch abgewählt. Wenigstens fiel das Thema nach der Wahl nicht komplett durch den Rost. Mit Dr. Dietmar Erber machte sich im Oktober 2009 ein einsamer CDU-Ratsherr ein Bild vom letzten Verständigungsversuch zwischen Anwohnern und Gastwirten im Kuhviertel. Immerhin organisierte dann die örtliche CDU unter dem Titel „Krach in der Altstadt?!“ eine öffentliche Veranstaltung zur Diskussion des Problems. Auf dem Podium sitzen Anwohner, Wirte, Mitarbeiter des Ordnungsamtes und Politiker, nur die Polizei fehlt. Durch den Blätterwald geht in den folgenden Tagen ein neues Rauschen. Der grüne Polizeipräsident Hubert Wimber mochte auf der schwarzen Veranstaltung wohl nicht den Prügelknaben geben, rechtfertigt sich öffentlich mit einem „Wir ducken uns nicht weg“ und verweist auf zehn Polizeibeamte, die seit Anfang 2009 zusätzlich in den Problemarealen unterwegs seien. Munter rollt der Ball über die verbalen Bande, derweil wird der Lärm nicht weniger. _Dabei sendet die Polizei immerhin die Signale, die das Ordnungsamt notgedrungen vermissen lassen muss. Mehrfach verweist Manfred Geers vom Ordnungsamt in der Debatte auf die leeren Kassen der Stadt und die daraus resultierenden Einschränkungen der Präsenz des Ordnungsamtes vor Ort. Doch so richtig der geäußerte Gedanke „Dann müssten eben die Anwohner mehr Druck machen“ auch sein mag, so verständlich ist deren entsetzte Reaktion. Helft euch selbst - im Wilden Westen mochte das eine akzeptable Parole sein. Nicht zu vergessen das Faustrecht als zwangsläufige Folge. Noch ist es im Kuhviertel und anderswo nicht so weit, aber das kann ja noch kommen. Zieht man die Polizeistatistik zur Entwicklung der Gewalttaten im vergangenen Jahr zu Rate, ist es vielleicht schon so weit. Allerdings kann bürgerliche Selbst- hilfe auch anders ausgehen, wie die Bewohner des Hauses Hörster Straße 51 vor zwei Jahren zeigten. Mittels eines privat finanzierten Lärmgutachtens und einer engagierten Kanzlei sorgten sie letztendlich für die Schließung der im Haus befindlichen Gastronomie, die mit Fug und Recht unter „Druckbetankung“ oder neudeutsch Flatrate firmierte. Nun haben die Anwohner ihre Ruhe und die Welt dreht sich weiter. Der Wirt hat den Verlust übrigens auch überlebt. _Jenseits solcher Bürgerwehr muss der Befund also bestehen bleiben: Auch die Ratsparteien halten sich bei diesem Thema vornehm zurück, bei dem man sich zu schnell die Finger verbrennen kann. Denn ganz gleich, auf wessen Seite man sich schlägt, tönen aus der anderen Ecke Totschlagargumente: „Ruhebedürfnis“, „Lebensumfeld“ oder aber „Arbeitsplätze“ oder „Steueraufkommen“. Ein Kompromiss ist schwer vorstellbar und keine Partei möchte es sich mit einer der beiden Seiten verscherzen. Die UWG tauchte nach der Kommunalwahl ab, aber wenigstens fordert nun die CDU „deutlich wahrnehmbare Konsequenzen“ und kündigt in der Folge einen Ratsantrag an. Im Grundsatz soll es einmal mehr um verstärkte Präsenzen in den Problembereichen gehen, Alkoholverbotszonen seien dagegen keine Lösung. Im Grunde ist man damit auf der politischen Ebenen nur so weit gekommen wie Anwohner und Wirte im außerparlamentarischen Bereich. auch vorgezogene Sperrstunden ablehnt. Stattdessen soll die Stadt (also die Allgemeinheit) in die Bütt springen. O-Ton des Jungliberalen: „Auf Partymeilen wie der Jüdefelder Straße oder dem Alten Fischmarkt erwarten wir erhöhte Präsenz und rigoroses Durchgreifen.“ Das Problem zu begreifen, scheint eher eine Frage der Lebenerfahrung zu sein denn der Farbe des Parteibuches. Alkoholgenuss verbindet eben doch und das sogar über die sonst so sorgsam gehegten Politbarrikaden hinweg. _Hafen und Kuhviertel stehen im Kleinen für gesellschaftliche Trends im Großen. Es geht ums Geldverdienen und das notfalls auch auf Kosten der Allgemeinheit. Es geht um den eigenen Genuss, selbst auf Kosten anderer. Feiern ohne Rücksichtnahme wird zum „Bürgerrecht“ erhoben, das keinerlei Hinterfragung bedarf. Wessen Interessen aber sind am Ende höher zu bewerten, sofern es keinen Kompromiss geben wird? Und darauf deutet im Moment vieles hin, den die Interessenlagen sind zu verschieden. Und was passiert, wenn gar nichts mehr geht? Der nächste Sommer kommt bestimmt und davor winkt schon der Lenz mit lauen Abenden. Der Knoten schürzt sich weiter und die bisherigen Lösungsvorschläge wirken hilflos. # Anzeige _Da ist es viel besser, Stellvertreter-Testballons aufsteigen zu lassen. Unisono kritisieren Vertreter der Jugendverbände von Grün bis Schwarz massiv die bisher vorgeschlagenen ordnungsrechtlichen Restriktionen, ein theoretisch mögliches Alkoholverbot vorweg. So äußert noch im Spätherbst 2009 Daniel Sandhaus, einer der beiden Sprecher des grünen Kreisverbandes, mit Alkoholverbotszonen würden „Bürgerrechte“ beschnitten. Noch jung an Jahren meint er vielleicht die „Rechte“, fremdes Eigentum mit Exkrementen zu überziehen oder zu zerstören. Anfang November assistiert vom ebenso jungen Vorsitzenden der Münsteraner Jungliberalen Jens Lenski (zugleich frisch gekürter FDPRatsherr), der sich gegen eine nicht näher beschriebene „Verbotskultur“ wendet und 17 Bericht | Text: Adik Alexanian | Foto: Privat Eine Praktikantin für alle Fälle Adik und ihre Arbeit bei der ~ Wie wird es sein, wenn ich mein einjähriges Praktikum bei der „~“ anfange, fragte ich mich oft, bevor ich die Stelle als Praktikantin für Mediengestaltung antrat. Etwa langweilig? Nein! Niemals! So kann ich heute sagen. Ich freue mich über jeden einzelnen Tag und kann mich wirklich glücklich schätzen, dort angefangen zu haben! Adik Alexanian berichtet über ihr Leben bei ~. _Ich erinnere mich genau an den Tag, als ich die Stellenanzeige in der „~“ las. Durch einen Praktikumsbericht meiner Vorgängerin, die ebenso wie ich 12 Monate lang ein Praktikum als Mediengestalterin absolviert hatte, wurde mein Interesse geweckt, mich auch einmal vorzustellen und zu schauen, ob ich vielleicht ab August 2009 nach meinem kleinen Fachabitur dort anfangen könnte. Und in der Tat, es hat geklappt. Natürlich fragte ich mich wochenlang, wie es für mich sein würde, irgendwo zu arbeiten, wo man den sozialen Kontakt zu Menschen intensiv pflegt und gleichzeitig noch die Monatsausgaben fertigstellen muss. _Ich hatte keinerlei Erfahrungen im Bereich Layout, wollte aber unbedingt in diese Arbeit reinschnuppern, um zu schauen, ob Mediengestaltung wirklich das ist, was ich mein Leben lang machen möchte. Ich lernte zunächst Heinz kennen, der für das Layout der Zeitung zuständig ist. Er gab mir eine kurze Einführung in den Umgang mit den LayoutProgrammen und schon kamen auch die ersten Berichte an, die für die neue Ausgabe gesetzt werden mussten. Zuerst arbeiteten wir zusammen und es war für mich einen Monat lang eine bereichernde Erfahrung, zuzuschauen, wie Heinz als Profi arbeitet. _Leider wurde er schon bald darauf eine lange Zeit krank. Als die Oktober-Aus18 gabe vor der Tür stand, war nicht klar, wie es nun ohne Heinz weiter gehen sollte. In dieser schwierigen Situation fragte mich die Redaktion, ob ich bereit wäre, die Zeitung mit ein bisschen Hilfe des Teams eigenverantwortlich zu gestalten. Ich nahm das Angebot gerne an und war stolz darauf, der „~“ aus der Klemme zu helfen und dem Redaktionsteam beizustehen, die OktoberAusgabe druckfertig zu bekommen. Diese freiwillig übernommene Verantwortung machte mich noch stärker und selbstsicherer bei der Arbeit und eine Menge Spass hatte ich auch dabei. Meine Fachkenntnisse konnte dadurch so sehr festigen, dass ich bei den folgenden Ausgaben kaum noch Probleme beim eigenverantwortlichen Gestalten hatte. Oftmals hat man nicht die Chance als Praktikantin soviel Verantwortung zu übernehmen und die Dinge selber in die Hand nehmen zu dürfen. _Neben der zentralen Arbeit am Layout der Zeitung lernte ich viele nette Menschen kennen. Alle sind ein Team hier und sie sind mir in nur paar Monaten sehr ans Herz gewachsen. Wir lernen uns von Tag zu Tag besser kennen und es verbindet mich mit allen, die hier tätig sind, so etwas wie eine Freundschaft. Deshalb kann ich meine Arbeit mit viel Motivation durchführen. _Redaktionsschluss ist meistens mitten im Monat, bis dahin bleibt viel Zeit. Inzwischen versuche ich auch Kontakt zu den Verkäufern zu knüpfen und etwas darüber zu erfahren, wie das Leben auf der Straße ist, wieso sie Verkäufer sind und was für ein Leben sie vor der Obdachlosigkeit hatten. Wir unterhalten uns über Gott und die Welt, lachen zusammen, aber auch gibt es traurige Momente. Das schönste Erlebnis war es, dass einmal ein Verkäufer zu mir meinte, das er mich zu schätzen weiß, weil ich ihm zuhöre und ihm Ratschläge geben kann. Diese kleinen „Dinge“ haben mich stärker im Leben gemacht, auch zu sehen, was in der Realität geschieht, denn davor als Schülerin, bin ich mit solchen Sachen kaum in Berührung gekommen. Ich bin mir jetzt sicher, dass ich diesen beruflichen Weg einschlagen will in meiner Zukunft und eine Ausbildung im Bereich Mediengestaltung machen möchte. # Bericht | Text: Destiny Any | Foto: Adik Alexanian Jeder besitzt einen Stern! Destiny im Austauschprogramm Von Geburt an geheimnisvoll und talentiert. Das ist Destiny Ani aus Nigeria. Mit Hilfe einer Organisation namens ICJA im Rahmen eines einjährigen Austauschprogramms für Jugend & Kultur kam er vor 3 Monaten nach Deutschland. Der leidenschaftliche Fußballer bezeichnet sich selbst als ein Entdecker von verborgenen Talenten, auf die er bauen kann. Er sieht Möglichkeiten im Unmöglichen. Er will Hoffnungslosen Hoffnung geben. Destiny liebt es, sich in den Dienst der Menschheit zu stellen, er mag Menschen von unterschiedlichster Herkunft. Hautfarbe und Religion spielen keine Rolle, denn man kann so viel voneinander lernen, so lautet seine Lebensmaxime. In den kommenden Monaten wird der junge Mann uns in der Redaktion unterstützen. _Warum bin ich nach Deutschland gekommen? Ganz einfach! Großartige Landschaften und Städte von und für großartige Menschen. Und so bin auch ich in gewisser Weise großartig, z.B. im Streben nach den kleinen Dingen des Lebens. Klein? Mag sein, aber sie machen mich glücklich. Deutschland ist ein beeindruckendes Land. Alles, was ich über das Land der Deutschen weiß, bekam ich durch Menschen in meinem Umfeld oder mit Hilfe von Nachrichten und Büchern heraus. Es ist, wie schon bereits erwähnt, eine Herausforderung, aber auch gleichzeitig eine große Chance etwas Großes oder Gutes zu tun. In Nigeria habe ich einige Programme und Projekte ins Leben gerufen, von denen ich hier in Deutschland profitieren möchte. Aus diesem Grund will ich gerade hier durch mein Engagement Vieles zurückgeben und gute Dienste an der Gesellschaft leisten. In meiner Heimat Afrika habe ich die „Allstars Academy“ gegründet. Das ist ein Projekt für Menschen in Nöten, die sehr schlecht versorgt sind: Kinder und Jugendliche, Erwachsene und ältere Personen sowie ehemalige Strafgefangene. Mit einem Satz: Es gibt keine Ausnahme, alle sind gleich und niemand wird benachteiligt. Von Prominenten hört man immer wieder, dass jeder Mensch als Star geboren wird. Aber das stimmt nicht. Einige haben ihren Stern niemals aufgehen oder strahlen sehen. Es bleibt bei unerfüllten Träumen. „Academy“ versucht den Armen eine Struktur zu geben und auch bei der Realisierung oder Erfüllung vieler Wünsche helfend zur Seite zu stehen. Wir versuchen ihnen ein bisschen Hoffnung für eine bessere Zukunft zu geben. _Mein erstes Projekt hier auf deutschem Boden war in Baden-Würtemberg beim Zirkus 'Pimparello' in der Nähe von Rappenhof/ Geschwend. Ich war dort für ca. 3 Monate und konnte die Zeit nutzen, um in den Zirkusalltag rein zu schnuppern. Natur, Klettern, Tanz und Theater, zudem noch Akrobatik; alles Dinge, die das klassisch geprägte Bild eines Wanderzirkuses vervollständigen. Jede Woche begrüßten und betreuten wir Klassen von verschiedenen Schulen aus dem Umland, die uns besuchten, um uns über die Schulter zu schauen. Ich gab mein Bestes, um später Glück und Zufriedenheit zurückzubekommen. Ich lebte dort, weil der Zirkus normalerweise seinen Reisebetrieb im Winter einstellt und deshalb auch Gäste dort Quartier beziehen können. Und durch dieses Engagement kam es auch, dass ich nach Münster reiste und im Weihnachtszirkus 'Alfredo' in Hiltrup assistierte. Kaum war ich dort hatte ich doppeltes Glück: Eine Artistin aus Spanien namens Maritha bot mir völlig überraschend eine kleine Rolle in ihrer Darbietung an: Es war eine afrikanische Show. Nach einem 4-Tage-Programm im Zelt hatte ich manchmal das Gefühl nicht immer mein Bestes gegeben zu haben, aber ab und zu war ich auch zu sehr damit beschäftigt Briefe und Geschenke von meiner Familie zu öffnen, die mich regelmäßig erreichten. _Nun hat sich eine neue Möglichkeit am Himmel abgezeichnet. Ich habe mit Hilfe des Strassenmagazins „~“ein Projekt für meinen Aufenthalt in Deutschland ins Leben gerufen. Zuallererst bin ich überwältigt von dem ungebrochenen Tatendrang der Menschen bei dieser Zeitung und so will ich mich mit einer Tasche voller Ideen in das Team einbringen. Bis jetzt hat mir der enge Kontakt zum „~“-Team viel ermöglicht und auch die eine oder andere Frage konnte ich beantworten. Denn schließlich habe ich einiges anzubieten, dass ich gerne mit anderen teilen will. Ich möchte die Möglichkeit nutzen, an dieser Stelle zu erwähnen, dass ich im Rahmen meines Austauschprogramms noch bis August dieses Jahres in Deutschland bleibe und für diese Zeit noch eine nette Gastfamilie suche, bei der ich wohnen und im Haushalt tatkräftig mitanpacken kann. _Von Herzen wünsche ich allen Menschen in Deutschland ein gesundes und glückliches Jahr und vergesst nicht: Jeder Mensch besitzt einen Stern. Es liegt nun an jedem selbst, ob man ihn zum Strahlen bringt. # Über Adressen, Tipps oder Hilfestellung zum Thema Gastfamilie würde ich mich sehr freuen. Ich bin erreichbar über: Tel.: 0251/4909118 (~) mobil: 0157/81891075 E-M Mail: [email protected] 19 Bericht | Text: Jan Magunski, Kirche und Welt | Foto: Sigi Nasner „Du bist der verkleidete Gott“ Willi Schultes ist Seelsorger der Wohnungslosen Nein, einen offiziellen Auftrag hat Willi Schultes nicht. Einzig von Gott fühlt er sich gesandt: Seit seiner Emeritierung vor neun Jahren ist der Pfarrer auf den Straßen Münsters unterwegs, um Ausgegrenzten und Wohnungslosen zu begegnen. Er weiß: „Was ich wahrnehmbar tue, ist in den Augen eines Therapeuten oder Sozialarbeiters eher dilettantisch.“ Aber er spürt auch: Es ist eine Form von Seelsorge. _Vor 17 Jahren hat Willi Schultes, damals noch Pfarrer in Wulfen-Barkenberg, sein Pfarrhaus verlassen, um seine Gemeinde neu kennen zu lernen: unverzweckt und unvoreingenommen. 40 Tage lang ist er von einem einfachen Kellerzimmer aus jeden Morgen aufgebrochen, um - ähnlich wie der kleine Bär und der kleine Tiger in Janoschs berühmter Geschichte - sein „Panama“ zu finden, den Ort, wo der Himmel die Erde berührt. _“Steh auf und geh in die Stadt, dort wird dir alles gesagt werden, was du tun sollst“ - die Aufforderung, einst an den heiligen Paulus gerichtet, ist ihm zu einem Leitsatz jener Tage geworden; das „Sakrament der Begegnung“ hat sie erfüllt: „Jeder, der mir begegnet, wird mir geschickt; an wen ich denke, an den soll ich denken“, war Schultes überzeugt. Damals hat er gelernt, dass die Menschen immer früher und immer öfter heimatlos werden, dass man in vielfacher Weise Geborgenheit und sein Zuhause verlieren kann. Als er vor neun Jahren emeritiert wurde und in seinen Geburtsort - nach Münster - zurückgezogen ist, versprach man in der Personalabteilung des Bistums: „Wir werden uns Gedanken machen, was du in Zukunft tun kannst.“ Schultes lehnte dankend ab: „Ich kann auch selbst denken!“ Damals, so erzählt er rückblickend, war die Möglichkeit gekommen, einen Traum wahr werden zu lassen und das „Sakrament der Begegnung“ in einer neuen Dimension zu leben. _Seitdem schnürt er immer wieder seinen Rucksack, seitdem geht er regelmäßig durch die Straßen der Domstadt, um die „Freunde der Straße“ zu treffen und ihnen ein Kumpel und Ansprechpartner zu sein. „Niemand hat mich darum gebeten, niemand hat mich beauftragt“, 20 sagt er - aber mit den Jahren ist er so zum Seelsorger von Münsters Wohnungslosen geworden. Er geht mit ihnen - oft auch auf dem letzten Weg, wenn die Bestatter ihn über den Tod eines Obdachlosen informieren. Wenn niemand „beisetzungspflichtig“ ist, wie es offiziell heißt, steht eigentlich eine anonyme Urnenbestattung an. Um die zu verhindern, versammelt Schultes andere „Freunde der Straße“ und feiert mit ihnen im Haus der Wohnungslosen ein würdiges Requiem für den Verstorbenen. _Viele, die der Alkohol auf die Straße getrieben hat, sterben schon mit 50, 60 Jahren; Drogenabhängige erleben oft nicht einmal ihren 35. Geburtstag. „Ich bin traurig“, sagt Schultes, als er sich an diesem Morgen auf seinen Weg durch die Stadt macht: „Viele meiner Freunde sind in den letzten Jahren gestorben.“ Auf seiner Runde durch Münster wird er immer wieder an sie erinnert, bestimmte Orte sind untrennbar mit ihren Namen und Gesichtern verbunden. Willi Schultes denkt an Bombenernie und Boxerdieter, an Bayernmax, Münzentheo oder Kalle mit der Kelle. Er weiß genau, wo sie „Platte gemacht“, wo sie nachts geschlafen haben: ein Fahrradunterstand, ein Treppenaufgang oder eine Nische mit Lüftungsschacht. _In die Lage dieser Verstecke eingeweiht zu werden, ist für einen Außenstehenden ein großer Vertrauensbeweis - schließlich stellen sie das Intimste dar, was ein Wohnungsloser vorweisen kann. „Wer von uns würde einem Fremden schon sein Schlafzimmer präsentieren?“, gibt Schultes zu bedenken. Der 73-Jährige ist in Münsters Obdachlosenszene längst kein Fremder mehr. „Da kommt der abgehalfterte Pfaffe“, wird er schon von weitem begrüßt - und ist über diese schnoddrige Anrede alles andere als verärgert: „Da hat sich doch jemand Gedanken über mich und meine Situation gemacht.“ Natürlich - er ist in den vergangenen Jahren auch „verarscht und reingelegt“ worden, es hat auch Männer gegeben, die seine Gutmütigkeit und Menschenliebe ausgenutzt haben. „Ich bin ja nicht blauäugig“, will er nichts beschönigen, sagt aber auch: „Das nehme ich in Kauf.“ Gerade gegenüber Menschen, die vielleicht schon in Kinder- und Jugendjahren und dann immer wieder enttäuscht worden sind, sei es wichtig, Geduld zu zeigen, ihnen die Treue zu halten. Treue - vielleicht das wichtigste, vielleicht das entscheidende Argument, um das Vertrauen der Wohnungslosen zu gewinnen. _Inzwischen argwöhnt keiner mehr “warum macht dieser alte Mann sich an uns heran?“ - inzwischen freuen sich die „Freunde der Straße“, wenn sie Schultes begegnen oder er sie an den einschlägigen Treffs besucht. Mancher ist glücklich, wenn der emeritierte Pfarrer ihm ein Päckchen Tabak oder ein paar Cent schenkt - aber diese materielle Unterstützung ist nicht das Entscheidende ihrer Beziehung. Viele sind vor allem froh, in Willi Schultes ein Gegenüber gefunden zu haben, das zuhören kann, das sie ernst nimmt und nicht vorschnell abstempelt. Anzeigen _Seine einfache, intelligente Art kommt an, er begleitet die Männer auch bei Behördengängen oder besucht sie, wenn es mal für eine Zeit „in den Bau“ geht. Und ist selbst immer wieder erstaunt, wie tiefe Gedanken sich viele von seinen Gesprächspartnern machen: „Auch wenn sie das nie so sagen würden: Sie sind religiös.“ Günter etwa, der gern in einen Orden eingetreten wäre, aber nirgendwo Aufnahme gefunden hat, geht jeden Abend zum Gottesdienst in die Lambertikirche. Manchmal sitzt er direkt neben Willi Schultes. Eines Tages hat er die Geschichte vom reichen Jüngling gehört: „Verkaufe alles, was du hast und gib es den Armen.“ Ein Auftrag, der ihm sehr nahe gegangen ist. Ein paar Tage später spricht er den Seelsorger auf seiner Runde an: „Ich hab das versucht - aber keiner will meine Plastiktüten!“ dem Taufbrunnen. Als Schultes die tiefere Symbolik der Kerze und ihrer fünf Wundmale erklärte, fand sich Ronald in diesen Zeichen wieder und bat darum, die Wundnägel noch einmal in die Kerze stecken zu dürfen: Wie viele Wunden und Verletzungen waren ihm zeit seines Lebens zugefügt worden? Und wie viele Wunden hatte er bei anderen aufgerissen? Auf einmal wusste er ganz sicher: Dieser Jesus, der würde ihn verstehen ... Alle paar Wochen fährt Willi Schultes in die Baumberge: zum Wandern und Reflektieren. Dann betet er sein „Namenund-Gesichter-Gebet“, dann stellt er sich vor, alle, die er auf seinen Wegen durch die Domstadt getroffen hat, würden in einer langen Karawane hinter ihm hergehen, Lebende und Verstorbene. „Inzwischen sind es fast 300, die mich so in meinen Gedanken begleiten“, sagt er. # _Meinulf, ein schizophrener Verkäufer der Obdachlosen-Zeitung, fühlt sich in Kirche und Gesellschaft wenig angenommen und aufgehoben. Er hat das Gefühl, immer nur auf Forderungen zu treffen, denen er von vornherein nicht genügen kann. Und auf die meisten seiner Glaubens- und Lebensfragen kann ihm niemand konkrete Antworten geben. „Die Fragen, die du stellst, hat Gott auch“, erklärt Schultes und diskutiert mit seinem Gesprächspartner über das Gottesbild unserer Tage: „Was für einen allmächtigen Muskelprotz haben wir nur aus Gott gemacht?“, klagt der Theologe, um sich dann wieder seinem Gegenüber zuzuwenden: „Meinulf, du bist der verkleidete Gott!“ Wenn Schultes seine Runde durch die Domstadt macht, dann lässt er sich oft nur treiben - „ich bemühe mich, keine Absichten zu haben.“ Trotzdem freut er sich natürlich, wenn aus den zwanglosen Begegnungen tiefere Erfahrungen wachsen - so ist er von zwei „Freunden der Straße“ gebeten worden, sie zu taufen und unter den besonderen Schutz Gottes zu stellen. Ronald, einer der beiden, war vor dem angesetzten Tauftermin allerdings so aufgeregt, dass er sich erst einmal Mut antrinken musste - und anschließend nicht mehr zu „gebrauchen“ war. Also ein zweiter Versuch. _Erneut war alles für die Taufe vorbereitet; die brennende Osterkerze stand neben 21 Bericht | Text: Thorsten Enning | Foto: Buio Omega Filmclub Cinema Bizarr Eine cineastische Zeitreise in die 60er und 70er Wir schreiben das 21. Jahrundert. Ganz Europa ist von austauschbarer Massenfilmware verseucht - Ganz Europa? Nein! Ein von unbeugsamen Cineasten gegründeter Filmclub hat es sich zur Aufgabe gemacht, dieser heimtückischen Plage Einhalt zu gebieten. Jeden dritten Samstag im Monat vormittags um 11 Uhr finden sich Dutzende von Freaks und Nerds im Schauburg Kino zu Gelsenkirchen ein, um einer einzigartigen Leidenschaft zu frönen: dem Exploitationfilm der 60er und 70er Jahre. Dieser geheimnisvolle Club namens Buio Omega ist ein Refugium für alle, die sich gern an diese kraftvolle und radikale Epoche des Kinos zurückerinnern, in der Hinterwäldler, geschändete Frauen und lebende Tote die Leinwand unsicher machten. ~-Zeichner und Buio Omega-Mitglied Thorsten Enning über Grenzgänge des Kinos und Menschen, die genau dies lieben. _Veranstaltungsort der monatlichen Clubtreffen ist das Schauburg Kino in Gelsenkirchen, das bereits 1929 seine Pforten öffnete und heute eines der letzten großen privat betriebenen Lichtspielhäuser Deutschlands ist. Hier traf sich gegen Ende der 1990er Jahre eine vier Mann starke Gruppe um regelmäßig ins Kino zu gehen. In der Nacht vom 30.10. auf den 31.10.1998, also exakt an Halloween, war die Idee geboren, hier in diesem Kino aus den Privatarchiven der vier „Gründerväter“ deren Lieblingsfilme zu bestimmten Zeiten vor ausgesuchten Publikum vorzuführen, um ihre Leidenschaft und Hingabe mitb anderen zu teilen und im Anschluss über das Gesehene zu resümieren. Jetzt fehlte neben dem grünen Licht des Betreibers und den obligatorischen Vereinsstatuten nur noch ein Name der seinesgleichen suchen sollte. Schnell war sich die Truppe einig: BUIO OMEGA. Benannt nach dem gleichnamigen Kultstreifen von Joe D`Amato aus dem Jahre 1979. Amato, selbst Italiener, war wie viele seiner internationalen Kollegen ein Meister des Trashkinos. 22 _Ein kompromissloser Ableger dieses Genres war oder ist der Exploitationfilm, dessen direkte Machart schlichtweg existenzielle Thematiken der menschlichen Gesellschaft wie etwa Sex, Gewalt, Leidenschaft, Angst und Verbrechen radikalisiert und/oder amoralisch demaskiert. Zahlreiche Werke waren dem damaligen Zeitgeist unterworfen, als Hippies für freie Liebe kämpften, man sich weltweit gegen den Vietnamkrieg solidarisierte und mutige Frauen langsam aber nachhaltig dem Patriarchat die Stirn boten. Diese Zerrbilder wurden schließlich ins Kino übertragen und führten zu einem regelrechten FilmBoom, den es seit der Stummfilm-Ära vor rund 100 Jahren so kein zweites Mal mehr gegeben hat. Das hatte zur Folge, dass die Angebotspalette der Filmstudios immens war und Soziologen das Kino als ein Ventil verstanden, mit dessen Hilfe sich der gewal- tige Druck unter der Oberfläche der Gesellschaft ableiten ließ. Selbstverständlich lief die spießige Front der Sittenwächter Sturm und blies zum konsequenten Angriff auf dieses „Freidenker-Pack“, dass sich in die hintersten Ecken von Amerika und Europa zurückzog, um in Ruhe harte und anstößige Filmchen zu drehen. Und genau diese „moralisch verwerfliche“ Form der Unterhaltung zeichnet dafür verantwortlich, warum sich Fans und Liebhaber des Trashkinos weltweit versammeln, um in elitären Kreisen Wissenswertes rund um die dunkle Seite des Zelluloids auszutauschen. _Und nun war es wieder mal so soweit, mit einer Kiste Gerstensaft und einer Hand voller guter Freunde per Zug von Münster in Richtung Gelsenkirchen aufzubrechen. Die Reisezeit verkürzt sich der durchgeknallte Haufen mit der Zelebrierung gesammelter und unvergesslicher Momente aus zig Lieblingsstreifen, die dann lauthals, aber fehlerfrei zum Besten gegeben werden. Plötzlich meldet sich ein Fahrgast aus dem hinteren Teil des Abteils. Aber nicht um sich über die Lautstärke zu beschweren, sondern um ganz nebenbei zu erwähnen, dass er doch die Uraufführung des Zombieklassikers „Dawn of the Dead“ von George A. Romero miterlebt hat. Schluck! Damit hat niemand innerhalb der Gruppe gerechnet. Ein Zeitzeuge! Voller Ehrfurcht lauschen wir seiner Geschichte, als er von zartbesaiteten Zuschauern berichtet, die entweder schreiend und voller Panik den Saal verließen oder sich in ihrer Sitzreihe erbrachen. Das wird uns bestimmt nicht passieren, denn wir alle besitzen einen gestählten Supermagen, dem so schnell kein Hardcorestreifen etwas anhaben kann. Endlich erreichen wir den Hauptbahnhof von Gelsenkirchen und nur drei Minuten danach fährt auch schon eine Trambahn in Richtung Kino. _Etwa 20 Minuten später stehen wir vor den Pforten unseres Heiligtums. Schnell noch eine neue Buddel Bölkstoff geöffnet und nichts wie hinein. Der Weg zur Kasse ist auf beiden Seiten gesäumt mit Filmplakaten der Superlative: die Original Poster der Kracher „Ekstase im Folterkeller“ und „Ich spuck`auf dein Grab“ oder Poster diverser Produktionen der britischen Hammer-Studios, mit denen Christopher Lee als Dracula Filmgeschich- te schrieb. Aber das definitive Nonplusultra des gesamten Interieurs ist ein Pappaufsteller in Originalgröße von Herbert Fux aus dem Film „Mark of the Devil“. Herbert Fux wird sicherlich noch so manchem Fernsehzuschauer ein Begriff sein, denn zusammen mit Ilja Richter, Rudi Carrell und Gunther Phillip war er ein Star schräger Klamotten und Lustspiele in den 70er Jahren. Und er war ein großartiger Mime seiner Zeit. Jetzt noch schnell bezahlen und ab dafür! Der Eintrittspreis für zwei Filme inklusive Vorprogramm und Moderation durch den populären Filmgelehrten Christian Kessler ist mit fünf Euro absolut fair und dient ausschließlich zur Pflege und Erhalt des Clubs, so dass ein profitorientiertes Denken von vorne herein ausgeschlossen werden kann. „Wenn du krepierst, lebe ich“! Die deutschen Titel sind einfach der Hammer! Zwischen den Filmen wird diskutiert, werden Kontakte geknüpft und Nummern ausgetauscht oder gleich die nächste private Filmsession ausgerufen. Die Leute sind supernett, in keinster Weise abgehoben oder arrogant im Gehabe. Dort kommen alle gesellschaftlichen und sozialen Schichten sowie alle Altersgruppen zusammen, um geschlossen für etwa vier Stunden der Realität zu entfliehen. _Ich habe jedes Mal einen Heidenspaß und kann Noch-Skeptikern und Spontan-Interessenten nur wärmsten emp- fehlen, auf der Homepage des geheimnisvollen Filmclubs BUIO OMEGA mal reinzuschauen, um letzte persönliche Zweifel aus dem Weg zu räumen. Oder um es mit dem Club-Slogan deutlicher werden zu lassen: „Was Sie bei uns verpassen, ist für Sie unwiederbringlich verloren“! # Die Homepage von Buio Omega ist unter der Adresse www.buioomega.de zu erreichen. Anzeige _Wer dennoch zum ersten Mal erscheint, um Buio Omega selbst zu erfahren, muss sich einem ausgeklügeltem Anmeldeformular stellen, dass auf den Geschmack und die Kenntnis des Bewerbers abzielt, um so die Spreu vom Weizen zu trennen. Natürlich sind diese strengen Aufnahmekriterien mit einem Augenzwinkern zu sehen und sollten unter gar keinen Umständen bierernst genommen werden. Aber genau darin liegt sicherlich die Kernaussage des Clubs: Man ist hier unter Gleichgesinnten, um sich zu amüsieren. Übrigens hat es bis jetzt noch kein einziger Novize geschafft, alle Fragen korrekt zu beantworten. Ich denke, damit wollen die Verantwortlichen der Clubsatzung nur ihre These untermauern, dass auch bei den Clubgründern einige Schrauben locker sitzen. _Dann ist es endlich soweit. Jetzt noch schnell ein paar gute Sitzplätze ausgemacht - den üblichen SitznummernQuatsch wie in herkömmlichen Kinosälen sucht man hier vergebens. Früher war eben doch so manches besser. Das Bier fließt in Strömen und gut 200 Fans grölen und jubeln zu dem heutigen Double-Feature mit den Spaghetti-Western „Noch Warm und schon Sand drauf“! und 23 Buchtipps | Texte: Heinz Dalmühle | Sigi Nasner Lesen! Rainer Schepper, „Ich war Deserteur“ Agenda-Verlag, Münster, 58 Seiten, 14,80 Euro (D) ISBN 978-3-89688-386-5 Kirsten Boie, Jutta Bauer „Ein mittelschönes Leben“ Verlag Hinz&Kunzt, Hamburg 27 Seiten, 4,80 Euro ISBN: 978-3000261466 24 Rainer Schepper ist ein Freund und Sympathisant der „~“ seit ihren ersten Tagen als Sprachrohr der Berbergilde. Er arbeitet als Rezitator, Publizist und Buchautor in Münster und hat gerade seine Erinnerungen an die letzten Kriegsjahre, vor allem an 1945, im Buch „Ich war Deserteur“ veröffentlicht. Er berichtet sehr persönlich und spannend, wie er als 17Jähriger von den Nationalsozialisten noch in den längst verlorenen Krieg gegen den Ansturm der Roten Armee geschickt wurde. Schepper, der völlig klare Vorstellungen von dem Unsinn des Heldentums, für Führer und Vaterland zu sterben, hatte, entwickelte unglaubliche Raffinesse darin, sich immer wieder jeder noch so bedrohlichen Situation zu entziehen. Von der SS verhaftet gelang ihm erneut die Flucht und er schlug sich von Frankfurt aus am Rhein entlang durch Westerwald und Sauerland bis nach Warendorf durch, wo sein Elternhaus inzwischen in Schutt und Trümmern lag. Unterwegs hatte er eine Menge lebensgefährlicher Situationen zu meistern. Bemerkenswert ist die große Unterstützung und Hilfsbereitschaft der Bevölkerung. Ausdrücklich erwähnt Schepper, dass ihm Adenauer ein Nachtlager verweigerte. Spannend und lehrreich, ist „Ich war Deserteur“ ein gutes Beispiel, wie man auch als Einzelner seinen Idealen und seinem Herzen treu bleiben kann, auch wenn man sich gegen Obrigkeit und Mainstream auflehnen muss. Ein spannendes Buch, das sich auch gut als Lektüre für Schulen eignen würde. # Wenn es um das Thema Obdachlosigkeit und die Beurteilung von Menschen, die auf der Straße leben, geht, dann scheinen immer noch sehr viele Menschen ein „Brett vor dem Kopf“ zu haben. Unterstützt von etlichen Massenmedien, diversen Stammtischrunden und allem möglichen halsbrecherischen Meinungsmachern wird ihnen teilweise ein Bild suggeriert, das völlig wirklichkeitsfremd ist. Aber viele, vielleicht sogar die meisten Vorurteile gegenüber Obdachlosen resultieren aus frühkindlicher Erziehung: „Was Hänschen nicht lernt, das lernt Hans nimmermehr“, sagt ein altes Sprichwort. Aus diesem Grund hat das Obdachlosenmagazin Hinz&Kunzt aus Hamburg im Eigenverlag dieses Buch herausgebracht, das von der Landeszentrale für politische Bildung finanziert wurde. Beschrieben wird der Alltag eines obdachlosen Mannes, der eine ganz „normale“ Kindheit und Jugend durchlebt und später auch ein durchschnittliches Familien- und Berufsleben führt. Mit Frau und zwei Kindern und allem, was zu einem glücklichen Familienleben eben dazu gehört. Irgend- wann gab es jedoch Probleme in der Beziehung zu seiner Frau und die anschließende Trennung. Danach folgte für den Mann, nicht von heute auf morgen, aber nichts desto trotz kontinuierlich der Absturz: Jobverlust, Kontaktschwierigkeiten, Vereinsamung, erste Alkoholprobleme, keine Miete mehr gezahlt, Wohnungsverlust, Obdachlosigkeit. Das Buch zeigt beispielhaft anhand eines ganz normalen Lebens, dass Obdachlosigkeit im Grunde jeden treffen kann und nicht, wie manche Leute meinen, wie eine schlimme Krankheit behandelt werden sollte, die nur bestimmte schlimme Leute bekommen können. Erzählt wird das alles in einer sehr kindgerechten Sprache und einer schönen Bebilderung. Am Schluss des Buchs gibt es noch eine Auswahl von Fragen und Antworten zum selben Thema. Die Fragen wurden dabei von Hamburger Grundschülern formuliert, die Antworten gaben Verkäufer des Straßenmagazins Hinz&Kunzt. # Rainer Schepper liest: Ich war Deserteur Dienstag, 9. Februar 2010 um 20 Uhr in der Rüstkammer des Rathauses zu Münster am Prinzipalmarkt Persische Rezepte | Text und Foto: Adik Alexanian Persische Küche Die persische Küche vereint orientalische und asiatische Elemente, eine Vielzahl an Gewürzen sorgt für einen charakteristischen Geschmack. Koriander, Bockshornklee oder auch andere Kräuter finden reichlich Verwendung, die Palette der Geschmacksrichtungen reicht von sehr süß bis zu leicht sauer. Die aufwändige Zubereitung erfordert etwas Geduld, aber entlohnt wird man für seine Mühen mit Gerichten, die durch ihre ausgeprägte Aromenharmonie zu gefallen wissen. Vielleicht kommen Sie ja auf den Geschmack! Ququ (Vorspeise) Choreschte Mosamo Salat Olive Zutaten: Zutaten: Zutaten: Schnittlauch 1 Bund Basilikum 1 Stange Poreé 5 Eier 1 EL Backpulver 3 EL Mehl Salz Pfeffer 3 Auberginen 5 Tomaten 4 Grüne Paprika 500g Rinderbraten 2 EL Tomatenmark 1 Zwiebel Salz Pfeffer 10 große Kartoffeln 1 kleine Hühnerbrust 5 Eier 1 kl. Dose Erbsen Mayonnaise einige Oliven 2 Tomaten Zitronensaft 1 Glas Salzgurken, mittelgroßes Glas 1 kleine Zwiebel Wasser Salz und Pfeffer Zubereitung: Zubereitung: Zubereitung: _ Zuerst werden die Kräuter klein geschnitten und in einer Schüssel mit den Eiern verquirlt. Ähnlich wie bei einem Omelett wird dann das Backpulver eingerührt und mit Salz und Pfeffer gewürzt. Die Mischung in eine Pfanne mit vorgeheiztem Öl geben. Mit aufgesetztem Deckel bei niedriger Hitze ziehen lassen. Nach 15 min. wenden und die andere Seite garen lassen. Fertig ist das „Ququ“. # _Zunächst die Haut der Auberginen abschälen und das Gemüse in fingerdicke Scheiben schneiden. Dann in einer Pfanne Öl erhitzen und die Auberginen andünsten lassen. Ebenso werden nacheinander die Tomaten und der Paprika in Scheiben geschnitten und angedünstet. Danach die Zwiebel klein schneiden und anbraten, dazu das in kleine Stücke zerteilte Rinderfleisch geben und ebenfalls anbraten. Das Tomatenmark mit Wasser aufrühren und das Fleisch damit ablöschen. Das Ganze etwas ziehen lassen. Anschließend den Pfanneninhalt in eine Auflaufform füllen und das vorbereitete Gemüse darübergeben. Zugedeckt ungefähr 30 min bei 170 Grad im Ofen köcheln lassen, zum Schluss mit Salz und Pfeffer abschmecken. # _Kartoffeln waschen, Eier kurz in warmes Wasser legen, wenn sie aus dem Kühlschrank kommen. Die Kartoffeln als Pellkartoffeln kochen und ca. 10 min. vor Schluss die Eier dazu in den Topf geben und mitkochen. Die Hühnerbrust mit der geschnittenen Zwiebel kochen, bis sie weich ist. In der Zwischenzeit die Gurken in kleine Würfel schneiden und in eine Schüssel geben. Wenn die Kartoffeln und Eier gar sind, schälen, danach alles klein schneiden. Die Kartoffeln entweder leicht stampfen oder in Scheiben schneiden. Danach alles in die Schüssel geben und mit etwas Mayonnaise vermengen. Zum Schluss mit Salz, Pfeffer und Zitronensaft würzen und noch einmal vermengen. Mit Tomaten und Oliven dekorieren. # 25 Bericht | Text: Jörg Hüls | Foto: Mike Schermann Preußen Report Interview mit Sercan Güvenisik Zum Anfang der Hinrunde stotterte der Preußen Motor noch gewaltig, das selbst auferlegte Ziel „Aufstieg“ hielt dem Druck nicht stand und so spielten die Adlerträger in den ersten Spiele zu defensiv und ängstlich. Die Quittung gab es postwendend und hieß nach dem fünften Spieltag Platz 17 und somit Abstiegsplatz. Schuldige wurden gesucht und schnell gefunden, 'Schmidt und Gockel raus!'- Rufe waren im Preußenrund nicht mehr zu überhören.Doch diesmal anders als im Fußballgeschäft üblich hielt die Vereinsführung zu Spielern, Manager und Trainern, in einer flammenden Rede erklärte Präsident Dr. Marco de Angelis seine Gründe: „Seit 1993 haben wir 17 Trainer gehabt. Wie viele Titel haben die geholt? - Null!“ Dr. de Angelis entschied sich gegen eine Entlassung des Trainers und somit dieses Mal gegen das übliche Prozedere. _Die Entscheidung von Dr. Marco de Angelis sich hinter die Mannschaft und den Trainer zu stellen, erwies sich letztlich als die richtige. Mit einer gehörigen Portion Wut und einer spürbar besseren Einstellung kämpften sich die Adlerträger zurück und holten aus den nächsten sieben Partien beeindruckende 17 Punkte. Bis auf drei Punkte konnte sich der SCP der Spitze nähern. Jedoch verzerrten die wetterbedingt abgesagten Partien zum Schluss der Hinrunde die Tabellenkonstellation. Mit zwei Nachholspielen und 12 Punkten Rückstand zur Tabellenspitze beginnt am 30. Januar in Bochum der lange Endspurt im Titelrennen der Fußball-Regionalliga. Zum Tüpfelchen auf dem I könnte dabei Sercan Güvenisik avancieren. Der zur Winterpause überraschend eingekaufte Spieler, der sich trotz Anfragen aus der zweiten Liga für den SCP entschied, ist sicherlich mehr als eine Bereicherung für Preußen Münster. Grund genug für uns, Sercan Güvenisik um ein kurzes Interview zu bitten. ~: Warum hast du dich für Preußen Münster entschieden, obwohl es Angebote aus der zweiten Liga gab? 26 Sercan Güvenisik: Ich hatte schon einmal eine sehr schöne Zeit hier und ich hab immer gewusst, dass die Menschen hier zu mir stehen. Und das war für mich ausschlaggebend, mich für Preußen Münster zu entschieden und natürlich auch das Verhältnis, das ich weiterhin zum Präsidium hatte, im Besonderen zu Marco de Angelis. ~: Siehst du dich als Führungsspieler bei Preußen Münster? Sercan Güvenisik: Ja, mit Sicherheit, also ich bin 30 Jahre alt, ich bin schon seit 12 Jahren Profi und ich habe sehr viele Stationen hinter mir. Wenn man aus der 2. Liga kommt und in meinen Alter ist, dann sollte man schon eine Führungsrolle einnehmen. ~: Wo siehst du die Gründe für den Fehlstart der Preußen zur Hinrunde? Sercan Güvenisik: Das kann ich jetzt natürlich schwer beurteilen, da ich das ja nicht komplett verfolgt habe. Ich kenne nur die Ergebnisse, jedoch denke ich, dass der Rückstand noch nicht das Ausmaß umfasst, dass wir die Punkte in der Rückrunde nicht einholen könnten. Deshalb müssen wir einfach schauen, dass wir das, was am Anfang nicht so gut lief, jetzt im nachhinein wieder gut machen können. ~: Für wie realistisch hältst du den Aufstieg noch in dieser Season? Sercan Güvenisik: Für wie real? (lacht) Möglich ist alles, besonders im Fußball, aber natürlich sind die Chancen nicht sehr groß. Aber ich bin auch als Typ bekannt, der erst etwas aufgibt, wenn es gar nicht mehr möglich ist. Von daher gesehen hoffe ich, dass wir das noch schaffen können. ~: Welche Sturmformation würdest du auflaufen lassen, wenn du Trainer wärst? Sercan Güvenisik: Ich bin kein Trainer! (lacht) ~: Muss die jetzige Mannschaft noch verstärkt werden und wenn ja, auf welchen Positionen, um für den Fall des Aufstiegs die Klasse halten zu können? Sercan Güvenisik: Ich glaube nicht, dass die Mannschaft noch unbedingt verstärkt werden muss, weil wir wirklich Jungs hier haben, die was drauf haben. Wichtig ist nur, dass wir einfach alles zu 100% umsetzen können, was wir können, und dann denke ich auch, dass wir oben mitspielen und angreifen werden. ~: Danke für das kurze Gespräch. Nun gilt es also die Kräfte zu bündeln. Gleich die ersten Gegner, VfL Bochum II, 1. FC Kaiserslautern II, FC Schalke 04 II sowie der 1. FC Saarbrücken werden den Preußen alles abverlangen. Der Druck auf Preußen Münster ist zwar der gleiche wie am Anfang der Saison, jedoch scheint sich die Mannschaft jetzt gefunden zu haben. Die Chance zum Aufstieg ist nach wie vor gegeben, wobei die Entscheidung Sercan Güvenisiks, beim SCP zu spielen, das ganze Team noch weiter puscht. Bei einem gelungenen Rückrundenstart ständen sicherlich auch die Fans als 13ter Mann hinter den Adlerträgern. Denn eines ist sicher, Münster lechzt nach dem Aufstieg. # Kurz und Knapp Essen im Enchilada Am 10.01.2010 wurden insgesamt 80 Wohnungslose und Sozialbenachteilige aus den Reihen der ~, des Treffpunktes an der Clemenskirche und dem Haus der Wohnungslosen Hilfe ins Enchilada zum Drei-Königs-Essen eingeladen! Wir wollen hiermit dem Enchilada-Team danken für das wunderbar leckere Essen und für die offene Freundlichkeit, mit der uns das Team entgegengekommen ist. # Die neue ~ erscheint am 01. 03. 2010 Redaktionsschluss ist der 12. 02. 2010 Tauschrausch: ~-Tauschaktion immer noch aktuell: www.muenster.org/draussen/tauschrausch.html Redaktionssitzung: Jeden Dienstag um 14:00 Uhr findet die Redaktionssitzung statt. Freie Mitarbeiter sind immer willkommen! § Neues aus dem Familienrecht Unterhalt von Mutter und Vater aus Anlass der Geburt Es erstaunt immer wieder, dass junge Leute, die es doch gerade angeht, nicht darüber informiert sind, dass der betreuende Elternteil einen eigenen Unterhaltsanspruch gegen den nicht betreuenden Elternteil hat (§1615 l BGB), ohne dass die Kindeseltern verheiratet sind und unabhängig vom Unterhaltsanspruch des Kindes. _Morton und Frauke kennen sich schon aus der Realschule haben sich nach einigen Jahren wieder getroffen und bezogen eine gemeinsame Wohnung. Sie hatte ihre Ausbildung zur Zahnarzthelferin bereits abgeschlossen und drei Jahre in diesem Beruf gearbeitet mit einem Nettoeinkommen von 1.200,00 Euro. Der Zahnarzt hatte seine Praxis allerdings aus Altersgründen aufgegeben, so dass Frauke gerade arbeitslos war. Morton hatte sein Ingenieurstudium erfolgreich abgeschlossen und verdiente monatlich netto etwa 4.000,00 Euro. _Als Frauke nach zwei Jahren des Zusammenlebens mit Morton im 7. Monat schwanger war, wurde die Beziehung zwischen beiden immer stressiger und beide trennten sich einvernehmlich. Morton ist bereit, später - nach der Geburt des erwarteten Kindes - Kindesunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle zu bezahlen. Ansonsten ist er der Auffassung, Frauke könne sich einen Job suchen und das Kind von ihren Eltern betreuen lassen. _Er muss sich allerdings eines Besseren belehren lassen. Er hat der Kindesmutter Frauke zunächst sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt des Kindes Unterhalt zu gewähren und im Normalfall, wenn von Frauke wegen der Erziehung und Pflege des Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann, bis mindestens drei Jahre nach der Geburt des Kindes weiterhin Betreuungsunterhalt für Frauke zu zahlen. Frauke hat auch das Recht, in den ersten drei Jahren des Kindes dieses selbst zu betreuen und zu erziehen und nicht durch Dritte betreuen zu lassen, wie etwa den Großeltern. Bei der Höhe des Unterhalts der Kindesmutter kommt es auf ihre Lebensstellung zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes an. Da Frauke arbeitslos war, wird nicht ihr letztes Gehalt als Zahnarzthelferin berücksichtigt, sondern steht ihr nach der Rechtsprechung als Bedarf der notwendige Selbstbehalt einer nicht Erwerbstätigen zu, der sich zur Zeit auf 770,00 Euro beläuft.(vgl. BGH NJW 2008, 3125) _Sollte Frauke trotz ihres Unterhaltsanspruchs wegen der Kindesbetreuung noch in den ersten drei Lebensjahren des Kindes berufstätig sein, ist dieses Gehalt nur teilweise - je nach den Umständen des Falles - bei der Berechnung des Unterhaltsanspruch zu berücksichtigen, da es aus überobligatorischer Tätigkeit stammt. Frauke würde also unterhaltsrechtlich mehr leisten, als von ihr erwartet wird. # 27 Bericht | Text: Horst Gärtner Schlussakkord Der Name „Daisy“ weckt kuschelweiche Erinnerungen an die Verlobte von Donald Duck; sie ist schön, lebhaft und hat einen schmachtenden Blick. _So präsentierte sich das mit Katastrophenvoranmeldungen angekündigte Tief „Daisy“, das wochenlang ganz Europa in seiner Umklammerung hatte, beileibe nicht, sondern ruppig, frostig, mit Schnee, Eis und Sturm, wie wir Münsterlander Flachlandtiroler das seit Jahren nicht mehr erlebt haben. Wetterverhältnisse, die für uns alle unangenehm, lästig und beschwerlich waren, für die Menschen auf der Straße und auch für unsere Straßenverkäuferinnen und Straßenverkäufer ausgesprochen bedrohlich, eine Wetterlage zum „Zähne zusammenbeißen“. _Wer bei Schnee, Eis, Sturm und Temperaturen zwischen 10 und 20 Grad minus im Pelzmantel, einer Lammfell- oder Daunenjacke eine zeitlang „draußen“ sein musste, der kroch schnell wieder ins Warme - in seine Wohnung, ins Büro, ins Geschäft oder in den Betrieb. _Unsere Straßenverkäuferinnen und Straßenverkäufer haben keinen Pelz, kein Lammfell und keine Daunenmäntel. Sie stehen stundenlang auf der Straße und frieren. Da hilft es nur wenig, dass das Christkind Pullis gebracht hatte, dass wir Jacken und Handschuhe verteilten, so gut wir konnten. Wir sind froh, dass in dieser Zeit niemand ernstlich krank geworden ist. Dank an unsere Verkäufer, dass sie durchgehalten haben. _Wenn man in dieser Zeit - und auch jetzt noch - einen Blick nach Berlin wirft, dann kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass mit „Daisy“ dort auch alles eingefroren ist; außer dem Mundwerk, mit dem sich der eine noch besser profilieren will als der andere! Was diese Wunschkoalition den Wählerinnen und Wählern (und Steuerzahlern!) seit Monaten präsentiert, geht nicht auf die berühmte Kuhhaut! Es melden sich Politiker aus der 2. und 3. Reihe zu Wort und alle wollen sie nur eins: Das parteipolitische Profil schärfen - dafür sind sie aber nicht in den Bundestag gewählt worden! _Wenn man Ausschau hält nach Regierungsmitgliedern, die sich die Ärmel hochkrempeln, dann hat man es mit der Standortbestimmung schwer. Man hat eher den Eindruck, es geht nach dem berühmten bayrischen Kabarettisten Karl Valentin in seinem Lied: „Jetzt fang´n wir gleich an“ - das singen in dem Lied die Maurer so lange, bis „Feierabend“ geläutet wird! # Cleopatra wuchs an einer stark befahrenen Kreuzung bei einem sehr katzenfreundlichen Obdachlosen auf und verbrachte dort mit mehreren anderen Katzen ihre ersten beiden Lebensjahre. Leider wurde sie von den dortigen Katzen oft verscheucht und zeigt sich auf der Pflegestelle verängstigt und unterwürfig den vorhandenen Katzen gegenüber. Aus diesem Grund sollte sie entweder als Einzelkatze oder zu einem freundlichen, nicht dominanten Kater vermittelt werden. Wegen ihrer anfänglichen Zurückhaltung gegenüber fremden Menschen sollten die neuen Besitzer mit einer etwas längeren Eingewöhnungsphase rechnen und ihr genügend Zeit geben, um Vertrauen aufzubauen. Danach möchte sie gerne wieder Auslauf bekommen. Sobald sie sich eingewöhnt hat, wird sie sich als verspielte und lebhafte Katze entpuppen, die sich gerne in der Nähe ihrer vertrauten Dosenöffner aufhält und mit Begeisterung schmusen kann. Cleopatra ist 2 Jahre alt und sucht ein ruhiges Zuhause - gerne mit größeren Kindern. Kontakt: Tel. 0251/8469757 oder www.katzenhilfe-muenster.de 28 Anzeige Der diesjährige Kinderprinz heißt Christian Limberg-Sulzer, Enkel des Karnevalsprinzen Hermann II. von 1998. Hermann Limberg war in der Session 1997/1998 Stadtprinz von Münster, aber auch schon vorher ist er Karnevalist mit Leib und Seele, davon zeugen die rund 4.000 Orden, die er von den Münsteraner Karnevalsvereinen in den Jahren erhalten hat, auch das „Tanzende Schloss“ der KG Schloßgeister, die höchste Auszeichnung für einen Karnevalisten, der „Knabbelorden“ der Narrenzunft vom Zwinger. Hermann Limberg, seit vielen Jahren erfolgreicher Unternehmer im Bettengeschäft, wird von Freunden gelegentlich „Papst der Betten“ genannt, weil er die Betten für den Papst bei seinem Münster-Besuch geliefert hatte. Er unterstützt die „~“ mit seinem sozialen Engagement seit Jahren. Terminankündigung Dienstag, 9. Februar 2010 20 Uhr in der Rüstkammer des Rathauses zu Münster am Prinzipalmarkt Ich war Deserteur Rainer Schepper berichtet Diese Lesung wird veranstaltet von Rainer Schepper mit freundlicher Unterstützung durch das Kulturamt der Stadt Münster Tel. 0251/2302194 (Platzreservierungen) Eintritt: 10 Euro, Studenten und Schüler 5 Euro Rainer Scheppers Autorenlesung wird akustisch eingefasst von vier Schlagzeugimprovisationen seines mit dem damaligen Deserteur heute etwa gleichaltrigen Enkelsohns Sebastian Lambers, zugehörig der Sendener Jugendband „Without Skills“, einer Gruppe, die sich gegen Kindermissbrauch einsetzt und noch jüngst in Berlin auf einer Veranstaltung der World Childhood Foundation vor der schwedischen Königin Silvia, der Schirmherrin der Organisation, auftrat. In der Rüstkammer des Rathauses zu Münster treten Rainer Schepper und Sebastian Lambers auf gegen jede Art von Menschenmissbrauch, sei es im Krieg oder im Frieden. 29 Anzeigen Letze Meldung: „Die Westfälischen Nachrichten“ brachten auf der Westfalenseite am 20. Januar 2010 einen Artikel mit dieser Überschrift. Die augenzwinkernde Klarstellung von „~“ lautet: Wir waren es nicht! 300 Anzeigen 31 Anzeige