Vortrag Prof. Dr. Lehmann
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Vortrag Prof. Dr. Lehmann
Prof. Dr. Arnold Lehmann-Richter, HWR Berlin Minderungsausschluss bei Baulärm und anderen Emissionen aus der Nachbarschaft A. Einleitung Die Beeinträchtigung des Gebrauchs vermieteter Räume durch Baulärm oder andere Emissionen aus der Nachbarschaft ist ein mietrechtliches Alltagsphänomen.1 Die Interessenlage der beteiligten Parteien ist schnell beschrieben: Der Mieter sieht sich in seinen vertraglichen Rechten beeinträchtigt und beruft sich auf Mietminderung.2 Der Vermieter fühlt sich unschuldig, da die Emissionen nicht von ihm ausgehen und er daher die Quelle der Störung meist nicht kontrollieren kann.3 Kommt es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Minderung, sehen sich die beteiligten Anwälte und Richter meist mit einem komplexen Sachverhalt konfrontiert, dessen Aufarbeitung häufig erhebliche Mühe bereitet. Denn die Bestimmung einer Minderungsquote setzt einen Sachvortrag im Prozess voraus, der den Richter in die Lage versetzt, die Beeinträchtigung und damit die Höhe der Minderung beurteilen zu können.4 Ist der Sachvortrag streitig, ist meist eine aufwändige Beweiserhebung notwendig. In Rechtsprechung und Literatur wird nun allerdings verbreitet die Ansicht vertreten, dass bei Baulärm unter bestimmten Voraussetzungen eine Minderung aus Rechtsgründen ausscheidet. Die Überzeugungskraft dieser Auffassung wird im Folgenden näher untersucht (B); anschließend wird auch ein Blick auf die Möglichkeiten geworfen, die Minderung bei Baulärm und andere Emissionen aus der Nachbarschaft vertraglich auszuschließen oder zu begrenzen (C). B. Minderungsausschluss ohne ausdrückliche Vereinbarung In den meisten Mietverträgen fehlen ausdrückliche Vereinbarungen dazu, welche Rechtsfolgen Emissionen aus der Nachbarschaft haben. Aus § 536 BGB ergibt sich, dass die Miete gemindert ist, soweit die Emissionen zu einem Mangel der Mietsache führen. Mangelhaft ist die Mietsache nach wohl allgemeiner Ansicht, wenn der tatsächliche Zustand vom vereinbarten Zustand zum Nachteil des Mieters abweicht.5 Ob eine bestimmte Emission 1 Unter Emissionen wird im Folgenden jeder Lärm aus einer menschlichen oder anderen Quelle verstanden, vgl zum zur Beschränkung des Begriffs auf von Anlagen ausgehende Geräusche und ähnliche Erscheinungen vgl. BeckOKBImSchG/Schulte, Ed. 23, § 3 Rn. 69. 2 Die übrigen Gewährleistungsrechte, insb. Schadensersatz oder Kündigung, werden hier nicht näher untersucht, dazu jüngst Flatow, PiG 92 (2012), S. 63, (67ff.) m.w.N. 3 Zu nachbarrechtlichen Ausgleichsansprüchen etwa Börstinghaus, NZM 2004, 48; Horst, MDR 2011, 1022 (1024). 4 Dazu BGH ZMR 2012, 536; vgl. etwa auch LG Berlin GE 2011, 752. 5 Etwa BGH NJW 2005, 218; NJW 2000, 1714; Erman/Lützenkirchen, BGB, 13. Aufl. (2011), § 536 Rn. 3; Palandt/Weidenkaff, BGB, 71. Aufl. (2012), § 536 Rn. 16. – etwa Baulärm – einen Mangel bedeutet, bestimmt sich daher in erster Linie nach der Vereinbarung der Parteien. Fehlt es an Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache, schuldet der Vermieter nach der Rechtsprechung des BGH eine Beschaffenheit, die sich für den vereinbarten Nutzungszweck eignet und die der Mieter nach der Art der Mietsache erwarten kann. Dabei sind insbesondere das Alter, die Ausstattung und die Art des Gebäudes, aber auch die Höhe der Miete und eine eventuelle Ortssitte zu berücksichtigen.6 I. Meinungsbild in Rechtsprechung und Literatur Im Ausgangspunkt besteht zutreffend Einigkeit, dass Emissionen aus der Nachbarschaft einen Mangel der Mietsache begründen können.7 Rechtsprechung und Teile der Literatur haben aber in Bezug auf Baulärm einen Sonderweg beschritten, weshalb bei der Darstellung des Meinungsbildes zwischen diesen und anderen Emissionen zu unterscheiden ist. 1. Baulärm Unter welchen Voraussetzungen die Miete bei Baulärm in der Nachbarschaft gemindert ist, wird seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert.8 Die frühere Rechtsprechung machte die Minderung davon abhängig, ob der Vermieter für die Störungen aus der Nachbarschaft seinerseits vom Störer nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB eine Entschädigung verlangen konnte.9 Diese Auffassung wird heute – soweit ersichtlich – nicht mehr vertreten, was überzeugt: Für eine Anwendung von § 906 BGB im Mietrecht ist kein Raum, weil die §§ 536f. BGB die Rechtsfolgen von Mängeln der Mietsache als leges speciales regeln.10 Verbreitet wird ein Ausschluss der Minderung in Rechtsprechung und Literatur mit einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung begründet. Dafür wird vertreten, die Parteien hätten schlüssig vereinbart, dass der Vermieter keine „baulärmfreie“ Nutzung schulde, wenn bei Vertragsschluss mit einer Bebauung des Nachbargrundstücks gerechnet werden müsse. 11 Die tatrichterlichen Würdigungen sind dabei teilweise sehr streng: So hat das LG Gießen etwa eine Minderung wegen Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück abgelehnt, welche erst 5 6 BGH NJW 2010, 3088. Etwa BGH WuM 2012, 271; Horst, MDR 2011, 1022/1024; Staudinger/Emmerich (2011), § 536 Rn. 28. 8 Vgl. etwa die Darstellung des Streitstandes im Jahr 1987 in der Entscheidung BayObLG NJW 1987, 1950. 9 Vgl. etwa OLG Frankfurt ZMR 1964, 271; LG Bonn WuM 1986, 115. 10 Blank, WuM 2012, 175 (176). 11 Etwa KG NZM 2003, 718; OLG München WuM 1993, 607; LG Berlin GE 2011, 1685; LG Gießen ZMR 2011, 384; LG Leipzig GE 2005, 993 Börstingaus, jurisPR-MietR 22/2009 Anm. 2; Erman/Lützenkirchen (Fn. 5), § 536 Rn. 26. 7 2 bzw. 10 Jahre nach Vertragsschluss erfolgten.12 In der Literatur wird teilweise einschränkend gefordert, für einen Ausschluss der Minderung müsse bei Vertragsschluss mit hinreichender Sicherheit feststehen, dass und welche Baumaßnahmen in absehbarer Zeit ausgeführt werden.13 Andere Stimmen stützen den Minderungsausschluss nicht auf eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung, sondern auf § 536b BGB, wobei auch hier nach überwiegender Ansicht die Vorhersehbarkeit des Baulärms ausreichen soll.14 Dass beide Argumente – konkludente Beschaffenheitsvereinbarung und § 536b BGB – damit letztlich austauschbar sind zeigt sich daran, dass teilweise Minderungsklagen mit beiden Argumenten abgewiesen werden.15 In der Literatur findet sich aber auch die Auffassung, dass die Minderung an § 536b BGB nur dann scheitere, wenn dem Mieter der Mangel und die Auswirkungen auf den Mietgebrauch konkret bekannt seien. Dafür sei erforderlich, dass die zu den Emissionen führenden Umstände bereits bei Vertragsschluss vorhanden sind, also der Mieter etwa in ein im Entstehen befindliches Neubaugebiet einzieht.16 Der BGH hat es jüngst abgelehnt, zu der Problematik näher Stellung zu nehmen: Die Frage, ob die Parteien eines Mietvertrages das Risiko einer zukünftigen Bautätigkeit erkannt und dieses beim Abschluss des Vertrags zur Bestimmung des Soll-Zustands in ihren Willen aufgenommen haben, entzieht sich nach seiner Ansicht einer grundsätzlichen Betrachtung. Sie sei vielmehr vom Tatrichter unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles zu prüfen und zu entscheiden.17 2. Sonstige Lärmquellen Das nach der h. M. beim Baulärm streitentscheidende Kriterium – abstrakte Erkennbarkeit der (zukünftigen) Belästigung – findet sich bei der rechtlichen Bewertung übriger Lärmquellen nicht. Dies verwundert kaum, weil die Ursachen von Lärm zu vielfältig sind, als dass sich hier ein einheitliches Bewertungskriterium entwickeln ließe. Geht es etwa um Fragen des Schallschutzes, so ist eine Minderung nach h. M. ausgeschlossen, wenn die bauliche 12 LG LG Gießen ZMR 2011, 384; vgl. ergänzend die Darstellung der Rechtsprechung bei Blank, WuM 2012, 175. 13 Etwa Flatow, PiG 92 (2012), S. 63 (72); Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 10. Aufl. (2011), § 536 Rn. 121; zurückhaltender auch Staudinger/Emmerich (2011), § 536 Rn. 29; ähnlich im Ergebnis LG Mannheim und LG Wiesbaden, beide WuM 2000, 185. 14 LG Bonn WuM 1986, 115; AG Pankow-Weißensee GE 2009, 851; Bieber, AnwZert MietR 6/2009, Anm. 2 (juris); Staudinger/Emmerich (2011), § 536 Rn. 29. 15 OLG München WuM 1993, 607. 16 Blank, WuM 2012, 175. 17 BGH WuM 2012, 271. Beim BGH noch anhängig ist das in der Berufung vom LG Berlin GE 2011, 1685 entschiedene Verfahren (AZ. des BGH VIII ZR 308/11). 3 Beschaffenheit den maßgeblichen technischen Normen zum Zeitpunkt der Errichtung entspricht18 oder der Lärm sich im Rahmen der immissionenschutzrechtlichen Grenzen hält.19 Gleiches gilt für „sozialadäquaten“ Lärm, der etwa von Kindern in einem Wohnhaus20 oder anderen Mietern21 ausgeht. Bei der Beurteilung von Lärm aus Gaststätten findet sich hingegen in einigen Entscheidungen das zum Baulärm entwickelte Bewertungskriterium der „Vorhersehbarkeit“, allerdings in milderer Form. So soll eine Minderung nicht daran scheitern, dass eine Wohnung in einer Kneipengegend angemietet wird, wenn im Haus später eine Gaststätte eröffnet wird.22 Vorhersehbarkeit von Emissionen aus Gaststätten wird hingegen überwiegend bejaht, wenn der Gastronomiebetrieb bereits bei Vertragsschluss existierte.23 Auch bei der Zunahme von Straßenlärm wird das Beurteilungskriterium der „Vorhersehbarkeit“ fruchtbar gemacht, um Minderungsklagen abzuweisen.24 II. Stellungnahme Im Rahmen der rechtlichen Würdigung überzeugt es, nach den von Blank25 herausgearbeiteten Fallgruppen zu unterscheiden. Die erste Gruppe betrifft die Anmietung von Räumen in einem von Emissionen abstrakt gefährdeten Umfeld, etwa neben einer Baulücke oder in einer Restaurantgegend. Fall 1: M mietet eine Wohnung neben einer Baulücke. In die zweite Kategorie fallen Räume, bei denen konkret mit Emissionen gerechnet werden muss, etwa weil die Bebauung des Nachbargrundstücks unmittelbar bevor steht. Fall 2: M mietet eine Wohnung neben einer Baulücke, das Baustellenschild kündigt den Beginn der Arbeiten bereits an. Die dritte Gruppe betrifft die Anmietung von bereits von Emissionen betroffenen Räumen. Fall 3: M mietet eine Wohnung neben einer bestehenden Baustelle oder neben einer Schule oder an einer stark befahrenen Straße. 1. Minderungsausschluss wegen konkludenter Beschaffenheitsvereinbarung? 18 BGH NJW 2005, 218. BGH NJW 2010, 1133, zur TA-Lärm. 20 AG Hamburg-Bergedorf ZMR 2009, 292; Staudinger/Emmerich (2011), § 536 Rn. 28. § 22 Abs. 1a BImSchG umfasst diesen Fall seinem Wortlaut nach nicht. 21 Vgl. BGH NJW 2012, 1647; Flatow, PiG 92 (2012), S. 63 (65). 22 LG Berlin v. 2.2.2006 - 67 S 235/04 (juris); LG Berlin v. 5.8.2002 - 67 S 342/01 (juris). 23 AG Spandau GE 2009, 54; ähnlich AG Köpenick GE 2006, 855; LG Wiesbaden WuM 1994, 430. A.A. AG Bonn WuM 1990, 497. 24 LG Lüneburg WuM 1991, 683; AG Neukölln v. 9.6.2007 - 19 C 105/07 (juris); AG Pankow-Weißensee GE 2001, 348; Fritz, FS Blank (2006) , S. 153 (157). 25 WuM 2012, 271. 19 4 Ob die gemieteten Räume mangelhaft sind, bestimmt sich vorrangig danach, ob ihr Zustand sich nachteilig von dem entfernt, was die Parteien bei Vertragsschluss vereinbart haben (subjektiver Mängelbegriff).26 Dabei können die Parteien eine Vereinbarung zum SollZustand der Räume grundsätzlich auch konkludent abschließen.27 Hierfür ist aber erforderlich, dass eine der Vertragsparteien der anderen ihre Vorstellung über bestimmte Anforderungen an die Mietsache zur Kenntnis bringt und der Vertragspartner dem zustimmt. Einseitig gebliebene Vorstellung einer Partei genügen selbst dann nicht, wenn sie der anderen Partei bekannt sind; diese muss vielmehr in irgendeiner Form zustimmend reagieren.28 Ob der Mieter sich konkludent damit einverstanden erklärt, die Mieträume müssten nicht „lärmfrei“ sein, ist nach allgemeinen Grundsätzen zu ermitteln. Entscheidend ist, ob ein nicht von eigenem Vorteilsstreben geleiteter, durchschnittlicher Vermieter dem Handeln des Mieters diesen Erklärungsinhalt beilegen darf (§§ 133, 157 BGB).29 Der bloße Umstand, dass die Mieträume in einer Umgebung liegen, in der mit Bautätigkeiten – sei es abstrakt (Fall 1) oder konkret (Fall 2) - zu rechnen ist, kann ein derartiges Verständnis nicht rechtfertigen. Denn der Miete ist es als Dauerschuldverhältnis immanent, dass sich der Zustand der Mietsache oder ihrer Umgebung während der Mietzeit ändert. Es kann daher für den Ausschluss der Minderung nicht ausreichen, dass für den Mieter eine derartige Änderung vorhersehbar ist. Denn dann müsste man konsequenterweise die Minderung auch wegen anderer Umstände verneinen, mit deren Eintritt der Mieter bei Vertragsschluss zu rechnen hat. Eine solche Betrachtung hat der BGH indes zutreffend abgelehnt.30 Dies zeigt, dass der Vermieter allein aus dem Abschluss des Mietvertrags nicht schlussfolgern darf, der Mieter wolle das Risiko zukünftigen Baulärms kompensationslos übernehmen. Wer einen derartigen Willen des Mieters behauptet, bewegt sich auf der Ebene der Fiktion. Dies wird auch aus den entsprechenden Gerichtsentscheidungen deutlich: Nach der Rechtsprechung soll eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung zustande kommen, wenn „die Störung nach den bei Vertragsschluss ersichtlichen Umständen als vertraglich vorausgesetzt gelten kann“ .31 Eine derartige Begründung lässt die Feststellung des konkreten 26 BGH NJW 2000, 1714; Blank, in: Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl. (2008), § 536 Rn. 4. MüKo/Häublein, BGB, 6. Aufl. (2012), § 536 Rn. 4; Staudinger/Emmerich (2011), § 536 Rn. 5. 28 BGH NJW 2010, 1133. 29 Vgl. etwa BGH NJW 1981, 2296; MüKo/Busche, BGB, 6. Aufl. (2012), § 133 Rn. 12. 30 BGH ZMR 2010, 517. Danach kann der Mieter auch dann den Austausch eines verschlissenen Bodenbelags verlangen, wenn dieser bei Anmietung bereits gebraucht war. Zur Begründung führt der BGH aus: „Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist ein Mangel nicht deshalb zu verneinen, weil es sich bei dem Verschleiß um "normale Abnutzung" handele, die in der Natur der Sache liege und zu den stillschweigend bei Vertragsschluss vereinbarten Umständen gehöre.“ 31 OLG München WuM 1993, 607; ähnlich KG NZM 2003, 718. 27 5 Parteiwillens vermissen und überzeugt daher nicht. Für dieses Ergebnis spricht im Übrigen auch der systematische Vergleich zu § 536b S. 1 BGB. Danach ist gesetzliche Rechtsfolge der Kenntnis eines Mangels der Ausschluss von Minderung und den Rechten aus § 536a BGB, nicht hingegen des Erfüllungsanspruchs.32 Diese gesetzgeberische Wertung umgeht, wer aus der bloßen Existenz einer (mutmaßlichen) Störungsquelle eine Beschaffenheitsvereinbarung ableitet, die auch einen Mängelbeseitigungsanspruch des Mieters ausschließt.33 Insofern macht es keinen Unterschied, ob die Emissionen nur abstrakt (Fall 1) oder bereits konkret (Fall 2) drohen. In beiden Fällen kann der bloßen Anmietung der Räume in Kenntnis der „Gefährdungslage“ nicht der Wille des Mieters entnommen werden, er akzeptiere zukünftige Emissionen als vertragsgemäß.34 Nichts anderes gilt, wenn die Emissionen bereits bei der Anmietung vorhanden sind (Fall 3). Denn auch hier folgt aus § 536b S. 1 BGB, dass der bloße Vertragsabschluss in Kenntnis der Emissionen nicht zu einer sämtliche Mängelrechte ausschließenden Beschaffenheitsvereinbarung führen kann.35 Vielmehr ist bei diesem Sachverhalt nach § 536b S. 1 BGB nur die Minderung und der Schadensersatzanspruch aus § 536a BGB ausgeschlossen. Die Anmietung von Emissionen ausgesetzten Räumen bedeutet daher alleine nicht, dass der Mieter diesen Zustand als vertragsgemäß akzeptiert; es müssen weitere Umstände vorliegen, die auf eine entsprechende Willenserklärung des Mieters schließen lassen, wie z. B. eine im örtlichen Vergleich geringe Miete. Fehlt es danach an einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung, schuldet der Vermieter ein für die konkrete Mietsache allgemein üblichen Zustand.36 Der BGH nennt als Kriterien hierfür „insbesondere das Alter, die Ausstattung und die Art des Gebäudes, aber auch die Höhe der Miete und eine eventuelle Ortssitte“.37 Zu den insoweit maßgeblichen Kriterien gehört auch die Lage des Grundstücks, die letztlich zur „Art“ des Gebäudes zu zählen ist.38 Denn es liegt auf der Hand, dass die Wohnqualität nicht nur durch die bauliche Beschaffenheit des Gebäudes, sondern auch von dessen Lage in der Umwelt beeinflusst wird. So darf etwa der Mieter eines alleinstehenden Einfamilienhauses am Waldrand weniger Lärmbelästigungen erwarten als der Mieter einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus an einer stark befahrenen Straße in einer Großstadt. Die für die Lage der konkreten Räume 32 BGH ZMR 2007, 605; Staudinger/Emmerich (2011), § 536b Rn. 3. Vgl. MüKo/Häublein (Fn. 27), § 536b Rn. 2. 34 Ebenso Blank, WuM 2012, 175, 177. 35 MüKo/Häublein (Fn. 27), § 536b Rn. 2; anders wohl Staudinger/Emmerich (2011), § 536b Rn. 4. 36 Kandelhard, in: Herrlein/Kandelhard, Mietrecht, 4. Aufl. (2010), § 536 Rn. 5; MüKo/Häublein (Fn. 27), § 536 Rn. 4; Staudinger/Emmerich (2011), § 536 Rn. 5. 37 BGH NJW 2010, 1133; NJW 2004, 3174. 38 Vgl. Blank, WuM 2012, 175 (177). 33 6 üblichen Emissionen sind daher vom Mieter hinzunehmen. Dies gilt aber nur für solche Lärmbelästigungen, welche für die Lage des vermieteten Gebäudes typisch sind. Erfasst sind daher nur „Daueremissionen“, etwa Straßenlärm oder Geräusche von in der Nachbarschaft befindlichen Gewerbebetrieben. Etwas anderes gilt für nur vorübergehenden Baulärm. Denn solche bloß temporären Emissionen sind als vorübergehende Phänomene nicht geeignet, die geschuldete Soll-Beschaffenheit der vermieteten Räume, die ja für den gesamten Vertragszeitraum feststehen muss, dauerhaft zu prägen. Probleme bereiten Konstellationen, in denen die Daueremissionen erst nach Vertragsschluss auftreten. Gemeint sind einerseits Fälle, in denen die Lärmquelle bei Vertragsschluss bereits existiert, aber nur geringe Emissionen verursacht, die sich später deutlich verstärken (Beispiel 1: Anmietung einer Wohnung an einer kaum genutzten Straße, die später zu einer stark befahrenen Schnellstraße ausgebaut wird). Daneben geht es um Sachverhalte, in denen die Lärmquelle erst nach Vertragsschluss entsteht (Beispiel 2: Neubau einer Schnellstraße neben der Wohnung). Hier fragt sich, ob die Mietwohnung gleichsam „in die Mangelhaftigkeit hineinwächst“. Dagegen spricht auf den ersten Blick, dass auch nach Vertragsschluss entstehende Daueremissionen die Lage der Wohnung prägen. Allerdings – und dies ist ausschlaggebend – bemisst sich bei fehlender Parteivereinbarung der geschuldete SollZustand nach den berechtigten Erwartungen der Parteien beim Vertragsschluss.39 Dies folgt daraus, dass die Parteien zu diesem Zeitpunkt ihre Entscheidung zum Abschluss des Vertrags treffen. Entscheidend ist daher, welchen Zustand der Mieter bei Vertragsschluss nach der allgemeinen Verkehrsanschauung in Bezug auf die Mietsache erwarten darf. 40 Eine Lärmquelle, die nach Vertragsschluss vollständig neu entsteht (obiges Beispiel 2), entspricht daher nicht der Soll-Beschaffenheit. Anders kann dies bei nach Vertragsschluss zunehmendem Lärm aus einer vorhandenen Lärmquelle sein (obiges Beispiel 1). Hier ist es eine Frage des Einzelfalls, ob sich die Zunahme der Emissionen noch im Rahmen dessen hält, womit nach der Verkehrsanschauung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gerechnet werden musste. Dies wird bei Verkehrslärm regelmäßig zu bejahen sein, wenn die Lärmbelästigung auf der allgemeinen Zunahme von Verkehr beruht, nicht hingegen, wenn durch Ausbauarbeiten der Charakter der Straße grundlegend verändert wird.41 39 Vgl. BGH NJW 2004, 3174. Vgl. BGH NJW 2004, 3174. 41 Ähnlich i. E. LG Lüneburg WuM 1991, 683; AG Neukölln v. 9.6.2007 - 19 C 105/07 (juris); Fritz, FS Blank (2006) , S. 153 (157). 40 7 2. Minderungsausschluss nach § 536b BGB? Fehlt es an einer die Emissionen einschließenden Beschaffenheitsvereinbarung, stellt sich die Frage, ob die Minderung nicht an § 536b BGB scheitert. Diese Norm schließt die Minderung aus, wenn der Mieter den Mangel bei Vertragsschluss oder Annahme der Mietsache (hier muss noch ein fehlender Vorbehalt hinzukommen) kannte oder – bei fehlender Arglist des Vermieters – bei Vertragsschluss hätte kennen müssen. Die Vorschrift setzt einen Mangel voraus, was in den Konstellationen der abstrakt oder konkret drohenden Emissionen (Fall 1 und Fall 2) problematisch ist. Denn hier wird der Mietgebrauch nicht durch Lärm beeinträchtigt, weshalb die Mietsache (noch) nicht mangelhaft ist.42 In der Literatur wird daher in diesen Konstellationen ein Ausschluss der Minderung nach § 536b BGB verneint.43 Dem ist zuzustimmen. Es überzeugt nämlich nicht, hier § 536b BGB unter Hinweis auf die Existenz eines „latenten“ Mangels bzw. wegen des Bestehens eines Mangelverdachts anzuwenden. Dagegen spricht zum einen, dass die einschneidende Rechtsfolge des § 536b BGB nur gerechtfertigt ist, wenn dem Mieter die negativen Auswirkungen auf den Mietgebrauch bekannt sind oder bekannt sein müssen.44 Dafür reicht ein Mangelverdacht nicht aus. § 536b BGB ist deshalb auch dann unanwendbar, wenn der Vermieter im Mietvertrag auf bevorstehende Baumaßnahmen hinweist.45 Hier kann der Ausschluss der Minderung sich nur aus einer entsprechenden Beschaffenheitsvereinbarung ergeben (dazu unten C II). Ist die Mietsache hingegen schon bei Vertragsschluss oder bei der Übergabe Emissionsbelastungen ausgesetzt, kommt eine Anwendung von § 536b BGB in Betracht.46 Praktische Bedeutung hat die Norm insbesondere bei Emissionen, die keinen Dauercharakter haben und daher nicht die Lage des Grundstücks prägen, weil eine Minderung dann bereits an der fehlenden Abweichung von der Soll-Beschaffenheit scheitert (oben B II 1).47 § 536b BGB steht daher etwa einer Minderung entgegen, wenn bei Vertragsschluss oder Annahme der Mietsache neben den vermieteten Räumen eine Baustelle betrieben wird. 42 Vgl. Flatow, PiG 92 (2012), S. 63 (72). Blank, WuM 2012, 175 (177). 44 Vgl. BGH NJW 1996, 46; MüKo/Häublein (Fn. 27), § 536b Rn. 4; Schmidt-Futterer/Eisenschmid (Fn. 13), § 536b Rn. 7. 45 Anders ohne Problematisierung LG Berlin GE 2012, 489. 46 Ebenso Blank, WuM 2012, 175 (177); Flatow, PiG 92 (2012), S. 63 (72); Staudinger/Emmerich (2011), § 536b Rn. 8. 47 Anders im Ergebnis etwa LG Frankfurt ZMR 2010, 362; Staudinger/Emmerich (2011), § 536b Rn. 8, die auch diese Fälle über § 536b BGB lösen. 43 8 II. Zwischenergebnis Die Anmietung von Räumen in einem emissionsbelasteten Umfeld führt regelmäßig nicht zu einer konkludenten Vereinbarung eines entsprechenden Soll-Zustandes. Sind die Räume wegen ihrer Lage allerdings bei Vertragsschluss erkennbar die Mietsache prägenden Daueremissionen ausgesetzt, ist dieser Zustand vom Mieter hinzunehmen, weil er der üblichen Beschaffenheit der Räume entspricht. Temporäre Emissionen – etwa Baulärm – führen hingegen nur über § 536b BGB zum Ausschluss der Minderung, wobei hier erforderlich ist, dass die Emissionen bei Vertragsschluss oder Abnahme bereits vorhanden sind. C. Ausdrückliche Vereinbarungen zur Minderung Insbesondere aus Sicht des Kautelarjuristen stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Minderung wegen Emissionen aus der Nachbarschaft vertraglich ausgeschlossen werden kann. Denkbar sind entweder ein Minderungsausschluss oder eine Regelung zur Beschaffenheit der Mietsache. I. Ausschluss oder Beschränkung der Minderung Bei der Vereinbarung eines Minderungsausschlusses ist zwischen der Vermietung von Wohnund Geschäftsräumen zu unterscheiden. 1. Wohnraummiete § 536 Abs. 4 BGB verbietet in der Wohnraummiete die Modifizierung der Minderung zu Lasten des Mieters. Der Anwendungsbereich der Norm ist umstritten; teilweise wird er auf den ursprünglichen Mietvertrag beschränkt.48 Richtigerweise erfasst § 536 Abs. 4 BGB jede abweichende Vereinbarung und steht damit grundsätzlich auch einer Modifizierung der Minderung bei Emissionen entgegen. Ausnahmen gelten, falls dem Mieter – was kaum praxisrelevant ist – eine angemessene Kompensation gewährt wird.49 2. Geschäftsraummiete In der Geschäftsraummiete kommt ein Ausschluss der Minderung wegen Emissionen hingegen in Betracht, weil § 536 Abs. 4 BGB hier unanwendbar ist. Erfolgt der Ausschluss 48 49 Blank, WuM 2012, 175 (177); Lützenkirchen/Dickersbach, ZMR 2006, 821. Lehmann-Richter, WuM 2010, 1; ähnlich BGH NZM 2011, 624 ; Schmid, NZM 2012, 193. 9 individualvertraglich, bestehen gegen die Wirksamkeit keine Bedenken; die allgemeinen Grenzen der Vertragsfreiheit (§ 138 BGB) dürften kaum einmal verletzt sein. Ausnahmen sind denkbar, wenn sich über einen langen Zeitraum erstreckende Emissionen den vertragsgemäßen Gebrauch faktisch unmöglich machen.50 Dies kann etwa der Fall sein, wenn ein vermietetes Tonstudio wegen Baulärms unbenutzbar ist. Erfolgt der Minderungsausschluss in AGB des Vermieters, ist § 307 BGB zu beachten. In der Praxis sind unterschiedliche Klauseln verbreitet, etwa die Folgenden: „Eine Minderung der Miete ist ausgeschlossen, wenn durch Baulärm aus der Nachbarschaft die Nutzung der Räume beeinträchtigt wird." (Klausel 1) „Eine Minderung der Miete wegen Baulärms aus der Nachbarschaft ist ausgeschlossen, soweit die Beeinträchtigung wegen Baulärms den Zeitraum von 10 Tagen nicht überschreitet.“ (Klausel 2) „Eine Minderung der Miete wegen Baulärms aus der Nachbarschaft ist ausgeschlossen, soweit die Beeinträchtigung wegen Baulärms eine Minderungsquote von 10% nicht überschreitet.“ (Klausel 3) Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein vollständiger Ausschluss der Minderung wegen Verletzung des Äquivalenzprinzips zwischen Leistung und Gegenleistung nach § 307 BGB unwirksam.51 Klausel 1 hält aus diesem Grund einer Inhaltskontrolle nicht stand.52 Noch nicht ausdrücklich höchstrichterlich entschieden ist hingegen, ob die Minderung teilweise beschränkt werden kann, sei es zeitlich (Klausel 2) oder durch Modifizierung der Erheblichkeitsgrenze (Klausel 3). In der Literatur wird eine Regel wie in Klausel 3 teilweise für zulässig gehalten.53 Die bereits zitierte Entscheidung des BGH spricht allerdings gegen die Wirksamkeit auch der Klauseln 2 und 3, weil der BGH dort ausführt, dass „der endgültige Ausschluss der Minderung, der dem Geschäftsraummieter bei Vorliegen eines den vertragsgemäßen Gebrauch einschränkenden Mangels auch den Rückzahlungsanspruch verwehrt, den Mieter unangemessen (benachteiligt).“54 Um einen (insoweit) endgültigen Ausschluss der Minderung handelt es sich aber auch, wenn dieses Recht zeitweise oder 50 Vgl. Staudinger/Emmerich (2011), § 536 Rn. 72. BGH NJW 2008, 2497; aus der Literatur etwa MüKo/Häublein (Fn. 27), § 536 Rn. 34; Staudinger/Emmerich (2011), § 536 Rn. 73; a. A. etwa Fritz, Gewerberaummietrecht, 4. Aufl. (2005), Rn. 171b. 52 Zur Wirksamkeit sog. „Abkoppelungsklauseln“, welche den Mieter zunächst zur vollen Mietzahlung verpflichten und ihn auf den Regressprozess verweisen BGH NJW 2008, 2497; MüKo/Häublein (Fn. 27), § 536 Rn. 34. 53 Bieber, NZM 2006, 683 (688). 54 BGH NJW 2008, 2497. 51 10 betragsmäßig beschränkt wird. Klauseln 2 und 3 sind daher ebenfalls wegen Verstoßes gegen das Äquivalenzprinzips unwirksam. II. Beschaffenheitsvereinbarung Als Zwischenergebnis ist damit festzuhalten, dass die Minderung wegen Emissionen in der Wohnraumiete überhaupt nicht und in der Geschäftsraummiete nicht in Vermieter-AGB ausgeschlossen werden kann. Dies wirft die Frage auf, ob dieses Ergebnis durch eine ausdrückliche entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung erreicht werden kann (zur konkludenten Vereinbarung siehe B II 1). 1. Individualvereinbarung Nach allgemeiner Ansicht können die Parteien einen unter dem allgemeinen Mindeststandard vergleichbarer Räume liegenden Zustand als vertragsgemäß vereinbaren.55 Darin liegt in der Wohnraummiete nicht etwa eine unzulässige Umgehung von § 536 Abs. 4 BGB, weil diese Norm einen Mangel voraussetzt, dessen Definition aber gerade der Privatautonomie der Parteien unterliegt. Erfolgt die Vereinbarung eines „emissionsbelasteten“ Zustands der Mieträume individualvertraglich, bestehen gegen die Wirksamkeit keine grundsätzlichen Bedenken. Hier gelten nur die allgemeinen Grenzen der Vertragsfreiheit (zu deren Grenzen oben C I sub specie Minderungsausschluss). Ob die Beschaffenheitsvereinbarung sich auf die später gerügte Lärmbelästigung bezieht, ist durch Auslegung zu ermitteln. So soll etwa der Hinweis im Wohnungsmietvertrag, dass von einer Gaststätte im Haus „gewisse Lärm- und Geruchsbelästigungen“ ausgehen, örtlich unüblichen Lärm nicht erfassen.56 Enthält der Mietvertrag allerdings einen konkreten Hinweis darauf, dass in der Nachbarschaft Baumaßnahmen bevorstehen, ist die Minderung wegen einer entsprechenden Beschaffenheitsvereinbarung ausgeschlossen.57 II. Vermieter-AGB Problematisch ist, welche inhaltlichen Grenzen für AGB des Vermieters bestehen, die Emissionen als vertragsgemäß erklären. Dies berührt eine Frage, die noch nicht im Detail geklärt ist: Inwieweit kann ein unter dem objektiven Mindeststandard von Räumen liegender Zustand AGB-rechtlich vereinbart werden? Der BGH hat zu dieser Problematik noch nicht ausdrücklich Stellung genommen; er scheint aber auf dem Standpunkt zu stehen, dass auch in 55 Etwa BGH NJW 2004, 3174; PWW/Elzer, 7. Aufl. (2012), § 535 Rn. 100. AG Köln WuM 1990, 291. 57 I. E. zutreffend OLG Düsseldorf MDR 2012, 637; LG Berlin GE 2012, 489. 56 11 AGB ein „Substandard“ der Mietsache vereinbart werden kann.58 Dieser Ansatz überzeugt, weil nicht jede vom üblichen Zustand vergleichbarer Räume abweichende Vereinbarung zwingend zu einer unangemessenen Benachteiligung des Mieters im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB führt. Deshalb kommt in Betracht, in Vermieter-AGB den Zustand der Mieträume „nach unten“ zu beschränken. 1. Zustandekommen einer Beschaffenheitsvereinbarung Das Zustandekommen einer Beschaffenheitsvereinbarung richtet sich im nichtunternehmerischen Verkehr (vgl. § 310 Abs. 1 BGB) nach § 305 BGB, daneben ist – auch bei Vermietung an Unternehmer – § 305c Abs. 2 BGB zu beachten. Grundsätzlich keine Probleme bereiten insofern Klauseln, welche ihrem Wortlaut nach sich ausdrücklich auf die Beschaffenheit der Mietsache beziehen (etwa: „Der Mieter akzeptiert die bevorstehende Bebauung des Nachbargrundstücks als vertragsgemäß.”). Anders ist dies bei den in der Praxis verbreiteten Klauseln, welche die (bevorstehenden) Emissionen nach ihrer Formulierung dem Mieter nur zur Kenntnis bringen (etwa: “Dem Mieter ist bekannt, dass das Nachbargrundstück bebaut werden wird.”). Hier fragt sich, ob die Unklarheitenregel aus § 305c Abs. 2 BGB nicht zu dem Ergebnis zwingt, das solche Klauseln nur die Rechtsfolgen des § 536b BGB auslösen sollen, nicht hingegen die Beschaffenheitsvereinbarung betreffen. Für das hiesige Thema (Minderung bei Emissionen) ist die Frage nicht entscheidungserheblich, da in beiden Fällen die Minderung ausgeschlossen ist. Die besseren Gründe sprechen aber für eine Beschaffenheitsvereinbarung: § 305c Abs. 2 BGB ist nämlich nur anwendbar, wenn nach Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Auslegungsmethoden Zweifel an der Bedeutung der Klausel verbleiben.59 Bei der Auslegung von AGB ist der Sinn maßgeblich, der sich einem durchschnittlichen, rechtlich nicht vorgebildeten Mieter aus dem objektiven Inhalt der Formularregelung erschließt.60 Ein durchschnittlicher Mieter wird aber auch die „Kenntnisklausel“ so verstehen müssen, dass er sich mit dem dort erwähnten Zustand einverstanden erklärt und daher eine Beschaffenheitsvereinbarung geschlossen hat. 2. Wirksamkeitsschranken 58 BGH NZM 2010, 356. Etwa BGH NJW 2008, 2495; NJW-RR 2003, 1247; Bamberger/Roth/Schmidt, 3. Aufl. (2012), § 305c Rn. 54. 60 BGH NZM 2005, 860; BGH NJW 1990, 1177. 59 12 Die Grenzen von Klauseln zur Beschaffenheit werden zum einen durch das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB gezogen.61 Beschränkt sich eine Klausel allgemein darauf, etwa Emissionen „geringeren Umfangs“ für vertragsgemäß zu erklären, so scheitert diese Regel am Transparenzgebot. Denn das Transparenzgebot verpflichtet den Vermieter, die Pflichten des Mieters möglichst klar und durchschaubar darzustellen.62 Allgemein gehaltenen Formulierungen, wonach z. B. „nicht wesentliche“ oder „kleinere“ Lärmstörungen vertragsgemäß sind, kann der Mieter aber nicht mit der gebotenen Sicherheit entnehmen, welche Geräusche er kompensationslos zu dulden hat. Dem Transparenzgebot stand hält daher nur eine Klausel, welche auf Emissionen aus einer konkreten Lärmquelle Bezug nimmt. Sind die Anforderungen des Transparenzgebots beachtet, muss die Klausel noch der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB standhalten. Im Rahmen dieser Inhaltskontrolle sind die Interessen der Vertragsparteien gegeneinander abzuwägen. 63 Das Interesse des Vermieters liegt darin, eine Gewährleistung wegen Emissionen zu verhindern; der Mieter wird hingegen in die Waagschale werfen, durch Vereinbarung eines „Substandards“ dürfe er nicht rechtlos gestellt werden. Das Interesse des Vermieters, eine Auseinandersetzung über die Beeinträchtigung des Mietgebrauchs durch Lärm – die auch für den Mieter reflexartig streitvermeidend wirkt – zu vermeiden, muss jedenfalls dort zurücktreten, wo der Kernbereich des Mietgebrauchs berührt ist, § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB.64 Legt man diesen Bewertungsmaßstab an, so kann eine Beeinträchtigung durch Lärm in Vermieter-AGB nicht als vertragsgemäß vereinbart werden, die den Mietgebrauch empfindlich stört. Die Grenzen müssen vom Rechtsanwender anhand des jeweiligen Einzelfalls bestimmt werden. Klauseln über die Beschaffenheit sind deshalb grundsätzlich unwirksam, wenn sie dem Mieter in unzumutbarer Art und Weise auferlegen, Lärm kompensationslos hinzunehmen, etwa indem die Lage neben einer Großbaustelle zur Beschaffenheit der Mietsache erklärt wird. D. Ergebnisse 61 Zur Transparenzkontrolle als eigenständige Kategorie neben der Inhaltskontrolle siehe Fuchs in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 11. Aufl. (2011), § 307 Rn. 10. 62 BGH NJW 2010, 671; NJW-RR 2005, 1496; Palandt/Grüneberg (Fn. 5), § 307 Rn. 18. 63 BGH NJW 2001, 3406; Erman/Roloff (Fn. 5), § 307 Rn. 9; Fuchs in: Ulmer/Brandner/Hensen (Fn. 58), § 307 Rn. 102. 64 Zur „Kanalisierungsfunktion“ dieser Norm Fuchs in: Ulmer/Brandner/Hensen (Fn. 58), § 307 Rn. 195. 13 1. Fehlen konkrete Vereinbarungen zu den Folgen von temporären Emissionen (etwa Baulärm), so schließt § 536b BGB die Minderung nur aus, wenn bei Vertragsschluss oder Abnahme die Lärmquelle bereits existierte. 2. Dauerhafte Emissionen (z. B. Straßenlärm), welche den Zustand der Mietsache prägen, führen auch ohne konkrete Parteivereinbarung nicht zu einer Mietminderung, weil sie der allgemein üblichen Soll-Beschaffenheit der Mietsache entsprechen. 3. In der Wohnraummiete scheitert eine Modifikation der Minderung wegen Emissionen an § 536 Abs. 4 BGB, in der Geschäftsraummiete in AGB des Vermieters an § 307 BGB. 4. Eine die Emissionsbelastung einschließende Beschaffenheitsvereinbarung ist grundsätzlich möglich. Sie muss in Vermieter-AGB allerdings § 307 BGB beachten, der bei intransparenten Klauseln sowie dann verletzt ist, wenn der Mietgebrauch durch die Emissionen erheblich beeinträchtigt wird. 14