Bundesfachkonferenz Popularmusikförderung
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Bundesfachkonferenz Popularmusikförderung
PLAN!POP09 Förderangebote in Deutschland Bundesfachkonferenz Popularmusikförderung WORKSHOPS Dokumentation 1 Herausgeber: Initiative Musik gGmbH Linienstr. 130 10115 Berlin Berlin, Oktober 2009 Bundesfachkonferenz Popularmusikförderung Dokumentation Vorwort PLAN!POP09 Vorwort Prof. Dieter Gorny Die Bundesfachkonferenz zur Popularmusikförderung „PLAN!POP09“ wurde von der Initiative Musik mit einem klaren Ziel ins Leben gerufen: Es geht um den Aufbau eines Bund-Länder-Netzwerkes, das den Erfahrungsaustausch zwischen Politik und Verwaltung deutlich intensiviert. Die Konferenz soll aber auch Kultur und Wirtschaft motivieren, näher aneinander zu rücken, um Aktivitäten gemeinsam zu planen und aufeinander abzustimmen. Wir wollen sowohl Rock- und Popmusik als auch Jazz positionieren, damit diese Musikgenres im Rahmen der kulturwirtschaftlichen Diskussion ihren festen Platz finden. Wir wagen, vorsichtig die Mittelverteilung im Bereich „Kultur“ in Frage zu stellen, um neue, effektivere Fördermöglichkeiten finden zu können. Nicht zuletzt wollen wir die Initiative Musik als eine neue Bundeseinrichtung von Politik und Wirtschaft vorstellen und uns als Gesprächs- und Projektpartner anbieten. An dieser Stelle möchte ich ganz besonders all denen danken, die zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen haben. Unser Dank gilt Jan Plewka für seine offenen Worte – wie von Dir gefordert, setzen wir uns für die Wertschätzung der Rock- und Popkünstler ein. Dank auch an Mecklenburg-Vorpommern für die Kofinanzierung und Unterstützung vor Ort – sogar die Ostsee hat sich von ihrer besten Wetterseite gezeigt. Herzlichen Dank an die vier Länderkoordinatoren Paul Woog, Dana Bauers, Bernd Schweinar und Andrea Rothaug für die Vorbereitung sowie an Katja Hermes von der Initiative Musik für die Gesamtkoordination der Konferenz. Um eine Wissensgrundlage für die weitere Arbeit zu schaffen, aber auch um das Engagement aller Beteiligten zu würdigen, hat die Initiative Musik die Ergebnisse der Konferenz in dieser Dokumentation zusammengefasst. „PLAN!POP09“ war ein erster Schritt, wie es nun weitergeht, erfahren Sie am Ende der Dokumentation in einem abschließenden Fazit. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen! Herzlichst, Ihr Prof. Dieter Gorny Aufsichtsratsvorsitzender der Initiative Musik gGmbH PLAN!POP09 Grußwort Grußwort Henry Tesch Mit großer Freude haben wir die Auftaktkonferenz der Initiative Musik in Mecklenburg-Vorpommern Plan!Pop zur Förderung der deutschen Popularmusik unterstützt. Popularmusik ist auch in Mecklenburg-Vorpommern wie in ganz Deutschland ein bedeutender kultureller und wirtschaftlicher Faktor mit Zukunftspotential. Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeit im Land ist es, die Basis der Kreativen in der Popularmusik und den damit verbundenen Kreativwirtschaftszweigen zu stärken, zu qualifizieren und durch Schaffung geeigneter struktureller Rahmenbedingungen in ihrer Entwicklung zu unterstützen. Eine stabile landesweite Vernetzung ist dabei genauso wichtig wie die Vernetzung mit bundesweiten Standorten. Die Konferenz Plan!Pop ist eine gute Möglichkeit und Chance, das Thema Popularmusik in allen seinen verschiedenen Bereichen zu diskutieren und stetig weiterzuentwickeln. Wir sind überzeugt, dass die Konferenz zur Verbesserung der Förderstrukturen bundesweit genutzt wird und die Dokumentation mit den Ergebnissen diese Entwicklung nachhaltig unterstützt. Ganz besonders hervorhebenswert und erfreulich ist, dass dieser Bereich vom Beauftragten für Kultur und Medien gefördert wird. Die Initiative Musik setzt sich federführend dafür ein. Ein ausdrücklicher Dank geht an den Landesverband für populäre Musik und Kreativwirtschaft M-V e. V. (PopKW) für das starke Engagement in Mecklenburg-Vorpommern. Henry Tesch Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern Grußwort PLAN!POP09 Grußwort Jan Plewka, Band Selig Wir wussten früher nichts von Musikförderung und hätten es wahrscheinlich uncool gefunden, uns fördern zu lassen. Das sehe ich heute anders. Mit staatlichen Fördermitteln können künstlerische Freiräume geschaffen werden, und das ist besser, als mit Sponsoring-Partnern aus der Wirtschaft zusammenzuarbeiten. Ich glaube nicht, dass eine finanzielle Förderung Subkultur kaputt macht. Musikförderung muss schon im Kindesalter beginnen. In Grundschulen sollten Proberäume eingerichtet werden mit Schlagzeug, E-Gitarre und Bass. Als ich zum Beispiel neun Jahre alt war, wollte ich eine Stromgitarre haben. Für junge Bands wäre es gut, wenn es in jedem Bundesland eine Stelle gäbe, an die sie sich wenden könnten, um finanzielle Hilfe zu erhalten. Die Förderung von Musikexport ist ebenfalls wichtig. Hier können wir viel von Ländern wie Frankreich und Schweden lernen. Die schwedische Band Wildbirds & Peacedrums beispielsweise hat mit staatlichen Mitteln ihre Welttournee finanziert und ist dadurch jetzt in aller Welt bekannt. Letztlich geht es aber auch um ein ganz grundsätzliches Problem, das Musiker speziell in Deutschland haben. Wenn man heute gefragt wird „Was machst du denn?“ und man antwortet „Ich mach Musik!“, kommt gleich die Nachfrage „Nein, ich mein, was machst du beruflich!“. Das ist ziemlich frustrierend. Es muss erreicht werden, dass ein Musiker als normales Gesellschaftsmitglied anerkannt wird. Ich wünsche mir, dass diese Konferenz einen Beitrag dazu leistet, dass Popmusik als ernstzunehmendes und förderungswürdiges Genre anerkannt wird. Jan Plewka PLAN!POP09 Inhalt Inhalt Vorwort | Prof. Dieter Gorny Grußwort | Henry Tesch Grußwort | Jan Plewka Inhalt Einleitung Impressionen PLAN!POP09 4 5 6 7 – 11 12 13 1. FÖRDERSTRUKTUR – Förderangebote in Deutschland 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.3 „Es muss nicht immer Geld sein!“ Bewährte Förderprogramme John Lennon Talent Award Popbüro Region Stuttgart Rock.Büro SÜD RockCity Hamburg e.V. Technologie Coaching Center Berlin Anmerkungen & Vorschläge 15 16 16 16 16 17 17 17 2. FÖRDERSTRUKTUR – Aufbau von Förderprogrammen 2.1 Top-Down-Modell aus Baden-Württemberg 2.2 Bottom-Up-Modell aus Hamburg 2.3 Bündelung von Kompetenz und Zuständigkeit in Bayern 2.4 Aufbau von Förderstrukturen in Mecklenburg-Vorpommern 2.5 Anmerkungen & Vorschläge 2.5.1 Viele Modelle sind möglich 2.5.2 Anpassung an städtische und regionale Gegebenheiten 2.5.3 Zentralstelle in jedem Bundesland 2.5.4 Regionen und Bundesländer sollten voneinander lernen 2.5.5 Kontinuität kommt aus der Struktur 2.5.6 Popmusikförderung als Querschnittsaufgabe 19 20 20 – 21 21 22 22 22 22 22 22 22 3. FÖRDERSTRUKTUR – Beispielhafte Förderprogramme in Europa 3.1 Überblick über die Förderpolitik in Europa 3.2 Schweiz 3.3 Frankreich 3.4 Deutschland 23 24 – 25 25 – 27 27 7 PLAN!POP09 Inhalt Inhalt Künstler 4. KÜNSTLER – Fördereinrichtungen für Musiker 4.1 Erfolg und Professionalität von Musikern 4.2 Beispielhafte Fördereinrichtungen 4.2.1 Initiative Musik 4.2.2 Goethe-Institut 4.3 Anmerkungen & Vorschläge 4.3.1 Förderangebote in Deutschland aus Sicht des Künstlers 4.3.2 Stärkung des Bekanntheitsgrades deutscher Musiker im Ausland 4.3.3 Nachhaltigkeit durch Strukturförderung 4.3.4 Förderung für Profis und Amateure 4.3.5 Stellenwert populärer Musik erhöhen 29 – 31 31 31 – 32 32 33 33 33 33 33 33 5. KÜNSTLER – Nachhaltige Projektentwicklung 5.1 Wie kann Nachhaltigkeit gewährleistet werden? 5.2 Beispielhafte Förderprojekte 5.2.1 Popkurs in Hamburg 5.2.2 Rockbuster in Rheinland-Pfalz 5.2.3 Popcamp in Deutschland 5.3 Das Förderangebot betreffende Fragen 5.3.1 Ausrichtung auf Bands oder einzelne Musiker? 5.3.2 Gebührenpflichtig oder nicht? 5.3.3 Bedeutung von „Jugend musiziert“ 5.3.4 Wirkung & Nebenwirkung von Coachings 5.3.5 Fazit 34 – 35 35 35 35 – 36 36 36 36 – 37 37 37 37 – 38 38 6. KÜNSTLER – Aus-, Fort- & Weiterbildung 6.1 Blick über den Tellerrand: Internationale Modeschule esmod 6.2.1 Popakademie Baden-Württemberg, Mannheim 6.2.2 Institut für Kultur- und Medienmanagement, Hamburg 6.3 Weiterbildungsangebote 6.3.1 Popkurs Hamburg 6.3.2 Rock.Büro SÜD 6.3.3 Scheune Akademie Dresden 6.3.4 ebam Akademie 6.4 Anmerkungen & Vorschläge 39 39 – 40 40 40 40 40 – 41 41 41 42 8 PLAN!POP09 Inhalt Inhalt Wirtschaft 7. WIRTSCHAFT – Musik als Standortfaktor 7.1 Kultur als treibende Kraft einer Stadt 7.2 Hamburg – Mit Toleranz, Talent und Technik wachsen 7.3 Stuttgart – Stärken von Standorten herausarbeiten 7.4 Berlin – Kreativwirtschaft als Innovationstreiber für andere Sektoren 7.5 Neustrelitz – Immergut Festival 7.6 Erfurt – Infrastruktur durch Künstler und Labels 7.7 Beispiel aus Hamburg – Reeperbahn Festival 44 – 45 45 – 46 46 46 – 47 47 47 47 – 48 8. WIRTSCHAFT – Live-Musik in Deutschland 8.1 Rahmenbedingungen wichtiger als finanzielle Förderung 8.2 Keine Förderung im Live-Entertainment notwendig? 8.3 Strukturförderung für Clubs 8.4 Vernetzung der Live-Branche 8.5 Wie könnte eine Veranstalter-Förderung aussehen? 8.6 Clubszene regional fördern 8.7 Fazit 49 – 50 51 51 – 52 52 52 53 53 9. WIRTSCHAFT – Kreativquartiere und Szene-Dienstleister 9.1 Prädikat „Musikstadt“ 9.2 Kreativquartiere in Deutschland 9.2.1 Karostar Hamburg 9.2.2 ORWOhaus Berlin 9.2.3 Musikpark Mannheim 9.2.4 CD Kaserne Celle 9.3 Auswirkungen von Kreativquartieren auf die Stadtentwicklung 9.4 Anmerkungen & Vorschläge 54 – 57 58 58 58 58 59 59 – 60 60 9 PLAN!POP09 Inhalt Inhalt Kommunikation 10. KOMMUNIKATION – Informationssysteme der Musikbranche 10.1 Herausforderung „Berlin“ 10.2 Bestehende Informationssysteme 10.2.1 Creative City Berlin 10.2.2 Music in Berlin 10.2.3 MIZ – Musikinformationszentrum 10.2.4 mica – music information center austria 10.3 Orientierung im Datenmeer 10.4 Anmerkungen & Vorschläge 62 62 62 – 63 63 63 – 64 64 64 64 11. KOMMUNIKATION – Musikmessen in Europa 11.1 Bestehende Musikmessen 11.1.1 Musikmesse Frankfurt 11.1.2 MIDEM, Cannes 11.1.3 c/o pop, Köln 11.1.4 Pop Up Leipzig 11.2 Anmerkungen & Vorschläge 11.2.1 Standort und Jahreszeit 11.2.2 Messeauftritt im Ausland 11.2.3 Struktur der einzelnen Messen 11.2.4 Folgen der Popkomm-Absage 11.2.5 „Come together“ der Messeveranstalter 65 65 – 66 66 – 67 67 67 – 68 68 68 68 68 – 69 69 69 12. KOMMUNIKATION – Medienkooperationen für Popmusik 12.1 Symbiose von Radio und Musik 12.2 Internet-Plattform der ARD-Jugendsender 12.3 Kooperation von PopXport und Initiative Musik 12.4 Wirtschaftlicher Druck als Innovationsbremse 12.5 Radio und Club für den Nachwuchs 12.6 Mehr Medienkompetenz für Künstler 12.7 Möglichkeiten jenseits des „Dudelfunks“ 12.8 Exportbüros und Medien 12.9 Fazit 70 – 71 71 71 71 72 72 72 – 73 73 73 10 PLAN!POP09 Inhalt Inhalt Workshops 13. WORKSHOP I: Musikfonds in Deutschland 13.1 Musik im Spannungsfeld zwischen Kultur und Kommerz 13.2 Gemeinsamer Fonds für die Kreativwirtschaft 13.3 Kapital privater Investoren 13.4 Kreativwirtschaftsfonds der NRW.Bank 13.5 Kleinteilige Unternehmensstrukturen 13.6 Fazit 75 75 76 76 76 77 14. WORKSHOP II: Pilotprojekte zur Spielstättenförderung 14.1 Aktivitäten der Initiative Musik 14.2 Clubförderung durch „Jugend jazzt“ in Niedersachsen 14.3 Clubkombinat Hamburg 14.4 Städtische Stättenförderung in NRW 14.5 Anmerkungen & Vorschläge 78 78 – 79 79 80 80 15. WORKSHOP III: Musikexport 15.1 South by Southwest (SXSW) – Ein erster Eindruck 15.2 Hamburg auf der SXSW 15.3 Deutschland auf der Expo 2010 15.4 Auslandsmesseprogramm des Bundes 15.5 Fazit 81 82 83 83 – 84 84 Fazit 85 – 87 Teilnehmerliste 88 – 93 Impressionen PLAN!POP09 94 Impressum 95 11 Einleitung PLAN!POP09 Einleitung Unter dem Titel „PLAN!POP09“ veranstaltete die Initiative Musik am 22. und 23. Juni 2009 erstmalig eine Bundesfachkonferenz zur Popularmusikförderung. In Rostock/Warnemünde debattierten rund 200 Popförderer aus allen Teilen Deutschlands unter anderem über Förderstrukturen, Musikexport, Standortentwicklung der Kreativwirtschaft sowie die Effizienz von Förderinstrumenten. In der vorliegenden Dokumentation sind die Ergebnisse der insgesamt zwölf Panels und drei Workshops zusammengefasst. Innerhalb des KonferenzProgramms waren sie in die Themenschwerpunkte „Förderstruktur“ (Kapitel 1-3), „Künstler“ (Kapitel 4-6), „Wirtschaft“ (Kapitel 7-9), „Kommunikation“ (Kapitel 10-12) und drei Workshops (Kapitel 13-15) gegliedert. Im ersten Themenschwerpunkt „Förderstruktur“ wurden beispielhafte Förderangebote in Deutschland (Kapitel 1) und Europa vorgestellt (Kapitel 3) sowie Fragen der Struktur- und Organisationsentwicklung im Bereich Popmusikförderung erörtert (Kapitel 2). Der zweite Themenschwerpunkt „Künstler“ widmete sich zeitgemäßen Förderangeboten für Künstler und Musikunternehmen (Kapitel 4). Es ging darin außerdem um Musikwettbewerbe und Künstler-Coachings (Kapitel 5) sowie um die Aus-, Fort- und Weiterbildung für Künstler und Musikunternehmen (Kapitel 6). Der dritte Themenschwerpunkt „Wirtschaft“ diskutierte zu Beginn die Frage harter und weicher Standortfaktoren (Kapitel 7), rückte dann die Live-Musik in Deutschland (Kapitel 8) und schließlich die Schaffung von Kreativquartieren sowohl für Künstler als auch Musikunternehmen in den Mittelpunkt (Kapitel 9). Im vierten und letzten Themenschwerpunkt „Kommunikation“ standen Informationssysteme für die Musikbranche als Basis für Förderkonzepte und Marketing auf dem Programm (Kapitel 10). Es folgte eine Diskussion über Musikmessen und deren Ausrichtung (Kapitel 11) sowie ein Panel über Medienkooperationen für Popmusik (Kapitel 12). In drei Workshops ging es zum einen um die Entwicklung eines Musikfonds für Deutschland (Kapitel 13), sowie die Entwicklung gemeinsamer Pilotprojekte zur Spielstättenförderung von Bund und Ländern (Kapitel 14) und zum anderen um einen gemeinsamen Support der Bundesländer auf der Expo 2010 in Shanghai und der Musikmesse SXSW 2010 in Austin (Kapitel 15). Von den Panels wurden Videoaufzeichnungen angefertigt, die sich auf der Website der Initiative Musik abrufen lassen. Darüber hinaus gibt es dort eine Photogalerie und unter dem Titel „Best Projects“ eine Zusammenfassung der 54 Beispiele für Rock- und Popmusikförderung in Deutschland, die in den Panels vorgestellt wurden. Die vorliegende Dokumentation steht auf der Website ebenfalls zum Download bereit. Berlin, 10. Oktober 2009 12 PLAN!POP09 Jan Plewka, Band Selig / Prof. Dieter Gorny, Initiative Musik gGmbH Teilnehmer Plan!Pop09 Dr Enoch Lemcke, Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, MV Impressionen Plan!Pop09 Mike Heisel, Initiaitve Musik / Claudia Jung, MdL Bayern Dana Bauers, Pop KW von links nach rechts: Sebastian Dresel, Stadt Mannheim / Richard Goerlich, Stadt Augsburg 13 Förderangebote in Deutschland Förderstruktur 1. Förderangebote in Deutschland 2. Aufbau von Förderprogrammen 3. Beispielhafte Förderprogramme in Europa 14 PLAN!POP09 PLAN!POP09 Förderangebote in Deutschland FÖRDERSTRUKTUR 1. Förderstruktur Förderangebote in Deutschland Mit einem einführenden Überblick über die Popmusikförderung in Deutschland eröffnete Ina Keßler, Geschäftsführerin der Inititative Musik, das erste Panel der Fachtagung PLAN!POP09. Sie differenzierte bestehende Förderprogramme in Bundes- und Landesebene sowie kommunaler Ebene, nannte ergänzend aber auch europaweite Projekte. Eine wichtige Voraussetzung für die Arbeit im Popmusikbereich sei das Wissen darüber, so Keßler, wer als potentieller Geldgeber bzw. Förderer angesprochen werden kann.* Bundesweit engagieren sich Goethe-Institut, Bundeskulturstiftung, Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie mit dem Bereich Kreativwirtschaft, das Auswärtige Amt mit seiner Künstler- und Infrastrukturförderung, die Künstlersozialkasse, der Deutsche Musikrat und die Exportgesellschaft Germany Trade & Invest. Auf Länderebene bestehen Fördermöglichkeiten von den Länderministerien. Kommunen bieten Förderprogramme in Kul- von links nach rechts: Andrea Rothaug, RockCity Hamburg e.V. / Ulrike Dreher, Wirtschaftsförderung Region Stuttgart / Bernd Schweinar, Rock.Büro Süd / Christine Brockmann, Itzehoer Versicherungen / Ines Kretschmar, Technologie-Coaching Center GmbH / Ina Keßler, Initiative Musik gGmbh tur- und Wirtschaftsämtern, Industrie und Handelskammern, Handwerkskammern, Landschaftsverbänden und Landesmedienanstalten. Europaweit organisiert ist das European Music Office (EMO) in Brüssel mit dem European Talent Exchange Program (ETEP) und dem European Tour Support (ETS). 1.1 „Es muss nicht immer Geld sein!“ Die Förderung mit öffentlichen Geldern sei nur eine Möglichkeit von vielen, hob Keßler hervor. Es gelte, neue Wege zu gehen und dabei auch über den Tellerrand zu schauen. Lohnenswert sei ein Blick in andere Länder. Welche Modelle gibt es dort? Welche Erfahrungen hat man gemacht, und wie kann hierzulande davon profitiert werden? Als Stichworte nannte sie Tourförderung, Steuervergünstigungen, Kooperation mit Staatsbanken und Exportbüros. Keßler regte an, das Denk- und Handelsspektrum zu erweitern, zum Beispiel durch Kooperationen zwischen einzelnen Künstlern, Vereinen, Stiftungen, Labels, Versicherungen, Konzernen und auch Endverbrauchern. Hierfür bedarf es an Engagement, Kompetenz und entsprechender Unterstützung. Grundsätzlich sei der Bereich „Rock- und Popmusik“ in Deutschland bereits gut aufgestellt. Es gebe eine Vielzahl von Initiativen und eine Reihe bewährter Förderprogramme, die Impulsgeber sein könnten. Den Pop* Dieser Beitrag basiert auf dem Panel „Überblick über beispielhafte Förderangebote für die Popularmusik in Deutschland“, das von Theo Geißler (Neue Musikzeitung) moderiert wurde. 15 PLAN!POP09 Förderangebote in Deutschland FÖRDERSTRUKTUR förderern komme die wichtige Aufgabe zu, Transparenz zu schaffen und entlang individueller Bedürfnisse unterstützend tätig zu werden. 1.2 Bewährte Förderprogramme Als bewährte Fördermaßnahmen stellten Christine Brockmann (Itzehoer Versicherungen), Ulrike Dreher (Wirtschaftsförderung Region Stuttgart), Andrea Rothaug (RockCity Hamburg), Bernd Schweinar (Rock.Büro SÜD) und Ines Kretschmar (Technologie Coaching Center Berlin) die von ihnen vertretene Institutionen vor. Seit 1991 fördern die Itzehoer Versicherungen den John Lennon Talent Award (JLTA). Zunächst regional Ines Kretschmar, Technologie-Coaching Center GmbH in Schleswig-Holstein durchgeführt, findet der Wettbewerb seit 1999 bundesweit statt. Die Gewinner des Wettbewerbs nehmen am JLTA-Förderprogramm teil, das unter anderem aus Coachings, Workshops und Seminaren. 1.2.1 John Lennon Talent Award Seit 1991 fördern die Itzehoer Versicherungen den John Lennon Talent Award (JLTA). Zunächst regional in Schleswig-Holstein durchgeführt, findet der Wettbewerb seit 1999 bundesweit statt. Die Gewinner des Wettbewerbs nehmen am JLTA-Förderprogramm teil, das unter anderem aus Coachings, Workshops und Seminaren besteht. Ziele des JLTA sind neben der professionellen Bandarbeit Vernetzung und Feedback. www.jlta.de 1.2.2 Popbüro Region Stuttgart Das Popbüro Region Stuttgart existiert seit 2005 und wird durch die Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH, das Stuttgarter Kulturamt und die Stuttgarter Jugendhaus gGmbH getragen. Das Popbüro fördert populäre Musik an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Kultur und Jugend. Zudem koordiniert es das Netzwerk der Popmusikförderung in Baden-Württemberg. www.popbuero.de www.bw.popbuero.de 1.2.3 Rock.Büro SÜD Seit 1989 engagiert sich die Arbeitsgemeinschaft Bayrischer Musikinitiativen e.V. im Rock- und Popmusikbereich. Der Verein verfügt über ein großes Netzwerk örtlicher Clubs, Ausbildungsstätten und regionaler Musikpartner, was eine breite Streuung des Angebots ermöglicht. Dieses umfasst Kompaktseminare, eine Musikbusiness-Workshopreihe, das Schandmaul-Bandcoaching, das Online-Forum www.allmusic.de und weitere Projekte. www.pop-netz.de 16 PLAN!POP09 Förderangebote in Deutschland RockCity Hamburg e.V. berät seit 1987 Musiker, Verlage, Labels, Veranstalter, Booker und Clubs. RockCity half beispielsweise dabei, Vereine wie den VUT und das Clubkombinat zu gründen, die sich dann selbst organisieren. Zu den Projekten gehören unter anderem der Live Concert Account, der Club Award, Hanseplatte und RockCity Radio. Der Verein wird durch Eigenmittel und institutionelle Förderung der Behörde für Kultur, Sport und Medien (BKSM) Hamburg getragen. 1.2.5 Technologie Coaching Center Berlin Wer in Berlin ein Unternehmen in der Kreativwirtschaft aufbauen bzw. sein Kreativunternehmen weiter wachsen lassen will, wird dabei seit 1997 von der Technologie Coaching Center GmbH (TCC) unterstützt. TCC ist ein Unternehmen der Investitionsbank Berlin, das in Form von subventionierten Coachings Hilfestellung in der Ideen-, Gründungs- und Wachstumsphase eines Unternehmens gibt. www.tcc-berlin.de 1.3 Anmerkungen & Vorschläge Auch wenn die Rock- und Popmusikförderung in Deutschland kein völliges Neuland ist, gibt es einiges zu verbessern. Darin waren sich die Panel-Teilnehmer einig. Als essentielle Probleme wurden die noch unzureichende Vernetzung der Bundesländer, ein Kompetenzwirrwarr bei Zuständig- und Verantwortlichkeiten, fehlende Fördermittel, eine fehlende Lobby und die mangelhafte Anerkennung und Wertschätzung der Musikbranche hervorgehoben. Theo Geißler, nmz Hieraus ergab sich eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen: • Vernetzung – Gemeinsam sollte an einem Strang gezogen, Kompetenzen eingebracht und geteilt, Modelle und Ansätze diskutiert, sowohl „Bottom up“ als auch „Top Down“, und Kooperationen und gemeinsame Projekte gestartet werden, wobei Ländergrenzen kein Hindernis sein dürfen. Netzwerkarbeit stärkt die Fördernangebote selbst, sorgt für mehr Verständnis, öffnet Türen und kann weitreichende Multiplikationseffekte erzeugen. Kommunikation – Regelmäßiger Austausch, mehr Information und Transparenz ist zu ermöglichen. • Organisierte Plattform – Eine organisierte Plattform muss geschaffen werden, die als gemeinsames Sprachrohr fungiert. Auch wenn die kulturelle Musikförderung in Deutschland eine Aufgabe der Länder ist, so wird dennoch eine Anlaufstelle, „eine Topkompetenz für Popmusik“ gewünscht. Sie soll Zuständigkeiten, Ressourcen und Know-how zusammenführen und Musikschaffenden und Förderern eine Plattform bieten. 17 FÖRDERSTRUKTUR 1.2.4 RockCity Hamburg e.V. Förderangebote in Deutschland PLAN!POP09 FÖRDERSTRUKTUR Die Initiative Musik als Bundesinitiative wurde in diesem Zusammenhang als begrüßenswerter Ansatz bewertet. Hauptamtliche Stabstellen – In allen 16 Bundesländern sollen hauptamtliche Stabstellen installiert werden, um das hohe Maß an Aufgaben zu bewältigen, um zwischen den Strukturen – vor allem den Verwaltungen und Behörden – zu vermitteln und um effektive Netzwerkarbeit leisten zu können. Rock- und Pop-Lobby – Was ist der Rock- und Popbereich der Kultur und Wirtschaft in Deutschland wert? Dieser Frage wird in der Politik bis dato unzureichend nachgegangen. Trotz des umfangreichen Expertenwissens und dem großen Engagement gibt es keine Lobby für den Rock- und Popbereich. Lobbyisten und Fürsprecher werden gebraucht, damit der Rock- und Popbereich lokal, regional und bundesweit besser wahrgenommen wird. Wertschätzung und Anerkennung – Die Branche soll anerkannt, respektiert und wahrgenommen werden, von Politik, Kultur und Wirtschaft, lautete eine abschließende Forderung der Panel-Teilnehmer. 18 Aufbau von Förderprogrammen PLAN!POP09 FÖRDERSTRUKTUR 2. Förderstruktur – Aufbau von Förderprogrammen Wie lässt sich auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eine fundierte Popmusikförderung realisieren? BadenWürttemberg und Stuttgart haben es bundesweit vorgemacht. Hamburg hat die Popmusikförderung sogar für einzelne Projekte aufgestockt. Was kann man von diesen erfolgreichen Beispielen lernen? Wie lässt sich selbst bei weniger günstigen Finanzbedingungen ein erster Einstieg in eine fundierte Popmusikförderung sowohl auf Landesebene, als auch in den Kommunen finden? Wie wird eine nachhaltige institutionelle Förderung, die als Basis für erfolgreiche Popmusikförderung gilt, geschaffen? Wie kann in Zeiten knapper Haushalte auch ressortübergreifend gefördert werden, ohne mit dem Doppelfinanzierungsverbot zu kollidieren? Wer sind die Partner und wie findet man sie? Mit diesen Fragen beschäftigte sich das von Theo Geißler (Neue Musikzeitung) moderierte Panel. „Aufbau von Popmusikförderung – Struktur – Organisationsentwicklung“.* 2.1 Top-Down-Modell aus Baden-Württemberg In seinem Impulsreferat berichtete Dr. Christoph E. Palmer, ehem. Staatsminister Baden-Württembergs und heutiger Vorsitzender der Allianz Deutscher Produzenten, über seine achtjährige Beteiligung am Aufbau der Förderstrukturen für populäre Musik in Baden-Württemberg. Begonnen habe alles im Jahr 1990 mit der Gründung der Landesarbeitsgemeinschaft der Rockmusikinitiativen Baden-Württemberg e.V. (LARI), die die Forderung nach einer Popmusikförderung schrittweise in von links nach rechts: Dr. Christoph E. Palmer, Produzentenallianz / Dana Bauers, Pop KW MV / Farid Müller, Bündnis 90/DIE GRÜNEN-GAL-Bürgerschaftsfraktion die Politik einbrachte. Unterstützt wurde sie vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der 1997 den Startschuss für die Gründung der Rockstiftung Baden-Württemberg e.V. gab. Die Rockstiftung entwickelte das Popforum, den Bandpool, das Branchenmeeting und das Summer College. Mit ihrem Engagement habe sie die Voraussetzung für heutige Förderstrukturen in Baden-Württemberg geschaffen. Begünstigende Faktoren für die angestrebten Förderstrukturen seien die Vielzahl von Initiativen, die breite Struktur der soziokulturellen Zentren, die gute Aufstellung von Bandwettbewerben, die Lizenzierung eines Jugendradios sowie die Entwicklung der Lehrpläne in den Schulen und deren Öffnung hin zur U-Musik. * Zu den Diskussionsteilnehmern gehörten neben den im Beitrag genannten Personen auch Dana Bauers (PopKW) und Paul Woog (Popbüro Region Stuttgart). 19 Aufbau von Förderprogrammen PLAN!POP09 FÖRDERSTRUKTUR Ende der 90er Jahre wurde eine Bestandsaufnahme zur Rock- und Popmusik in Baden-Württemberg erstellt. Ein Defizit sei damals, so Palmer, dass kaum mehr Musikwirtschaft im Land vorhanden war. Die Praxis habe aber gezeigt, dass dies kein entscheidendes Kriterium gegen ein politisches Engagement im Rock- und Popmusikbereich war. Auf diese Erkenntnis aufbauend sei eine Koalitionsschrift in die Regierung eingebracht worden, aus der eine gesetzliche Grundlage für die 2003 in Mannheim eingerichtete Popakademie Baden-Württemberg hervorging. Das Beispiel Baden-Württemberg zeige, wie bedeutend die Zusammenarbeit von Verantwortlichen und Akteuren ist. Dabei, so Palmer, brauche es viel Geduld und die Einsicht, dass Strukturen organisch wachsen und die Beteiligten sich kennen (-lernen) müssen, um Prozesse sensibel und nachhaltig auf den Weg zu bringen. Wichtig sei es, so Palmer, dass bei verschiedenen zuständigen Ressorts – von Kunst, über Medien bis Wirtschaft – einer die Federführung habe und die Verantwortung tragen müsse. 2.2 Bottom-Up-Modell aus Hamburg Für die Musikförderung in der Hansestadt engagiert sich, wie bereits erwähnt, RockCity Hamburg e.V.. Das Finanzierungsmodell des Vereins setzt sich zusammen aus der institutionellen Förderung durch die Behörde für Kultur, Sport und Medien (BKSM) der Stadt Hamburg, Mitgliedsbeiträgen, einem integrierten Betrieb für Tourneebusvermietung und einem Projektbereich, in den BKSM, Drittmittel aus Stiftungen, Fonds und Kooperationspartner integriert sind. Um Prozesse und Ideen erfolgreich voranzubringen, müssten zunächst die Akteure aller relevanten Bereiche erreicht werden, so RockCity-Geschäftsführerin Andrea Rothaug. Szenenähe, Branchenkenntnis sowie auch behördliches Denken gehört ebenso zur erfolgreichen Arbeit des Vereins wie innovative und kreative Projektentwicklung. So sei es beispielsweise gelungen, eine Aufstockung der bisherigen öffentlichen Mittel zu erwirken. Politisch unterstützt werde das popkulturelle Leben Hamburgs auch von der schwarz-grünen Koalition, erklärte Farid Müller von der Grün-Alternativen Liste. Unter dem Leitbild „Kreative Stadt Hamburg“ und dem Slogan „Wachsen mit Weitsicht“ finde die Kreativwirtschaft ausdrücklich Beachtung und Anerkennung, was sich unter anderem in der Festsetzung der Rahmenbedingungen für die Kreativwirtschaft zeige. Kreativwirtschaft gelte als drittwichtigster Wachstumsfaktor in Deutschland. Als sinnvollen Wegbereiter für Debatten empfiehlt Müller die Erstellung von Kulturwirtschaftsberichten mit Zahlen und Fakten zu Fragestellungen wie „Was ist für eine Gesellschaft wichtig?“, „Wie funktioniert Wertschöpfung?“ und „Was geht daraus hervor?“. 2.3 Bündelung von Kompetenz und Zuständigkeit in Bayern In Bayern sei 1978 ein erster Musikplan durch die Staatsregierung erstellt worden, der Zustand, Perspektiven und Potentiale der Musik im Land erfasste, berichtete Dr. Dirk Hewig, ehem. Musikreferent im Bayrischen Staats- 20 PLAN!POP09 Aufbau von Förderprogrammen FÖRDERSTRUKTUR ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Rock, Pop und Jazz waren darin allerdings noch nicht enthalten. Das lag daran, dass die Szene zu heterogen war und es keine Ansprechpartner gab, so Hewig. Das habe sich 1989 mit der Gründung der Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Musikinitiativen e.V. geändert. Mit ihr habe die Rock- und Popszene an Bedeutung und Förderwürdigkeit gewonnen und sei im bayrischen Musikplan berücksichtigt worden. Gestartet sei die Arbeitsgemeinschaft mit einem För- Dr. Dirk Hewig, Bayrisches Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, a.D. dergeld von 40.000 DM. 1991 sei dann die Finanzierung der Personalstelle für einen Rockbeauftragten möglich geworden. „Wir wollten im Ministerium vorrangig Infrastrukturförderung leisten und dann erst Projektförderung“, so Hewig. In der Folge sei es jedoch nicht gelungen feste und strukturierte Förderstränge über Ministeriumsgrenzen hinweg zu etablieren. Popmusikförderung müsse ein vielschichtiges und ressort- übergreifendes Themenspektrum abdecken. Der Kompetenzwirrwarr auf politischer Seite sei dem modernen Ansatz von Popmusikförderung bisher nicht gerecht geworden. Deshalb sei es wichtig, dass eine Abstimmung der betroffenen Ressorts erfolge und in einer Art Popförderkonzeption münde, an der alle politischen Stabstellen sowie relevante Kommunen, Behörden, Medien und Akteure mitwirken. So könne man der Forderung nach Ressort übergreifendem Handeln sowie Kompetenz- und Zuständigkeitsbündelung gerecht werden. 2.4 Aufbau von Förderstrukturen in Mecklenburg-Vorpommern Der Aufbau von Förderstrukturen in Mecklenburg-Vorpommern begann 1999 mit der Gründung der Landesarbeitsgemeinschaft Rock & Pop Mecklenburg-Vorpommern e.V.. Zu den Zielen des Vereins gehören: der Aufbau von regionalen und überregionalen Präsentationsflächen, Bereitstellung und Austausch von Informationen landesweit, die überregionale und internationale Kooperation mit Förderern populärer Musik und der Kreativwirtschaft, die Entwicklung, Anwendung und Vermittlung geeigneter Businessmodelle inklusive Standortentwicklung und -kommunikation, die Beratung in musikbranchenspezifischen Fragestellungen, die Förderung von Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie die Initiierung und Durchführung von zu fördernden Projekten. Fördermittel stellt unter anderem das Land Mecklenburg-Vorpommern. 2007 wurde die Arbeitsgemeinschaft in Landesverband für Populäre Musik und Kreativwirtschaft M-V (PopKW M-V) umbenannt. Darin vernetzt sind mittlerweile zahlreiche Initiativen, Agenturen, Medien und Bands. 21 Aufbau von Förderprogrammen PLAN!POP09 FÖRDERSTRUKTUR 2.5 Anmerkungen & Vorschläge 2.5.1 Viele Modelle sind möglich Es gibt nicht das eine Modell in der Popmusikförderung. Der Arbeitsbereich ist vielfältig und umfassend, dem entsprechend mannigfaltig sind die Möglichkeiten, wie und wo Förderstrukturen angesetzt werden. Ein Netzwerk als Förderstruktur ist gewollt, dennoch muss an weiteren strukturbildenden Maßnahmen gearbeitet werden. Relevante Bereiche sind zu aktivieren, beispielsweise durch eine Bestandsaufnahme von Akteuren und Zuständigkeiten in der Szene. Hier haben die Popförderer eine integrative Aufgabe. Wenn Strukturen von Anfang an breit aufgestellt sind, kann auch gleich ein breites Serviceangebot zur Verfügung gestellt werden. 2.5.2 Anpassung an städtische und regionale Gegebenheiten Bei der Entwicklung von Förderstrukturen muss immer die Frage gestellt werden, welche Förderung in welcher Region Sinn macht. Es müssen dabei die Angebote und Ressourcen der entsprechenden Region berücksichtigt werden. Zu klären sind außerdem die Fragen: Was passt gut zur Region? Wo gibt es Alleinstellungsmerkmale? Und womit kann eine Region auch international punkten? 2.5.3 Zentralstelle in jedem Bundesland Für die Bewältigung der vielseitigen Aufgaben bedarf es einer gezielten und konsequenten Koordination. Dafür könnte zum Beispiel eine zentrale Stelle in jedem Bundesland eingerichtet werden, die einerseits in der Lage ist, politisch, (jugend)kulturell, sozial und wirtschaftlich mitzudenken, und andererseits andere sinnvoll einzubinden vermag. 2.5.4 Regionen wie Bundesländer sollten voneinander lernen Da es ein starkes Gefälle zwischen den Förderprogrammen in Bundesländern und Regionen gibt, ist es wünschenswert, erfolgreiche Fördermodelle zu übernehmen und entsprechende Anregungen zu geben. 2.5.5 Kontinuität kommt aus der Struktur Förderstrukturen müssen aufgebaut werden, die trotz wechselnder Vorstände und Politiker bestehen bleiben. Nur so wird es Initiativen und Förderern gelingen, sich zu etablieren, für Inhalte und Belange zu sensibilisieren und eine nachhaltige Förderarbeit zu leisten. 2.5.6 Popmusikförderung als Querschnittaufgabe Popmusikförderung ist eine komplexe Aufgabe. Sie ist immer in der Vielschichtigkeit ihrer Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten zu betrachten. Popmusikförderung muss als Querschnittsaufgabe wahrgenommen werden, damit Regionen etwas erreichen und langfristig davon profitieren können. 22 Beispielhafte Förderprogramme in Europa PLAN!POP09 FÖRDERSTRUKTUR 3. Förderstruktur Beispielhafte Förderprogramme in Europa Die Förderung von populärer Musik und Musikwirtschaft ist insbesondere in Deutschland ein komplexes Thema. Die verbreitete Trennung von Kultur und Kommerz, von Kultur- und Wirtschaftsförderung, von U- und E-Musik sowie von Bundesländern und Städten erschweren die Situation. Es lohnt ein Blick ins Ausland. Dort ist man um einiges weiter bei der Popmusikförderung und geht oft unbekümmerter mit dem Thema um, vorausgesetzt: „Es kommt etwas sinnvolles dabei heraus“. Das von Peter James (VUT) moderierte Panel „Modellhafte Förderprogramme in Europa“ gab Einblicke in die Fördersituation in Frankreich, Schweiz und Deutschland. 3.1 Überblick über die Förderpolitik in Europa Mit einem Querschnitt durch Europa zeigte VUT-Vorstandsmitglied Peter James in seinem Impulsreferat die Bandbreite der Förderpolitik in Europa. Während selbst in England, dem „Mutterland des Pop“ z. B. der Musikexport gefördert werde, existiere in Finnland eine sehr ausgefeilte Fördersystematik, deren Grundstein schon vor 30 Jahren in den zuständigen Ministerien gelegt wurde. In Norwegen spiele die Musikerziehung schon in der Vorschule eine wichtige Rolle; besonders ausgeprägt ist dort die Spielstättenförderung. Dänemark konnte wie die Niederlande ein erfolgreiches internationales Nachwuchsfestival etablieren. In den Niederlanden ist die Verwertungsgesellschaft Buma sehr aktiv. Die Musikproduktion und -vermarktung und damit auch die Förderung populärer Musik unterliegen einer Reihe betriebswirtschaftlicher Rahmenbedingungen: So gelte der klassische Produktlebenszyklus mit Einführung, Wachstum, Reife, Sättigung und Degeneration auch für Künstler und Musiktrends (siehe Grafik). (Produkt-)Lebenszyklen: Künstler, Musiktrends Units/Euro Innovatoren frühe/späte Nachahmer Nachzügler (Einführung/Wachstum) (Reife/Sättigung) (Degeneration) Vermarkter Dienstleister KMUs KMUs KMUs 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 T Nur wenige Künstler, Musikproduktionen und Trends lassen sich dauerhaft vermarkten (Quelle: VUT, 2009) 23 Beispielhafte Förderprogramme in Europa PLAN!POP09 FÖRDERSTRUKTUR Projekte mit hohem Wachstum und geringem Marktanteil stellen einen klassischen Förderfall dar. Sie können durch Investition ihre Marktposition verbessern und zu „Stars“ werden, die sowohl einen hohen Marktanteil als auch hohes Wachstum aufweisen. 3.2 Schweiz Die Förderpraxis in der Schweiz stellte Jean Zuber, Geschäftsführer Swiss Music Export, vor. Sie orientiert sich an den administrativen Strukturen von Bund, Kantonen und Gemeinden. Das Schweizer Parlament verhandelt derzeit ein neues Kulturfördergesetz, in dem die Aufgabenverteilung zwischen diesen drei Ebenen geregelt wird. Das ist ein Novum, da bislang Fördermittel ohne gesetzliche Grundlage vergeben wurden. Der Bund, insbesondere das Bundesamt für Kultur, ist für die Kulturvermittlung zuständig. Dafür stehen Jean Zuber, Swiss Music Export Bundesmittel in Höhe von 200-300 Millionen Euro zur Verfügung. Zum Bundesamt für Kultur gehört die Stiftung Pro Helvetia, die hinsichtlich ihrer Aufgaben dem Deutschen Goethe-Institut entspricht. Die Stiftung ist für die Darstellung und Verbreitung schweizerischer Kultur im Ausland zuständig und arbeitet bisher politikunabhängig. Das soll mit dem neuen Kulturfördergesetz aufgehoben werden. Künftig soll der Bundesrat – die oberste exekutive Behörde der Schweiz – über die Arbeit der Stiftung bestimmen. Kreative Produktionen dürfen vom Bundesamt für Kultur nicht gefördert werden. Das ist Aufgabe der Kantone. Sie verfügen über umfangreiche Steuergelder bzw. Mittel aus dem Lotteriefonds. Die meisten Kantone haben feste Verträge mit Kulturinstitutionen, die sie wie das Opernhaus Zürich unterstützen. Die Städte und Gemeinden verfügen ebenfalls über ein relativ großes Budget für Kultur; in Zürich wird zum Beispiel in das Schauspielhaus investiert. Die meisten Städte haben einen Popmusikbeauftragten; in größeren ist meist auch eine Pop-Kommission eingerichtet. Einen Spezialfall bildet Basel: Hier wird das komplette Budget an den Rockförderverein Basel vergeben, der die Förderung im Auftrag der Stadt durchführt. Der Verein hat sich über die vergangenen Jahre sehr gut positioniert und großes Know-how in diesem Bereich aufgebaut. Ein bedeutender privater Kultur- und damit auch Musikförderer ist die Migros-Stiftung. Migros ist eines der größten Handelsunternehmen der Schweiz. Sein Gründer Gottlieb Duttweiler hat sich zum Grundsatz gemacht, einen Prozent seines Umsatzes in Kulturprojekte zu investieren. Deshalb ist das kulturelle Engagement von Migros auch unter dem Begriff „Kulturprozent“ bekannt. Der größte Anteil der Fördermittel fließt in eine Club-Schule, die unter anderem das Festival m4music organisiert. Hier haben Schweizer Nachwuchsbands die Möglichkeit, im Vorprogramm großer Bands aufzutreten. Musiker werden darüber hinaus durch die SUISA-Stiftung der schweizerischen Verwertungsgesellschaft ge- 24 PLAN!POP09 Beispielhafte Förderprogramme in Europa der SUISA-Einnahmen aus den Aufführungs- und Senderechten in der Schweiz (2008: 2.156 Mio. CHF / 2007: 1.935 Mio. CHF). Als Fördereinrichtung für Musikexport wurde 2002 Swiss Music Export (SME) gegründet, die heute über ein Jahresbudget von etwa 250.000 Euro verfügt. Getragen wird SME von den Gründerorganisationen Pro Helvetia, Migros-Kulturprozent, SUISA-Stiftung und Fondation CMA sowie vom Phonoproduzentenfonds der IFPI und der Interpretenstiftung (SIS). Swiss Music Export konzentriert sich auf den Export in das deutsch- und französischsprachige Europa. Bei der Gestaltung der Fördermaßnahmen wird versucht, sich in die Lage der Künstler zu versetzen. Es wird überlegt, was aus ihrer Sicht hilfreich wäre, z.B. die Empfehlung an ein Festival oder an eine Stiftung, individuelle Beratung oder finanzielle Unterstützung. Voraussetzung für eine Förderung ist ein gewisses Maß an Professionalität, meist verfügen die zu Fördernden bereits über ein Management. Wie in Deutschland bei der Initiative Musik wird subsidiär, das heißt unterstützend gefördert. Dabei muss mindestens die Hälfte der Projektkosten vom Anragsteller selbst getragen werden. Weiterhin versucht die Organisation, bei Messen und Festivals Künstler zu vermitteln. Der Chef von Swiss Music Export Zuber sieht die größte Herausforderung für die Etablierung einer Rock- und Popförderung in dem geringen Interesse der Akteure, sich zu organisieren: „Der Rock-Musiker ist traditionellerweise ein Anarchist, dem das Ausfüllen von Formularen zuwider ist.“ Das ließe sich zwar in absehbarer Zeit nicht ändern, aber der Erfolg von Swiss Music Export zeige, dass der eingeschlagene Weg der richtige ist. 3.3 Frankreich Über die Förderpraxis in Frankreich berichtete Daniel Winkel, künstlerischer Leiter im Berliner Bureau Export De La Musique Française. Die Förderpraxis in Frankreich ist stark zentralistisch geprägt. Das Kulturselbstverständnis unterscheidet sich erheblich von dem anderer europäischer Länder. Eine Unterscheidung zwischen E- und U-Musik wie in Deutschland gibt es in Frankreich nicht. Kulturpolitik und -förderung sind äußerst relevante Themen. Ein Prozent des Staatshaushaltes wird in Kultur investiert. 40 Prozent des Budgets werden zentral durch das Kulturministerium vergeben, die verbleibenden 60 Prozent von dessen regionalen Büros. Daniel Winkel, Bureau Export De La Musique Française Für die Exportförderung wurde 1993 das bureauexport eingerichtet. Es ist als Public-Private-Partnership organisiert und beschäftigt 22 Mitarbeiter in acht Ländern. Durch sein langjähriges Bestehen verfügt das Büro über ausgeprägte Netzwerke auf zahlreichen ausländischen Export-Märkten. Die Arbeit erfolgt einerseits interministeriell auf der Grundlage eines kulturpolitischen Bildungs - aber auch Wirtschaftsförderungsauftrags, 25 FÖRDERSTRUKTUR fördert. Die SUISA-Stiftung für Musik erhält ihre finanziellen Mittel durch eine jährliche Zuweisung von 2,5% Beispielhafte Förderprogramme in Europa PLAN!POP09 FÖRDERSTRUKTUR andererseits zur Förderung der Interessen der französischen Musikwirtschaft im Ausland. Das Jahresbudget von 2,5 Millionen Euro wird zu 50 Prozent durch den Staat finanziert. Die andere Hälfte wird durch die Musikwirtschaft getragen, z.B. von der Verwertungsgesellschaft SACEM und den Produzentenverbänden. Das Exportbüro arbeitet mit dem Kultur- und Außenministerium, aber auch mit dem Ministerium für Handel und Industrie (Außenhandel) zusammen und kann oftmals deren Infrastruktur in anderen Ländern, z.B. in Kulturinstitutionen und Botschaften, kostenfrei nutzen. Angefangen bei Marktstudien über Promotion-Tools bis hin zu Messeständen bietet das Büro umfassende Beratungs- und Service-Leistungen an. Es ist Schnittstelle und Vermittler, Vermarkter, Consultant und Sponsor (Live- und VÖ-bezogenen Marketingaktivitäten) zugleich. Bei der Exportförderung wird davon ausgegangen, dass sie nur dann sehr erfolgreich sein kann, wenn auch eine effiziente Inlandsförderung betrieben wird. Seit 2005 wird auch klassische Musik in die Exportförderung einbezogen. Zu den allgemeinen Fördermöglichkeiten in Frankreich zählt unter anderem die Radioquote. Es handelt sich dabei nicht um eine Nationalitäten-, sondern um eine Sprachenquote. Sie hat einen erheblichen Einfluss auf den Markt und die Produktionsstandards. 25 Prozent der Leermedienabgaben müssen in Förderprogramme investiert werden. Eine äußerst wichtige Weichenstellung, die eine Künstler- und branchenbezogene Förderung der Musikwirtschaft aber erst ermöglichte, war 1985 das Inkrafttreten der frz. Urheberrechtsreform (neighbouring rights). Das Gesetz legt fest, dass 25% der Leermedien-Abgaben in Förderfonds fließen müssen, die sie wiederum in Künstler-, Produktions- Liveförderung, und seit 1993 via das Exportbüro auch in Auslandsförderung reinvestieren (Gesamtaufkommen Leermedienabgaben 2006: 156 mio Euro). Peter James, V.U.T. Spielstätten und Festivals werden von den Städten indirekt finanziert. Bedingung ist, dass neben großen Künstlern auch lokale Nachwuchsbands eingeplant werden. Die Basisförderung für Proberäume und ähnlichem ist sehr gut ausgebaut. Weiterhin gibt es eine soziale Absicherung für Künstler in Nichtarbeitszeiten: Wird eine bestimmte Auftragsmenge unterschritten, vergünstigt sich die Sozialversicherung von Künstlern und sie erhalten ein Ausfallhonorar. Musik-Labels, die mehr als drei Jahre im Geschäft sind, werden 20 Prozent der Steuern erlassen, wenn sie in Nachwuchs investieren. Außerdem existiert ein Fond für die Musikwirtschaft beim Institut pour le Financement du Cinéma et des Industries Culturelles (IFCIC). Das Institut kümmert sich um Kino- und Kulturinstitutionen, es übernimmt unter anderem Ausfallbürgschaften in Höhe von bis zu 50 Prozent der an Firmen aus der Kulturindustrie vergebenen Kreditsumme. Über einen Vorfinanzierungsfond für die Musikindustrie vergibt IFCIC auch selbst Kredite von bis zu 150.000 Euro. Sie werden mit 4 Prozent Verzinsung ausschließlich an unabhängige klein- und mittel- 26 PLAN!POP09 Beispielhafte Förderprogramme in Europa verwendet werden. Von drei Millionen Euro im Jahr 2005 ist das Budget auf neun Millionen Euro angewachsen und soll weiter aufgestockt werden. Viele Bemühungen in der Musikförderung gehen auf den ehemaligen Kulturminister Jacques Lang zurück. 3.4 Deutschland Über die Fördersituation in Deutschland sprach kurz Ina Keßler, Geschäftsführerin der Initiative Musik. Die Wertschätzung der Künstler ist in Deutschland nicht so geprägt wie in Frankreich und es gibt Unterschiede zwischen populärer Musik und Klassik. Dem entsprechend geringer fallen die für populäre Musik bereitgestellten Fördermittel aus. Die Initiative Musik verfügt über zwei Millionen Euro im Jahr vom Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien auf Grund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages zuzüglich 360.000 Euro von GEMA und GVL. Die Initiative hofft auf weitere finanzielle Mittel beispielsweise durch das Wirtschaftsministerium. Nähere Informationen zu den beiden Förderprogrammen Künstler- und Infrastrukturförderung finden Sie unter 4.2.1„Initiative Musik“. Die neben der Initiative Musik bestehenden Förderprogramme des Bundes und der Länder sind im Kapitel 1 und Kapitel 4 ausführlich dargestellt. Die französischen Steuermodelle seien für Deutschland äußerst attraktiv, so Keßler, ebenso die dort herrschende Einigkeit der verschiedenen Akteure. Auch in Deutschland sei ein derartiges Zusammengehen der an Förderung Interessierten notwendig. 27 FÖRDERSTRUKTUR ständische Unternehmen vergeben. Das Geld muss für Produktionen, Werbung und Infrastrukturmaßnahmen Förderangebote in Deutschland Künstler 4. Fördereinrichtungen für Musiker 5. Nachhaltige Projektentwicklung 6. Aus- Fort- & Weiterbildung 28 PLAN!POP09 Fördereinrichtungen für Musiker PLAN!POP09 4. Künstler Fördereinrichtungen für Musiker Popförderangebote für Künstler in Deutschland setzen ihre Akzente gern auf einzelne Projekte wie BandContests, Workshops oder schlicht dem Bereitstellen von Übungsräumen. Lokale Acts brauchen jedoch langfristigen Support und das sowohl regional, national als auch international. Wie kann Popförderung an dieser erfolgreiche Förderung vor Ort aufzubauen und wie geht man dabei vor? Diese Fragen erörterte das von Ralph Christoph (c/o Pop) moderierte Panel „Zeitgemäße Förderangebote für Musiker auf dem Weg zum Profi“.* � 4.1 Erfolg und Professionalität von Musikern „Wahrscheinlich gehen wir alle davon aus, dass professionelle Musiker/innen erfolgreiche Musiker/innen sind und demnach von ihrer Tätigkeit leben können“, eröffnet Prof. Dr. Susanne Binas-Preisendörfer von der Universität Oldenburg ihr Impulsreferat. Im berufssoziologischen Sinne erfolgreich seien Menschen dann, wenn es ihnen gelingt, eine spezifische Fähigkeit und Fertigkeit zur Grundlage für eine kontinuierliche Erwerbs- und Versorgungschance, das heißt hier die Musik zum Beruf zu machen. Im Kontext von populärer Musik ergeben sich daraus, so Binas-Preisendörfer, mehrere Fragen: Susanne Binas-Preisendoerfer, Universität Oldenburg • Was werten Musiker/innen als Erfolg? • Was gilt im Feld der populären Musik als Erfolg? • Bilden spezifische künstlerische Fähigkeiten die Grundlage für Erfolg? • Woran wird Erfolg, woran Professionalität gemessen? • Kann man Erfolg und Professionalität von Musiker/innen planen, erzeugen bzw. fördern oder ausbilden, ggf. sogar nachhaltig? • Wenn ja, was wären die wichtigsten Instrumente und Aspekte zur Förderung von Professionalität? • Welche Grenzen sind dem Erfolg bzw. der Professionalität von Musiker/innen im Bereich der populären Musik gesetzt? • Kann man Grenzen des Erfolgs aus dem Weg räumen? Zur Beantwortung der ersten Frage zog die Musik- und Medienwissenschaftlerin eine eigene Studie über erfolgreiche Künstlerinnen (Essen 2003) heran. Eine darin befragte Künstlerin definierte Erfolg wie folgt: „Es gibt natürlich unterschiedliche Varianten von Erfolg, aber ich empfinde mich schon als eine erfolgreiche Künstlerin. Seit 20 Jahren lebe ich davon. Es gab auch Zeiten, wo ich lieber einen anderen Job gemacht hätte, * Zu den Diskussionsteilnehmern gehörten neben den im Beitrag genannten Personen auch Daniel Best (Jazzanova, Best Works) und Riekje Weber (Behörde für Kultur, Sport und Medien Hamburg). 29 KÜNSTLER Stelle nachhaltig wirken? Welche Partner aus der Musikszene und Wirtschaft werden benötigt, um eine Fördereinrichtungen für Musiker PLAN!POP09 als mich musikalisch zu verkaufen. Das war Ende der 80er, das war eine schwierige Zeit. Ich habe manchmal lieber Kabel gelötet, als mich künstlerisch zu verkaufen. Dabei lebt man oft am Ende des Existenzminimums. Diese Auseinandersetzung habe ich lange mit mir geführt. Inzwischen ist es entschieden. [...] Für mich persönlich ist es auf jeden Fall ein Erfolg, dass ich so lange das gemacht habe, was ich machen wollte. Ich kenne das nicht anders. Und immer stand ich auf allen Gästelisten.“ Seitens der Musikerinnen bzw. Komponistinnen wurde innerhalb der Studie wiederholt geäußert, KÜNSTLER dass Erfolg jenseits der Identifikation mit der eigenen künstlerischen, musikalischen Arbeit nicht existiert. Die intrinsischen Bedürfnisse stünden vor allen anderen, erklärte Binas-Preisendörfer. Das zeige sich auch, unabhängig von der betreffenden Studie, an dem großen Interesse am Musizieren. Unzählige Bands nehmen alljährlich an Wettbewerben teil, es gebe lange Wartelisten an Musikschulen – die größte Nachfrage bestehe derzeit nach Schlagzeug-Unterricht – und hohe Bewerber/innenquoten an Kunst- Norbert Niclauss, BKM und Daniel Best, Best Works bzw. Musikhochschulen. Und das obgleich sich die Einkommenssituation von Musiker/innen geradezu gegenläufig dazu verhält.[1] Neben der Identifikation mit der künstlerischen Tätigkeit wird als zweitwichtigstes Erfolgskriterium die Anerkennung innerhalb der eigenen Musikszene genannt. Das kann die Anerkennung von Kollegen sein, die zum Beispiel durch das „auf der Gästeliste stehen“ zum Ausdruck gebracht wird, oder auch die Resonanz in der Fachpresse bzw. den einschlägigen Medien. Für die befragten Musikerinnen lässt sich Erfolg weniger daran ablesen, ob man von seiner Tätigkeit leben kann. Demnach spielt für sie die ökonomische Dimension von Erfolg, die Profitabilität, die notwendigerweise für Verlage, Labels oder Veranstalter das wichtigste Handlungsmotiv ist, eine eher untergeordnete Rolle. Als professionell würden sich die Musikerinnen dennoch begreifen. Es werde deutlich, dass das Verständnis von Erfolg und Professionalität von Musiker/innen auf der einen Seite und das von Verwertern auf der anderen mit erheblichen Interessenskonflikten verbunden ist. Der Erfolg von Frauen in bestimmten Branchen kann, wie Binas-Preisendörfer meinte, ein Seismograph und ein Indiz für allgemeine Probleme sein. Im Bereich „Populäre Musik“ unterscheidet sie insgesamt drei Akteursgruppen: 1. Musiker: Für sie steht die künstlerische Selbstverwirklichung und Existenzsicherung im Vordergrund. 2. Hörer, Fans, Konzertbesucher: Ihnen geht es um Spaß, Emotionen, Sinn und Identität. 3. Musikwirtschaft: Für sie ist Musik ein Wirtschaftsgut, mit dem Gewinne zu erzielen sind. 30 Fördereinrichtungen für Musiker PLAN!POP09 Musik bedeute jeder dieser Akteursgruppen also etwas anderes, jede Gruppe verbinde andere Werte mit ihr. Dem entsprechend handeln sie ihre Interessen immer auch gegeneinander aus. Zeitgemäße Förderangebote müssten sich dieser Interessensunterschiede bewusst sein, so Binas-Preisendörfer. Sie sollten auf einer breiten und zugleich zielgenauen, d.h. an den oben genannten Interessen orientierten infrastrukturellen Basis stehen, um die KÜNSTLER verschiedenen aufeinander wirkenden Dimensionen „Musiker“, „Fans“ und „Verwerter“ im Bereich der „Populären Musik“ nachhaltig in ein ausgewogenes Verhältnis in Sozialisationsräumen und Märkten zu bringen. Binas-Preisendörfer ist der Ansicht, dass ab- Ralph Christoph, co pop gestimmte Anstrengungen der verschiedenen Politikfelder wie Kultur und Medien, Jugend, Arbeit, Bildung, Soziales, Justiz und Wirtschaft einen wichtigen Beitrag dazu leisten könnten. Verwerter und auch Veranstalter sollten es unterlassen, die schlechten Existenzbedingungen von Musiker/innen zur Durchsetzung eigener Interessen zu instrumentalisieren bzw. zu mißbrauchen. Abschließend wies sie darauf hin, dass nicht jeder Musiker zwangsläufig ein Profi im Sinne von Berufsmusiker werden will, aber jeder Musiker in sozialen Netzwerken steht, auf die es heute mehr denn je ankommt. Übersteigerte Hoffnungen auf Ruhm und Karriere, die der gesättigte Popmusikmarkt nur wenigen ermöglicht, seien für ihn weniger relevant. Die Umsetzung eines 360°-Modells, also die Besetzung aller Stufen der Wertschöpfungskette, überfordere Musiker. Erfolg im Musikbetrieb ließe sich nicht erzwingen. „Eine künstlerische Karriere basiert [...] zumindest im Grundsatz auf Erwartungen der Anerkennung und des Durchbruchs.“ Sie entstehe im Spannungsfeld von Obsessionen und deren Eingliederung in ein nach rationellen Kriterien funktionierendes System der Verwertung. 4.2 Beispielhafte Fördereinrichtungen Dem Impulsreferat von Binas-Preisendörfer folgte die Vorstellung zweier als beispielhaft geltenden Fördereinrichtungen. Norbert Niclauss, Referent des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, beschrieb die Initiative Musik, der er als Aufsichtsratsmitglied angehört. Nicole Braun stellte das Goethe-Institut vor, in deren Zentrale sie als Expertin für Musik tätig ist. 4.2.1 Initiative Musik Die Initiative Musik gGmbH wurde im Oktober 2007 gegründet. Als Fördereinrichtung für die deutsche Musikwirtschaft hat sie die Aufgabe, Musiker, Personen mit Migrationshintergrund und Musikunternehmen der Sparten „Rock“, „Pop“ und „Jazz“ zu fördern sowie populäre deutsche Musik im Ausland zu verbreiten. 2009 stehen dafür durch den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien zwei Millionen Euro bereit. 31 PLAN!POP09 Fördereinrichtungen für Musiker Über GEMA und GVL unterstützt die Musikwirtschaft die Initiative mit 360.000 Euro. Gesellschafter der Initiative Musik sind GVL und Deutscher Musikrat. In ihrem Förderangebot unterscheidet die Initiative Musik zwei Bereiche: Bei der Künstlerförderung müssen sich Künstler gemeinsam mit einem professionellen Partner aus der Musikwirtschaft bewerben. Dabei werden Fördermittel zwischen 10.000-30.000 Euro vergeben. Bei der Infrastrukturförderung müssen mindestens vier natürliche und/ oder juristische Personen an einem Projekt beteiligt sein. Gefördert wird mit bis zu 100.000 Euro. Für beide Programme muss ein Eigenanteil von mindestens 60 Prozent vorliegen. Bislang hat die Initiative KÜNSTLER Musik 126 Künstlerförderprojekte und 29 Infrastrukturförderprojekte bewilligt (Stand: Juni 2009). Welche Projekte gefördert werden, entscheidet ein 12köpfiger Aufsichtsrat, der mit Repräsentanten aus Politik und Musikwirtschaft paritätisch besetzt ist. www.initiative-musik.de 4.2.2 Goethe-Institut Das Goethe-Institut wurde 1951 als eingetragener Verein gegründet. Seitdem fördert es im Auftrag des Auswärtigen Amtes die Kenntnis der deutschen Sprache, pflegt die internationale kulturelle Zusammenarbeit und trägt das kulturelle, gesellschaftliche und politische Leben Deutschlands in die Welt. Netzwerke sollen aufgebaut und Nachhaltigkeit gewährleistet sein. Das Goethe-Institut verfügt jährlich über ein Budget von 230 Millionen Euro und ist mit 147 Instituten in 83 Ländern vertreten. Dabei versteht sich das Institut nicht als Exportbüro. Nicole Braun, Goethe Institut Bei dem Goethe-Institut gibt es in der Abteilung „Kultur und Information“ einen eigenen Bereich für Musik. Hier können Künstler Förderanträge stellen. Bei der Auswahl der zu fördernden Künstler bzw. Projekte wird der Bereich von einem Fachbeirat aus der Musikbranche unterstützt. Dieser setzt sich aus 14 Persönlichkeiten aus Musikwirtschaft und Medien zusammen. Im Musik-Bereich werden sowohl professionelle Musiker als auch Laienmusiker und der musikalische Nachwuchs gefördert. Ein zentrales Fördermittel für professionelle Musiker ist die Bereitstellung von Informationen im Internet über das deutsche Musikleben. Ein Portal widmet sich beispielsweise der neuen Musik aus Deutschland (NMAD), ein anderes der elektronischen Musik aus Deutschland (EMAD). In beiden werden auch Musikbeispiele als Podcasts angeboten. Bei der Projektentwicklung für Laien- und Nachwuchsmusiker stehen Begegnung und Dialog im Mittelpunkt. Dabei muss eine Einladung eines ausländischen Partners, z.B. einem Konzertveranstalter vorliegen. Das Goethe-Institut übernimmt dann eine Teilfinanzierung des Projektes zum Beispiel in Form eines Reisekostenzuschusses. So werden jährlich rund 300 Musikprojekte aller Stilrichtungen gefördert. www.goethe.de 32 PLAN!POP09 4.3 Fördereinrichtungen für Musiker Anmerkungen & Vorschläge 4.3.1 Förderangebote in Deutschland aus Sicht des Künstlers Ein Musiker muss viele administrative Hürden nehmen, um von Fördermaßnahmen profitieren zu können. Eine Herausforderung stellt bereits der Umgang mit Behörden und Ämtern dar sowie das Einreichen einer betriebswirtschaftlichen Bewerbung. Hier besteht ein erhöhter Beratungsbedarf. Online-Datenbanken, wie die des Goethe-Instituts, werden als gute Möglichkeit bewertet, den Bekanntheitsgrad deutscher Musiker im Ausland zu steigern. Deutsche Musiker sollten stärker in den ausländischen Medien, aber auch in der Deutschen Welle vertreten sein. Die Musiker müssen besser darüber informiert werden, wie sie ihre Medienpräsenz erhöhen können. Als weitere Möglichkeit wurde vorgeschlagen, gezielt ausländische Labelmanager und Booker zu deutschen Events einzuladen. Das ist meist kostengünstiger als die Veranstaltung von Showcases und Tourneen für internationale Auftritte. Generell problematisch ist, dass es in Deutschland keine klassische Exportförderung gibt wie z.B. in Holland, Frankreich oder Dänemark. Die Initiative Musik arbeite allerdings derzeit an einem Tourförderprogramm im Ausland. 4.3.3 Nachhaltigkeit durch Strukturförderung Nachhaltige Entwicklungen können am Besten mit Strukturförderprogrammen angeschoben werden. Damit Musiker von der Globalisierung, die mit der Verbreitung des Internets einhergeht, auch finanziell profitieren, gelte es, Verwertungs- und Produzentengesellschaften zu reformieren. Darüber hinaus sind Kommunikationsprobleme, die zwischen verschiedenen politischen Institutionen bestehen, zu beheben. An erster Stelle steht die Spitzenförderung, parallel dazu müssen kommunale Förderstrukturen geschaffen werden, mit Anknüpfungspunkten auf Landes- und Bundesebene. 4.3.4 Förderung für Profis und Amateure Förderprogramme dürfen sich nicht nur an Berufsmusiker und den ambitionierten Nachwuchs richten. Auch Hobbymusiker sind zu fördern. Grundsätzlich muss eine Frühförderung bei Kindern ermöglicht werden. Diese Aufgabe könnte zum Beispiel eine „Musikschule für alle“ übernehmen. 4.3.5 Stellenwert populärer Musik erhöhen Mit den Umsatzeinbußen im Tonträgermarkt hat sich die populäre Musik in den letzten Jahren von einem Nachfragemarkt zu einem Angebotsmarkt entwickelt. Dem entsprechend gestiegen ist der Wettbewerbsdruck unter den Musikern. Gesunken ist allerdings der Stellenwert der Popkultur in der deutschen Gesellschaft. Das muss geändert werden. Dabei darf sich die Popkultur aber nicht zu einem „Subventionsmonster“ wie der Klassikmarkt entwickeln. 33 KÜNSTLER 4.3.2 Stärkung des Bekanntheitsgrades deutscher Musiker im Ausland Nachhaltige Projektentwicklung PLAN!POP09 5. Künstler Nachhaltige Projektentwicklung Das am meisten verbreitete Projekt ist der Nachwuchswettbewerb. Dieser läuft meist nach dem Einheitsschema „Band auf die Bühne, Publikum rein, Geld kassieren, Saubermachen“ ab. Dabei können aus Wettbewerben durchaus effektive Förderprojekte entstehen, die Musikern Business-Kontakte und notwendiges Know-how KÜNSTLER vermitteln. Gerade Musikern, die am Anfang ihrer künstlerischen Laufbahn stehen, bieten Wettbewerbe große Vernetzungschancen. In Deutschland gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Nachwuchswettbewerbe. Doch welchen Nutzen haben sie, wenn sich ihnen keine Fördermaßnahme anschließt? Wie sollten die einzelnen Projekte gestaltet sein, um Musiker und Bands nachhaltig zu unterstützen? Und welche Entwicklungsperspektiven gibt es für Musikförderprojekte? Mit diesen Fragen beschäftigte sich das von Pierre Seidel (Popbüros BadenWürttemberg) moderierte Panel „Nachhaltige Projektentwicklung – Musikwettbewerbe, Künstler-Coaching und andere Methoden“. 5.1 Wie kann Nachhaltigkeit gewährleistet werden? Henning Rümenapp vom Forum für PopKultur Niedersachsen hob in seinem Impulsreferat hervor, dass eine flächendeckende Bestandsaufnahme von Förderprojekten in Deutschland und deren Ordnung nach unterschiedlichen Merkmalen besonders wichtig sei. Als Merkmale eigneten sich die Förderpyramide mit einer Gliederung von Breiten- bis Spitzenförderung, der Förderzeitstrahl und die Förderlandkarte. Coaching-Angebote haben in den letzten Jahren gegenüber Wettbewerben stark an Bedeutung zugenommen, bemerkte Rümenapp. Das bedeute aber nicht, dass Coachings generell für alle Bands die beste Lösung sind. Es sei sinnvoll, dass Fördermaßnahmen aufeinander aufbauen. Dafür müssten die einzelnen Anbieter über bestehende Projekte und Maßnahmen informiert sein. Auffällig sei, dass eine Verbindung Henning Rümenapp, Forum PopKultur Niedersachsen zwischen der Spitzen- und der Nachwuchsförderung fehlt. Vor allem mangele es an Angeboten, die auf die Bedürfnisse von Semiprofis angepasst sind. Hier gehe es zum Beispiel um die Förderung bei Tourneen, Band-Bussen und Booking. Idealerweise bestehe eine breite Palette an Angeboten, aus der Bands die zu ihrem Bedarf passenden wählen können. Eine weitere Voraussetzung für nachhaltige Förderprojekte sei, dass für jedes Projekt eine ehrenamtliche und hauptamtliche Kraft durchgängig als Ansprechpartner zur Verfügung steht. 34 PLAN!POP09 Nachhaltige Projektentwicklung Nach Rümenapp zeichnen sich nachhaltige Förderprojekten aus durch: • konstruktives und fachliches Feedback – Dieses wird immer gewünscht und eingefordert. Dabei sollten Anregungen für die Zukunft gegeben werden und Visionen entstehen. • Know-How-Vermittlung – Diese muss bedarfsgerecht sein und den Bands auch nach dem Projekt zur Verfügung stehen. darfsgerechte Betreuung zu ermöglichen. • Netzwerkbildung, Chancengleichheit und Eigenverantwortung der Teilnehmer 5.2 Beispielhafte Förderprojekte Anselm Kluge (Popkurs Hamburg), Markus Graf (LAG Rock & Pop Rheinland-Pfalz) und Marleen Mützlaff (Deutscher Musikrat) klärten über das Angebot der von ihnen vertretenen Förderangebote auf. 5.2.1 Popkurs in Hamburg Der Popkurs Hamburg besteht seit 1982 und ist Vorreiter der Popmusikausbildung in Deutschland. 50 Sänger und Instrumentalisten, Songwriter und Performer können jährlich an dem berufsbegleitenden Crashkurs teilnehmen. Sie müssen ein zweistufiges Auswahlverfahren bestehen: 1. Anhand von eingereichten Demo-Aufnahmen wird eine Vorauswahl getroffen. 2. Bei einem Live-Vorspiel wird schließlich entschieden, wer teilnehmen kann. Der Popkurs besteht aus einer Arbeitsphase von ca. 3 Wochen jeweils im März und August. Die Kreativität der Teilnehmer, die Entwicklung des Talents und die Arbeit am eigenen Material stehen im Zentrum des Kurses. Aber auch Know-how über das Musikbusiness wird vermittelt. Am Popkurs haben unter anderem teilgenommen: Wir sind Helden, Seeed, Revolverheld, Die Happy, Fury in the Slaughterhouse und Rosenstolz. Anselm Kluge, Popkurs www.popkurs-hamburg.de 5.2.2 Rockbuster in Rheinland-Pfalz Der Rockbuster existiert seit 1986 und ist der bedeutendste rheinland-pfälzische Nachwuchswettbewerb für Rock- und Popmusik. Er richtet sich an Bands und einzelne Musiker. Seit 1995 wird der Wettbewerb von der LAG Rock & Pop Rheinland-Pfalz e.V. im Auftrag der Landesregierung und mit Unterstützung des SWR veranstaltet. Der Wettbewerb besteht aus drei Stufen: Anhand von Demo-Aufnahmen wird entschieden, wer zu den fünf Live-Vorentscheidungen eingeladen wird. Dort entscheidet sich, wer am Finale, dem Rockbuster, 35 KÜNSTLER • Gruppenstruktur – Die Prioritäten und Ziele der Bandmitglieder müssen geklärt werden, um eine be- Nachhaltige Projektentwicklung PLAN!POP09 teilnimmt. Die besten drei Bands werden in das Förderprogramm der LAG Rock & Pop aufgenommen. Sie erhalten Sachleistungen im Wert von rund 20.000 Euro. Dazu gehören unter anderem ein Coaching und eine CD-Produktion. www.rockbuster.de 5.2.3 Popcamp in Deutschland Das Popcamp wird seit 2005 von der Projektgesellschaft des Deutschen Musikrates durchgeführt und vom KÜNSTLER Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien gefördert. Initiator des „Meisterkurses für Populäre Musik“ ist Prof. Udo Dahmen, Aufsichtsratsmitglied des Deutschen Musikrat und Direktor der Popakademie Baden-Württemberg. Fünf hochtalentierte Bands bzw. Musiker erhalten in drei Arbeitsphasen über jeweils eine Woche mit Experten aus der Musikwirtschaft eine individuelle und bedarfsgerechte Förderung. Dazu gehört auch die Erstellung eines electronic press kits (EPK) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Rockmusikstiftung. Die Teilnehmer können sich nicht bewerben, sondern nur von ausgewählten Institutionen wie Landesmusikräte, Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung, Vereine und Verbände sowie Wettbewerbe und Medien nominiert werden. Aus den Nominierten werden anhand von Demo-Material und Internet-Auftritt in einem ersten Schritt acht Bands bzw. Musiker ausgewählt. Bei einem Live-Gig wird schließlich entschieden, wer von ihnen am PopCamp teilnehmen kann. www.popcamp.de 5.3 Das Förderangebot betreffende Fragen 5.3.1 Ausrichtung auf Bands oder einzelne Musiker? Die vorgestellten Fördermaßnahmen unterscheiden sich bzgl. ihrer Zielgruppe. Während der Popkurs Hamburg einzelne Musiker fördert, richten sich Popcamp und Rockbuster vorwiegend an Bands. Hier stellt sich die Frage, ob immer nur die Band als ganzes oder aber auch einzelne Band-Mitglieder mit ihren individuellen Bedürfnissen gefördert werden. Bei Band-Coachings sollten die Ziele der einzelnen Bandmitglieder hinterfragt werden. Wenn sich diese zu stark unterscheiden, sollten Bands Konsequenzen ziehen. In diesem Fall kann das Auflösen einer Band auch eine Form von Förderung sein, obgleich das sicherlich eine Ausnahme darstellt. In bestimmten Fällen, ist es sinnvoll, einzelne Bandmitglieder stärker zu fördern und ihnen die Möglichkeit zu geben, gemeinsam mit anderen Musikern neue Projekte zu realisieren. 36 von links nach rechts: Henning Rümenapp, Forum PopKultur Niedersachsen / Marleen Mützlaff, Deutscher Musikrat / Pierre Seidel, Popbüro Region Stuttgart / Anselm Kluge, Popkurs / Markus Graf, LAG Rock & Pop RheinlandPfalz e.V. PLAN!POP09 Nachhaltige Projektentwicklung Man sollte ehrlich zu den Bands sein und ihnen offen mitteilen, wenn sie keine Zukunft haben. Nur so kann vermieden werden, dass durch Fördermaßnahmen Bands künstlich am Leben gehalten werden, die sich sonst längst aufgelöst hätten. 5.3.2 Gebührenpflichtig oder nicht? Auf diese Frage gibt es keine eindeutige Antwort. KÜNSTLER Auf der einen Seite sollte man Musikern unbedingt von Coachings abraten, die viel Geld kosten. Die meisten Bands sind einem enormen Konkurrenzdruck ausgesetzt. Es gibt unseriöse Anbieter, die die schwierige Situation der Bands ausnutzen und mit falschen Versprechungen locken. Es wäre wünschenswert, in einer Übersicht über seriöse und nicht seriöse Angebote aufzuklären. Ein erster Ansatz ist der Förderatlas, den der VUT für die Initiative Musik erstellt. Pierre Seidel, Popbüro Region Stuttgart Auf der anderen Seite sind Teilnehmergebühren nicht grundsätzlich abzulehnen. Sie können ein Zeichen für die Qualität des Förderangebots sein und eine moralische Bindung bei den Bands erzeugen. Durch das Erheben einer Teilnahmegebühr kann gewährleistet werden, dass nur Bands, die wirklich engagiert sind, das Förderangebot wahrnehmen. Aus diesem Grund wird beim Popcamp beispielsweise pro Band eine Teilnehmergebühr von 500 Euro erhoben. Der finanzielle Aufwand für den Meisterkurs ist weitaus höher und läßt sich damit nicht ansatzweise tragen. 5.3.3 Bedeutung von „Jugend musiziert“ Im 46. Bundeswettbewerb für das „instrumentale und vokale Musizieren der Jugend“ wird 2009 erstmalig eine Pop-Kategorie eingeführt. Dieses Jahr haben Nachwuchs-Bassisten die Möglichkeit, ihr Können unter Beweis zu stellen. 2010 wird als Pop-Kategorie Pop-Gesang und 2011 Drumset und Gitarre vertreten sein. Die Bedeutung des Wettbewerbs für Instrumentalisten wird als gering eingeschätzt. Denn die meisterhafte Beherrschung des Musikinstruments bzw. der Stimme ist bei der Popmusik nicht so ausschlaggebend wie in der Klassik bzw. zeitgenössischen Musik. Bemängelt wird, dass zum einen keine Möglichkeit besteht, einzelne Musiker zusammenzubringen, und zum anderen es keine langfristige Förderung nach dem Wettbewerb gibt. Nur der Förderpreis für Singer/ Songwriter, wie er 2008 vom Landesmusikrat Niedersachsen angeboten wurde, scheint sinnvoll. Der Landesmusikrat lud zehn Jugendliche im Alter zwischen 15 und 20 Jahren zu einem Coaching in die Landesmusikakademie Wolfenbüttel ein. 37 Nachhaltige Projektentwicklung PLAN!POP09 5.3.4 Wirkung & Nebenwirkung von Coachings Bands und Musiker haben die Möglichkeit, Kontakte zu bekannten Persönlichkeiten der Musikbranche zu knüpfen, mit denen sie innerhalb eines Coachings eng zusammenarbeiten. Bei einem musikalischen Coaching besteht immer die Gefahr, dass eine Band den Stil des Dozenten übernimmt, ohne dies zu hinterfragen. Wie viel letztlich aber übernommen wird, liegt in der Eigenverantwortung der Bands. KÜNSTLER Unproblematischer ist die Beratung bei Fragen über zum Beispiel Steuerrecht, Urheberrecht und Eigenvermarktung, bei denen viele Bands Defizite aufweisen. 5.3.5 Fazit Für das Aufbauen nachhaltiger Förderprojekte ist folgendes zu beachten: Es muss einen festen Ansprechpartner für das Projekt geben. Die Angebote sollten vielfältig und bedarfsgerecht sein sowie auf verschiedenen Ebenen sinnvoll ineinandergreifen. Dies funktioniert nur, wenn die Projekte inhaltlich auf einander abgestimmt sind. Dafür sind Netzwerke und Wissensaustausch von besonderer Bedeutung. Ein bedarfsorientiertes Coachen ist immer einem starren Förderprogramm vorzuziehen. 38 PLAN!POP09 Aus- Fort- & Weiterbildung 6. Künstler Aus-, Fort- & Weiterbildung Bilden Popmusik und Studium einen Widerspruch? Keineswegs, wie aus den unterschiedlichen Aus-, Fort- und Weiterbildungsangeboten im populären KÜNSTLER Musikbereich geschlossen werden kann. Unterscheiden lassen sich künstlerische und kaufmännische sowie staatlich anerkannte und nicht anerkannte Angebote.� In dem Panel wurde diskutiert, welche Vorteile ein Studium bzw. eine Ausbildung im populären Musikbereich bringt. Wer braucht welche Aus-, Fort- bzw. Weiterbildung? Welche künstlerischen und welche Bernd Schweinar, Rock.Büro Süd kaufmännischen Ausbildungen braucht die Musikbranche? Werden mehr Ausbildungs- und Studienplätze angeboten, als Absolventen schließlich auf dem Markt gebraucht werden? Und wie wichtig ist die flächendeckende Fort- bzw. Weiterbildung von Künstlern, gerade in einer Zeit, in der Eigenvermarktung und -management zum elementaren Fundament einer Karriere werden? Darüber sprachen Klaus Metz (Modeschule Esmod, Berlin), Prof. Udo Dahmen und Prof. Hubert Wandjo (Popakademie Baden-Württemberg), Prof. Anselm Kluge (Hochschule für Musik und Theater, Hamburg), Jens Klopp (Institut für Kultur- und Medienmanagement, Hamburg), Bernd Schweinar (Rock.Büro SÜD), Sebastian Schwerk (Scheune Akademie, Dresden) und Michèle Claveau (ebam Akademie). Es moderierte Theo Geißler (Neue Musikzeitung). 6.1 Blick über den Tellerrand: Internationale Modeschule esmod esmod ist eine internationale Modeschule mit weltweit mit 21 Standorten in neun Ländern. In einer Ausbildung werden das Entwerfen und Herstellen von Kleidung vermittelt. Zu den Dozenten gehören hochkarätige, international tätige „Kreateure“ der Modewelt, erklärte Klaus Metz von der Modeschule esmod Berlin in seinem Impulsreferat. Auf Praxisbezug werde großen Wert gelegt. So fänden ergänzend zur Theorie Workshops mit den „kreativen Köpfen“ von Modefirmen statt. Es gebe zahlreiche Kooperationen mit der Wirtschaft, aber auch mit dem Tourismus- und Veranstaltungsbereich. Am Ende der Ausbildung stehe die Präsentation der Arbeiten der Absolventen vor einer fachkundigen Jury. www.esmod.de * Es gibt eine Vi -Studien gang „Popmusikdesign“ an der Popakademie Baden-Württemberg. Im kaufmännischen Musikbereich gibt es zwei staatlich anerkannte Ausbildungsberufe: den Kaufmann für Audiovisuelle Medien und den Veranstaltungskaufmann. Bei den Studienangeboten hat die Popakademie mit ihrem Studiengang „Musikbusiness“ ein Alleinstellungsmerkmal. Das private Ausbildungsangebot ist vielfältig, dafür aber in der Regel nicht staatlich anerkannt. 39 Aus- Fort- & Weiterbildung 6.2 PLAN!POP09 Staatlich anerkannte Studienangebote 6.2.1 Popakademie Baden-Württemberg, Mannheim Die Popakademie Baden-Württemberg hat den Status einer staatlichen Hochschule und wird über ein Public Private Partnership finanziert. Das Land Baden-Württemberg und die Stadt Mannheim sind mit 75 Prozent Mehrheitseigner der Popakademie Baden-Württemberg GmbH. Darüber hinaus sind der SWR, Universal Music, eine Mannheimer Unternehmensgruppe um Radio Regenbogen und die Landesanstalt für Kommunikation KÜNSTLER Baden-Württemberg beteiligt. Weitere Geldgeber sind Ministerien und die Europäische Union. Ein Drittel der Mittel wird durch Sponsoring aufgebracht. Die Arbeit der Popakademie Mannheim gliedert sich in drei Kernbereiche: Qualifizierung: Hierzu gehören die Bachelor-Studiengänge „Popmusikdesign“ und „Musikbusiness“ sowie der Weiterbildungsbereich mit Seminaren, Bandpool und Internationalisierung. Verwertung: Die Popakademie hat ein Label, einen Verlag und eine Booking-Agentur. Sie bilden eine Plattform für Projekte innerhalb des Studiums „Musikbusiness“. Darüber hinaus engagiert sich die Popakademie in den Bereichen Regionalentwicklung, Forschung, Kongresse, Popförderung und Existenzgründung. Projekte: Als Projekte werden unter anderem die School of Rock, das Summer Camp, die Internationale Songwriter-Werkstatt, der Club Award und das popforum.de realisiert. www.popakademie.de 6.2.2 Institut für Kultur- und Medienmanagement, Hamburg Der Studiengang Kultur- und Medienmanagement in Hamburg kann sowohl im Präsenz- als auch im Fernstudium absolviert und mit Bachelor und Master abgeschlossen werden. Das Curriculum zeichne sich durch ein ausgewogenes Angebot an Pflicht- und Wahlpflicht-Veranstaltungen sowie einen intensiven Transfer zwischen Theorie und Praxis aus, erklärte Jens Klopp, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kultur- und Medienmanagement der Hochschule für Musik und Theater Hamburg mit dem Schwerpunkt „Fernstudiengänge“. www.kulturmanagement-hamburg.de 6.3 Weiterbildungsangebote 6.3.1 Popkurs Hamburg Den Popkurs Hamburg gibt es seit 1982. Er besteht aus zwei dreiwöchigen Arbeitsphasen, an denen rund 50 Sänger und Instrumentalisten, Songwriter und Performer teilnehmen. Im Zentrum stehen die Kreativität der Teilnehmer und die Weiterentwicklung ihres Talents. Künstler mit verschiedenen musikalischen Hintergründen werden zusammengebracht, damit sie sich in ihrer Kreativität und Produktivität gegenseitig beflügeln. www.popkurs-hamburg.de 40 PLAN!POP09 Aus- Fort- & Weiterbildung 6.3.2 Rock.Büro SÜD Das Rock.Büro SÜD ist seit 20 Jahren Szenedienstleister für Künstler, Labels, Verlage, Medien und Kulturpolitik. Ein Schwerpunkt der Arbeit liegt im Know-how-Transfer. Das Rock.Büro SÜD bildet seit 1991 Club- und Open-Air-Veranstalter in Kompaktseminaren fort. Gleiches wird für Existenzgründer im Bereich Indielabels und Musikmanagement angeboten. Ein Nachfragerenner sind auch dezentrale Musiker-Qualifizierungsworkshops (GO PROFESSIONAL) mit jährlich rund 70 Musikbusiness-Workshops in 20 Städten, wo erfolgreiche Praktiker Mit jährlich gut 50 Mädchenmusikworkshops wird seit 1996 auch kontinuierlich daran gearbeitet, mehr junge Frauen an das Genre heranzuführen. Weiter erfolgreiche Projektansätze wurden mit Musikbusiness-Projektwochen an Schulen erzielt. Das Online-Portal www.allmusic.de ist als fachkompetente Informationsbörse hoch frequentiert. 2000 wurde ein Online-Beratungsforum für Kreative eingerichtet und 2009 die Seite www.gematipps.de mit Praxishilfen für Autoren und Veranstalter. www.pop-netz.de 6.3.3 Scheune Akademie Dresden Im Herbst 2008 hat die Dresdner Scheune die Akademie ins Leben gerufen. Mit Weiterbildungsangeboten und Netzwerkarbeit soll dem interessierten Branchennachwuchs der Weg ins Musikgeschäft geebnet werden. Wichtigste Veranstaltung ist dabei die Workshopreihe „Musikwirtschaft“. Darin vermitteln Profis aus der Independentszene Grundlagen über die Musikwirtschaft. Auf dem Programm stehen Themen wie Musikverlag, Urheberrecht, Labelarbeit, digitaler Vertrieb, Promotion, Booking, Festival Marketing, Existenzgründung und Künstlersozialkasse. Die Scheune Akademie setzt sich für eine Vernet- von links nach rechts: Klaus Metz, ESMOD Berlin / Sebastian Schwerk, Scheune Dresden zung und Förderung der sächsischen Musik-Szene ein. Ziel ist es, ein Netzwerk unabhängiger Labels, Booker, Manager und Verlage, die in Sachsen mit wenig ausgeprägten Strukturen und wenig Kapital arbeiten, aufzubauen. Um mehr Anerkennung und bessere Förderprogramme zu erreichen, wurde 2009 der erste Fachtag zur Förderung von Pop- und Rockmusik veranstaltet. Regelmäßige Treffen sollen folgen. www.scheuneakademie.de 6.3.3 ebam Akademie Die in München ansässige Business Akademie für Medien, Event & Kultur – kurz ebam – ist ein rein privatwirtschaftlich organisiertes Unternehmen. Unterrichtsangebote gibt es in Deutschland, Österreich und Schweiz. 41 KÜNSTLER aus der Musikindustrie als Referenten zu den Künstlern kommen. Aus- Fort- & Weiterbildung PLAN!POP09 Die Kurse sind überwiegend berufsbegleitend und praxisorientiert. Es wird ausschließlich mit Referenten, die in dem entsprechenden Thema eine langjährige Berufspraxis vorweisen können, zusammen gearbeitet. Die Kurse finden in kleinen Gruppen zwischen 10 und 20 Teilnehmern mit ausgearbeiteten Schulungsunterlagen statt. Das Bildungsprogramm ist modular aufgebaut. ebam bietet unter anderem zwei Diplom-Lehrgänge Music Business Manager und Eventmanager sowie eine Ausbildung zum Musikkaufmann an. Der ebam Akademie gehören ein Label und ein Verlag an. www.ebam.de KÜNSTLER 6.4 Anmerkungen & Vorschläge Aus dem Publikum kam der Hinweis, dass auf dem Markt explosionsartig mediale und popmusikalische Aus-, Fort- und Weiterbildungsangebote entstanden seien. Die gingen allerdings an den Strukturen „klassischer, traditioneller Formate“ der Musikhochschulen, Universitäten und Landesmusikakademie vorbei. Obwohl die historisch gewachsenen Hochschulangebote mit einer relativ auskömmlichen Finanzstruktur ausgestattet seien, hinkten sie vielen neuen Angeboten hinterher. Deshalb wurde angeregt, neue Studiengänge zu schaffen. An der Hochschule für Musik und Theater Hannover sei beispielsweise unlängst der von links nach rechts: Michèle Claveau, ebam / Prof. Hubert Wandjo, Popakademie Baden-Württemberg GmbH Studiengang „Popular Music“ eingerichtet worden. Außerdem wurde angeregt, im Popausbildungsbereich branchenübergreifender zu arbeiten. Kooperationsprojekte zwischen den kreativen Branchen wie Musik, Mode und Film sollten geschaffen werden. An 50 Standorten werde in Deutschland zum Veranstaltungskaufmann ausgebildet. Hier gebe es eine gute Vernetzung. Es wurde dafür plädiert, dass Berufsschulen Teil eines Popförder-Netzwerkes werden sollten. Die Lehre in den Ausbildungsbetrieben bewertete ein Panel-Teilnehmer als sehr praxisorientiert, in der Berufsschule werde wiederum intensiv auf Projektbasis gearbeitet. 42 Wirtschaft 7. Musik als Standortfaktor 8. Live-Musik in Deutschland 9. Kreativquartiere und Szene-Dienstleister 43 Musik als Standortfaktor PLAN!POP09 7. Wirtschaft Musik als Standortfaktor Musik ist für viele Städte und Regionen ein wichtiger Standortfaktor. Welche Bedeutung haben weiche Standortfaktoren wie Clubkultur, Festivals und Künstler für die Attraktivität von Creative Cities? Welche wirtschaftlichen und welche kulturpolitischen Rahmenbedingungen sind für die Musikunternehmen vor Ort wichtig? Wie könnte eine zukunftsweisende Standortentwicklung in den Ländern, Kommunen und Städten aussehen? Wie müssen einzelne „Musik Hot Spots“ beschaffen sein, um Musikschaffende und Standort gleichermaßen zu stärken? Das waren Paul Woog, Popbüro Region Stuttgart die zentralen Fragen des Panels „Musik als StandortWIRTSCHAFT faktor – Wie hart umkämpft sind weiche Standortfaktoren?“. Zu den Teilnehmern gehörten Johannes Everke (Hamburg Marketing), Prof. Dieter Gorny (Initiative Musik), Sven Harpering (Berlin Partner), Daniel Kempf (Immergut Festival), Alex Schulz (Reeperbahnfestival Hamburg), Andreas Welskop (Zughafen Erfurt) und Paul Woog (Popbüro Region Stuttgart). Die Leitung hatte Mike Heisel (mpag). 7.1 Kultur als treibende Kraft einer Stadt In der Metropolen-Debatte werde mittlerweile erkannt, dass Kultur ein wichtiger Standortfaktor ist, begann Prof. Dieter Gorny sein Impulsreferat. Kulturelle Identitäten sorgten dafür, dass urbane Ballungszentren attraktiv bleiben, so der Aufsichtsratsvorsitzende der Initiative Musik gGmbH und Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands Musikindustrie e.V.. Doch die populäre Musik als Identität stiftende Kultur, als ökonomischer Faktor und als Standortfaktor habe es dabei längst nicht so weit gebracht wie die klassische Musik. Wenn es um das Engagement Hamburgs für den Standortfaktor Musik geht, falle den meisten die Elbphilharmonie ein, in Bochum ist es die Debatte um den Neubau des Konzerthauses und in Essen der Neubau des Folkwang-Museums. Mit den Beispielen will Gorny verdeutlichen, dass der Standortfaktor Musik sehr einseitig besetzt ist. Das habe eine bestimmte Tradition, an der aber nicht festgehalten werden darf. Als Begründung zieht Gorny eine These der Urbanistin Elizabeth Currid heran, die in ihrem Buch „The Warhol Economy“ darstellt, wie Fashion, Musik und Kunst die Stadt New York antreibt und zum Motor der Geldvermehrung wird. „Früher schlossen Manager ihre Deals bei einer Runde Golf und einem Glas Martini ab, heute Mike Heisel, Aufsichtsrat der Initiative Musik gGmbH 44 werden die großen Deals bei Galerie-Eröffnungen und Modeschauen getätigt“, zitiert Gorny aus Cur- PLAN!POP09 Musik als Standortfaktor rids Buch. Diese Events verwandeln Kreativität in Geld und Karrieren. Gorny meint, dass es nicht mehr reiche, Konzert- und Opernhäuser zu schaffen – das gehöre zum Portfolio jeder Stadt. Viel bedeutender sei eine Offenheit für freie Strukturen, neue Talente, und Technologien.“ Eine Stadt, die das aufzubauen vermag, wird wie New York zum Schmelztiegel. Gorny baut seine These auf die Richard-Florida-Theorie auf (vgl. Kapitel 9.1). Diese besagt, dass sich die „Kreative Klasse“ eher in Ballungszentren ansiedelt, in der Talent, Technologie und Toleranz herrschen. Investitionen in alte Strukturen haben keine Zukunft, wie das Ruhrgebiet zeige. Dessen 53 Städte sollen 2010 zu Europas Kulturhauptstadt werden. Gorny selbst ist daran als Direktor für Kreativwirtschaft der Europäischen Kulturhauptstadt Ruhr 2010 beteiligt. „Diese Region hat sich mit Millioneninvestitionen hervorragende kulturelle Einrichtung aufgebaut“, berichtete er. Es gebe unzählige Museen und fünf Opernhäuser. Doch trotz allem kulturellen Engagement wurde in einer Studie der Universität BoProf. Dieter Gorny, Initiative Musik gGmbH derung größer sei und das Durchschnittsalter stärker steige als im übrigen Deutschland. Daran werde deutlich, dass das reine Investment in etablierte Strukturen nicht mehr in der Lage ist, jüngere Bürger, die man braucht, um Zukunft zu gestalten, zu halten, geschweige denn anzuziehen. Die kulturelle Debatte müsse auf Bereiche ausgeweitet werden, die wie die populäre Musik ökonomischen Rahmenbedingungen gehorchen, sagte Gorny. Diese Bereiche nur deshalb nicht zu fördern, weil sie wirtschaftlich funktionieren, hält Gorny für einen Fehler. „Wenn Ballungsräume gewinnen wollen, geht das nicht mehr ohne das Einbeziehen der so genannten freien Kulturproduzenten, d.h. der Kreativwirtschaft.“ Bezogen auf die Musik bedeute dies: „Wir können Konzert- und Opernhäuser bauen, so viel wie wir wollen, den Konkurrenzkampf um Zuwanderung können wir aber nur gewinnen, wenn wir die Schere zwischen freien und etablierten Strukturen verringern!“ 7.2 Hamburg – Mit Toleranz, Talent und Technik wachsen „Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hat sich die Förderung der Kreativwirtschaft auf die Fahnen geschrieben“, so Johannes Everke, Projektleiter der Hamburg Marketing GmbH. Die Stadt wolle wachsen und das gelinge nur, wenn sie für die impulsgebende „Creative Class“ aus Machern und Meinungsbildnern attraktiv sei. Musik spiele dabei eine große Rolle, so Everke. Denn Hamburg werde positiv mit Musik und Kreativwirtschaft verbunden. Die Kommunikation dieser Themen trage zur Schärfung des Bildes von Hamburg bei. Dem Standortmarketing vieler Städte Europas, auch dem der Hansestadt, liege die bereits erwähnte Theorie von Richard Florida zugrunde. Über eine authentische und positive Darstellung der Stärken einer Stadt werde deren Markenbild profiliert und damit eine Unterscheidbarkeit zu anderen Städten erreicht. Gemeinsam mit diesem unverwechselbaren Markenbild werden dann noch die drei „Ts“ von Florida transportiert, die die Standortqualität für die „Creative Class“ ausmachen und somit Menschen vom Standort überzeugen können. Das erste „T“ steht für Toleranz und damit für ein Umfeld, das für den individuellen Lebensentwurf offen ist. 45 WIRTSCHAFT chum bemerkt, dass das im Ruhrgebiet die Abwan- PLAN!POP09 Musik als Standortfaktor Das zweite „T“ steht für Talent, also für ein Umfeld, in dem man Gleichgesinnte trifft und die persönlichen Anlagen entwickeln kann. Und das dritte „T“ steht für Technologie, das heißt für ein Umfeld, das die Infrastruktur bietet, um die eigenen Ideen zu entwickeln und zu verwirklichen. 7.3 Stuttgart – Stärken von Standorten herausarbeiten „Wir koordinieren 12 Regionen in Baden-Württemberg mit einem Volumen von 300.000 Euro pro Jahr und betreiben Wirtschafts-, Kultur- und Jugendförderung in der Region Stuttgart mit jährlich 500.000 Euro“, berichtete Paul Woog, Leiter des Popbüro Region Stuttgart und Koordinator der Popbüros Baden-Württemberg. Darüber hinaus investieren die regionalen Popbüros und Partner der Popmusikförderung maßgebliche Beiträge und Ressourcen in die Projekte. Allein im Popbüro Region Stuttgart seien 14 Personen beschäftigt. Woog stellte fest, dass Standortentwicklung oft mit Standortmarketing verwechselt wird. „Wenn ich mich um einen Standort kümmere, geht es um Authentizität. Ich kann nicht verkaufen, was es nicht gibt. Nicht jeder Standort kann der Beste sein. Ob Berlin oder Hamburg besser ist, führt nicht zum Ziel.“ Stattdessen gelte es die Profile des jeweiligen Standortes herauszuarbeiten, dabei sei der jeweilige Charakter hervorzuheben. „Hamburg hat einen Handelscharakter, da gibt es viele Labels und eine große Live-Szene. München ist für mich Verlagsstandort. WIRTSCHAFT Berlin ist freie Künstlerszene.“ Diese Profile könne man schärfen, um einen Standort stark zu machen. Es dürfe nicht primär um eine Standortkonkurrenz gehen. Das betreffe nicht nur Städte, sondern auch Flächenländer. In Stuttgart gebe es keine große Independent Szene, dafür viele Unternehmen im Film- und Musikbereich, die sehr wirtschaftsorientiert insbesondere für Werbung und Industrie produzieren. 7.4 Berlin – Kreativwirtschaft als Innovationstreiber für andere Sektoren „Die Städte konkurrieren um qualifizierte Angestellte, Steuereinnahmen und Einwohnerzahl“, sagte Sven Harpering, Berater im Bereich Kreativwirtschaft der Berlin Partner GmbH. Städte wünschen sich junge und gut ausgebildete Arbeitskräfte aus Deutschland. Generell werde angenommen, so Harpering, dass Kreative genau diesem Schema entsprechen, weshalb der Wettbewerb um sie entsprechend groß sei. Wachstumschancen und Innovation werden fast nur noch in der Kreativwirtschaft gesehen. Immer mehr Städte buhlen um die Gunst der Kreativen, um ihr Image aufzuwerten und ihre Leistungsfähigkeit zu steigern. Aber erstaunlicherweise wüssten sie nicht, was die Kreativen brauchen, meint Harpering. Das seien unter anderem günstige Mieten, sichere Arbeitsplätze und Infrastruktur. In Berlin sei das nur bedingt vorhanden. Sven Harpering, Berlin Partner GmbH Die Mehrheit in der Branche sind zwar Kleinstunter- nehmen, die nur unsichere Beschäftigungsverhältnisse mit geringen Gehältern bieten, doch mit ihrer Angestelltenzahl tragen sie positiv zur Gesamtbeschäftigtenzahl der Region bei. Darauf würden alle spekulieren, 46 PLAN!POP09 Musik als Standortfaktor meint Harpering. Er ist der Ansicht, dass die Wirtschaftkraft des Kreativbereichs überschätzt werde. Dennoch habe die Kreativwirtschaft als Innovationstreiber für andere Sektoren einen hohen Stellenwert. 7.5 Neustrelitz – Immergut Festival „In Mecklenburg-Vorpommern gibt es wenig Musikkultur, keine Printmedien und kaum Clubs“, klagte Daniel Kempf. Um das zu ändern, hat er das Immergut Festival ins Leben gerufen. Er ist auch Mitbegründer des Immergutrocken e.V., der als gemeinnütziger Verein das Festival organisiert. Vor zehn Jahren gab es eine kleine Unterstützung durch die Stadt, doch als das Festival im dritten Jahr das erste Mal ausverkauft war, wurde diese gestrichen, berichtete Kempf. „Wir sind komplett auf uns alleine gestellt. Wir sind vier Leute im Vorstand und sechs im Beirat.“ Der Ver- Daniel Kempf, Immergutrocken e.V. Grundstruktur aufgebaut werden für Musik, das fängt schon bei den Medien an, da passiert im Moment recht wenig. Wir brauchen mehr gute Clubs nicht nur in Rostock, sondern auch in den vielen anderen Städten in Mecklenburg-Vorpommern.“ www.immergutrocken.de 7.6 Erfurt – Infrastruktur durch Künstler und Labels „Erfurt ist eine Landeshauptstadt, in der nichts passiert“, stellte Andreas Welskop, Geschäftsführer der Zughafen Musikproduktion und Management, fest. Infrastrukturen haben sich die in Erfurt ansässigen Labels First Decade und Zughafen selbst aufgebaut. Das seien die einzigen, die am Standort wirklich etwas bewegen, so Welskop. „Wir haben ein Umfeld um den Künstler Clueso gebaut, der alles selbst macht, von der Musik bis hin zum Vertrieb. Unsere Crew besteht aus 25 Leuten, die fast alle aus der Region kommen.“ Mit der von Zughafen aufgebauten Infrastruktur würden auch andere Künstler gefördert. „Alin Cohen aus Weimar zum Beispiel hat ihre ersten Aufnahmen bei uns gemacht, nachdem sie vom Popkurs Hamburg kam.“ 7.7 Beispiel aus Hamburg – Reeperbahn Festival 2006 hatte das Reeperbahn Festival Premiere. Es ist eine reine Publikumsveranstaltung für Popular- Musik, berichtete Alexander Schulz, Geschäftsführer der Reeperbahn Festival GbR. Gesellschafter sind die Inferno Events GmbH & Co. KG, deren Geschäftsführer ebenfalls Schulz ist, und die Hamburger Konzertagentur Karsten Jahnke GmbH. Mit 8.000 Besuchern sei der Start nicht so erfolgreich ausgefallen wie erwartet, so Schulz. Das habe zum einen an dem sehr ambitionierten Programm mit unbekannten Bands aus unterschiedlichen Genres gelegen und unter anderem daran, dass das Festival noch unbekannt war. Dem Besucher wurde zugemutet, sich auf eine große Zahl neuer 47 WIRTSCHAFT ein habe 50 Mitglieder, die bei der Vorbereitung des Festivals helfen. „In Mecklenburg Vorpommern muss eine Musik als Standortfaktor PLAN!POP09 Popularmusik einzulassen. „Wir haben erst im zweiten Jahr das Vertrauen beim Besucher generieren können“, erklärte Schulz. „Da haben wir uns auf gitarrenlastigen Rock und Singer-Songwriter beschränkt.“ Schulz musste auch feststellen, dass es nicht ganz ohne bekanntere Bands geht. 2008 haben sich die Besucherzahlen fast verdoppelt und nun werde die Zahl der Genres wieder erweitert. In diesem Jahr werden 18.000 Gäste erwartet. An der Vorbereitung beteiligt sind drei feste Mitarbeiter, eine Auszubildende und mehrere Praktikan- von links nach rechts: Andi Welskop, Zughafen Erfurt / Johannes Everke, Hamburg Marketing GmbH ten. „Wir gestalten das Programm mit unterschiedlichen Konzertagenturen“, so Schulze. Es gibt ein Ticket für ungefähr zwanzig Spielstätten mit Kapazitäten von 100 bis 1.500 Besuchern. Das seien im wesentlichen Clubs und Theater auf der Reeperbahn. „Wir haben diesen Standort gewählt, weil er eine gewisse internationale Bekanntheit hat.“ Der Begriff „ReeWIRTSCHAFT perbahn“ habe für populäre Musik Geschichte. Die hohe Dichte der Spielstätten mache den Ort ebenfalls sehr attraktiv. „Viele Häuser liegen direkt in einer Straße.“ Die Veranstaltung dauert drei Tage. Es gibt ein Ein-, Zwei- und Dreitagesticket. Ein Tag kostet 29 Euro, zwei Tage 38 Euro und drei Tage 58 Euro. Die Hälfte der Festivalkosten werden durch den Ticketverkauf getragen, 30 Prozent durch die öffentliche Hand und 20 Prozent durch Sponsoring. „Die Veranstaltung ist so angelegt, dass wir immer von öffentlichen Mitteln abhängig sein werden“, so Schulz. Sponsoring-Partner zu finden, sei schwierig, weil die Spielstätten bilaterale Verträge mit Tabak- und Getränke-Herstellern haben. Besonders hervor hob Schulz die Kooperation mit dem NDR. Im letzten Jahr seien 40 der insgesamt 140 Konzerte mitgeschnitten und gesendet worden. „Wir verstehen uns deshalb auch immer mehr als ein Produktionsfestival!“ www.reeperbahnfestival.com 48 Live-Musik in Deutschland PLAN!POP09 8. Wirtschaft Live-Musik in Deutschland Macht es Sinn, die Förderung populärer Musik auf die Live-Musikbranche auszurichten? Früher wurde in Bands investiert, damit sie einen Plattenvertrag bekommen. Geht es heute darum, Bands auf das Live-Geschäft vorzubereiten? Und wenn ja, wer übernimmt diese Aufgabe? Wo ist es sinnvoll, einen solchen Prozess zu unterstützen? Sind Musikclubs Kulturbetriebe oder doch nur gastronomische Einrichtungen? Bedeutet Förderung in einem solchen Marktsegment letztlich eine Einbahnstraße in Richtung Subventionierung, wie in der Filmbranche? Boris Fust, Intro Unter der Überschrift „Live-Musik in Deutschland, Big Business oder Big Bubble? Wie viel staatliche Förderung Olaf Danner (SKS Michael Russ), Rainer Grigutsch (Clubcommission) und Jens Michow (IDKV). Die Moderation übernahm Boris Fust (Intro). 8.1 Rahmenbedingungen wichtiger als finanzielle Förderung In seinem Impulsreferat wies Rechtsanwalt Jens Michow, Präsident und Geschäftsführer des Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft e.V, darauf hin, dass die im Untertitel des Panels gestellte Frage eigentlich lauten müsse: „Sollte das Live Entertainment nicht genau wie andere Kreativwirtschaftzweige eine staatliche Förderung erhalten?“. Die Veranstalter hätten zwar eine solche Förderung bislang abgelehnt, doch angesichts der gewachsenen Risiken und neuen Aufgaben stelle sich die Frage, warum andere Zweige der Kreativwirtschaft immer noch vorrangig behandelt würden. So erhielte zum Beispiel die Filmwirtschaft für drei Jahre Fördermittel von jeweils 60 Millionen Euro vom Bund. Immerhin erzielt die Live-Branche einen Gesamtumsatz von 3,9 Milliarden Euro. „Der Veranstaltungsbereich ist ein harter Standortfaktor, von dem eine Vielzahl anderer Branchen und Dienstleister abhängig sind. „Eine auch nur annähernd der Filmförderung vergleichbare Förderung von Veranstaltungen insbesondere im Nachwuchsbereich gibt es nicht, obgleich wir nicht nur dem Wirtschaftssondern auch dem Kulturbereich zuzuordnen sind, der sich ansonsten ebenfalls – insbesondere im Bereich der Klassik - in erheblichem Umfang öffentlicher Förderung erfreut“. Aber insbesondere die wirtschaftliche Bedeutung der Live Entertainment Branche rechtfertige auch aus politischer Sicht dort, wo es Sinn mache – zum Beispiel bei der Entwicklung neuer Produktionen – eine staatliche Bezuschussung, da dadurch erhebliche Steuereinnahmen generiert werden. Dann ging Michow näher auf die von ihm angesprochenen Risiken und neuen Aufgaben der Live-Branche ein. Während Tonträgerhersteller auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses mit einem Künstler weitere Einnahmen aus einer Musikproduktion generieren können, habe der Veranstalter regelmäßig nur während 49 WIRTSCHAFT braucht das Live-Entertainment?“ diskutierten diese und weitere Fragen Axel Ballreich (Concertbüro Franken), Live-Musik in Deutschland PLAN!POP09 einer Tournee die Chance, seine Investition wieder einzuspielen. „Nach jeder Tournee entscheidet der Künstler neu, mit wem er zukünftig zusammenarbeitet.“ Längerfristige Verträge gebe es nicht. Neben einem immer höheren Risiko habe der Live-Bereich auch ganz neue Aufgaben zu tragen. „Als es der Tonträgerwirtschaft noch besser ging, haben wir darauf vertrauen können, dass sie neue Talente entdeckt und aufbaut und sich dafür auch an Tourneekosten beteiligt.“ Doch diese Zeiten seien vorbei. Heute würden Künstler ausschließlich über das Live-Geschäft aufgebaut und produzieren Tonträger vorwiegend nur noch als Promotion-tool für ihre Konzerte. „Das lässt sich bereits der Tatsache entnehmen, dass immer mehr Künstler dazu übergehen, ihre Produktionen kostenlos ins Netz zu stellen, weil sie ihr Geld zum überwiegenden Teil über das Live-Geschäft verdienen“. Insbesondere vor diesem Hintergrund scheine eine substantielle Förderung gerade von Veranstaltern sinnvoll, da diese heute den wesentlichen Part beim Aufbau von Newcomer übernähmen. „Das könnte übrigens effizienter sein als eine Spielstättenförderung“, so Michow „denn nicht die Spielstätten führen die Veranstaltungen durch, sondern die Veranstalter“. Michow stellte aber klar, dass es der Live-Branche in erster Linie um die Verbesserung der wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen gehe. Die zwei aktuell größten Probleme sieht Michow in der TariferWIRTSCHAFT höhung der GEMA und in der Zwangsbefreiung von Veranstaltern und Künstlern von der Umsatzsteuer. Die GEMA wolle bis 2014 die Vergütungssätze für die Aufführung ihres Repertoires von 1,87 Prozent auf zehn Prozent und damit um das Sechsfache erhöhen. Nach einer vom Bundesverband in Auftrag gegebe- von links nach rechts: Axel Ballreich, Concertbüro Franken / Olaf Danner, SKS Michael Russ GmbH / Jens Michow, idkv e.V. nen Studie führe das dazu, dass Veranstalter künftig bei Konzerten drauf zahlen müssten. Denn gemäß der Studie betrage der Gewinn eines Konzertveranstalters vor Steuern durchschnittlich neun Prozent des Umsatzes. Ein weiteres Problem liege in der Umsatzsteuerbefreiung von Veranstaltern und Künstlern. Nach dem Umsatzsteuergesetz sollen Veranstalter unter anderem dann von der Umsatzsteuer befreit werden, wenn sie mit umsatzsteuerbefreiten Künstlern arbeiten. Die Tatsache, dass die Finanzämter diese Vorschrift in jüngster Zeit verstärkt anwenden würden, habe vernichtende Folgen für die Live-Branche. Veranstalter brauchten in diesem Fall zwar aus ihren Einnahmen nicht mehr sieben Prozent Mehrwertsteuer an das Finanzamt abzuführen. Viel schwerer wiege aber die Tatsache, dass sie nicht mehr die 19 Prozent Mehrwertsteuer, die auf der Ausgabenseite anfallen, als Vorsteuer geltend machen könnten. Elton John und der Chansonnier Tim Fischer beispielsweise seien von der Umsatzsteuer befreit worden. „Wenn es weiterhin dabei bleibt, dass dann auch der Veranstalter von der Umsatzsteuer befreit ist, können wir bald alle einpacken“, klagte Michow. Er plädierte dafür, dass die Umsatzsteuerbefreiung nur erfolgen dürfe, wenn Veranstaltungen – wie es bei der öffentlichen Hand der Fall sei – nicht profitorientiert durchgeführt werden. Michow schloss sein Impulsreferat mit dem Hinweis, dass das Konzertgeschäft neuerdings in einem harten Konkurrenzkampf mit osteuropäischen Ländern wie Rumänien, Ungarn und Kroatien stehe. In Deutschland würden aus Sicht internationaler Künstler im Vergleich zu anderen europäischen Ländern die schlechtesten Bedingungen für die Durchführung von Tourneen herrschen. Dazu trügen Quellensteuer, Künstlersozialabgabe und Solidaritätszuschlag bei. Die Folge: „Topstars geben immer weniger Konzerte in Deutschland, weil ihnen die Nebenkosten zu hoch sind!“ 50 PLAN!POP09 8.2 Live-Musik in Deutschland Keine Förderung im Live-Entertainment notwendig? „Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass unser Bereich nicht förderungsbedürftig ist!“, sagte Axel Ballreich, Geschäftsführer des Concertbüro Franken. „Wir bewegen uns auf einem nachfrageorientiertem Markt, da unterscheiden wir uns im Pop-Bereich von der Klassik und auch von der Filmindustrie.“ Er stimmte Michows Ausführungen zu, dass die Tariferhöhung der GEMA die Live-Branche erheblich belastet. Bezüglich der Umsatzsteuer ergänzt er, dass Veranstalter auch noch nachträglich davon befreit werden können, was zu einer extremen Rechtsunsicherheit führe. Er klagt über zu geringe Einflussmöglichkeiten auf die Politik. Eine pure Unachtsamkeit bei der Gesetzesformulierung habe womöglich dazu geführt, dass der Live-Branche durch die Umsatzsteuerbefreiung ein „unermesslicher Schaden“ drohe. Das hätte sich eventuell durch entsprechende Lobby-Arbeit verhindern lassen. „Wir arbeiten zwar in einem starken Markt, trotzdem sollte auf die Rahmenbedingungen geachtet werden.“ Wichtig sei aber auch eine minimale Förderung im Bereich von soziokulturellen Zentren, wie zum Beispiel kleinen Clubs mit bis zu 250 Personen. Die darf allerdings nicht anderen, am freien Markt tätigen Unternehmen schaden. Förderung notwendig sei. Gegen eine staatliche Förderung von Clubs sei aber nichts einzuwenden. Er sprach sich ebenfalls für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen aus. Als Beispiel nannte er die Lautstärkeregulierung. „Wer zu ACDC oder Metallica geht, will ein lautes Konzert hören!“ 8.3 Strukturförderung für Clubs Rainer Grigutsch, Leiter der Geschäftsstelle der Clubcommission Berlin e.V., hielt eine Förderung der Clubkultur für sehr sinnvoll. Förderungswürdig wären seiner Meinung nach zum Beispiel Clubs mit außergewöhnlichen Programmen, nachhaltiger Bewirtschaftung und Projekte zur Nachwuchsförderung. Eine gute Form der Förderung wäre auch eine Unterstützung von Netzwerken damit dort die Arbeit zum Erhalt und zur Förderung von Rahmenbedingungen geleistet werden kann und bestimmte Angebote, wie z.B. Weiterbildungsangebote umgesetzt werden können. Die Club Commission Berlin habe gute Erfahrungen mit solchen Angeboten gemacht. Informationsbedarf bestehe beispielsweise bei Vertragsgestaltung zwischen Veranstalter, Künstler und Clubbetreiber sowie bei Künstlersozialkasse, GEMA und Sponsoring. Grigutsch wies darauf hin, dass sich die Probleme großer nationaler Veranstalter von denen kleinerer regionaler substantiell unterscheide. Die Clubbetreiber in Berlin haben darüber hinaus regionalspezifische Probleme. Er sprach von einer Sanierungswut in der Hauptstadt, die es erschwert, bestimmte Clubs weiterzuführen. Wenn aus der Historie heraus entstandene Clubstandorte zu Wohngebieten erklärt werden, sei ein Weiterbetrieb der dort ansässigen Clubs gefährdet oder gar nicht mehr möglich. Ein großes Thema sei hier der Lärmschutz. Als Beispiel nannte er das SO36 in Berlin Kreuzberg. Die in 30 Jahren gewachsene Institution sieht sich plötzlich mit Lärmschutzauflagen konfrontiert. Nun müssen Regelungen gefunden werden, damit der Ort erhalten werden kann. Für Ballreich liegt der einzig gerechte Weg in der Infrastrukturförderung. Gefördert werden könnten zum Bei- 51 WIRTSCHAFT Auch Olaf Danner, Geschäftsführer der SKS Michael Russ GmbH, ist der Meinung, dass keine finanzielle PLAN!POP09 Live-Musik in Deutschland spiel Technik, Backstage, Lüftung und Sicherheit. Als Förderkriterien schlug er die Zahl der Veranstaltungen pro Jahr und die Zeit des Bestehens eines Clubs vor. Ein Panel-Teilnehmer gab zu bedenken, dass die Förderung einzelner Clubs schnell zu Wettbewerbsverzerrungen führen könnte. „Wir sollten deshalb Fördermittel in eine Infrastruktur investieren, von der alle profitieren.“ Die Stadt könnte beispielsweise Hallen, Clubs und Proberäume bereitstellen und Bandbusse kaufen. Rainer Grigutsch, Club Commission Ein Panel-Teilnehmer berichtete davon, dass Clubs in Hamburg beantragen können, die Hälfte der GEMAGebühren erstattet zu bekommen. Ballreich hielt von dieser Förderung nichts, denn: „Es macht keinen Sinn, die GEMA mit ihrem undurchschaubaren Abrechungssystem auf diese Weise zu subventionieren!“ WIRTSCHAFT 8.4 Vernetzung der Live-Branche Alle Teilnehmer regten an, dass sich Veranstalter- und Clubverbände zu einem Kommunikationsnetzwerk zusammenschließen sollten, um eine gemeinsame Forderung zur Verbesserung der Rahmenbedingungen zu definieren. „Wenn über eine bundesweite Förderung gesprochen wird, müssen sich nicht nur die Veranstalter, sondern auch die Clubszene bundesweit artikulieren und einen bundesweit agierenden Ansprechpartner finden. Regionale Einzelaktivitäten helfen da wenig“, rät auch Michow. Große und kleine Veranstalter sowie Clubbetreiber sollten zusammen ermitteln, so Danner, wie eine Förderung durch den Staat aussehen könnte und welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen. Grigutsch wünscht sich darüber hinaus einen intensiveren Erfahrungsaustausch und eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Berlin und Hamburg. 8.5 Wie könnte eine Veranstalter-Förderung aussehen? Finanzielle Förderung macht im Live-Bereich nur Sinn, wenn es um die Nachwuchsförderung geht, erklärte Michow. Dafür müsste erst einmal definiert werden, wer zum Nachwuchs gehört, warf ein Panel-Teilnehmer ein. Ein Veranstalter gab zu bedenken: „Wenn Clubs staatlich gefördert werden, weil sie Nachwuchs fördern, dann müssten wir kommerziellen Veranstalter auf kleine Konzerte komplett verzichten!“ 52 PLAN!POP09 8.6 Live-Musik in Deutschland Clubszene regional fördern Prof. Dr. Susanne Binas-Preisendörfer vom Institut für Musik der Universität Oldenburg hatte einen grundsätzlichen Einwand zur Clubförderung. „Das, was auf Bundesebene sinnvoll abzuarbeiten ist, betrifft die Rahmenbedingungen, Ordnungspolitik und die von Michow genannte Umsatzsteuer!“ Das, was die Clubkultur vor Ort betrifft, sei dagegen auf Bundesebene nicht zu regeln und regional zu behandeln. „Sicherlich kann man Erfahrungen zwischen Hamburg und Berlin austauschen, aber nur weil das strukturell vergleichbare Gebiete sind.“ Zwischen Berlin und dem Flächenland Niedersachsen gebe es dagegen keinen gemeinsamen Nenner. Den solle man auch nicht künstlich erzwingen. 8.7 Fazit Veranstaltern geht es nicht primär um eine finanzielle Förderung, dafür aber um die Verbesserung der wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen sowie den Aufbau neuer Künstler. Hier wurden als Beispiele GEMA und Umsatzsteuerbefreiung genannt. Für die Clubszene wurde allerdings eine Infrastrukturförderung als sinnvoll erachtet. Dafür müsse sich die Clubszene aber erst einmal vernetzen und einen gemeinsamen WIRTSCHAFT Förderbedarf artikulieren. 53 Kreativquartiere und Szene-Dienstleister PLAN!POP09 9. Wirtschaft Kreativquartiere und Szene-Dienstleister Unter dem Titel „Kreativquartiere und Szene-Dienstleister – Sektorale Stadtentwicklung richtig gemacht“ diskutierten Alenka Barber-Kersovan (Hochschule für Musik und Theater Hamburg), Sebastian Dresel (Stadt Mannheim), Andreas Otto (ORWOhaus Berlin), Kurt Reinken (Musikhaus Karostar) und Kai Thomsen (CD Kaserne Celle) über die Bedeutung von Kreativquartieren für die Stadtentwicklung. Die Moderation übernahm Matthias Krebs (Popakademie Baden-Württemberg). 9.1 Prädikat „Musikstadt“ Nach Belegen dafür, dass es zwischen der Musik und der Stadt eine Reihe von komplexen Wechselbeziehungen gibt, müsse nicht lange gesucht werden, erklärte Alenka Barber-Kersovan in ihrem ImpulsreWIRTSCHAFT ferat. Wiener Philharmoniker, Dresdner Staatskapelle, Hamburgische Staatsoper, Salzburger und Bayreuther Festspiele, Wiener Klassik und die zweite Wiener Schule – die Reihe der Beispiele, die auf die Herkunft eines Klangkörpers, den Standort der Austragung musikalischer Ereignisse oder auf das urbane Milieu, in dem bestimmte musikalische Strömungen entstanden sind, verweisen, ließe sich beliebig fort- Alenka Barber-Kersovan, Arbeitskreis Studium Populärer Musik e.V. führen. Eine besondere Akzentuierung erfahre diese Wechselbeziehung im Begriff „Musikstadt“. Nach einer Definition dessen, was darunter zu verstehen wäre, suche man in den Lexika vergeblich, so Barber-Kersovan. „Auch darüber, wie die diskursive Prägung des Topos ‚Musikstadt’ zustande kommt, wissen wir nur wenig.“ Wie aus dem bereits 1905 geschriebenen Buch „Paris als Musikstadt“ von Romain Rolland1 sowie aus der mehrfach ausgezeichneten Dissertation von Martina Nußbaumer2 über die Musikstadt Wien des 19. Jahrhunderts hervorgehe, dürfe mindestens in diesen beiden Fällen die entscheidende Rolle eine gezielte Identitätspolitik gespielt haben, die die Musik ins Zentrum des Selbstverständnisses beider Großstädte stellte. Seit etwa Mitte der 1990er Jahre sei allerdings zu beobachten, dass sich immer mehrere Metropolen mit dem Prädikat „Musikstadt“ schmücken und dabei als wesentliches Distinktionsmerkmal immer häufiger die Populäre Musik berücksichtigen, bemerkte Barber-Kersovan. Diese Tendenz hänge zweifelsohne auch damit zusammen, dass populäre Musikgattungen als der „Sound of the City“ – wie Charles Gillett3 seine bekannte Abhandlung über den Ursprung des Rock’n’Roll betitelte – vernommen werden, beziehungsweise dass ähnlich der „Mannheimer Schule“ und der „Wiener Klassik“ auch Bezeichnungen wie „Chicago Blues“, „New Orleans Jazz“, „San Francisco Sound“ oder „Die Hamburger Schule“ auf charakteristische, aus einem bestimmten urbanen Milieu hervorgehende musikalische Genres verweisen. Rolland, Romain (1905): Paris als Musikstadt. Berlin: Bard, Marquardt. Nußbaumer, Martina (2007): Musikstadt Wien. Die Konstruktion eines Images. Freiburg: Rombach. 3 Gillett, Charlie (1996): The Sound of the City: The Rise of Rock and Roll. New York: Da Capo Press. 1 2 54 PLAN!POP09 Kreativquartiere und Szene-Dienstleister Wichtiger für die gegenwärtige Aufwertung der Rolle der Populären Musik für urbane Konglomerate scheint Barber-Kersovan allerdings eine neue Betrachtungsweise zu sein, die gemäß den Schlagwörtern „Musik als Wirtschaftsfaktor“ und „Kultur als Zukunftsbranche“ ihr Augenmerk auf das ökonomische Potential symbolischer Güter richte und den Beitrag der Populären Musik für das Image-Design einer Stadt beziehungsweise für die strategische Bedeutung lokaler Soundscapes im globalen Wettbewerb der Metropolen hervorhebe. Ein Schlüsselbegriff des neuen Paradigmas sei Kreativität4. Diese Modevokabel – mit Vorliebe in ihrer englischen Variante „creativity“ gebraucht – stehe nicht nur stellvertretend für alles, was in gewisser Hinsicht als neu betrachtet werden kann, sondern bilde – basierend vor allem auf der Arbeit von Richard Florida5 und Charles Landry6 – auch ein wichtiges Politikum. Die beiden Kreativitätstheoretiker gehen nämlich davon aus, so Barber-Kersovan, dass in der post-industriellen Gesellschaft das größte Kapital einer Stadt seine Menschen sind, insbesondere von links nach rechts: Kurt Reinken, steg Hamburg mbH / Andreas Otto, ORWOhaus e.V. / Sebastian Dresel, Stadt Mannheim deren Arbeit innovative und zugleich kommerziell verwertbare Artefakte hervorbringt. Folgerichtig seien nach Floridas Grundsatz „Human creativity is the ultimate economic resource“7 vor allem jene Städte (ökonomisch) erfolgreich, die „kreativ“ sind, das heißt, die ins Zentrum ihrer städteplanerischen Strategien die Förderung der Innovation, d.h. in unserem Zusammenhang die Förderung der kulturellen bzw. musikalischen Content Production stellen. So ganz abwegig findet Barber-Kersovan diese Gedanken nicht. Wie Klaus Schüle in seinem kulturwissenschaftlichen Beitrag zur Urbanisierungsgeschichte mit dem Titel „Paris. Die kulturelle Konstruktion der französischen Metropole“8 belege, stelle nämlich die Kultur bereits traditionsgemäß einen wesentlichen Faktor dessen dar, was die Eigenart einer bestimmten Großstadt ausmacht. In Paris spielten dabei eine wichtige Rolle die Quartiere Montmartre, Quartier Latin und Saint Germain, die Schüle als spezifische, durch die Kultur geprägte Lebensräume beschreibt. Seine These belegt er mit der Darstellung der Lebensweise zweier kreativer Gruppierungen, der Avantgarde und der Bohème, führte Barber-Kersovan aus. Der Lifestyle dieser Vorläufer der Creative Class war bunt und laut und weckte bereits damals großes mediales Interesse. Die Bohème selbst konnte zwar ihre „organisierte Verrücktheit“ nicht in bare Münze umsetzen. Sie prägte aber bestimmte Vorstellungen über ihr extravagantes Leben, die wiederum auf jene Stadtteile abfärbten, die von ihr in Besitz genommen wurden. Die meisten der damaligen Protagonisten seien zwar längst tot, was allerdings noch weiterhin lebe, ist der Mythos von Paris, der sich tausendfach in der bildenden Kunst, im Film, in der Literatur, aber auch in den zahlreichen Songs und Chansons reproduziert. Und vor allem noch Generationen später die Kassen jener fülle, die am Image-Design der Künstlerviertel nicht beteiligt waren und die nun die einstige Magie dieser Orte in der Form billiger Souvenirs an Schaulustige aus aller Welt verscherbeln. Vgl. dazu Barber-Kersovan, Alenka (2007): Creative Class, Creative Industries, Creative City. Ein musikpolitisches Paradigma. In: Helms, Dietrich & Phleps, Thomas (Hg.): Sound and the City. Populäre Musik im urbanen Kontext. Beiträge zur Popularmusikforschung 35. Bielefeld: transcript. 5 Florida, Richard (2004a): Cities and the Creative Class. London: Routledge und Florida, Richard (2004b): The Rise of the Creative Class ... and how it’s Trans forming Work, Leisure, Community & Everyday Life. Cambridge, MA: Basic Books 6 Landry, Charles (2000): The Creative City: A Toolkit for Urban Innovators. London: Earthscan Publications. 7 Florida, 2005b, S. XIII.8 Schüle, Klaus (2003): Paris: die kulturelle Konstruktion der französischen Metropole. Opladen: Leske + Budrich. 4 55 WIRTSCHAFT jene soziale Schicht, die als „Creative Class“ gilt und Kreativquartiere und Szene-Dienstleister PLAN!POP09 „Kultur hat Konjunktur“, schlussfolgerte Klaus Schüle. „Schon seit langem. Kultur rechnet sich. Schon seit langem. Kultur zieht den Tourismus an, ist ein Standortfaktor“9. Rund um diese Einsicht oszilliere, so Barber-Kersovan, auch der gegenwärtige Diskurs über den Zusammenhang zwischen der Musik und der Stadt. Dem Kulturerbe im Sinne einer Summe kreativer Leistungen der Vergangenheit werde zwar nach wie vor ein ausgesprochen hoher Wert zugeschrieben. In Bezug auf Sachverhalte wie Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft von Städten unter dem Aspekt ihrer Wirtschaftlichkeit haben Mathias Krebs, Popakademie Baden-Württemberg GmbH aber an Wichtigkeit vor allem die so genannten „Creative Industries“ gewonnen, worunter eine neue zusammenfassende Betrachtung der professionellen Tätigkeit in diversen Kultursegmenten verstanden werde. Den allgemeinen Beobachtungen nach und teilweise auch gestützt von empirischen Untersuchungen, sollte sich dieser Kulturbereich zurzeit weltweit im Aufschwung befinden und einen wichtigen Beitrag zum Wohlstand und Beschäftigung leisten. WIRTSCHAFT Obwohl konkrete Zahlen ebenso schwer zu eruieren seien wie die treibenden Kräfte der kulturellen Ökonomie, werde die Stadtpolitik in diesem Bereich zunehmend gestalterisch tätig. Zum einen gehöre dazu die Förderung der Creative Clusters durch Investitionen in die so genannten Creativity / Innovation Convergence Centres. Darunter werde die Ansiedlung von Kleinbetrieben aus unterschiedlichen ästhetischen Bereichen in unmittelbarer räumlicher Nähe verstanden, um die Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Sektoren zu inspirieren, neue Ideen zu generieren und diese zu vermarktbaren Produkten zu entwickeln. Zum anderen komme es aber neben der Nutzungsumwandlung brachgelegter industrieller Infrastruktur in kulturelle Einrichtungen auch zur Umstrukturierung ganzer de-industrialisierter Quartiere in „Künstlerviertel“. In diesen großflächig angelegten kreativen Milieus rechne sich die Kultur auf mehrfache Art und Weise: Sie ziehe Touristen an, sichere Arbeitsplätze und trüge mit ihrem Image zur baulichen und kulturellen Aufwertung ganzer Stadtteile und dadurch nicht nur zu steigenden, sondern vielfach auch zu überhöhten Preisen auf dem Immobilienmarkt bei. Auf der sozialen Ebene bewirke allerdings insbesondere die „Gentrification“ der Innenstädte die Verdrängung der in der Regel sozial schwächeren Creative Class aus ihren ursprünglichen Quartieren zugunsten einer Klientel, die sich den neuen, kulturell und vielfach auch musikalisch codierten Chic von Clubs, Plattenläden, Kaffees und Szenenkneipen eines Künstlerviertels leisten kann. Ihren theoretischen Ausführungen folgten praktische Förderbeispiele. „Die Förderung der Kreativität stehe hoch auf der politischen Agenda, sowohl in den kulturellen Richtlinien der UNESCO10 und der Europäischen Union als auch auf der regionalen und lokalen Ebene“, stellte Barber-Kersovan fest. Ferner wurde das Jahr 2009 zum „Year of Creativity and Innovation“ ausgerufen, dessen Zielsetzungen die Europäische Kommission in der Formulierung „Europe needs to boost its capacity for creativity and innovation for both social and economic reasons” zusammenfasste. Der umfangreiche Empfehlungskatalog beziehe sich unter anderem auf die Förderung von „kreativen Territorien“, worunter der Ausbau von Creative Quarters und musikalischer Infrastruktur fallen. 9 ibid., S. 12. http://portal.unesco.org/culture/en/ev.php-URL_ID=2461&URL_DO=DO_TOPIC&URL_SECTION=201.html 10 56 PLAN!POP09 Kreativquartiere und Szene-Dienstleister Diese Zielsetzung ist nicht neu, denn eine derartige Gestaltungsstrategie setzte bereits in den 1990er Jahren ein. Ergebnisse fielen allerdings insbesondere in Großbritannien, wo die Förderung der Creative Quarters zum Zweck der urbanen Regeneration am konsequentesten betrieben wird, durchaus unterschiedlich aus. Die Stadt Liverpool profitiere von ihrem Image als Beatles City, und das Künstlerviertel Cavern Quarter locke massenhaft Touristen an. Dass das Geschäft mit der musikalischen Vergangenheit blüht, ließe sich deshalb nicht von der Hand weisen. Wie aus der Untersuchung von Sarah Cohen mit dem Titel „Decline, Renewal and the City in Popular Music Culture“11 hervorgeht, genießen allerdings andere, innovative Musiksegmente keine vergleichbare Aufmerksamkeit, und sie verzeichnen auch keinen nennenswerten ökonomischen Aufschwung. Pläne für die Anerkennung von Sheffield als kulturelles Zentrum hingegen, seien gescheitert. Dort wurde ein Cultural Industries Quarter errichtet, dem unter anderen das 1999 eröffnete National Centre for Popular Music, ein Popmusik Museum, angehörte. Die Kosten in Höhe von 15 Millionen Pfund wurden von der Staatslotterie und dem Entwicklungsfond der Europäischen Union getragen. Der erwartete Besucherstrom blieb allerdings aus, das Museum wurde geschlossen und das Gebäude für andere Zwecke freigegeben. Gründe dafür dürften neben der mangelnden Zusammenarbeit mit den lokalen Akteuren auch darin gelegen sein, dass sich die Szene von Sheffield nicht ähnlich vermarkten lässt wie Liverpool mit seinen mehrheitsfähigen Beatles. gungen, wie etwa der billige Wohnraum, die brachliegenden und zu Lofts umfunktionierenden Industrieflächen und die niedrigen Studiengebühren einen durchaus positiven Effekt auf die dortige Musikszene haben. Die konstitutive Variable, die insbesondere den Stadtteil Plateau zu einem bekannten Künstlerviertel machte, bildet allerdings die „kulturelle Mythologie“ dieser Stadt. Montreal sei als Kanadas Sündenstadt bekannt und zog bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts Jazzmusiker, Schriftsteller, Maler und Filmemacher an, die wiederum – ähnlich wie die Pariser Bohème – in ihren Werken der Stadt eine spezifische Aura verliehen haben12. Die sektorale Entwicklung richtig zu machen, sei deshalb kein leichtes Unterfangen, so Barber-Kersovan. „Nicht nur, weil es sich um einen komplexen und dynamischen Sachverhalt handelt, der von den ökonomischen, technologischen und sozialen Bedingungen des jeweiligen Settings abhängt, sondern vor allem, weil wir es mit einer Fülle von Variablen zu tun haben, die sich nur schwer steuern lassen.“ Patentrezepte gebe es deshalb wahrscheinlich nicht. Aus diesem Grund sei einerseits die Musikwissenschaft berufen, sich verstärkt einer „urban musicology“13 zu widmen, wobei interdisziplinär angelegte theoretische Reflexionen über die dynamischen Zusammenhänge zwischen den strukturellen Rahmenbedingungen, dem Handeln politischer Akteure und der musikalischen Praxis ebenso wichtig wären wie praxisnahe empirische Untersuchungen. „Andererseits wären aber auch die Szenenakteure gut beraten, sich mit diesem Thema auseinander zu setzen und sich aktiv an allen die Musik und die Stadt betreffenden Entscheidungen zu beteiligen“, schließt BarberKersovan ihr Impulsreferat. Cohen, Sara (2007): Decline, Renewal and the City in Popular Music Culture: Beyond the Beatles. Aldershot: Ashgate. Goeff Stahl (2007): Musicmaking and the City. Making Sense of the Montreal Scene. In: Helms, Dietrich & Phleps, Thomas (Hg.): Sound and the City. Populäre Musik im urbanen Kontext. Beiträge zur Popularmusikforschung 35. Bielefeld: transcript. 13 Begriff geprägt von Tim Carter. In: Kaden, Christian und Volker Kalisch (Hg.)(2002): Musik und Urbanität. Essen: Die Blaue Eule. 11 12 57 WIRTSCHAFT Goeff Stahl wiederum stellte in seiner Untersuchung über Montreal fest, dass zwar äußere Rahmenbedin- Kreativquartiere und Szene-Dienstleister 9.2 PLAN!POP09 Kreativquartiere in Deutschland 9.2.1 Karostar Hamburg Die Idee zum Karostar entstand im Jahr 2000, als Universal Music von Hamburg nach Berlin zog. Es sollte ein Ort für die Musikwirtschaft geschaffen werden, der die Szene sichtbar macht. „Wir haben Wert darauf gelegt, dass im Karostar unterschiedliche Teile der Wertschöpfungskette vertreten sind“, erklärte Kurt Reinken, Prokurist der steg Stadterneuerungs- und Stadtentwicklungsgesellschaft Hamburg GmbH. So reiche das Spektrum der Mieter vom Plattenlabel, über Booking-Agentur, Musikverlag und -vertrieb, bis hin zu Dienstleistungsunternehmen wie PR-Agenturen. 2006 wurde die Idee realisiert und läuft seitdem, so Reinken, erfolgreich. Das Karostar Musikhaus biete gute Bedingungen für Unternehmen und Existenzgründer gleichermaßen. Dazu gehörten günstige Mieten, einen szenenahen Standort, Räumlichkeiten von 15 bis 90 qm, die Imagewirkung einer gemeinsamen Adresse, eine gemeinsam nutzbare Infrastruktur, vom Konferenzraum bis zum zentralen Treffpunkt mit Küche, und ein anregendes Umfeld mit Unternehmen aus der eigenen Branche. www.karostar.de WIRTSCHAFT 9.2.2 ORWOhaus Berlin „Keiner kann genau sagen, wie das Haus entstanden ist“, erzählte Andreas Otto, Pressesprecher vom ORWOhaus. Der im Industriegebiet Ostberlins gelegene Plattenbau war vor der Wende Standort des ostdeutschen Film-, Tonband- und Kassettenherstellers ORWO (Original Wolfen). 1998 haben sich hier die ersten Künstler eingemietet. „Der große Knall kam im Jahr 2004. Uns sollte wegen nicht eingehaltener Brandschutzbestimmungen gekündigt werden“, erinnerte sich Otto. Um das Gebäude weiterhin nutzen zu können, wurde ein Verein gegründet und das Haus mit einem Kredit für 150.000 EUR gekauft. Mit einer Million Euro der Stiftung Deutsche Klassenlotterie konnten die Brandschutzmängel behoben, neue Fenster eingesetzt und weitere Sanierungsarbeiten durchgeführt werden. „Heute sind wir unabhängig und bewirtschaften das Haus größtenteils ehrenamtlich als einzigartiges Kulturprojekt von Musikern für Musiker!“, so Otto. Im ORWOhaus gebe es nicht nur Probenräume, sondern auch mehrere Tonstudios und in Zukunft sogar eigene Konzerthallen. Außerdem sei eine Musikerkneipe in Planung, die im August 2009 eröffnet wird. Der Verein ist interner und externer Ansprechpartner für das Haus und Veranstalter von Konzerten, Nachwuchsförderung und das jährliche ORWOhaus-Festival. www.orwohaus.de 9.2.3 Musikpark Mannheim Die Einrichtung des Musikparks Mannheim war eine politische und städteplanerische Initiative, berichtete Sebastian Dresel, Beauftragter für Musik und Popkultur der Stadt Mannheim. Angesiedelt ist der Musikpark im Stadtteil Jungbusch, dem ehemaligen Hafen und späteren Rotlichtviertel Mannheims, das zwischen Hafen und Stadtring liegt. Anfang der 90er Jahre versuchte die Stadt, das Viertel von seinem Rotlicht-Milieu-Image zu befreien. Durch die Ansiedlung von Musikpark und Popakademie ist das Thema „Ausgehen“ stark in den Vordergrund gerückt. „Der Musikpark und die Popakademie sind für einige Bewohner noch nicht ganz angekommen!“ Die Situation habe sich in den letzten Jahren aber deutlich im Sinne einer positiven Entwicklung des Stadtteils verbessert. www.musikpark-mannheim.de 58 PLAN!POP09 Kreativquartiere und Szene-Dienstleister 9.2.4 CD Kaserne Celle Die CD Kaserne Celle ist eine alte Reiterkaserne mit zwei großen Hallen in der Mitte, beschrieb Kai Thomsen, Geschäftsführer der CD Kaserne gGmbH. Die eine Halle fasst 2.000 Besucher, die andere 800. Beide sind von alten Reitställen umringt, die umgebaut wurden und von unterschiedlichen Vereinen und Nutzern und auch teilweise als Proberäume von Bands genutzt werden. Mittlerweile habe die CD Kaserne gGmbH ein Bilanzvolumen von ca. 1,5 Millionen Euro und es gebe ca. 200 Veranstaltungen pro Jahr, so Thomsen. Die CD Kaserne gGmbH ist Ausbildungsbetrieb für Veranstaltungskaufleute und Kai Thomsen, CD Kaserne Celle gGmbH -techniker sowie Bürokaufleute und betreibt auch Popförderung wie zum Beispiel das Musikercamp und, als Organisator, das PopMeeting Niedersachsen. „Wir erhalten von der Stadt Celle einen Zuschuss i.H.v. 400.000 Euro für die CD-Kaserne gGmbH und erwirtschaften zusätzlich bis zu 800.000 Euro jährlich.“ Als problematisch bewertete Thomsen, dass trotz Popförderung konzerte, Comedy oder Partys erreichen mehr Publikum, so dass Veranstalter diese Formen in ihrem Angebot immer mehr bevorzugen. www.cd-kaserne.de 9.3 Auswirkungen von Kreativquartieren auf die Stadtentwicklung Die Popakademie habe natürlich großen aber eher indirekten Einfluss auf die Entwicklung von Jungbusch, erklärte Dresel. Sie sei für viele zunächst eine „Blackbox“, von der viele natürlichermaßen nicht sofort wissen, was in ihr passiert. Von Bedeutung ist aber, wenn Popakademie-Studenten in den Stadtteil ziehen und ihn dadurch beleben. So sei die Eröffnung eines Lebensmittelmarktes im Jungbusch durchaus eine große Errungenschaft bei der Stadtentwicklung. Dresel beklagte, dass die Zeitvorstellung von Stadtplanung und Popförderung nicht übereinstimmen würden. Die Stadtplanung sei begeistert, wenn sich in 50 Jahren 100 Unternehmen in einem Stadtteil ansiedeln, selbst wenn es in den ersten fünf Jahren nur zwei sind. Popmusikförderung müsse aber auch kurzfristig Resultate zeigen. Die Einrichtung der CD Kaserne habe sich positiv auf die Stadtentwicklung von Celle ausgewirkt, so Thomsen. Das ORWOhaus habe keine Effekte auf die Stadtentwicklung, sagte Otto. „ORWO ist eine Insel. Es gibt kein Quartier- und Wohnmanagement. Die isolierte Lage ist für unseren Zweck, laute Musik zu machen, ideal.“ Dennoch habe das Haus einen positiven Einfluss auf das Image Berlins. Und eine unmittelbare Wirkung für den Bezirk Marzahn nannte Otto ebenfalls. „Auf unsere Initiative hin wurde die Straße 13, in der sich das ORWOhaus befindet, in Frank-Zappa-Straße umbenannt.“ Bei dem Festival zur Eröffnung sei internationales Publikum und Presse gekommen. „Jetzt haben wir die coolste Adresse der Welt!“ Barber-Kersovan rät bei der Frage nach den Auswirkungen von Kreativquartieren auf die Stadtentwicklung zur Geduld. „Bilder von Musikstädten wie Wien und Paris sind über Jahrhunderte entstanden. Jetzt will man innerhalb 59 WIRTSCHAFT immer weniger Publikum zu reinen Pop- und Rockkonzerten kommt. Andere Veranstaltungsformen wie Cover- Kreativquartiere und Szene-Dienstleister PLAN!POP09 eines Jahrzehnts Ergebnisse sehen. Die Visionen müssen da sein, aber sie müssen langfristig angelegt sein.“ Karostar sei in ein bereits bestehendes Kreativquartier hingebaut worden, erklärte Reinken. „Das haben wir vorher nur nicht so genannt.“ Er brachte das in St. Pauli gelegene Musikhaus in Verbindung mit der verstärkten Ansiedelung Musik affiner Unternehmen in einem in unmittelbarer Nähe gelegenen Bunker sowie zweier Musikclubs. 9.4 Anmerkungen & Vorschläge Die Schanze in Hamburg und Friedrichshain in Berlin seien wegen des Publikums so attraktiv, meint Dresel. „Da ist immer etwas los!“ Solch ein Image habe eine gewisse Eigendynamik und ziehe weiteres Publikum an. Berlin und Hamburg bezeichnete er dementsprechend als „Ausgehstädte“, Mannheim sei dagegen eine „Einkaufsstadt“. „Hier ist die Publikumsorientierung etwas abhanden gekommen“, stellte er fest. Eine Panel-Teilnehmerin beklagte, dass der Kreative nichts von Kreativquartieren habe außer günstigen Mieten. Sie forderte einen Wechsel von der Strukturbildung zur Marktbildung. Kreative sollten innerhalb ihres Quartiers Flächen vermarkten und bespielen können. „Ich will undefinierte Räume, in denen wir machen können, WIRTSCHAFT was wir wollen, und keine von oben geplanten Projekte“, forderte die Panel-Teilnehmerin. „Um Gelder zu bekommen, müsse aber leider häufig vordefiniert werden, was da passiert“, warf Dresel ein. Er finde es aber auch interessanter, freie Räume erschließen zu können, ohne genau zu bestimmen, was da geschehen soll. In einer Abschlussrunde gab Barber-Kersovan zu bedenken, dass die Szene vielleicht nicht unterfinanziert, sondern überreguliert ist. Thomsen erklärte, dass er es sehr spannend finde, Musikförderkonzepte mit Stadtplanung zu verbinden. Das stehe in Kleinstädten nicht auf der Tagesordnung. „Ich werde es mit meinem Städteplaner und Oberbürgermeister diskutieren, um mehr Verständnis für Popmusikförderkonzepte zu erhalten.“ Und Reinken wünschte sich, dass es in der nächsten Bundesfachkonferenz zur Popularmusikförderung nicht mehr um sektorale, sondern um integrierte Stadtentwicklung geht. 60 Kommunikation 10. Musik als Standortfaktor 11. Musikmessen in Europa 12. Medienkooperationen für Popmusik 61 Informationssysteme der Musikbranche PLAN!POP09 10. Kommunikation Informationssysteme der Musikbranche In einer so schnelllebigen Branche wie der Musikbranche sind Informationssysteme nur dann sinnvoll, wenn sie immer auf dem neuesten Stand gehalten und redaktionell gepflegt werden. Eine Spielstätten-Datenbank in Berlin beispielsweise soll daran gescheitert sein, dass sie nicht gepflegt wurde und daher teils veraltete Informationen enthielt. Aber reicht es überhaupt aus, Datenbanken ins Netz zu stellen, oder werden Wissensnetzwerke benötigt? Wie müssen die Potentiale der Musikbranche im Netz präsentiert werden und können z.B. multimediale Standort-Informationssysteme selbst zum Stand- Ingrid Walther, Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen ortvorteil werden? Über diese und weitere Fragen sprachen Gerhard Mahnken (Leibniz Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung), Peter F. Rantasa (music information center Austria), Karin Teichmann (Berlin Partner), Stephan Schulmeistrat (Deutsches Musikinformationszentrum) und Ingrid Walther (Berliner Senatsverwaltung). Die Moderation übernahm Arno Köster (east tools media/ Udo Lindenberg Stiftung). 10.1 Herausforderung „Berlin“ KOMMUNIKATION In Berlin gibt es gegenwärtig ca. 1500 Musikunternehmen. Schätzungsweise 80-90 Prozent davon sind Mikrounternehmen mit einer sehr geringen Mitarbeiterzahl. Die Gesellschaften und Ein-Mann-Unternehmen arbeiten entweder allein oder in freien Netzwerken und sind nicht immer nur in der Musikbranche tätig. „Traditionelle Formen der Informationsvermittlung reichen hier nicht mehr aus“, meint Ingrid Walther, Referatsleiterin in der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen. Auch eine Bestandpflege sei bei der großen Zahl an Mikrounternehmen nicht möglich. Erschwerend komme hinzu, dass der Firmensitz sehr viel häufiger gewechselt wird als bei großen Unternehmen. Es bedarf neuer Ideen, um dennoch Netzwerke und Informationssysteme für diese Kleinstunternehmen zu schaffen. 10.2 Bestehende Informationssysteme 10.2.1 Creative City Berlin „Creative City Berlin ist das zentrale Internetportal für Kulturschaffende und die kreativen Branchen Berlins. Es ist zugleich Präsentationsplattform und Anlaufstelle – egal ob Sie schon in Berlin ansässig sind oder dies planen. ‚Fragen & Antworten‘ bietet Auskünfte rund um Existenzgründung, Ansiedlung von Unternehmen, Kulturförderprogramme und mehr. Eine komplexe Datenbank verschafft Durchblick im Dschungel von Institu- 62 PLAN!POP09 Informationssysteme der Musikbranche tionen, Unternehmen, Einzelpersonen und Events und enthält jede Menge Links zu weiteren Informationsquellen.“ So präsentiert sich das von der Kulturprojekte Berlin GmbH betriebene Portal. Eine Besonderheit bildet die „Startseitengalerie“ mit Arbeiten von Einzelpersonen und Unternehmen, die sich ein Profil auf der Website eingerichtet haben. Künftig soll eine Jobbörse eingerichtet werden. Das Portal informiert über Themen wie Kulturförderung, Existenzgründung, Ateliervergabe, Fortbildung und Stipendien. Initiiert wurde das Projekt von der Kulturverwaltung des Landes Berlin und der Wirtschaftverwaltung (Projekt Zukunft), kofinanziert wird es aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). www.creative-city-berlin.de 10.2.2 Music in Berlin Die Berlin Partner GmbH betreibt innerhalb ihres Business Location Centers das Musikportal „Music in Berlin“. Darin haben Nutzer Zugriff auf 1.300 Adressen und Profile von Berliner Unternehmen und Institutionen der Musikwirtschaft. Realisiert wurde die Datenbank gemeinsam mit dem Projekt „So klingt Berlin“ des Berliner KommunikationsFORUM e.V. der Universität der Künste. Einen ungewöhnlichen Zugriff auf die Daten erlaubt das Projekt „see the music“. Darin werden die Musikwirtschaftsdaten in einem 3D-Stadtmodell visualisiert. In einem virtuellen Flug über die Musikhauptstadt lässt sich erkennen, wo sich die musikalischen Ballungszentren in Berlin befinden. In dem Stadtmodell sind die Standorte von Unternehmen und Institutionen wie Labels, Verlage, Veranstalter, Clubs und Radiosender mit unterschiedlich gefärbten Noten-Symbolen gekennzeichnet. Durch Anklicken der Symbole können nähere Informationen zum Unternehmen inklusive Hörproben, Bilder und Grafiken aufgerufen werden. Die Integration der Musikwirtschaftsdatenbank in das virtuelle Stadtmodell Berlins liefert einem potentiellen Investor auf einen Blick alle nötigen Informationen. Unternehmer können damit schneller herausfinden, wo sie in Berlin am KOMMUNIKATION besten hinpassen. www.music-in-berlin.de 10.2.3 MIZ – Musikinformationszentrum Das MIZ ist die Informations- und Serviceeinrichtung des Deutschen Musikrats. Es dient dazu, das Musikleben Deutschlands transparenter zu machen, Orientierung zu geben und die Entwicklung der Musikkultur zu dokumentieren. Das Angebot richtet sich gleichermaßen an Fachkreise, Kulturinstitutionen und kulturpolitische Gremien sowie Musikamateure und die musikinteressierte Öffentlichkeit. Das Portal wird stets aktualisiert und erweitert. Die Informationen werden auch in Print-Form zum Beispiel im Musik-Almanach veröffentlicht. Eine individuelle Informationsvermittlung gibt es auf Anfrage. Zu den Förderern des MIZ gehören der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, die Kulturstiftung der Länder, die Stadt Bonn sowie GEMA und GVL. www.miz.org 63 Informationssysteme der Musikbranche PLAN!POP09 10.2.4 mica – music information center austria Das music information center austria ist ein gemeinnütziger Verein, der ein Internet-Portal für die in Österreich lebenden Musikschaffenden betreibt. In einer Datenbank werden Informationen über Komponisten, deren Werke, Interpreten und Organisationen bereitgestellt. In der Rubrik „Praxiswissen“ findet sich Wissenswertes zu Themen wie Eigenpromotion, Förderungen, Live, Musikverträge, Sozialversicherung, Tonträger-Produktion, Vertrieb und Verwertungsgesellschaften. In der Rubrik „mica Interview“ wiederum gibt es Nachrichten, Interviews und Berichte aus der Musikwelt. Angeboten werden zudem Beratung, Peter Rantasa, mica Österreich Workshops, Ausbildungen und Vernetzung. mica agiert auch als Musik Export Büro. Dafür hat der Verein die music promotion agency GmbH gegründet. Hauptförderer des Vereins sind das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur sowie die Kulturabteilung der Stadt Wien. Die Leistungen des mica stehen allen Interessierten kostenlos zur Verfügung. www.mica.at 10.3 Orientierung im Datenmeer Beim Recherchieren und Informationsaustausch spielt das Internet eine immer größere Rolle. Doch mit der zunehmenden Menge verfügbarer Daten, wird es immer schwieriger, gezielt auf bestimmte Informationen KOMMUNIKATION zugreifen zu können. Auch die Güte der Informationen lässt sich oft nicht einschätzen. Das gilt insbesondere für nutzergenerierte Online-Enzyklopädien wie Wikipedia. 10.4 Anmerkungen & Vorschläge Die Musikwirtschaft erschließt ständig neue Nutzungsarten von Musik, wobei das Internet eine bedeutende Rolle spielt. Die Grenzen zu anderen Teilen der Kreativwirtschaft verschwimmen. In der Vernetzung der Kreativwirtschaftszweige liegt die Zukunft. Die Rahmenbedingungen dafür müssen verbessert werden. Online-Portale haben keinen Raumbezug. Informationen können von der ganzen Welt aus abgerufen werden. Davon sollte wieder Abstand genommen werden. Musik ist sinnlicher Vermittler, Identifikations- und Integrationsfaktor in einer sich immer weiter zersplitternden Gesellschaft. Wünschenswert wäre ein Portal, in dem alle Spielstätten Deutschlands aufgeführt sind. 64 Musikmessen in Europa PLAN!POP09 11. Kommunikation Musikmessen in Europa Allein in Deutschland haben sich fünf verschiedene Musikmessen als stetige Veranstaltungen der Branche etabliert: die Musikmesse Frankfurt, die Popkomm in Berlin, die c/o pop in Köln, die Pop Up Leipzig und die jazzahead! in Bremen. Die MIDEM in Cannes und die wachsende South by Southwest in Austin sind feste Termine in den internationalen Musikmessekalendern. Darüber hinaus wurden in den letzten Jahren sowohl national, als auch international zahlreiche kleinere Branchenmeetings und Kleinstmessen organisiert. Wie viele Musikmessen und Businessmeetings braucht die Branche? Wo Ina Keßler, Initiative Musik gGmbH liegen die Schwerpunkte und Hauptkompetenzen der jeweiligen Messen? Wie sind die unterschiedlichen Kostenstrukturen und welche Förderungen sind für einen Messeauftritt möglich? Neben diesen Fragen wurden in dem von Ina Keßler (Initiative Musik) moderierten Panel auch die Ausrichtungen und Zielgruppen der Musikmessen diskutiert. Dafür stellten Jörg Augsburg (Pop Up Leipzig), Wolfgang Lücke (Musikmesse Frankfurt), Cornelia Much (MIDEM) und Norbert Oberhaus (c/o pop) die von ihnen vertretenen Messen vor. KOMMUNIKATION 11.1 Bestehende Musikmessen 11.1.1 Musikmesse Frankfurt Mit ihrer 25 jährigen Tradition ist die Musikmesse Frankfurt weltweit die größte Instrumentenmesse ihrer Art. Auf 13.000 m2 treffen 1.500 Aussteller auf durchschnittlich 112.000 Besucher. Obwohl ca. 80 Prozent der Aussteller nach wie vor Musikinstrumentenhersteller sind, strebt die Musikmesse Frankfurt langfristig eine komplette Abdeckung aller Bereiche der Musikbranche an. So sind seit 2003 unter anderem auch Tonträgerfirmen vertreten. Seit 2002 kooperiert die Musikmesse Frankfurt mit der „Music China“ in Shanghai. Wolfgang Lücke, Messe Frankfurt Die Musikmesse findet jedes Jahr im März bzw. April statt und erstreckt sich über vier Tage. Drei Tage steht die Messe nur Fachbesuchern offen; am letzten, dem 65 PLAN!POP09 Musikmessen in Europa Publikumstag haben alle zutritt. Begleitend werden 1.500 Konzerte, Workshops, Events sowie Bandwettbewerbe veranstaltet. Ein Fachbesucherticket kostet 36 Euro, Studenten zahlen zwischen 12-14 Euro. Der Preis für einen Stand beträgt pro Quadratmeter 160 Euro. Darüber hinaus werden Packages inklusive Stand und Ticket ab 700 Euro angeboten. Der besondere Reiz der Messe liegt darin, dass die meisten Musikinstrumente vor Ort ausprobiert werden können. Das heißt aber auch, dass Aussteller zuweilen einem hohen Lärmpegel ausgesetzt sind. www.musikmesse.de 11.1.2 MIDEM, Cannes Die MIDEM ist die führende internationale Musikfachmesse, die seit 1966 in Cannes, Frankreich, stattfindet. Der Veranstalter, Reed MIDEM S.A., gehört zur Gruppe Reed Exhibitons, der weltweit größten Organisation von Messen, Kongressen und Events mit über 430 Veranstaltungen in 32 Ländern. Jedes Jahr trifft sich im Januar die internationale Musikbranche sowie die Vertreter der digitalen Medien, Marken und Games in Cannes. Die MIDEM ist die einzige Plattform für die gesamte Wertschöpfungs- von links nach rechts: Jörg Ausgburg, Leipzig (Pop Up / Cornelia Much, Reed MIDEM kette im Musikbusiness: Tonträger, Verlage, Institutionen und Verbände, Digitale Medien, Images und Brands, Live und Artist Management. KOMMUNIKATION 2009 haben an der Messe 8.000 Besucher aus 80 Ländern, 4.000 Firmen und 450 Journalisten aus 300 Medienunternehmen teilgenommen. Für 2010 wird als Neuerung die MidemNet, die führende Konferenz für digitale Vermarktung und Lösungen, erstmals in die MIDEM integriert und ist kostenlos für alle Teilnehmer. Bei der MidemNet Lab wählt eine internationale Jury 15 innovative Projekte aus, die dem internationalen Fachpublikum während der gesamten Messedauer präsentiert werden. Die MidemNet Academy, Konferenzraum für Workshops, vermittelt praktisches Wissen im Bereich der digitalen Medien. Die Open Space Arena ist ein neues Ausstellungskonzept mit Pods (ideal für Start-Ups) sowie 9m2 und 18m2 Ständen. Neu ist außerdem der Discovery Pass, der jedem Stand kostenlos 5 Tagespässe für Neukunden zur Verfügung stellt sowie der Student Tarif, der Studenten erstmalig für 280 Euro den Zugang zu der MIDEM und MidemNet ermöglicht. MIDEM + kann optional zur MIDEM hinzugebucht werden und bietet in einer priviligierten Zone qualifiziertes Networking mit Branchenexperten an. Die nächste MIDEM findet vom 23. - 27. Januar 2010 statt. www.midem.com 66 Musikmessen in Europa PLAN!POP09 11.1.3 c/o pop, Köln Nachdem die Popkomm 2003 nach Berlin ging, wurde in Köln nach einer Alternative gesucht und ein Jahr später mit der „cologne on pop“ (c/o pop) gefunden. Köln ist für seine florierende Elektroszene bekannt. Deshalb lag es nahe, die c/o pop als Festival für Urbane Kultur in diesem Bereich zu etablieren. Gegliedert ist sie in ein fünftägiges Festival und eine zweitägige Convention. 2009 fanden über 50 Shows mit über 200 internationalen Künstlern statt. Auf dem Programm der Convention standen 30 Vorträge, Panels und Workshops mit über 100 Referenten aus mehr als 30 Ländern. Zusätzlich organisiert die c/o pop das Netzwerk-Projekt „Europareise“, an dem Norbert Oberhaus, c/o pop 2009 über 50 Festivals aus über 20 Ländern teilgenommen haben. Das Festival-Ticket kostet im Vorverkauf 69 Euro, das Convention-Ticket für Fachbesucher 179 Euro. Die Messe finanziert sich über die Akkreditierungen von Festival- und Convention-Besuchern sowie über Sponsoring, Gastronomie und öffentliche Mittel. Die Stadt Köln trägt rund ein Viertel der Kosten. Die thematische Ausrichtung läuft über ein Gremium, das sich aus Veranstalter und Beirat zusammensetzt und jedes Jahr aktuelle Tendenzen analysiert und daraus Kongressthemen bestimmt. www.c-o-pop.de Die Pop Up Leipzig ist Treffpunkt und Marktplatz für die Independent Szene der Musikbranche. Sie besteht aus drei Bestandteilen: 1. Auf der eintägigen Messe präsentieren sich Labels, Vertriebe, Händler, BookingAgenturen, Musikzeitschriften, Fan- und Webzines, Uni-Radios und andere mit eigenen Ständen. 2. In einem Forum werden aktuelle und grundsätzliche Themen im Bereich „Popmusik“ diskutiert sowie praktisch orientierte Workshops im Bereich „Musiker- und Label-Arbeit“ angeboten. 3. Beim Festival finden an bis zu vier Tagen in 15 Locations Konzert- bzw. Club-Veranstaltungen vor rund 900 Besuchern statt. Die Pop Up Leipzig will derzeit brachliegende Netzwerk-Strukturen jenseits der herkömmlichen Musikindustrie beleben und Diskussionen anregen. 2009 hatte die Pop Up 160 Aussteller sowie 2.500 Besucher. Der Ausstellerpreis beträgt 90 Euro inkl. Festivalticket. Der Eintritt kostet fünf Euro. Finanziert wird die Pop Up über Sponsoren, Eintritts- und Fördergelder. Letztere machen ein Viertel des Budgets aus.Die Pop Up Leipzig wird von einem Verein aus 20 Mitarbeitern organisiert. Diese bestimmen auch die inhaltliche Ausrichtung der Veranstaltung. www.leipzig-popup.de 67 KOMMUNIKATION 11.1.4 Pop Up Leipzig Musikmessen in Europa PLAN!POP09 11.2 Anmerkungen & Vorschläge 11.2.1 Standort und Jahreszeit Zeitpunkt als auch der Standort sind wichtige Faktoren für den Erfolg einer Musikmesse. Terminüberschneidungen oder zu eng aufeinander liegende Termine erschweren die erfolgreiche Durchführung. Zwischen Messen mit ähnlicher Ausrichtung sollte zeitlich wie räumlich genügend Abstand liegen. Zusätzlich sind marktspezifische Vorgaben bei der Wahl des richtigen Zeitpunktes zu berücksichtigen. Für die Musikmesse Frankfurt ist der Termin im März bzw. April wegen der Händlerbestellungen für das Weihnachtsgeschäft sehr wichtig. Im Unterschied zur Musikmesse Frankfurt wird auf der MIDEM mit Lizenzen gehandelt. Diese öffnet unmittelbar nach dem Weihnachtsgeschäft ihre Tore für Musikverlage und Labels. Zu dieser Zeit haben die Protagonisten wieder die Köpfe und Terminpläne frei für die nächste Saison. Cannes ist zwar „ein ziemlich teures Pflaster“, aber die MIDEM profitiert auch von dem Flair der Filmfestspiel-Stadt und ihrer Lage am Mittelmeer. 11.2.2 Messeauftritt im Ausland Deutsche Gemeinschaftsstände und Pavillons erhalten für Messeauftritte im Ausland beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie eine Unterstützung. Bei der MIDEM wird zum Beispiel ein deutscher Gemeinschaftsstand von der Messe Stuttgart organisiert. Diese übernimmt die komplette Ausschreibung und Organisation in Abstimmung mit dem DMV-Deutscher Musikverleger Verband. Insbesondere für kleinere Unternehmen sind Gemeinschaftsstände günstig, weil sie für wenig Geld relativ viel Präsenz bieten. Generell sollte man sich vor der Planung eines Messeauftritts, ein eigenes Bild von der Messe machen und vor Ort prüfen, ob sie auf die eigenen Bedürfnisse ausgerichtet ist. Bei eigenständigen Standpräsenzen zahlt sich Kreativität aus. Statt teurer Messemöbel reichen oft auch einfache Stühle und Tische, zum Beispiel von einem schwedischen Möbelhaus. KOMMUNIKATION Über Messen und Förderprogramme informiert der Ausstellungs- und Messe-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft e.V. (www.auma.de). In Bayern gibt es darüber hinaus ein Außenwirtschaftsportal der IHK (www. auwi-bayern.de), das auch über Förderangebote informiert. Zahlreiche Bundesländer bieten Fördermittel über das Programm „Neue Märkte erschließen“ an. 11.2.3 Struktur der einzelnen Messen Die meisten Messen setzen sich aus den Bereichen Messe, Konferenz und Festival zusammen, wobei die Bereiche unterschiedlich gewichtet sind. Jenseits der Präsentation von Künstlern im Rahmen von Festivals gilt eine Messe im herkömmlichen Sinne mit Messeständen für die Musikbranche als überholt. Es geht immer weniger um physische Produkte, die sich auf einem Stand präsentieren lassen, als vielmehr um digitale Formate, neue Geschäftsmodelle und vor allem um Kontaktaufbau und -pflege. Dem entsprechend sind die meisten Branchenveranstaltungen eher als Treffpunkt konzipiert, der dem Informationsaustausch und Networking dient. Einzig die Musikmesse Frankfurt ist mit ihren Instrumentenherstellern produktorientiert und funktioniert daher auch als traditionelle Fach- und Besuchermesse. 68 PLAN!POP09 Musikmessen in Europa Das Internet wird nicht als Konkurrenz zum persönlichen Kontakt der Branchenteilnehmer auf einem Branchentreff gesehen. Es wird eher dazu benutzt, das reale Angebot zu ergänzen, und dient der Vor- bzw. Nachbereitung einer Messe. 11.2.4 Folgen der Popkomm-Absage Die Absage der Popkomm ist zwar traurig und hat negative Auswirkungen auf die Branche, meinten die Panel-Teilnehmer, sie glaubten aber auch, dass sich die entstandene Lücke wieder schließen lässt. Sämtliche Messen wollen sich in Zukunft noch breiter aufstellen. Der Ausfall der Popkomm soll zu einer erhöhten Nachfrage insbesondere bei der im August stattfindenden c/o pop geführt haben. Die Veranstalter waren bemüht, Lösungen zu finden, konnten aber die erhöhte Nachfrage nach Ausstellungsflächen nicht kurzfristig abdecken. Alternativ wurde über Präsentationsmöglichkeiten im Rahmenprogramm der c/o pop nachgedacht. Auch die Musikmesse in Frankfurt sieht sich in der Lage, Aussteller von der Popkomm aufzunehmen. Die Popkomm hatte zuletzt zu 85 Prozent ausländische Stände, die sich nun erst einmal anderweitig orientieren werden. Als Folge dessen werden auch die größeren Messen im Ausland für diese Aussteller wichtiger. Weniger die Ausstellungsfläche zählt, mit der viele Veranstalter noch vor gar nicht langer Zeit geworben haben, als vielmehr der Content und das Profil einer Messe. Wenn sich alle Messen aber breiter aufstellen, besteht die Gefahr, dass sie an Profil verlieren. Dagegen anzuwirken, wird für die Veranstalter eine Herausforderung sein. 11.2.5 „Come together“ der Messeveranstalter Das Panel endete mit der Anregung, alle Messeveranstalter an einen Tisch zu holen, um gemeinsam die KOMMUNIKATION jeweilige Ausrichtung abzustimmen und Lösungsansätze zu finden. 69 Medienkooperationen für Popmusik PLAN!POP09 12. Kommunikation Medienkooperationen für Popmusik Popmusikförderung hilft Künstlern auf ihrem Weg zum Profi; sie zu Stars zu machen, das vermag sie nicht. Medien können das. Doch in TV, Rundfunk und Printmedien mangelt es an Möglichkeiten, sparten- und regionalspezifische Inhalte von Nachwuchskünstlern zu platzieren. Sendeplätze für diese Inhalte sind rar, obwohl das Interesse daran bei Journalisten und Medienmachern durchaus vorhanden ist. Dabei kann regionale und junge Popmusik durchaus zum Erfolgsfaktor für Radio und TV werden. Wie Popmusikförderer und Medien zusammenarbeiten können, darüber sprachen in dem Panel „Medienkoopera- von links nach rechts: Arno Köster, east tools media / EC Zander, rbb tionen für Popmusik – Chancen für eine vielfältige Musiklandschaft in den Medien“ Ecki Raff (Antenne MV), Reiner Schild (Deutsche Welle), Ruben Jonas Schnell (ByteFM), Pierre Seidel (Popbüros Baden-Württemberg), Markus Kühn (Plattform für regionale Musikwirtschaft/ MotorFM) sowie Reinhard Bärenz (MDR, Sputnik) und Ernst-Christian Zander (RBB, Radio Fritz). Es moderierte Arno Köster (east tools media). 12.1 Symbiose von Radio und Musik KOMMUNIKATION Die Beziehung von Musik und Radio ist symbiotisch: Radio lebt von Musik und Musik braucht Radio. Der Weg von Bands und Künstlern zu Bekanntheit und damit eventuell zum Erfolg führt grundsätzlich über Medien. Diese schaffen die benötige Öffentlichkeit. Auch wenn Bands sich heute viel von dieser Öffentlichkeit selbst im Internet erarbeiten können, sind klassische Medien wie das Radio noch immer das beste Mittel, um initiale Aufmerksamkeit des breiten Publikums zu bekommen. Ein Radiosender könne Künstler nicht nur durch Airplay und Aufnahme in die Senderotation unterstützen, meinte Markus Kühn. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Plattform für regionale Musikwirtschaft GmbH, die Betreiber des privaten Radiosenders MotorFM ist. Der Berliner Sender hat Künstler bereits an Konzertagenturen, Labels und Management vermittelt, begleitet Bands redaktionell im Programm und auf der Website und bindet sie in eigene Events ein. Reinhard Bärenz, MDR Sputnik 70 PLAN!POP09 Medienkooperationen für Popmusik Grundsätzlich wurde in dem Panel festgestellt, dass die Kontakte von Sendern und Online-Plattformen zu Labels, Konzertagenturen, Managern und Games-Entwicklern wesentlich enger sind als die von Fördereinrichtungen und Künstlern. Wenn ein Sender bereits einen Nachwuchskünstler durch Airplay und redaktioneller Berichterstattung fördert, könnte er bei der Suche nach Partnern sehr hilfreich sein. Das Engagement von MotorFM habe bereits zu einigen Vertragsabschlüssen geführt, berichtete Kühn. 12.2 Internet-Plattform der ARD-Jugendsender Die Musikchefs Reinhard Bärenz (Sputnik, MDR) und Ernst-Christian Zander (Fritz, RBB) stellten die gemeinsame Online-Musik- und Community-Plattform der ARD-Jugendsender vor. „meinFritz.de“ heißt die Plattform beim rbb-Jugendprogramm und „meinsputnik.de“ beim MDR. Auf der Plattform präsentieren sich inzwischen 3.000 Bands. Sie werden in Newcomer-Sendungen der Radiostationen vorgestellt und auf dem Portal von den Usern gewählt. Die bestplatzierten Bands werden in die Senderrotation aufgenommen. Sputnik und Fritz teilen sich eine Datenbank mit den neuen Bands, arbeiten, aber regional mit ihren Favoriten. Der Vorteil für die Bands gegenüber MySpace liegt vor allem in der redaktionellen Einbindung in das Programm und der Abwesenheit von Werbetreibenden. Gemeinsam richten die Sender auch den „Radio Award für neue Musik“ aus und lassen die auf der Plattform registrierten Bands auf den eigenen Festivals und Events spielen. 12.3 Kooperation von PopXport und Initiative Musik Das von Reiner Schild betreute Musikmagazin PopXport von Deutschen Welle TV (DW TV) berichtete unter anderem über Bands, Trends und Musikveranstaltungen aus der deutschen Popszene. Als Medienpartner der Initiative Musik stellt das Magazin monatlich einen der von der Initiative geförderten Acts vor. DW TV produziert die Beiträge vornehmlich mit Bands, die noch nicht über viel Video-Material verfügen, und überlassen KOMMUNIKATION ihnen das erstellte Material kostenfrei. 12.4 Wirtschaftlicher Druck als Innovationsbremse Es gebe oft wenig Überschneidungen zwischen den Plattenregalen der Redakteure und den Playlists ihres Senders, bemerkte Ecki Raff, Programm-Chef von Antenne Mecklenburg-Vorpommern. Größere Privatradios seien in ihrer Programmgestaltung dem Druck der Werbekunden ausgesetzt. Viel Platz für Neues bleibt kaum. Man könne jedoch Medienkooperationen für Nachwuchskünstler der Popmusik auch wirtschaftlich ausrichten. Antenne MV kührt jedes Jahr einen regionalen „YoungStar“, der ins Programm und bei den Veranstaltungen des Senders eingebunden wird. Dabei arbeitet der Sender eng mit den MediaMärkten des Landes zusammen. Antenne MV weißt auf den Elektrofachmarkt hin, der im Gegenzug eine gute Platzierung der „YoungStar“-CD in den Geschäften sichert. Das wirke sich sehr gut auf die Verkäufe aus, wovon der Künstler finanziell profitiert. 71 PLAN!POP09 Medienkooperationen für Popmusik 12.5 Radio und Club für den Nachwuchs Ganz anders als bei Antenne MV sieht das Programm von ByteFM aus. In dem von Ruben Jonas Schnell gegründeten Online-Radio gibt es weder Megahits noch Computerrotation, dafür wird neue und alte Musik gespielt und in Interviews und anderen redaktionellen Beiträgen über Szenen und Bands berichtete. Der Sender engagiert sich auch im Live-Bereich für Nachwuchsbands. In der Konzertreihe ByteFM-Residency spielt eine Band einen Monat lang wöchentlich in einem Club und lädt sich dazu befreundete Bands ein. Der Eintritt ist frei. 12.6 Mehr Medienkompetenz für Künstler Pierre Seidel ist bei den Popbüros Baden-Württemberg für den Bereich Musik- und Medienwirtschaft zuständig. Er beleuchtete die Medienkooperationen aus der Perspektive der Popförderer im Land. Die Popbüros arbeiten eng mit der Landesmedienanstalt in Baden-Württemberg zusammen und verstärken auch zunehmend die Einbindung der privaten Hörfunkanbieter. Den dringendsten Handlungsbedarf sieht Seidel bei der Medienkompetenz der Künstler. Diese wüssten meistens nicht, wie die Medien und insbesondere das Radio funktionieren. Fehlende Professionalität der Nachwuchskünstler im Umgang mit den Medien stelle eine der höchsten Hürden für Me- von links nach rechts: Markus Kühn, motor fm / Ruben Jonas Schnell, byte fm KOMMUNIKATION dienkooperationen dar. Seidel schlägt deshalb vor, in Kooperation mit Rundfunkanstalten Medientrainings für Künstler durchzuführen. In gemeinsam veranstalteten Coachings könnten Fragen geklärt werden wie: „Was brauche ich, um im Radio gespielt zu werden?“, „Wie verhalte ich mich im Interview?“, „Was muss mein EPK beinhalten und wozu brauche ich das überhaupt?“. Solche Medienkooperationen könnten deutschen Künstlern den Weg für eine weitere nationale sowie internationale Zusammenarbeit ebnen. 12.7 Möglichkeiten jenseits des „Dudelfunks“ Die Panel-Teilnehmer waren sich einig, dass die Digitalisierung und Verbreitung des Internets neue Arten der Popförderung in den Medien ermöglichen. Das Internet biete Raum für jedes Musikgenre. Bei den zeitlich und räumlich unbegrenzt verfügbaren Spartensendern im Internet finden Künstler ein Publikum jenseits des terrestrischen „Dudelfunks“. Auch hier können Fördereinrichtungen und Medien zusammenarbeiten und die Aufmerksamkeit des Publikums gezielt auf diese Angebote richten. 72 PLAN!POP09 Medienkooperationen für Popmusik 12.8 Exportbüros und Medien Es wurde bemerkt, dass Rundfunkstationen mit Medienpartnern und Exportbüros rund um den Globus zusammenarbeiten. Gerade bei der Exportförderung sei es auch für deutsche Förderer sinnvoll mit Medien und Fördereinrichtungen im Ausland in Kontakt zu treten. Eine Auslandstour ist selbst für etablierte Bands finanziell nicht ohne weiteres zu realisieren. Wenn aber von der einen Seite mediale Präsenz und von der anderen finanzielle Unterstützung sichergestellt ist, können mehr Veranstalter und Künstler dieses Wagnis eingehen. „Wenn Förderer und Medien zusammenarbeiten, können größere und auch finanziell aufwändigere Projekte gemeinsam gestemmt werden, um einen Künstler nach vorn zu bringen“, meint Markus Kühn von MotorFM. 12.9 Fazit Die Tatsache, dass sich der Medienmarkt immer weiter regionalisiert und der so genannte Mainstream immer schmaler wird, bringt Künstlern nach Ansicht der Panel-Teilnehmer neue Möglichkeiten in Kontakt mit den Medien zu treten und dort ihre Plattform zu finden. Auf Seiten der Medien wächst wiederum das Interesse für regional- und spartenspezifische Inhalte. KOMMUNIKATION 73 Workshops 13. Musikfonds in Deutschland 14. Entwicklung eines Konzepts zur Spielstättenförderung von Bund und Land 15. Musikexport Musikfonds in Deutschland PLAN!POP09 13. Workshop I: Musikfonds in Deutschland Machen Fonds für die Musikwirtschaft in Deutschland Sinn und wenn ja, wie sollten sie gestaltet sein? Diese Fragen stellten sich Christoph Büth (NRW.Bank), Albrecht Deißner (KfW Bankengruppe), Mike P. Heisel (mpag) und Manfred G. Schneider (Entertainment Finanz) in dem von Prof. Dieter Gorny (Initiative Musik) geleiteten Workshop. 13.1 Musik im Spannungsfeld zwischen Kultur und Kommerz Einleitend erklärte Gorny, dass Medienfonds im Bereich „Film“ etabliert sind und hier – ausgehend von einer realen Bedrohungslage für den nationalen Film – zudem fest gefügte Förderstrukturen existieren. Der Film werde als kulturökonomisches Gut im Sinne der kulturellen Vielfalt sowie als Inspiration der Produzentenlandschaft und Kreativen anerkannt. Die Musikförderung sei dagegen in Deutschland nur wenig ausgeprägt. Das liege, so Gorny, daran, dass sich Musik traditionell im Spannungsfeld zwischen Kultur und Kommerz bewegt beziehungsweise deren Wert entweder nach kulturellen oder ökonomischen Kriterien bemessen wird. Eine klare Zuordnung, dass Musik ein Kulturgut ist, fehlt. 13.2 Gemeinsamer Fonds für die Kreativwirtschaft Mit dem Unternehmen Entertainment Finanz ist der geschäftsführende Gesellschafter Manfred Schneider seit vier Jahren als Finanzier und Berater im Bereich „Entertainment“ mit dem Schwerpunkt „Musikwirtschaft“ aktiv. Schneider sprach sich für einen Fonds auf Bundesebene aus und verweist dabei auf die EU-Beihilfeverordnung. Nach der Verordnung dürfen Projekte nur bis zu 50 Prozent durch öffentlich-rechtliche Förderinstitute unterstützt werden. Dies gelte auch für die Kreativfonds in Berlin und NordrheinWORKSHOPS Westfalen. Deshalb werde eine bundesweite Institution benötigt, die bestehende Finanzierungslücken füllt. Am Beispiel des High-Tech-Gründerfonds in von links nach rechts: Manfred G. Schneider, Entertainment Finanz / Albrecht Deißner, KfW Bankengruppe Bonn erläuterte Schneider, wie so ein Fonds strukturiert sein könnte. Der High-Tech-Gründerfonds investiert „Risikokapital in junge, chancenreiche Technologieunternehmen“, wie auf der Homepage nachzulesen ist. Schneider ist der Ansicht, dass eine individuelle Lösung für die Musikwirtschaft nicht realistisch sei. Stattdessen sollte der politische Rückenwind für die Kreativwirtschaft genutzt werden, um einen gemeinsamen Fonds für Musik, Games, Design, Software und anderen Zweigen der Kreativwirtschaft ins Leben zu rufen. www.entertainment-finanz.de 75 Musikfonds in Deutschland PLAN!POP09 13.3 Kapital privater Investoren Die Chancen für einen Musikfonds in Deutschland seien geringer als die für einen Kreativfonds, meint auch Albrecht Deißner, Direktor der KfW Bankengruppe. Die KfW biete bereits eine Vielzahl von Förderprogrammen für die Kreativwirtschaft, so Deißner. Diese Kreditprogramme seien so konzipiert, dass sie möglichst allen, die ein Finanzierungsangebot suchen, offen stehen. Innovative Firmen erhalten Kredite mit günstigen Zinsen und Haftungsübernahmen. Nach Deißner kann eine Bankfinanzierung im klassischen Sinne für die Musikwirtschaft keine Lösung sein. Hier müsste vielmehr ein Fonds konzipiert werden, in dem Kapital eingelegt wird, das dann als Eigenkapital den Künstlern oder Unternehmen der Kreativwirtschaft zur Verfügung gestellt wird. Voraussetzung sei jedoch, dass auch Kapital privater Investoren in den Fonds einfließen. www.kfw.de 13.4 Kreativwirtschaftsfonds der NRW.Bank Anfang 2009 legte die NRW.Bank einen neuen Eigenkapitalfonds für die Kreativwirtschaft auf, den NRW. BANK.Kreativwirtschaftsfonds. Laut einer Pressemeldung der Bank beträgt das Fonds-Volumen 30 Millionen Euro. Zielgruppe seien Unternehmen aus den kreativen Branchen wie z.B. Film und Fernsehen, Musik, Werbung, Software, Games, Design, Kunst und Events. Im Vorfeld habe die NRW.BANK eine Studie zum Thema Kreativwirtschaft erstellen lassen, die das große Potential für Wachstum und Beschäftigung in den kreativen Branchen belegt. Der Fonds sei eingerichtet worden, weil es von Einzelpersonen und Unternehmen aus der Kreativwirtschaft verstärkt Anfragen gegeben habe, erklärt Christoph Büth, Abteilungsleiter Mittelstandsfinanzierung des Bereichs Beteiligungen der NRW.Bank. Der Kreativwirtschaftsfonds stelle sowohl jungen als auch etablierten Unternehmen der Kreativwirtschaft Eigenkapital in Form von direkten Beteiligungen und eigenkapitalnahen Finanzierungsformen bis zu 50 Prozent zur Verfügung. www.nrwbank.de 13.5 Kleinteilige Unternehmensstrukturen Den neuen Kreativwirtschaftsfonds der NRW.Bank hält Mike P. Heisel, Vorstandsvorsitzender des Verbands der deutschen Musikproduzenten für einen richtigen und wichtigen Schritt. Denn viele Einzelpersonen und Unternehmen der Musikwirtschaft verfügen generell über zu wenig Eigenkapital. Das liege an den für die Musikbranche typischen kleinteiligen Unternehmensstrukturen, so Heisel, die häufig keinen Zugang zum WORKSHOPS Kapitalmarkt zulassen. Deutschland könne es sich aber nicht erlauben, dass gute neue Musik wegen fehlender finanzieller Mittel nicht entwickelt und dem Markt zugänglich gemacht werden kann. Der Zurückhaltung der Banken und Investoren bei Finanzierungsanfragen könne nur politisch durch Förderprogramme und Fondsmodelle entgegengewirkt werden. 76 PLAN!POP09 Musikfonds in Deutschland 13.6 Fazit Den Ausführungen der Diskussionsteilnehmer zufolge werden Musikfonds in Deutschland zwar benötigt, für durchsetzbar erachtet werden allerdings Fonds für die gesamte Kreativwirtschaft. Grundsätzlich ist ein gegenseitiges Verständnis von Kreativwirtschaft und Banken notwendig. Für einen KnowHow-Transfer zwischen beiden könnte sich z.B. die KfW Bankengruppe einsetzen. Der vorgestellte Kreativwirtschaftsfonds der NRW.Bank ist ein mögliches Modell, um den Zugang zum Kapitalmarkt für die Musikbranche zu verbessern. von links nach rechts: Manfred G. Schneider, Entertainment Finanz / Christoph Büth, NRW.BANK WORKSHOPS 77 Entwicklung eines Konzepts zur Spielstättenförderung von Bund und Land PLAN!POP09 14. Workshop II: Entwicklung eines Konzepts zur Spielstättenförderung von Bund und Land Welche Spielstätten sollten gefördert werden? Wie kann der Bedarf überprüft werden? Wer entscheidet über Förderungen? In welchem Verhältnis stehen dabei kulturelle und wirtschaftliche Kriterien? Diese und weitere Fragen stellte Norbert Niclauss (Musikreferent des BKM) in den Mittelpunkt des von ihm geleiteten Workshops über die Entwicklung gemeinsamer Pilotprojekte zur Spielstättenförderung von Bund und Ländern. Zu den Workshop-Teilnehmern gehörten Thomas Baerens (Staatskanzlei NRW), Johannes Klose (Landesmusikrat Niedersachsen) und Andrea Rothaug (RockCity Hamburg). 14.1 Aktivitäten der Initiative Musik Vor dem Hintergrund der Krise der Tonträgerwirtschaft hat die Bedeutung der Live-Branche deutlich zugenommen. Dem entsprechend gestiegen sei auch die Relevanz der Spielstättenförderung, erklärte der Musikreferent des Beauftragten für Kultur und Medien Norbert Niclauss, der auch Aufsichtsratmitglied der Initiative Musik ist. Die Initiative Musik verfolge bei der Spielstättenförderung zwei Ansätze: einerseits die Auslobung eines bundesweiten Preises, anderseits die Entwicklung von Modellprojekten in Kooperation mit Ländern und Kommunen. Letztere sind als Co-Finanzierungs- von links nach rechts: Thomas Baerens, Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen / Norbert Niclauss, BKM / Andrea Rothaug, RockCity Hamburg e.V. / Johannes Klose, Landesmusikrat Niedersachsen e.V. modelle gedacht. Dabei geht es vordringlich um Hilfe zur Selbsthilfe oder eher um symbolische Anerkennung Förderungswürdig könnten zum Beispiel ProgrammKonzepte von professionellen Clubs sein. Als Auswahlkriterien schlägt Niclauss vor: eine feste Spielstätte, die nachgewiesene Erfahrung der Spielstättenbetreiber und eine Mindestanzahl an Konzerten im Jahr. Insbesondere WORKSHOPS Newcomer aus Deutschland sollten eine Chance erhalten. Zu klären seien, so Niclauss, die Zusammensetzung der Jury, die über die Vergabe von Fördermitteln entscheidet, und welchen Anteil kulturelle und wirtschaftliche Kriterien bei der Entscheidung haben. Des Weiteren sei eine Differenzierung nach musikalischen Genres und nach Spielstätten denkbar. Niclauss lädt die Teilnehmer im Namen der Initiative Musik zum Dialog ein. 14.2 Clubförderung durch „Jugend jazzt“ in Niedersachsen Der Referatsleiter Jazz im Landesmusikrat Niedersachsen Johannes Klose stellte das Projekt „Jugend jazzt“ vor. „Jugend jazzt“ ist der Landeswettbewerb für junge Nachwuchsjazzer aus Niedersachsen. Die Preisträger 78 PLAN!POP09 Entwicklung eines Konzepts zur Spielstättenförderung von Bund und Land erhalten Förderseminare, in denen sie mit Dozenten an ihren Werken und ihrer Musikdarbietung arbeiten. Klose hob das Rahmenprogramm von „Jugend jazzt“ in den Jahren 1985-2004 hervor. In dieser Zeit wurden lokale Spielstätten in das Programm eingebunden; sie erhielten pro Konzert einen Zuschuss. Durch den finanziellen Anreiz seien die Spielstätten bereit, diese Nische zu bedienen. Das Rahmenprogramm habe sich in dieser Zeit beim Publikum etabliert. Es sei mit geringem Aufwand kostenneutral realisiert worden und habe mit wenigen Mitteln große Wirkung erzielt, so Klose. 14.3 Clubkombinat Hamburg Andrea Rothaug berichtete über die Entstehung und Arbeitsweise des Clubkombinat Hamburg e.V.. Rothaug ist nicht nur Geschäftsführerin von RockCity Hamburg e.V., sondern auch Vorstand des Clubkombinats. Letzteres ist der Berufsverband der Hamburger Clubbetreiber, gegründet 2004 von RockCity Hamburg e.V. Um 2004 eine Interessensgemeinschaft zu bilden, hat der Verband folgende Schritte eingeleitet: 1. Um Netzwerkbildung und Know-How-Transfer zu ermöglichen, wurden Workshops für Clubbetreiber veranstaltet. 2. Mit Zuwendungen der Wirtschaftsbehörde für eine Verwaltungssoftware konnte die ClubkombinatWebsite entwickelt und 20 Softwarepakete an Clubs vergeben werden, um interne Verwaltungsabläufe zu optimieren. 3. 2004 wurden das Clubkombinat gegründet und Arbeitsgruppen zu Themen wie Lärmschutz und Technik eingerichtet. Seit der Gründung ist einiges passiert: Mit finanzieller Hilfe der Behörde für Kultur, Sport und Medien Hamburg sowie privaten Sponsoren wurde ein Clubplakat als Gemeinschaftswerbung entwickelt. Seit 2005 geben darauf 30 Clubs ihr Monatsprogramm bekannt. 2006 wurde im Auftrag der Stadt Hamburg ein Gutachten zum Musikstandort St. Pauli erstellt, das die Situation der dortige Clubs abbildet. Um auch medial auf negative Entwicklungen in der Clublandschaft aufmerksam zu machen, wurden PR-Maßnahmen vom Clubkombinat durchgeführt. Dazu gehört zum Beispiel eine Kranzniederlegung für die Hamburger Clubkultur vor dem Hamburger Rathaus. Sie wurde durch die Schaltung einer Traueranzeige in relevanten Medien begleitet. Er besteht aus einem Live Concert Account, in dem Hamburger Clubs eine Erstattung ihrer GEMA-Kosten beantragen können, und einem Club Award. In Planung ist die Erstellung eines Konzepts für einen Investitionsmittel-Fonds für die Finanzierung von Technik, Lärmschutzvorrichtungen und ähnlichem. Ebenfalls geplant sind ein gemeinsames Ticketing und Einkaufsgemeinschaften für Getränke. Zu den weiteren Errungenschaften des Verbandes zählt ein Nachlass der GEMA-Gebühren um 20 Prozent seit 2004. 79 WORKSHOPS Ein Live-Musik-Fonds mit einem Budget von 170.000 Euro wurde 2009 vom Hamburger Senat verabschiedet. Entwicklung eines Konzepts zur Spielstättenförderung von Bund und Land PLAN!POP09 14.4 Städtische Stättenförderung in NRW In Nordrhein-Westfalen gebe es keine landesweite Spielstättenförderung, dafür aber eine „städtische Stättenförderung“, berichtete der Musikreferent in der Kulturabteilung der Staatskanzlei NRW Thomas Baerens. Die Mittel für die Spielstätten würden aus den laufenden Musikfördermitteln entnommen und deswegen nicht so umfangreich ausfallen. Es gebe keine strukturelle Förderung wie in Hamburg. Allerdings sei auf Landesebene eine Förderung von Clubs im Bereich „Jazz“ in Planung. 14.5 Anmerkungen & Vorschläge Ein Veranstalter aus dem Publikum wendete ein, dass Musikclubs auf Profit ausgerichtet seien. Es sei daher fraglich, ob eine Spielstättenförderung ein probates Mittel zur Nachwuchsförderung ist. Es gäbe überhaupt keine effizienten Mittel, die Programmqualität eines Clubs zu überprüfen. Stattdessen sollten Agenten oder Tourneeveranstalter prämiert werden. Denn sie würden die Künstler auswählen und fördern. So etwas wie ein Club Award auf Länderebene sei nicht notwendig, da es auf Bundesebene bereits den Live Entertainment Award (LEA) gebe. Anderer Ansicht ist Norbert Niclauss vom BKM. Er berichtete von einer Analogie zur Spielstättenförderung im Filmbereich, wo ausschließlich künstlerisch wertvolle Programme gefördert werden. Dies half vielen vom Aussterben bedrohten Programmkinos, steigerte ihre Bekanntheit und ihre Einnahmen, führte zu mehr Publikum und einem ambitionierteren Programm. Eine elementare Kritik an der Spielstättenförderung war, dass sie zu einer Wettbewerbsverzerrung führe. Nur geförderte Clubs könnten sich dauerhaft über von links nach rechts: Andrea Rothaug, RockCity Hamburg e.V. / Johannes Klose, Landesmusikrat Niedersachsen e.V. Wasser halten, was den Markt zerstören würde. Ein Teilnehmer berichtete von einem Negativbeispiel aus Bayern. Ein Konzern hatte mit 1,2 Millionen DM ermöglicht, dass eine Vielzahl von Bands an fünf Wochenenden auf 140 Bühnen spielen können. Das habe WORKSHOPS den Bands aber nichts gebracht, da ihr Auftritt folgenlos blieb, meinte der Teilnehmer. Das Geld des privaten Sponsors sei einfach verpufft. Als Positivbeispiel nannte ein anderer Teilnehmer die Gastspielförderung des Bundes im Tanz- und Theaterbereich. Ein anderer wiederum schlug vor, „künstlerische Biotope“ als Leitmotiv für die Förderung zu verwenden. Dann wären auch Spielstätten einbezogen. 80 Musikexport PLAN!POP09 15. Workshop III: Musikexport Im Workshop „Musikexport“ wurde über die Musikmesse South by Southwest im US-amerikanischen Austin und über die Expo 2010 in Shanghai gesprochen. Ob und wie auf diesen beiden Veranstaltungen ein Messeauftritt mit mehreren Bundesländern gemeinschaftlich realisiert werden kann, darüber diskutierten Gerd Bettermann (AUMA), Johannes Everke (Hamburg Marketing), Anja Goette (Kulturbeauftragte des deutschen Pavillons, Expo 2010) und Thomas Venker (Intro). Die Leitung übernahm Ina Keßler (Initiative Musik). 15.1 South by Southwest (SXSW) – Ein erster Eindruck „Der erste Eindruck der SXSW ist erschlagend“, erinnerte sich Intro-Chefredakteur Thomas Venker an seinen ersten South-by-Southwest-Besuch in Austin, Texas. Unzählige Konzerte, Partys und Get-togethers fänden zur gleichen Zeit statt, alle Clubs, Bars und Veranstaltungsorte in der ganzen Stadt seien in das Festival involviert. Zusätzlich finden unzählige Events außerhalb des Programms in so genannten Off-Locations statt. Die SXSW ist ein branchenübergreifendes Festival. Neben der SXSW Music mit 12.500 Fachbesuchern, findet die SXSW Film und die SXSW Interactive mit insgesamt ca. 17.000 statt. 1987 wurde die South by Southwest mit Festival und Konferenz zum ersten Mal veranstaltet. Gekommen sind gerade mal 700 Besucher. Mittlerweile ist das Musikfestival mit rund 1.400 internationalen Künstlern, die während des Festivals sogar mehrmals auftreten, eines der größten der Welt. Die Konferenz sei weit weniger wichtig als das Festival, sagte Venker. Indies als auch Majors sind in Austin vertreten. Aus von links nach rechts: Anja Goette, Koelnmesse GmbH / Thomas Venker, Intro GmbH & Co KG den USA versammelt sich die gesamte Musikbranche, aus Europa kamen bisher hauptsächlich Presse, Booker, Agenten und Manager. In den letzten Jahren reisen aber auch zunehmend Labels, Verlage und andere Musikunternehmen aus Europa und anderen Ländern WORKSHOPS nach Austin. 2009 präsentierten sich Hamburg und Berlin erstmals mit einem eigenen Auftritt. Die nächste SXSW Music findet vom 17.- 20 März 2010 statt. www.sxsw.com 81 Musikexport PLAN!POP09 15.2 Hamburg auf der SXSW Hamburg präsentierte sich mit dem Reeperbahnfestival auf der South by Southwest als Musikstadt, erklärte Johannes Everke, Projektleiter der Hamburg Marketing GmbH. So traten Hamburger und internationale Bands auf dem Festival unter dem Namen des Reeperbahnfestivals auf. Zusätzlich lud Hamburg ausgewählte Personen und Pressevertreter zu einem Barbecue ein und organisierte einen kleinen Messe- und Konferenzauftritt. Mit einer Marketingkampagne aus PR, Journalistenarbeit, Flyern, Plakaten, Guerillamarketingaktionen und Filmprojektionen auf Straßenwänden wurde in Austin auf den Auftritt von Hamburg aufmerksam gemacht. „Die Vorbereitung hat rund anderthalb Jahre in Anspruch genommen“, erzählte Everke. Zuerst wurde eine Vorbesichtigung mit einer kleinen Gruppe 2008 durchgeführt, um einen Eindruck von der Veranstaltung zu bekommen und daraus die richtige Strategie und Maßnahmen entwickeln zu können. Für die Koordination der Aktivitäten wurde dann für ein halbes Jahr eine Mitarbeiterin eingestellt. Eine Analyse des Hamburger Messe-Auftritts brachte folgendes Ergebnis: Größte Erfolge brachten das Barbecue, die PR und Journalistenarbeit. Positiv bewertet Johannes Everke, Hamburg Marketing GmbH wurde auch die Teilnahme an Messe und Konferenz. Die Konzerte waren allerdings eher schlecht besucht. Insgesamt gab es eine sehr positive Presseresonanz, weshalb Hamburg plant, die Präsentation zu wiederholen. Ähnliche Ergebnisse brachte der Auftritt Berlins. Das Barbecue war auch hier die erfolgreichste Veranstaltung, der Messestand dagegen unbedeutend, das Feedback der auf dem Stand vertretenen Berliner Agenturen und Labels dennoch positiv. Die Presseresonanz war sehr gut. Trotz positivem Ergebnis stelle sich die Frage, ob der Aufwand gerechtfertigt sei und die Künstler tatsächlich davon profitieren. Dazu Everke: „Millionen Fliegen können nicht irren! Wenn alle Booker, Agenturen und Magazine dort rumlaufen, Bands gefeatured werden, alle Exportbüros und Agenturen vor Ort sind, muss es wohl was bringen. Zumindest ist es eine Riesenchance.“ Wichtig sei es allerdings, „den richtigen Zeitpunkt für eine Band zu finden, wann sie zur SXSW geht – und es vor allem nicht allein bei diesem Auftritt zu belassen“. WORKSHOPS Dann könne die Messe durchaus dabei helfen, die jeweiligen Marketingziele zu erreichen. Es wurde angeregt, dass sich die Bundesländer und andere nationale Partner auf einer gemeinsamen Basis präsentieren, um damit auch Deutschland als Musikland darzustellen. Ähnlich hat es Großbritannien gemacht. Mit einem eigenen Haus außerhalb der offiziellen Messe haben sich Schottland, Wales, England und Nordirland präsentiert und damit eine hohe Aufmerksamkeit erzielt. 82 PLAN!POP09 Musikexport 15.3 Deutschland auf der Expo 2010 Von Mai bis Oktober 2010 findet in Shanghai die Expo 2010 statt. Mit geschätzten 70 Millionen Besuchern insgesamt aus 185 teilnehmenden Nationen, soll es die größte Weltausstellung aller Zeiten werden. Die Expo sei in China sehr positiv besetzt und 95 Prozent der Besucher werden aus dem Gastland China erwartet, berichtete Anja Goette, Kulturbeauftragte des Deutschen Pavillons. Der deutsche Auftritt steht unter der Federführung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi), im Deutschen Pavillon rechnet man mit täglich 40.000 Besuchern. Deutschland befindet sich auf der Weltausstellung in direkter Nachbarschaft zu Frankreich, der Schweiz und Polen. Geplant ist ein spartenübergreifendes Kulturprogramm, wobei eher kleinere Projekte im Mittelpunkt stehen als Großinszenierungen, dies gilt auch für den Musikbereich. Ein Ort der Ruhe und Aufnahme wird die Expo, laut Goette, nicht sein. Auftritte auf der Expo sollten in Kombination mit anderen Aktivitäten in Shanghai und China gekoppelt werden, um eine größere Öffentlichkeit zu erreichen. Während der rund 20 Wochen dauernden Expo wird es tage- oder wochenweise Länderschwerpunkte geben. Nordrhein-Westfalen zum Beispiel stellt sich in einer eigenen NRW-Woche in Shanghai vor. Neben dem EXPOAuftritt sollten zusätzlich Veranstaltungen außerhalb des offiziellen Geländes durchgeführt werden, um eine größere Aufmerksamkeit zu erreichen, empfahl Ralph Christoph, der Musikprogrammleiter von NRW ist. Man müsse allerdings wissen, dass Shanghai nur wenig Locations für derlei Veranstaltungen biete. Er wies darauf hin, dass viele andere Länder bereits mit Büros und großen Mitarbeiterstäben in Shanghai vertreten seien, um ihren EXPO-Auftritt vorzubereiten. Die Initiative Musik hat für die Präsentation von populärer Musik aus Deutschland auf der EXPO drei Vorschläge: 1. Am Pop Monday spielt eine deutsche Band auf der Bühne des deutschen Pavillons. 2. An der Warteschlange des deutschen Pavillons wird Musik deutscher Künstler als „Warteschlangenmusik“ gespielt. 3. Musikvideos deutscher Bands werden auf den Pavillon projiziert. 15.4 Auslandsmesseprogramm des Bundes Das Auslandsmesseprogramm des Bundes (AMP) wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Programm einzubinden, kooperiere das Wirtschaftsministerium mit dem Ausstellungs- und Messe-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft e.V. (AUMA). Der Ausschuss frage die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft, welche Auslandsmessen für sie interessant sind. Danach werden Beteiligungsanträge messefachlich geprüft und mit dem Etat abgeglichen.Dem AMP standen regulär 38 Millionen für derzeit rund 250 Messebeteiligungen für alle Branchen zur Verfügung. Die Unterstützung bei der Weltleitmesse für Musiklizenzen MIDEM zeige, dass auch Musikmessen ins Programm aufgenommen werden. Für die Musikbranche seien darüber hinaus Beteiligungen an zwei Messen für Musikinstrumente geplant. 83 WORKSHOPS (BMWi) finanziert, erklärte AUMA-Referent Gerd Bettermann. Um die Interessen der deutschen Wirtschaft in das Musikexport PLAN!POP09 Die Beteiligungsanträge werden vom zuständigen Fachverband gestellt. Bei einer Zusage wird daraufhin eine Messegesellschaft beauftragt, Aussteller zu akquirieren und die Organisation vor Ort zu übernehmen. Wenn der Messeteil bei einer Veranstaltung wie bei der SXSW eher einen geringen Stellenwert einnimmt, so Bettermann, sei eine Aufnahme in das Auslandsmesseprogramm ausgeschlossen, denn der Etatansatz beziehe sich eben auf Beteiligungen des BMWi an Veranstaltungen mit eindeutigem Messecharakter. Gerd Bettermann, AUMA Dennoch ist eine Finanzierung / Förderung durch andere Programme des BMWi denkbar. 15.5 Fazit Sofern Interesse an einer Präsentation auf der SXSW in Austin oder der Expo 2010 besteht, könnte man gemeinsam mit der Initiative Musik aktiv werden, erklärte Keßler. Berlin, Hamburg und Nordrhein-Westfalen werden nächstes Jahr auf der SXSW mit eigenen Auftritten vertreten sein. Auch Bayern hat Interesse angemeldet. Bei der Expo 2010 wird es Präsentationen aller Bundesländer geben, im Bereich Rock- und Popmusik planen bisher nur Nordrhein-Westfalen und Hamburg eigene Aktionen. Eine gesamtdeutsche Beteiligung wäre bei beiden Veranstaltungen wünschenswert. WORKSHOPS 84 PLAN!POP09 Fazit Fazit Der erste, größte Erfolg war, dass an dieser Veranstaltung ca. 200 Förderer aus ganz Deutschland teilnahmen. Unser Dank gilt allen, die sich hier so aktiv beteiligten! Damit konnten wir alle zusammen einen erfolgreichen Auftakt schaffen. Die Veranstaltung hat gezeigt, dass Handlungsbedarf besteht, der Wille zur Zusammenarbeit wurde von allen betont und es wurde deutlich, dass das Interesse an den Fragen der Förderpolitik für die Kreativwirtschaft und insbesondere für die Musikwirtschaft größer ist, als gedacht. Die Fachtagung selbst war schon ein erstes Ergebnis des kommenden Prozesses: Kollegen kennenlernen, Erfahrungen austauschen, Projekte anderer zu hinterfragen, eigene Modelle zu präsentieren und gemeinsam zu neuen Erkenntnissen oder Ideen zu kommen. Anregungen und Vorschläge, Kritiken und Wünsche richteten sich an alle Beteiligten gleichermaßen. Die Aufgaben, die die Initiative Musik übernehmen kann oder die direkt an uns herangetragen wurden, sollen so weit wie möglich aufgegriffen und bearbeitet werden. Dazu wird ein Team gebildet, das unter dem Projektnamen „Dialogforum Bund-Länder-Kooperation“ mit den interessierten Vertretern der Bundesländer, Regionen und Kommunen gemeinsam Themen umsetzen wird. Einige Aufgaben oder Wünsche richteten sich z.B. an Einzelne, die Politik, die Wirtschaft oder aktive Förderer. Wer was übernehmen kann, ist abzustimmen. Folgende Hauptthemenfelder wurden als „Baustellen“ benannt: Popförderstruktur Nicht in jedem Bundesland ist das Thema Rock- und Popförderung in einem Ministerium fest und aktiv verankert oder existiert ein Rockbüro, die zentrale Aufgaben übernehmen. Die Bedarfe, Rahmenbedingungen, Budgets, Handlungsspielräume und Wissensstände sind sehr unterschiedlich. Gerne wollen wir die Bundesländer oder auch Regionen und großen Kommunen hierbei unterstützen, eine entsprechende Förderstruktur aufzubauen. Eine „organisierte Plattform“ wurde auf der Konferenz mehrfach gefordert. Gerne wollen wir dazu beitragen, über Landesgrenzen hinaus Kooperationsprojekte, Netzwerke und Informationssysteme aufzubauen, die Voraussetzung für eine wirkungsvolle Popförderstruktur darstellen. Hierzu werden wir bis Winter 2010 Kontakt zu jedem Bundesland aufnehmen und jeweils mit den aus dem Land wichtigen Akteuren gemeinsam ein Gespräch führen. Ziel ist, herauszufinden, wo und wie wir begleiten, uns aktiv einbringen und Impulse bieten können. Eine schlagkräftige Rock- und Pop-Lobby wird gebraucht, dies wurde mehrfach betont. Sie soll sich für Wertschätzung und Anerkennung der Branche bei Politik, Wirtschaft und Kultur einsetzen; sie soll die Relevanz der Musikwirtschaft innerhalb der Kulturwirtschaft stärken. Die Zusammenstellung der „Best Projects“ zeigt, dass Regionen und Bundesländer viel voneinander lernen können und umgekehrt viel Erfahrung geboten werden kann. Dabei geht es nicht nur um Einzelprojekte 85 Fazit PLAN!POP09 und deren Abwicklung, Erfolg oder Nachhaltigkeit. Es zeigt auch, dass Popmusikförderung als Querschnittsaufgabe ressortübergreifend (Wirtschaft, Kultur, Jugend, Bildung etc.) wahrgenommen und gelebt werden muss. Spielstättenförderung Die Initiative Musik möchte ca. 5-6 Pilotprojekte starten, die jeweils unterschiedlich inhaltlich aufgesetzt sind. Sie sollen jeweils gemeinsam mit einem Bundesland, einer Region oder großen Kommune realisiert werden und die Spielstätten/Clubs effektiv unterstützten. Dabei kann es sich z.B. um Auszeichnungen für ein besonderes Programm handeln, gezielte Weiterbildungsmaßnahmen oder Coachings für Clubbetreiber anbieten, das Marketing für die Clubs einer ganzen Region stärken oder auch notwendige technische Erneuerungen oder Ausstattungen (Leuchtmittel, Schallschutzmaßnahmen etc.) unterstützen. Musikfonds Die Diskussion, ob ein bundesweiter Musikfonds Sinn macht und wenn ja, wie er aussehen sollte und welche Institution/en ihn tragen könnten ist noch nicht abgeschlossen. Hierzu müssen weitere Gespräche mit potenziellen Partnern, wie der KfW und ggf. einzelnen Landesbanken geführt werden. Auch ist die Grundlage hierzu noch offen: geht es um Mikrokredite für die Kulturwirtschaft, sind eher Unternehmensbeteiligungen durch Banken notwendig oder brauchen die Musikunternehmen eher Ausfallbürgschaften für z.B. Zwischenund Vorfinanzierungen. Hier wird die Initiative Musik zu weiterführenden Gesprächen einladen. Exportförderung Deutsche Musik ist im Ausland unterdurchschnittlich existent, d.h. erlebbar, kaufbar und in den Radios hörbar. Die Gründe sind vielfältig und bedingen einander. Deshalb ist es notwendig, Exportaktivitäten der Musikwirtschaft zu stützen. Hier wurden zunächst zwei Angebote der Initiative Musik im Workshop diskutiert: Beteiligung an einem gemeinsamen starken Auftritt 1. auf der South by South West in Austin, Texas, im März 2010 und 2. im Rahmen der Expo in Shanghai Mai bis Oktober 2010. Interessierte Bundesländer werden gebeten sich bei uns zu melden. Darüber hinaus beteiligt sich die Initiative Musik über die Mitgliedschaft im EMO - European Music Office- an einer EU Ausschreibung des European Talent Exchange Program ETEP zur Verbreitung europäischer Künstler innerhalb Europas. Auch ein eigenes Tourprogramm der Initiative Musik ist im Gespräch. Netzwerke Funktionierende Netzwerke sind die Voraussetzung für effektive Strukturen zur Stärkung der Musikkulturund Wirtschaft in Deutschland- gemeinsam an einem Strang ziehen, Ziele zusammen definieren und die jeweiligen Stärken der Bundesländer unterstützen, statt in einen Wettbewerb miteinander zu treten. Ein Netzwerk - so auch dieses Popfördernetzwerk muss wachsen, sich üben und durch gemeinsame Aktivitäten laufen lernen. Hier ist jeder einzelne gefordert. Wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen Rechtliche Rahmenbedingungen, wie Verordnungen und Gebühren sind in der Regel Sache der jeweiligen Kommune. Hier müssen sich die Betroffenen vernetzen und aktiv werden. Die Bedingungen, die auf Bundesebene zu schaffen sind, werden von den Verbänden mit den Gesetzgebungsorganen verhandelt. 86 PLAN!POP09 Fazit Medienkooperationen Ein wichtiges Instrument, Musik an den Endverbraucher zu bringen, stellen Medien, wie Hörfunk und Internet dar. Effektive Popförderung zu betreiben bedeutet in diesem Zusammenhang die Wege dorthin zu vereinfachen, zu ebnen. Deshalb sind Medienkooperationen von großer Bedeutung. Umgekehrt betonten die Medienvertreter selbst großes Interesse an gemeinsamen Aktivitäten. Früh- und Spitzenförderung / Coachings Die Spitzenförderung für Künstler hört in Deutschland oft bei Bandcoachings für Nachwuchstalente und Wettbewerben auf. Hier besteht bei den Beteiligten ein Bedarf an Wissensaustausch und Abstimmung untereinander. Weiterführende Angebote für Rock- und Popmusiker sind rar bis nicht existent. Ebenso mangelt es an Angeboten einer qualifizierten Frühförderung bei Kindern. Welche Konsequenz Sie als Leser daraus ziehen, würden wir gerne von Ihnen erfahren. Was heißt es für uns, für die Initiative Musik: Ohne ein Subventionsmonster aufzubauen soll Hilfe zur Selbsthilfe geleistet werden. Das Ziel der Initiative Musik ist bis Ende 2010 • das Netzwerk auszubauen und mit noch mehr Leben zu füllen, Expertenrunden einzuberufen • mit den Interessierten und Aktiven aus der Popförderung gemeinsam Pilotprojekte zu starten, • Angebote zu initiieren, die offen für Beteiligungen Dritter sind und • den Aufbau neuer Strukturen in den Ländern und Regionen zu begleiten und zu unterstützen. Wir wollen zuhören, mitteilen und beitragen. Wir wollen mit Ihnen Anerkennung, Wert und Umsätze steigern. Ina Keßler Geschäftsführerin Initiative Musik gGmbH 87 Impressionen Plan!Pop09 Ausblick aus dem Konferenzzentrum PLAN!POP09 Andrea Kuhfuß, WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH Jazzanova live bei Plan!Pop09 Organisationsteam Plan!Pop09 94 Thomas Baerens, Staatskanzlei NRW PLAN!POP09 Impressum Impressum Verantwortlich: Ina Keßler, Initiative Musik gGmbH Gesamtredaktion: Lothar Scholz Projektkoordination: Katja Hermes, Initiative Musik gGmbH Projektteam: Dana Bauers, Landesverband für Popular Musik und Kreativwirtschaft MV Andrea Rothaug, RockCity Hamburg e.V. Bernd Schweinar, Rock.Büro Süd Paul Woog, Popbüro Region Stuttgart Fotos: Silke Paustian Grafik / Layout: Raimo Böse Herausgeber: Initiative Musik gGmbH Linienstr. 130 10115 Berlin Herausgegeben von der Initiative Musik gemeinnützige Projektgesellschaft mbH mit Projektmitteln des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien auf Grund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. Gefördert von: Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern