Report - Ver- und Entsorgung

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Report - Ver- und Entsorgung
die
E n e rg i e
Fachbereichsbeilage
Wa s s e r
Abfall
Ver- und Entsorgung 02 • 2009
E N E R G I E W I R T S C H A F T
·
W A S S E R W I R T S C H A F T
·
A B F A L L W I R T S C H A F T
·
B E R G B A U
ENERGIEWIRTSCHAFT
„Wir sind one E.ON“
Über 5500 E.ON-Beschäftigte sind einem ver.di-Aufruf gefolgt und haben
am 18. Juni für den Erhalt ihrer Jobs
demonstriert.
Seite 4
WASSERWIRTSCHAFT
Damit Nachtschicht
erträglicher wird
Moderne
Schichtpläne
machen
Schichtarbeit
erträglicher.
Statt fünf oder
gar
sieben
Nachtschichten hintereinander setzen sie auf einen schnelleren Wechsel. Wer das neue System ausprobiert, will nicht wieder zurück, betonen Mitarbeiter der Wasserwerke
Westfalen.
Seite 5
Abgeführt, verhört und
abgeschoben
Sie wollten auf die
Risiken hinweisen,
die mit dem Bau
großer Staudämme verbunden
sind. Es sollte eine
kleine, aber effektive Demonstration werden. Doch dann sahen sie
sich wie Kriminelle behandelt.
Seite 6
ENERGIEWIRTSCHAFT
Bremer Monopoly
Der oldenburgische EWE-Konzern soll
künftig bei der swb AG (Stadtwerke
Bremen) das Sagen haben. Seite 6
ABFALLWIRTSCHAFT
Arbeitgeber wollen
Tariferhöhung streichen
Die Arbeitgeber der Abfallwirtschaft
wollen sich über Tarifverträge hinwegsetzen. Der Bundesverband der
Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE)
kündigte an, die mit ver.di ausgehandelte Tariferhöhung nicht auszuzahlen.
Seite 7
Gutes Geld für gute Arbeit
Abspecken auf Kosten der Beschäftigten? Das kann nicht sein, sagen
sich die Kolleginnen und Kollegen der
AWISTA GmbH Düsseldorf und machen
gegen die Lohndumping-Pläne des Unternehmens mobil.
Seite 7
Die Entsorgungswirtschaft sieht sich schon als Opfer der Krise.
FOTO: ROETTGERS
ver.di: Nachfrage stärken
Drittes Konjunkturprogramm soll Investitionen in Infrastruktur beschleunigen
Geht es nach den Unternehmen der privaten Entsorgungsbranche, müssen die
Beschäftigten für die Finanz- und Wirtschaftskrise aufkommen. In einer Umfrage des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE) vom
März 2009 gaben fast zwei Drittel der
im BDE organisierten Firmen an, im laufenden Jahr Arbeitsplätze abbauen zu
müssen. Und rund die Hälfte wollen ihre Investitionen drosseln. Der Grund
für das Gejammer der Branche: Die
Wertstoffpreise, die in den vergangenen Jahren in ungeahnte Höhen geklettert waren, sind in Folge der Krise
eingebrochen. Entsprechend stark lässt
der Appetit der Privaten nach, den kommunalen Unternehmen Konkurrenz
zu machen. Kurzarbeit ist bereits vielfach verbreitet, Entlassungen werden
angedroht, um die Profite auch in Krisenzeiten zu sichern. Und natürlich
Lohnverzicht.
Lohnverzicht, Investitionsstopp und
Gebührenerhöhungen sind die probaten Mittel, um in Zeiten der Krise die
Profite zu sichern. Doch sind sie auch
angemessen, um die Konjunktur wieder anzukurbeln? „Nein“, ist sich der
wissenschaftliche Direktor des Instituts
für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-BöcklerStiftung ,Professor Gustav A. Horn,
sicher. Er warnt davor, beim Krisenmanagement die Ursachen der Finanzund Wirtschaftskrise nicht zu berücksichtigen. „Der Weg in die Krise war
geprägt durch die teilweise dramatische Zunahme der ökonomischen Ungleichheit: Die hohen Einkommen leg-
Erste Windturbinen in Bielefeld
Die Stadtwerke Bielefeld haben im Juni erstmals zwei Windturbinen vom Typ
Vestas V90-105 mit jeweils zwei Megawatt Leistung in Betrieb genommen.
Die beiden Windturbinen sollen jährlich 7,4 Millionen Kilowattstunden
Strom ins Stadtwerke-Netz einspeisen.
Der Bau der beiden rund sechs Millionen Euro teuren Propeller ist Teil des
im Frühjahr 2008 vorgestellten Klimaschutzkonzeptes des Kommunalver-
sorgers. „Die Windräder sind ein wichtiger Teil unseres Programms, erneuerbare Energien stärker zur Strom- und
Wärmeversorgung einzusetzen. Wir
wollen in den nächsten Jahren insgesamt 23,5 Millionen Euro in Anlagen
für regenerative Energieerzeugung investieren", sagte Geschäftsführer Wolfgang Brinkmann. An der Finanzierung
beteiligen sich auch Haushaltskunden
der Stadtwerke Bielefeld.
ten zu, die mittleren und niedrigeren
erodierten. Das hat sich nicht nur als
Gerechtigkeitsproblem erwiesen, sondern auch als ökonomisch schädlich.“
Das IMK plädiert zudem dafür, die
öffentlichen Investitionen nicht zurückzufahren, sondern die Kommunen
mit einem dritten Konjunkturprogramm
in die Lage zu versetzen, ihre Investitionen in die öffentliche Infrastruktur
auszuweiten. ver.di hat hierzu einen Forderungskatalog vorgelegt. Insgesamt
müssten in den nächsten Jahren zusätzlich rund 100 Milliarden Euro öffentliche Gelder investiert werden. ver.di
sieht vor allem Investitionsbedarf in
der öffentlichen Ver- und Entsorgung:
Für Maßnahmen wie den Ausbau der
Stromnetze, die Förderung der effizienten und klimafreundlichen Kraft-
Wärme-Kopplung, energetische Gebäudesanierung oder Sanierung der
Wasser- und Abwasserleitungen sieht
der ver.di-Masterplan zur Konjunkturankurbelung insgesamt rund 20 Milliarden Euro vor. Mit dabei auch Investitionen der öffentlichen Entsorgungsbetriebe in die Wertstoffaufbereitung
von Papier, Altmetallen und Kunststoffen. Denn wenn die privaten Unternehmen der Entsorgungsbranche der
Krise mit Investitionsstopp und Entlassungen begegnen und sich damit aus
der Verantwortung stehlen, müssen diese notwendigen öffentlichen Aufgaben
wieder in öffentliche Verantwortung der
Kommunen und Landkreise zurückgeholt werden – zu den einvernehmlich
ausgehandelten Tarifen der öffentlichen
Wirtschaft
Seite 3
Vattenfall soll klimafreundlicher werden
Die schwedische Regierung will den heimischen Vattenfall-Konzern zu mehr Investitionen in erneuerbare Energien
zwingen. Schwedens Wirtschaftsministerin Maud Olofsson kündigte an, dass
der Staat als alleiniger Vattenfall-Eigner
neue Direktiven vorgeben wolle. Sie begründete diese Pläne mit den massiven Aktivitäten des Konzerns bei dem
fossilen Energieträger Kohle im Ausland,
die „nicht legitim" seien. Deshalb solle
es neue Anweisungen der Regierung für
„die Umstellung auf umweltfreundliche
Technik, die Wertschöpfung sowie einen besseren Schutz von Vattenfall als
Markenname“ geben. Nach Medienberichten teilte Vattenfall als Reaktion
auf die Kritik mit, dass das Unternehmen die klimaneutrale Stromerzeugung
bis 2050 anstrebe. Die Umstellung auf
C02-freie Energiequellen könne jedoch
nicht über Nacht vollzogen werden.
2 FACHBEREICH
FACHBEREICH VER- UND ENTSORGUNG 02 • 2009
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
um Lohndumping zu erreichen, schreckt
der Bundesverband der deutschen Entsorgungswirtschaft offenbar nicht einmal mehr vor Vertragsbruch zurück.
Geht es nach dem BDE, soll die mit
„Tarifpolitik nach Gutsherrenart ist mit ver.di
nicht zu machen.“
ver.di vereinbarte Tariferhöhung von
drei Prozent ab Mai 2009 nicht ausgezahlt werden. Michael Röttger, Personalchef bei der deutschen Filiale
des französischen Weltkonzerns Veolia und neuer BDE-Verhandlungsführer, erdreistet sich ver.di vorzuschlagen, den Tarifabschluss nur dann umzusetzen, wenn die Altpapier- und
Schrottpreise wieder steigen. Die seien aufgrund der Wirtschafts- und Finanzkrise in den letzten Monaten drastisch gesunken.
Ich sage dazu ganz klar: Tarifpolitik
nach Gutsherrenart ist mit ver.di nicht
zu machen. Wer einmal abgeschlossene Verträge nicht einhält, begeht
in einem Rechtsstaat Rechtsbruch. Wer
sich wie die privaten Entsorgungskonzerne in den Markt für Altpapier
und Schrott gedrängt hat und sich dort
zu Zeiten der Hochkonjunktur eine goldene Nase verdient hat, muss auch das
Risiko tragen, dass die Geschäfte einmal nicht so gut gehen. Im Übrigen: So
ganz glaubt der BDE wohl nicht daran, dass wir auf sein rechtswidriges
Angebot eingehen könnten. Für diesen Fall gibt es ja noch einen weiteren Dukatenesel, den Gebührenzahler:
BDE-Hauptgeschäftsführer Matthias
Raith kündigte kürzlich in der Presse
schon mal an, dass bei anhaltender
Flaute auf dem Sekundärstoffmarkt
„die mit den Städten und Gemeinden
vereinbarten Preise nicht mehr gehalten werden“ können.
Kaum berührt von den Folgen der
Finanz- und Wirtschaftskrise ist dagegen die öffentliche Entsorgungswirtschaft. Hausmüll fällt immer an, und
die Gebühren liegen fest. Doch auch
die öffentlichen Entsorgungsunternehmen schrecken vor Tarifflucht nicht
zurück – das zeigt das Beispiel der Düsseldorfer Awista. Dort sollte das Unternehmen jetzt fit gemacht werden
für das Jahr 2018. Dann läuft der Kon-
FOTO: HERSCHELMANN
zessionsvertrag mit der Stadt Düsseldorf aus, und man müsse doch wettbewerbsfähig sein. Doch eingefallen
ist den Unternehmensvorständen in
Wirklichkeit bislang nur wenig Visionäres: Der Tarifvertrag öffentlicher
Dienst sei zu teuer, mit Organisa-
tionstricks wollte man davon weg zum
billigeren Tarifvertrag für Speditionen. Dass dies jetzt misslungen ist, ist
einzig und allein der Entschlossenheit
der Kollegen und der guten gewerkschaftlichen Organisation und der paritätischen Mitbestimmung beim Mutterunternehmen Düsseldorfer Stadtwerke zu verdanken.
Gut durch die Krise gekommen ist
bislang auch die Energiewirtschaft –
allen voran der Weltkonzern E.ON. Dort
betrug 2008 das Ergebnis (EBIT) fast
10 Milliarden Euro, rund 7,5 Prozent
mehr als im Vorjahr. Das hindert den
Vorstand nicht daran, „Effizienzsteigerungen“ vor allem in einem Bereich
zu suchen: bei den Beschäftigten. „Perform to win“ heißt das Programm, und
6000 Arbeitsplätze sind in Gefahr, davon 4000 in Deutschland. Erstmals
schließt der Vorstand dabei auch betriebsbedingte Kündigungen nicht aus,
um das zweistellige Milliardenergebnis dauerhaft zu sichern. Wer andererseits seinen Arbeitsplatz behalten
will, müsse schon bereit sein, in outgesourcten Tochtergesellschaften mit
Tarifen unter E.ON-Tarifniveau zu schuften. Kein Wunder, dass den E.ON-Be-
schäftigten der Kragen platzt. 5500
Menschen aus allen E.ON-Betriebsteilen in Deutschland sind am 18. Juni
dem ver.di-Aufruf gefolgt und haben
gegen diese Vorhaben demonstriert.
Mit dabei waren auch Delegationen
aus E.ON-Beteiligungen aus diversen
europäischen Ländern. Es hat sich gezeigt, dass ver.di für die kommenden
Auseinandersetzungen im E.ON-Konzern gut aufgestellt ist.
Was in den Zeiten der Finanz- und
Wirtschaftskrise notwendig ist, ist klar:
Stärkung der Kaufkraft durch anständige Löhne und Gehälter – und
angemessene Lohnerhöhungen. Da
haben die Konzerne ihre gesellschaftliche Verantwortung, ganz
gleich, ob die Krise ihnen eine Delle
in den Profiten beschert oder nicht.
Doch nur mit einem guten Organisationsgrad und funktionierender Mitbestimmung können die Gewerkschaften erreichen, dass die Unternehmen dieser Verantwortung auch
nachkommen – und es ihnen nicht gelingt, mit Lohndrückerei und Rausschmiss von Beschäftigten die Auswirkungen der Krise noch zu verEUER ERHARD OTT
schlimmern.
Eckpfeiler kommunaler Daseinsvorsorge
Betriebs- und Personalräte der Wasserwirtschaft diskutierten Forderungen an die Parteien vor den Wahlen
Die Wasserwirtschaft darf nicht von privaten Gewinninteressen bestimmt werden. Darüber waren sich die 140 Betriebs- und Personalräte aus 80 Unternehmen der Wasserwirtschaft einig, die zur
ver.di-Betriebs- und Personalrätekonferenz Anfang April nach
Berlin gekommen waren. Denn: Wenn nur Gewinn zählt, werden
Nachhaltigkeit und der Aufbau einer lebenswerten Infrastruktur
ausgebremst oder zerstört.
Die Teilnehmer der Konferenz forderten zudem, den Ordnungsrahmen
so zu gestalten, dass eine effiziente
demokratische Kontrolle einen Missbrauch der Monopolstellung verhindert. Außerdem dürfe die Wasserwirtschaft nicht zu einem Flickenteppich von Ländergesetzen verkommen, sondern müsse einheitlich durch
Bundesgesetzgebung geregelt werden. Dass der öffentlichen Wasserwirtschaft Vorrang vor jedem privaten Betreiber eingeräumt werden
muss, steht für die Beschäftigten zudem außer Frage.
Zeitgleich zur Konferenz fand in Berlin die „Wasser Berlin“ statt, die größte Wassermesse der Welt. Die Fachgruppe Wasserwirtschaft beteiligte sich
mit einem Stand. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nutzten einen KonIMPRESSUM
Der ver.di-Report
Ver- und Entsorgung
Nr. 2, Juni 2009
Herausgeber:
Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di),
Fachbereich Ver- und Entsorgung,
Paula-Thiede-Ufer 10,
10179 Berlin, v. i. S. d. P.: Frank
Bsirske, Erhard Ott
Redaktion:
Jana Bender, Reinhard Klopfleisch,
Reiner Koch, Ellen Naumann,
Kora Siebert
www.ver-und-entsorgung-verdi.de
Herstellung+Druck:
apm AG Darmstadt,
Kleyerstraße 3,
64295 Darmstadt
Layout:
alpha print medien AG
ferenztag zum gemeinsamen Besuch
der Messe und führten an verschiedenen Unternehmensständen Gespräche.
Wassergesetzgebung
Nach wie vor treibt die Beschäftigten
der Wasserwirtschaft das nationale
Wasserrecht und das Vergaberecht mit
der damit einhergehenden Problematik interkommunaler Zusammenarbeit
um. Gestritten wird ferner um die Gestaltung des Ordnungsrahmens. Aktuell kristallisiert sich die Frage um
die Rechtmäßigkeit der erhobenen Gebühren und Entgelte für die Dienstleistungen der Wasserwirtschaft heraus.
Der Hintergrund. Die Kartellbehörde
in Hessen hat Verfahren gegen einige Wasserversorger eingeleitet und
fordert, die Gebühren und Entgelte
um etwa 30 bis 40 Prozent abzusenken. Eine solche Preissenkung hätte vermutlich auch Auswirkungen auf
Personalkosten und den Personalbestand. Das Verfahren wird inzwischen
bundesweit zwischen den Kartellbehörden abgestimmt.
ver.di war mit einem Stand auf der weltgrößten Wassermesse „Wasser Berlin“ vertreten.
Noch auf der Münchner Konferenz
hatte Helge Wendenburg vom Bundesumweltministerium euphorisch über
die Einführung des Umweltgesetzbuches und damit über das zweite Buch
Wasser berichtet. Dies ist an der un-
INTERNET
einheitlichen Haltung der Länder gescheitert. Auf der Konferenz erläuterte Wendenburg nun das neue Wassergesetz. Allerdings hat das Gesetz offenbar in den parlamentarischen Gremien des Bundes und der Länder keiFOTO: VER.DI
ver.di 2.0 – Der Anfang ist gemacht
Das Internet ist für viele zum festen Bestandteil unseres Alltags geworden. Mit diesem Trend ist auch die Nutzung von interaktiven Angeboten verbunden, sei es you tube oder die so genannten „communities“,
soziale Netzwerke im Internet. ver.di will sich diesem Trend nicht verschließen und hat mit dem Mitgliedernetz ein eigenes Angebot geschaffen,
mit dem die Mitglieder auch im Internet zu einer Community zusammen wachsen können. Anfang Dezember ist das
neue Angebot an den Start gegangen und bis heute haben sich über 10 000 Mitglieder registriert. Das Mitgliedernetz
bietet neben Tarifinformationen und Serviceangeboten, auch Funktionen zum Kommentieren, bewerten und abstimmen. In Zukunft werden weitere Funktionen hinzukommen. Dann wird man ein eigenes Profil eingeben können, über
das mit anderen Mitgliedern direkt in den Austausch getreten werden kann – sei es über die eigene Arbeit, gewerkschaftliches Engagement oder soziale Fragen. Und dies alles, ohne zu befürchten, dass die Daten ungeschützt weitergegeben und kommerziell genutzt werden.
Mit dem Mitgliedernetz kann eine Plattform entstehen, die gewerkschaftliches Engagement auch im Internet mit Leben
füllt, es können Fragen aufgeworfen und diskutiert werden wie: Welche Strategien gibt es im Umgang mit der Leiharbeit? Wie betrifft die Wirtschaftskrise unser Leben und was muss getan werden? Daher: registrieren, informieren, mitdiskutieren unter https://mitgliedernetz.verdi.de
ROMIN KHAN
FOTO: VER.DI
ne Chance auf Verwirklichung, obwohl
es ein wichtiger Bestandteil der Föderalismusreform ist.
Karl Ernst Kappel, Rechtsanwalt und
Steuerberater aus Stuttgart, ging auf
der Konferenz auf mögliche und wünschenswerte Tendenzen in der Wasserwirtschaft ein. Die Kommunen müssen sich seiner Ansicht nach jetzt für
die nächsten 20 Jahre neu positionieren, denn in den nächsten Jahren liefen etliche Konzessionsverträge aus.
Zugleich warnte er die Kommunen, die
Wasserversorgung aus der Hand zu geben, weil dann die Kompetenzen für
das Betreiben der Anlagen verloren gingen.
Der Präsident der Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft, Jochen
Stemplewski, beschäftigte sich in seinem Beitrag mit interkommunaler Zusammenarbeit. Eine gute interkommunale Zusammenarbeit brauche keine ständig neuen Initiativen und auch
keine Zwangsjacke, sondern rechtlichen Schutz.
MATHIAS LADSTÄTTER
FACHBEREICH VER- UND ENTSORGUNG 02 • 2009
T I T E LT H E M A 3
Tal der Tränen noch nicht erreicht
Konjunkturkrisen sind die Zeit für zusätzliche Investitionen in die öffentliche Infrastruktur
Die Wirtschaftskrise schlägt mit bislang ungekannter Härte zu.
Und die Konjunkturforscher sind ziemlich sicher, dass das Tal der
Tränen noch nicht erreicht ist. Die Krise? Was für eine Krise,
könnte man im Ver- und Entsorgungsbereich fragen. Strom, Wasser und Wärme, Müllabfuhr und Abwasserreinigung brauchen die
Menschen, ganz gleich, ob die Konjunktur fröhliche Urständ feiert oder darniederliegt.
FOTO: VATTENFALL
In der Tat: Im Bereich Haushaltskunden machen sich konjunkturelle Absatzeinbußen in der Energiewirtschaft
oder der Restmüllentsorgung bislang
kaum bemerkbar. Und der relativ strenge Winter hat dazu geführt, dass Stadtwerke und Regionalversorger im Wärmemarkt sogar mehr abgesetzt haben als im Vorjahr. Warum die Krise
dennoch zu einer Erlösdelle der Stadtwerke oder kommunalen Abfallunternehmen führen kann? Die Märkte für
Industriekunden, und hier vor allem die
Automobil- und Metallindustrie, sind
deutlich eingebrochen. Wer weniger
Autos oder Maschinen absetzen kann,
braucht auch weniger Strom.
„Lohnverzicht oder Massenentlassungen sollten im Bereich der Ver- und
Entsorgung ausgeschlossen sein –
nicht nur, weil sie volkswirtschaftlich ohnehin das falsche Mittel zur Krisenbewältigung sind. Es besteht auch
kein betriebswirtschaftlicher Anlass,
darüber nachzudenken“, stellt ver.diBundesvorstandsmitglied Erhard Ott
klar. Es werde vielmehr darauf ankommen, in diesem Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge durch Verzicht auf Kündigungen und durch angemessene Lohnerhöhungen dazu beizutragen, dass die Kaufkraft der Bevölkerung wieder wächst – das bes-
te Mittel, um die Konjunktur wieder
anzukurbeln.
Preise für Altpapier im Keller
Wiederverwertung ist das Zauberwort
der ökologischen Entsorgungswirtschaft – und ausgerechnet hier gilt
die Entwarnung nicht. Denn Wiederverwertung von Wertstoffen bedingt,
dass auch die Märkte für diese Stoffe
funktionieren. Und die sind stark konjunkturabhängig. Weil Altpapier und
Altmetalle in der Krise immer weniger gefragt sind, sind die Preise zum
Teil auf zehn Prozent der Werte von
Mitte 2008 gefallen. Wer aber, so meint
die Gewerkschaft ver.di, in Zeiten des
Booms von Altpapier und Schrott horrende Extragewinne abgeschöpft hat,
muss auch Durststrecken überwinden
können. Sollten sich
die privaten Unternehmen aus dem Geschäft der Wertstoffentsorgung stehlen,
müssen die öffentlichen Entsorgungsunternehmen diese
Aufgaben wieder
übernehmen. Hierzu
wären hohe Investitionen in Recyclinganlagen notwendig,
was die Müllgebühren erhöhen würde.
Die Krise stellt aber
auch Stadtwerke und
Regionalversorger
vor neue Probleme.
Die Strom- und Gaspreise hängen in liberalisierten Märkten zunehmend von
den Rohstoffpreisen
ab. Sie sind 2008 aufgrund der steigenden Nachfrage auf
den Weltmärkten zunächst steil angestiegen, in Folge der Wirtschaftskrise
Ende 2008 dann aber rasant gesunken.
Viele Energieversorger waren auf dieses Auf-und-Ab nicht richtig eingestellt.
Sie haben in der Hochpreisphase Gasund Strommengen gekauft, auch bereits für die Jahre 2009 und 2010.
Diese Mengen werden in vielen Fällen nicht mehr kostendeckend verkauft
werden können.
Ein weiteres Problem: Die Unternehmen der Ver- und Entsorgung ha-
Die Märkte für Industriekunden sind deutlich eingebrochen.
ben vielfältige Rückstellungen gebildet, um künftige Belastungen und Investitionen finanzieren zu können. Es
ist noch nicht abzusehen, welche Risiken noch dadurch entstehen, dass die
Geldanlagen durch die Krise möglicherweise an Wert verloren haben. Dies
kann auch die betriebliche Altersversorgung betreffen.
Schwieriger wird es in der Krise zudem, selbst für hochrentierliche Investitionen günstige Kredite zu bekommen. Zwar sind die Unternehmen
der Ver- und Entsorgungswirtschaft anders als beispielsweise Newcomer im
Bereich erneuerbare Energien vom derzeitigen „Kreditboykott“ der Banken
kaum betroffen. Doch verschlechtern
sich die Finanzierungskonditionen. Der
derzeitigen Einkaufstour von RWE und
Vattenfall in den Niederlanden zum
Trotz werden derartige Mega-Deals
in der Energiewirtschaft durch die Krise eher schwieriger zu bewerkstelligen,
meinen die Spezialisten der Unternehmensberatungsfirma A.T. Kearney.
Denn auch Strom- und Gasversorger
werden gezwungen sein, Übernahmen
„in stärkerem Maße mit eigenem Kapital zu finanzieren“. Dies könnte die
„Großen Vier“ daran hindern, weitere Mega-Deals im Ausland anzupeilen,
dies könnte aber vor allem auch die
laufenden Expansionsbestrebungen
von Stadtwerken beinträchtigen. Denn
sie sind darauf angewiesen, größere
Aufkäufe vorwiegend fremd zu finanzieren.
Was tut die Politik in Zeiten der
Krise? Nicht immer das Richtige. Die
Regulierung der Netzentgelte droht,
die derzeitigen Probleme und Risiken erheblich zu verstärken. Angesichts der Krise, so meint ver.di, müssen die politischen Vorgaben zur Kos-
„Löhne müssen steigen“
Wirtschaftswissenschaftler dringt auf Stärkung der Binnennachfrage
Der Wirtschaftswissenschaftler Professor Gustav A. Horn, Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-BöcklerStiftung, warnt vor Lohnverzicht. Volkswirtschaftlich gesehen sei Lohnverzicht
die schlechteste Medizin gegen die Krise. Warum das so ist, erläutert Horn in
einem Gespräch mit dem „Report“.
Den Unternehmen fällt zur Bewältigung der Auswirkungen der Krise oftmals nur der Lohnverzicht ein – ansonsten drohe der Verlust der Arbeitsplätze. Sollen sich Gewerkschaften und Beschäftigte auf derartige
Arrangements einlassen?
Horn | Volkswirtschaftlich ist Lohnverzicht die schlechteste Medizin ge-
gen die Krise. Im Gegenteil: Die Stärkung der Binnennachfrage gerade in
den unteren und mittleren Einkommensgruppen notwendig, weil sie direkt konjunkturwirksam wird. Statt
Lohnverzicht ist es also gerade in Zeiten der Krise notwendig, die Löhne
deutlich zu erhöhen.
Und wie soll man mit denjenigen verfahren, die ihre Arbeit bereits verloren haben? Sie haben in Zeiten der
Krise keine Chance bald wieder Arbeit zu finden.
Horn | Ab dem Sommer werden die
Arbeitslosenzahlen sogar rasant steigen, ohne dass es schnell neue Jobs
geben wird. Damit könnten 2010 Hunderttausende in Hartz IV abrutschen.
Massive Einkommens- und Vermögensverluste wären die Folge; die Binnennachfrage würde dramatisch geschwächt. Ich schlage deshalb vor, das
Arbeitslosengeld I für die Zeit der Krise auf einheitlich zwei Jahre zu verlängern.
Reichen die bisherigen Konjunkturprogramme aus, um das Blatt zu wenden?
Horn | Mit den schon beschlossenen
Konjunkturhilfen wird es möglicherweise gelingen, die Wirtschaft im kommenden Jahr in Richtung Stagnation
zu stabilisieren. Ein Aufschwung ist damit aber kaum zu erreichen. Deshalb
müssen die öffentlichen Investitionen
noch einmal deutlich erhöht werden.
Auf diese Weise werden langfristig oh-
FOTO: VATTENFALL
tensenkung so angepasst werden, dass
Beschäftigung gehalten und Investitionen angereizt werden. Eine Novellierung der Anreizregulierungsverordnung ist dringend geboten. Nur so
könnten Anreize nicht allein für Kostensenkungen, sondern für Investitionen in die Netze geschaffen werden. Insbesondere aber müsse auf die
Mehrerlösabschöpfung verzichtet werden, die derzeit Millionenlöcher in die
Versorgeretats bohrt.
Konjunkturkrisen sind die Zeit für zusätzliche Investitionen in die öffentliche Infrastruktur. Das ist Standardwissen unter den Ökonomen. Das Konjunkturpaket II sieht insgesamt 16 Milliarden Euro für die Verbesserung der
Infrastruktur vor. Insbesondere bei der
energetischen Sanierung von öffentlichen Gebäuden können örtliche und
regionale Energieversorger auf zusätzliche Aufträge hoffen – und dies
zum Aufbau neuer Geschäftsfelder im
Markt für Energieeffizienz nutzen. Das
zu erwartende Konjunkturprogramm
III sollte den Fokus auf Infrastrukturverbesserungen legen, die umwelt- und
klimapolitisch geboten sind, und die
Wirtschaft in den Regionen ankurbeln.
Bei der Ver- und Entsorgung schlägt
ver.di vor, in den nächsten zwei Jahren insgesamt rund 20 Milliarden Euro
für solche Maßnahmen zur Verfügung
zu stellen. Im einzelnen sollte das laufende Konjunkturprogramm zur energetischen Gebäudesanierung im öffentlichen Bereich noch einmal aufgestockt, das KfW-Programm zur energetischen Gebäudesanierung um Zuschüsse für sozial Schwache erweitert werden. Außerdem dringt ver.di
darauf, den Ausbau der Fernwärmeleitungen mit Zuschüssen zu fördern,
die Anbindung der Offshore-Anlagen
an das Strom-Übertragungsnetz zu finanzieren, einen Energiesparfonds einzurichten und die Sanierung der Wasser- und Abwassernetze zu unterstützen.
REINHARD KLOPFLEISCH
Entwicklung Rohölpreis
USD/Barrel
140
Finanzkrise:
Abschwächung Nachfrage
Verstärkte Nachfrage Finanzinvestoren auf Rohstoffmärkten
120
Geringer Puffer bei Produktionskapazitäten;
Nachfrageanstieg; Konfliktpotenzial Nahost
100
Konflikt Libanon/Israel;
Pipeline-Leckagen Alaska
80
Lieferstörungen Irak/Nigeria
Nachfrageanstieg, insb. China
Iranische
Revolution
40
20
Hurrikans im Golf von Mexiko
Krieg
Iran-Irak
60
Überfall Irak
auf Kuwait
Yom Kippur Krieg
OPEC-Embargo
0
1970
Net-Back-Preise eingeführt
1975
1980
Unruhen in Venezuela
Militäraktionen im Irak
Rezession
Asien-Krise Bedarf < Angebot
1985
1990
1995
2000
2005
Durchschnittlicher Weltmarktpreis für Rohöl (fob)
Quelle: Schiffer; Energiemarkt Deutschland
nehin erforderliche Investitionen beispielsweise in die energetische Infrastruktur oder die Sanierung der Wasserleitungen vorgezogen und mit kurzfristiger Stabilisierungspolitik verknüpft.
Wichtig ist auch, das Konjunkturprogramm durch Investitionen in Köpfe zu ergänzen, also in mehr Personal. Da sind vor allem im
Bildungsbereich und im Bereich sozialer Berufe ohnehin Nachbesserungen erforderlich, um beispielsweise auf das Niveau der
nordischen Länder zu kommen.
Kritiker wenden ein, dass mit einem
weiteren Konjunkturpaket die Staatsverschuldung weiter zunimmt. Wer soll
das mal zurückzahlen?
Horn | Erst wenn die Konjunktur an
Fahrt gewinnt, können und müssen die
öffentlichen Haushalte ihre Defizite zu-
rückfahren. Gefährlich ist die – politisch
derzeit gewollte – automatische Schuldenbremse. Denn mechanische gesetzliche Regelungen können niemals
aktuellen wirtschaftlichen Gegebenheiten gerecht werden. Ich
schlage stattdessen das Konzept eines mittelfristigen,
am Trend des Wirtschaftswachstums orientierten
Ausgabenpfades vor. Die
US-Regierung Clinton hat
mit einem derartigen Konzept in den neunziger Jahren den Haushalt konsolidiert. Zu diesem Konzept gehört auch, dass in der Aufschwungphase nicht nur öffentliche Ausgaben auf den Prüfstand
gestellt werden, sondern auch gezielt
einige Steuern erhöht oder neu eingeführt werden. Neben einer stärkeren
Besteuerung großer Vermögen denke
ich dabei auch an die Einführung einer Finanztransaktionssteuer.
4 ENERGIEWIRTSCHAFT
FACHBEREICH VER- UND ENTSORGUNG 02 • 2009
„Wir sind one E.ON“
5500 Beschäftigte demonstrieren gegen E.ON-Vorstand
Ein sonniger Tag in Düsseldorf – die roten E.ON-Fahnen wehen im
Wind vor dem Hauptsitz (dem Corporate Center) der E.ON AG am
E.ON Platz. Immer mehr werden die E.ON-Fahnen jedoch von roten ver.di Fahnen umrahmt – über 5500 Beschäftigte sind einem
Aufruf ihrer Gewerkschaft ver.di gefolgt und am 18. Juni zur Demonstration gegen den E.ON-Vorstand nach Düsseldorf gekommen. Das gab es noch nie in der Geschichte des Konzerns.
Der Tag und das Motto waren bewusst gewählt. In den vergangenen
Jahren hat das Unternehmen mit verschiedenen Veranstaltungen für die Beschäftigten den „One E.ON Day“ am
18. Juni, dem Gründungstag des Konzerns, proklamiert, um so das Gefühl
der Konzernzugehörigkeit zu verdeutlichen. Angesichts der aktuellen Veränderungen, den Anteilsverkäufen und
Umstrukturierungen im Konzern hat
das Management in diesem Jahr bewusst darauf verzichtet.
Die E.ON AG hat im vergangenen Geschäftsjahr das Ergebnis (EBIT) nochmals um etwa 7,5 Prozent auf fast zehn
Milliarden Euro gesteigert. Die Dividende an die Aktionäre wurde um zehn
Prozent erhöht. Um diese Gewinne auch
in Zukunft sichern zu können, hat der
Vorstand ein Programm zur Effizienzsteigerung unter dem Namen „Performto-Win“ beschlossen, das in über 150
Teilprojekten in allen Bereichen des
Konzerns Möglichkeiten zur Kostensenkung untersucht. Als Folge des Programms befürchtet ver.di den Verlust
von 6000 Arbeitsplätzen, davon 4000
in Deutschland. Dabei hat der Vorstand
– und dieses gleicht einem Tabubruch
bei E.ON und in der Energiewirtschaft
insgesamt – auch erstmalig die Möglichkeit von betriebsbedingten Kündigungen nicht ausgeschlossen.
Bis zu 3000 weitere Beschäftigte sollen in neue Gesellschaften ausgegliedert oder deren Arbeitsgebiete an andere Dienstleister outgesourct werden. Dabei sollen nach den Vorstellungen von E.ON andere, schlechtere Tarifregelungen per Haustarifvertrag vereinbart werden können. Nach den Vorstellungen des E.ON-Vorstandes sollen
diese dann auch mit einer beliebigen
DGB-Gewerkschaft verhandelt werden
können. Das heißt, unabhängig von der
Anzahl der Mitglieder im Unternehmen würde sich der Arbeitgeber selbst
die Gewerkschaft aussuchen, mit der er
künftig diese Tarifverträge verhandelt.
5500 E.ON-Beschäftigte unterstützten mit Trillerpfeifen und lautstarkem
Beifall die von den Kundgebungsrednern dargestellten Forderungen von
ver.di und den Betriebsräten im Konzern. Sven Bergelin, ver.di-Konzernbetreuer für E.ON, warnte den Vorstand vor einer weiteren Eskalation des
Etwa 5500 E.ON Beschäftigte demonstrierten für den Erhalt ihrer Jobs.
Konfliktes: Nach seinen Worten ist es
„schlicht unverschämt, wenn ein Vorstand, der selbst Millionengehälter bekommt, jetzt die Wirtschaftskrise und
die damit verbundenen Ängste der
Menschen um ihre Arbeitsplätze und
damit nun ihre Existenzgrundlage nutzt,
um seine Ziele zur Gewinnmaximimierung durchzusetzen“. ver.di werde es nicht zulassen, dass in diesem
Konzern Kündigungen möglich und Tarifverträge massenhaft unterlaufen würden: „Wir fordern eine andere Unternehmenspolitik bei E.ON, die nachhaltig der sozialen Verantwortung des
Konzerns gerecht wird, die Arbeits-
plätze und Ausbildung sichert, die Betriebsräte und ver.di als Partner akzeptiert und den Menschen eine Zukunftsperspektive gibt! Wir sind one
E.ON – und wollen es auch bleiben!“
Weitere Redner auf der Kundgebung
waren die Konzernbetriebsratsvorsitzenden Hans Prüfer, E.ON AG, KlausDieter Raschke, E.ON Energie AG, Werner Bartoschek, E.ON Ruhrgas, der Vorsitzende der Konzern Jugend- und Auszubildendenvertretung, Christian Hannika, der Gesamtbetriebsratsvorsitzende der E.ON IS (des IT-Dienstleisters von E.ON), Michael Mittmann,
sowie der Gesamtbetriebsratsvorsit-
FOTO: VER.DI
zende von E.ON Bayern, Hans Wollitzer.
Zusammen mit dem Konzernbetriebsrat versucht ver.di nun, die Forderungen zum Ausschluss von Kündigungen, zur Sicherung der Tarifverträge
auch bei Ausgliederungen, zur Sicherung von Standorten und der Ausbildung in einem Eckpunktepapier zu bündeln und mit E.ON zu verhandeln. Sollte dieses nicht möglich sein, wird ver.di
einen Tarifvertrag Sozialschutz zur Absicherung der E.ON-Beschäftigten einfordern. Damit wären dann auch Warnstreiks und Streiks nach der Sommerpause möglich.
Einmalzahlungen? Nein Danke!
Bsirske sieht Branchentarifvertrag als Chance für breite Solidarität
ver.di-Vorsitzender Frank Bsirske bei Vertrauensleuten der
BS/Energy-Gruppe in Braunschweig.
FOTO: VER.DI
Der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske hat
mit Blick auf die bevorstehende Tarifrunde im Bereich des Tarifvertrages Versorgung (TV-V) Einmalzahlungen kritisiert: Einmalzahlungen seien der falsche Weg, „denn sie erhöhen die Gefahr einer Deflation“. Nach Bsirskes
Worten wollen die Arbeitgeber bei
der nächsten Tarifrunde möglichst große Entgeltbestandteile disponibel gestalten und am liebsten alle Forderungen über Einmalzahlungen begleichen.
Bsirske war auf Einladung der Vertrauensleute der BS|Energy-Gruppe Anfang Mai nach Braunschweig gekommen, um mit dem Vorstand, dem Be-
triebsrat und den Beschäftigten der
BS|Energy-Gruppe zu diskutieren. Anlass des Treffens war ein offener Brief,
in dem die Vertrauensleute der BS|Energy Gruppe die Erhöhung der Arbeitszeit kritisiert hatten, die in der Tarifrunde 2007/2008 vereinbart worden
war.
„Euer Brief fand Beachtung“, versicherte Frank Bsirske, „aber 100 Prozent der Tarifforderung sind nie erreichbar.“ Die Kolleginnen und Kollegen hätten sich gegen eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit stark gemacht. „Trotzdem haben wir uns in diesem Punkt nicht durchsetzen können.“
„Die aktuelle Wirtschaftslage ist ernst
und nicht zu verharmlosen“, betonte
auch Uwe Lagosky, Mitglied der Verhandlungskommission TV-V, „aber wegen der zurückliegenden Konzernergebnisse gibt es keinen Grund, bei
gewerkschaftlichen Forderungen zurückhaltend zu sein.“
Für Bsirske bleibt ein Branchentarifvertrag eine große Chance, die Arbeitsbedingungen in der Energiebranche zu vereinheitlichen und eine breite Solidarisierung zu erreichen. Der
Lohnunterscheid zwischen privaten und
öffentlichen Energieversorgern beträgt
nach Bsirskes Worten bis zu 30 Prozent. Die Arbeitgeber lehnen derzeit
einen Branchentarifvertrag ab.
Soziale Folgen in den Fokus
Stadtwerke-Betriebsräte diskutieren über Veränderungsprozesse
Das oftmals geforderte Dreieck der
Energiepolitik aus Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit und Effizienz muss
für ver.di zu einem Viereck werden. Der
Bundesfachgruppenleiter Energie und
Bergbau, Sven Bergelin, betonte vor
den Teilnehmerinnen und Teilnehmern
der Konferenz von Betriebs- und Personalräten aus Stadtwerken: „Wir müssen das Dreieck um die soziale Dimension erweitern.“
Etwa 140 Betriebs- und Personalräte aus Stadtwerken waren zur Konferenz der Bundesfachgruppe Energie und
Bergbau für die Anwenderbetriebe des
TV-V (Tarifvertrag Versorgungsbetriebe)
nach Düsseldorf (11-12. Mai) gekommen. Im Zentrum der Tagung standen
die Entwicklung der Branche, die Perspektiven und Veränderungsprozesse in
den Stadtwerken und die Weiterentwicklung des TV-V. Zudem wurde über
Outsourcing, Umstrukturierungen, Tarifbindung und Leiharbeit diskutiert.
Nach Bergelins Worten bezahlten bisher immer die Beschäftigten der Ener-
giewirtschaft für falsche energiepolitische Weichenstellungen die Zeche.
Allein seit der Liberalisierung 1998 sind
nach seinen Angaben in Deutschland
etwa 80 000 Arbeitsplätze verloren gegangen: „ver.di muss daher die Interessen der Beschäftigten und die sozialen Folgen der Energiepolitik verstärkt in die energiepolitische Debatte einbringen.“ Dabei stehe für ver.di
fest: Auch um die politischen Ziele
der C02-Minderung bis 2020 erreichen
zu können, müssen neue Kohlekraftwerke gebaut werden.
Die aktuelle Situation der Energiewirtschaft ist von den Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise gekennzeichnet, und der Wettbewerb verschärft sich. Ferner lässt die europäische und deutsche Energiepolitik die
Unternehmen in vielerlei Hinsicht im
Ungewissen. Die Unternehmen und
Stadtwerke reagieren darauf mit immer schnelleren Veränderungsprozessen und Umstrukturierungen. Dabei
nehmen die Auseinandersetzungen mit
den Arbeitgebern zu: Es geht darum,
Arbeitsplätze abzusichern, Kündigungen auszuschließen sowie dafür zu sorgen, dass für die Beschäftigten, die von
Qutsourcing betroffen sind, die Tarifverträge weiter gelten.
Dabei nimmt auch die Leiharbeit in
der Energiewirtschaft eine immer größere Rolle ein. Nach einer Umfrage der
Fachgruppe im Herbst 2008 liegt die
Gesamtquote des Einsatzes von Leiharbeit in den Unternehmen bei etwa
fünf Prozent. Allerdings gibt es einige
Bereiche mit bis zu 45 Prozent Leiharbeitern. Die Bundesfachgruppe fordert
daher die Einführung von „Equal Pay“
(Gleiche Bezahlung). Damit Leiharbeit
nicht mehr dazu missbraucht werden
kann, Personalkosten zu senken.
Reinhard Klopfleisch, Referatsleiter
für Ver- und Entsorgungspolitik in der
ver.di-Bundesverwaltung, ging auf die
Entwicklungen bei der Anreizregulierung und die Positionen der Bundesnetzagentur (BNA) ein. Seiner Ansicht
nach kann die Netzagentur angesichts
Betriebs- und Personalräte trafen sich in Düsseldorf.
der Vorgaben des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) ihre Position bei den
Personalnebenkosten nicht aufrechterhalten. Die Netzagentur weigert sich
bisher, ab 2013 die Personalnebenkosten für Beschäftigte als nicht beeinflussbare Kosten im Sinne der Anreizregulierungsverordnung anzuerkennen, wenn die Beschäftigten über
Dienstleistungsverträge für den Netzbetrieb arbeiten.
Franz Josef Düwell, Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgereicht (BAG),
stellte die jüngste BAG-Rechtsprechung
zu den Themenfeldern Outsourcing, Be-
FOTO: VER.DI
triebsübergang und Leiharbeit vor. Er
verdeutlichte dabei die strengen Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts, insbesondere bei der Gewährleistung des
Widerspruchsrechtes der Beschäftigten
bei Betriebsübergängen (Paragraf 613 a
BGB). Zudem diskutierten die Betriebsund Personalräte die Weiterentwicklung
der tarifvertraglichen Regelungen in der
Energiewirtschaft und die Perspektive
eines einheitlichen Branchentarifvertrages. Dabei wurde die weitere, eigenständige Entwicklung des TV-V gegenüber dem Tarifrecht des öffentlichen
Dienstes, dem TVöD, gefordert.
FACHBEREICH VER- UND ENTSORGUNG 02 • 2009
WASSER/ABFALL 5
Damit Nachtschicht erträglicher wird
FOTO: PRIVAT
Moderne Schichtpläne können Belastungen von Wechselschichtarbeit vermindern
Moderne Schichtpläne machen Schichtarbeit erträglicher. Statt
fünf oder gar sieben Nachtschichten hintereinander setzen sie
auf einen schnelleren Wechsel. Wer das neue System ausprobiert,
will nicht wieder zurück, betonen Mitarbeiter der Wasserwerke
Westfalen. Das Team hat auf moderne Schichtpläne umgestellt.
Auch jene, die anfangs skeptisch waren, sind inzwischen vom
neuen System überzeugt.
Wenn Roberto Bernardinello an die Jahre mit den alten Schichtplänen denkt,
fällt ihm immer nur eines ein: „Ich war
dauernd müde.“ Wer Nachtschicht hatte, musste sieben Tage hintereinander ran. Vor allem die ersten Nächte
waren schlimm: „Weil ich wusste, wie
viele Nächte ich dann vor mir hatte.“
Bernardinello war oft gereizt und ihn
plagte Migräne, er konnte schlecht
schlafen und hatte Magen-DarmBeschwerden. Gründe genug, über bessere Schichtpläne zu grübeln.
Dabei wurde ihm aber auch eines bewusst: Nicht nur er konnte sich nur
schlecht mit der Nachtarbeit anfreunden. Doch sie gehört nun mal mit dazu.
Der Maschinenbautechniker arbeitet bei
den Wasserwerken Westfalen. Hier überwacht er in der Zentralen Leitstelle die
Trinkwasserversorgung durch insgesamt
acht Wasserwerke in der Region rund um
Dortmund. Und ganz klar: Auch nachts
muss die Wasserversorgung kontrolliert
werden. Aber muss es bei diesen Schichtplänen bleiben?, fragt er sich.
Inzwischen weiß er: Nein, muss es
nicht. Bernardinello hat in anderen Be-
trieben nachgefragt, in denen ebenfalls nachts gearbeitet werden muss.
„Es gibt die unterschiedlichsten Modelle“, lautet die Erkenntnis. Aber immer noch fahren viele Betriebe die
traditionellen Schichten fünf bis sieben
Nächte in Folge. Dabei sind sich Wissenschaftler inzwischen einig: Fünf oder
gar sieben Nachschichten hintereinander können sie nicht gutheißen.
Niemand gewöhnt sich an
Nachtarbeit
Dennoch gibt es nach wie vor Firmen,
in denen weiterhin solche Schichtpläne aufgestellt werden. Weil die Kolleginnen und Kollegen dies angeblich
so wollen; weil sie keine anderen
Schichtmodelle kennen, weil sie ihre
Freizeit auf diese Schichtmodelle geeicht haben. Dass viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch bekunden,
sich so besser an die Nachtschichten
„gewöhnen“ zu können, lässt Arbeitspsychologin Ulrike Hellert nicht
gelten. „Niemand gewöhnt sich an
die Arbeit in der Nacht“, ist sie sich
sicher. Einfach, weil der Mensch kein
Tipps für Schichtpläne
Die Zahl der Schichtarbeiter steigt.
In jedem zehnten deutschen Betrieb
wird inzwischen in Schicht gearbeitet.
Allein in Nordrhein-Westfalen stieg
der Anteil der Nachtarbeiter zwischen
2000 und 2005 von 7,7 auf 8,6 Prozent der Beschäftigten. Viele von ihnen arbeiten fünf bis sieben Nächte
in Folge.
Von solchen Schichtplänen raten
Experten inzwischen ab. Ihre Tipps
für Schichtpläne lauten stattdessen:
1. Es sollten nicht mehr als drei Nachtschichten in Folge anfallen.
2. Einer Nachtschichtphase sollte eine Ruhepause von mindestens 24 Stunden folgen.
3. Die Schichtpläne sollten vorwärts
rotieren, also Früh-, Spät-, Nachtschicht.
4. Schichtpläne sollten verlässlich und
planbar sein. Individuelle Wünsche sollten bei der Schichtplangestaltung berücksichtigt werden.
Mehr Informationen zu Schichtarbeit:
www.zeitbueronrw.de
Roberto Bernardinello
Nachtarbeit ist in Leitstellen meist unumgänglich. Aber moderne Schichtpläne machen
Nachtschichten erträglicher.
FOTO: WASSERWERKE WESTFALEN
Nachtwesen ist. Menschen wollen
nachts schlafen, nicht tagsüber. Konzentration fällt in der Nacht schwer.
Der Schlaf am Tag ist weniger lang und
vor allem weniger erholsam.
Roberto Bernardinello ahnte dies
längst. Er suchte nach Möglichkeiten,
die Nachtschichten erträglicher zu machen. Und er warb bei den Kollegen
und seinem Vorgesetzten darum, neue
Schichtpläne einzuführen. „Zuerst waren sie skeptisch“, erzählt der Maschinenbautechniker. Doch vor allem
die Jüngeren wollten es zumindest mal
probieren. Zusammen mit der Arbeitspsychologin und Arbeitszeitberaterin beim Zeitbüro Nordrhein-Westfalen Ulrike Hellert wird ein Schichtplan erarbeitet, der allen dreien gerecht wird – den Belangen des Unternehmens, den Wünschen der Schichtarbeiter und den arbeitsmedizinischen
Erkenntnissen. Nun gibt es nie mehr
als zwei Nachtschichten hintereinander. „Ein schnell rotierendes Schicht-
system mit nur wenigen Tagen in der
gleichen Schicht ist besser zu bewältigen als ein Schichtwechsel im Wochenrhythmus“, weiß Hellert.
System hat viele Vorteile
Seit 2001 gilt bei den Wasserwerken
der neue Schichtplan. Keiner in Bernardinellos Team will mehr zurück zu
dem alten System. Auch die beiden Kollegen nicht, die damals bei der Einführung die Nase rümpften, weil sie
glaubten, sich an die langen Schichten gewöhnt zu haben. „Das neue
System hat viele Vorteile“, weiß Bernardinello: Er sei längst nicht mehr so
gereizt, sagt er. Auch die körperlichen
Beschwerden seien weniger geworden.
Das Team hat auch versucht, den Start
der Schicht zu verschieben – statt um
6 Uhr sollte die Schicht um 7 Uhr beginnen. Der spätere Schichtbeginn sollte das Schlafdefizit der Kollegen reduzieren. Doch die Rechnung ging nicht
auf. Weil einerseits die Frühschichtler
mitten in die Hauptverkehrszeit kamen
und von der Stunde mehr Schlaf nur
träumen konnten. Und weil zwischen
6 und 7 Uhr die Arbeit noch mal richtig losgeht, Übergaben zum Beispiel,
denn viele aus den anderen Abteilungen beginnen um 6 Uhr mit der Arbeit. Nach einer Nachtschicht kam dieser Arbeitsanfall kurz vor Feierabend
nicht gut an. Nun gilt wieder der alte
Schichtbeginn.
Dennoch: Ganz optimal sind die
Schichtpläne noch nicht, meint Bernardinello. Und er räumt ein: Wirklich optimal werden sie auch nie sein.
Das heißt: es gibt immer was zu verändern, was anzupassen. Bernardinello
informiert sich weiter und tüftelt weiter nach neuen Regelungen. Und er appelliert an all jene, die auch Nachtschicht arbeiten müssen: „Solche Pläne sind keine Naturereignisse“, sagt er:
„Wir können sie verändern. Und das
sollten wir auch tun, wenn es bessere
JANA BENDER
Lösungen gibt.“
„Ohne ver.di hätte ich keine Chance gehabt“
Vergleich im Rechtsstreit zwischen Petra Fischer und Sita Ost GmbH
Fünf nach 12 Uhr war Schluss. Heraus kam ein Vergleich. Damit
wurde am 5. Mai 2009 im Thüringer Landesarbeitsgericht in Erfurt
das endgültige Ende eines jahrelangen Rechtsstreits zwischen Betriebsrätin Petra Fischer und der Firma Sita Kommunal Service Ost
GmbH & Co. KG Niederlassung Neunhofen besiegelt.
FOTO: STIEBITZ
in die Archive gelegt werden. Auch der
„Die fristlose Kündigung ist weg. Die VorVorsitzende Richter zeigte sich erleichwürfe sind weg. Es wird gezahlt für die
ganze ‚Amtszeit’ von Mai 2006 bis 2011
tert, bemerkte lapidar: „Kein schlechinklusive Nachwirkungszeitraum plus eiter Vergleich.“ Als Gegenleistung für das
großzügige Angebot forderte der Sitane vernünftige Abfindung. Was will man
Rechtsvertreter Petra
mehr?“ Hermann KeilFischer auf, sämtliche
hauer, DGB-ProzessverBetriebsratsarbeit eintreter aus Erfurt, atmet tief
zustellen, ihr Mandat
durch und freut sich mit
dafür zurückzugeben.
seiner Mandantin über das
Für einen kurzen
Verhandlungsergebnis.
Moment hielt die
„Ich bin zufrieden, haehemalige Betriebsbe, was ich wollte“, äurätin inne, hat sie sich
ßert Petra Fischer völlig
doch seit ihrer Wahl
entspannt. „Von mir ist ei2003 mit ganzer Kraft
ne Zentnerlast gefallen,
für die Interessen ihauch weil man mir glaubt,
rer Kolleginnen und
dass ich die Wahrheit geKollegen eingesetzt.
sagt und mir nichts vorPetra Fischer
Seit ihrer fristlosen
zuwerfen habe.“ Mit dem
Kündigung am 17.
Vergleich wurde die BeMai 2006 war es aus damit. Es folgrufung von Arbeitgeberseite gegen die
ten harte Zeiten.
Entscheidung des Arbeitsgerichts GeNoch bis Mai 2011 zählt nunmehr die
ra vom 14. März 2008 hinfällig. Dageschasste Sachbearbeiterin zum Simals hatte das Gericht entschieden, dass
ta-Unternehmen, ohne dafür eine Ardie fristlose Kündigung von Petra Fischer
beitsleistung erbringen zu müssen. Sumwegen falscher Betriebsratsanhörung
ma summarum ergibt sich aus dem Verunwirksam sei.
gleich, eine Summe von rund 350 000
Sechs Aktenordner, gefüllt mit einiEuro, in der auch der Arbeitgeberangen hundert Blatt Papier, können nun
teil enthalten ist. Das ganze Dilemma
um Petra Fischer, einschließlich Rücknahme der Kündigung und Vergleich
hat sich Sita einiges kosten lassen.
Der ursprüngliche Vorwurf, unberechtigt und ohne Einwilligung den Arbeitsvertrag eines Sita-Kollegen an den
Mitteldeutschen Rundfunk gefaxt zu
haben, landete am 5. Mai 2009 erst
gar nicht auf dem Tisch der Richterriege. Wurde doch der betroffene Arbeitskollege schon im Oktober 2008
aufgrund der Zeugenaussage eines
MDR-Journalisten der Lüge überführt
und zu zehn Monaten auf Bewährung
durch das Amtsgericht Gera verurteilt. Stattdessen monierte Geschäftsführerin Beate Ibis, dass auch die Sita
Ost GmbH von der Wirtschaftskrise
schwer getroffen sei, Umstrukturierungen fällig würden. Informationen
beispielsweise darüber, welcher Lohn
gezahlt werde, hätten Wettbewerbsnachteile zur Folge, argumentierte die
ziemlich blass wirkende Managerin, um
den nunmehr gescheiterten Rausschmiss ihrer Angestellten Petra Fischer
noch einmal zu rechtfertigen.
Akribisch schilderte der Vorsitzende Richter zu Beginn der Verhandlung, was sich im Streitfall Fischer –
Sita abgespielt hat. Possengleich. Diesen Eindruck hatten auch 13 Betriebsräte aus Niedersachsen, die im
Rahmen eines Seminars mit im Verhandlungssaal saßen. Dass die Preise
„nirgendwo so transparent“ sind „wie
Petra Fischer ließ sich nicht einschüchtern. Jetzt musste Sita Ost
die Kündigung zurückziehen.
FOTOS: STIEBITZ
in der Abfallwirtschaft“, weiß auch Hannes Döhring. Der freigestellte Betriebsratsvorsitzende der SWE Stadtwirtschaft GmbH in Erfurt ließ einen
wichtigen Termin sausen, um bis zur
letzten Verhandlungsminute mit dabei
zu sein. Als ver.di-Fachbereichsmitglied
trat der 54-jährige mit dafür ein, Petra Fischer während des laufenden Verfahrens zu unterstützen.
Nur ungern erinnert sich die Gewerkschafterin an die letzten Jahre
im Betrieb. „Ich wurde gemobbt, schikaniert. Man hat versucht, mich zum
Sündenbock abzustempeln.“
Vieles hätte der gelernten Chemielaborantin erspart bleiben können. Davon geht der DGB Rechtssekretär Hermann Keilhauer aus. „Betriebsräte sollten gemeinsam mit ihren Kollegen zusammenhalten, sich für eine gemein-
same Sache stark machen. Und sich
nicht auseinander dividieren lassen. So
schnell findet kein Arbeitnehmer qualifizierten Ersatz auf dem Arbeitsmarkt.“
Stolz berichtet Petra Fischer, dass sie
in ihrem Entsorgungsunternehmen, einem reinen Männerbetrieb, die meisten Stimmen bei der Betriebsratswahl
2003 erhalten habe. Sie wurde sogar
in den Sita-Konzernbetriebsrat delegiert und war in der ver.di-Tarifkommission von Sita Deutschland aktiv.
„Dort wollte der Arbeitgeber mich raushaben“, meint Petra Fischer kopfschüttelnd und blickt nach vorn. Endlich mal Urlaub machen, verreisen, Kurse besuchen, alles Schlechte, Nervenaufreibende hinter sich lassen. Petra
Fischer ist sich sicher: „Ohne ver.di hätte ich keine Chance gehabt.“
RENATE STIEBITZ
6 WASSER/ENERGIE
FACHBEREICH VER- UND ENTSORGUNG 02 • 2009
Abgeführt, verhört und abgeschoben
Weltwasserforum macht Demonstranten zu Kriminellen
Sie wussten eigentlich, was sie taten. Und warum sie es taten: Sie wollten auf die
Risiken hinweisen, die mit dem Bau großer Staudämme verbunden sind. Es sollte eine kleine, aber effektive Demonstration werden. Doch dann sahen sie sich wie Kriminelle behandelt: Abgeführt, verhört, abgeschoben.
Ann-Kathrin Schneider ist weder naiv
noch notorisch provokativ. Und sie ist
auf internationalem Parkett auch kein
Greenhorn. Doch nie hätte sie damit
gerechnet, dass sie für das Hochhalten
eines Plakates und das Rufen eines Slogans 24 Stunden auf einer türkischen
Polizeiwache verbringen muss, um dann
schnellst möglichst außer Landes gebracht zu werden. Doch genau so war
es im März dieses Jahres, als Ann-Kathrin Schneider und ihre amerikanische
Kollegin Payal Parekh beim Wasserforum ihre kleine Demonstration inszenierten.
Warum wurden die beiden Frauen
so rüde behandelt? Warum wurde so
unverhältnismäßig reagiert? „Die Verantwortlichen des Wasserforums wollten eine harmonische Veranstaltung“,
meint Schneider, und waren offenbar
fest entschlossen, jede Kritik im Keim
zu ersticken. Schon eine kleine Demonstration erschien so als Bedrohung.
Denn das Weltwasserforum setzt auf
Staudämme – auch auf große. 2000
dieser Projekte sind derzeit weltweit
geplant – viele davon in China, aber
auch in Nepal, Laos und in der Türkei.
Ann-Kathrin Schneider kennt diese Projekte. Denn sie ist bei der Nicht-Regierungsorganisation „International Rivers“ Referentin für Südasien. International Rivers ist nicht grundsätzlich
gegen Staudämme. Kleinere Projekte
könnten sehr wohl dazu beitragen, das
Leben der Menschen in diesen Regionen zu erleichtern. Mammutvorhaben aber, ist sich Schneider sicher, haben weit größere Schäden denn Nutzen. Schäden sowohl für die Menschen
der Region als auch für die Umwelt.
Weil bei den großen Projekten massiv
eingegriffen wird, weil Menschen umgesiedelt werden müssen, weil die Wassermenge der Flüsse verändert wird
und dies erhebliche Folgen auf riesige Gebiete hat.
Weil auch die Türkei einen solchen
Riesen-Staudamm plant, kam ihr die
Mini-Demonstration nicht zupass. Es
geht um den Ilisu-Staudamm, der im
Südosten Anatoliens an der Grenze zum
Irak und zu Syrien entstehen soll, ein
Staudamm am Fluss Tigris. Es wird ein
riesiger Staudamm werden mit ebenso riesigen Folgen: Er wird eine Kleinstadt verschlingen, etwa 10 000 Menschen müssen umgesiedelt werden. Mit
diesem Städtchen versinken auch Höhlen und Ruinen im Wasser, die von der
reichen Geschichte des Städtchens erzählen. Doch das ist noch nicht alles:
LINK
Mehr Informationen über die Arbeit von
International Rivers stehen unter:
www.internationalrivers.org
Ein Riesen-Staudamm verändert immer
die gesamte Region – nicht nur den Ort,
an dem er gebaut wird, sondern über
den gesamten weiteren Verlauf des Flusses. Wird Wasser hier gestaut, fehlt es
flussabwärts. Der Staudamm gräbt somit den Anrainerstaaten das Wasser ab.
Kein Wunder, dass sowohl der Irak als
auch Syrien den türkischen Plänen wenig abgewinnen können. Dass die Iraker nicht offiziell protestieren, ist allein der instabilen politischen Situation im Land geschuldet.
Für die türkische Regierung ist der
Staudamm ein wichtiges Infrastruk-
turprojekt im unruhigen Ostanatolien. Infrastruktur bringt Arbeitsplätze und damit
Wohlstand, wenn
auch nur einen bescheidenen. Mit der
Folge, dass die kurdische Arbeiterpartei
PKK an Einfluss und
Unterstützung in der
Region verliert – mag
Ann-Kathrin
die türkische Regierung denken. Dass
viele Staudamm-Kritiker bezweifeln,
dass die wirtschaftliche und politische
Rechnung aufgeht, kümmert die Regierung nicht. Denn in der Wasserpolitik war die türkische Regierung noch
nie zimperlich. Auch nicht mit Demonstranten, die die türkische Politik
kritisieren. Dass die beiden Frauen beim
Weltwasserforum auf den Zuschauerrängen ein Plakat hochhielten, auf dem
„No Risky Dams“, also „keine riskanten Staudämme“, stand, und dass sie
den Wortlaut des Plakats skandierten, war schon zuviel. Zumal die Aktion der beiden Frauen einen Tag lang
die türkischen Medien beherrschte –
obwohl sie nur wenige Minuten dauerte.
Die Frauen wurden von Sicherheitskräften aus dem Saal geführt, auf die
Polizeistation von Istanbul gebracht und
dort festgehalten. Von der Polizei bekamen sie nichts zu trinken, nichts zu
essen, keine Decken, keine Schlafmöglichkeit, dafür ihre Pässe abgenommen. Allerdings durften sie ihre
Handys behalten und so ihre Istanbuler Unterstützer informieren, die wiederum türkische Anwälte organisierten.
Schneider protestierte gegen riskante Staudämme.
Denn auf der Polizeistation taten plötzlich alle so, als könnten sie nicht mal
ein paar Brocken Englisch verstehen.
„Wir saßen im Verhörraum und mussten warten“, erzählt Schneider: „Wir
wurden behandelt wie Kriminelle.“
Ihre Anwälte erklärten dann, was
sich der Staat ausgedacht hatte: Entweder sie verließen sofort das Land
oder sie warteten die Gerichtsverhandlung ab. Dann aber drohten ihnen
eineinhalb Jahre Gefängnis. Weil sie
gegen das Versammlungsrecht verstoßen hätten, weil ihre kleine Demonstration nicht angemeldet gewesen war. Angesichts dieser Alternative stimmten die beiden Frauen einer
Ausreise zu und wurden von der Polizei – eben wie Schwerverbrecher – zum
Flughafen gebracht und in die Maschine
gesetzt. Freunde gingen ins Hotel und
packten die Koffer der beiden.
Schneider spricht von dem mulmigen Gefühl, das sie auf der Polizeiwache nicht losließ, vom Ausgeliefertsein
– auch weil keiner mit ihnen sprach,
sie zunächst nicht wussten, was man
ihnen vorwarf, weil ihnen durch Nichtbeachtung vermittelt wurde: „Ihr habt
FOTO: PRIVAT
gar nichts zu wollen.“ Dass es den türkischen politischen Freunden auf der
Polizeiwache noch schlechter ging, dass
sie nicht mal Stühle bekamen, sondern
stehen oder auf dem Boden sitzen mussten, relativiert ihre Eindrücke letztendlich nicht.
Dass Ann-Kathrin Schneider nun erstmal zwei Jahre lang nicht mehr in die
Türkei reisen darf, nimmt sie gelassen. Doch das mulmige Gefühl, die Gänsehaut ist hartnäckig. Es ist das, was
bleibt – auch Wochen danach. Auch
weil sie mit einer solch heftigen Reaktion auf ein bisschen Kritik nicht
gerechnet hatte. Aufgeben werden die
Kritiker der Riesen-Staudämme dennoch nicht. Sie wollen die StaudammLobby dazu bringen, die Standards
der Weltstaudammkommission bei dem
Bau von Staudämmen zu berücksichtigen, da nur so Lösungen gefunden
werden können, bei denen die betroffenen Menschen ein Mitspracherecht haben und der Schutz der Umwelt Priorität hat. Übrigens: Das nächste Weltwasserforum, somit die Staudamm-Lobby, tagt in drei Jahren in SüdJANA BENDER
afrika.
Bremer Monopoly
Beschäftigte fürchten um ihre Arbeitsplätze
Der oldenburgische EWE-Konzern, fünftgrößter Energieversorger
Deutschlands und bislang schon Minderheitsaktionär, soll künftig
bei der swb AG (Stadtwerke Bremen) das Sagen haben. So will es
der rot-grüne Senat der Stadt.
Die Beschäftigten der Bremer Stadtwerke fürchten Arbeitsplatzabbau und
fordern, dass EWE die Stadtwerke nicht
vollständig schluckt und zumindest
eine Sperrminorität an unabhängige
Käufer geht. Die Beschäftigten der
Stadtwerke Bielefeld, an denen swb zu
49 Prozent beteiligt ist, fordern den
Rückkauf der swb-Anteile durch die
Stadt.
Für einen kurzen Moment schien
es, als ob das Parlament der niederländischen Provinz Nordbrabant Energiegeschichte schreiben würde. Es hatte Anfang Mai 2009 den Verkauf der
kommunalen Essent NV, des größten
niederländischen Energieversorgers,
an RWE abgelehnt. Damit hätte der
Deal nicht mehr die nötige Zustimmung
in den betroffenen Regionalparlamenten der Niederlande gehabt. Doch
nur zwei Wochen später waren offenbar
alle offenen Fragen gelöst. Das Parlament segnete in einer neuen Abstimmung das 9,3 Milliarden Euro schwere Geschäft ab. Damit ist der lang geplante Deal perfekt: RWE kauft Essent
und erweitert sein Versorgungsgebiet
über die Staatsgrenzen aus.
Die Elefantenhochzeit lässt auch die
Partnerbeziehungen der kleineren Tiere nicht unberührt. Essent muss, damit RWE den transnationalen MegaDeal beim deutschen Kartellamt genehmigt bekommt, im Gegenzug seine 51-Prozent-Beteiligung an der swb
AG abgeben. Bremen hat für diesen
Fall das Vorkaufsrecht. Rund 680 Millionen Euro soll die 51-ProzentMehrheit an den swb Wert sein – eine rentierliche Investition angesichts
der Ertragslage des Konzerns. Doch für
Bremen, das die Anteile zurückkaufen und damit die Entscheidung für
den Totalverkauf der Stadtwerke von
1999 korrigieren könnte, ist die Summe zu hoch. Deshalb entschied der Senat Anfang April 2009, gemeinsam mit
dem bisherigen Minderheitsaktionär
EWE, dem benachbarten Oldenburger
Regionalversorger für die Anteile zu
bieten – mit der klaren Maßgabe, zumindest 25,9 Prozent direkt an die EWE
weiterzureichen. Dann hätte EWE in
Bremen mit 74,9 Prozent das Sagen.
Nur die Sperrminorität von 25,1 Prozent bliebe zunächst in der Hand des
Landes. Hierfür soll ein Käufer gefunden werden, der „strategisch zu den
unternehmerischen Zielen der swb
passt und diese ergänzt“, wie es im Senatsbeschluss heißt. Gelingt dies nicht,
muss die EWE gemäß den Verträgen
das komplette Anteilspaket übernehmen.
Starker Partner gesucht
Genau an diesem Eckpunkt der Verträge setzt die Kritik der swb-Beschäftigten an. Ihnen ist nur eines klar:
Schon die Aufstockung von 49,0 auf
74,9 Prozent bedeutet faktisch die
Übernahme der unternehmerischen
Macht durch den direkten Nachbarn
EWE darf die Stadtwerke nicht schlucken, fordern die Beschäftigten.
EWE. Damit werden, allen mittelfristigen Vereinbarungen um Beschäftigungserhalt in Bremen zum Trotz, Synergien freigesetzt und langfristig Arbeitsplätze in Bremen gefährdet. Die
swb-Beschäftigten hätten deshalb eine Rekommunalisierung befürwortet. Eine vollständige Eingliederung
der swb in den EWE-Konzern aber gefährde über kurz oder lang die eigenständige Entwicklung des Unternehmens. „Wir werden unsere Zustimmung
zu dem Vertragswerk so lange nicht
geben“, sagt denn auch Uli Meyer, Betriebsratsvorsitzender des swb-Konzerns, „so lange nicht für die verbleibenden 25,1 Prozent ein starker, eigenständiger Partner gefunden ist“.
Die Stadt Bremen sei in der Pflicht –
bevorzugt im Bereich kommunaler
Stadtwerke oder Stadtwerkeverbün-
de – einen derartigen Partner zu finden. Doch bis heute erfolglos. Insider
meinen, dies könnte angesichts der
bereits feststehenden faktischen Dominanz der EWE und angesichts des
hohen Kaufpreises auch zukünftig
schwierig werden.
Auswirkungen hat der Bremer Deal
zudem auf die Stadtwerke im 150 Kilometer entfernten Bielefeld. Dort hält
die swb eine Minderheitsbeteiligung
von 49,9 Prozent (Mehrheit Stadt Bielefeld). Diese Beteiligung ist im 680Millionen-Angebot eingerechnet, obwohl die Stadt Bielefeld für den Fall,
dass die Kontrolle über die swb sich ändert, ihrerseits ein Rückkaufrecht hat.
Der Rat der Stadt Bielefeld hat am 14.
April 2009 den Rückkauf, soweit wirtschaftlich darstellbar, beschlossen –
und zwar einstimmig. Derzeit prüft
FOTO: STADTWERKE BREMEN
die Stadt den Wert der Beteiligung und
ob sich die 320 000-Einwohner-Stadt
bei dem Rückkauf nicht übernimmt.
Für Wolfgang Gottschlich, den Bielefelder Betriebsratsvorsitzenden, ist die
Sache schon klar: „Bielefeld muss die
Anteile eins zu eins zurückkaufen, um
die kommunale Eigenständigkeit zu erhalten und die Arbeitsplätze bei den
Stadtwerken dauerhaft zu sichern.“ Natürlich rechne sich ein Rückkauf des
prosperierenden Unternehmens auch
für die Bielefelder Stadtkasse, weil jedes Jahr ordentlich Gewinne eingefahren werden. Die Beschäftigten in
Bielefeld wissen ihre Interessen durchzusetzen: Sie haben bereits vor einigen
Jahren den drohenden Verkauf der
Mehrheit der Stadtwerke mit einem erfolgreichen Bürgerbegehren zu Fall gebracht.
REINHARD KLOPFLEISCH
FACHBEREICH VER- UND ENTSORGUNG 02 • 2009
A B FA L LW I R T S C H A F T 7
Gutes Geld für gute Arbeit
Belegschaft von AWISTA Düsseldorf macht sich gegen Lohndumping stark
Abspecken auf Kosten der Beschäftigten? Das
kann nicht sein, sagen sich die Kolleginnen und
Kollegen der AWISTA GmbH Düsseldorf und
machen gegen die Lohndumping-Pläne des Unternehmens mobil. Mit Erfolg. Und sie stellen
eindeutig klar: Die Belegschaft lässt sich nicht
spalten.
Damals hörte sich alles ganz vernünftig an. Als 1999 aus dem Eigenbetrieb
Abfallwirtschaft eine Gesellschaft mit
beschränkter Haftung wurde. Zuerst
mit RWE-Umwelt und nunmehr mit
Remondis als Gesellschafter, hatten weder ver.di noch die Beschäftigten Einwände. Es klang vernünftig: Eine GmbH
könne den Entwicklungen besser trotzen, indem sie schneller auf Begebenheiten reagiert als ein Eigenbetrieb, weil
die verschiedenen Aktivitäten in der
Düsseldorfer Abfallwirtschaft besser
gebündelt werden. Ca. 1200 Beschäftigte zählte das Unternehmen damals.
Der Betriebsrat, Vertrauensleute und
ver.di begleiteten die Umwandlung des
Eigenbetriebs in die GmbH konstruktiv und dennoch kritisch. Dazu schloss
ver.di einen Überleitungstarifvertrag ab,
der u.a. betriebsbedingte Kündigungen
ausschließt.
Zehn Jahre später weht ein anderer
Wind. Um etwa 150 Beschäftigte, weiß
Udo Vogtländer, der zuständige Gewerkschaftssekretär von ver.di Düsseldorf, ist die Belegschaft inzwischen
geschrumpft, weil frei werdende Stel-
BR/PR-Konferenz im
Oktober in Bad Neuenahr
Die nächste BR/PR-Konferenz Abfallwirtschaft ist für den 21./22. Oktober
in Bad Neuenahr geplant. Details zur
Konferenz und die Einladung werden
rechtzeitig verschickt und können in Kürze auch von den Seiten www.abfall.
verdi.de heruntergeladen werden.
len nicht mehr
besetzt werden.
Stattdessen
gründete AWISTA eine eigene
Leiharbeitsfirma,
die seither AWISTA im Rahmen
der Arbeitnehmerüberlassung
mit Arbeitskräften versorgt – zu
prekären Bedingungen. Denn
für diese Beschäftigen gilt
der Tarifvertrag
für Leiharbeitnehmer (IGZ), der mit 7,31
Euro Einstiegsentgelt pro Stunde ein
deutlich niedrigeres Niveau hat als der
Tarifvertrag öffentlicher Dienst (TVöD),
der für die Stammbelegschaft gilt. Das
Ziel: Das Unternehmen will sich schlank
machen für die Zukunft. Und das hieß,
so wenig Beschäftigte wie möglich in
gesicherten Arbeitsverhältnissen.
Doch das reichte den Verantwortlichen nicht. Ende vergangenen Jahres
sickerten die neuen Pläne durch. Das
Unternehmen wollte nicht nur fit sein,
sondern noch fitter werden. Klar das
Datum 2018 vor Augen, runzelten die
Verantwortlichen die Stirn ob der geltenden Tarifverträge. Denn 2018 läuft
der Entsorgungsvertrag mit der Stadt
Düsseldorf aus. Damit das Untenehmen bei den Nachfolgeverträgen nicht
den Kürzeren zieht, so die Argumentation der Geschäftsführung, müss-
ten die Lohnkosten sinken. Und das bedeutet: Der Tarifvertrag öffentlicher
Dienst (TVöD) samt den hier geltenden
Regelungen zur Altersvorsorge sollte
nicht mehr gelten. Stattdessen hatten die Verantwortlichen die Gründung
einer Logistik-Tochter im Blick, und den
Tarifvertrag für Speditionen. Neu eingestellte Beschäftigte sollten zur AWISTA Logistik GmbH gehören – mit deutlich geringeren Einkommen.
Kein Lohndumping
Während die Arbeitgeber von dahin
schmelzenden Personalkosten träumten, waren die Beschäftigten alarmiert.
„Wir haben keine Angst vor 2018“ –
bekundeten sie gegenüber der Öffentlichkeit und gegenüber der Düsseldorfer Kommunalpolitik. Die Forderung: Kein Lohndumping bei AWISTA. „Wir sind aber keine Betonköp-
fe“, betont Vogtländer. Und meint damit, dass ver.di und die Belegschaften Lösungen suchen, wenn es für die
Unternehmen eng wird. Aber Lohndumping? Das geht nicht.
Inzwischen sind diese Pläne auch wieder in den Schubladen verschwunden.
Der Grund: Laut Satzung für den Aufsichtsrat der Stadtwerke Düsseldorf AG
kann eine solche Tochter-Gesellschaft
nur mit dem Segen des StadtwerkeAufsichtsrats erfolgen. Was aber haben die Stadtwerke mit AWISTA zu tun?
Die Stadtwerke Düsseldorf AG als Mehrheitsgesellschafter ist mit 51 Prozent
an dem Entsorgungsunternehmen AWISTA beteiligt. Der Aufsichtsrat der Stadtwerke setzt sich paritätisch zusammen:
Zehn Vertreter stellen die Gesellschafter, weitere zehn die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – wobei alle zehn
Vertreter der Beschäftigten in ver.di or-
ganisiert sind. Und damit ist klar: Eine
neue Gesellschaft kann nur mit dem Einverständnis der ver.di-Vertreterinnen und
Vertreter im Aufsichtsrat gegründet werden. Seitens des Vorstandes der Stadtwerke wurde aufgrund der vielfältigen
Aktionen gegen das beabsichtigte Lohndumping zugesagt, dass die Pläne der
Gründung einer Speditionsgesellschaft
erst dann im Aufsichtsrat der Stadtwerke
behandelt werden, wenn es eine Einigung mit ver.di gibt.
„Hungerlöhne kommen nicht in Frage“, betonte Vogtländer: Auch der
AWISTA-Geschäftsführung müsste klar
sein, dass gute Arbeits- und Einkommensbedingungen die besten Motivationsspritzen sind: „Für gute Arbeit
muss es auch gutes Geld geben.“ Es habe sich wieder einmal gezeigt, „wer
kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft
hat bereits verloren“. JANA BENDER
ENTSORGUNG
Arbeitgeber wollen die Tariferhöhung streichen
ver.di: Beschäftigte der Abfallwirtschaft haben Anspruch auf mehr Geld
Die Arbeitgeber der Abfallwirtschaft wollen sich über Tarifverträge hinwegsetzen. Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE) kündigte an, die mit ver.di ausgehandelte
Tariferhöhung von drei Prozent ab Mai nicht auszuzahlen. Tarifgespräche mit ver.di wartete er dabei nicht ab.
ver.di kritisierte dieses Verhalten scharf:
Es zeuge nicht von Seriosität, sich über
Tarifverträge hinwegzusetzen. ver.di
verweist ferner darauf, dass Michael
Röttger, der neue Verhandlungsführer des BDE und Personalchef bei Veolia, zuvor schon versuchte, den Veolia-Beschäftigten die Tariferhöhung
zu verweigern. Offenbar gehe Röttger nach dem Motto vor: „Was kümmert mich die Tariferhöhung von gestern?“ Nach dem Rasenmäherprinzip
wolle der BDE allen Beschäftigten die
Lohnerhöhung verweigern. Gleichgültig wie die einzelnen Firmen wirtschaftlich dastehen. Aber: „Allgemeiner Lohnverzicht ist keine Lösung“,
so ver.di.
Für ver.di gibt es nicht zu deuteln:
Tarifverträge müssen eingehalten werden. Und deshalb müssen die Beschäftigten auch die vereinbarte Lohnerhöhung bekommen. Für Betriebe, die
von der Insolvenz bedroht seien, müssten individuelle Lösungen gefunden
werden.
Übrigens: Als Personalchef von Veolia drohte Röttger bereits, aus dem BDE
auszutreten, falls die Absenkung der
Löhne von ver.di nicht akzeptiert werde. Bisher ist der Austritt aus dem
Arbeitgeberverband noch nicht erfolgt.
Doch selbst wenn Veolia aus dem BDE
austreten würde, die Lohnerhöhung
bleibt – weil der Tarifvertrag nachwirkt.
Anspruch auf mehr Geld
Was ist zu tun, wenn der Arbeitgeber
die Tariferhöhung nicht auszahlt? Die
Beschäftigen können sich beim Betriebsrat oder dem ver.di-Bezirk ein Tarifkärtchen holen, auf dem exakt aufgelistet ist, welcher Lohn bezahlt werden muss. Wurde nicht gezahlt, dann
müssen die Beschäftigten die Tariferhöhung schriftlich geltend machen.
ver.di-Mitglieder bekommen eine Muster-Geltendmachung in ihren ver.di-Bezirken. Zahlt der Arbeitgeber trotzdem
nicht, wird der Lohn beim Arbeitsgericht
eingeklagt. ver.di-Mitglieder haben An-
KOMMENTAR
FOTO: DIE HOFBERICHTERSTATTER
Keine Absenkungstarifverträge mit ver.di
Ellen
Naumann
Wenn es nach den Arbeitgebern in der
privaten Abfallwirtschaft geht, dann verkommen Beschäftigungssicherungstarifverträge zu reinen Absenkungstarifverträgen, ohne dass tatsächlich eine
Sicherung der Beschäftigten stattfindet.
Die Arbeitgeber wollen auf Kosten der
Beschäftigten immer billiger und billiger an Aufträge rankommen, und wenn
es dann mit den Gewinnen doch nicht
so läuft, wie sie es sich vorgestellt haben, dann werden Beschäftigte eben
entlassen. Und dabei ist es den Arbeitgebern völlig egal, ob genau diese Kol-
spruch auf Rechtsvertretung vor dem Arbeitsgericht. Deshalb: Rechtsschutz bei
ver.di beantragen! Die Rechtsvertretung
und die entstehenden Kosten werden
für ver.di-Mitglieder übernommen.
leginnen und Kollegen vorher mit einem
Verzicht auf Lohn zur Sicherung des Unternehmens beigetragen haben. Geht
es später wieder bergauf, dann wird
nicht die Stammbelegschaft wieder erhöht, nein, dann werden billigere Leiharbeitnehmer eingestellt, um zukünftig noch mehr einzusparen. Dann schaut
die alte Stammbelegschaft das zweite
Mal in die Röhre.
Noch mieser wird es, wenn Arbeitgeber meinen, sie könnten die Betriebsräte ihrer Unternehmen unter
Druck setzen, indem sie ihnen Tarif-
vertragsentwürfe für eine Beschäftigungssicherung vorlegen und offen
drohen: Sollten die Betriebsräte nicht
bei ver.di für eine Unterschrift sorgen, dann werde der Laden dicht gemacht. Die Vertragsentwürfe enthalten alles, von der Senkung des Stundenlohns über Verzicht auf Urlaub und
Weihnachtsgeld bis hin zur völlig unsinnigen Arbeitszeiterhöhung. Abgesehen von der Überschrift im Vertragstext enthalten sie nur eines nicht
– Beschäftigungssicherung nämlich.
Dafür ist ver.di nicht zu haben. Das
macht ver.di nicht mit. Wenn Beschäftigungssicherung drauf steht,
muss auch Beschäftigungssicherung
drin sein. Zur Sicherung von Beschäftigten bei insolvenzbedrohten Betrieben müssen individuelle Lösungen her.
Doch das geht nur, wenn die Arbeitgeber vorher alle wirtschaftlichen Fakten auf den Tisch legen. Dann sind
gute Lösungen im Sinne der Beschäftigten und des Unternehmens möglich.
Beschäftigte dürfen sich von den Drohungen ihrer Arbeitgeber nicht Bange machen lassen. Je mehr Beschäftigte in der Gewerkschaft sind, desto
stärker ist ver.di bei Auseinandersetzungen mit den Arbeitgebern.
ELLEN NAUMANN
8 SERIE ENERGIEUNTERNEHMEN
FACHBEREICH VER- UND ENTSORGUNG 02 • 2009
Mit dem Blick der Nachhaltigkeit
Mainova versorgt rund eine Million Menschen mit Energie und Wasser
Klima- und Umweltschutz stehen in der Geschäftspolitik der Frankfurter Mainova AG seit langem
im Zentrum der Unternehmensentwicklung – mit innovativen Konzepten wird die Kraft-WärmeKopplung in eigenen Anlagen ausgebaut und werden die Erneuerbaren Energien in der Region
erschlossen. „Bei uns steht nicht die kurzfristige Gewinnoptimierung, sondern nachhaltiges Wirtschaften im Vordergrund“, stellt auch Constantin H. Alsheimer, der neue Vorstandsvorsitzende,
heraus. „Darin unterscheiden wir uns deutlich von anderen Wirtschaftsbranchen.“
Alsheimer ist stolz darauf, dass bei der
und Gaspreissicherung neu bewertet
Erzeugung einer Kilowattstunde Strom
werden. Das führte zu einem deutbei der zu 75,2 Prozent im Besitz der
lich niedrigeren operativen Ergebnis
Stadtwerke Frankfurt am Main Holding
von 90,8 Millionen Euro. Immerhin
GmbH (alleiniger Eigner Stadt Frankerhielten die Stadtwerke Frankfurt am
furt) befindlichen Mainova AG durchMain Holding GmbH für ihre Dreivierschnittlich nur 407 Gramm C02 ausgetelbeteiligung im Jahr 2008 eine nastoßen werden, im Bundesdurchschnitt
hezu unveränderte Gewinnabführung
dagegen 541 Gramm. Weitere Beispiele
von 88,9 Millionen Euro – Basis zur
für
klimaFinanzierung
freundliches
von öffentliVerhalten:
chen AufgaENERGIEKONZERNE
Die bereits
ben.
A U F D E M P R Ü F S TA N D
mehr als 300
Für 2009
Mainovaerwartet AlsErdgasfahrheimer weiter
Vier Energiekonzerne bestimmen
zeuge sind
steigende Erneben den Stadtwerken die
wichtiger
träge. Denn
Energielandschaft in Deutschland.
Kristallisatider
ungeREPORT stellt in dieser und in
onspunkt für
wöhnlich kalden folgenden Ausgaben die vier
den Aufbau
te Winter ließ
Energiekonzerne vor und geht
eines Erdden Gas- und
auf die Rolle der Stadtwerke ein.
gastankstelWärmeabsatz
lennetzes in
Anfang des
der Region.
Jahres nach
Für den Bau von effizienten, sparsamen
oben schnellen, gleichzeitig wurden
und umweltfreundlichen Energieanlazahlreiche neue Kunden gewonnen.
gen bei den Kunden aus Industrie, Wohnungswirtschaft und Kommunen hat
Steigende Erträge
die Mainova AG eine eigene Tochter geDem wird auch die schlechte Konjunktur
gründet: die Mainova EnergieDienste.
nichts anhaben können. „Die konRund eine Million Menschen vorjunkturelle Schwäche macht sich zwar
wiegend im Rhein-Main-Gebiet werauch bei uns bemerkbar, insbesondeden derzeit von der Mainova AG mit
re bei den Industriekunden“, so der
Energie und Wasser versorgt – der
Vorstandsvorsitzende. „Allerdings liegt
Frankfurter Konzern gehört damit zu
unser Hauptgeschäft im Privat- und Geden acht größten kommunalen Enerwerbekundensegment. Hier fällt der
gieversorgern der Republik. Dabei
Rückgang wesentlich geringer aus. Die
macht die Mainova AG kräftigen Gekonjunkturell bedingten Absatzrückwinn – nicht trotz, sondern gerade wegänge sind durch die kühlere Wittegen ihres Umwelt- und Klimaschutzrung und neue Kunden mehr als ausengagements, meint der Vorstandsgeglichen worden.“
vorsitzende. In Zahlen: Die UmsatzerAlsheimer rechnet denn auch 2009
löse lagen 2008 mit 1,72 Milliarden
mit einem besseren Ergebnis als 2008.
Euro um 14,5 Prozent über dem VorUm die Risiken der Strombeschaffung
jahr. Erdgas machte mit 46,2 Prozent
zu begrenzen, soll der verkaufte Strom
fast die Hälfte der Umsatzerlöse aus,
künftig möglichst vollständig in eigefolgt von Strom mit 34,5 Prozent.
genen Anlagen erzeugt werden. „LangWeil die Marktpreise für Gas Ende 2008
fristig planen wir einen Eigenerzeukräftig purzelten, mussten auch Figungsanteil von 100 Prozent“, unnanzinstrumente zur Strom-, Kohleterstreicht Technikvorstand Joachim
Für 2009 erwartet Mainova weiter steigende Erträge.
Zientek. „Dies wollen wir vor allem
durch Projekte bei den erneuerbaren
Energien, aber auch durch Beteiligungen an hocheffizienten Kraftwerken erreichen.“ Bereits Ende 2009
soll das hocheffiziente Gas- und
Dampfturbinenkraftwerk im bayerischen Irsching in Betrieb gehen, an
dem die Mainova einen Anteil von 15,6
Prozent hält.
Sorge bereitet dem Mainova-Vorstand
vor allem die Regulierung. Bei der Anreizregulierung wurden die Effizienzwerte für das Netzgebiet Frankfurt am
Main für Strom und Gas auf jeweils rund
94 Prozent festgelegt, für das gleichfalls versorgte Gebiet Hanau und MainSpessart sogar auf weniger als 90 Prozent. Das bedeutet, dass in den nächsten Jahren insgesamt noch einmal eine Reduzierung der Netzentgelte im
zweistelligen Millionenbereich zu verkraften sein wird. „Trotz der absehbaren Verbesserung der wirtschaftlichen
Situation gegenüber den bisherigen Planungen wird die Anreizregulierung“, so
der Geschäftsbericht 2008, „das Ergebnis des Mainova-Konzerns weiterhin maßgeblich beeinflussen und so
auch auf Arbeitsplätze, Einkommen und
Wertschöpfung in der Rhein-MainRegion ausstrahlen.“
Der Mainova-Betriebsratsvorsitzende Peter Arnold sieht allerdings keinen Spielraum mehr für weiteren Personalabbau. „Allein seit 2005 ist die
Zahl der Beschäftigten noch einmal um
rund 140 auf derzeit 2869 gefallen. Die
Arbeitsintensität hat in allen Bereichen
des Unternehmens extrem zugenommen. Damit ist jetzt die Belastungsgrenze für jeden einzelnen erreicht“,
stellt Arnold fest. Er setzt auf eine
Wachstumsstrategie des Unternehmens, um in Zukunft wieder mehr Beschäftigten eine Perspektive bieten
zu können. Dem stimmt Arbeitsdirektor Lothar Herbst zu. Und verweist
auf das vorbildliche Ausbildungsprogramm des Konzerns. „Die Zahl der bei
Mainova beschäftigten Auszubildenden ist 2008 noch einmal auf jetzt 96
gestiegen“, sagt er. Die jungen Leute
werden nach erfolgreichem Abschluss
zunächst für ein Jahr übernommen.
„Ziel ist es, diesen Mitarbeitern ein
unbefristetes Arbeitsverhältnis anzubieten“, bekräftigt Herbst. Das ist bislang immer gelungen.
Plattform für Projekte
Die veränderten Rahmenbedingungen
und ihre Auswirkungen auf die Beschäftigten belasten die Betriebskultur. „Deshalb haben Betriebsrat und
Vorstand das Projekt „Unternehmenskultur“ ins Leben gerufen. In zahlreichen Workshops werden die Probleme
diskutiert.
Eine Chance für rasches Wachstum
könnte sich in naher Zukunft ergeben.
FOTOS (2) MAINOVA AG
Mit 24,4 Prozent ist die Münchener
Thüga AG an der Mainova AG beteiligt, derzeit eine hundertprozentige
Tochter von E.ON. Die Thüga AG ist
mit über 100 Minderheitsbeteiligungen an deutschen Stadtwerken die
weitaus größte Gesellschaft dieser Art.
Doch E.ON prüft den Verkauf der Thüga AG. Mainova hat sich deshalb gemeinsam mit der Nürnberger N-ERGIE AG und den Hannoveraner Stadtwerken (beide ebenfalls mehrheitlich
kommunal und mit Minderheitsbeteiligungen der Thüga AG) zu einem
Konsortium zusammengeschlossen,
um ihrerseits rund 45 Prozent der Anteile an der Thüga AG von E.ON zu
erwerben.
Ein anderes Stadtwerke-Konsortium
unter Führung der Freiburger Badenova AG ist an weiteren mindestens 20
Prozent der Thüga interessiert. Gelingt
der Transfer, könnte die Thüga AG als
mehrheitlich kommunales Unternehmen Plattform für gemeinsame Projekte werden, die den Finanzrahmen
einzelner Stadtwerke derzeit noch sprengen.
Bereits heute ist die Zusammenarbeit eng: Thüga, Mainova und N-ERGIE betreiben beispielsweise gemeinsam die Münchener Syneco GmbH und
wickeln über diese Gesellschaft ihren
Energieeinkauf ab, N-ERGIE und Stadtwerke Hannover haben Ende 2008 eine bundesweit tätige Vertriebsgesellschaft für Strom und Gas an Endkunden
gegründet. Gemeinsam mit sieben anderen großen Stadtwerken rief Mainova kürzlich die 8KU Renewables GmbH
ins Leben, um zukunftsträchtige überregionale Projekte in Erneuerbaren Energien auszukundschaften, an denen sich
die Stadtwerke dann beteiligen können,
beispielsweise Offshore-Windanlagen
oder große Biomassekraftwerke.
REINHARD KLOPFLEISCH
MAINOVA AG INVESTIERT IN DIE ZUKUNFT
Der Frankfurter Flughafen expandiert – und entsprechend nimmt auch
der Energiebedarf stetig zu. Auch für
Kälte. Die wird seit 1994 umweltfreundlich erzeugt, statt mit Strom in
Kraft-Kälte-Kopplung. Und weil der Bedarf stetig zunimmt, ersetzt die Mainova AG derzeit die alten, seit 1994
betriebenen Absorptionskältemaschinen durch leistungsstärkere Turbokältemaschinen. Dadurch kann – ohne
dass die Fläche des Betriebsgebäudes
erweitert werden muss – die Kälteleistung auf den zukünftigen Bedarf
von 65 Megawatt angepasst werden.
Das Fernwärmenetz in Frankfurt wird
ständig ausgebaut – und die Wärme
vollständig in Kraft-Wärme-Kopplung
(KWK) erzeugt. Letzte ineffiziente Heizwerke ohne Stromauskoppelung verschwinden. Demnächst baut die Mainova AG beispielsweise eine sechs Ki-
lometer lange Verbindungsleitung vom
Müllheizkraftwerk Nordweststadt zum
ehemaligen Heizwerk in der Lübecker
Straße. Das kann dann stillgelegt werden, die Kunden werden zukünftig vom
Müllheizkraftwerk beliefert. Allein diese Umstellung der Wärmeversorgung
auf KWK spart jährlich über 20 000 Tonnen C02, und zusätzlich können neue
Kunden auf dem derzeit entstehenden
Universitätsgelände Campus Westend
angeschlossen werden. Insgesamt gab
die Mainova AG in den letzten drei Jahren 77 Millionen Euro für die Modernisierung der fünf KWK-Anlagen im Stadtgebiet aus. Derzeit werden bereits 38
Prozent der an Endkunden verkauften
Strommengen aus KWK gewonnen.
Zentrale Lage im Industriegebiet und
gleichzeitig kurze Wege zu den Holzlieferanten – der Standort Fechenheim
eignet sich geradezu ideal für den Bau
eines Biomasse-Heizkraftwerks. Das fand
auch die Mainova AG und nahm bereits auf dem Gelände der Allessa Chemie gemeinsam mit einem Partner aus
der Holzentsorgungsbranche ein modernes, fast C0 2-neutrales BiomasseHeizkraftwerk in Betrieb. Es spart der
Umwelt jährlich 70 000 Tonnen Kohlendioxid und hat mit zu der Auszeichnung „Climate Star 2004“ der Stadt
Frankfurt und der Mainova beigetragen.