Report - Ver- und Entsorgung
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die E n e rg i e Fachbereichsbeilage Wa s s e r Abfall Ver- und Entsorgung 02 • 2009 E N E R G I E W I R T S C H A F T · W A S S E R W I R T S C H A F T · A B F A L L W I R T S C H A F T · B E R G B A U ENERGIEWIRTSCHAFT „Wir sind one E.ON“ Über 5500 E.ON-Beschäftigte sind einem ver.di-Aufruf gefolgt und haben am 18. Juni für den Erhalt ihrer Jobs demonstriert. Seite 4 WASSERWIRTSCHAFT Damit Nachtschicht erträglicher wird Moderne Schichtpläne machen Schichtarbeit erträglicher. Statt fünf oder gar sieben Nachtschichten hintereinander setzen sie auf einen schnelleren Wechsel. Wer das neue System ausprobiert, will nicht wieder zurück, betonen Mitarbeiter der Wasserwerke Westfalen. Seite 5 Abgeführt, verhört und abgeschoben Sie wollten auf die Risiken hinweisen, die mit dem Bau großer Staudämme verbunden sind. Es sollte eine kleine, aber effektive Demonstration werden. Doch dann sahen sie sich wie Kriminelle behandelt. Seite 6 ENERGIEWIRTSCHAFT Bremer Monopoly Der oldenburgische EWE-Konzern soll künftig bei der swb AG (Stadtwerke Bremen) das Sagen haben. Seite 6 ABFALLWIRTSCHAFT Arbeitgeber wollen Tariferhöhung streichen Die Arbeitgeber der Abfallwirtschaft wollen sich über Tarifverträge hinwegsetzen. Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE) kündigte an, die mit ver.di ausgehandelte Tariferhöhung nicht auszuzahlen. Seite 7 Gutes Geld für gute Arbeit Abspecken auf Kosten der Beschäftigten? Das kann nicht sein, sagen sich die Kolleginnen und Kollegen der AWISTA GmbH Düsseldorf und machen gegen die Lohndumping-Pläne des Unternehmens mobil. Seite 7 Die Entsorgungswirtschaft sieht sich schon als Opfer der Krise. FOTO: ROETTGERS ver.di: Nachfrage stärken Drittes Konjunkturprogramm soll Investitionen in Infrastruktur beschleunigen Geht es nach den Unternehmen der privaten Entsorgungsbranche, müssen die Beschäftigten für die Finanz- und Wirtschaftskrise aufkommen. In einer Umfrage des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE) vom März 2009 gaben fast zwei Drittel der im BDE organisierten Firmen an, im laufenden Jahr Arbeitsplätze abbauen zu müssen. Und rund die Hälfte wollen ihre Investitionen drosseln. Der Grund für das Gejammer der Branche: Die Wertstoffpreise, die in den vergangenen Jahren in ungeahnte Höhen geklettert waren, sind in Folge der Krise eingebrochen. Entsprechend stark lässt der Appetit der Privaten nach, den kommunalen Unternehmen Konkurrenz zu machen. Kurzarbeit ist bereits vielfach verbreitet, Entlassungen werden angedroht, um die Profite auch in Krisenzeiten zu sichern. Und natürlich Lohnverzicht. Lohnverzicht, Investitionsstopp und Gebührenerhöhungen sind die probaten Mittel, um in Zeiten der Krise die Profite zu sichern. Doch sind sie auch angemessen, um die Konjunktur wieder anzukurbeln? „Nein“, ist sich der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-BöcklerStiftung ,Professor Gustav A. Horn, sicher. Er warnt davor, beim Krisenmanagement die Ursachen der Finanzund Wirtschaftskrise nicht zu berücksichtigen. „Der Weg in die Krise war geprägt durch die teilweise dramatische Zunahme der ökonomischen Ungleichheit: Die hohen Einkommen leg- Erste Windturbinen in Bielefeld Die Stadtwerke Bielefeld haben im Juni erstmals zwei Windturbinen vom Typ Vestas V90-105 mit jeweils zwei Megawatt Leistung in Betrieb genommen. Die beiden Windturbinen sollen jährlich 7,4 Millionen Kilowattstunden Strom ins Stadtwerke-Netz einspeisen. Der Bau der beiden rund sechs Millionen Euro teuren Propeller ist Teil des im Frühjahr 2008 vorgestellten Klimaschutzkonzeptes des Kommunalver- sorgers. „Die Windräder sind ein wichtiger Teil unseres Programms, erneuerbare Energien stärker zur Strom- und Wärmeversorgung einzusetzen. Wir wollen in den nächsten Jahren insgesamt 23,5 Millionen Euro in Anlagen für regenerative Energieerzeugung investieren", sagte Geschäftsführer Wolfgang Brinkmann. An der Finanzierung beteiligen sich auch Haushaltskunden der Stadtwerke Bielefeld. ten zu, die mittleren und niedrigeren erodierten. Das hat sich nicht nur als Gerechtigkeitsproblem erwiesen, sondern auch als ökonomisch schädlich.“ Das IMK plädiert zudem dafür, die öffentlichen Investitionen nicht zurückzufahren, sondern die Kommunen mit einem dritten Konjunkturprogramm in die Lage zu versetzen, ihre Investitionen in die öffentliche Infrastruktur auszuweiten. ver.di hat hierzu einen Forderungskatalog vorgelegt. Insgesamt müssten in den nächsten Jahren zusätzlich rund 100 Milliarden Euro öffentliche Gelder investiert werden. ver.di sieht vor allem Investitionsbedarf in der öffentlichen Ver- und Entsorgung: Für Maßnahmen wie den Ausbau der Stromnetze, die Förderung der effizienten und klimafreundlichen Kraft- Wärme-Kopplung, energetische Gebäudesanierung oder Sanierung der Wasser- und Abwasserleitungen sieht der ver.di-Masterplan zur Konjunkturankurbelung insgesamt rund 20 Milliarden Euro vor. Mit dabei auch Investitionen der öffentlichen Entsorgungsbetriebe in die Wertstoffaufbereitung von Papier, Altmetallen und Kunststoffen. Denn wenn die privaten Unternehmen der Entsorgungsbranche der Krise mit Investitionsstopp und Entlassungen begegnen und sich damit aus der Verantwortung stehlen, müssen diese notwendigen öffentlichen Aufgaben wieder in öffentliche Verantwortung der Kommunen und Landkreise zurückgeholt werden – zu den einvernehmlich ausgehandelten Tarifen der öffentlichen Wirtschaft Seite 3 Vattenfall soll klimafreundlicher werden Die schwedische Regierung will den heimischen Vattenfall-Konzern zu mehr Investitionen in erneuerbare Energien zwingen. Schwedens Wirtschaftsministerin Maud Olofsson kündigte an, dass der Staat als alleiniger Vattenfall-Eigner neue Direktiven vorgeben wolle. Sie begründete diese Pläne mit den massiven Aktivitäten des Konzerns bei dem fossilen Energieträger Kohle im Ausland, die „nicht legitim" seien. Deshalb solle es neue Anweisungen der Regierung für „die Umstellung auf umweltfreundliche Technik, die Wertschöpfung sowie einen besseren Schutz von Vattenfall als Markenname“ geben. Nach Medienberichten teilte Vattenfall als Reaktion auf die Kritik mit, dass das Unternehmen die klimaneutrale Stromerzeugung bis 2050 anstrebe. Die Umstellung auf C02-freie Energiequellen könne jedoch nicht über Nacht vollzogen werden. 2 FACHBEREICH FACHBEREICH VER- UND ENTSORGUNG 02 • 2009 Liebe Kolleginnen und Kollegen, um Lohndumping zu erreichen, schreckt der Bundesverband der deutschen Entsorgungswirtschaft offenbar nicht einmal mehr vor Vertragsbruch zurück. Geht es nach dem BDE, soll die mit „Tarifpolitik nach Gutsherrenart ist mit ver.di nicht zu machen.“ ver.di vereinbarte Tariferhöhung von drei Prozent ab Mai 2009 nicht ausgezahlt werden. Michael Röttger, Personalchef bei der deutschen Filiale des französischen Weltkonzerns Veolia und neuer BDE-Verhandlungsführer, erdreistet sich ver.di vorzuschlagen, den Tarifabschluss nur dann umzusetzen, wenn die Altpapier- und Schrottpreise wieder steigen. Die seien aufgrund der Wirtschafts- und Finanzkrise in den letzten Monaten drastisch gesunken. Ich sage dazu ganz klar: Tarifpolitik nach Gutsherrenart ist mit ver.di nicht zu machen. Wer einmal abgeschlossene Verträge nicht einhält, begeht in einem Rechtsstaat Rechtsbruch. Wer sich wie die privaten Entsorgungskonzerne in den Markt für Altpapier und Schrott gedrängt hat und sich dort zu Zeiten der Hochkonjunktur eine goldene Nase verdient hat, muss auch das Risiko tragen, dass die Geschäfte einmal nicht so gut gehen. Im Übrigen: So ganz glaubt der BDE wohl nicht daran, dass wir auf sein rechtswidriges Angebot eingehen könnten. Für diesen Fall gibt es ja noch einen weiteren Dukatenesel, den Gebührenzahler: BDE-Hauptgeschäftsführer Matthias Raith kündigte kürzlich in der Presse schon mal an, dass bei anhaltender Flaute auf dem Sekundärstoffmarkt „die mit den Städten und Gemeinden vereinbarten Preise nicht mehr gehalten werden“ können. Kaum berührt von den Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise ist dagegen die öffentliche Entsorgungswirtschaft. Hausmüll fällt immer an, und die Gebühren liegen fest. Doch auch die öffentlichen Entsorgungsunternehmen schrecken vor Tarifflucht nicht zurück – das zeigt das Beispiel der Düsseldorfer Awista. Dort sollte das Unternehmen jetzt fit gemacht werden für das Jahr 2018. Dann läuft der Kon- FOTO: HERSCHELMANN zessionsvertrag mit der Stadt Düsseldorf aus, und man müsse doch wettbewerbsfähig sein. Doch eingefallen ist den Unternehmensvorständen in Wirklichkeit bislang nur wenig Visionäres: Der Tarifvertrag öffentlicher Dienst sei zu teuer, mit Organisa- tionstricks wollte man davon weg zum billigeren Tarifvertrag für Speditionen. Dass dies jetzt misslungen ist, ist einzig und allein der Entschlossenheit der Kollegen und der guten gewerkschaftlichen Organisation und der paritätischen Mitbestimmung beim Mutterunternehmen Düsseldorfer Stadtwerke zu verdanken. Gut durch die Krise gekommen ist bislang auch die Energiewirtschaft – allen voran der Weltkonzern E.ON. Dort betrug 2008 das Ergebnis (EBIT) fast 10 Milliarden Euro, rund 7,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Das hindert den Vorstand nicht daran, „Effizienzsteigerungen“ vor allem in einem Bereich zu suchen: bei den Beschäftigten. „Perform to win“ heißt das Programm, und 6000 Arbeitsplätze sind in Gefahr, davon 4000 in Deutschland. Erstmals schließt der Vorstand dabei auch betriebsbedingte Kündigungen nicht aus, um das zweistellige Milliardenergebnis dauerhaft zu sichern. Wer andererseits seinen Arbeitsplatz behalten will, müsse schon bereit sein, in outgesourcten Tochtergesellschaften mit Tarifen unter E.ON-Tarifniveau zu schuften. Kein Wunder, dass den E.ON-Be- schäftigten der Kragen platzt. 5500 Menschen aus allen E.ON-Betriebsteilen in Deutschland sind am 18. Juni dem ver.di-Aufruf gefolgt und haben gegen diese Vorhaben demonstriert. Mit dabei waren auch Delegationen aus E.ON-Beteiligungen aus diversen europäischen Ländern. Es hat sich gezeigt, dass ver.di für die kommenden Auseinandersetzungen im E.ON-Konzern gut aufgestellt ist. Was in den Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise notwendig ist, ist klar: Stärkung der Kaufkraft durch anständige Löhne und Gehälter – und angemessene Lohnerhöhungen. Da haben die Konzerne ihre gesellschaftliche Verantwortung, ganz gleich, ob die Krise ihnen eine Delle in den Profiten beschert oder nicht. Doch nur mit einem guten Organisationsgrad und funktionierender Mitbestimmung können die Gewerkschaften erreichen, dass die Unternehmen dieser Verantwortung auch nachkommen – und es ihnen nicht gelingt, mit Lohndrückerei und Rausschmiss von Beschäftigten die Auswirkungen der Krise noch zu verEUER ERHARD OTT schlimmern. Eckpfeiler kommunaler Daseinsvorsorge Betriebs- und Personalräte der Wasserwirtschaft diskutierten Forderungen an die Parteien vor den Wahlen Die Wasserwirtschaft darf nicht von privaten Gewinninteressen bestimmt werden. Darüber waren sich die 140 Betriebs- und Personalräte aus 80 Unternehmen der Wasserwirtschaft einig, die zur ver.di-Betriebs- und Personalrätekonferenz Anfang April nach Berlin gekommen waren. Denn: Wenn nur Gewinn zählt, werden Nachhaltigkeit und der Aufbau einer lebenswerten Infrastruktur ausgebremst oder zerstört. Die Teilnehmer der Konferenz forderten zudem, den Ordnungsrahmen so zu gestalten, dass eine effiziente demokratische Kontrolle einen Missbrauch der Monopolstellung verhindert. Außerdem dürfe die Wasserwirtschaft nicht zu einem Flickenteppich von Ländergesetzen verkommen, sondern müsse einheitlich durch Bundesgesetzgebung geregelt werden. Dass der öffentlichen Wasserwirtschaft Vorrang vor jedem privaten Betreiber eingeräumt werden muss, steht für die Beschäftigten zudem außer Frage. Zeitgleich zur Konferenz fand in Berlin die „Wasser Berlin“ statt, die größte Wassermesse der Welt. Die Fachgruppe Wasserwirtschaft beteiligte sich mit einem Stand. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nutzten einen KonIMPRESSUM Der ver.di-Report Ver- und Entsorgung Nr. 2, Juni 2009 Herausgeber: Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), Fachbereich Ver- und Entsorgung, Paula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin, v. i. S. d. P.: Frank Bsirske, Erhard Ott Redaktion: Jana Bender, Reinhard Klopfleisch, Reiner Koch, Ellen Naumann, Kora Siebert www.ver-und-entsorgung-verdi.de Herstellung+Druck: apm AG Darmstadt, Kleyerstraße 3, 64295 Darmstadt Layout: alpha print medien AG ferenztag zum gemeinsamen Besuch der Messe und führten an verschiedenen Unternehmensständen Gespräche. Wassergesetzgebung Nach wie vor treibt die Beschäftigten der Wasserwirtschaft das nationale Wasserrecht und das Vergaberecht mit der damit einhergehenden Problematik interkommunaler Zusammenarbeit um. Gestritten wird ferner um die Gestaltung des Ordnungsrahmens. Aktuell kristallisiert sich die Frage um die Rechtmäßigkeit der erhobenen Gebühren und Entgelte für die Dienstleistungen der Wasserwirtschaft heraus. Der Hintergrund. Die Kartellbehörde in Hessen hat Verfahren gegen einige Wasserversorger eingeleitet und fordert, die Gebühren und Entgelte um etwa 30 bis 40 Prozent abzusenken. Eine solche Preissenkung hätte vermutlich auch Auswirkungen auf Personalkosten und den Personalbestand. Das Verfahren wird inzwischen bundesweit zwischen den Kartellbehörden abgestimmt. ver.di war mit einem Stand auf der weltgrößten Wassermesse „Wasser Berlin“ vertreten. Noch auf der Münchner Konferenz hatte Helge Wendenburg vom Bundesumweltministerium euphorisch über die Einführung des Umweltgesetzbuches und damit über das zweite Buch Wasser berichtet. Dies ist an der un- INTERNET einheitlichen Haltung der Länder gescheitert. Auf der Konferenz erläuterte Wendenburg nun das neue Wassergesetz. Allerdings hat das Gesetz offenbar in den parlamentarischen Gremien des Bundes und der Länder keiFOTO: VER.DI ver.di 2.0 – Der Anfang ist gemacht Das Internet ist für viele zum festen Bestandteil unseres Alltags geworden. Mit diesem Trend ist auch die Nutzung von interaktiven Angeboten verbunden, sei es you tube oder die so genannten „communities“, soziale Netzwerke im Internet. ver.di will sich diesem Trend nicht verschließen und hat mit dem Mitgliedernetz ein eigenes Angebot geschaffen, mit dem die Mitglieder auch im Internet zu einer Community zusammen wachsen können. Anfang Dezember ist das neue Angebot an den Start gegangen und bis heute haben sich über 10 000 Mitglieder registriert. Das Mitgliedernetz bietet neben Tarifinformationen und Serviceangeboten, auch Funktionen zum Kommentieren, bewerten und abstimmen. In Zukunft werden weitere Funktionen hinzukommen. Dann wird man ein eigenes Profil eingeben können, über das mit anderen Mitgliedern direkt in den Austausch getreten werden kann – sei es über die eigene Arbeit, gewerkschaftliches Engagement oder soziale Fragen. Und dies alles, ohne zu befürchten, dass die Daten ungeschützt weitergegeben und kommerziell genutzt werden. Mit dem Mitgliedernetz kann eine Plattform entstehen, die gewerkschaftliches Engagement auch im Internet mit Leben füllt, es können Fragen aufgeworfen und diskutiert werden wie: Welche Strategien gibt es im Umgang mit der Leiharbeit? Wie betrifft die Wirtschaftskrise unser Leben und was muss getan werden? Daher: registrieren, informieren, mitdiskutieren unter https://mitgliedernetz.verdi.de ROMIN KHAN FOTO: VER.DI ne Chance auf Verwirklichung, obwohl es ein wichtiger Bestandteil der Föderalismusreform ist. Karl Ernst Kappel, Rechtsanwalt und Steuerberater aus Stuttgart, ging auf der Konferenz auf mögliche und wünschenswerte Tendenzen in der Wasserwirtschaft ein. Die Kommunen müssen sich seiner Ansicht nach jetzt für die nächsten 20 Jahre neu positionieren, denn in den nächsten Jahren liefen etliche Konzessionsverträge aus. Zugleich warnte er die Kommunen, die Wasserversorgung aus der Hand zu geben, weil dann die Kompetenzen für das Betreiben der Anlagen verloren gingen. Der Präsident der Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft, Jochen Stemplewski, beschäftigte sich in seinem Beitrag mit interkommunaler Zusammenarbeit. Eine gute interkommunale Zusammenarbeit brauche keine ständig neuen Initiativen und auch keine Zwangsjacke, sondern rechtlichen Schutz. MATHIAS LADSTÄTTER FACHBEREICH VER- UND ENTSORGUNG 02 • 2009 T I T E LT H E M A 3 Tal der Tränen noch nicht erreicht Konjunkturkrisen sind die Zeit für zusätzliche Investitionen in die öffentliche Infrastruktur Die Wirtschaftskrise schlägt mit bislang ungekannter Härte zu. Und die Konjunkturforscher sind ziemlich sicher, dass das Tal der Tränen noch nicht erreicht ist. Die Krise? Was für eine Krise, könnte man im Ver- und Entsorgungsbereich fragen. Strom, Wasser und Wärme, Müllabfuhr und Abwasserreinigung brauchen die Menschen, ganz gleich, ob die Konjunktur fröhliche Urständ feiert oder darniederliegt. FOTO: VATTENFALL In der Tat: Im Bereich Haushaltskunden machen sich konjunkturelle Absatzeinbußen in der Energiewirtschaft oder der Restmüllentsorgung bislang kaum bemerkbar. Und der relativ strenge Winter hat dazu geführt, dass Stadtwerke und Regionalversorger im Wärmemarkt sogar mehr abgesetzt haben als im Vorjahr. Warum die Krise dennoch zu einer Erlösdelle der Stadtwerke oder kommunalen Abfallunternehmen führen kann? Die Märkte für Industriekunden, und hier vor allem die Automobil- und Metallindustrie, sind deutlich eingebrochen. Wer weniger Autos oder Maschinen absetzen kann, braucht auch weniger Strom. „Lohnverzicht oder Massenentlassungen sollten im Bereich der Ver- und Entsorgung ausgeschlossen sein – nicht nur, weil sie volkswirtschaftlich ohnehin das falsche Mittel zur Krisenbewältigung sind. Es besteht auch kein betriebswirtschaftlicher Anlass, darüber nachzudenken“, stellt ver.diBundesvorstandsmitglied Erhard Ott klar. Es werde vielmehr darauf ankommen, in diesem Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge durch Verzicht auf Kündigungen und durch angemessene Lohnerhöhungen dazu beizutragen, dass die Kaufkraft der Bevölkerung wieder wächst – das bes- te Mittel, um die Konjunktur wieder anzukurbeln. Preise für Altpapier im Keller Wiederverwertung ist das Zauberwort der ökologischen Entsorgungswirtschaft – und ausgerechnet hier gilt die Entwarnung nicht. Denn Wiederverwertung von Wertstoffen bedingt, dass auch die Märkte für diese Stoffe funktionieren. Und die sind stark konjunkturabhängig. Weil Altpapier und Altmetalle in der Krise immer weniger gefragt sind, sind die Preise zum Teil auf zehn Prozent der Werte von Mitte 2008 gefallen. Wer aber, so meint die Gewerkschaft ver.di, in Zeiten des Booms von Altpapier und Schrott horrende Extragewinne abgeschöpft hat, muss auch Durststrecken überwinden können. Sollten sich die privaten Unternehmen aus dem Geschäft der Wertstoffentsorgung stehlen, müssen die öffentlichen Entsorgungsunternehmen diese Aufgaben wieder übernehmen. Hierzu wären hohe Investitionen in Recyclinganlagen notwendig, was die Müllgebühren erhöhen würde. Die Krise stellt aber auch Stadtwerke und Regionalversorger vor neue Probleme. Die Strom- und Gaspreise hängen in liberalisierten Märkten zunehmend von den Rohstoffpreisen ab. Sie sind 2008 aufgrund der steigenden Nachfrage auf den Weltmärkten zunächst steil angestiegen, in Folge der Wirtschaftskrise Ende 2008 dann aber rasant gesunken. Viele Energieversorger waren auf dieses Auf-und-Ab nicht richtig eingestellt. Sie haben in der Hochpreisphase Gasund Strommengen gekauft, auch bereits für die Jahre 2009 und 2010. Diese Mengen werden in vielen Fällen nicht mehr kostendeckend verkauft werden können. Ein weiteres Problem: Die Unternehmen der Ver- und Entsorgung ha- Die Märkte für Industriekunden sind deutlich eingebrochen. ben vielfältige Rückstellungen gebildet, um künftige Belastungen und Investitionen finanzieren zu können. Es ist noch nicht abzusehen, welche Risiken noch dadurch entstehen, dass die Geldanlagen durch die Krise möglicherweise an Wert verloren haben. Dies kann auch die betriebliche Altersversorgung betreffen. Schwieriger wird es in der Krise zudem, selbst für hochrentierliche Investitionen günstige Kredite zu bekommen. Zwar sind die Unternehmen der Ver- und Entsorgungswirtschaft anders als beispielsweise Newcomer im Bereich erneuerbare Energien vom derzeitigen „Kreditboykott“ der Banken kaum betroffen. Doch verschlechtern sich die Finanzierungskonditionen. Der derzeitigen Einkaufstour von RWE und Vattenfall in den Niederlanden zum Trotz werden derartige Mega-Deals in der Energiewirtschaft durch die Krise eher schwieriger zu bewerkstelligen, meinen die Spezialisten der Unternehmensberatungsfirma A.T. Kearney. Denn auch Strom- und Gasversorger werden gezwungen sein, Übernahmen „in stärkerem Maße mit eigenem Kapital zu finanzieren“. Dies könnte die „Großen Vier“ daran hindern, weitere Mega-Deals im Ausland anzupeilen, dies könnte aber vor allem auch die laufenden Expansionsbestrebungen von Stadtwerken beinträchtigen. Denn sie sind darauf angewiesen, größere Aufkäufe vorwiegend fremd zu finanzieren. Was tut die Politik in Zeiten der Krise? Nicht immer das Richtige. Die Regulierung der Netzentgelte droht, die derzeitigen Probleme und Risiken erheblich zu verstärken. Angesichts der Krise, so meint ver.di, müssen die politischen Vorgaben zur Kos- „Löhne müssen steigen“ Wirtschaftswissenschaftler dringt auf Stärkung der Binnennachfrage Der Wirtschaftswissenschaftler Professor Gustav A. Horn, Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-BöcklerStiftung, warnt vor Lohnverzicht. Volkswirtschaftlich gesehen sei Lohnverzicht die schlechteste Medizin gegen die Krise. Warum das so ist, erläutert Horn in einem Gespräch mit dem „Report“. Den Unternehmen fällt zur Bewältigung der Auswirkungen der Krise oftmals nur der Lohnverzicht ein – ansonsten drohe der Verlust der Arbeitsplätze. Sollen sich Gewerkschaften und Beschäftigte auf derartige Arrangements einlassen? Horn | Volkswirtschaftlich ist Lohnverzicht die schlechteste Medizin ge- gen die Krise. Im Gegenteil: Die Stärkung der Binnennachfrage gerade in den unteren und mittleren Einkommensgruppen notwendig, weil sie direkt konjunkturwirksam wird. Statt Lohnverzicht ist es also gerade in Zeiten der Krise notwendig, die Löhne deutlich zu erhöhen. Und wie soll man mit denjenigen verfahren, die ihre Arbeit bereits verloren haben? Sie haben in Zeiten der Krise keine Chance bald wieder Arbeit zu finden. Horn | Ab dem Sommer werden die Arbeitslosenzahlen sogar rasant steigen, ohne dass es schnell neue Jobs geben wird. Damit könnten 2010 Hunderttausende in Hartz IV abrutschen. Massive Einkommens- und Vermögensverluste wären die Folge; die Binnennachfrage würde dramatisch geschwächt. Ich schlage deshalb vor, das Arbeitslosengeld I für die Zeit der Krise auf einheitlich zwei Jahre zu verlängern. Reichen die bisherigen Konjunkturprogramme aus, um das Blatt zu wenden? Horn | Mit den schon beschlossenen Konjunkturhilfen wird es möglicherweise gelingen, die Wirtschaft im kommenden Jahr in Richtung Stagnation zu stabilisieren. Ein Aufschwung ist damit aber kaum zu erreichen. Deshalb müssen die öffentlichen Investitionen noch einmal deutlich erhöht werden. Auf diese Weise werden langfristig oh- FOTO: VATTENFALL tensenkung so angepasst werden, dass Beschäftigung gehalten und Investitionen angereizt werden. Eine Novellierung der Anreizregulierungsverordnung ist dringend geboten. Nur so könnten Anreize nicht allein für Kostensenkungen, sondern für Investitionen in die Netze geschaffen werden. Insbesondere aber müsse auf die Mehrerlösabschöpfung verzichtet werden, die derzeit Millionenlöcher in die Versorgeretats bohrt. Konjunkturkrisen sind die Zeit für zusätzliche Investitionen in die öffentliche Infrastruktur. Das ist Standardwissen unter den Ökonomen. Das Konjunkturpaket II sieht insgesamt 16 Milliarden Euro für die Verbesserung der Infrastruktur vor. Insbesondere bei der energetischen Sanierung von öffentlichen Gebäuden können örtliche und regionale Energieversorger auf zusätzliche Aufträge hoffen – und dies zum Aufbau neuer Geschäftsfelder im Markt für Energieeffizienz nutzen. Das zu erwartende Konjunkturprogramm III sollte den Fokus auf Infrastrukturverbesserungen legen, die umwelt- und klimapolitisch geboten sind, und die Wirtschaft in den Regionen ankurbeln. Bei der Ver- und Entsorgung schlägt ver.di vor, in den nächsten zwei Jahren insgesamt rund 20 Milliarden Euro für solche Maßnahmen zur Verfügung zu stellen. Im einzelnen sollte das laufende Konjunkturprogramm zur energetischen Gebäudesanierung im öffentlichen Bereich noch einmal aufgestockt, das KfW-Programm zur energetischen Gebäudesanierung um Zuschüsse für sozial Schwache erweitert werden. Außerdem dringt ver.di darauf, den Ausbau der Fernwärmeleitungen mit Zuschüssen zu fördern, die Anbindung der Offshore-Anlagen an das Strom-Übertragungsnetz zu finanzieren, einen Energiesparfonds einzurichten und die Sanierung der Wasser- und Abwassernetze zu unterstützen. REINHARD KLOPFLEISCH Entwicklung Rohölpreis USD/Barrel 140 Finanzkrise: Abschwächung Nachfrage Verstärkte Nachfrage Finanzinvestoren auf Rohstoffmärkten 120 Geringer Puffer bei Produktionskapazitäten; Nachfrageanstieg; Konfliktpotenzial Nahost 100 Konflikt Libanon/Israel; Pipeline-Leckagen Alaska 80 Lieferstörungen Irak/Nigeria Nachfrageanstieg, insb. China Iranische Revolution 40 20 Hurrikans im Golf von Mexiko Krieg Iran-Irak 60 Überfall Irak auf Kuwait Yom Kippur Krieg OPEC-Embargo 0 1970 Net-Back-Preise eingeführt 1975 1980 Unruhen in Venezuela Militäraktionen im Irak Rezession Asien-Krise Bedarf < Angebot 1985 1990 1995 2000 2005 Durchschnittlicher Weltmarktpreis für Rohöl (fob) Quelle: Schiffer; Energiemarkt Deutschland nehin erforderliche Investitionen beispielsweise in die energetische Infrastruktur oder die Sanierung der Wasserleitungen vorgezogen und mit kurzfristiger Stabilisierungspolitik verknüpft. Wichtig ist auch, das Konjunkturprogramm durch Investitionen in Köpfe zu ergänzen, also in mehr Personal. Da sind vor allem im Bildungsbereich und im Bereich sozialer Berufe ohnehin Nachbesserungen erforderlich, um beispielsweise auf das Niveau der nordischen Länder zu kommen. Kritiker wenden ein, dass mit einem weiteren Konjunkturpaket die Staatsverschuldung weiter zunimmt. Wer soll das mal zurückzahlen? Horn | Erst wenn die Konjunktur an Fahrt gewinnt, können und müssen die öffentlichen Haushalte ihre Defizite zu- rückfahren. Gefährlich ist die – politisch derzeit gewollte – automatische Schuldenbremse. Denn mechanische gesetzliche Regelungen können niemals aktuellen wirtschaftlichen Gegebenheiten gerecht werden. Ich schlage stattdessen das Konzept eines mittelfristigen, am Trend des Wirtschaftswachstums orientierten Ausgabenpfades vor. Die US-Regierung Clinton hat mit einem derartigen Konzept in den neunziger Jahren den Haushalt konsolidiert. Zu diesem Konzept gehört auch, dass in der Aufschwungphase nicht nur öffentliche Ausgaben auf den Prüfstand gestellt werden, sondern auch gezielt einige Steuern erhöht oder neu eingeführt werden. Neben einer stärkeren Besteuerung großer Vermögen denke ich dabei auch an die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. 4 ENERGIEWIRTSCHAFT FACHBEREICH VER- UND ENTSORGUNG 02 • 2009 „Wir sind one E.ON“ 5500 Beschäftigte demonstrieren gegen E.ON-Vorstand Ein sonniger Tag in Düsseldorf – die roten E.ON-Fahnen wehen im Wind vor dem Hauptsitz (dem Corporate Center) der E.ON AG am E.ON Platz. Immer mehr werden die E.ON-Fahnen jedoch von roten ver.di Fahnen umrahmt – über 5500 Beschäftigte sind einem Aufruf ihrer Gewerkschaft ver.di gefolgt und am 18. Juni zur Demonstration gegen den E.ON-Vorstand nach Düsseldorf gekommen. Das gab es noch nie in der Geschichte des Konzerns. Der Tag und das Motto waren bewusst gewählt. In den vergangenen Jahren hat das Unternehmen mit verschiedenen Veranstaltungen für die Beschäftigten den „One E.ON Day“ am 18. Juni, dem Gründungstag des Konzerns, proklamiert, um so das Gefühl der Konzernzugehörigkeit zu verdeutlichen. Angesichts der aktuellen Veränderungen, den Anteilsverkäufen und Umstrukturierungen im Konzern hat das Management in diesem Jahr bewusst darauf verzichtet. Die E.ON AG hat im vergangenen Geschäftsjahr das Ergebnis (EBIT) nochmals um etwa 7,5 Prozent auf fast zehn Milliarden Euro gesteigert. Die Dividende an die Aktionäre wurde um zehn Prozent erhöht. Um diese Gewinne auch in Zukunft sichern zu können, hat der Vorstand ein Programm zur Effizienzsteigerung unter dem Namen „Performto-Win“ beschlossen, das in über 150 Teilprojekten in allen Bereichen des Konzerns Möglichkeiten zur Kostensenkung untersucht. Als Folge des Programms befürchtet ver.di den Verlust von 6000 Arbeitsplätzen, davon 4000 in Deutschland. Dabei hat der Vorstand – und dieses gleicht einem Tabubruch bei E.ON und in der Energiewirtschaft insgesamt – auch erstmalig die Möglichkeit von betriebsbedingten Kündigungen nicht ausgeschlossen. Bis zu 3000 weitere Beschäftigte sollen in neue Gesellschaften ausgegliedert oder deren Arbeitsgebiete an andere Dienstleister outgesourct werden. Dabei sollen nach den Vorstellungen von E.ON andere, schlechtere Tarifregelungen per Haustarifvertrag vereinbart werden können. Nach den Vorstellungen des E.ON-Vorstandes sollen diese dann auch mit einer beliebigen DGB-Gewerkschaft verhandelt werden können. Das heißt, unabhängig von der Anzahl der Mitglieder im Unternehmen würde sich der Arbeitgeber selbst die Gewerkschaft aussuchen, mit der er künftig diese Tarifverträge verhandelt. 5500 E.ON-Beschäftigte unterstützten mit Trillerpfeifen und lautstarkem Beifall die von den Kundgebungsrednern dargestellten Forderungen von ver.di und den Betriebsräten im Konzern. Sven Bergelin, ver.di-Konzernbetreuer für E.ON, warnte den Vorstand vor einer weiteren Eskalation des Etwa 5500 E.ON Beschäftigte demonstrierten für den Erhalt ihrer Jobs. Konfliktes: Nach seinen Worten ist es „schlicht unverschämt, wenn ein Vorstand, der selbst Millionengehälter bekommt, jetzt die Wirtschaftskrise und die damit verbundenen Ängste der Menschen um ihre Arbeitsplätze und damit nun ihre Existenzgrundlage nutzt, um seine Ziele zur Gewinnmaximimierung durchzusetzen“. ver.di werde es nicht zulassen, dass in diesem Konzern Kündigungen möglich und Tarifverträge massenhaft unterlaufen würden: „Wir fordern eine andere Unternehmenspolitik bei E.ON, die nachhaltig der sozialen Verantwortung des Konzerns gerecht wird, die Arbeits- plätze und Ausbildung sichert, die Betriebsräte und ver.di als Partner akzeptiert und den Menschen eine Zukunftsperspektive gibt! Wir sind one E.ON – und wollen es auch bleiben!“ Weitere Redner auf der Kundgebung waren die Konzernbetriebsratsvorsitzenden Hans Prüfer, E.ON AG, KlausDieter Raschke, E.ON Energie AG, Werner Bartoschek, E.ON Ruhrgas, der Vorsitzende der Konzern Jugend- und Auszubildendenvertretung, Christian Hannika, der Gesamtbetriebsratsvorsitzende der E.ON IS (des IT-Dienstleisters von E.ON), Michael Mittmann, sowie der Gesamtbetriebsratsvorsit- FOTO: VER.DI zende von E.ON Bayern, Hans Wollitzer. Zusammen mit dem Konzernbetriebsrat versucht ver.di nun, die Forderungen zum Ausschluss von Kündigungen, zur Sicherung der Tarifverträge auch bei Ausgliederungen, zur Sicherung von Standorten und der Ausbildung in einem Eckpunktepapier zu bündeln und mit E.ON zu verhandeln. Sollte dieses nicht möglich sein, wird ver.di einen Tarifvertrag Sozialschutz zur Absicherung der E.ON-Beschäftigten einfordern. Damit wären dann auch Warnstreiks und Streiks nach der Sommerpause möglich. Einmalzahlungen? Nein Danke! Bsirske sieht Branchentarifvertrag als Chance für breite Solidarität ver.di-Vorsitzender Frank Bsirske bei Vertrauensleuten der BS/Energy-Gruppe in Braunschweig. FOTO: VER.DI Der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske hat mit Blick auf die bevorstehende Tarifrunde im Bereich des Tarifvertrages Versorgung (TV-V) Einmalzahlungen kritisiert: Einmalzahlungen seien der falsche Weg, „denn sie erhöhen die Gefahr einer Deflation“. Nach Bsirskes Worten wollen die Arbeitgeber bei der nächsten Tarifrunde möglichst große Entgeltbestandteile disponibel gestalten und am liebsten alle Forderungen über Einmalzahlungen begleichen. Bsirske war auf Einladung der Vertrauensleute der BS|Energy-Gruppe Anfang Mai nach Braunschweig gekommen, um mit dem Vorstand, dem Be- triebsrat und den Beschäftigten der BS|Energy-Gruppe zu diskutieren. Anlass des Treffens war ein offener Brief, in dem die Vertrauensleute der BS|Energy Gruppe die Erhöhung der Arbeitszeit kritisiert hatten, die in der Tarifrunde 2007/2008 vereinbart worden war. „Euer Brief fand Beachtung“, versicherte Frank Bsirske, „aber 100 Prozent der Tarifforderung sind nie erreichbar.“ Die Kolleginnen und Kollegen hätten sich gegen eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit stark gemacht. „Trotzdem haben wir uns in diesem Punkt nicht durchsetzen können.“ „Die aktuelle Wirtschaftslage ist ernst und nicht zu verharmlosen“, betonte auch Uwe Lagosky, Mitglied der Verhandlungskommission TV-V, „aber wegen der zurückliegenden Konzernergebnisse gibt es keinen Grund, bei gewerkschaftlichen Forderungen zurückhaltend zu sein.“ Für Bsirske bleibt ein Branchentarifvertrag eine große Chance, die Arbeitsbedingungen in der Energiebranche zu vereinheitlichen und eine breite Solidarisierung zu erreichen. Der Lohnunterscheid zwischen privaten und öffentlichen Energieversorgern beträgt nach Bsirskes Worten bis zu 30 Prozent. Die Arbeitgeber lehnen derzeit einen Branchentarifvertrag ab. Soziale Folgen in den Fokus Stadtwerke-Betriebsräte diskutieren über Veränderungsprozesse Das oftmals geforderte Dreieck der Energiepolitik aus Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit und Effizienz muss für ver.di zu einem Viereck werden. Der Bundesfachgruppenleiter Energie und Bergbau, Sven Bergelin, betonte vor den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Konferenz von Betriebs- und Personalräten aus Stadtwerken: „Wir müssen das Dreieck um die soziale Dimension erweitern.“ Etwa 140 Betriebs- und Personalräte aus Stadtwerken waren zur Konferenz der Bundesfachgruppe Energie und Bergbau für die Anwenderbetriebe des TV-V (Tarifvertrag Versorgungsbetriebe) nach Düsseldorf (11-12. Mai) gekommen. Im Zentrum der Tagung standen die Entwicklung der Branche, die Perspektiven und Veränderungsprozesse in den Stadtwerken und die Weiterentwicklung des TV-V. Zudem wurde über Outsourcing, Umstrukturierungen, Tarifbindung und Leiharbeit diskutiert. Nach Bergelins Worten bezahlten bisher immer die Beschäftigten der Ener- giewirtschaft für falsche energiepolitische Weichenstellungen die Zeche. Allein seit der Liberalisierung 1998 sind nach seinen Angaben in Deutschland etwa 80 000 Arbeitsplätze verloren gegangen: „ver.di muss daher die Interessen der Beschäftigten und die sozialen Folgen der Energiepolitik verstärkt in die energiepolitische Debatte einbringen.“ Dabei stehe für ver.di fest: Auch um die politischen Ziele der C02-Minderung bis 2020 erreichen zu können, müssen neue Kohlekraftwerke gebaut werden. Die aktuelle Situation der Energiewirtschaft ist von den Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise gekennzeichnet, und der Wettbewerb verschärft sich. Ferner lässt die europäische und deutsche Energiepolitik die Unternehmen in vielerlei Hinsicht im Ungewissen. Die Unternehmen und Stadtwerke reagieren darauf mit immer schnelleren Veränderungsprozessen und Umstrukturierungen. Dabei nehmen die Auseinandersetzungen mit den Arbeitgebern zu: Es geht darum, Arbeitsplätze abzusichern, Kündigungen auszuschließen sowie dafür zu sorgen, dass für die Beschäftigten, die von Qutsourcing betroffen sind, die Tarifverträge weiter gelten. Dabei nimmt auch die Leiharbeit in der Energiewirtschaft eine immer größere Rolle ein. Nach einer Umfrage der Fachgruppe im Herbst 2008 liegt die Gesamtquote des Einsatzes von Leiharbeit in den Unternehmen bei etwa fünf Prozent. Allerdings gibt es einige Bereiche mit bis zu 45 Prozent Leiharbeitern. Die Bundesfachgruppe fordert daher die Einführung von „Equal Pay“ (Gleiche Bezahlung). Damit Leiharbeit nicht mehr dazu missbraucht werden kann, Personalkosten zu senken. Reinhard Klopfleisch, Referatsleiter für Ver- und Entsorgungspolitik in der ver.di-Bundesverwaltung, ging auf die Entwicklungen bei der Anreizregulierung und die Positionen der Bundesnetzagentur (BNA) ein. Seiner Ansicht nach kann die Netzagentur angesichts Betriebs- und Personalräte trafen sich in Düsseldorf. der Vorgaben des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) ihre Position bei den Personalnebenkosten nicht aufrechterhalten. Die Netzagentur weigert sich bisher, ab 2013 die Personalnebenkosten für Beschäftigte als nicht beeinflussbare Kosten im Sinne der Anreizregulierungsverordnung anzuerkennen, wenn die Beschäftigten über Dienstleistungsverträge für den Netzbetrieb arbeiten. Franz Josef Düwell, Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgereicht (BAG), stellte die jüngste BAG-Rechtsprechung zu den Themenfeldern Outsourcing, Be- FOTO: VER.DI triebsübergang und Leiharbeit vor. Er verdeutlichte dabei die strengen Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts, insbesondere bei der Gewährleistung des Widerspruchsrechtes der Beschäftigten bei Betriebsübergängen (Paragraf 613 a BGB). Zudem diskutierten die Betriebsund Personalräte die Weiterentwicklung der tarifvertraglichen Regelungen in der Energiewirtschaft und die Perspektive eines einheitlichen Branchentarifvertrages. Dabei wurde die weitere, eigenständige Entwicklung des TV-V gegenüber dem Tarifrecht des öffentlichen Dienstes, dem TVöD, gefordert. FACHBEREICH VER- UND ENTSORGUNG 02 • 2009 WASSER/ABFALL 5 Damit Nachtschicht erträglicher wird FOTO: PRIVAT Moderne Schichtpläne können Belastungen von Wechselschichtarbeit vermindern Moderne Schichtpläne machen Schichtarbeit erträglicher. Statt fünf oder gar sieben Nachtschichten hintereinander setzen sie auf einen schnelleren Wechsel. Wer das neue System ausprobiert, will nicht wieder zurück, betonen Mitarbeiter der Wasserwerke Westfalen. Das Team hat auf moderne Schichtpläne umgestellt. Auch jene, die anfangs skeptisch waren, sind inzwischen vom neuen System überzeugt. Wenn Roberto Bernardinello an die Jahre mit den alten Schichtplänen denkt, fällt ihm immer nur eines ein: „Ich war dauernd müde.“ Wer Nachtschicht hatte, musste sieben Tage hintereinander ran. Vor allem die ersten Nächte waren schlimm: „Weil ich wusste, wie viele Nächte ich dann vor mir hatte.“ Bernardinello war oft gereizt und ihn plagte Migräne, er konnte schlecht schlafen und hatte Magen-DarmBeschwerden. Gründe genug, über bessere Schichtpläne zu grübeln. Dabei wurde ihm aber auch eines bewusst: Nicht nur er konnte sich nur schlecht mit der Nachtarbeit anfreunden. Doch sie gehört nun mal mit dazu. Der Maschinenbautechniker arbeitet bei den Wasserwerken Westfalen. Hier überwacht er in der Zentralen Leitstelle die Trinkwasserversorgung durch insgesamt acht Wasserwerke in der Region rund um Dortmund. Und ganz klar: Auch nachts muss die Wasserversorgung kontrolliert werden. Aber muss es bei diesen Schichtplänen bleiben?, fragt er sich. Inzwischen weiß er: Nein, muss es nicht. Bernardinello hat in anderen Be- trieben nachgefragt, in denen ebenfalls nachts gearbeitet werden muss. „Es gibt die unterschiedlichsten Modelle“, lautet die Erkenntnis. Aber immer noch fahren viele Betriebe die traditionellen Schichten fünf bis sieben Nächte in Folge. Dabei sind sich Wissenschaftler inzwischen einig: Fünf oder gar sieben Nachschichten hintereinander können sie nicht gutheißen. Niemand gewöhnt sich an Nachtarbeit Dennoch gibt es nach wie vor Firmen, in denen weiterhin solche Schichtpläne aufgestellt werden. Weil die Kolleginnen und Kollegen dies angeblich so wollen; weil sie keine anderen Schichtmodelle kennen, weil sie ihre Freizeit auf diese Schichtmodelle geeicht haben. Dass viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch bekunden, sich so besser an die Nachtschichten „gewöhnen“ zu können, lässt Arbeitspsychologin Ulrike Hellert nicht gelten. „Niemand gewöhnt sich an die Arbeit in der Nacht“, ist sie sich sicher. Einfach, weil der Mensch kein Tipps für Schichtpläne Die Zahl der Schichtarbeiter steigt. In jedem zehnten deutschen Betrieb wird inzwischen in Schicht gearbeitet. Allein in Nordrhein-Westfalen stieg der Anteil der Nachtarbeiter zwischen 2000 und 2005 von 7,7 auf 8,6 Prozent der Beschäftigten. Viele von ihnen arbeiten fünf bis sieben Nächte in Folge. Von solchen Schichtplänen raten Experten inzwischen ab. Ihre Tipps für Schichtpläne lauten stattdessen: 1. Es sollten nicht mehr als drei Nachtschichten in Folge anfallen. 2. Einer Nachtschichtphase sollte eine Ruhepause von mindestens 24 Stunden folgen. 3. Die Schichtpläne sollten vorwärts rotieren, also Früh-, Spät-, Nachtschicht. 4. Schichtpläne sollten verlässlich und planbar sein. Individuelle Wünsche sollten bei der Schichtplangestaltung berücksichtigt werden. Mehr Informationen zu Schichtarbeit: www.zeitbueronrw.de Roberto Bernardinello Nachtarbeit ist in Leitstellen meist unumgänglich. Aber moderne Schichtpläne machen Nachtschichten erträglicher. FOTO: WASSERWERKE WESTFALEN Nachtwesen ist. Menschen wollen nachts schlafen, nicht tagsüber. Konzentration fällt in der Nacht schwer. Der Schlaf am Tag ist weniger lang und vor allem weniger erholsam. Roberto Bernardinello ahnte dies längst. Er suchte nach Möglichkeiten, die Nachtschichten erträglicher zu machen. Und er warb bei den Kollegen und seinem Vorgesetzten darum, neue Schichtpläne einzuführen. „Zuerst waren sie skeptisch“, erzählt der Maschinenbautechniker. Doch vor allem die Jüngeren wollten es zumindest mal probieren. Zusammen mit der Arbeitspsychologin und Arbeitszeitberaterin beim Zeitbüro Nordrhein-Westfalen Ulrike Hellert wird ein Schichtplan erarbeitet, der allen dreien gerecht wird – den Belangen des Unternehmens, den Wünschen der Schichtarbeiter und den arbeitsmedizinischen Erkenntnissen. Nun gibt es nie mehr als zwei Nachtschichten hintereinander. „Ein schnell rotierendes Schicht- system mit nur wenigen Tagen in der gleichen Schicht ist besser zu bewältigen als ein Schichtwechsel im Wochenrhythmus“, weiß Hellert. System hat viele Vorteile Seit 2001 gilt bei den Wasserwerken der neue Schichtplan. Keiner in Bernardinellos Team will mehr zurück zu dem alten System. Auch die beiden Kollegen nicht, die damals bei der Einführung die Nase rümpften, weil sie glaubten, sich an die langen Schichten gewöhnt zu haben. „Das neue System hat viele Vorteile“, weiß Bernardinello: Er sei längst nicht mehr so gereizt, sagt er. Auch die körperlichen Beschwerden seien weniger geworden. Das Team hat auch versucht, den Start der Schicht zu verschieben – statt um 6 Uhr sollte die Schicht um 7 Uhr beginnen. Der spätere Schichtbeginn sollte das Schlafdefizit der Kollegen reduzieren. Doch die Rechnung ging nicht auf. Weil einerseits die Frühschichtler mitten in die Hauptverkehrszeit kamen und von der Stunde mehr Schlaf nur träumen konnten. Und weil zwischen 6 und 7 Uhr die Arbeit noch mal richtig losgeht, Übergaben zum Beispiel, denn viele aus den anderen Abteilungen beginnen um 6 Uhr mit der Arbeit. Nach einer Nachtschicht kam dieser Arbeitsanfall kurz vor Feierabend nicht gut an. Nun gilt wieder der alte Schichtbeginn. Dennoch: Ganz optimal sind die Schichtpläne noch nicht, meint Bernardinello. Und er räumt ein: Wirklich optimal werden sie auch nie sein. Das heißt: es gibt immer was zu verändern, was anzupassen. Bernardinello informiert sich weiter und tüftelt weiter nach neuen Regelungen. Und er appelliert an all jene, die auch Nachtschicht arbeiten müssen: „Solche Pläne sind keine Naturereignisse“, sagt er: „Wir können sie verändern. Und das sollten wir auch tun, wenn es bessere JANA BENDER Lösungen gibt.“ „Ohne ver.di hätte ich keine Chance gehabt“ Vergleich im Rechtsstreit zwischen Petra Fischer und Sita Ost GmbH Fünf nach 12 Uhr war Schluss. Heraus kam ein Vergleich. Damit wurde am 5. Mai 2009 im Thüringer Landesarbeitsgericht in Erfurt das endgültige Ende eines jahrelangen Rechtsstreits zwischen Betriebsrätin Petra Fischer und der Firma Sita Kommunal Service Ost GmbH & Co. KG Niederlassung Neunhofen besiegelt. FOTO: STIEBITZ in die Archive gelegt werden. Auch der „Die fristlose Kündigung ist weg. Die VorVorsitzende Richter zeigte sich erleichwürfe sind weg. Es wird gezahlt für die ganze ‚Amtszeit’ von Mai 2006 bis 2011 tert, bemerkte lapidar: „Kein schlechinklusive Nachwirkungszeitraum plus eiter Vergleich.“ Als Gegenleistung für das großzügige Angebot forderte der Sitane vernünftige Abfindung. Was will man Rechtsvertreter Petra mehr?“ Hermann KeilFischer auf, sämtliche hauer, DGB-ProzessverBetriebsratsarbeit eintreter aus Erfurt, atmet tief zustellen, ihr Mandat durch und freut sich mit dafür zurückzugeben. seiner Mandantin über das Für einen kurzen Verhandlungsergebnis. Moment hielt die „Ich bin zufrieden, haehemalige Betriebsbe, was ich wollte“, äurätin inne, hat sie sich ßert Petra Fischer völlig doch seit ihrer Wahl entspannt. „Von mir ist ei2003 mit ganzer Kraft ne Zentnerlast gefallen, für die Interessen ihauch weil man mir glaubt, rer Kolleginnen und dass ich die Wahrheit geKollegen eingesetzt. sagt und mir nichts vorPetra Fischer Seit ihrer fristlosen zuwerfen habe.“ Mit dem Kündigung am 17. Vergleich wurde die BeMai 2006 war es aus damit. Es folgrufung von Arbeitgeberseite gegen die ten harte Zeiten. Entscheidung des Arbeitsgerichts GeNoch bis Mai 2011 zählt nunmehr die ra vom 14. März 2008 hinfällig. Dageschasste Sachbearbeiterin zum Simals hatte das Gericht entschieden, dass ta-Unternehmen, ohne dafür eine Ardie fristlose Kündigung von Petra Fischer beitsleistung erbringen zu müssen. Sumwegen falscher Betriebsratsanhörung ma summarum ergibt sich aus dem Verunwirksam sei. gleich, eine Summe von rund 350 000 Sechs Aktenordner, gefüllt mit einiEuro, in der auch der Arbeitgeberangen hundert Blatt Papier, können nun teil enthalten ist. Das ganze Dilemma um Petra Fischer, einschließlich Rücknahme der Kündigung und Vergleich hat sich Sita einiges kosten lassen. Der ursprüngliche Vorwurf, unberechtigt und ohne Einwilligung den Arbeitsvertrag eines Sita-Kollegen an den Mitteldeutschen Rundfunk gefaxt zu haben, landete am 5. Mai 2009 erst gar nicht auf dem Tisch der Richterriege. Wurde doch der betroffene Arbeitskollege schon im Oktober 2008 aufgrund der Zeugenaussage eines MDR-Journalisten der Lüge überführt und zu zehn Monaten auf Bewährung durch das Amtsgericht Gera verurteilt. Stattdessen monierte Geschäftsführerin Beate Ibis, dass auch die Sita Ost GmbH von der Wirtschaftskrise schwer getroffen sei, Umstrukturierungen fällig würden. Informationen beispielsweise darüber, welcher Lohn gezahlt werde, hätten Wettbewerbsnachteile zur Folge, argumentierte die ziemlich blass wirkende Managerin, um den nunmehr gescheiterten Rausschmiss ihrer Angestellten Petra Fischer noch einmal zu rechtfertigen. Akribisch schilderte der Vorsitzende Richter zu Beginn der Verhandlung, was sich im Streitfall Fischer – Sita abgespielt hat. Possengleich. Diesen Eindruck hatten auch 13 Betriebsräte aus Niedersachsen, die im Rahmen eines Seminars mit im Verhandlungssaal saßen. Dass die Preise „nirgendwo so transparent“ sind „wie Petra Fischer ließ sich nicht einschüchtern. Jetzt musste Sita Ost die Kündigung zurückziehen. FOTOS: STIEBITZ in der Abfallwirtschaft“, weiß auch Hannes Döhring. Der freigestellte Betriebsratsvorsitzende der SWE Stadtwirtschaft GmbH in Erfurt ließ einen wichtigen Termin sausen, um bis zur letzten Verhandlungsminute mit dabei zu sein. Als ver.di-Fachbereichsmitglied trat der 54-jährige mit dafür ein, Petra Fischer während des laufenden Verfahrens zu unterstützen. Nur ungern erinnert sich die Gewerkschafterin an die letzten Jahre im Betrieb. „Ich wurde gemobbt, schikaniert. Man hat versucht, mich zum Sündenbock abzustempeln.“ Vieles hätte der gelernten Chemielaborantin erspart bleiben können. Davon geht der DGB Rechtssekretär Hermann Keilhauer aus. „Betriebsräte sollten gemeinsam mit ihren Kollegen zusammenhalten, sich für eine gemein- same Sache stark machen. Und sich nicht auseinander dividieren lassen. So schnell findet kein Arbeitnehmer qualifizierten Ersatz auf dem Arbeitsmarkt.“ Stolz berichtet Petra Fischer, dass sie in ihrem Entsorgungsunternehmen, einem reinen Männerbetrieb, die meisten Stimmen bei der Betriebsratswahl 2003 erhalten habe. Sie wurde sogar in den Sita-Konzernbetriebsrat delegiert und war in der ver.di-Tarifkommission von Sita Deutschland aktiv. „Dort wollte der Arbeitgeber mich raushaben“, meint Petra Fischer kopfschüttelnd und blickt nach vorn. Endlich mal Urlaub machen, verreisen, Kurse besuchen, alles Schlechte, Nervenaufreibende hinter sich lassen. Petra Fischer ist sich sicher: „Ohne ver.di hätte ich keine Chance gehabt.“ RENATE STIEBITZ 6 WASSER/ENERGIE FACHBEREICH VER- UND ENTSORGUNG 02 • 2009 Abgeführt, verhört und abgeschoben Weltwasserforum macht Demonstranten zu Kriminellen Sie wussten eigentlich, was sie taten. Und warum sie es taten: Sie wollten auf die Risiken hinweisen, die mit dem Bau großer Staudämme verbunden sind. Es sollte eine kleine, aber effektive Demonstration werden. Doch dann sahen sie sich wie Kriminelle behandelt: Abgeführt, verhört, abgeschoben. Ann-Kathrin Schneider ist weder naiv noch notorisch provokativ. Und sie ist auf internationalem Parkett auch kein Greenhorn. Doch nie hätte sie damit gerechnet, dass sie für das Hochhalten eines Plakates und das Rufen eines Slogans 24 Stunden auf einer türkischen Polizeiwache verbringen muss, um dann schnellst möglichst außer Landes gebracht zu werden. Doch genau so war es im März dieses Jahres, als Ann-Kathrin Schneider und ihre amerikanische Kollegin Payal Parekh beim Wasserforum ihre kleine Demonstration inszenierten. Warum wurden die beiden Frauen so rüde behandelt? Warum wurde so unverhältnismäßig reagiert? „Die Verantwortlichen des Wasserforums wollten eine harmonische Veranstaltung“, meint Schneider, und waren offenbar fest entschlossen, jede Kritik im Keim zu ersticken. Schon eine kleine Demonstration erschien so als Bedrohung. Denn das Weltwasserforum setzt auf Staudämme – auch auf große. 2000 dieser Projekte sind derzeit weltweit geplant – viele davon in China, aber auch in Nepal, Laos und in der Türkei. Ann-Kathrin Schneider kennt diese Projekte. Denn sie ist bei der Nicht-Regierungsorganisation „International Rivers“ Referentin für Südasien. International Rivers ist nicht grundsätzlich gegen Staudämme. Kleinere Projekte könnten sehr wohl dazu beitragen, das Leben der Menschen in diesen Regionen zu erleichtern. Mammutvorhaben aber, ist sich Schneider sicher, haben weit größere Schäden denn Nutzen. Schäden sowohl für die Menschen der Region als auch für die Umwelt. Weil bei den großen Projekten massiv eingegriffen wird, weil Menschen umgesiedelt werden müssen, weil die Wassermenge der Flüsse verändert wird und dies erhebliche Folgen auf riesige Gebiete hat. Weil auch die Türkei einen solchen Riesen-Staudamm plant, kam ihr die Mini-Demonstration nicht zupass. Es geht um den Ilisu-Staudamm, der im Südosten Anatoliens an der Grenze zum Irak und zu Syrien entstehen soll, ein Staudamm am Fluss Tigris. Es wird ein riesiger Staudamm werden mit ebenso riesigen Folgen: Er wird eine Kleinstadt verschlingen, etwa 10 000 Menschen müssen umgesiedelt werden. Mit diesem Städtchen versinken auch Höhlen und Ruinen im Wasser, die von der reichen Geschichte des Städtchens erzählen. Doch das ist noch nicht alles: LINK Mehr Informationen über die Arbeit von International Rivers stehen unter: www.internationalrivers.org Ein Riesen-Staudamm verändert immer die gesamte Region – nicht nur den Ort, an dem er gebaut wird, sondern über den gesamten weiteren Verlauf des Flusses. Wird Wasser hier gestaut, fehlt es flussabwärts. Der Staudamm gräbt somit den Anrainerstaaten das Wasser ab. Kein Wunder, dass sowohl der Irak als auch Syrien den türkischen Plänen wenig abgewinnen können. Dass die Iraker nicht offiziell protestieren, ist allein der instabilen politischen Situation im Land geschuldet. Für die türkische Regierung ist der Staudamm ein wichtiges Infrastruk- turprojekt im unruhigen Ostanatolien. Infrastruktur bringt Arbeitsplätze und damit Wohlstand, wenn auch nur einen bescheidenen. Mit der Folge, dass die kurdische Arbeiterpartei PKK an Einfluss und Unterstützung in der Region verliert – mag Ann-Kathrin die türkische Regierung denken. Dass viele Staudamm-Kritiker bezweifeln, dass die wirtschaftliche und politische Rechnung aufgeht, kümmert die Regierung nicht. Denn in der Wasserpolitik war die türkische Regierung noch nie zimperlich. Auch nicht mit Demonstranten, die die türkische Politik kritisieren. Dass die beiden Frauen beim Weltwasserforum auf den Zuschauerrängen ein Plakat hochhielten, auf dem „No Risky Dams“, also „keine riskanten Staudämme“, stand, und dass sie den Wortlaut des Plakats skandierten, war schon zuviel. Zumal die Aktion der beiden Frauen einen Tag lang die türkischen Medien beherrschte – obwohl sie nur wenige Minuten dauerte. Die Frauen wurden von Sicherheitskräften aus dem Saal geführt, auf die Polizeistation von Istanbul gebracht und dort festgehalten. Von der Polizei bekamen sie nichts zu trinken, nichts zu essen, keine Decken, keine Schlafmöglichkeit, dafür ihre Pässe abgenommen. Allerdings durften sie ihre Handys behalten und so ihre Istanbuler Unterstützer informieren, die wiederum türkische Anwälte organisierten. Schneider protestierte gegen riskante Staudämme. Denn auf der Polizeistation taten plötzlich alle so, als könnten sie nicht mal ein paar Brocken Englisch verstehen. „Wir saßen im Verhörraum und mussten warten“, erzählt Schneider: „Wir wurden behandelt wie Kriminelle.“ Ihre Anwälte erklärten dann, was sich der Staat ausgedacht hatte: Entweder sie verließen sofort das Land oder sie warteten die Gerichtsverhandlung ab. Dann aber drohten ihnen eineinhalb Jahre Gefängnis. Weil sie gegen das Versammlungsrecht verstoßen hätten, weil ihre kleine Demonstration nicht angemeldet gewesen war. Angesichts dieser Alternative stimmten die beiden Frauen einer Ausreise zu und wurden von der Polizei – eben wie Schwerverbrecher – zum Flughafen gebracht und in die Maschine gesetzt. Freunde gingen ins Hotel und packten die Koffer der beiden. Schneider spricht von dem mulmigen Gefühl, das sie auf der Polizeiwache nicht losließ, vom Ausgeliefertsein – auch weil keiner mit ihnen sprach, sie zunächst nicht wussten, was man ihnen vorwarf, weil ihnen durch Nichtbeachtung vermittelt wurde: „Ihr habt FOTO: PRIVAT gar nichts zu wollen.“ Dass es den türkischen politischen Freunden auf der Polizeiwache noch schlechter ging, dass sie nicht mal Stühle bekamen, sondern stehen oder auf dem Boden sitzen mussten, relativiert ihre Eindrücke letztendlich nicht. Dass Ann-Kathrin Schneider nun erstmal zwei Jahre lang nicht mehr in die Türkei reisen darf, nimmt sie gelassen. Doch das mulmige Gefühl, die Gänsehaut ist hartnäckig. Es ist das, was bleibt – auch Wochen danach. Auch weil sie mit einer solch heftigen Reaktion auf ein bisschen Kritik nicht gerechnet hatte. Aufgeben werden die Kritiker der Riesen-Staudämme dennoch nicht. Sie wollen die StaudammLobby dazu bringen, die Standards der Weltstaudammkommission bei dem Bau von Staudämmen zu berücksichtigen, da nur so Lösungen gefunden werden können, bei denen die betroffenen Menschen ein Mitspracherecht haben und der Schutz der Umwelt Priorität hat. Übrigens: Das nächste Weltwasserforum, somit die Staudamm-Lobby, tagt in drei Jahren in SüdJANA BENDER afrika. Bremer Monopoly Beschäftigte fürchten um ihre Arbeitsplätze Der oldenburgische EWE-Konzern, fünftgrößter Energieversorger Deutschlands und bislang schon Minderheitsaktionär, soll künftig bei der swb AG (Stadtwerke Bremen) das Sagen haben. So will es der rot-grüne Senat der Stadt. Die Beschäftigten der Bremer Stadtwerke fürchten Arbeitsplatzabbau und fordern, dass EWE die Stadtwerke nicht vollständig schluckt und zumindest eine Sperrminorität an unabhängige Käufer geht. Die Beschäftigten der Stadtwerke Bielefeld, an denen swb zu 49 Prozent beteiligt ist, fordern den Rückkauf der swb-Anteile durch die Stadt. Für einen kurzen Moment schien es, als ob das Parlament der niederländischen Provinz Nordbrabant Energiegeschichte schreiben würde. Es hatte Anfang Mai 2009 den Verkauf der kommunalen Essent NV, des größten niederländischen Energieversorgers, an RWE abgelehnt. Damit hätte der Deal nicht mehr die nötige Zustimmung in den betroffenen Regionalparlamenten der Niederlande gehabt. Doch nur zwei Wochen später waren offenbar alle offenen Fragen gelöst. Das Parlament segnete in einer neuen Abstimmung das 9,3 Milliarden Euro schwere Geschäft ab. Damit ist der lang geplante Deal perfekt: RWE kauft Essent und erweitert sein Versorgungsgebiet über die Staatsgrenzen aus. Die Elefantenhochzeit lässt auch die Partnerbeziehungen der kleineren Tiere nicht unberührt. Essent muss, damit RWE den transnationalen MegaDeal beim deutschen Kartellamt genehmigt bekommt, im Gegenzug seine 51-Prozent-Beteiligung an der swb AG abgeben. Bremen hat für diesen Fall das Vorkaufsrecht. Rund 680 Millionen Euro soll die 51-ProzentMehrheit an den swb Wert sein – eine rentierliche Investition angesichts der Ertragslage des Konzerns. Doch für Bremen, das die Anteile zurückkaufen und damit die Entscheidung für den Totalverkauf der Stadtwerke von 1999 korrigieren könnte, ist die Summe zu hoch. Deshalb entschied der Senat Anfang April 2009, gemeinsam mit dem bisherigen Minderheitsaktionär EWE, dem benachbarten Oldenburger Regionalversorger für die Anteile zu bieten – mit der klaren Maßgabe, zumindest 25,9 Prozent direkt an die EWE weiterzureichen. Dann hätte EWE in Bremen mit 74,9 Prozent das Sagen. Nur die Sperrminorität von 25,1 Prozent bliebe zunächst in der Hand des Landes. Hierfür soll ein Käufer gefunden werden, der „strategisch zu den unternehmerischen Zielen der swb passt und diese ergänzt“, wie es im Senatsbeschluss heißt. Gelingt dies nicht, muss die EWE gemäß den Verträgen das komplette Anteilspaket übernehmen. Starker Partner gesucht Genau an diesem Eckpunkt der Verträge setzt die Kritik der swb-Beschäftigten an. Ihnen ist nur eines klar: Schon die Aufstockung von 49,0 auf 74,9 Prozent bedeutet faktisch die Übernahme der unternehmerischen Macht durch den direkten Nachbarn EWE darf die Stadtwerke nicht schlucken, fordern die Beschäftigten. EWE. Damit werden, allen mittelfristigen Vereinbarungen um Beschäftigungserhalt in Bremen zum Trotz, Synergien freigesetzt und langfristig Arbeitsplätze in Bremen gefährdet. Die swb-Beschäftigten hätten deshalb eine Rekommunalisierung befürwortet. Eine vollständige Eingliederung der swb in den EWE-Konzern aber gefährde über kurz oder lang die eigenständige Entwicklung des Unternehmens. „Wir werden unsere Zustimmung zu dem Vertragswerk so lange nicht geben“, sagt denn auch Uli Meyer, Betriebsratsvorsitzender des swb-Konzerns, „so lange nicht für die verbleibenden 25,1 Prozent ein starker, eigenständiger Partner gefunden ist“. Die Stadt Bremen sei in der Pflicht – bevorzugt im Bereich kommunaler Stadtwerke oder Stadtwerkeverbün- de – einen derartigen Partner zu finden. Doch bis heute erfolglos. Insider meinen, dies könnte angesichts der bereits feststehenden faktischen Dominanz der EWE und angesichts des hohen Kaufpreises auch zukünftig schwierig werden. Auswirkungen hat der Bremer Deal zudem auf die Stadtwerke im 150 Kilometer entfernten Bielefeld. Dort hält die swb eine Minderheitsbeteiligung von 49,9 Prozent (Mehrheit Stadt Bielefeld). Diese Beteiligung ist im 680Millionen-Angebot eingerechnet, obwohl die Stadt Bielefeld für den Fall, dass die Kontrolle über die swb sich ändert, ihrerseits ein Rückkaufrecht hat. Der Rat der Stadt Bielefeld hat am 14. April 2009 den Rückkauf, soweit wirtschaftlich darstellbar, beschlossen – und zwar einstimmig. Derzeit prüft FOTO: STADTWERKE BREMEN die Stadt den Wert der Beteiligung und ob sich die 320 000-Einwohner-Stadt bei dem Rückkauf nicht übernimmt. Für Wolfgang Gottschlich, den Bielefelder Betriebsratsvorsitzenden, ist die Sache schon klar: „Bielefeld muss die Anteile eins zu eins zurückkaufen, um die kommunale Eigenständigkeit zu erhalten und die Arbeitsplätze bei den Stadtwerken dauerhaft zu sichern.“ Natürlich rechne sich ein Rückkauf des prosperierenden Unternehmens auch für die Bielefelder Stadtkasse, weil jedes Jahr ordentlich Gewinne eingefahren werden. Die Beschäftigten in Bielefeld wissen ihre Interessen durchzusetzen: Sie haben bereits vor einigen Jahren den drohenden Verkauf der Mehrheit der Stadtwerke mit einem erfolgreichen Bürgerbegehren zu Fall gebracht. REINHARD KLOPFLEISCH FACHBEREICH VER- UND ENTSORGUNG 02 • 2009 A B FA L LW I R T S C H A F T 7 Gutes Geld für gute Arbeit Belegschaft von AWISTA Düsseldorf macht sich gegen Lohndumping stark Abspecken auf Kosten der Beschäftigten? Das kann nicht sein, sagen sich die Kolleginnen und Kollegen der AWISTA GmbH Düsseldorf und machen gegen die Lohndumping-Pläne des Unternehmens mobil. Mit Erfolg. Und sie stellen eindeutig klar: Die Belegschaft lässt sich nicht spalten. Damals hörte sich alles ganz vernünftig an. Als 1999 aus dem Eigenbetrieb Abfallwirtschaft eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung wurde. Zuerst mit RWE-Umwelt und nunmehr mit Remondis als Gesellschafter, hatten weder ver.di noch die Beschäftigten Einwände. Es klang vernünftig: Eine GmbH könne den Entwicklungen besser trotzen, indem sie schneller auf Begebenheiten reagiert als ein Eigenbetrieb, weil die verschiedenen Aktivitäten in der Düsseldorfer Abfallwirtschaft besser gebündelt werden. Ca. 1200 Beschäftigte zählte das Unternehmen damals. Der Betriebsrat, Vertrauensleute und ver.di begleiteten die Umwandlung des Eigenbetriebs in die GmbH konstruktiv und dennoch kritisch. Dazu schloss ver.di einen Überleitungstarifvertrag ab, der u.a. betriebsbedingte Kündigungen ausschließt. Zehn Jahre später weht ein anderer Wind. Um etwa 150 Beschäftigte, weiß Udo Vogtländer, der zuständige Gewerkschaftssekretär von ver.di Düsseldorf, ist die Belegschaft inzwischen geschrumpft, weil frei werdende Stel- BR/PR-Konferenz im Oktober in Bad Neuenahr Die nächste BR/PR-Konferenz Abfallwirtschaft ist für den 21./22. Oktober in Bad Neuenahr geplant. Details zur Konferenz und die Einladung werden rechtzeitig verschickt und können in Kürze auch von den Seiten www.abfall. verdi.de heruntergeladen werden. len nicht mehr besetzt werden. Stattdessen gründete AWISTA eine eigene Leiharbeitsfirma, die seither AWISTA im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung mit Arbeitskräften versorgt – zu prekären Bedingungen. Denn für diese Beschäftigen gilt der Tarifvertrag für Leiharbeitnehmer (IGZ), der mit 7,31 Euro Einstiegsentgelt pro Stunde ein deutlich niedrigeres Niveau hat als der Tarifvertrag öffentlicher Dienst (TVöD), der für die Stammbelegschaft gilt. Das Ziel: Das Unternehmen will sich schlank machen für die Zukunft. Und das hieß, so wenig Beschäftigte wie möglich in gesicherten Arbeitsverhältnissen. Doch das reichte den Verantwortlichen nicht. Ende vergangenen Jahres sickerten die neuen Pläne durch. Das Unternehmen wollte nicht nur fit sein, sondern noch fitter werden. Klar das Datum 2018 vor Augen, runzelten die Verantwortlichen die Stirn ob der geltenden Tarifverträge. Denn 2018 läuft der Entsorgungsvertrag mit der Stadt Düsseldorf aus. Damit das Untenehmen bei den Nachfolgeverträgen nicht den Kürzeren zieht, so die Argumentation der Geschäftsführung, müss- ten die Lohnkosten sinken. Und das bedeutet: Der Tarifvertrag öffentlicher Dienst (TVöD) samt den hier geltenden Regelungen zur Altersvorsorge sollte nicht mehr gelten. Stattdessen hatten die Verantwortlichen die Gründung einer Logistik-Tochter im Blick, und den Tarifvertrag für Speditionen. Neu eingestellte Beschäftigte sollten zur AWISTA Logistik GmbH gehören – mit deutlich geringeren Einkommen. Kein Lohndumping Während die Arbeitgeber von dahin schmelzenden Personalkosten träumten, waren die Beschäftigten alarmiert. „Wir haben keine Angst vor 2018“ – bekundeten sie gegenüber der Öffentlichkeit und gegenüber der Düsseldorfer Kommunalpolitik. Die Forderung: Kein Lohndumping bei AWISTA. „Wir sind aber keine Betonköp- fe“, betont Vogtländer. Und meint damit, dass ver.di und die Belegschaften Lösungen suchen, wenn es für die Unternehmen eng wird. Aber Lohndumping? Das geht nicht. Inzwischen sind diese Pläne auch wieder in den Schubladen verschwunden. Der Grund: Laut Satzung für den Aufsichtsrat der Stadtwerke Düsseldorf AG kann eine solche Tochter-Gesellschaft nur mit dem Segen des StadtwerkeAufsichtsrats erfolgen. Was aber haben die Stadtwerke mit AWISTA zu tun? Die Stadtwerke Düsseldorf AG als Mehrheitsgesellschafter ist mit 51 Prozent an dem Entsorgungsunternehmen AWISTA beteiligt. Der Aufsichtsrat der Stadtwerke setzt sich paritätisch zusammen: Zehn Vertreter stellen die Gesellschafter, weitere zehn die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – wobei alle zehn Vertreter der Beschäftigten in ver.di or- ganisiert sind. Und damit ist klar: Eine neue Gesellschaft kann nur mit dem Einverständnis der ver.di-Vertreterinnen und Vertreter im Aufsichtsrat gegründet werden. Seitens des Vorstandes der Stadtwerke wurde aufgrund der vielfältigen Aktionen gegen das beabsichtigte Lohndumping zugesagt, dass die Pläne der Gründung einer Speditionsgesellschaft erst dann im Aufsichtsrat der Stadtwerke behandelt werden, wenn es eine Einigung mit ver.di gibt. „Hungerlöhne kommen nicht in Frage“, betonte Vogtländer: Auch der AWISTA-Geschäftsführung müsste klar sein, dass gute Arbeits- und Einkommensbedingungen die besten Motivationsspritzen sind: „Für gute Arbeit muss es auch gutes Geld geben.“ Es habe sich wieder einmal gezeigt, „wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft hat bereits verloren“. JANA BENDER ENTSORGUNG Arbeitgeber wollen die Tariferhöhung streichen ver.di: Beschäftigte der Abfallwirtschaft haben Anspruch auf mehr Geld Die Arbeitgeber der Abfallwirtschaft wollen sich über Tarifverträge hinwegsetzen. Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE) kündigte an, die mit ver.di ausgehandelte Tariferhöhung von drei Prozent ab Mai nicht auszuzahlen. Tarifgespräche mit ver.di wartete er dabei nicht ab. ver.di kritisierte dieses Verhalten scharf: Es zeuge nicht von Seriosität, sich über Tarifverträge hinwegzusetzen. ver.di verweist ferner darauf, dass Michael Röttger, der neue Verhandlungsführer des BDE und Personalchef bei Veolia, zuvor schon versuchte, den Veolia-Beschäftigten die Tariferhöhung zu verweigern. Offenbar gehe Röttger nach dem Motto vor: „Was kümmert mich die Tariferhöhung von gestern?“ Nach dem Rasenmäherprinzip wolle der BDE allen Beschäftigten die Lohnerhöhung verweigern. Gleichgültig wie die einzelnen Firmen wirtschaftlich dastehen. Aber: „Allgemeiner Lohnverzicht ist keine Lösung“, so ver.di. Für ver.di gibt es nicht zu deuteln: Tarifverträge müssen eingehalten werden. Und deshalb müssen die Beschäftigten auch die vereinbarte Lohnerhöhung bekommen. Für Betriebe, die von der Insolvenz bedroht seien, müssten individuelle Lösungen gefunden werden. Übrigens: Als Personalchef von Veolia drohte Röttger bereits, aus dem BDE auszutreten, falls die Absenkung der Löhne von ver.di nicht akzeptiert werde. Bisher ist der Austritt aus dem Arbeitgeberverband noch nicht erfolgt. Doch selbst wenn Veolia aus dem BDE austreten würde, die Lohnerhöhung bleibt – weil der Tarifvertrag nachwirkt. Anspruch auf mehr Geld Was ist zu tun, wenn der Arbeitgeber die Tariferhöhung nicht auszahlt? Die Beschäftigen können sich beim Betriebsrat oder dem ver.di-Bezirk ein Tarifkärtchen holen, auf dem exakt aufgelistet ist, welcher Lohn bezahlt werden muss. Wurde nicht gezahlt, dann müssen die Beschäftigten die Tariferhöhung schriftlich geltend machen. ver.di-Mitglieder bekommen eine Muster-Geltendmachung in ihren ver.di-Bezirken. Zahlt der Arbeitgeber trotzdem nicht, wird der Lohn beim Arbeitsgericht eingeklagt. ver.di-Mitglieder haben An- KOMMENTAR FOTO: DIE HOFBERICHTERSTATTER Keine Absenkungstarifverträge mit ver.di Ellen Naumann Wenn es nach den Arbeitgebern in der privaten Abfallwirtschaft geht, dann verkommen Beschäftigungssicherungstarifverträge zu reinen Absenkungstarifverträgen, ohne dass tatsächlich eine Sicherung der Beschäftigten stattfindet. Die Arbeitgeber wollen auf Kosten der Beschäftigten immer billiger und billiger an Aufträge rankommen, und wenn es dann mit den Gewinnen doch nicht so läuft, wie sie es sich vorgestellt haben, dann werden Beschäftigte eben entlassen. Und dabei ist es den Arbeitgebern völlig egal, ob genau diese Kol- spruch auf Rechtsvertretung vor dem Arbeitsgericht. Deshalb: Rechtsschutz bei ver.di beantragen! Die Rechtsvertretung und die entstehenden Kosten werden für ver.di-Mitglieder übernommen. leginnen und Kollegen vorher mit einem Verzicht auf Lohn zur Sicherung des Unternehmens beigetragen haben. Geht es später wieder bergauf, dann wird nicht die Stammbelegschaft wieder erhöht, nein, dann werden billigere Leiharbeitnehmer eingestellt, um zukünftig noch mehr einzusparen. Dann schaut die alte Stammbelegschaft das zweite Mal in die Röhre. Noch mieser wird es, wenn Arbeitgeber meinen, sie könnten die Betriebsräte ihrer Unternehmen unter Druck setzen, indem sie ihnen Tarif- vertragsentwürfe für eine Beschäftigungssicherung vorlegen und offen drohen: Sollten die Betriebsräte nicht bei ver.di für eine Unterschrift sorgen, dann werde der Laden dicht gemacht. Die Vertragsentwürfe enthalten alles, von der Senkung des Stundenlohns über Verzicht auf Urlaub und Weihnachtsgeld bis hin zur völlig unsinnigen Arbeitszeiterhöhung. Abgesehen von der Überschrift im Vertragstext enthalten sie nur eines nicht – Beschäftigungssicherung nämlich. Dafür ist ver.di nicht zu haben. Das macht ver.di nicht mit. Wenn Beschäftigungssicherung drauf steht, muss auch Beschäftigungssicherung drin sein. Zur Sicherung von Beschäftigten bei insolvenzbedrohten Betrieben müssen individuelle Lösungen her. Doch das geht nur, wenn die Arbeitgeber vorher alle wirtschaftlichen Fakten auf den Tisch legen. Dann sind gute Lösungen im Sinne der Beschäftigten und des Unternehmens möglich. Beschäftigte dürfen sich von den Drohungen ihrer Arbeitgeber nicht Bange machen lassen. Je mehr Beschäftigte in der Gewerkschaft sind, desto stärker ist ver.di bei Auseinandersetzungen mit den Arbeitgebern. ELLEN NAUMANN 8 SERIE ENERGIEUNTERNEHMEN FACHBEREICH VER- UND ENTSORGUNG 02 • 2009 Mit dem Blick der Nachhaltigkeit Mainova versorgt rund eine Million Menschen mit Energie und Wasser Klima- und Umweltschutz stehen in der Geschäftspolitik der Frankfurter Mainova AG seit langem im Zentrum der Unternehmensentwicklung – mit innovativen Konzepten wird die Kraft-WärmeKopplung in eigenen Anlagen ausgebaut und werden die Erneuerbaren Energien in der Region erschlossen. „Bei uns steht nicht die kurzfristige Gewinnoptimierung, sondern nachhaltiges Wirtschaften im Vordergrund“, stellt auch Constantin H. Alsheimer, der neue Vorstandsvorsitzende, heraus. „Darin unterscheiden wir uns deutlich von anderen Wirtschaftsbranchen.“ Alsheimer ist stolz darauf, dass bei der und Gaspreissicherung neu bewertet Erzeugung einer Kilowattstunde Strom werden. Das führte zu einem deutbei der zu 75,2 Prozent im Besitz der lich niedrigeren operativen Ergebnis Stadtwerke Frankfurt am Main Holding von 90,8 Millionen Euro. Immerhin GmbH (alleiniger Eigner Stadt Frankerhielten die Stadtwerke Frankfurt am furt) befindlichen Mainova AG durchMain Holding GmbH für ihre Dreivierschnittlich nur 407 Gramm C02 ausgetelbeteiligung im Jahr 2008 eine nastoßen werden, im Bundesdurchschnitt hezu unveränderte Gewinnabführung dagegen 541 Gramm. Weitere Beispiele von 88,9 Millionen Euro – Basis zur für klimaFinanzierung freundliches von öffentliVerhalten: chen AufgaENERGIEKONZERNE Die bereits ben. A U F D E M P R Ü F S TA N D mehr als 300 Für 2009 Mainovaerwartet AlsErdgasfahrheimer weiter Vier Energiekonzerne bestimmen zeuge sind steigende Erneben den Stadtwerken die wichtiger träge. Denn Energielandschaft in Deutschland. Kristallisatider ungeREPORT stellt in dieser und in onspunkt für wöhnlich kalden folgenden Ausgaben die vier den Aufbau te Winter ließ Energiekonzerne vor und geht eines Erdden Gas- und auf die Rolle der Stadtwerke ein. gastankstelWärmeabsatz lennetzes in Anfang des der Region. Jahres nach Für den Bau von effizienten, sparsamen oben schnellen, gleichzeitig wurden und umweltfreundlichen Energieanlazahlreiche neue Kunden gewonnen. gen bei den Kunden aus Industrie, Wohnungswirtschaft und Kommunen hat Steigende Erträge die Mainova AG eine eigene Tochter geDem wird auch die schlechte Konjunktur gründet: die Mainova EnergieDienste. nichts anhaben können. „Die konRund eine Million Menschen vorjunkturelle Schwäche macht sich zwar wiegend im Rhein-Main-Gebiet werauch bei uns bemerkbar, insbesondeden derzeit von der Mainova AG mit re bei den Industriekunden“, so der Energie und Wasser versorgt – der Vorstandsvorsitzende. „Allerdings liegt Frankfurter Konzern gehört damit zu unser Hauptgeschäft im Privat- und Geden acht größten kommunalen Enerwerbekundensegment. Hier fällt der gieversorgern der Republik. Dabei Rückgang wesentlich geringer aus. Die macht die Mainova AG kräftigen Gekonjunkturell bedingten Absatzrückwinn – nicht trotz, sondern gerade wegänge sind durch die kühlere Wittegen ihres Umwelt- und Klimaschutzrung und neue Kunden mehr als ausengagements, meint der Vorstandsgeglichen worden.“ vorsitzende. In Zahlen: Die UmsatzerAlsheimer rechnet denn auch 2009 löse lagen 2008 mit 1,72 Milliarden mit einem besseren Ergebnis als 2008. Euro um 14,5 Prozent über dem VorUm die Risiken der Strombeschaffung jahr. Erdgas machte mit 46,2 Prozent zu begrenzen, soll der verkaufte Strom fast die Hälfte der Umsatzerlöse aus, künftig möglichst vollständig in eigefolgt von Strom mit 34,5 Prozent. genen Anlagen erzeugt werden. „LangWeil die Marktpreise für Gas Ende 2008 fristig planen wir einen Eigenerzeukräftig purzelten, mussten auch Figungsanteil von 100 Prozent“, unnanzinstrumente zur Strom-, Kohleterstreicht Technikvorstand Joachim Für 2009 erwartet Mainova weiter steigende Erträge. Zientek. „Dies wollen wir vor allem durch Projekte bei den erneuerbaren Energien, aber auch durch Beteiligungen an hocheffizienten Kraftwerken erreichen.“ Bereits Ende 2009 soll das hocheffiziente Gas- und Dampfturbinenkraftwerk im bayerischen Irsching in Betrieb gehen, an dem die Mainova einen Anteil von 15,6 Prozent hält. Sorge bereitet dem Mainova-Vorstand vor allem die Regulierung. Bei der Anreizregulierung wurden die Effizienzwerte für das Netzgebiet Frankfurt am Main für Strom und Gas auf jeweils rund 94 Prozent festgelegt, für das gleichfalls versorgte Gebiet Hanau und MainSpessart sogar auf weniger als 90 Prozent. Das bedeutet, dass in den nächsten Jahren insgesamt noch einmal eine Reduzierung der Netzentgelte im zweistelligen Millionenbereich zu verkraften sein wird. „Trotz der absehbaren Verbesserung der wirtschaftlichen Situation gegenüber den bisherigen Planungen wird die Anreizregulierung“, so der Geschäftsbericht 2008, „das Ergebnis des Mainova-Konzerns weiterhin maßgeblich beeinflussen und so auch auf Arbeitsplätze, Einkommen und Wertschöpfung in der Rhein-MainRegion ausstrahlen.“ Der Mainova-Betriebsratsvorsitzende Peter Arnold sieht allerdings keinen Spielraum mehr für weiteren Personalabbau. „Allein seit 2005 ist die Zahl der Beschäftigten noch einmal um rund 140 auf derzeit 2869 gefallen. Die Arbeitsintensität hat in allen Bereichen des Unternehmens extrem zugenommen. Damit ist jetzt die Belastungsgrenze für jeden einzelnen erreicht“, stellt Arnold fest. Er setzt auf eine Wachstumsstrategie des Unternehmens, um in Zukunft wieder mehr Beschäftigten eine Perspektive bieten zu können. Dem stimmt Arbeitsdirektor Lothar Herbst zu. Und verweist auf das vorbildliche Ausbildungsprogramm des Konzerns. „Die Zahl der bei Mainova beschäftigten Auszubildenden ist 2008 noch einmal auf jetzt 96 gestiegen“, sagt er. Die jungen Leute werden nach erfolgreichem Abschluss zunächst für ein Jahr übernommen. „Ziel ist es, diesen Mitarbeitern ein unbefristetes Arbeitsverhältnis anzubieten“, bekräftigt Herbst. Das ist bislang immer gelungen. Plattform für Projekte Die veränderten Rahmenbedingungen und ihre Auswirkungen auf die Beschäftigten belasten die Betriebskultur. „Deshalb haben Betriebsrat und Vorstand das Projekt „Unternehmenskultur“ ins Leben gerufen. In zahlreichen Workshops werden die Probleme diskutiert. Eine Chance für rasches Wachstum könnte sich in naher Zukunft ergeben. FOTOS (2) MAINOVA AG Mit 24,4 Prozent ist die Münchener Thüga AG an der Mainova AG beteiligt, derzeit eine hundertprozentige Tochter von E.ON. Die Thüga AG ist mit über 100 Minderheitsbeteiligungen an deutschen Stadtwerken die weitaus größte Gesellschaft dieser Art. Doch E.ON prüft den Verkauf der Thüga AG. Mainova hat sich deshalb gemeinsam mit der Nürnberger N-ERGIE AG und den Hannoveraner Stadtwerken (beide ebenfalls mehrheitlich kommunal und mit Minderheitsbeteiligungen der Thüga AG) zu einem Konsortium zusammengeschlossen, um ihrerseits rund 45 Prozent der Anteile an der Thüga AG von E.ON zu erwerben. Ein anderes Stadtwerke-Konsortium unter Führung der Freiburger Badenova AG ist an weiteren mindestens 20 Prozent der Thüga interessiert. Gelingt der Transfer, könnte die Thüga AG als mehrheitlich kommunales Unternehmen Plattform für gemeinsame Projekte werden, die den Finanzrahmen einzelner Stadtwerke derzeit noch sprengen. Bereits heute ist die Zusammenarbeit eng: Thüga, Mainova und N-ERGIE betreiben beispielsweise gemeinsam die Münchener Syneco GmbH und wickeln über diese Gesellschaft ihren Energieeinkauf ab, N-ERGIE und Stadtwerke Hannover haben Ende 2008 eine bundesweit tätige Vertriebsgesellschaft für Strom und Gas an Endkunden gegründet. Gemeinsam mit sieben anderen großen Stadtwerken rief Mainova kürzlich die 8KU Renewables GmbH ins Leben, um zukunftsträchtige überregionale Projekte in Erneuerbaren Energien auszukundschaften, an denen sich die Stadtwerke dann beteiligen können, beispielsweise Offshore-Windanlagen oder große Biomassekraftwerke. REINHARD KLOPFLEISCH MAINOVA AG INVESTIERT IN DIE ZUKUNFT Der Frankfurter Flughafen expandiert – und entsprechend nimmt auch der Energiebedarf stetig zu. Auch für Kälte. Die wird seit 1994 umweltfreundlich erzeugt, statt mit Strom in Kraft-Kälte-Kopplung. Und weil der Bedarf stetig zunimmt, ersetzt die Mainova AG derzeit die alten, seit 1994 betriebenen Absorptionskältemaschinen durch leistungsstärkere Turbokältemaschinen. Dadurch kann – ohne dass die Fläche des Betriebsgebäudes erweitert werden muss – die Kälteleistung auf den zukünftigen Bedarf von 65 Megawatt angepasst werden. Das Fernwärmenetz in Frankfurt wird ständig ausgebaut – und die Wärme vollständig in Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) erzeugt. Letzte ineffiziente Heizwerke ohne Stromauskoppelung verschwinden. Demnächst baut die Mainova AG beispielsweise eine sechs Ki- lometer lange Verbindungsleitung vom Müllheizkraftwerk Nordweststadt zum ehemaligen Heizwerk in der Lübecker Straße. Das kann dann stillgelegt werden, die Kunden werden zukünftig vom Müllheizkraftwerk beliefert. Allein diese Umstellung der Wärmeversorgung auf KWK spart jährlich über 20 000 Tonnen C02, und zusätzlich können neue Kunden auf dem derzeit entstehenden Universitätsgelände Campus Westend angeschlossen werden. Insgesamt gab die Mainova AG in den letzten drei Jahren 77 Millionen Euro für die Modernisierung der fünf KWK-Anlagen im Stadtgebiet aus. Derzeit werden bereits 38 Prozent der an Endkunden verkauften Strommengen aus KWK gewonnen. Zentrale Lage im Industriegebiet und gleichzeitig kurze Wege zu den Holzlieferanten – der Standort Fechenheim eignet sich geradezu ideal für den Bau eines Biomasse-Heizkraftwerks. Das fand auch die Mainova AG und nahm bereits auf dem Gelände der Allessa Chemie gemeinsam mit einem Partner aus der Holzentsorgungsbranche ein modernes, fast C0 2-neutrales BiomasseHeizkraftwerk in Betrieb. Es spart der Umwelt jährlich 70 000 Tonnen Kohlendioxid und hat mit zu der Auszeichnung „Climate Star 2004“ der Stadt Frankfurt und der Mainova beigetragen.