hinweise für benutzer der werkmappe „den

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hinweise für benutzer der werkmappe „den
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HINWEISE FÜR BENUTZER DER WERKMAPPE
„DEN AUFBRUCH GESTALTEN“
Die Werkmappe will den Weg zu einer Pastoralvereinbarung in den
Gemeindeverbünden bis zur Errichtung einer neuen Pfarrei und darüber hinaus
begleiten.
Die verschiedenen farbigen Seiten der Mappe zeigen die unterschiedlichen Inhalte
an, die es auf diesem Weg zu beachten gibt.
Am Anfang finden sich Anregungen, die helfen können, die Situation in den
Gemeindeverbünden anzuschauen, Stärken und Schwächen zu entdecken und
eine ehrliche Analyse vorzunehmen auf den weißen Seiten. Nach und nach folgen
weitere Inhalte.
Grundsätzliche Erwägungen, die bei der Entstehung der Pastoralvereinbarung zu
bedenken sind, finden sich auf den hellblauen Seiten.
Geistliche Anregungen und spirituelle Impulse sind auf den gelben Seiten
zusammengetragen.
Hilfen, die bei der Findung von Leitgedanken, Zielen und Schwerpunkten geeignet
sind, finden sich auf den cremefarbigen Seiten.
Andere Anregungen, die z.B. für die Umsetzung der Ziele und Schwerpunkte
sowie für die Ausgestaltung eines verbindlichen „Formulars“ bis hin zum Modell
einer formulierten Pastoralvereinbarung selbst bedeutsam sein können, werden zu
gegebener Zeit hinzugefügt werden.
Die unterschiedliche farbliche Gestaltung soll dazu dienen, die verschiedenen
Aspekte, die beim Entstehen einer Pastoralvereinbarung unverzichtbar sind,
wahrzunehmen und zu beachten.
1
WERKMAPPE
ZUR ENTWICKLUNG
EINER PASTORALVEREINBARUNG
GELEITWORT
Liebe haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pastoral,
das „Herzstück“ künftiger Gemeindeverbünde und Pfarreien ist die Pastoralvereinbarung.
Sie soll nicht überstürzt zwischen den Beteiligten getroffen werden. Dafür muss Zeit sein:
Zeit zu geistlicher Erneuerung und zur Nachdenklichkeit.
Zeit zur Rückschau und zur Reflexion.
Zeit, um neue Ziele zu entdecken.
Zeit, um Wege zu finden, die zu gesteckten Zielen führen.
Diese Werkmappe „Pastoralvereinbarung“, die wir vom Seelsorgeamt aus anbieten, stellt deshalb
nicht das Formular für eine Vereinbarung an den Anfang, sondern sie bietet zunächst
methodische und inhaltliche Schritte an, die zum „Herzstück“ führen.
Auch die formulierte Pastoralvereinbarung, die dem Bischof vor der Errichtung des
Gemeindeverbundes zur Pfarrei vorgelegt werden soll, ist kein „Endpunkt“.
Die Pastoralvereinbarung setzt sich Ziele und gibt Schwerpunkte an, die sich in der Praxis
entfalten. Regeln zur Überprüfung sind Bestandteil der Vereinbarung.
Im Leitbild des PZG heißt es:
„Wir wollen allen Menschen Anteil an der Hoffnung geben, die uns in Jesus
Christus geschenkt ist. Seine Botschaft verheißt den Menschen „das Leben in
Fülle“, auch dann, wenn die eigenen Möglichkeiten ausgeschöpft sind.“
Im Laufe des PZG-Prozesses ist die Überlegung gereift, dass wir als „Kirche mit einer Mission
einladend, offen und dialogbereit in die Zukunft gehen.“
•
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Die Christen sollen befähigt werden, authentisch von ihrem Glauben sprechen zu können.
Es soll sich eine Pastoral entwickeln, die sich Menschen zuwendet, die der Kirche fern
stehen.
Es gilt, die Feierkultur der Gottesdienst-Gemeinde zu intensivieren.
Das diakonische Engagement innerhalb des Gemeindeverbundes soll gestärkt werden.
Ökumenisches Miteinander soll sich auf allen Ebenen ereignen können.
Mit diesen Vorhaben im Herzen kann sich eine sinnvolle Pastoral entwickeln.
Für die konkrete Vereinbarung wird dann zur gegebenen Zeit ein modellhaftes Formular innerhalb
dieser Werkmappe angeboten.
Wir vom Seelsorgeamt möchten mit dieser Werkmappe keine fertige Handreichung herausgeben,
sondern durch unterschiedliche Anregungen die Schritte zu einer Pastoralvereinbarung begleiten.
Ich bin dankbar, dass sich Frauen und Männer aus der pastoralen Praxis gefunden haben, die an
der Entwicklung dieser Werkmappe mitarbeiten. Ich hoffe, dass unter zu Hilfenahme der einzelnen
Beiträge in den Gemeinden mit ihren verschiedenen Gruppen und Gremien eine pastorale
Vereinbarung wachsen kann.
Ulrich Lieb, Ordinariatsrat
Leiter der Hauptabteilung Pastoral
2
HINWEISE ZUM AUFBAU DER MAPPE
Die Werkmappe gliedert sich in zwei große Teile.
Der erste Teil, der vorliegt, steht unter der Überschrift:
Die Situation anschauen.
Hier geht es vor allem um drei Schritte:1
• Die „harten Fakten“ (Katholikenzahl, Personal-Finanzentwicklung, Anzahl der
Kinder etc.) im Gemeindeverbund.
• Geistliche Deutung dieser Situation. Aus dem Umgang mit der Trauer (bzw. der
Angst, Wut, Resignation etc.) kann sich der Blick weiten für die Chancen, die in
den Veränderungen liegen.
• Die einzelnen Gemeinden bringen ihr eigenes Profil und ihre Spezifika in den
Gemeindeverbund ein, um sich gegenseitig zu bereichern.
Der zweite Teil wird bei der Suche nach Zielen helfen und Anregungen zur Umsetzung in
die Praxis geben (Arbeitsblätter hierzu erscheinen ab Frühjahr 2006).
Wie ein roter Faden zieht sich das Anliegen geistlicher Erneuerung durch diese
Werkmappe.
Ganz besonders ist als „Begleitliteratur“ das Buch von Reinhard Körner zu empfehlen:
„Die Zeit ist reif“2.
Ein Modell, das als Vorlage für die Pastoralvereinbarung gelten kann, ist im Laufe des
Jahres zu erwarten.
1
Vgl. die Broschüre Den Aufbruch gestalten. Erste Schritte: Auf dem Weg zu neuen Pfarreien im Bistum
Magdeburg, S. 17.
2
R. Körner, Die Zeit ist reif. Fünf Schritte zu einem neuen Christsein, Leipzig: Benno-Verlag 2005.
3
INHALTSVERZEICHNIS
Geleitwort
OR Ulrich Lieb
1
Hinweise zum Aufbau der Mappe
2
Analyse der Situation unserer Gemeinden und des Gemeindeverbundes
Magnus Koschig
4
Trauerbaum, Hoffnungsbaum
Peter Brause
6
Schatzsuche
Beate Heutger
12
Texte zum Kyrie
Magnus Koschig
13
Einen Psalm gestalten
Ansgar Schmidt CMF
15
„Wasser aus dem Felsen“. Gemeindeverbünde: Befürchtungen und Chancen.
Bibelarbeit
Annette Schleinzer
17
Arbeiten mit einem Polaritätenprofil
Magnus Koschig
20
Urgemeinde – Gemeinde heute
Arbeitsblätter
Ansgar Schmidt CMF
22
Weitere Anregungen
Ermutigungen aus dem Zweiten Vatikanischen Konzil
Impulse aus der Begegnung mit Madeleine Delbrêl
26
28
4
ANALYSE DER SITUATION UNSERER GEMEINDEN
UND DES GEMEINDEVERBUNDES
Den Mut, Veränderungen anzupacken wird nur der aufbringen, der den momentanen
Zustand für nicht mehr hinnehmbar hält. Daher ist es eine wichtige Voraussetzung für die
anstehenden Veränderungsprozesse, die kirchliche und gesellschaftliche Situation
wahrzunehmen und die Zeichen der Zeit zu verstehen. Die Tabellen laden Sie ein, an Hand
der jährlichen Statistik die gegenwärtige Situation der Gemeinden des Gemeindeverbundes
wahrzunehmen.
Wenn sich die Gemeinden noch nicht mit den harten Fakten ihrer Situation auseinandergesetzt haben, empfiehlt es sich, nach einheitlichen Kriterien die Situation der letzten Jahre
zu betrachten. Die folgende Tabelle ist zunächst von den Einzelgemeinden auszufüllen.
Dann folgt die Zusammenstellung im Gemeindeverbund.
Ziel ist es nicht, Konkurrenzsituationen aufzubauen, sondern gemeinsam auf Chancen und
Risiken zu schauen. Deshalb sollten bei jeder Auseinandersetzung mit den Zahlen folgende
Fragen eine wichtige Rolle spielen:
-
Was nehmen wir wahr?
Was sagen uns die Zahlen über die Herausforderungen vor denen wir stehen?
Welche Ressourcen und welchen Schwachstellen haben wir?
Welche Fragen ergeben sich für uns, wenn wir diese Zahlen im Licht des Glaubens
betrachten?
Was würde Jesus uns sagen, wenn er mit uns auf diese Zahlen blickt? Was würde er
an unserer Stelle tun?
In einem zweiten Schritt empfiehlt es sich, Eckpunkte unserer gesellschaftlichen Situation
wahrzunehmen:
Vor welchen Herausforderungen stehen die Gemeinden angesichts der gesellschaftlichen
Veränderungen?
Welche Ermutigungen erfahren wir?
An welchen Stellen sind Menschen ansprechbar für die christliche Botschaft?
Wo arbeiten wir mit anderen christlichen Gemeinden zusammen, um auf die Fragen
unserer Zeit adäquate Antworten zu finden?
5
Gemeinde/
Gemeindeverbund
2001
2002
2003
2004
Katholikenzahl
GD-Besucher1
Taufen
Erstkommunionen
Trauungen
Bestattungen
Austritte
Eintritte
Wiederaufnahmen
Σ Kollekten2
Σ Einnahmen3
1
Durchschnitt aus den Zahlen vom Frühjahr und vom Herbst
2
Summe der Kollekten, die in der Gemeinde verbleiben
3
Summe aus den Spenden und den Einnahmen der
nicht Kirchensteuerpflichtigen
Pfr. Magnus Koschig, Halle Hl. Kreuz
Tel. 0345 / 202 15 29
[email protected]
6
TRAUERBAUM, HOFFNUNGSBAUM3
1. Vorbemerkung
Jedes Mal, wenn ich Kummer habe,
Lied: Eine Hand voll Erde
gehe ich an einen Ort,
wo mein Trauerbaum steht.
Wenn ich dorthin gehe,
fühle ich mich wie dieser Baum.
Seine Äste sind gebrochen
wie mein Selbstvertrauen.
Sein Leben ist gestorben
wie mein Glück.
Er steht ganz einsam umher,
2. Auf der Erde kannst Du stehen,
stehen, weil der Grund dich hält.
Und so bietet Dir die Erde
einen Standpunkt in der Welt.
In die Erde kannst Du pflanzen
pflanzen einen Hoffnungsbaum
und er schenkt Dir viele Jahre
einen bunten Blütentraum.
genauso wie ich.
Der Trauerbaum ist mein bester Freund,
er versteht meine Gefühle.
Nur Trauerbäume weinen nicht,
so wie ich – manchmal!4
REF: |:| Eine Hand voll Erde
schau sie Dir an.
Gott sprach einst: Es werde.
Denke daran. |:|5
M. Heusinger
Mit diesen beiden Texten, in wenigen Minuten aus dem Internet recherchiert, könnte die
methodische Einheit „Trauerbaum, Hoffnungsbaum“ als ein Vorbereitungsschritt zu einer
Pastoralvereinbarung eigentlich sogleich abgeschlossen werden.
3
Der römische Dichter Ovid erzählt von dem Knaben Kyparissos, der den heiligen Hirsch der Nymphen zu
reiten vermochte. Doch eines Tages traf er den Hirsch bei der Jagd mit einem Speer und der heilige Hirsch
starb. Darüber war der Knabe so untröstlich, dass er beschloss, selbst zu sterben, da er in seinem Leben
keinen Sinn mehr zu erkennen vermochte. Der Gott Apollo, der den Knaben liebte, verwandelte ihn in eine
Zypresse, denn der Knabe wollte auf ewig trauern.
Im Gegensatz dazu symbolisiert die immergrüne Zypresse auch die Hoffnung auf die Unsterblichkeit,
weshalb sie häufig in und bei Friedhöfen im mediterranen Raum angepflanzt wird.
4
Die Schülerinnen und Schüler der Klassenstufe 8 H-Bereich – der Erweiterten Realschule Wellesweiler – setzten sich
im Religionsunterricht mit dem Thema: „Einsamkeit ist schön!?“ auseinander. Quelle: http://www.esheftche.de/ausgabe035/erw/trauerbaueme.html (28/09/2005)
5
Text R. Bäcker, Musik: Detlev Jocker. Aus: „Heut’ ist ein Tag, an dem ich singen kann“, MenschenkinderMusikverlag, Münster.
7
Wer diese beiden Texte versteht, findet in seinem Kopf und in seinem Herzen mit
Sicherheit geeignete methodische Wege zur Umsetzung des Teilschrittes „Chancen und
Befürchtungen“ für die Arbeit in den Gemeinden.
Insofern wollen die folgenden Überlegungen als Anregung verstanden werden, in der je
eigenen Situation der Gemeinden einen Weg der Umsetzung zu finden.
2. Anmerkungen zum Gegenstand
Der Blick auf die veränderten und die sich verändernden Realitäten im Bistum Magdeburg
ist zunächst rein kognitiv. Viele Menschen erkennen und verstehen Realitäten und sind in
der Lage, sachlich die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Ihr Herz aber lässt sich
nicht mit Bestandsaufnahmen und Argumenten überzeugen. Das Herz „arbeitet“ langsamer
als der Verstand; es kann sich oft nicht einfach abfinden. Es verlangt nach eigenen Wegen
der Verarbeitung.
3. Adressaten
Die Methode des Trauerbaums/Hoffnungsbaums eignet sich im Prinzip für jede
Gemeindegruppe ab dem Jugendalter – sofern der Blick auf die Realitäten bereits erfolgt
ist.
4. Ziele
4.1 Vertieftes Wahrnehmen der Gegebenheiten
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden angeregt, Ängste und Sorgen in Hinblick auf
die Veränderungen des Gemeindelebens zu formulieren. Sie schreiben beispielsweise:
„Wut/Sorge um weite Wege.“ oder „Was wird aus unserem traditionellen Gemeindefest?“
4.2 Ermutigung durch den Blick auf die Chancen
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden ermutigt, ihre Hoffnungen mit Blick auf die
entstehenden Gemeindeverbünde zu reflektieren. Sie formulieren z. B.: „Eine größere
Gottesdienstgemeinde motiviert mich.“ oder: „Ob ich Menschen meines Alters in der
größeren Gruppe der Gemeindeverbünde kennen lerne?“
4.3 Austausch über Trauer und Hoffnung
Die Glieder der Gemeinde werden befähigt, in ihrer je persönlichen Situation und
Selbstwahrnehmung, in Austausch untereinander zu treten. Gemeindemitglieder schreiben
Ängste und Visionen auf Moderationskarten, die von anderen Gemeindemitgliedern
gelesen werden.
4.4 Trauer und Hoffnung vor Gott bringen
Gemeindemitglieder werden in die Lage versetzt, die Gestaltung der Gemeindeverbünde
nicht als „rein weltlichen“ Prozess zu verstehen, sondern diesen auch als Auftrag für eine
lebendige Gemeinde vor Gott zu verstehen. Die Ergebnisse der Methode werden in
unterschiedlicher Weise in Gottesdienste einbezogen.
5. Methodische Entscheidungen
Der oder die Vorbereitenden entscheiden sich zunächst für eine Gruppe, die am
Trauerbaum, später am Hoffnungsbaum, arbeitet. Diese Gruppe sollte eine Vorstellung von
den „harten Fakten“ der bisherigen Singulärgemeinde haben. Die Teilnehmerinnen und
8
Teilnehmer erhalten nach einem Impuls sog. Moderationskarten (z. B. Halbkarton in einer
Farbe mit einem Format zwischen DIN-A6 und DIN-A5) und Stifte. Der Arbeitsauftrag
lautet: „Schreiben Sie in Stichworten je eine Befürchtung, einen Anlass für Trauer,
Resignation oder Wut in Hinblick auf das Entstehen unseres Gemeindeverbundes auf eine
Karte auf!“
Diese Karten werden von den Teilnehmenden selbstständig an einem Trauerbaum
angebracht.
Variation 1: Vorbereitete Stellwände mit einem großen Plakat, dessen Form die Silhouette
eines Baumes hat. Nadeln
Variation 2: Ein echter Baum, z.B. eine junge Birke. Die Anbringung erfolgt mit Fäden,
die durch die dann gelochten Karten gezogen werden, an den Zweigen.
Je nach Gruppe können die Stichworte auf den Karten von einem Moderator oder einer
Moderatorin vorgelesen werden oder die Teilnehmenden erhalten eine Lesepause, in der
sie eigenständig die Stichpunkte lesen.
Fakultativ können die Gruppenmitglieder aufgefordert werden zu erzählen, was sie
aufgeschrieben haben und warum sie dieser Punkt bewegt. Möglichkeiten der Rückfrage,
allerdings nicht der Diskussion(!), können bei Bedarf eröffnet werden.
Diese erste Teileinheit wird mit einem frei gesprochenen Gebet abgeschlossen.
Es ist denkbar, die Methode parallel in verschiedenen Gemeindegruppen einzusetzen:
Arbeitsgemeinschaft der Kirchenvorstände, Gemeindeverbundsräte, Ministrantengruppen,
Familienkreise, Liturgiekreise, Seniorengruppen – ggf. sogar die Gottesdienstgemeinde –
einzusetzen und so einen immer weiter ergänzten Baum zu erhalten.
Im Anschluss, je nach Situation vor Ort auch beim nächsten Treffen, entsteht in gleicher
Weise ein Hoffnungsbaum. Dabei sollten andersfarbige Karten verwandt werden. Der
Arbeitsauftrag lautet: „Welche Chancen sehen Sie im Entstehen unseres
Gemeindeverbunds?“
Wichtig ist, dass die entstehenden Bäume kirchenöffentlich zugänglich sind. Sie sind in der
Entstehungsphase z.B. im Gemeindehaus für die Gruppen zugänglich und werden dann in
die Kirche gebracht.
Um auch in dieser Phase weitere Ergänzungen zu ermöglichen, werden weitere
vorbereitete Kärtchen, Stifte und Befestigungsmaterial auch in der Kirche in Nähe der
Bäume oder Stellwände zur Verfügung gestellt.
Die Ergebnisse dieser Einheit werden
Fragestellungen hierzu könnten sein:
gesichert
und
ausgewertet.
Hilfreiche
9
a) Welche Rückschlüsse auf unser bisheriges Gemeindeprofil ergeben sich aus den
formulierten Ängsten und Hoffnungen?
b) Welche Punkte werden genannt, die bei der Vorbereitung des konkreten
Gemeindeverbunds noch nicht ausreichend Beachtung gefunden haben?
Ein Vergleich der Ergebnisse aus den bisherigen Singulärgemeinden bringt weitere
Aufschlüsse.
Es ist ratsam, die Ergebnisse so zu sichern, dass ein Rückgriff darauf zu einem späteren
Zeitpunkt möglich ist.
Die so dokumentierten Ängste und Hoffnungen werden im Gottesdienst aufgegriffen.
Besonders eignen sich hier Umsetzungen im Kyrie und in den Fürbitten. Auch das
Formulieren von Trauer-Psalmen, Dank-Psalmen, Hoffnungs-Psalmen ist möglich.6
6. Medien (Auswahl)
Ginkgo
Bei der Explosion der Atombombe August 1945
in Hiroshima und Nagasaki kamen etwa
300.000 Menschen zu Tode. Auch die Tier und
Pflanzenwelt schien durch Feuer und Strahlung
völlig vernichtet. Aber im Frühling 1946 sproß
aus einem schwarz verkohlten Stamm in
Hiroshima frisches Grün hervor. Und heute
steht dort ein stattlicher Baum, von den
Japanern gepflegt und verehrt als Zeichen der
Hoffnung im Inferno.
- Mk 4, 30-32: Gleichnis vom Senfkorn
- Lk 13, 6-9: Gleichnis vom Feigenbaum
- Röm 5,1-11: Die Hoffnung der Glaubenden
Welche außerordentliche Pflanze hatte der
Zerstörung getrotzt? Es war ein Ginkgo biloba,
ein "Fächerblattbaum", chin. "Goldfruchtbaum",
engl. "maiden hair tree", dän. "Tempeltræ" wohl
der älteste Baum auf Erden. Seine Ursprünge
reichen 250 Millionen Jahre zurück. Nahe
Verwandte der heutigen Art wuchsen im Tertiär
wie Fossilienfunde beweisen auf der ganzen
nördlichen Halbkugel, von Italien bis Grönland
ebenso wie im fernen Ostasien. Aber nur dort
haben sie als eine Art lebendes Fossil
7
überdauert.
6
Da Gemeindegruppen aktiv an der Entstehung des Trauer- und des Hoffnungsbaums teilgenommen haben,
bietet sich hier eine gute Basis, mit ihnen zusammen liturgische Texte zu formulieren.
7
Quelle: http://www.as.citynetz.com/ausgaben/html/as46/text/001-99r.html (28/09/05).
10
Gedicht einer
erkrankten Frau:
an
Multiplen
Sklerose
Der Baum der Hoffnung!
So klein und zart sind deine Äste,
so klein und zart die Hoffnung war.
Du stehst allein die Wurzel feste,
du wächst ganz langsam in dem Jahr.
Ich hoffe nur, man lässt dich stehen,
vielleicht, die Nadel sind so zart.
Der Winter kommt und wird sie quälen,
Der Sturm macht dich dann nur noch hart.
Doch kommt der Frühling und die Sonne,
du reckst dich weiter in die Höhe.
Die Hoffnung klein doch eine Wonne,
ein zarter Hauch nur, wie eine Böe.
Du solltest leben, solltest wachsen,
das war unser beider Traum.
Für unsere Zukunft sollst du wachsen,
für dich du wirst ein großer Baum.
Der Hoffnungsbaum wird uns zeigen,
es war doch nichts umsonst geschehen.
Wohin auch immer unsere Wege leiten,
der Hoffnung werden wir entgegengehen.
Der Traum von Zukunft musste weichen,
die Hoffnung aber immer bleibt.
Das Bäumchen soll uns stets begleiten,
8
im Traum in unserer schönsten Zeit.
Der Baum der Hoffnung
Irgendwo zwischen dem Leben und Tod
fand ich dich als ein winzig aufgehender Keim,
mit bloßen Händen grub ich, nach Atem
ringend,
tief und tief in die Erde hinein
und setzte ich dich mit deinen Wurzeln ein.
Dem toten Leib haucht man keine Seele ein,
sagten sie, verbrauch nicht deine Zeit umsonst
damit.
Niemals gab ich die Hoffnung auf,
doch dafür hielt man mich für einen Narr.
Du wirst blühen und gedeihen, sagte ich zu mir
Die Tage und Nächte verbrachte ich bei dir,
Stolz, dem Tode entgegen wuchst du auf,
So gewann ich deinen Stolz tief in mein Herz
hinein.
Es flogen Tage und Wochen, vielleicht ein
ganzes Leben,
bis an einem Frühlingsmorgen die Erde leicht
bebte;
es könnten ja auch nur deine Wurzelwellen
sein.
Deine Wurzeln krochen tief in die Erde hinein,
so stehst du heute aufrecht zum Himmel.
Wer weiß, welche Träume du damals hattest,
als ich dich durstig fand, im Kelch meiner
Hände.
Ohne Unterschiede wirst du den Menschen
Früchte tragen,
Falter und Insekten werden dich umkreisen
und im Geäst werden die Vöglein in den
Nestern piepsen.
Du und ich, gemeinsam erlebten wir die Zeiten
voller Regengüsse und Schneeflocken, heftige
Erdbeben,
so standen wir, immer auf den Beinen in Freud
und Leid,
wie zwei Verliebte Hand in Hand.
Ich war du und du warst ich,
so fand ich bei dir frohen Lebenssinn,
fast immer waren wir uns treu.
Mit dir war das Leben schön,
das „ich gewordene du“ wuchs stets in meinem
Sinn.
Dir stand ich mit Geduld zur Seite,
dein Unkraut jätete ich aus.
Irgendwann an einem frühen Morgen wachte ich
auf
9
und nannte dich „BAUM DER HOFFNUNG“.
8
Gedicht einer an Multiplen Sklerose erkrankten Frau: Quelle: http://www.msworld.de/portal/system/forum/reply.php?topic=1763&forum=33&post=8195&quote=1 (11/10/04)
11
7. Schlussbemerkung
Die vorliegende methodische Handreichung ist „am grünen Tisch“ entstanden. Sie bleibt in
Hinblick auf die je eigenen Situationen vor Ort unkonkret. Insofern will sie anregen zum
Nachdenken und zum Gestalten.
Wenn Sie im Prozess des Nachdenkens und des Gestaltens Gesprächsbedarf haben, melden
Sie sich einfach bei:
Peter Brause
Tel.: 0391 / 5961-126
[email protected]
9
Verfasser unbekannt. Quelle: http://www.pulur.net/siirden/b-hoffnung.htm (28/09/05)
12
SCHATZSUCHE
Die neuen Gemeindeverbünde rufen in vielen Gemeindemitgliedern verständliche Skepsis
hervor. Anhand dieser Übung soll bewusst werden, dass jeder und jede wichtig ist, eine
Gabe mitbringt und eingeladen ist, sich in den neuen Verbund einzubringen.
Dieser Arbeitsvorschlag ist eine Ermutigung für Einzelne durch den Blick auf die
persönlichen Gaben und Fähigkeiten.
Mögliche Zielgruppen:
Dekanatskonferenz, Pfarrgemeinderat, Kirchenvorstand, Dekanatsrat, Familienkreise,
Gemeindeverbünde.
Materialien:
Kerze, Bibel, Namen der einzelnen Gemeinden des neuen Verbundes, Kalenderblätter,
Postkarten, Fotos, farbige Zettel, Stifte.
Ablauf:
• Zur Vorbereitung ein Tuch mit einer Bibel in die Mitte des Stuhlkreise legen und
die Zettel mit den Namen der Orte des neuen Gemeindeverbunds um die Bibel
legen. Kerze neben die Bibel stellen.
• Einleitung z.B. durch Rückblick auf das letzte Treffen und die Arbeit mit der
Trauer (z.B. dem Trauerbaum). Lied: „Wo zwei oder drei in meinem Namen
versammelt sind“. Während des Liedes die Kerze entzünden als bewusstes Zeichen
der Gegenwart Jesu Christi.
• Schriftlesung: z.B. Eph 4, 1-8 und 15-16.
• Kalenderblätter, Postkarten, Fotos mit verschiedensten Abbildungen im Raum
verteilen und die Teilnehmenden (Tln) einladen, sich ein Bild herauszusuchen, das
ihre persönliche Hoffnung für den neuen Verbund ausdrückt (evtl. leise meditative
Musik im Hintergrund). Anschließend werden die Tln eingeladen, ihre Hoffnungen
anhand des Bildes auszudrücken. Jedes gewählte Bild wird dann in einem Kreis um
die Orte gelegt.
• In einer Gesprächsrunde werden die Tln nun eingeladen, auf das Gehörte
einzugehen und Gemeinsamkeiten zu nennen.
• Die Tln werden gebeten, auf die farbigen Zettel in großer Schrift das
aufzuschreiben, was sie bereit sind in den Verbund einzubringen, bzw. welche
Schätze sie anbieten können. Anschließend stellt jeder im Gespräch seine Gabe
(seinen Schatz) vor und legt den Zettel gut sichtbar zu seinem Hoffnungsbild.
Mögliche Gaben könnten sein: Computerkenntnisse, Bereitschaft, den Fahrdienst
zu übernehmen, Mitarbeit in verschiedensten Gruppen, Unterstützung durch Gebet,
Übernahme von Besuchsdiensten usw.
• Gemeinsam mit der Gruppe noch einmal bewusst alle Gaben, Schätze und
Hilfsangebote ansehen und Gott im Gebet für die Vielfalt danken.
• Zum Abschluss bietet es sich an, noch einmal das Anfangslied zu singen.
Sr. Beate Heutger, Tel. 039386 / 521 83
13
TEXTE ZUM KYRIE
Die folgenden Texte eignen sich sowohl für den Gottesdienst als auch an Stelle eines
geistlichen Impulses am Beginn oder Ende einer Sitzung von Gruppen und Gremien der
Gemeinde bzw. des Gemeindeverbundes.
- Angst, Fragen und Zweifel Herr Jesus Christus, um Deinen Altar versammelt, kommen wir mit unseren Ängsten,
unseren Fragen und Zweifeln zu Dir und bitten Dich um Dein Erbarmen:
Unsere Gemeinde ist kleiner geworden. Nun sollen wir mit den Gemeinden N.N. zu einem
Gemeindeverbund zusammenwachsen. Wie soll das gehen? Verlieren wir nicht zuviel?
Herr Jesus, vor Dich bringen wir unsere Ängste vor der Zukunft.
Kyrie eleison
Den geistlichen Berufen fehlt in unseren Breiten der Nachwuchs. Wie kann die Zukunft
Deiner Kirche aussehen? Warum lassen sich so wenige Frauen und Männer von Deinem
Wort bewegen?
Herr Jesus Christus, vor Dich bringen wir unsere Fragen.
Christe eleison
In unseren Kirchen versammeln sich am Sonntag vor allem ältere Gemeindemitglieder.
Wie sieht es mit der Glaubensweitergabe an die kommenden Generationen aus? Machen
wir etwas falsch, so dass wir die Kinder und Jungendlichen nicht mehr erreichen?
Herr Jesus, vor Dich bringen wir unsere Zweifel.
Kyrie eleison
Herr Jesus Christus, Du hast uns Dein Erbarmen zugesagt. Öffne unsere Herzen für Deine
Gegenwart und schenke uns die Freude der Gemeinschaft mit Dir und untereinander hier
und heute in dieser Feier und einst in Deiner Ewigkeit. Amen.
- bewegen, anrühren und bestärken lassen Herr Jesus Christus, in deiner Gegenwart kommen wir zur Ruhe; in deiner Liebe wird uns
die Schuld vergeben und in deinem Erbarmen öffnen sich uns neue Wege. Deshalb
kommen wir zu dir und bitten dich:
In diesen Tagen streiten viele über die Strukturveränderungen in unserem Bistum; über die
Gemeindeverbünde und über die abnehmenden finanziellen und personellen
Möglichkeiten. Wir wollen uns bewegen lassen durch dein Wort zur Mitsorge und
Mitverantwortung.
Deshalb rufen wir: Herr, erbarme dich.
14
Die anstehenden Veränderungen engen vielfach den Blickwinkel ein. Es geht dann um die
eigene Gemeinde, um uns selbst. Der Blick über den Tellerrand fällt schwer. Wir wollen
uns anrühren lassen durch deinen Einsatz für die Kleinen und die Schwachen.
Deshalb rufen wir: Christus, erbarme dich.
Die kleiner werdenden Gemeinden, die fehlenden geistlichen Berufe und die zunehmende
Veralterung lassen viele mutlos werden. Resignation und Frustration nisten sich ein. Wir
wollen uns bestärken lassen im Engagement für unsere Gemeinden durch diesen
Gottesdienst.
Deshalb rufen wir: Herr, erbarme dich.
Es erbarme sich unser der gnädige Herr. Er nehme von uns, was uns in dieser Stunde
belastet und er stärke uns durch seine Gegenwart. Er vergebe uns unsere Schuld und führe
uns in der Gemeinschaft aller zum ewigen Leben. Amen.
Pfr. Magnus Koschig, Halle Hl. Kreuz
Tel. 0345 / 202 15 29
[email protected]
15
EINEN PSALM GESTALTEN
Die Bildung von Gemeindeverbünden ist für die Mitglieder der betroffenen Gemeinden
mit vielen Fragen und Unsicherheiten verbunden. Vielfach führen die geplanten
Veränderungen sogar zu einem „Chaos der Gefühle“. In solch einer Situation kann es
hilfreich sein, die Möglichkeit zu geben, die unterschiedlichen Gefühle zum Ausdruck zu
bringen.
Die folgende Einheit stellt eine solche Möglichkeit dar.
Zielgruppen:
Gemeinden ( z.B. bei einer Gemeindeversammlung)
- Einzelne Gemeindegruppen ( PGR, KV, Senioren etc.)
Hintergrund:
In Psalmen haben Menschen ihre (Glaubens-)geschichte und ihre Erfahrungen zum
Ausdruck gebracht. Sowohl die Klage wie auch die Zuversicht finden in den Psalmen
Raum. In der Form eines Psalms können eigene, aktuelle Erfahrungen von Klage und
Vertrauen ausgedrückt werden. Zunächst gilt es, das Schema eines Klagepsalms
vorzustellen (vgl. dazu A. Höfer, Ins Leben kommen, S. 19 ff):
1. Anrede:
2. Klage
(über die „Feinde“)
(über sich selbst)
(über Gott)
3. Zuversicht
4. Bitte
(Gott)
(ich)
(Feinde)
5. Lobgelübde
Gott, höre mein Gebet!
Denn meine Feinde bedrängen mich
ich bin elend und verlassen
und du bist mir so ferne
Ich aber will auf dich vertrauen
Wende dich mir zu;
rette mich
und vernichte meine Feinde
Dann will ich dich loben und dir danken!
Die Form des Psalms wird im Blick auf Chancen und Befürchtungen in der Phase der
Bildung der Gemeindeverbünde aufgegriffen.
Plakate mit folgenden Überschriften:
1. Klagen
2. Zuversicht
3. Bitte
4. Lob
werden im Raum verteilt.
• Die TN gehen von Plakat zu Plakat und schreiben ihre persönlichen Erfahrungen
auf die jeweiligen Plakate.
• Die Texte können im GD eingebracht werden – als Fürbitte, Dank etc.
16
• Die Plakate können für einige Zeit im Kirchen- oder Gemeinderaum hängen und
ergänzt werden.
Variante:
• Die TN schreiben ihren persönlichen Psalm nach dem oben beschriebenen Schema.
• Die einzelnen Psalmen könnten – nach Absprache mit den TN – ausgehängt
werden.
P. Ansgar Schmidt CFM
Tel. 035342 /470
[email protected]
17
„WASSER AUS DEM FELSEN“
Gemeindeverbünde: Befürchtungen und Chancen
Bibelarbeit
Mögliche Zielgruppen: PGR bzw.GVR, Gruppen in den Gemeinden.
Ziel dieser Einheit:
• Sich der eigenen Ängste, Befürchtungen etc. bewusst werden, die im Hinblick auf
die strukturellen Veränderungen im Bistum und in der eigenen Gemeinde da sind.
• Erfahren, wie sich diese Empfindungen vielleicht verändern, wenn sie der Zusage
Gottes ausgesetzt werden, dass es in der Wüste „Wasser aus dem Felsen“ gibt.
• Die Chancen entdecken und miteinander teilen, die sich aus der Perspektive
„Gemeindeverbünde“ vielleicht ergeben.
•
•
•
•
•
•
•
Vorbereitung:
Für alle Tln ein Blatt mit dem Bibeltext (Ex 17, 1-7).
Einen Stuhlkreis bilden.
In die Mitte verschiedene Tücher legen: ein grünes Tuch (für Ägypten); ein braunes
Tuch (für „Massa und Meriba“); ein blaues Tuch (für den Berg Horeb).
Früchte (auf das grüne Tuch legen)
Ein Krug mit Wasser und ein Stab (auf das blaue Tuch legen)
Eine Kerze in der Mitte.
Verschieden farbige Kärtchen.
Erster Schritt: Einführung in das Thema
•
•
•
Die Situation und Befindlichkeit der Gruppe aufgreifen (PGR-Klausur;
Gemeindeabend etc.)
Das Thema erläutern: Realität der Gemeinde und des Bistums (Statistik:
schwindende Zahlen von Gemeindemitgliedern und Hauptamtlichen; schwindende
finanzielle Ressourcen). Geplante bzw. schon beschlossene Veränderungen
(Gemeindeverbünde; neue Hauptamtliche; Neuorganisation in vielen Bereichen;
Arbeit an Vereinbarungen der Gremien; Weg zu einer Pastoralvereinbarung…).
Wie können wir mit dieser Situation fruchtbar umgehen?
Wie können wir sie im Glauben deuten und annehmen?
Welche Perspektiven gibt es?
Bezug zur Bibel herstellen:
In der Heiligen Schrift – im AT und NT – werden sehr oft Situationen beschrieben,
die mit Umbrüchen und Veränderungen zu tun haben. Ein Beispiel ist das Buch
Exodus. Das Volk Israel erfährt sich darin auf einem langen und beschwerlichen
Weg in das verheißene Land. Unterwegs sind zahlreiche Durststrecken zu
überwinden, es mangelt an Wasser und an Nahrung, es mangelt vor allem auch an
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Glauben, dass der ganze Weg überhaupt einen Sinn macht. Immer wieder sind
Ängste, Zweifel, Sorge, Trauer und Wut zu bewältigen. Immer wieder gibt es darin
aber auch die Erfahrung, dass Gott da ist und neue Horizonte eröffnet, wo alles
ausweglos zu sein scheint.
In dieser Einheit soll es darum gehen, sich einmal mit einer solchen biblischen
Urerfahrung auseinanderzusetzen, um dann Impulse und Perspektiven für die
eigene derzeitige Situation zu bekommen.
Zweiter Schritt: Biblischer Impuls
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Der Text Ex 7, 1-17 wird ausgeteilt. Einleitendes Lied oder Gebet, das den Glauben
zum Ausdruck bringt, dass der Herr in unserer Mitte ist, wenn wir miteinander sein
Wort hören.
Jemand liest den Text laut vor.
Um den Text einsickern zu lassen, werden nun in aller Ruhe Worte oder Sätze noch
einmal laut wiederholt.
Der Text wird noch einmal vorgelesen.
In der darauf folgenden Stille (5-10 Minuten) werden die Tln eingeladen, sich zu
fragen: Was höre ich? Was spricht zu mir? Was provoziert mich? Wo habe ich
Fragen? usw.
Die Tln teilen sich gegenseitig mit, was der Text ihnen sagt. Wichtig: sich nicht
gegenseitig belehren, nicht diskutieren!
Miteinander darüber sprechen, was der Text uns zur aktuellen Situation sagt
(Gemeindeverbünde; Veränderungen, die anstehen, Zukunftsängste etc.) – und
welche konkreten Schritte daraus folgen könnten.
Abschluss mit einem Lied oder Gebet.
Zeit: Mindestens 45 Minuten, ggf. auch mehr
Gruppengröße: Ca. 10-15 Tln; notfalls in mehreren Gruppen arbeiten.
Leitung: Die Leitung erklärt das Vorgehen und achtet darauf, dass die Schritte eingehalten
werden.
Die Bibelarbeit kann an dieser Stelle abgeschlossen werden.
Falls noch mehr Zeit zur Verfügung steht, kann in folgender Weise weiter gearbeitet
werden:
Dritter Schritt: Befürchtungen und Chancen
Die Gestaltung der „Mitte“ mit den Tüchern und Gegenständen wird erklärt:
• Das grüne Tuch mit den Früchten steht für „Ägypten“:
Das Land, in das sich die Israeliten zurück sehnen, als es unterwegs
Schwierigkeiten gibt. Wofür steht dieses Ägypten bei uns? (Nostalgie, Sehnsucht
19
•
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nach früheren Zeiten, in denen die Kirchen noch voll waren, in denen es noch
hunderte von Kindern in der Gemeinde gab etc….).
Das braune Tuch steht für den Ort „Massa und Meriba“ (Probe und Streit):
Der Ort, an dem die Israeliten gemurrt haben und sich gefragt haben, ob Gott
überhaupt noch da ist in all den Gefahren: Auch da könnte es Parallelen geben zur
heutigen Situation…
Das blaue Tuch mit dem Wasserkrug und dem Stab steht für den Berg Horeb, aus
dem das Wasser herauskommt.
Es steht für die unerwartete Zuwendung Gottes in der Not. Welche Perspektiven
kann uns das heute eröffnen, wenn wir damit rechnen, dass Gott uns auch heute
„Wasser aus dem Felsen“ geben wird?
Gespräch in kleinen Gruppen (ca. 30-45 Minuten, ggf. auch länger):
• Die Tln bilden kleine Gruppen (ca. 3-7 Personen).
• Sie sprechen miteinander darüber, was sie angesichts der Veränderungen belastet,
traurig stimmt, was ihnen Angst macht, was sie ärgert. Vielleicht gibt es auch die
Sehnsucht „nach früheren Zeiten“…
• All diese Empfindungen schreiben sie auf die einen (z.B. gelben) Kärtchen.
• Anschließend wird – im Blick auf die Verheißung aus der Schrift – darüber
gesprochen, welche Hoffnung die Einzelnen erfüllt und welche Chancen sie
deshalb für die Zukunft der Gemeinde sehen (hinsichtlich der Bildung von
Gemeindeverbünden und darüber hinaus).
• Die Ergebnisse werden auf die anderen (z.B. grünen) Kärtchen geschrieben.
Pause
Gespräch im Plenum:
• Die Mitglieder der Gruppen legen – nacheinander – zuerst ihre gelben Kärtchen auf
die Tücher „Ägypten“ oder „Massa und Meriba“ und erklären, was sie geschrieben
haben. Nach jeder Gruppe sind Rückfragen möglich.
• Danach werden die grünen Kärtchen ebenso auf das Tuch „Wasser aus dem Felsen“
gelegt und erklärt.
• Wenn alle Gruppen ihre Karten hingelegt haben, kann sich noch ein gemeinsames
Gespräch ergeben, z.B. mit der einleitenden Frage:
Was geht mir durch den Sinn, wenn ich das jetzt sehe?
Welche Konsequenzen erkenne ich für mich, für uns als PGR, als Hauptamtliche,
als Gruppe… - für unsere Gemeinde?
Abschluss mit einem Text, einem Gebet, einem Lied.
OR Dr. Annette Schleinzer
Tel. 0391/ 5961-196
[email protected]
20
ARBEITEN MIT EINEM POLARITÄTENPROFIL
Wenn unterschiedliche Gemeinden zusammen kommen, treffen unterschiedliche
Vorstellungen vom jeweils anderen aufeinander. In der Regel geschieht dies durch eine
„Überkreuzwahrnehmung“. D.h. ich nehme vom anderen zunächst nur die negative Seite
einer Eigenschaft, eines Charakters wahr. Der andere ist dann nur konservativ und nicht
auch verlässlich; er ist nur chaotisch und nicht auch flexibel. Um miteinander über solche
Zuschreibungen ins Gespräch zu kommen, kann es hilfreich sein, mit einem
Polaritätenprofil (s. nächste Seite) zu arbeiten.
1. Schritt:
In den jeweiligen Einzelgemeinden erstellen die Gruppen und Gremien ein Profil der
eigenen Gemeinde: Wie sehen wir unsere Gemeinde? Sind wir eher... ?
Dieses Profil kann in einer Gemeindeversammlung abgeglichen werden, denn es ist
anzunehmen, dass die unterschiedlichen Gruppen und Gremien unterschiedliche
Wahrnehmungen der Gemeinde haben. Die Diskussion über diese Wahrnehmungen
verhilft zu einem besseren Bewusstwerden der eigenen Situation.
2. Schritt
Wenn die Gemeinden einander schon etwas kennen, empfiehlt es sich ein Profil der
anderen Gemeinde zu stellen. Wie sehen wir die Gemeinde X? Ist die eher ... ?
3. Schritt
Vertreterinnen und Vertreter der einzelnen Gemeinden stellen diese Profile vor und
kommen darüber ins Gespräch miteinander. Dieses Gespräch kann dazu führen, dass
deutlicher wird, was die einzelnen ausmacht und wovon sie durch die anderen profitieren
können.
Pfr. Magnus Koschig, Halle Hl. Kreuz
Tel. 0345 / 202 15 29
[email protected]
21
POLARITÄTENPROFIL
5
4
3
2
1
0
1
2
3
4
5
friedlich
aggressiv
zurückhaltend
offen
sicher
unsicher
ausgeglichen
wechselhaft
großzügig
sparsam
passiv
aktiv
verspielt
formalistisch
langweilig
interessant
hilfsbereit
egoistisch
zerfahren
geordnet
anpassungsfähi
nicht
anpassungsfähig.
zurückgezogen
gesellig
bedeutend
unbedeutend
autoritär
tolerant
vergnügt
missmutig
starr
beweglich
leise
laut
gesund
krank
redselig
verschwiegen
22
URGEMEINDE – GEMEINDE HEUTE
Arbeitsblatt I
Diese Einheit richtet den Blick auf die aktuelle Situation in der Gemeinde.
Zielgruppen: -
Gemeinde
einzelne Gruppen der Gemeinde ( PGR etc.)
Im Blick zurück zu den Anfängen liegt oft auch die Kraft zur Gestaltung der Gegenwart.
In der folgenden Einheit sollen die TN einen Vergleich zwischen der „Urgemeinde“ und
ihrer eigenen aktuellen Gemeindesituation herstellen.
Anleitung:
-
-
Kurze Hinführung zur Situation der „Urgemeinde“ nach dem Zeugnis des NT.
Bildung von Kleingruppen.
Auftrag für die Kleingruppen:
Mit Hilfe des Arbeitsblattes (AB I - in DIN A 3 – Format ) auf die Urgemeinde
schauen und zu den einzelnen Aussagen auf dem Arbeitsblatt positive Ansätze in
ihrer Gemeinde finden und eintragen.
Dabei ermutigen, bzw. die Erlaubnis geben, auch Felder offen zu lassen.
Vergleich der Ansätze im Plenum.
P. Ansgar Schmidt CFM
Tel. 035342 /470
[email protected]
23
AB I
Die Urgemeinde und unsere Gemeinden heute
So war es in der Urgemeinde... Positive Ansätze in den
Gemeinden / unserer
Gemeinde heute...
Die Menschen aßen und beteten
zusammen.
(Apg)
Sie feierten zusammen
Gottesdienst, brachen das Brot
füreinander und lobten Gott.
(Apg)
Sie hielten untereinander fest
zusammen. (Apg)
Sie verkauften ihren privaten Besitz
und teilten alles miteinander. Jeder
bekam so viel Geld, wie er zum
Leben brauchte. (Apg)
Sie waren fröhlich und zufrieden
miteinander, niemand war einsam.
(Apg)
Immer mehr Menschen kamen in
ihre Gemeinschaft.
(Apg)
Niemand aus ihrer Gemeinschaft
brauchte Not zu leiden, einer half
dem anderen. (Apg)
Die kranken Menschen wurden von
der Gemeinde versorgt.
(Apg)
Sie legten mit großer Kraft Zeugnis
von der Auferstehung Jesu ab.
(Apg)
Wenn sich einer von der Wahrheit
entfernt, dann muss er von der
Gemeinde wieder auf den rechten
Weg zurück gebracht werden. (Jak)
Sie zerstritten sich innerhalb ihrer
Gemeinde und versöhnten sich
wieder.
(1 Kor 10)
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Arbeitsblatt II
Ein Brief an die Verbannten
Zielgruppen: -
-
Gemeinde
einzelne Gruppen der Gemeinde ( PGR etc.)
Gemeindeverbundsrat
TN eines Einkehrtages im Gemeindeverbund
Diese Einheit richtet den Blick auf die Gemeindesituation und die neuen Möglichkeiten im
Gemeindeverbund.
Hintergrund:
Mit der Auflösung der Gemeinden, der Zerstörung des Tempels von Jerusalem und der
Zerstreuung in die Diaspora wurde dem Volk Israel eine traumatische Erfahrung
zugemutet. Den zutiefst verunsicherten Israeliten in der Verbannung schreibt der Prophet
Jeremia einen Brief: Jer 29, 1-15
Hier sind einzelne Aussagen des Briefes (ergänzt durch einen Blick auf die christliche
Urgemeinde in Apg ) angeführt, die einladen, nach positiven Ansätzen in der eigenen
Gemeinde zu schauen und zu gewichten, was in Zukunft im Gemeindeverbund verstärkt
werden soll...
Anleitung:
- Kurze Hinführung zur Situation des Volkes Israel im Exil und Vorstellung des
Briefes an die Verbannten – Jer 29.
- Bildung von Kleingruppen.
- Auftrag für die Kleingruppen:
- Mit Hilfe des Arbeitsblattes (AB II - in DIN A 3 – Format ) auf die einzelnen
Aussagen schauen, dazu jeweils auf dem Arbeitsblatt positive Ansätze in der
Gemeinde finden und miteinander beraten, was im Gemeindeverbund verstärkt
werden soll.
- Dabei ermutigen, bzw. die Erlaubnis geben, auch Felder offen zu lassen.
- Vergleich der Ansätze im Plenum.
P. Ansgar Schmidt CFM
Tel. 035342 /470
[email protected]
25
AB II
Gemeinde in der Diaspora – Gemeinde heute
Ein Blick zurück – ein Blick in unsere Gegenwart
So war es damals...
Baut Häuser, und wohnt darin,
pflanzt Gärten, und eßt ihre
Früchte.
(Jer 29, 5)
Ihr sollt euch dort vermehren
und nicht vermindern.
(Jer 29,6)
Bemüht euch um das Wohl der
Stadt, in die ich euch
weggeführt habe.
(Jer 29,7)
und betet für sie zum Herrn;
denn in ihrem Wohl liegt euer
Wohl.
(Jer 29,7)
Laßt euch nicht täuschen von
den Propheten, die unter euch
sind.
(Jer 29,8)
Hört nicht auf die Träume, die
sie träumen.
(Jer 29, 8)
Wenn ihr mich ruft, wenn ihr
kommt und zu mir betet, so
erhöre ich euch.
(Jer 29,12)
Sucht ihr mich, so findet ihr
mich. Wenn ihr von ganzem
Herzen nach mir fragt,lasse ich
mich von euch finden. (Jer 29, 13)
Sie feierten zusammen
Gottesdienst, brachen das Brot
füreinander und lobten Gott
(Apg 2)
Niemand aus der Gemeinde
brauchte Not zu leiden, einer
half dem anderen.
(Apg 4 )
Sie legten mit großer Kraft
Zeugnis von der Auferstehung
Jesu ab.
(Apg 4)
Sie zerstritten sich innerhalb
ihrer Gemeinde und versöhnten
sich wieder.
(1 Kor 10)
Zeitgemäße
positive Ansätze in
unserer Gemeinde
Was wir im
Gemeindeverbund
verstärken möchten
26
ERMUTIGUNGEN
AUS DEM II. VATIKANISCHEN KONZIL
Hilfreich für die Auseinandersetzung mit der Situation der Zeit sind die Ermutigungen, die
uns das II. Vatikanische Konzil gegeben hat. An folgende Stellen sei neben den Hinweis
auf GS 1 beispielhaft erinnert:
„Die Kirche wird von keinem irdischen Machtstreben bewegt, sondern beabsichtigt nur
eines: nämlich unter Führung des Geistes, des Beistands, das Werk Christi selbst
weiterzuführen, der in die Welt kam , um Zeugnis für die Wahrheit abzulegen, um zu
heilen, nicht um zu richten, um zu dienen, nicht um sich bedienen zu lassen. Zur
Erfüllung dieser Aufgabe obliegt der Kirche durch alle Zeit die Pflicht, die Zeichen der
Zeit zu erforschen und im Licht des Evangeliums auszulegen, so dass sie in einer der
jeweiligen Generation angemessenen Weise auf die beständigen Fragen der Menschen
nach dem Sinn des gegenwärtigen und des zukünftigen Lebens und nach ihrem
gegenseitigen Verhältnis antworten kann. Es ist deshalb nötig, dass die Welt, in der wir
leben, sowie ihre Erwartungen, Bestrebungen und ihr oft dramatischer Charakter erkannt
und verstanden werden.“ (GS 3,2 [Schluss] und 4,1)
„... die Einzelnen müssen ihren Nächsten ohne Ausnahme als ein anderes Ich betrachten,
indem sie vor allem auf sein Leben und auf die notwendigen Mittel, um es würdig zu
führen Rücksicht nehmen. Besonders in unseren Tagen drängt uns die Verpflichtung,
uns zum Nächsten schlechthin eines jeden Menschen zu machen und ihm, wenn er (uns)
begegnet, tätig zu dienen...(GS 27,1f)
„All das also, was sich an Wahrem, Gutem und Gerechtem in den unterschiedlichsten
Einrichtungen findet, das sich das Menschengeschlecht geschaffen hat und unablässig
schafft, betrachtet das Konzil mit großer Ehrfurcht. Es erklärt überdies, dass die Kirche
alle Einrichtungen unterstützen und fördern will, soweit dies von ihr abhängt und mit
ihrer Sendung vereinbart werden kann. Sie selbst ersehnt nichts glühender, als sich, dem
Wohle aller dienend, unter jeglicher Regierung frei entfalten zu können, die die
Grundrechte der Person und der Familie sowie die Erfordernisse des Gemeinwohls
anerkennt. (GS 42,5)
„Die Presbyter sollen also so vorstehen, dass sie – indem sie nicht, was das Ihre ist,
suchen, sondern, was Jesu Christi [ist] – ihre Arbeit mit den gläubigen Laien verbinden
und sich in ihrer Mitarbeit nach dem Beispiel des Meisters benehmen, der unter die
Menschen „nicht gekommen ist, sich bedienen zu lassen, sondern zu dienen und sein
Leben zu geben als Lösegeld für viele“ (Mt 20,28). Die Presbyter sollen die Würde der
Laien und den eigenen Anteil, den die Laien an der Sendung der Kirche haben,
aufrichtig anerkennen und fördern. Auch die gerechte Freiheit, die allen in der irdischen
Bürgerschaft zusteht, sollen sie eifrig in Ehre halten. Gern sollen sie die Laien hören,
indem sie ihre Sehnsüchte brüderlich erwägen und ihre Erfahrung und Zuständigkeit auf
den unterschiedlichen Feldern der menschlichen Tätigkeit anerkennen, damit sie
zusammen mit ihnen die Zeichen der Zeit zu erkennen vermögen. Indem wie die Geister
prüfen, ob sie aus Gott sind, sollen sie die vielgestaltigen Charismen der Laien, sowohl
niedrige als auch höhere, mit Glaubenssinn aufdecken, mit Freude anerkennen, mit
Sorgfalt fördern. Unter den anderen Gaben Gottes aber, die sich unter den Gläubigen in
überreichem Maße finden, sind diejenigen besonderer Sorge wert, durch die nicht
wenige zu einem tieferen geistlichen Leben hingezogen werden. Ebenso sollen sie mit
27
Vertrauen Laien zum Dienst an der Kirche Pflichten übertragen, indem sie ihnen die
Freiheit und den Raum zum Handeln überlassen, ja, sie sogar in geeigneter Weise
einladen, auch aus eigenem Antrieb Werke in angriff zu nehmen.“ (PO 9,1)
„Da heute in ziemlich vielen Teilen des Erdkreises durch die Anhauchung der Gnade
des Heiligen Geistes in Gebet, Wort und Werk viele Versuche gemacht werden, zu jener
Fülle der Einheit zu kommen, die Jesus Christus will, ermahnt diese Heilige Synode alle
katholischen Gläubigen, dass sie, indem sie die Zeichen der Zeit erkennen, am
ökumenischen Werk erfinderisch teilnehmen.“ (UR 4,1)
28
EINE BESONDERS GÜNSTIGE VORAUSSETZUNG
FÜR DEN GLAUBEN
Anregungen aus der Begegnung mit Madeleine Delbrêl (1904-1964)
Die Erfahrung, als Christen in der Minderheit zu sein, kann eine „besonders günstige
Voraussetzung für den Glauben“ sein.
Diese provozierende These hat Madeleine Delbrêl gerne in den Raum gestellt. Sie spiegelt
zutiefst ihre eigene Erfahrung wieder. Oft hat sie erlebt, dass Menschen, die der Kirche
fern stehen, die Glaubensinhalte und vor allem auch die Glaubenspraxis anfragen. Dahinter
steht die Frage (auch wenn sie meist gar nicht wortwörtlich so gestellt wird): „Was
bedeutet für euch überhaupt glauben? Wozu soll das gut sein?“
Wer als Christ, als Christin, solche Fragen an sich heran lässt, kommt sozusagen „auf den
Boden des Glaubens“ und lernt zu unterscheiden, was wirklich der Glaube ist und was nur
„eine Kopie“ davon. Leben wir, so lässt sich dann fragen, wirklich aus der ursprünglichen
Kraft einer Begegnung, einer Zusage – oder sind wir „Spezialisten der Vergangenheit“, die
eine „christliche Mentalität“ hüten und bewahren wollen? Eine solche „christliche
Mentalität“ zeigt sich darin, eine bestimmte, geschichtliche gewachsene Ausdrucksgestalt
des Glaubens absolut zu setzen; eine bestimmte Gemeinschaftsform für unveränderlich zu
halten oder bestimmte Regeln und Gebräuche als Kern des Glaubens zu betrachten.
Zu fragen ist dann z.B.:
Wo dienen die gewachsenen Formen und Strukturen unseres Glaubens und unserer
Gemeinschaften dem lebendigen Wasser – und wo behindern sie es?
Was davon ist zeitbedingt und von daher wandelbar – und was hat „ewigkeitliche
Kraft?“
Wo lebe ich als einzelner Mensch und wo leben wir als Gemeinschaft unter dem
„Gesetz“ (im paulinischen Sinne), das heißt auch: wo bin ich, wo sind wir im Innern
von Angst und Misstrauen bestimmt?
Wenn man den Ballast des „Gesetzes“ mit sich herumschleppt, braucht man dann aber
auch – so Madeleine Delbrêl – nicht erstaunt zu sein, dass Menschen sich vom Glauben
nicht angezogen fühlen und sich fragen: „Wozu soll das gut sein? Wozu soll ich das auf
mich nehmen? Ich habe mein eigenes Lebenskonzept – das reicht aus.“
Die atheistische Umwelt kann also dazu auffordern, den eigenen Glauben kritisch zu
überprüfen. Positiv gewendet fordert sie dann auch dazu auf, sich selbst zu fragen: „Was
bedeutet mir der Glaube denn tatsächlich? Wer ist Gott für mich?“ Und da kann man dann
– so auch wieder die Erfahrung Madeleine Delbrêls – die Entdeckung machen, dass man
das oft selbst nicht so genau weiß. Christen und Christinnen haben es im volkskirchlichen
Milieu verlernt, über ihren Glauben nachzudenken, geschweige denn darüber zu sprechen.
Dies ist darüber hinaus für viele etwas so Privates und Intimes, dass sie dazu lieber
schweigen möchten. So ist die missionarische Dimension des christlichen Glaubens dem
christlichen „Normalbewusstsein“ allmählich abhanden gekommen.
29
Madeleine Delbrêl kann dazu inspirieren, die Erinnerung an den „christlichen
Normalzustand“ zu beleben. Dazu gehört es als erstes, sich der eigenen Gottesbegegnung
zu vergewissern. Erst auf dieser Basis kann dann von Mission gesprochen werden.
Die kritischen Anfragen der Menschen, unter denen wie leben, können so dazu verhelfen,
dass wir zum Fundament unserer Botschaft zurückfinden; dass wir erkennen, welchen
Schatz wir in Händen halten, und wie wichtig es ist, dass wir ihn nicht für uns allein
behalten.
Der folgende Text (s. nächste Seite) von Madeleine Delbrêl bietet die Möglichkeit, sich
mit solchen Fragen auseinanderzusetzen.
Drei mögliche Weisen seien hier vorgeschlagen:
a) Im Plenum bzw. in überschaubaren Gruppen:
Erster Schritt: Den Text laut vorlesen
Zweiter Schritt: Sätze /Worte laut wiederholen
Dritter Schritt: Austausch über das, was mich in dem Text anrührt, provoziert…
Vierter Schritt: Was heißt dann für uns „missionarisch Kirche sein“?
b) In kleinen Gruppen:
Erster Schritt: Den Text laut lesen
Zweiter Schritt: Einzelarbeit / Zweiergespräch:
1. Wo erlebe ich es in meinem Umfeld, dass ich von Menschen umgeben bin, die dem
christlichen Glauben (oder auch jedem Glauben) fern stehen fern stehen?
2. Was löst das in mir aus?
Dritter Schritt: Plenum: Mitteilung dessen, was wichtig war.
Vierter Schritt: Kleingruppen /Halbgruppe/Plenum:
Was heißt für mich, für uns, missionarisch Kirche zu sein? Was macht es mir / uns
schwer? Wo gelingt etwas? Was brauchen wir, um unsere Berufung in dieser Hinsicht
leben zu können?
c) Schreibgespräch über die Frage: „Was bedeutet für mich der Glaube?“
In der Mitte (auf dem Boden oder auf dem Tisch) liegt ein großes Blatt Papier, auf dem
diese Frage aufgeschrieben ist. Daneben liegen Stifte.
Die TeilnehmerInnen werden eingeladen, schweigend (evtl. bei leiser Musik im
Hintergrund), etwas zu dieser Frage aufzuschreiben. Dabei kann auch auf das reagiert
werden, was andere geschrieben haben.
Zu gegebener Zeit (genügend Zeit lassen!) diese Schreibphase beenden.
Evtl. kann eine Abschlußrunde folgen: was ist mir aufgegangen? Was nehme ich mit?
Und /oder: Abschluß mit einem Lied /Segen /Gebet.
Annette Schleinzer
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Missionarisch Kirche sein10
Wir sind heute, ob es uns bewusst ist oder nicht, von religiös Gleichgültigen und von
Ungläubigen umgeben. Menschen haben, vereinzelt oder in Scharen, aufgehört zu
glauben oder haben niemals geglaubt oder wissen nicht einmal etwas von dem, was wir
glauben.
Diese sind unsere Nächsten.
Schon ihre Anwesenheit versetzt uns in eine missionarische Situation, die wir nicht selber
gewählt haben und die uns überrumpelt.
Unser christliches Leben muss in Taten das werden, was christliches Leben seinem
Wesen nach ist: missionarisch und apostolisch.
Wir sind für ein solches Handeln überhaupt nicht vorbereitet. Man hat uns zu einem
Leben erzogen, in dem der missionarische Einsatz anscheinend gar nicht gefragt ist.
Mehr noch: Wir sind für den apostolischen Einsatz nicht bloß nicht ausgebildet, wir sind
daraufhin geradezu verbildet worden.
Wir kannten „das apostolische Leben in den Missionen“; „apostolische Beschäftigungen“,
in denen man „Apostolat treibt“ oder die „apostolischen Tätigkeiten“ „eines“ Apostolats.
Aber was wir nicht kannten: den normalen Einsatz eines christlichen Lebens angesichts
seines ungläubigen Nächsten. Wir lebten ein christliches Leben, aber ein unter Christen
gelebtes christliches Leben. Daraufhin wurden wir erzogen, daraufhin ausgebildet.
Als Christen von Geburt an – oder auch als Konvertiten – haben wir fast alle ein ganz
gewöhnliches Christenleben gelebt – was nicht heißt, dass es mittelmäßig ist, sondern
dass es ein geordnetes Leben ist.
Worin bestand das Wesentliche dieses geordneten Lebens?
Es gab und gibt darin die Wegmarken unserer „Pflichten“ Gott gegenüber: Die Messe,
liturgisches Gebet, persönliches Gebet, Betrachtung, Anbetung, Rosenkranz usw. Für die
einen hatte das den Beigeschmack von einem „Reglement“, für die anderen hatte es mit
„Innerlichkeit“ zu tun – von allen aber wurde es als das betrachtet, was unsere Beziehung
zu Gott am meisten zum Ausdruck bringt.
Jetzt gilt es, uns zu wandeln, auf Grund einer Verpflichtung, der wir uns nicht entziehen
können, weil sie die christliche Berufung zutiefst ausmacht.
Wir müssen von Grund auf neu und unmittelbar lernen, was diese Berufung bedeutet, was
es bedeutet, missionarisch zu sein…
Den Glauben zu verkünden, ist kein Zeitvertreib. Es ist die Frucht eines LEBENS, die
normale Auswirkung eines normalen Lebens. Unser ganzes Sein ist dafür eingefordert,
wie es den ganzen Baum braucht, um eine Blüte zu treiben.
Madeleine Delbrêl
10
Madeleine Delbrêl, Gott bezeugen in unserer Zeit. Ausgewählte Texte, hg. von Annette Schleinzer,
Leutesdorf: Johannes-Verlag 2004, S. 58f.