Warberger Heimatblatt - Samtgemeinde Nord-Elm

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Warberger Heimatblatt - Samtgemeinde Nord-Elm
Warberger
Heimatblatt
Geschichten aus Warberg und Umgebung
1.Juli 2010
Idee von Hermann Koerber
Salzweg 1
38378 Kißleberfeld
eMail [email protected]
Nr. 50
Hausschlachten in Warberg
Hausschlachtungen hat es schon mehrere hundert Jahre geben. Angefangen hat es
mit dem Kauf von einem oder zwei Ferkeln. Das Ferkel wurde im Dorf bei
Kleinbauern gekauft. Aus einem Wurf von einer Sau suchte man sich das größte und
beste Ferkel aus. Dann musste es das ganze Jahr gefüttert werden, damit es schön
groß und fett wurde. Ein Hausschlachteschwein musste mindestens 1 Jahr alt sein.
Für die kleinen Leute im Dorf war das Hausschlachteschwein auch eine
Kapitalanlage. Viele hatten ein Stück Garten und auch ½ Morgen Ackerland. Dieses
Ackerland wurde von einem Bauern mit Pferden gepflügt und bearbeitet. Dafür
musste man dem Bauern in der Ernte oder beim Dreschen helfen. Im 2. Weltkrieg
konnte man auch schlachten, aber nur so schwere Schweine wie sie von der
Kriegsverwaltung genehmigt waren. Wenn das Schwein zu schwer war, musste man
ein Viertel oder halbes Schwein abgeben. Es gab im Dorf auch Leute, die schwarz
geschlachtet haben. Das waren Leute, die ihr Schwein nicht angemeldet hatten. Bei
diesem Schwarzschlachten musste man dem Nachbarn was abgeben, damit sie
nichts verraten haben. Denn der Duft vom Kochen und Fett konnte man weit hin
riechen. Das Schwarzschlachten konnte mit mehreren Jahren Gefängnis bestraft
werden.
Nach dem 2. Weltkrieg redete man immer vom Schlachtefest, weil es in den
Kriegsjahren nicht viel zu essen gab und viele Leute Hunger leiden mussten.
In Warberg gab es damals mehrere Hausschlachter. Es waren gelernte Maurer und
sie arbeiteten im Sommer bei einem Maurermeister auf dem Bau.
In der kalten Jahreszeit, ab 1. Oktober haben sie für die Leute im Dorf
Hausschlachtungen gemacht.
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Hausschlachter waren in Warberg: Ehrenfried Frede, Hermann Schrader, Wilhelm
Ohk, Erich Rothmann, sie schlachteten im Hause der Leute. Ehrenfried Frede
arbeitete im Sommerhalbjahr in der Feldmarkinteressentschaft und der Gemeinde
Warberg.
Jeder Hausschlachter hatte seine Kunden, darum wurde schon mehrere Wochen
vorher der Schlachttermin verabredet. Manche Leute schlachteten auch zweimal im
Jahr, einmal im Herbst und im Winter.
Es gab auch Leute, die sich 2 Schweine gefüttert haben, eins wurde verkauft, damit
Geld in die Kasse kam und das andere wurde geschlachtet.
Bei uns auf dem Kißleberfeld hat meistens Wilhelm Ohk geschlachtet. Wenn bei uns
„Schlachten“ angesagt war, haben sich immer viele Leute zu helfen angeboten.
Vorher hat man den Kessel, die Steintöpfe, Wannen und Mollen gut gereinigt. Auch
der Schlachtetisch, der Brenntrog und andere Geräte mussten aus der Scheune
geholt werden. Die ersten Jahre haben meine Eltern die Gewürze in Schöningen
gekauft. Später hat Wilhelm Ohk alle Gewürze mitgebracht.
Morgens wurde schon ganz früh das Wasser im Kessel heiß gemacht. Wenn der
Schlachter kam, wurde am Bein des Schweins ein Strick angebunden.
Am Stall war schon viele Jahre ein Ring oder Haken zum Schlachten an der Wand.
Hier wurde das Schwein angebunden. Mit einem Bolzenschussapparat wurde das
Schwein getötet. In der Regel war es gleich tot. Dann hat der Schlachter das
Schwein am Hals abgestochen. Das Blut wurde in einer Schüssel aufgefangen und
in einen Steintopf getan. Dort musste es mit einem Kwirl mehrmals gerührt werden,
damit das Blut nicht gerinnt. Anschließend wurde das Schein in den Brühtrog gelegt
und mit heißem Wasser abgebrüht.
Hermann Schrader sagte immer, wenn er das Schwein abbrühte, “hei jütt“.
Mehrere Leute haben mit einer Glocke die Borsten abgekratzt. Sie kamen später in
ein Drahtnetz zum Trocknen, die der Hausschlachter mitnahm und verkauften sie an
den Handel. Wenn das Schwein von den Borsten befreit war, hat man es mit einer
Leiter auf den Schlachtetisch gehoben. Hier wurden die letzten Borsten entfern. An
den Hinterbeinen wurde der Krümmling angebracht. In 2 Meter Höhe war schon viele
Jahre am Stall ein Haken.
Schl acht er
Her mann
Hol t heuer
schl acht et bei Laue.
Bi l d von 1935?
Junge i st Her ber t Ohk.
Der
An diesem Haken wurde das
Schwein hochgezogen und mit dem Krümmling aufgehängt. Jetzt kam ein alter
Brauch zum Einsatz. „Wenn das Schwein am Haken hängt, wird erst einer
eingeschenkt“. Alle Beteiligten bekamen einen Schnaps. Dieser alte Brauch sollte
sich später mehrmals wiederholen. Dem Schwein wurden die Innereien herausgeholt
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und gesäubert. Die Blase des Schweins wurde aufgeblasen und zum Trocknen
aufgehängt. Inzwischen kam der Trichinenbeschauer Albert Priebe. Er schnitt von
einer bestimmten Stelle im Schwein ein Stück Fleisch ab und untersuchte es unter
seinem Mikroskop nach Trichinen. Wenn alles gesund war, wurde das Schwein
mehrmals abgestempelt. Erst jetzt durfte der Schlachter am Schwein weiter arbeiten.
Es war damals so üblich, dass der Trichinenbeschauer nach seiner Arbeit auch ein
paar Schnäpse bekam. Zur Weiterverarbeitung kam das Fleisch in die Waschküche.
Ein Teil kam in den Kessel und musste kochen. Wenn es gar war, wurde es zur
Weiterverarbeitung herausgeholt. Jetzt wurde schon Fleischbrühe für die Nachbarn
abgefüllt in die Gefäße, die sie schon vorher gebracht hatten. Bei einigen Nachbarn
kam auch ein Stück Stichfleisch mit hinein. Zuerst wurde die Kochwurst, Leberwurst,
Rotwurst, Knackwurst und Sülze gemacht. Wenn dann die Sülze fertig war, schickte
man einen aus dem Haus zum Nachbarn, der die Sülzenpresse holen sollte. Der
Nachbar wusste meist schon Bescheid und packte Steine oder was anderes
Schweres in den Sack.
Kam er dann mit der Last nach Haus, war das Gelächter groß. Wenn in die Blase des
Schweins Rotwurst gefüllt werden sollte, schickte der Schlachter einen, „geh mal in
die Küche, hole einen Teller für Luft“. Die Wurst kam dann in den Kessel und musste
kochen. Von der Leberwurst wurden mehrere kleine Würste gemacht. Diese
bekamen Verwandte und gute Nachbarn, die auch eine kleine Wurst von ihrem
Schlachten gebracht hatten.
Der Schweineschwanz wurde heimlich Jemandem hinten angehängt. Und die
Anderen amüsierten sich darüber.
Das Mettwurstfleisch wurde mit dem Messer in kleine Stücke zerschnitten und es
kamen Gewürze dazu. Nun wurden diese Stücke im Fleischwolf durchgedreht. Viele
Jahre musste man das Fleisch mit der Hand durchdrehen. Später hat sich Wilhelm
Ohk einen elektrischen Fleischwolf gekauft.
Das Gehackte aus dem Wolf wurde nochmals gewürzt und geknetet. Anschließend
kam die Masse in die Wurstmaschine und das Gehackte wurde in Därme gepresst.
Jede Wurst wurde mit einem Wurstband und doppeltem Knoten abgebunden. Zuletzt
wurde die Schmorwurst gemacht, diese wurde am anderen Tage gleich zu Mittag
gegessen. Die fertigen Würste wurden auf Wurstespiele gehängt. Nach dieser Arbeit
wurde wieder ein Gläschen Alkohol auf das gute Gelingen getrunken. Jetzt musste
die Wurst erst mal trocknen, ehe sie in die Räucherkammer kam. Wir haben uns
damals im Keller eine Räucherkammer eingerichtet und meine Mutter hat unsere
Wurst und Schinken selber geräuchert. Unten in dem Raum stand eine Schale, die
mit Buchenspänen gefüllt war. Durch ein Stück Glut fingen die Späne an zu
räuchern. Dieses Räuchern wurde an mehreren Tagen wiederholt, bis die Wurst
„gälriepe“ war. Diese Mettwurst musste bis zum anderen Jahr reichen. Darum wurde
nur an Feiertagen Mettwurst gegessen. Der Schinken kam in einen Bottich und
musste längere Zeit in einer (Söle) Salzlake liegen. Ab und zu wurde er mit einer
Schöpfkelle mit der Salzlake übergossen. Zuletzt wurde der Schinken geräuchert,
denn hierdurch verlängerte sich seine Haltbarkeit. Erst im Frühjahr, wenn der
Kuckuck gerufen hatte, durfte der Schinken angeschnitten werden. Auch Pfötchen
und Schweineohren waren damals noch eine Delikatesse, sie wurden meistens mit in
einer Suppe gekocht.
In Warberg konnte man die Wurst nach dem Schlachten zu Rudi Eichhorn bringen.
Seine Frau Gretchen räucherte sie und brachte die Wurst, wenn sie fertig war, mit
einer Kiepe auf dem Rücken, zu den Leuten zurück.
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Eine ältere Warbergerin erzählte mir noch: Die Wurst bei Giesecke/Eichhorn (heute
Heinz Föllmer) hing in einem Raum hinten zum Acker hin. Wenn abends mal dort ein
Fenster offen stand, haben sich junge Burschen mit einer langen Stange Wurst aus
dem Fenster geangelt und sich einen schönen Abend gemacht. Auch Albert Priebe
hat für die Leute Wurst und Schinken geräuchert.
Damals wurde viel Wurst in Dosen gemacht. Nach dem Schlachten konnte man die
vollen Dosen zu Rumpfs bringen. Die hatten eine Büchsenmaschine und haben die
Büchsen damit zugemacht und auch nach Gebrauch die Büchsen wieder
abgeschnitten. Tante Rumpf hat mit einem Buchstabeneisen die Büchsendeckel
gekennzeichnet.
Die Leberwurst bekam ein L und die Rotwurst ein R usw. Nach dem Zumachen
mussten man die Wurst-Büchsen noch mehrere Stunden im Kessel zukochen.
Um 1970/80 hat das Hausschlachten nachgelassen. Die Leute haben sich
Gefriertruhen gekauft und Fleisch eingefroren. In dieser Zeit hat meist der
Fleischermeister Günther Löpert noch für Warberger Leute, die an die alte Tradition
Hausschlachten festhielten, geschlachtet. Später hat sich Günther Löpert im Keller
seines Hauses einen Schlachtraum eingerichtet und dort noch bis nach 2000
geschlachtet. In den letzten Jahren hat in Warberg kaum noch einer Schweine
gefüttert.
So hat bei uns in Warberg diese alte Tradition Hausschlachten im Anfang des neuen
Jahrtausend ein Ende gefunden.
Außer den vielen Hausschlachtungen hatten wir in Warberg noch eine
Ladenschlachterei. Angefangen hatte nach 1900 Emil Ohk, dann sein Sohn Wilhelm
Ohk und zuletzt noch Herbert Ohk, der 1983 in den Ruhestand ging. Herbert Ohk
hatte auch Filialen in Wolsdorf und Süpplingen. Der Schlachterladen wird heute noch
durch die Schlachterei Lambrecht, Inh. Matthias Kauffeld aus Helmstedt, genutzt. Vor
dem 2. Weltkrieg hatte der Hausschlachter und Maurer Hermann Holtheuer an der
Hauptstraße Nr. 9 auch einen Schlachterladen. Nach Aufgabe der Schlachterei
wurde das alte Haus abgerissen und 1960 ein Konsumladen gebaut.
Das Schweineschlachten (Schlachtfest) steht um Martini in Blüte, zumal schlachtet
dann der kleine Mann das sorgfältig genährte Tier.
Up Martin slacht de arme sin swin,
Up lichtmissen hat et allwe’er upefräten)
Auch allerlei Sprüche hatte man beim Schweineschlachten z.B.:
Ik hebbe hört ji het eslacht
Un mik mit ne lütje Wost bedacht,
Eine von de fetten,
Dat sall de Schlachter nich wetten,
Eine von de dicken,
De stäk ik in de ficke
Eine von de dünnen,
Die wickl’ ik in en plünnen.
Das Hausschlachten
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Das Hausschlachten spielt im ländlichen Leben eine große Rolle, denn es schafft
Fleisch-und Wurstvorrat für das ganze Jahr. Nicht umsonst nennt man es das
„Schlachtefest“; denn jeder freut sich, dass nun kein Fasten mehr nötig sein wird.
Auch um das Schlachtefest haben sich manche Bräuche und Sprüche geschlungen.
In Grafhorst verkleideten sich die Mädchen und Burschen und gingen zu den
Familien, die schlachteten. Sie sangen:
Ik hewwe hört, jie hätt ‚eschlacht,
hätt jie mik keine Wost ’emacht ?
Ik stah hier op’n kolen Stein,
Lat’tmik nich sau lange stan,
will noch’n Hus wiedergahn! Wost, Wost, Wost
Sie bekamen dann Wurst und „Pottwurst“, wohinein aus Scherz der sauber geputzte
Schweineschwanz gesteckt war. Wenn sie nicht genug erhielten, sangen sie:
„Witten Tweern, swarten Tweern,
düsse Frau, dä giwt nich geern!“
Oftmals wurden sie beim Hinausgehen hinterrücks in die Waschgilte gesetzt, worin
man die Wurst abgekühlt hatte.
Ik hewwe hört, jie hätt ’eschlacht,
hätt mik ne lüttje Wost ’emacht.
Dä Slachter is von Dahlen:
Ik sall mik eine Halen,
eine von den fetten,
dä Slachter sallt nich wetten.
Eine von den dünnen,
dä wickle ik inne Plünnen.
Eine von dä Slacken,
dä stäk ik in dä Backen. (Twieflingen)
Eine ganze Reihe von Scherzbräuchen ist beim Hausschlachten in unseren Dörfern
bekannt, mit denen die Hausschlachter die Kinder oder solche Personen anführen,
die das erste Mal an einem Schlachtefest teilnehmen.
Der Wurstschmecker“ soll geholt werden. Mit einem Sack schickt man den
Boten los. Darein wird eine Katze oder ein Kater als Wurstschmecker gesteckt.
Man braucht einen „Darmbohrer“, um den Darm aufzuweiten. Der Bote
bekommt vom Tischler oder einem Bekannten einen gewöhnlichen Bohrer, der
natürlich eingewickelt ist.
Wenn das Schwein zerschnitten werden soll, muss ein Stück Kohle geholt
werden, um den Schnitt damit anzuzeichnen.
Meistens fallen die Boten, die nicht vorher gewarnt sind, auf diese Scherze hinein,
und das gibt natürlich immer ein großes Gaudium.
Quellenangabe: Aus dem Buch „UNSERE HEIMAT“, Sagen/Bräuche und Volksreime des
Landkreises Helmstedt
Aus dem Buch: Braunschweiger Volkskunde von Richard Andree
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