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Dr. Herbert Nicolaus EKO Stahl GmbH 2004-06-24 - Seite 1 Prävention von Rechtsextremismus als unternehmerische Aufgabe – am Beispiel der EKO Stahl GmbH Ein Unternehmen zeigt Flagge „Wir, die Geschäftsführung der EKO Stahl GmbH, wenden uns gegen Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus in den Betrieben.“ Dieses Bekenntnis steht am Beginn eines Aufrufes vom Sommer 1998, mit dem unser Unternehmen öffentlich auf die Zunahme an rechtsextremistischer und fremdenfeindlichen Gewaltakten in der Gesellschaft reagierte. In einer Zeit als die demokratischen Parteien und mit ihnen die besorgte Öffentlichkeit noch gebannt diesem Phänomen gegenüberstanden und die Ausländerdiskussion zum Thema des Wahlkampfes 1998 wurde, war es die Geschäftsführung von EKO Stahl, die zu einer Kampagne gegen rechte Gewalt und für Toleranz aufrief. Sie sah es an der Zeit, sich einzumischen und öffentlich zu der Problematik Gewalt und Fremdenhass Stellung zu beziehen. Am Ende des 20. Jahrhunderts warfen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus dunkle Schatten auf den Namen und das Image des geeinten Deutschlands. Auch das Land Brandenburg blieb davon nicht verschont. „Das macht uns besorgt. Wir wissen, dass dies von der Mehrheit der Bevölkerung nicht akzeptiert wird. Aber wir müssen den Ansätzen wehren: im Betrieb, in der Kommune, im Land“, heißt es in unserem Aufruf. Es war also an der Zeit, ein deutliches Zeichen zu setzen, dass es weder in Deutschland noch in Brandenburg eine schweigende Mehrheit gibt, die Intoleranz, Rassismus und menschenverachtende Gewalt einfach hinnimmt. Das Gros der Menschen in unserem Land steht für ein humanes, weltoffenes und tolerantes Brandenburg, für das friedliche Zusammenleben aller Menschen, ungeachtet ihrer Weltanschauung, Religion, Kultur oder Hautfarbe ein. Im Wissen darum, dass mit Ausländerhass und Rechtsextremismus die Erinnerung an die schlimmsten Zeiten deutscher Geschichte verbunden ist sowie rassistische Vorstellungen und gewaltsame Einstellungen gegen Fremde keinen Raum haben dürfen, in einem Land, das einmal an der Schwelle zur Neuzeit mit dem „Toleranzedikt von Potsdam“ die Geschichte der allgemeinen Menschenrechte zu schreiben begann, ergriff die Unternehmensführung von EKO Stahl diese Initiative. Die Geschichte Brandenburgs hatte bewiesen, dass die Bereitschaft, Fremde aufzunehmen und über die eigenen Grenzen hinweg zusammenzuarbeiten, unverzichtbare Bedingungen für den Aufstieg des Landes waren. Nicht zuletzt war es der Fleiß der aus Frankreich vertriebenen Hugenotten, aufgenommen vom Kurfürsten Friedrich Wilhelm, die handwerkliche Meisterschaft der von Friedrich II. herbeigeholten holländischen Deichbauern, Salzburger Zinngießern und böhmischen Webern sowie der Unternehmergeist der großen Industriellen des 19. Jahrhunderts von Siemens bis Borsig, die aus anderen deutschen Gegenden in das märkische Land kamen, die zum historischem Aufschwung Brandenburgs beitrugen. ! "# $ % &' () *) ( + *, - + Dr. Herbert Nicolaus EKO Stahl GmbH 2004-06-24 - Seite 2 Daran hatte sich auch am Beginn des 21. Jahrhunderts nichts geändert. Auch EKO Stahl verdankt seine heutige Existenz transnationalem Unternehmergeist: Mit belgischem Kapital wurde ab 1995 die Privatisierung und Modernisierung unseres Unternehmens vollzogen, deutsches Facharbeiter-Know-how wird eingesetzt, um aus polnischem Koks sowie Erz aus Brasilien, Schweden oder Russland hochwertigen Flachstahl für französische, deutsche, italienische oder tschechische Automobilproduzenten herzustellen. Ein Unternehmen, das wie EKO Stahl vom Export lebt, mit internationalem Kapital arbeitet und seine Rohstoffe aus dem Ausland bezieht, kann sich Intoleranz und Gewalt gegen Fremde nicht leisten. Seit Anfang 2002 gehört EKO Stahl zum weltgrößten Stahlkonzern ARCELOR und trägt im Zuge der Erweiterung der Europäischen Union als östlichster europäischer Standort eine besondere Verantwortung im vergrößerten Konzernverbund. Dementsprechend haben wir unsere strategische Ausrichtung auf den östlichen Wirtschaftsraum weiter geschärft. Mit seiner langjährigen Tradition und Kompetenz nimmt unser Unternehmen in der Gruppe eine wichtige Nahtstelle nach Osteuropa ein. An dieser Zielrichtung hängt die Zukunft des Unternehmens und damit jeder Arbeitsplatz bei EKO Stahl. Mit Genugtuungen konnten wir feststellen, dass bei ARCELOR verantwortungsbewusstes Handeln und soziales Engagement zu Grundmaximen des Konzernleitbildes gehören. In diesem Jahr wurden dazu von der Generaldirektion Zielsetzungen für eine nachhaltige Entwicklung verabschiedet. Auf der Basis der „4 P“ – People, Profit, Planet, Partners – will sich die Gruppe den verantwortungsbewusst den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts stellen. Ein Grundsatz lautet dabei: „Arcelor verpflichtet sich: Die kulturelle Vielfalt zu respektieren und jede Form der Diskriminierung abzulehnen.“ Damit befindet sich EKO Stahl mit seiner ausgewiesenen Politik gegen Diskriminierung und für Toleranz in voller Übereinstimmung mit den Zielsetzungen der ARCELOR Gruppe. Mit Zivilcourage gegen Intoleranz Äußerer Anlass für den Aufruf im Sommer 1998 waren die zunehmenden Ausbrüche von Gewalt sowie die sich mehrenden Aktionen von Rechtsextremisten und Fremdenfeinden, die Brandenburg in die Schlagzeilen der Medien gebracht hatten, und die auch vor den Toren unseres Stahlunternehmens nicht Halt machten. So musste die Geschäftsführung konstatieren, dass sich auch Auszubildende der EKO Stahl GmbH an solchen Aktionen beteiligten. Im Dezember 1997 hatten zwei Jugendliche den Koch eines jugoslawischen Restaurants in Eisenhüttenstadt brutal zusammengeschlagen. Beide waren im Unternehmen nicht negativ aufgefallen und konnten gute Ergebnisse in der Ausbildung aufweisen. Wir setzten ein Zeichen – beide Jugendliche erhielten keinen Arbeitsplatz bei EKO Stahl. Damit distanzierte sich unser Unternehmen öffentlich von solchen Handlungsweisen. Dieser einmalige Vorgang in der Geschichte der deutschen Privatwirtschaft wurde zum Ausgangspunkt einer langwierigen und kontrovers geführten Diskussion über ! "# $ % &' () *) ( + *, - + Dr. Herbert Nicolaus EKO Stahl GmbH 2004-06-24 - Seite 3 Fragen, inwieweit die Wirtschaft Stellung beziehen muss, und wie man mit Rechtsextremen im eigenen Unternehmen umgehen sollte. Es gab damals zahlreiche Unternehmen, die die Maßnahmen von EKO Stahl begrüßten und ein ähnliches Vorgehen ankündigten. So äußerte sich der Vorstandsvorsitzende der Ford-Werke Rolf Zimmermann in der Bild-Zeitung: „Ausländerhass oder Neonazis haben bei Ford keine Chance, die fliegen raus“. (Bildzeitung, 18.08.2000) Auch bei Daimler Chrysler in Ludwigsfelde würde man, wie bei EKO Stahl, gegen fremdenfeindliche Tendenzen im Unternehmen sofort einschreiten. Der damalige Bertelsmann-Vorstandschef Middelhoff rief die Musikindustrie zur Ächtung rechtsradikaler Musik auf. Auch Arbeitgeberpräsident Hundt und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) riefen die Unternehmen in seltener Einmüdigkeit auf, „mit Mut und Zivilcourage energisch gegen Gewalt und rechtsradikales Gedankengut einzuschreiten“. Nachdrücklich stellte Bundeskanzler Gerhard Schröder auf dem Festakt zum 50jährigen Jubiläum von EKO Stahl am 17. August 2000 fest: „Sie dürfen sich das, was sie sich hier aufgebaut haben, nicht kaputt machen lassen durch ein paar Glatzköpfe in unserem Land.“ Und er lobte die Geschäftsführung des Stahlunternehmens für ihr Vorgehen gegen rechtsextremistische Umtriebe. „Es macht Sinn“, so verwies der Bundeskanzler, “16-, 17-, 18-Jährigen zu sagen, dass Fremdenfeindlichkeit unmoralisch ist, aber auch wirtschaftlich schädlich.“ Gesellschaft, Politik und Wirtschaft seien daher aufgerufen, die Werte durchzusetzen, auf denen der Zusammenhalt der Gesellschaft beruhe. Die Liste ähnlicher Äußerungen aus dieser Zeit ließe sich beliebig fortsetzen. Gleichzeitig prallten aber auch unterschiedliche Standpunkte zu dieser Frage aufeinander. Während die einen konsequent forderten, keine Rechtsradikale in ihrem Unternehmen zu dulden, präferierten andere die direkte Einflussnahme auffälliger Jugendlicher im Rahmen der Ausbildung. Beispielsweise forderte der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Ludolf von Wartenberg, dazu auf, Rechtsextreme in den Betrieben zu kündigen. Der damalige BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel hielt dagegen die Umerziehung rechter Jugendlicher während der Ausbildung für den richtigen Weg. So war es nur verständlich, dass die Unternehmensführung von EKO Stahl, auch so manche Kritik für ihr rigoroses Vorgehen gegen die beiden Auszubildenden erhielt. Gegen die Einwände, das Ausgrenzung nicht die Wurzeln des Übels angreift, setzte unser Unternehmen mit dieser Entscheidung ein deutliches Signal. Angesichts einer knappen Zahl von Ausbildungsplätzen und hoher Arbeitslosenzahlen in unserer Region sollte denen eine berufliche Chance in unserem Unternehmen verwehrt werden, die mit Gewalt dokumentieren, dass sie Menschenrechte für überflüssig halten. EKO Stahl machte damit deutlich, dass angesichts wachsender Gewaltbereitschaft und Gewaltausübung repressive Anstrengungen unverzichtbar sind. Denn jede Toleranz hat dort ihre Grenzen, wo Menschen in ihrer körperlichen Unversehrtheit und in ihrer Würde bedrängt und verletzt werden. Carlo Schmidt, einer der Väter unseres Grundgesetzes, hatte einmal formulierte: „Demokratie ist nur dort mehr als ein Produkt einer bloßen Zweckmäßigkeitsentscheidung, wo man den Mut hat, an sie als etwas für die Würde des Menschen Notwendiges zu glauben. ! "# $ % &' () *) ( + *, - + Dr. Herbert Nicolaus EKO Stahl GmbH 2004-06-24 - Seite 4 Wenn man diesen Mut hat, dann muss man auch den Mut zur Intoleranz denen gegenüber aufbringen, die die Demokratie gebrauchen wollen, um sie umzubringen.“ Von vornherein war uns jedoch auch klar, dass einzig mit Sanktionen und Restriktionen das Phänomen Rechtsextremismus nicht zu bekämpfen ist. Deshalb richteten wir unser Handlungskonzept von Anfang an mehrschichtig aus. Es basierte auf folgenden Grundsätzen: 1. Mobilisierung der Gesellschaft, d. h. sich der Verantwortung als Wirtschaftsunternehmen und handelnder Partner im gesellschaftlichen Verbund stellen, selbst Initiativen ergreifen, Aktionen und Initiativen fördern, die die Werte des menschlichen Zusammenlebens vermitteln und zum Austausch der Kulturen beitragen. 2. Ausgestaltung einer modernen und eigenständigen Unternehmenskultur, in der kein Platz ist für Intoleranz, Fremdenhass und Gewaltbereitschaft 3. Prävention als unternehmerische Aufgabe, insbesondere in der Ausbildung der Jugend. 4. Ächtung von Gewalt, d. h. ausgrenzen und bestrafen, wo es nicht anders geht, wo mit Gewalt gegen die Würde des Menschen verstoßen wird. Obwohl kein Dogma, hat sich grundlegend an diesem Handlungskonzept bis heute nicht geändert. Verändert haben sich die Rahmenbedingungen und die konkrete Umsetzung in der Praxis. Eine Unternehmenskultur der Vielfalt und Toleranz Als unsere Geschäftsführung am 19. August 1998 diesen Aufruf verabschiedete, war sie sich bewusst, dass keine schnellen Erfolge zu erwarten waren, dass der Widerstand gegen Rechtsextremismus und Gewalt einen langen Atem verlangt. Das Engagement konnte keine kurzfristige Kampagne sein. Nur mit intensiven und ausdauernden Anstrengungen war das Ziel, Toleranz und Anerkennung im Umgang miteinander zu einem selbstverständlichen Element zivilisierten Umgangs sowie die Fähigkeit zur friedlichen Lösung von Konflikten zu entwickeln, auch erreichbar. Ihr war auch klar, dass sie Partner und Weggefährten braucht. Deshalb verschickte sie diesen Aufruf an über Hundert Betriebe und Unternehmungen. Zur Kultur eines Unternehmens gehöre es, so die Begründung der Initiatoren, sich zu positionieren und gesellschaftlich relevante Probleme zu thematisieren. EKO Stahl war damals eines der ersten deutschen Unternehmen, das sich dieser Problematik öffentlich stellte. Inzwischen gehören die Zeiten, da die Wirtschaft aus kritischer Distanz dem Phänomen Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit gegenüberstand, längst der Vergangenheit an. Zahlreiche Unternehmen und Wirtschaftsverbände haben sich der Initiative von EKO Stahl angeschlossen und beziehen eindeutig Stellung in dieser Frage. Das hat sicherlich viele Gründe, doch für ein Wirtschaftsunternehmen zählte vor allem der kommerzielle Erfolg. Deshalb ist die ! "# $ % &' () *) ( + *, - + Dr. Herbert Nicolaus EKO Stahl GmbH 2004-06-24 - Seite 5 Erkenntnis, dass soziale Verantwortung und gesellschaftliches Engagement mitentscheidend für den Erfolg eines Unternehmens sind, eine entscheidende Triebfeder. Soziale Kompetenz und soziale Verantwortung werden immer mehr zu Faktoren des Wettbewerbs und geben der Unternehmensentwicklung neue Impulse. Wir leben in einer globalisierten Welt. Diese Welt trägt neue Anforderungen an uns heran, auf die wir reagieren müssen. Kunden, Lieferanten und die Belegschaft von Unternehmen werden zunehmend internationaler. Der Erfolg von Unternehmen auf den Märkten hängt mehr und mehr von der Fähigkeit ab, das aus dieser Vielfalt erwachsende Potential zu maximieren. Diesen Herausforderungen müssen sich moderne Unternehmen stellen. Dabei kommt der Nutzung von Interkulturalität und der Überwindung von Diskriminierung eine herausragende Bedeutung zu. Akteure in der Arbeitswelt übernehmen gesellschaftliche Verantwortung, verstehen sich als handelnde und mitgestaltende Partner gegenüber der Umwelt und als Nachbar im gesellschaftlichen Verbund. Sie engagieren sich für Chancengleichheit und Toleranz. EKO Stahl steht als eines der größten Unternehmen der Region und als Teil eines internationalen Weltkonzerns immer wieder im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Dieses Interesse nutzen wir bewusst für die Vermittlung unserer Unternehmenskultur, die gesellschaftliche Aktivität fördert, soziales Engagement unterstützt und demokratische Werte vertritt. Wir sind der Meinung, dass eine im Unternehmen praktizierte Kultur des positiven Umgangs mit kulturell unterschiedlichen individuellen Fähigkeiten, Kompetenzen und Bedürfnissen die Chancen für ein konfliktfreies Zusammenleben in unserer pluralistischen Gesellschaft verbessert. Unternehmenskultur bestimmt die gesellschaftliche Kultur mit, kann also Vorreiterin und Vorbild sein für die Gestaltung der Gesellschaft. Darüber hinaus ist beispielsweise der Einsatz gegen Diskriminierung und für Chancengleichheit auch eine Frage des Images eines Unternehmens. Im internationalen Markt ist es für Unternehmen wichtig, sich zu positionieren, insbesondere wenn sie auf den USamerikanischen Markt tätig sind. Für die dort operierenden Unternehmen ist von Belang, ob „diversity management“ im Unternehmen aufgegriffen wird. Der Imagegewinn für ein Unternehmen, das sich aktiv gegen Diskriminierung einsetzt, ist im harten Wettbewerb um Märkte enorm hoch. Heute ist unumstritten, dass die so genannten „soft facts“ (Personal, Fähigkeit, Stil, übergeordnete Ziele) wesentliche Faktoren für den Unternehmenserfolg sind. Insbesondere dann, wenn Unternehmen mit unterschiedlichen Kulturen Allianzen oder Fusionen eingehen, kommt dem individuellen unternehmenskulturellen Einfluss eine wichtige Rolle zu, um die optimale Nutzung der Energien beider Partner zu gewährleisten. Eine starke Kultur ist gekennzeichnet durch ein hohes Maß an Übereinstimmung in grundlegenden Wertvorstellungen bei den Mitarbeitern des Unternehmens. Diese Werte stellen den Kern der Unternehmenskultur dar und sind richtungweisend für die alltäglichen Verhaltensweisen. Damit wirkt sich die Unternehmenskultur ganz unmittelbar auf die Leistungen der Mitarbeiter und dadurch auf den Erfolg des Unternehmens aus. ! "# $ % &' () *) ( + *, - + Dr. Herbert Nicolaus EKO Stahl GmbH 2004-06-24 - Seite 6 Der Geschäftsführung von EKO Stahl war es zunächst wichtig, dass jeder Mitarbeiter den klaren und unmissverständlichen Standpunkt in dieser Frage kennt und, dass diese Haltung auch gemeinsam mit Mitarbeitervertretung und Belegschaft nachhaltig dokumentiert wird. Der Aufruf war somit ein erster Schritt auf diesem Wege. In den folgenden Monaten ging es darum, die Diskussion über diese brisante Problematik in der eigenen Belegschaft weiter zu führen. Im Rahmen unterschiedlicher Veranstaltungen und Diskussionsforen entspann sich ein fruchtbarer Dialog zwischen Management und Mitarbeitern, der in der Verabschiedung eines eigenständigen Unternehmensleitbildes gipfelte. Dieses ist gekennzeichnet von Fairness und solidarischem Teamgeist. Weiter heißt es darin: „Wir brauchen ergebnisorientierte Mitarbeiter, dessen Handeln von wechselseitiger Verantwortung und Respekt bestimmt wird.“ (Einblicke. 50 Jahre EKO Stahl. Eisenhüttenstadt 2000, S. 370.) In einer solchen Atmosphäre ist kein Platz für Intoleranz, Fremdenhass und Gewaltbereitschaft. Die Ausgestaltung einer Unternehmenskultur gelingt aber nur, wenn die Mitarbeiter nicht nur „kalkulieren“, sondern diese Kultur als sinnhaft erleben und ständig wieder verstärkend selbst erfahren. Das haben wir mit unserem Aufruf 1998 sehr deutlich festgeschrieben und mit zahlreichen Initiativen und Aktionen immer wieder bekräftigt. Ein weiteres Kernelement einer modernen Unternehmenskultur ist die Internationalität. Sie basiert bei EKO Stahl auf der Einbindung in die weltweite Konzernstrategie von ARCELOR und entspringt der internationalen Geschäftstätigkeit des Unternehmens. Internationalität von EKO Stahl setzt die Internationalität der Belegschaft voraus. Diese zu entwickeln, reicht vom konzerninternen Personalaustausch bis hin zu interkulturellen Begegnungen der Menschen in unserer Grenzregion. Zum einen wollen wir damit unseren Mitarbeitern die Möglichkeit geben, andere Kulturen kennen zu lernen. Denn wer sein Unternehmen von außen gesehen hat, blickt über die eigenen Grenzen hinaus und entwickelt Verständnis für die Kollegen in anderen Ländern. Außerdem bietet sich dadurch die Gelegenheit, nicht nur den Umgang mit der modernsten Technik gemeinsam zu meistern und Fachwissen auszutauschen, sondern durch das gegenseitige Kennenlernen auch bestimmte und immer noch spürbare kulturelle und sprachliche Barrieren zu überwinden. Zum anderen treten wir aktiv für ein Klima der Toleranz und Vielfalt ein. Insbesondere dort, wo es, wie in unserer Region, außer der Dönerbude an der Ecke, dem vietnamesischen Zigarettenverkäufer und dem Asylbewerber auf der „Durchreise“ wenig Gelegenheit gibt, andere Kulturen kennen und erleben zu lernen, erscheint es besonders erforderlich, die Begegnungen mit anderen Kultur und Menschen zu fördern, um vorhandene Ängste und Verunsicherungen gegenüber dem Anders- und Fremdsein abzubauen. Insbesondere Kultur ist dazu geeignet, den Menschen den Zugang zu anderen Gewohnheiten, Sprachen und Traditionen zu erleichtern. Als Unternehmen eines weltweit agierenden Konzerns sieht sich EKO Stahl als Förderer eines internationalen Kulturaustausches in unserer Region. Wir binden aber auch Geschäftspartner, Kunden, Zulieferer in unsere Unternehmenskultur der Chancengleichheit ein. Dabei ist uns als Unternehmen, das ! "# $ % &' () *) ( + *, - + Dr. Herbert Nicolaus EKO Stahl GmbH 2004-06-24 - Seite 7 auf den europäischen und internationalen Märkten erfolgreich konkurrieren möchte, der Schutz von Kunden und Lieferanten von großer Bedeutung. Sie kommen aus unterschiedlichen Kulturen, Religionsgemeinschaften oder Ländern, und erwarten Service- und Dienstleistungsangebote, die sie in ihren spezifischen Anforderungen nicht diskriminieren. In unsere Arbeitsordnung haben wir deshalb bewusst den Passus aufgenommen: „Partnerschaftliches Verhalten, die Achtung der Menschenwürde und Persönlichkeitsrechte sind nicht auf den Arbeitsplatz beschränkt. Diskriminierung Unternehmensfremder durch Mitarbeiter der EKO Stahl GmbH schädigen den Ruf des Unternehmens. Geschäftsführung und Betriebsrat werden gegen jede Form der physischen oder psychischen Belästigung, Bedrängung oder Gewaltanwendung, insbesondere gegen Ausländerfeindlichkeit, unmissverständlich mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen einschließlich Kündigung vorgehen. Die Achtung und Einhaltung gesetzlicher Rahmenbedingungen und ethischer Werte bilden die Grundlage der Zusammenarbeit mit Kunden und Lieferanten sowie Vertretern aus Politik, Behörden und Institutionen.“ Als größtes Unternehmen Ostbrandenburgs hat EKO Stahl auch eine besondere Verantwortung für die regionale Wirtschaft. Hier sehen wir unsere Aufgabe insbesondere darin, vor allem mittelständische und kleine Unternehmen für die Frage Fremdenhass und Gewalt zu sensibilisieren, ihnen Mut zu machen sich zu positionieren und damit Bündnispartner unter den Betrieben der Region zu finden. Im Jahr 1998 thematisierten wir deshalb auf unseren alljährlich stattfindenden Unternehmerabend die Auswirkung von Fremdenfeindlichkeit und Ausländerhass auf die Wirtschaft Brandenburgs und luden dazu über 70 Persönlichkeiten der regionalen Wirtschaft ein. Inzwischen gehört dieser Unternehmerabend zu den festen Traditionen im öffentlichen Leben unserer Stadt. Betriebsvereinbarung Eine Erfahrung aus den Ereignisse von 1998 war, dass wir Instrumentarien im Rahmen des Unternehmens benötigen, um arbeitsrechtliche Schritte gegen jene einzuleiten, die mit rechtsextremen und gewalttätigen Aktionen das Ansehen unseres Unternehmens beschmutzen oder mit diskriminierenden Handlungen das Betriebsklima vergiften, ob im Unternehmen oder außerhalb. Mit dieser Problematik standen wir aber nicht allein. In vielen deutschen Unternehmen werden seit einiger Zeit Lösungsansätze erprobt und umgesetzt. Vor allem international tätige Großkonzerne wie Ford, Thyssen Krupp oder Volkswagen haben Betriebsvereinbarungen abgeschlossen. Diese sichern ausländischen Mitarbeitern juristisch verbindlich Schutz gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz zu. So sind Vorgesetzte gehalten, auf Benachteiligungen und offene Attacken zu achten, Übeltäter zu belehren und notfalls mit der Kündigung zu drohen. Dabei verlangen die unterschiedlichen Bedingungen in den Unternehmen auch ein differenziertes Herangehen. Hier gibt es kein Patentrezept. So ist es schon ein Unterschied, ob der ! "# $ % &' () *) ( + *, - + Dr. Herbert Nicolaus EKO Stahl GmbH 2004-06-24 - Seite 8 Ausländeranteil im Unternehmen bei 20 bis 30 Prozent oder unter ein Prozent wie bei uns im EKO liegt. Umso unerlässlicher war und ist es, in verschiedener Form unter einander in die Diskussion zu kommen und Erfahrungen auszutauschen. Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit sind heute leider Teil der Alltagskultur. Sie äußern sich in Sprache, Verhaltensweise oder eben in Gewalt. Sie sind aber auch eingebunden in die jeweiligen Strukturen. Sie gedeihen dort am besten, wo Menschen nicht als gleichberechtigt anerkannt werden. Geschäftsführung, Vorgesetzte, Ausbilder und Betriebsräte haben daher eine besondere Verantwortung für ein entsprechendes Betriebsklima zu sorgen und müssen präventiv agieren. Auch wenn gewalttätige Auseinandersetzungen und offener Rassismus in den Betrieben eher selten sind, sollte keiner glauben, irgendein Unternehmen sei vor rassistischen Einstellungen und der Intoleranz seiner Mitarbeiter gefeit. Auch hier existieren Vorurteile, Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit in den Köpfen und finden ihre Ausdrucksformen und Verbreitung eher „schleichend“ und beiläufig. Denn es ist eine Tatsache: Dieselben, die abends in der Kneipe die „Sau“ rauslassen, den Asylbewerber an der Ecke hinter vorgehaltener Hand „Nigger“ beschimpfen, den Polen als arbeitsscheu bezeichnen, jeden Andersdenkenden, Andersaussehenden oder Andersseienden am Liebsten aus dem Land weisen oder umerziehen würden, sind doch im Betrieb, am Arbeitsplatz arbeitsam, diszipliniert und fallen nicht auf. Und auch im Betrieb selbst fängt die Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung eben nicht erst beim Schimpfwort und der offenen Beleidigung an. Oft sind es die versteckten Anspielungen, die Häme gegenüber Kollegen, die das Deutsche nicht perfekt beherrschen, der beiläufig oder hinter vorgehaltener Hand erzählte Witz. Diese Einstellungen verdichten sich dann über das klammheimliche Einverständnis mit rechtsextremistischen Parolen und Einstellungen zu einer offenen Gewaltakzeptanz und Gewalttätigkeit. Hier heißt es wehret den Anfängen. Die Förderung der Gleichbehandlung in unserem Unternehmen erfolgt zunächst mit Hilfe einer sehr konkreten Betriebsvereinbarung. Das neue Betriebsverfassungsgesetz erlaubt es den Betriebsräten, „Maßnahmen zur Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus im Betrieb“ zu beantragen. Im Jahr 2002 stellt daher Geschäftsführung und Betriebsrat im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung der „Keine Angst vor Deutschland GmbH“ eine Betriebsvereinbarung über Verhaltensgrundsätze und Arbeitsordnung vor. Unsere Absicht war es, mit dieser Form der Vorstellung sowohl einen innerbetrieblichen Dialog über diese Problematik zu inspirieren, als auch der öffentlichen Diskussion neue Impulse zu geben. Nach monatelangen Diskussionen in der Belegschaft wurde die Betriebsvereinbarung im Juni 2002 verabschiedet. In deren Präambel es heißt: „Partnerschaftliches Verhalten, Achtung der Persönlichkeit, Integration und Gleichbehandlung, Transparenz und offene Information sind wesentliche Elemente der EKO-Unternehmenskultur.... Diskriminierung, Mobbing, sexuelle Belästigung, Herabwürdigung, Verletzung von Persönlichkeitsrechten, Ungleichbehandlung und Desinformation stellen erhebliche Verstöße gegen den Grundsatz partnerschaftlichen Verhaltens und am Arbeitsplatz eine schwerwiegende Störung des Arbeitsfriedens dar. Solche Verhaltensweisen sind unvereinbar mit den Bestimmungen dieser ! "# $ % &' () *) ( + *, - + Dr. Herbert Nicolaus EKO Stahl GmbH 2004-06-24 - Seite 9 Verhaltensgrundsätze und Arbeitsordnung, und können arbeitsrechtliche Konsequenzen zur Folge haben.“ Hier werden Wertevorstellungen und Verhaltensgrundsätze formuliert, für die EKO Stahl steht und die unser Unternehmen auch nach außen hin engagiert und kompromisslos vertritt. Die Betriebsvereinbarung enthält auch einen speziellen Antidiskriminierungspassus: „EKO ist ein international operierendes Unternehmen. Die Geschäftspartner können erwarten, dass EKO-Mitarbeiter am Arbeitsplatz wie außerhalb des Arbeitsplatzes sich jeder Form der Diskriminierung enthalten. Geschäftsführung und Betriebsrat treten der Diskriminierung Dritter entschieden entgegen und erwarten dies auch von allen Mitarbeitern. Die Diskriminierung Dritter gilt als Verstoß gegen Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag und kann zu betrieblichen bzw. arbeitsrechtlichen Maßnahmen führen. Das gilt insbesondere bei Diskriminierung wegen Abstammung, Herkunft, Nationalität, Hautfarbe, Religion durch die Beteiligung an oder die Unterstützung von ausländerfeindlichen Aktivitäten oder Aktionen.“ Problematisch wird es, wenn die Diskriminierung – wie im angeführten Beispiel 1998 - außerhalb des Betriebes stattfinden. Rechtlich ergibt sich für das Unternehmen eine schwierige Situation. Es kann im Normalfall nur eingreifen, wenn der Betriebsfrieden gestört wird. Bei EKO Stahl hat daher auch Diskriminierung, die außerhalb des Betriebes stattfinden, in ihrer Betriebsvereinbarung eingeschlossen: „Geschäftsführung und Betriebsrat stimmen darin überein, dass Verstöße gegen die Menschenwürde und Verletzung von Persönlichkeitsrechten Dritter durch Mitarbeiter von EKO, auch wenn sie außerhalb der Arbeitszeit und im privaten Umfeld der Mitarbeiter erfolgen, das Ansehen des Unternehmens bei nationalen wie internationalen Kunden bzw. Lieferanten und Vertretern des politischen, kulturellen und regionalen Umfeldes herabsetzen und EKO schweren Schaden zufügen.“ Nicht vergessen werden sollte auch der Schutz eigener Mitarbeiter vor betriebsfremden Personen. Sehr viele Fremdfirmen und Dienstleister sind auf unseren Unternehmensgelände tätig. Die Ausweitung der unternehmenseigenen Vorstellungen zur Diskriminierung auf diese Unternehmen kommt dabei immense Bedeutung zu. In der Betriebsvereinbarung ist dazu formuliert: „Geschäftsführung, Führungskräfte und Betriebsrat sind sich ihrer Verpflichtung und Vorbildrolle für partnerschaftliches Verhalten und ein positives Betriebsklima bewusst.... Sie werden zugleich in geeigneter Weise die Mitarbeiter von Fremdfirmen auf Prinzipien und den Geist dieser Betriebsvereinbarung verpflichten.“ Eine solche Betriebsvereinbarung, die Verhaltensgrundsätze aufstellt und Wertvorstellungen vermittelt, muss im Unternehmen auch gelebt werden. Es geht also nicht nur um Absichtserklärungen, sondern auch um Qualifizierung bzw. um die Erweiterung der sozialen Kompetenzen unserer Mitarbeiter und Führungskräfte. Daher kommt der Umsetzung in die betriebliche Praxis und der Herausbildung einer Kultur der Gleichbehandlung, eine zentrale Bedeutung zu. Bei uns erhielten deshalb diese Themen einen zentralen Platz in Informationsund Unterweisungsveranstaltungen sowie im Fort- und Weiterbildungsprogramm, ! "# $ % &' () *) ( + *, - + Dr. Herbert Nicolaus EKO Stahl GmbH 2004-06-24 - Seite 10 insbesondere der Führungskräfteschulungen und der Seminare für Ausbilder und Ausbildungsbeauftragten. Besonderes Augenmerk gilt der Jugend Sinkende Hemmschwellen gegenüber Gewalt, fremdenfeindliche Umtriebe von martialisch auftretenden Jugendgangs, aber auch rechtsextreme Parolen frisch gewaschener und adrett gekämmter Jugendlicher beunruhigen die Öffentlichkeit. Aktuelle Studien bestätigen, dass insbesondere unter Auszubildenden und jungen Facharbeitern eine große Gruppe sich „rechts“ definierender Jugendlicher heranwächst. Jugendliche, die nicht als brandschatzende Gewalttäter die Unterkünfte Asylsuchender angreifen und Andersdenkende terrorisieren. Berufstätige Jugendliche mehr noch als arbeitslose, gewerkschaftlich organisierte eher als unorganisierte, neigen zu rechten politischen Orientierungen. Deshalb kann die Arbeit gegen Fremdenfeindlichkeit und rassistische Haltungen nicht auf die Auseinandersetzung mit besonders auffälligen Randgruppen konzentriert bleiben, sondern muss die normalen Jugendlichen einbeziehen, bildet doch deren schweigende Zustimmung oder auch nur Abwendung von der Gewalt zugleich die Voraussetzung für das Anwachsen der Gewalt. Umso dringlicher sind hierbei vor allem die Wirtschaftsunternehmungen gefragt, ihre Verantwortung für das Gemeinwesen und die heranwachsende Generation wahrzunehmen. Die Ursachen für rechtextremistische Orientierungen, für Gewaltbereitschaft und Intoleranz sind vielschichtig. Sie liegen sowohl in individuellen und familiären Prägungen als auch in sozialen, kulturellen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Dazu beigetragen haben nicht nur die Umbrüche der 1990er Jahre bei Jugendlichen und ihren Elternhäusern, sondern auch eine desolate Ausbildungs- und Arbeitsplatzsituation und die damit verbundene Unsicherheit der individuellen Lebensperspektiven. Fremdenfeindlichkeit wächst auch aus Fremdenangst und Zukunftsangst. Es gilt, diese Ängste ernst zu nehmen und ihnen zu begegnen. Aus dieser Erkenntnis heraus erwächst die besondere Verantwortung der Wirtschaft für die Jugend insgesamt und speziell für den eigenen Nachwuchs. Aber anstatt über die Jugend zu reden, wolle man mit der Jugend diskutieren, so das eindeutige Credo der Geschäftsführung von EKO Stahl. Deshalb veranstalteten wir am 1. September 1998 unter dem Motto „EKO 2002 - Ich bin dabei“ den ersten Jugendtag, an dem über 300 Auszubildende vom unternehmenseigenen Berufsbildungszentrum (BBZ) und unserer Tochtergesellschaft QualifizierungsCentrum der Wirtschaft GmbH (QCW) teilnahmen. In einem virtuellen Hörsaal, umrahmt von einer Multimediashow, äußerten sich zunächst Persönlichkeiten aus unserem Unternehmen zur Ausbildung und zu eigenen Erfahrungen im Berufsleben. Den Auftakt zur zweiten Runde des Jugendtages gab der Rapper „Der Wolf“ und appellierte mit seiner Musik an die Vernunft - „jeder der nur zusieht, wartet umsonst darauf, das Friede wird“. Eine anschließende Podiumsdiskussion hatte das Thema „Jugend und Gewalt“. Bei dieser Gelegenheit ! "# $ % &' () *) ( + *, - + Dr. Herbert Nicolaus EKO Stahl GmbH 2004-06-24 - Seite 11 stellte die Geschäftsführung ihren Aufruf gegen Gewalt und Rechtsextremismus, für Toleranz vor. Wie vielschichtig und kompliziert diese Thematik ist, zeigte die Meinungsäußerung eines Auszubildenden, der sagte, die wahre Stimmung habe sich nicht bei der Podiumsdiskussion gezeigt: „Die wirklichen Rechten hatten einfach Angst, sich zu Gewalttaten zu bekennen.“ Eine Weiterführung des Dialoges war notwendig und neue Wege mussten beschritten werden. Als Fortsetzung des Jugendtages starteten wir im Dezember 1998 gemeinsam mit Box-Weltmeister Dariusz Michalczewski eine Unterschriftenaktion mit der EKOJugend. Zusammen mit dem prominenten Gast setzten damals 116 Auszubildende ihren Namenszug unter den Aufruf für ein tolerantes Brandenburg, gegen Gewalt und Ausländerhass. Nach seiner Unterzeichnung forderte der gebürtige Pole die Jugendlichen auf, sich aktiv gegen Rechtsradikalismus und Gewalt zu stellen. Wichtig sei es aber auch, den jungen Leuten eine sinnvolle Beschäftigung zu ermöglichen. „Statt mehr Geld für Polizei auszugeben, sollten mehr Turnhallen gebaut werden.“ Sport sei und damit sprach er aus eigener Erfahrung, ein wichtiges Instrument, um junge Leute von Gewalt abzuhalten. Eine Forderung, auf die auch EKO Stahl mit seinem Konzept der Prävention setzt. Dazu gehören eine sichere Zukunftsperspektive für die Jugend, mit Ausbildungsplatz und Berufschancen, die Schaffung eines regionalen Umfeldes mit attraktiven Freizeitmöglichkeiten sowie ein qualifizierter und respektvoller Umgang mit den Problemen der Jugendlichen. Vor dem Hintergrund, dass Belegschaften in Unternehmen häufig international sind und es noch stärker werden, und dass sich Europa nach Osten erweitert hat, verändert sich im geeinten Europa auch die Situation der Berufsausbildung. Deshalb setzen wir in unserem Ausbildungsprogramm neben der fachlichen Kompetenz auch auf die Vermittlung sozialer Werte. Wir fördern seit Jahren transnationale Austauschprogramme und internationale Jugendbegegnungen. Der besondere Stellenwert solcher Aktivitäten besteht für unser Unternehmen darin, dass den Teilnehmern die eigenen persönlichen, regional und national geprägten Sicht- und Denkweisen in der Auseinandersetzung mit fremden Kulturen bewusst werden. Diese Begegnungen dienen dem praktischen Kennen- und Verstehenlernen anderer Kulturkreise und tragen damit zum Bewusstwerden von eigener Identität und zur Förderung von Mobilität in einem Europa ohne Binnengrenzen bei. Prävention nach dem Verständnis unseres Unternehmens zielt vor allem auf eine Stärkung toleranter Umgangsformen miteinander, mit Fremden im Unternehmen und darüber hinaus, aber auch auf die Ausbildung eines weltoffenen Bewusstseins, das für die Demokratie im geeinten Europa von zentraler Bedeutung ist. In der so genannten Kennenlernwoche, also den ersten Tagen nach Beginn ihrer Ausbildung bei EKO Stahl, werden mit unseren neuen Auszubildenden vielfältige Veranstaltungen durchgeführt, bei denen vor allem auch das Thema Toleranz und Gewalt diskutiert wird. „Schon an ihrem ersten Tag in der Firma wissen unsere Lehrlinge dann, dass ihre Jobs von ausländischem Kapital abhängen und sie bei einem weltweit tätigen Unternehmensverbund arbeiten“, sagte Ausbilder Rolf Weber. Jedoch mussten unsere Ausbilder auch feststellen, dass rechtes Gedankengut bei ! "# $ % &' () *) ( + *, - + Dr. Herbert Nicolaus EKO Stahl GmbH 2004-06-24 - Seite 12 Jugendlichen oft schwer zu erkennen ist, da viele nicht offen ihre Einstellung zeigen. Aufgrund des öffentlichen Bekenntnisses von EKO Stahl, halten sich viele Jugendliche zurück, um nicht ihren Ausbildungsplatz zu gefährden. „Hier sagt sowieso nicht jeder, was er denkt“, war die ernüchternde Feststellung eines Auszubildenden. Unser Unternehmen sah in dieser Hinsicht dringenden Handlungsbedarf, um den begonnenen Dialog mit den Jugendlichen nicht zu gefährden. Wir begannen, Schulungsseminare für die Ausbilder des Unternehmens zu organisieren, um deren Basiswissen zur Wahrnehmungs- und Kommunikationspsychologie sowie zur Konflikttheorie und -bewältigung zu erweitern. Auf dem EKO-Jugendtag im September 1998 vereinbarten das Brandenburger Bildungsministerium und unser Unternehmen die Durchführung eines Pilotprojektes gegen Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit. Wir sahen unsere Verantwortung vor allem darin, jene zu qualifizieren, die an den Schnittstellen von Gewaltprävention und multikultureller Integration tätig sind. In einem dreitägigen Seminar wurden deshalb im Februar und März 1999 zehn Ausbilder unseres Berufsbildungszentrums und des QCW sowie Lehrkräfte des Oberstufenzentrums Eisenhüttenstadt im Umgang mit Rechtsextremismus und Fremdenhass geschult. Zur Erfüllung der mittel- und langfristigen Unternehmensziele braucht unser Unternehmen ständig neue Talente mit standortgerechter Wissenskombination: von naturwissenschaftlich-technischen Stahlkenntnissen über Kulturund Fremdsprachenkenntnis bis zu entsprechenden sozialen Handlungskompetenzen. Das betrifft nicht nur Ingenieure und Akademiker in Forschung, Produktion, Verkauf und Verwaltung, sondern auch breit gefächerte Facharbeiter-Berufsbilder, die modernsten Anforderungen genügen. Die Vermittlung sozialer Werte, wie das Eintreten für Menschlichkeit gegen Intoleranz und Diskriminierung, haben in unserer Berufsausbildung einen hohen Stellenwert. Diese Fähigkeiten sind entscheidende Kriterien für eine Übernahme in unser Unternehmen. Anmerkungen zum Thema Der mit unserem Aufruf im Sommer 1998 begonnene Weg war lang und nicht immer von Erfolgen begleitet. Gleichwohl gab es seitdem positive Entwicklungen. Das Engagement gegen Ausländerfeindlichkeit und für Toleranz erfuhr in den letzten Jahren immer mehr öffentliche Aufmerksamkeit und Ermutigung. Längst sind Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit keine Tabuthemen mehr. Mit unserer Initiative haben wir vor allem denjenigen Mut gemacht, die noch zögerlich oder gar ängstlich dem „rechten Phänomen“ entgegenstehen, ob kommunale Entscheidungsträger, Lehrer und Sozialarbeiter, kleine und mittlere Unternehmer und auch nur den einfachen Menschen. Zahlreiche Initiativen haben sich gebildet, neue regionale und lokale Bündnisse sind geschlossen worden. Öffentlich Flagge gegen Rechts zu zeigen, das ist in vielen Teilen unserer Gesellschaft schon gelungen. Gerade in Brandenburg werden vielfältige Anstrengungen in der Auseinandersetzung ! "# $ % &' () *) ( + *, - + Dr. Herbert Nicolaus EKO Stahl GmbH 2004-06-24 - Seite 13 mit Rassismus und zur Stärkung einer demokratischen Kultur unternommen. Unser Unternehmen beteiligt dabei aktiv im Bündnis „Tolerantes Brandenburg“, in der „Aktion Courage“ Eisenhüttenstadt und dem Brandenburger Landespräventionsrat. Trotz der sicherlich positiven Entwicklungen, gibt es aber auch Probleme, die man nicht verschweigen sollte: 1. Schwung und Engagement im Kampf gegen Rechtextremismus und Gewalt drohen nachzulassen. Mit dem Erfolg im Rücken, und seitdem das Thema aus den Schlagzeilen der Medien verschwand, ist es merklich ruhiger geworden. Dies ist eine gefährliche Tendenz. Das Thema muss immer wieder auf der Tagesordnung stehen, nicht nur dann, wenn schnelle Medienpräsent damit zu machen ist. Es stellt sich die Frage, wie es gelingt, vom Kampagnencharakter weg zu kommen und eine Nachhaltigkeit zu erzeugen, die auch immer wieder von den Menschen angenommen wird. 2. Experten stellen in den letzten Jahren einen zunehmenden Wandel in den Erscheinungsformen des Rechtsextremismus in unserer Gesellschaft fest. Sie konstatieren beispielsweise eine Abschwächung der Bedeutung von offener Symbolik und einen Wandel des aggressiven, rückständigen gewalttätigen Rechtsextremismus zu angeblich moderateren Varianten des Rechtspopulismus. Angesichts dessen stellt sich die Frage, ob wir auf diese Entwicklung besser vorbereitet sind, als wir es in den 1990er Jahren waren. Entscheiden wir uns wiederum für ein reaktives Vorgehen oder setzen wir an den Ursache-Wirkungszusammenhängen an, das heißt auch die bestehenden Formen und Methoden, Bündnisse und Initiativen kritisch auf ihre Wirkung und ihren Resultaten zu hinterfragen. Die Wirtschaft hat in unserer Gesellschaft eine besondere Vorbildfunktion. Im Bewusstsein dessen bezieht die EKO Stahl Stellung in Frage Toleranz und Vielfalt. Mit vielfältigen Aktivitäten unterstützten wir in den letzten Jahren das Bemühen unterschiedlicher gesellschaftlicher Kräfte, die Gesellschaft gegen Rechtsextremismus, für Toleranz und Solidarität zu mobilisieren. Das begann beim eigenen Engagement im Bereich der Wirtschaft, beinhaltete die Prävention im Umgang mit der Jugend und erstreckte sich bis zur Initiierung und Unterstützung interkultureller Aktivitäten. Das Eintreten der EKO Stahl GmbH gegen Fremdenfeindlichkeit und Gewalt basiert somit nicht nur auf wirtschaftlichen und kommerziellen Erfordernissen, sondern ist auch als unser Beitrag zur Ausgestaltung einer Gesellschaft der Vielfalt, Toleranz und Anerkennung und zur Weiterentwicklung unserer unverwechselbaren Unternehmenskultur zu verstehen. ! "# $ % &' () *) ( + *, - + Dr. Herbert Nicolaus EKO Stahl GmbH 2004-06-24 - Seite 14 Zur Person: Dr. Herbert Nicolaus ist Koordinator für Interne Kommunikation bei der EKO Stahl GmbH in Eisenhüttenstadt. Adresse: EKO Stahl GmbH Arcelor Gruppe Postfach 7252 D-15872 Eisenhüttenstadt ! "# $ % &' () *) ( + *, - +