Materialien zur Fallstudie EKO
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Materialien zur Fallstudie EKO
Materialien zur Fallstudie EKO-Stahl M 1 – Vorfall in Eisenhüttenstadt M 2 – Das Geschehen am Wochenende M 3 – Die strafrechtliche Seite M 4 – Die Stellung von Auszubildenden im Betrieb M 5 – Geschichte und Gegenwart der EKO-Stahl GmbH M 6 –Aktionen von EKO-Stahl, Urteil des Landgerichts Die Quellen für die Materialien sind nachgewiesen. Details (wie Wochentage und Namen) sind modifiziert bzw. erfunden worden, wodurch die Strukturen des Geschehens und der Rahmenbedingungen aber nicht geändert wurden. M 7 – Phasen der Fallstudie (Folie) M 8 – Sitzung der Geschäftsführung mit Betriebsrat, Jugendvertretung und Ausbildungsleiter (Folie) Danksagung: Die Recherchen und Einschätzungen wurden durch die Hilfe der Firma EKO Stahl (besonders Herr Dr. Nicolaus), der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau (Herr Prof. Dr. Heimann und Herr Dr. Brockmeier) und der Märkischen Oderzeitung (Archiv: Frau Block) ermöglicht. Bitte an Lehrer und Lehrerinnen: Falls Sie die Fallstudie im Unterricht verwenden, bitte ich um einen kleinen Bericht über Ihre Erfahrungen. Meine E-Mail-Adresse: [email protected] Der Textteil der Fallstudie wird veröffentlicht in Gesellschaft – Wirtschaft – Politik (GWP) – Sozialwissenschaften für politische Bildung 2006, Heft 3, Rubrik „Didaktische Praxis“. Die Internet-Seite der Zeitschrift ist www.gwp-pb.de M 1 – Vorfall in Eisenhüttenstadt An jedem Montagmorgen bespricht die Geschäftsführung der EKO-Stahl, einem früheren Stahlkombinat in Eisenhüttenstadt in Brandenburg, die Aufgaben der kommenden Woche. An diesem Montag, dem 15. Dezember 1997, platzt eine Sekretärin in die Besprechung: Am Wochenende hätten – so wird in der Stadt erzählt – drei junge Leute, darunter zwei Lehrlinge von EKO-Stahl, den kroatischen Wirt eines Lokals in der Innenstadt verprügelt. Der Wirt sei erheblich verletzt worden und könne sein Restaurant im Moment erst einmal nicht betreiben. Die Geschäftsführung – die Herren Dr. Auwald, Barcikowski und Clemens – bittet den Vorsitzenden des Betriebsrats, Herrn Wachsmann, in die Besprechung. Welche Fragen stellen sich die vier Herren? Welche Fragen stellen sich Euch? Einige weitere Informationen zu EKO-Stahl (für Lernende im Osten Deutschlands sind die Namen der Stadt und des Betriebes geläufig, aber nicht für alle Lernenden im Westen): Zu DDR-Zeiten war EKO ein Eisenhüttenkombinat mit ca. 13.000 Beschäftigten, das die Stadt bestimmte. Nach dem Beitritt der DDR zur BRD war die wirtschaftliche Situation mehrere Jahre lang unsicher, stabilisierte sich dann aber. Zuerst kaufte die belgische Firma Cockerill die EKO Stahl. Cockerill wurde 1999 von dem französischen Stahlkonzern USINOR übernommen. Im Jahr 2002 fusionierten Usinor (französisch) und Arceralia (spanisch) und Arbed (Luxemburg) zur Arcelor (Luxemburg). 2006 fusionierte Arcelor mit Mittal Steel (britisch-niederländisch) zu Arcelor Mittal (Luxemburg). EKO Stahl ist der größte Industriebetrieb in Ostbrandenburg mit heute ca. 3.000 Beschäftigten. Die Stadt Eisenhüttenstadt liegt nahe der Grenze zu Polen (ca. 5 Kilometer). M 2 – Das Geschehen am Wochenende Die Märkische Oderzeitung berichtet am 12. Februar 1998 auf der Lokalseite Eisenhüttenstadt: Eigentlich wollten die drei jungen Eisenhüttenstädter Frank (Y), Marcel (X) und Diemo (Z) nach gemeinsamem Umtrunk am späten Abend des 9. Dezember noch einen anderen Kumpel aufsuchen, denn ihr Durst war noch nicht gestillt. Was dann passierte, war nicht geplant, bestätigten alle drei vor dem Jugendschöffengericht, doch alle drei waren beteiligt. Vor dem Balkangrill kam einer auf die Idee, dort die Zeche zu prellen. Also lasen sie die aushängende Speisekarte und machten sich über die Schreibweise einiger Gerichte lustig. Als sie den Wirt Zoran C. hinter dem Fenster sahen, wurden sie aggressiv. Alle drei gaben zu, kein gutes Verhältnis zu Ausländern zu haben. Frank (Y) dazu: „Ich vertrete die Meinung, daß er auch in Kroatien Geld verdienen und Steuern bezahlen kann. Die Ausländer nehmen uns hier die Arbeit weg!“ Marcel (X): „Wir haben uns laut lustig gemacht über die Sprache.“ Das sah konkret so aus, dass alle drei unter anderem riefen: „Ausländer sind Schweine. Du Dreckschwein, was willst Du in Deutschland, geh nach Hause.“ Dies veranlaßte den Wirt, vor die Tür zu treten, den am nächsten stehenden Frank (Y) zu sagen, wenn er Probleme mit ihm habe, sollten sie das von Mann zu Mann hinter dem Haus klären. Die zwei gingen auch hinter das Restaurant. Leider blieb es nicht beim Gespräch. Es kam zur Rangelei, in die auch Marcel (X) und Diemo (Z) eingriffen, zudem der 68jährige bulgarische Koch. (…) (Er) schilderte vor Gericht, dass einer der Angeklagten eine Bierflasche gegen den Wirt richtete. (…) Die Flasche fiel zu Boden und zersplitterte. Im Verlauf der Rangelei stürzte der Koch und zog sich (…) arge Schnittverletzungen zu. Die Täter ergriffen die Flucht, wurden aber nur wenig später von der Polizei gestellt. Zoran C., der Wirt vom „Balkangrill“, lebt schon seit sieben Jahren in Deutschland und ist vielen als früherer Spieler des EFC Stahl bekannt. (…) „Habe so etwas in den sieben Jahren in Deutschland noch nicht erlebt.“ M 3 – Die strafrechtliche Seite Die Märkische Oderzeitung berichtet am 11. Februar 1998 aus dem Jugendschöffengericht Eisenhüttenstadt, dass die drei Heranwachsenden (im Alter von 18 bis 20 Jahren) wegen Volksverhetzung in Tateinheit mit Beleidigung und gefährlicher Körperverletzung angeklagt waren. MOZ vom 11.2.1998 (Lokalseite Eisenhüttenstadt): Die drei Eisenhüttenstädter Schläger, die Ende letzten Jahres den Inhaber der Gaststätte „Balkangrill“ angriffen, wurden gestern vom Jugendschöffengericht wegen Volksverhetzung in Tateinheit mit Beleidigung und gefährlicher Körperverletzung verurteilt: Frank (Y) bekam unter Einbeziehung eines weiteren Urteils eine Jugendstrafe von zwei Jahren, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird, Diemo (Z) zwei Jahre Knast mit zweijähriger Bewährung und Marcel (X), schon mit Auflagen des Gerichts belegt, zwei Jahre und acht Monate. Der Haftbefehl gegen Marcel (X) bleibt aufrechterhalten. (…) In der Hauptverhandlung gestanden alle drei Täter. Sie räumten ein, daß sie allgemein Probleme mit Ausländern hätten. (…) Das folgende Material ist Hintergrundmaterial aus dem Strafgesetzbuch und dem Jugendgerichtsgesetz. Für das unmittelbare Verständnis des Ablaufs ist es nicht erheblich, kann aber die Einordnung der Urteile fundieren. Falls Lerngruppen große Probleme mit dem Verarbeiten von Texten haben sollten diese Teile nicht bearbeitet werden müssen. Strafgesetzbuch (i.d.F. vom 1.9.2005): § 130 Volksverhetzung (1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, (…) 2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, daß er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. § 185 Beleidigung Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe (…) bestraft. § 224 Gefährliche Körperverletzung (1) Wer die Körperverletzung (…) 2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, (…) 4. mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich (…) begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Jugendgerichtsgesetz (i.d.F. vom 21.12.2004) § 1 Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich (1) Dieses Gesetz gilt, wenn ein Jugendlicher oder ein Heranwachsender eine Verfehlung begeht, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe ist. (2) Jugendlicher ist, wer zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn, Heranwachsender, wer zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist. § 5 Die Folgen der Jugendstraftat (2) Die Straftat eines Jugendlichen wird mit Zuchtmitteln oder mit Jugendstrafe geahndet, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen. § 18 Dauer der Jugendstrafe (1) Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. (…) Die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gelten nicht. (2) Die Jugendstrafe ist so zu bemessen, daß die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist. § 21 Strafaussetzung (1) Bei der Verurteilung zu einer Jugendstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt der Richter die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Jugendliche sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und (…) künftig einen rechtschaffenen Lebenswandel führen wird. (…) (2) Der Richter setzt unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Jugendstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aus, wenn nicht die Vollstreckung im Hinblick auf die Entwicklung des Jugendlichen geboten ist. § 105 Anwendung des Jugendstrafrechts auf Heranwachsende (1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen gelten Vorschriften der §§ 4 bis 8 (…) und 13 bis 32 entsprechend an, wenn 1. die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, daß er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand (…). (3) Das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende beträgt zehn Jahre. M 4 –Die Stellung von Auszubildenden im Betrieb Die beiden Heranwachsenden Frank (Y) und Marcel (X) waren Lehrlinge bei EKO-Stahl in Eisenhüttenstadt. Die Stellung von Lehrlingen (= korrekt heißen sie Auszubildende) ist im Berufsbildungsgesetz BBiG von 2005 geregelt (die hier interessierenden Vorschriften gab es schon im alten Berufsbildungsgesetz von 1969). Die Ausbildungsverträge, die zwischen Betrieb und Auszubildenden abgeschlossen werden müssen, beziehen sich auf das BBiG und übernehmen in der Regel Formulierungen teilweise wörtlich. Berufsbildungsgesetz 2005 § 13 Verhalten während der Berufsausbildung Auszubildende haben sich zu bemühen, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erwerben, die zum Erreichen des Ausbildungsziels erforderlich ist. Sie sind insbesondere verpflichtet, 1. die ihnen im Rahmen ihrer Berufsausbildung aufgetragenen Aufgaben sorgfältig auszuführen, 2. an Ausbildungsmaßnahmen teilzunehmen, für die sie nach § 15 freigestellt werden, 3. den Weisungen zu folgen, die ihnen im Rahmen der Berufsausbildung von Ausbildenden (…) oder von anderen weisungsberechtigten Personen erteilt werden, 4. die für die Ausbildungsstätte geltende Ordnung zu beachten, 5. Werkzeug, Maschinen und sonstige Einrichtungen pfleglich zu behandeln, 6. über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Stillschweigen zu wahren. § 22 Kündigung (1) Während der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis jederzeit ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden. (2) Nach der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis nur gekündigt werden 1. aus einem wichtigen Grund ohne Einhalten einer Kündigungsfrist, 2. vom Auszubildenden mit einer Kündigungsfrist von vier Wochen, wenn sie die Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen wollen. (3) Die Kündigung muss schriftlich und in den Fällen des Absatzes 2 unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen. (4) Eine Kündigung aus einem wichtigen Grund ist unwirksam, wenn die ihr zugrunde liegenden Tatsachen dem zur Kündigung Berechtigten länger als zwei Wochen bekannt sind. Ist ein vorgesehenes Güteverfahren vor einer außergerichtlichen Stelle eingeleitet, so wird bis zu dessen Beendigung der Lauf dieser Frist gehemmt. M 5 – Geschichte und Gegenwart der EKO-Stahl GmbH Das Unternehmen EKO-Stahl in Eisenhüttenstadt feierte im Jahr 2000 sein fünfzigjähriges Bestehen. Das Unternehmen berichtet in seiner Broschüre „Ein Unternehmen zeigt Flagge“ (2002) – natürlich in positiver Bewertung – über seine Geschichte: Am Anfang, im Jahre 1950, waren es zunächst ukrainisches Eisenerz und polnischer Koks, die für das Hüttenkombinat an der Oder lebensnotwendig waren. Als sich dann (…) Probleme einstellten und kaum verwertbares Eisen erschmolzen wurde, kamen Spezialisten aus dem Ural und halfen, die Schwierigkeiten zu überwinden. (…) Aus diesen ersten Kontakten zur Sowjetunion entwickelte sich über die Jahre eine enge Zusammenarbeit mit metallurgischen Kombinaten und Forschungseinrichtungen, die bis heute anhält. (…) Diese Mitarbeiter verkörpern bis heute einen Teil jener Ostkompetenz von EKO Stahl, die die Besonderheit des Unternehmens ausmacht. (…) Im Zuge des Entspannungsprozesses kam es seit den 70er Jahren außerdem zu intensiveren Kontakten in die westliche Welt. (…) Das Konverterstahlwerk, das bei seiner Fertigstellung im Jahre 1984 zu den modernsten seiner Art gehörte, realisierte ein österreichisches Unternehmen mit Monteuren und Bauarbeitern aus zehn europäischen Ländern. Auch nach der politischen Wende im Osten Deutschlands war EKO Stahl auf die materielle und finanzielle Hilfe aus dem Ausland angewiesen. Nach mehreren gescheiterten Privatisierungsversuchen (…) war es schließlich der belgische Stahlkonzern Cockerill Sambre, der EKO Stahl eine neue Perspektive gab. (…) Zahlreiche ausländische Unternehmungen und Firmen beteiligten sich in den 90er Jahren an Großinvestitionen zur Sanierung und Modernisierung von EKO Stahl. (…) (EKO Stahl) ist heute eines der modernsten integrierten Hüttenwerke in Europa. Im Jahre 1999 wurde Cockerill Sambre durch den französischen Stahlkonzern USINOR übernommen (…). EKO Stahl bildet die geschäftliche und firmenpolitische Nahtstelle zwischen Deutschland und Osteuropa. (…) Der Weltkonzern aus Frankreich plant bis zum Jahr 2010 zum führenden Flachstahlhersteller in der Welt aufzusteigen. (…) (Dabei) wird EKO Stahl auf den internationalen Märkten vor allem mit hochwertigem und oberflächenveredeltem Flachstahl von höchster Qualität dabei sein. Schwerpunkte bilden die Marktsegmente Automobile, Haushaltsgeräte und die Bauindustrie. (S. 8 – 10 – Auszüge, einschließlich der folgenden Grafik) Die Geschichte Brandenburgs hatte bewiesen, daß die Bereitschaft, Fremde aufzunehmen und über die eigenen Grenzen hinweg zusammenzuarbeiten, unverzichtbare Bedingungen für den Aufstieg des Landes waren. Nicht zuletzt war es der Fleiß der aus Frankreich vertriebenen Hugenotten, aufgenommen vom Kurfürsten Friedrich Wilhelm, die handwerkliche Meisterschaft der von Friedrich II. herbeigeholten holländischen Deichbauer, Salzburger Zinngießer und böhmischen Weber sowie der Unternehmergeist der großen Industriellen des 19. Jahrhunderts von Siemens und Borsig, die aus anderen deutschen Gegenden in das märkische Land kamen, die auch zum historischen Erfolg Brandenburgs beitrugen. Am Beginn des neuen Jahrhunderts ist das nicht anders. (S. 2) In der Festschrift der EKO Stahl äußern sich zwei Lehrlinge über die beiden früheren Kollegen: Sie bekamen im EKO die Chance eines Ausbildungsplatzes und die Garantie, danach auch übernommen zu werden. (…) Es gibt genügend andere, die keinen Ausbildungsplatz kriegen. So ein Ausbildungsplatz bei EKO ist doch wie ein Sechser im Lotto. (S. 21 – rechte Leiste) Auf einer Veranstaltung des Ostforums der SPD in Leipzig im Jahr 2005 erinnern sich der Vorsitzende des Betriebsrats und der Geschäftsführer für Personal- und Sozialwesen an die Vorgänge 1997: Holger Wachsmann, Betriebsratsvorsitzender bei EKO-Stahl (seit 1996): Es gab (…) 1997/98 eine sehr starke Zunahme von rechtsextremen Aktionen und Gewalttaten auch bei uns. Dann gab es zwei Schlüsselerlebnisse. Einmal Ende 1997 hatten zwei Auszubildende von EKO-Stahl, leicht angetrunken, abends den Koch eines ausländischen Restaurants verprügelt. (…) (Wir) haben mitbekommen, daß inzwischen die Jugendlichen, die damals 1998 anderer Meinung waren, sich gar nicht mehr getraut haben ihre Meinung zu sagen. Die rechten oder vermeintlich rechten Jugendlichen hatten praktisch auf der Straße das Sagen und andere, die anderer Meinung waren, haben sich nicht mehr getraut, ihre Meinung offen zu äußern. Das waren die beiden Schlüsselerlebnisse neben den ganzen anderen Vorkommnissen. (…) Es gibt den humanistischen Anspruch. Aber es gibt auch das knallharte wirtschaftliche Interesse. Rechtsextremismus hat noch keine Arbeitsplätze geschaffen, im Gegenteil, sie vernichten Arbeitsplätze. EKO ist ein ganz gutes Beispiel. Schon zu DDR-Zeiten kamen unsere Rohstoffe aus dem Ausland. Viele unserer Produkte sind ins Ausland gegangen. EKO wurde mit ausländischen Unternehmen nach der Wende gerettet. (S. 78+79 – Auszüge) Rainer Barcikowski, Geschäftsführer Personal- und Sozialwesen bei EKO-Stahl: Es gibt nicht nur die moralisch-ethischen Gründe aus der Historie der Wege zum Faschismus, sondern – wie es auch der Betriebsratsvorsitzende gesagt hat – es gibt auch in der Frage der globalen Wirtschaft einen ungeheuren wirtschaftlichen Druck, Toleranz nach innen und nach außen zu proklamieren. (…) Ich werde Fach- und Führungskräfte nur nach Eisenhüttenstadt holen können oder sie behalten können, wenn die weichen Faktoren positiv stimuliert sind. Das heißt, ein Bürger oder eine Fachkraft zieht ungern dahin, wo Rechtsextremismus tobt. Im Grundsatz wollen die eine bürgerliche, eine demokratische-bürgerliche Kultur, die auch alles andere blühen und leben läßt. Das wollen sie vorfinden. (S. 98+101 – Auszüge) M 6 –Aktionen von EKO Stahl, Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Im Folgenden werden Reaktionen und Aktionen des Unternehmens EKO Stahl in zeitlicher Reihenfolge mit knappen Hinweisen berichtet. 1998 Die Eisenhüttenstädter EKO Stahl GmbH hat einen Auszubildenden fristlos entlassen, weil er aus ausländerfeindlichen Motiven zusammen mit zwei anderen jungen Männern den Koch eines jugoslawischen Restaurants niedergeschlagen hatte. Der Junge Mann ist wegen der Attacke mittlerweile zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Ein zweiter Auszubildender, der an dem Überfall ebenfalls beteiligt war, konnte zwar seine Lehre beenden. Er wurde danach aber entgegen der Gepflogenheiten nicht übernommen. Dieses Vorgehen machte das Stahlunternehmen bei einem Unternehmerabend am Freitag publik. (BerlinOnline: Berliner Zeitung Archiv, 2.11.1998, S. 27) 1998 Der Betriebsrat beteiligt sich an einer „Plattform gegen Rechts“. Die Geschäftsführung beschließt einen Aufruf „Gegen Rechtsextremismus und Gewalt, für Toleranz“. Die Firma beteiligt sich aktiv an der Initiative „Weltoffenheit schafft Arbeitsplätze“ des Brandenburger Wirtschaftsministeriums. Die Firma veranstaltet ihren ersten Jugendtag unter dem Motto „EKO 2002 – Ich bin dabei“. In einem Aufruf verurteilt das Unternehmen jegliche Form von Gewalt gegen Ausländer. Die Firma beteiligt sich an dem Aktionsprogramm der Brandenburger Landesregierung „Tolerantes Brandenburg“. Der Boxweltmeister im Halbschwergewicht, Dariusz Michalczewski, unterzeichnet in der Firma einen „Aufruf gegen Gewalt und für Toleranz“ – seinem Beispiel folgen über hundert Auszubildende des Unternehmens. 1999 Postkartenaktion im Rahmen der Landesinitiative „Tolerantes Brandenburg“ – jeder Mitarbeiter kann ein persönliches Zeichen mitteilen. Seminar für Ausbilder, damit sie aktiv fremdenfeindlichen Tendenzen entgegentreten können. Hinter einer Demonstration der NPD fegen junge Metaller der EKO Stahl her unter dem Motto „Wir fegen weg, den Nazidreck“. Die Firma unterstützt ein Französisches Wochenende für die Region. Wie jedes Jahr seit 1993 wird ein berufsbezogener Jugendaustausch mit einer Partnerschule in Polen durchgeführt. Geschäftsführung, Betriebsrat und IG Metall veranstalten ein Kulturfest unter dem Motto „Fest(e) gegen Ausländerfeindlichkeit, Rechtsextremismus und Gewalt“. 2000 Verschiedene Ausstellungen und Begegnungen werden unterstützt oder veranstaltet. Die Firma veranstaltet ihren zweiten Jugendtag unter dem Motto „Karrierestart“. Über 400 Jugendliche diskutieren über berufliche Perspektiven bei der EKO Stahl und die Firmen- und Stadtkultur. Eine Kampagne des Deutsch-Polnischen Jugendwerkes wird von EKO und dem Boxweltmeister Michalczewski initiiert. (Angaben aus Ein Unternehmen zeigt Flagge, S. 30 – 32) 2001 „Inzwischen wissen unsere 600 Lehrlinge, daß sie mit intolerantem Fehlverhalten einen sicheren Job aufs Spiel setzen“, so Neumann. Seitdem habe das niemand mehr riskiert. (Lausitzer Rundschau vom 12.04.2001) Betriebsrat und Geschäftsführung arbeiten – auch in Kooperation mit anderen Firmen – an einer Betriebsvereinbarung, die Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit auch außerhalb des Betriebes als Verstoß gegen die Betriebsordnung einstuft. 2004 Am 1. Oktober trat die zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat abgeschlossene Betriebsvereinbarung über Verhaltensgrundsätze und Arbeitsordnung der EKO Stahl in Kraft. Die Präambel sagt u.a.: Partnerschaftliches Verhalten, die Achtung der Menschenwürde und Persönlichkeitsrechte sind nicht auf den Arbeitsplatz beschränkt. Diskriminierung Unternehmensfremder durch Mitarbeiter der EKO Stahl GmbH schädigen den Ruf des Unternehmens. Geschäftsführung und Betriebsrat werden gegen jede Form der physischen oder psychischen Belästigung, Bedrängung oder Gewaltanwendung, insbesondere gegen Ausländerfeindlichkeit, unmißverständlich mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen, einschließlich Kündigung, vorgehen. (S. 2 – Präambel) Geschäftsführung und Betriebsrat stimmen darin überein, dass Verstöße gegen die Menschenwürde und Verletzung von Persönlichkeitsrechten Dritter durch Mitarbeiter von EKO, auch wenn sie außerhalb der Arbeitszeit und im privaten Umfeld der Mitarbeiter erfolgen, das Ansehen des Unternehmens bei nationalen wie internationalen Kunden bzw. Lieferanten und Vertretern des politischen, kulturellen und regionalen Umfeldes herabsetzen und EKO schweren Schaden zufügen. (…) Die Diskriminierung Dritter gilt als Verstoß gegen Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag und kann zu betrieblichen bzw. arbeitsrechtlichen Maßnahmen führen. Das gilt insbesondere bei Diskriminierung wegen Abstammung, Herkunft, Nationalität, Hautfarbe, Religion, durch die Beteiligung an oder die Unterstützung von ausländerfeindlichen Aktivitäten oder Aktionen. (S. 12 – Punkt 2) Verstöße gegen die Pflichten einschließlich der sog. Nebenpflichten aus dem Arbeits- bzw. Anstellungsvertrag und dieser Arbeitsordnung können durch Ordnungsmaßnahmen geahndet werden. Betriebliche Maßnahmen sind Belehrung – Verwarnung – Verweis. Arbeitsrechtliche Maßnahmen sind Versetzung – Abmahnung – Kündigung. (S. 26 – Punkt 8) Die Märkische Oderzeitung berichtet am 23.10.1998 (Seite Berlin-Brandenburg) über die Berufungsverhandlung: Die 3. Große Strafkammer des Frankfurter Landgerichts hat in einem Berufungsverfahren den 19jährigen Marcel (X) zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Der Eisenhüttenstädter war wegen Volksverhetzung, Beleidigung und gefährlicher Körperverletzung angeklagt. (…) In der Urteilsbegründung bezeichnete die Vorsitzende Richterin den Überfall als „brutal und feige“. Für den Angeklagten sei keine Bewährungsstrafe in Betracht gekommen, weil er vorbestraft und zudem Bewährungsversager sei. Laut eines Urteils vom Februar 1997 hat Marcel (X) schon einmal einen Ausländer verprügelt. M 7 – Phasen der Fallstudie I Konfrontation ergibt Fragen (Plenum) II Information ergibt Antworten (Kleingruppen + Plenum) III Exploration, Resolution Ideen: Wie könnte EKO handeln? Bewertung: Wie sollte EKO handeln? (Kleingruppen – Sammlung und Entscheidung – Sitzungsvertreter benennen) IV Disputation = Simulation Sitzung von Geschäftsführung + Betriebsrat + Jugendvertreter + Ausbildungsleiter wird gespielt: Ideen + Bewertungen – Vorschlag für die Entscheidung der Geschäftsführung Anschließend Reflexion auf das Spiel V Kollation Die Realität: Wie hat EKO gehandelt – wie bewerten wir welches Handeln (gut / schlecht)? Was hat die Berufungsverhandlung ergeben? Grobe Schätzung des Zeitbedarfs: Vorlauf + Konfrontation: 15 Minuten Information: Arbeit der Kleingruppen zu den selbst gestellten Fragen ca. 45 Minuten Vorstellen und Vergleichen der Ergebnisse im Plenum ca. 30 Minuten Exploration + Resolution: Arbeit der Kleingruppen mit Benennung Vertreter ca. 15 Minuten Disputation = Simulation der Sitzung und Reflexion ca. 25 Minuten Kollation: ca. 30 Minuten Der genaue Zeitbedarf hängt von der Zahl und Art der Fragen, von der (Nicht-)Einbeziehung des Hintergrundmaterials in M 3 und von der Arbeitsweise der Lerngruppe ab. M 8 – Die Sitzung bei EKO-Stahl Am 16. Februar 1998 – wenige Tage nach dem Urteil des Jugendschöffengerichts – berief die Geschäftsführung von EKO-Stahl den Vorsitzenden des Betriebsrats, die Vertreterin der Auszubildenden und den Leiter der Berufsausbildung zu sich. Sie berieten die Lage und was der Betrieb tun solle. Es sollte möglichst ein gemeinsamer Vorschlag, wie die Geschäftsführung entscheiden könne und solle, erarbeitet werden. Die Teilnehmer der Sitzung sind: (Namenskarten!) Geschäftsführung: Herr Dr. Auwald Herr Barcikowski (Leitung der Sitzung – falls nicht der Lehrer als Moderator leitet) Herr Clemens Die Geschäftsführer sind für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens verantwortlich und werden vom Aufsichtsrat (= Vertretung der Aktionäre) bestellt. Betriebsratsvorsitzender: Herr Wachsmann Der Betriebsrat vertritt die Interessen der Arbeitnehmer(innen) im Betrieb und wird von ihnen gewählt. Jugend- und Auszubildendenvertreter: Fräulein Meier Die Auszubildenden wählen – im Rahmen des Betriebsrats – eine eigene Vertretung. Leiter Berufsausbildung: Herr Sieber Er ist verantwortlich für die betriebliche Ausbildung der „Lehrlinge“.