Materialien zur Fallstudie EKO

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Materialien zur Fallstudie EKO
Materialien zur Fallstudie EKO-Stahl
M 1 – Vorfall in Eisenhüttenstadt
M 2 – Das Geschehen am Wochenende
M 3 – Die strafrechtliche Seite
M 4 – Die Stellung von Auszubildenden im Betrieb
M 5 – Geschichte und Gegenwart der EKO-Stahl GmbH
M 6 –Aktionen von EKO-Stahl, Urteil des Landgerichts
Die Quellen für die Materialien sind nachgewiesen. Details (wie Wochentage und Namen)
sind modifiziert bzw. erfunden worden, wodurch die Strukturen des Geschehens und der
Rahmenbedingungen aber nicht geändert wurden.
M 7 – Phasen der Fallstudie (Folie)
M 8 – Sitzung der Geschäftsführung mit Betriebsrat, Jugendvertretung und Ausbildungsleiter
(Folie)
Danksagung: Die Recherchen und Einschätzungen wurden durch die Hilfe der Firma EKO
Stahl (besonders Herr Dr. Nicolaus), der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau (Herr
Prof. Dr. Heimann und Herr Dr. Brockmeier) und der Märkischen Oderzeitung (Archiv: Frau
Block) ermöglicht.
Bitte an Lehrer und Lehrerinnen: Falls Sie die Fallstudie im Unterricht verwenden, bitte ich
um
einen
kleinen
Bericht
über
Ihre
Erfahrungen.
Meine
E-Mail-Adresse:
[email protected]
Der Textteil der Fallstudie wird veröffentlicht in Gesellschaft – Wirtschaft – Politik (GWP)
– Sozialwissenschaften für politische Bildung 2006, Heft 3, Rubrik „Didaktische Praxis“. Die
Internet-Seite der Zeitschrift ist www.gwp-pb.de
M 1 – Vorfall in Eisenhüttenstadt
An jedem Montagmorgen bespricht die Geschäftsführung der EKO-Stahl, einem früheren
Stahlkombinat in Eisenhüttenstadt in Brandenburg, die Aufgaben der kommenden Woche. An
diesem Montag, dem 15. Dezember 1997, platzt eine Sekretärin in die Besprechung: Am
Wochenende hätten – so wird in der Stadt erzählt – drei junge Leute, darunter zwei Lehrlinge
von EKO-Stahl, den kroatischen Wirt eines Lokals in der Innenstadt verprügelt. Der Wirt sei
erheblich verletzt worden und könne sein Restaurant im Moment erst einmal nicht betreiben.
Die Geschäftsführung – die Herren Dr. Auwald, Barcikowski und Clemens – bittet den
Vorsitzenden des Betriebsrats, Herrn Wachsmann, in die Besprechung.
Welche Fragen stellen sich die vier Herren?
Welche Fragen stellen sich Euch?
Einige weitere Informationen zu EKO-Stahl (für Lernende im Osten Deutschlands sind die
Namen der Stadt und des Betriebes geläufig, aber nicht für alle Lernenden im Westen):
Zu DDR-Zeiten war EKO ein Eisenhüttenkombinat mit ca. 13.000 Beschäftigten, das die
Stadt bestimmte. Nach dem Beitritt der DDR zur BRD war die wirtschaftliche Situation
mehrere Jahre lang unsicher, stabilisierte sich dann aber. Zuerst kaufte die belgische Firma
Cockerill die EKO Stahl. Cockerill wurde 1999 von dem französischen Stahlkonzern
USINOR übernommen. Im Jahr 2002 fusionierten Usinor (französisch) und Arceralia
(spanisch) und Arbed (Luxemburg) zur Arcelor (Luxemburg). 2006 fusionierte Arcelor mit
Mittal Steel (britisch-niederländisch) zu Arcelor Mittal (Luxemburg).
EKO Stahl ist der größte Industriebetrieb in Ostbrandenburg mit heute ca. 3.000
Beschäftigten. Die Stadt Eisenhüttenstadt liegt nahe der Grenze zu Polen (ca. 5 Kilometer).
M 2 – Das Geschehen am Wochenende
Die Märkische Oderzeitung berichtet am 12. Februar 1998 auf der Lokalseite
Eisenhüttenstadt:
Eigentlich wollten die drei jungen Eisenhüttenstädter Frank (Y), Marcel (X) und Diemo (Z)
nach gemeinsamem Umtrunk am späten Abend des 9. Dezember noch einen anderen Kumpel
aufsuchen, denn ihr Durst war noch nicht gestillt. Was dann passierte, war nicht geplant,
bestätigten alle drei vor dem Jugendschöffengericht, doch alle drei waren beteiligt. Vor dem
Balkangrill kam einer auf die Idee, dort die Zeche zu prellen. Also lasen sie die aushängende
Speisekarte und machten sich über die Schreibweise einiger Gerichte lustig. Als sie den Wirt
Zoran C. hinter dem Fenster sahen, wurden sie aggressiv. Alle drei gaben zu, kein gutes
Verhältnis zu Ausländern zu haben. Frank (Y) dazu: „Ich vertrete die Meinung, daß er auch in
Kroatien Geld verdienen und Steuern bezahlen kann. Die Ausländer nehmen uns hier die
Arbeit weg!“ Marcel (X): „Wir haben uns laut lustig gemacht über die Sprache.“ Das sah
konkret so aus, dass alle drei unter anderem riefen: „Ausländer sind Schweine. Du
Dreckschwein, was willst Du in Deutschland, geh nach Hause.“
Dies veranlaßte den Wirt, vor die Tür zu treten, den am nächsten stehenden Frank (Y) zu
sagen, wenn er Probleme mit ihm habe, sollten sie das von Mann zu Mann hinter dem Haus
klären. Die zwei gingen auch hinter das Restaurant. Leider blieb es nicht beim Gespräch. Es
kam zur Rangelei, in die auch Marcel (X) und Diemo (Z) eingriffen, zudem der 68jährige
bulgarische Koch. (…) (Er) schilderte vor Gericht, dass einer der Angeklagten eine
Bierflasche gegen den Wirt richtete. (…) Die Flasche fiel zu Boden und zersplitterte. Im
Verlauf der Rangelei stürzte der Koch und zog sich (…) arge Schnittverletzungen zu. Die
Täter ergriffen die Flucht, wurden aber nur wenig später von der Polizei gestellt.
Zoran C., der Wirt vom „Balkangrill“, lebt schon seit sieben Jahren in Deutschland und ist
vielen als früherer Spieler des EFC Stahl bekannt. (…) „Habe so etwas in den sieben Jahren in
Deutschland noch nicht erlebt.“
M 3 – Die strafrechtliche Seite
Die Märkische Oderzeitung berichtet am 11. Februar 1998 aus dem Jugendschöffengericht
Eisenhüttenstadt, dass die drei Heranwachsenden (im Alter von 18 bis 20 Jahren) wegen
Volksverhetzung in Tateinheit mit Beleidigung und gefährlicher Körperverletzung angeklagt
waren.
MOZ vom 11.2.1998 (Lokalseite Eisenhüttenstadt):
Die drei Eisenhüttenstädter Schläger, die Ende letzten Jahres den Inhaber der Gaststätte
„Balkangrill“ angriffen, wurden gestern vom Jugendschöffengericht wegen Volksverhetzung
in Tateinheit mit Beleidigung und gefährlicher Körperverletzung verurteilt: Frank (Y) bekam
unter Einbeziehung eines weiteren Urteils eine Jugendstrafe von zwei Jahren, die für drei
Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird, Diemo (Z) zwei Jahre Knast mit zweijähriger
Bewährung und Marcel (X), schon mit Auflagen des Gerichts belegt, zwei Jahre und acht
Monate. Der Haftbefehl gegen Marcel (X) bleibt aufrechterhalten. (…)
In der Hauptverhandlung gestanden alle drei Täter. Sie räumten ein, daß sie allgemein
Probleme mit Ausländern hätten. (…)
Das folgende Material ist Hintergrundmaterial aus dem Strafgesetzbuch und dem
Jugendgerichtsgesetz. Für das unmittelbare Verständnis des Ablaufs ist es nicht erheblich,
kann aber die Einordnung der Urteile fundieren. Falls Lerngruppen große Probleme mit dem
Verarbeiten von Texten haben sollten diese Teile nicht bearbeitet werden müssen.
Strafgesetzbuch (i.d.F. vom 1.9.2005):
§ 130 Volksverhetzung
(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
(…)
2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, daß er Teile der Bevölkerung beschimpft,
böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
§ 185 Beleidigung
Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe (…) bestraft.
§ 224 Gefährliche Körperverletzung
(1) Wer die Körperverletzung (…)
2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, (…)
4. mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich (…)
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren
Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
Jugendgerichtsgesetz (i.d.F. vom 21.12.2004)
§ 1 Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich
(1) Dieses Gesetz gilt, wenn ein Jugendlicher oder ein Heranwachsender eine Verfehlung
begeht, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe ist.
(2) Jugendlicher ist, wer zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn,
Heranwachsender, wer zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist.
§ 5 Die Folgen der Jugendstraftat
(2) Die Straftat eines Jugendlichen wird mit Zuchtmitteln oder mit Jugendstrafe geahndet,
wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen.
§ 18 Dauer der Jugendstrafe
(1) Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. (…)
Die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gelten nicht.
(2) Die Jugendstrafe ist so zu bemessen, daß die erforderliche erzieherische Einwirkung
möglich ist.
§ 21 Strafaussetzung
(1) Bei der Verurteilung zu einer Jugendstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt der Richter
die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Jugendliche
sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und (…) künftig einen
rechtschaffenen Lebenswandel führen wird. (…)
(2) Der Richter setzt unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer
höheren Jugendstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aus, wenn nicht die
Vollstreckung im Hinblick auf die Entwicklung des Jugendlichen geboten ist.
§ 105 Anwendung des Jugendstrafrechts auf Heranwachsende
(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit
Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen gelten Vorschriften der §§
4 bis 8 (…) und 13 bis 32 entsprechend an, wenn
1. die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der
Umweltbedingungen ergibt, daß er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen
Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand (…).
(3) Das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende beträgt zehn Jahre.
M 4 –Die Stellung von Auszubildenden im Betrieb
Die beiden Heranwachsenden Frank (Y) und Marcel (X) waren Lehrlinge bei EKO-Stahl in
Eisenhüttenstadt. Die Stellung von Lehrlingen (= korrekt heißen sie Auszubildende) ist im
Berufsbildungsgesetz BBiG von 2005 geregelt (die hier interessierenden Vorschriften gab es
schon im alten Berufsbildungsgesetz von 1969). Die Ausbildungsverträge, die zwischen
Betrieb und Auszubildenden abgeschlossen werden müssen, beziehen sich auf das BBiG und
übernehmen in der Regel Formulierungen teilweise wörtlich.
Berufsbildungsgesetz 2005
§ 13 Verhalten während der Berufsausbildung
Auszubildende haben sich zu bemühen, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erwerben, die
zum Erreichen des Ausbildungsziels erforderlich ist. Sie sind insbesondere verpflichtet,
1. die ihnen im Rahmen ihrer Berufsausbildung aufgetragenen Aufgaben sorgfältig
auszuführen,
2. an Ausbildungsmaßnahmen teilzunehmen, für die sie nach § 15 freigestellt werden,
3. den Weisungen zu folgen, die ihnen im Rahmen der Berufsausbildung von Ausbildenden
(…) oder von anderen weisungsberechtigten Personen erteilt werden,
4. die für die Ausbildungsstätte geltende Ordnung zu beachten,
5. Werkzeug, Maschinen und sonstige Einrichtungen pfleglich zu behandeln,
6. über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Stillschweigen zu wahren.
§ 22 Kündigung
(1) Während der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis jederzeit ohne Einhalten
einer Kündigungsfrist gekündigt werden.
(2) Nach der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis nur gekündigt werden
1. aus einem wichtigen Grund ohne Einhalten einer Kündigungsfrist,
2. vom Auszubildenden mit einer Kündigungsfrist von vier Wochen, wenn sie die
Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen wollen.
(3) Die Kündigung muss schriftlich und in den Fällen des Absatzes 2 unter Angabe der
Kündigungsgründe erfolgen.
(4) Eine Kündigung aus einem wichtigen Grund ist unwirksam, wenn die ihr zugrunde
liegenden Tatsachen dem zur Kündigung Berechtigten länger als zwei Wochen bekannt sind.
Ist ein vorgesehenes Güteverfahren vor einer außergerichtlichen Stelle eingeleitet, so wird bis
zu dessen Beendigung der Lauf dieser Frist gehemmt.
M 5 – Geschichte und Gegenwart der EKO-Stahl GmbH
Das Unternehmen EKO-Stahl in Eisenhüttenstadt feierte im Jahr 2000 sein fünfzigjähriges
Bestehen. Das Unternehmen berichtet in seiner Broschüre „Ein Unternehmen zeigt Flagge“
(2002) – natürlich in positiver Bewertung – über seine Geschichte:
Am Anfang, im Jahre 1950, waren es zunächst ukrainisches Eisenerz und polnischer Koks,
die für das Hüttenkombinat an der Oder lebensnotwendig waren. Als sich dann (…) Probleme
einstellten und kaum verwertbares Eisen erschmolzen wurde, kamen Spezialisten aus dem
Ural und halfen, die Schwierigkeiten zu überwinden. (…) Aus diesen ersten Kontakten zur
Sowjetunion entwickelte sich über die Jahre eine enge Zusammenarbeit mit metallurgischen
Kombinaten und Forschungseinrichtungen, die bis heute anhält. (…) Diese Mitarbeiter
verkörpern bis heute einen Teil jener Ostkompetenz von EKO Stahl, die die Besonderheit des
Unternehmens ausmacht. (…)
Im Zuge des Entspannungsprozesses kam es seit den 70er Jahren außerdem zu intensiveren
Kontakten in die westliche Welt. (…) Das Konverterstahlwerk, das bei seiner Fertigstellung
im Jahre 1984 zu den modernsten seiner Art gehörte, realisierte ein österreichisches
Unternehmen mit Monteuren und Bauarbeitern aus zehn europäischen Ländern.
Auch nach der politischen Wende im Osten Deutschlands war EKO Stahl auf die materielle
und finanzielle Hilfe aus dem Ausland angewiesen. Nach mehreren gescheiterten
Privatisierungsversuchen (…) war es schließlich der belgische Stahlkonzern Cockerill
Sambre, der EKO Stahl eine neue Perspektive gab. (…) Zahlreiche ausländische
Unternehmungen und Firmen beteiligten sich in den 90er Jahren an Großinvestitionen zur
Sanierung und Modernisierung von EKO Stahl. (…) (EKO Stahl) ist heute eines der
modernsten integrierten Hüttenwerke in Europa.
Im Jahre 1999 wurde Cockerill Sambre durch den französischen Stahlkonzern USINOR
übernommen (…). EKO Stahl bildet die geschäftliche und firmenpolitische Nahtstelle
zwischen Deutschland und Osteuropa. (…) Der Weltkonzern aus Frankreich plant bis zum
Jahr 2010 zum führenden Flachstahlhersteller in der Welt aufzusteigen. (…) (Dabei) wird
EKO Stahl auf den internationalen Märkten vor allem mit hochwertigem und
oberflächenveredeltem Flachstahl von höchster Qualität dabei sein. Schwerpunkte bilden die
Marktsegmente Automobile, Haushaltsgeräte und die Bauindustrie. (S. 8 – 10 – Auszüge,
einschließlich der folgenden Grafik)
Die Geschichte Brandenburgs hatte bewiesen, daß die Bereitschaft, Fremde aufzunehmen und
über die eigenen Grenzen hinweg zusammenzuarbeiten, unverzichtbare Bedingungen für den
Aufstieg des Landes waren. Nicht zuletzt war es der Fleiß der aus Frankreich vertriebenen
Hugenotten, aufgenommen vom Kurfürsten Friedrich Wilhelm, die handwerkliche
Meisterschaft der von Friedrich II. herbeigeholten holländischen Deichbauer, Salzburger
Zinngießer und böhmischen Weber sowie der Unternehmergeist der großen Industriellen des
19. Jahrhunderts von Siemens und Borsig, die aus anderen deutschen Gegenden in das
märkische Land kamen, die auch zum historischen Erfolg Brandenburgs beitrugen. Am
Beginn des neuen Jahrhunderts ist das nicht anders. (S. 2)
In der Festschrift der EKO Stahl äußern sich zwei Lehrlinge über die beiden früheren
Kollegen:
Sie bekamen im EKO die Chance eines Ausbildungsplatzes und die Garantie, danach auch
übernommen zu werden. (…) Es gibt genügend andere, die keinen Ausbildungsplatz kriegen.
So ein Ausbildungsplatz bei EKO ist doch wie ein Sechser im Lotto. (S. 21 – rechte Leiste)
Auf einer Veranstaltung des Ostforums der SPD in Leipzig im Jahr 2005 erinnern sich der
Vorsitzende des Betriebsrats und der Geschäftsführer für Personal- und Sozialwesen an die
Vorgänge 1997:
Holger Wachsmann, Betriebsratsvorsitzender bei EKO-Stahl (seit 1996):
Es gab (…) 1997/98 eine sehr starke Zunahme von rechtsextremen Aktionen und Gewalttaten
auch bei uns. Dann gab es zwei Schlüsselerlebnisse. Einmal Ende 1997 hatten zwei
Auszubildende von EKO-Stahl, leicht angetrunken, abends den Koch eines ausländischen
Restaurants verprügelt. (…) (Wir) haben mitbekommen, daß inzwischen die Jugendlichen, die
damals 1998 anderer Meinung waren, sich gar nicht mehr getraut haben ihre Meinung zu
sagen. Die rechten oder vermeintlich rechten Jugendlichen hatten praktisch auf der Straße das
Sagen und andere, die anderer Meinung waren, haben sich nicht mehr getraut, ihre Meinung
offen zu äußern. Das waren die beiden Schlüsselerlebnisse neben den ganzen anderen
Vorkommnissen. (…)
Es gibt den humanistischen Anspruch. Aber es gibt auch das knallharte wirtschaftliche
Interesse. Rechtsextremismus hat noch keine Arbeitsplätze geschaffen, im Gegenteil, sie
vernichten Arbeitsplätze. EKO ist ein ganz gutes Beispiel. Schon zu DDR-Zeiten kamen
unsere Rohstoffe aus dem Ausland. Viele unserer Produkte sind ins Ausland gegangen. EKO
wurde mit ausländischen Unternehmen nach der Wende gerettet. (S. 78+79 – Auszüge)
Rainer Barcikowski, Geschäftsführer Personal- und Sozialwesen bei EKO-Stahl:
Es gibt nicht nur die moralisch-ethischen Gründe aus der Historie der Wege zum Faschismus,
sondern – wie es auch der Betriebsratsvorsitzende gesagt hat – es gibt auch in der Frage der
globalen Wirtschaft einen ungeheuren wirtschaftlichen Druck, Toleranz nach innen und nach
außen zu proklamieren. (…) Ich werde Fach- und Führungskräfte nur nach Eisenhüttenstadt
holen können oder sie behalten können, wenn die weichen Faktoren positiv stimuliert sind.
Das heißt, ein Bürger oder eine Fachkraft zieht ungern dahin, wo Rechtsextremismus tobt. Im
Grundsatz wollen die eine bürgerliche, eine demokratische-bürgerliche Kultur, die auch alles
andere blühen und leben läßt. Das wollen sie vorfinden. (S. 98+101 – Auszüge)
M 6 –Aktionen von EKO Stahl, Berufungsverhandlung vor dem Landgericht
Im Folgenden werden Reaktionen und Aktionen des Unternehmens EKO Stahl in zeitlicher
Reihenfolge mit knappen Hinweisen berichtet.
1998 Die Eisenhüttenstädter EKO Stahl GmbH hat einen Auszubildenden fristlos entlassen,
weil er aus ausländerfeindlichen Motiven zusammen mit zwei anderen jungen Männern den
Koch eines jugoslawischen Restaurants niedergeschlagen hatte. Der Junge Mann ist wegen
der Attacke mittlerweile zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Ein zweiter
Auszubildender, der an dem Überfall ebenfalls beteiligt war, konnte zwar seine Lehre
beenden. Er wurde danach aber entgegen der Gepflogenheiten nicht übernommen. Dieses
Vorgehen machte das Stahlunternehmen bei einem Unternehmerabend am Freitag publik.
(BerlinOnline: Berliner Zeitung Archiv, 2.11.1998, S. 27)
1998 Der Betriebsrat beteiligt sich an einer „Plattform gegen Rechts“.
Die Geschäftsführung beschließt einen Aufruf „Gegen Rechtsextremismus und
Gewalt, für Toleranz“.
Die Firma beteiligt sich aktiv an der Initiative „Weltoffenheit schafft Arbeitsplätze“
des Brandenburger Wirtschaftsministeriums.
Die Firma veranstaltet ihren ersten Jugendtag unter dem Motto „EKO 2002 – Ich bin
dabei“. In einem Aufruf verurteilt das Unternehmen jegliche Form von Gewalt gegen
Ausländer.
Die
Firma
beteiligt
sich
an
dem
Aktionsprogramm
der
Brandenburger
Landesregierung „Tolerantes Brandenburg“.
Der Boxweltmeister im Halbschwergewicht, Dariusz Michalczewski, unterzeichnet in
der Firma einen „Aufruf gegen Gewalt und für Toleranz“ – seinem Beispiel folgen
über hundert Auszubildende des Unternehmens.
1999 Postkartenaktion im Rahmen der Landesinitiative „Tolerantes Brandenburg“ – jeder
Mitarbeiter kann ein persönliches Zeichen mitteilen.
Seminar
für
Ausbilder,
damit
sie
aktiv
fremdenfeindlichen
Tendenzen
entgegentreten können.
Hinter einer Demonstration der NPD fegen junge Metaller der EKO Stahl her unter
dem Motto „Wir fegen weg, den Nazidreck“.
Die Firma unterstützt ein Französisches Wochenende für die Region.
Wie jedes Jahr seit 1993 wird ein berufsbezogener Jugendaustausch mit einer
Partnerschule in Polen durchgeführt.
Geschäftsführung, Betriebsrat und IG Metall veranstalten ein Kulturfest unter dem
Motto „Fest(e) gegen Ausländerfeindlichkeit, Rechtsextremismus und Gewalt“.
2000 Verschiedene Ausstellungen und Begegnungen werden unterstützt oder veranstaltet.
Die Firma veranstaltet ihren zweiten Jugendtag unter dem Motto „Karrierestart“.
Über 400 Jugendliche diskutieren über berufliche Perspektiven bei der EKO Stahl und
die Firmen- und Stadtkultur.
Eine Kampagne des Deutsch-Polnischen Jugendwerkes wird von EKO und dem
Boxweltmeister Michalczewski initiiert. (Angaben aus Ein Unternehmen zeigt Flagge,
S. 30 – 32)
2001 „Inzwischen wissen unsere 600 Lehrlinge, daß sie mit intolerantem Fehlverhalten
einen sicheren Job aufs Spiel setzen“, so Neumann. Seitdem habe das niemand mehr
riskiert. (Lausitzer Rundschau vom 12.04.2001)
Betriebsrat und Geschäftsführung arbeiten – auch in Kooperation mit anderen Firmen
– an einer Betriebsvereinbarung, die Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit auch
außerhalb des Betriebes als Verstoß gegen die Betriebsordnung einstuft.
2004
Am 1. Oktober trat die zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat abgeschlossene
Betriebsvereinbarung über Verhaltensgrundsätze und Arbeitsordnung der EKO Stahl
in Kraft. Die Präambel sagt u.a.:
Partnerschaftliches Verhalten, die Achtung der Menschenwürde und Persönlichkeitsrechte
sind nicht auf den Arbeitsplatz beschränkt. Diskriminierung Unternehmensfremder durch
Mitarbeiter der EKO Stahl GmbH schädigen den Ruf des Unternehmens. Geschäftsführung
und Betriebsrat werden gegen jede Form der physischen oder psychischen Belästigung,
Bedrängung
oder
Gewaltanwendung,
insbesondere
gegen
Ausländerfeindlichkeit,
unmißverständlich mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen, einschließlich Kündigung, vorgehen.
(S. 2 – Präambel)
Geschäftsführung und Betriebsrat stimmen darin überein, dass Verstöße gegen die
Menschenwürde und Verletzung von Persönlichkeitsrechten Dritter durch Mitarbeiter von
EKO, auch wenn sie außerhalb der Arbeitszeit und im privaten Umfeld der Mitarbeiter
erfolgen, das Ansehen des Unternehmens bei nationalen wie internationalen Kunden bzw.
Lieferanten und Vertretern des politischen, kulturellen und regionalen Umfeldes herabsetzen
und EKO schweren Schaden zufügen. (…) Die Diskriminierung Dritter gilt als Verstoß gegen
Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag und kann zu betrieblichen bzw. arbeitsrechtlichen
Maßnahmen führen. Das gilt insbesondere bei Diskriminierung wegen Abstammung,
Herkunft, Nationalität, Hautfarbe, Religion, durch die Beteiligung an oder die Unterstützung
von ausländerfeindlichen Aktivitäten oder Aktionen. (S. 12 – Punkt 2)
Verstöße gegen die Pflichten einschließlich der sog. Nebenpflichten aus dem Arbeits- bzw.
Anstellungsvertrag und dieser Arbeitsordnung können durch Ordnungsmaßnahmen geahndet
werden.
Betriebliche Maßnahmen sind Belehrung – Verwarnung – Verweis.
Arbeitsrechtliche Maßnahmen sind Versetzung – Abmahnung – Kündigung. (S. 26 – Punkt 8)
Die Märkische Oderzeitung berichtet am 23.10.1998 (Seite Berlin-Brandenburg) über die
Berufungsverhandlung:
Die 3. Große Strafkammer des Frankfurter Landgerichts hat in einem Berufungsverfahren den
19jährigen Marcel (X) zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Der
Eisenhüttenstädter
war
wegen
Volksverhetzung,
Beleidigung
und
gefährlicher
Körperverletzung angeklagt. (…) In der Urteilsbegründung bezeichnete die Vorsitzende
Richterin den Überfall als „brutal und feige“. Für den Angeklagten sei keine
Bewährungsstrafe in Betracht gekommen, weil er vorbestraft und zudem Bewährungsversager
sei. Laut eines Urteils vom Februar 1997 hat Marcel (X) schon einmal einen Ausländer
verprügelt.
M 7 – Phasen der Fallstudie
I
Konfrontation
ergibt Fragen
(Plenum)
II Information
ergibt Antworten
(Kleingruppen + Plenum)
III Exploration, Resolution
Ideen: Wie könnte EKO handeln?
Bewertung: Wie sollte EKO handeln?
(Kleingruppen – Sammlung und Entscheidung –
Sitzungsvertreter benennen)
IV Disputation = Simulation
Sitzung von Geschäftsführung + Betriebsrat + Jugendvertreter + Ausbildungsleiter wird gespielt:
Ideen + Bewertungen – Vorschlag für die Entscheidung
der Geschäftsführung
Anschließend Reflexion auf das Spiel
V Kollation
Die Realität:
Wie hat EKO gehandelt – wie bewerten wir welches
Handeln (gut / schlecht)?
Was hat die Berufungsverhandlung ergeben?
Grobe Schätzung des Zeitbedarfs:
Vorlauf + Konfrontation: 15 Minuten
Information: Arbeit der Kleingruppen zu den selbst gestellten Fragen ca. 45 Minuten
Vorstellen und Vergleichen der Ergebnisse im Plenum ca. 30 Minuten
Exploration + Resolution: Arbeit der Kleingruppen mit Benennung Vertreter ca. 15 Minuten
Disputation = Simulation der Sitzung und Reflexion ca. 25 Minuten
Kollation: ca. 30 Minuten
Der genaue Zeitbedarf hängt von der Zahl und Art der Fragen, von der (Nicht-)Einbeziehung
des Hintergrundmaterials in M 3 und von der Arbeitsweise der Lerngruppe ab.
M 8 – Die Sitzung bei EKO-Stahl
Am 16. Februar 1998 – wenige Tage nach dem Urteil des Jugendschöffengerichts – berief die
Geschäftsführung von EKO-Stahl den Vorsitzenden des Betriebsrats, die Vertreterin der
Auszubildenden und den Leiter der Berufsausbildung zu sich. Sie berieten die Lage und was
der Betrieb tun solle. Es sollte möglichst ein gemeinsamer Vorschlag, wie die
Geschäftsführung entscheiden könne und solle, erarbeitet werden.
Die Teilnehmer der Sitzung sind: (Namenskarten!)
Geschäftsführung:
Herr Dr. Auwald
Herr Barcikowski (Leitung der Sitzung – falls nicht der Lehrer als Moderator leitet)
Herr Clemens
Die Geschäftsführer sind für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens verantwortlich
und werden vom Aufsichtsrat (= Vertretung der Aktionäre) bestellt.
Betriebsratsvorsitzender:
Herr Wachsmann
Der Betriebsrat vertritt die Interessen der Arbeitnehmer(innen) im Betrieb und wird von ihnen
gewählt.
Jugend- und Auszubildendenvertreter:
Fräulein Meier
Die Auszubildenden wählen – im Rahmen des Betriebsrats – eine eigene Vertretung.
Leiter Berufsausbildung:
Herr Sieber
Er ist verantwortlich für die betriebliche Ausbildung der „Lehrlinge“.