- Wissenschaftsmanagement
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G 21233 19. Jahrgang · Heft 2 März/April 2013 Einzelpreis: 19,80 ISSN 0947-9546 2/13 Wissenschafts management Z e i t s c h r i f t Schwerpunkt Forschungsinformationssysteme Entwicklungen und Prozesse Anbieter Dienstleister Bibliothek Management von Querschnittsaufgaben f ü r I n n o v a t i o n Strategiepapier 2020 Globaler Wettbewerb um die Besten Innovationsförderung Begegnungen im Forschungsalltag Gender und Diversity Von der Frauenförderung zum Gleichstellungsmanagement? Innovationsstrategie Schach! durch Innovation Hochschulsteuerung Erfolge und Grenzen im Indikatorendschungel CROWDFUNDING lemmens online Hochschul-, Forschungs- und Innovationspolitik Fachjournalismus: Eine neue Finanzierungsform Der Fachjournalismus bekommt Unterstützung. Mit dem Crowdfunding des Portals lemmens online steht eine neue Finanzierungsquelle zur Verfügung. Leser, die Themen recherchiert und publiziert sehen möchten, spielen eine aktive Rolle. Und sie ermöglichen durch die gemeinschaftliche Finanzierung einen unabhängigen Journalismus. Die Redaktion erarbeitet Informationen, Hintergründe und Einschätzungen nach dem Leitbild eines medialen Anwaltes, der den Bürgern und Mandatsträgern sowie Firmen und Institutionen in Deutschland eine Grundlage zur Meinungsbildung und Entscheidungsfindung bietet. www.lemmens-online.net editorial3 Eine wichtige Voraussetzung des Wissenschaftsmanagements 19. Jahrgang · Heft 2 · März/April 2013 · Einzelpreis: 19,80 D Die Managementwissenschaft behauptet oft: If you can´t measure it, you can´t manage it. Aber nicht nur gestiegene Erwartungen an das Wissenschaftsmanagement erhöhen den Wunsch nach transparenten Informationen über das Forschungsgeschehen in jenen Einrichtungen, die man managt. Gestiegene gesellschaftliche Legitimationsanforderungen an das groß und teuer gewordene wissenschaftliche Subsystem erzeugen die Notwendigkeit der Vergleichbarkeit und Transparenz. Immer stärker müssen auch Wissenschaftler Forschungsgelder kompetitiv einwerben. Auch hierfür sind Informationen über bisherige Forschungsaktivitäten und Qualitätsnachweise über Forschungsleistungen erforderlich. news & facts 4 personalia 9 wissenschaftsmanagerin Nachgefragt 10 bei Beate Rogler, Leiterin des Verbindungsbüros der Freien Universität Berlin in Peking aktuelle diskussion management Alle diese verschiedenen Nutzer haben oft unterschiedliche Ansprüche an die Forschungsinformation. Da die Interessen variieren und oft auch anlassbezogen agiert wird, besteht die Gefahr der Entstehung oftmals sehr „handgeschnitzter“ Systeme, die wiederum Vergleichbarkeit, Transparenz und Anschlussfähigkeit als wesentliche Merkmale professioneller Forschungsinformation konterkarieren. Vergleichbarkeit erfordert Konsens hinsichtlich der Bewertungsmaßstäbe. Konsens ist in der Wissenschaft immer schwierig zu erreichen, da Wissenschaft ein gesellschaftliches System ist, das seine Produktivität zu einem hohen Maße einer Wertschätzung von Dissens und Meinungsvielfalt verdankt. Schwerpunkt Forschungsinformationssysteme Auch steht die Forderung nach Vergleichbarkeit immer in einer Spannung zur Kreativität und Vielfalt des Wissenschaftssystems. Damit Produktivität und Diversität nicht Schaden nehmen, ist ein reflexiver Zugang, der für alle Steuerungsinstrumente und Erhebungsmethoden notwendig ist, für die Wissenschaft besonders wichtig: Werden wir über wirklich Relevantes informiert? Messen wir das, was wir eigentlich messen wollen? Wie erfassen wir Nicht-Messbares? Wie viel Aufwand verlangt der Akt der Erhebung und Messung und zieht er damit wertvolle Energie vom primären Forschungsprozess ab? Wird Innovation behindert und nur Bewährtes – der Mainstream – gefördert? Globaler Wettbewerb um die Besten Gute Steuerung bedeutet informationsbasierte Steuerung. Informationsbasierte Steuerung benötigt aber in der hochkomplexen Wissensgesellschaft reflexive Formen der Steuerung. Neben den Ressourcen für die Erhebung der Informationen sind daher auch Ressourcen für die begleitende Forschung bereitzustellen. Professionelles Wissenschaftsmanagement sollte daher ein enges Verhältnis zur Wissenschaftsforschung pflegen. Hochschulsteuerung Wir hoffen, Sie finden auch in diesem Heft erhellende – forschungsbasierte – Anregungen für Ihre praktische Tätigkeit im Wissenschaftsmanagement. 12 Scheitern und Misserfolg Entwicklungen und Prozesse14 Anbieter19 Dienstleister Bibliothek20 Management von Querschnittsaufgaben24 Strategiepapier 2020 Innovationsförderung 28 30 Begegnungen im Forschungsalltag Gender und Diversity 34 Von der Frauenförderung zum Gleichstellungsmanagement? Innovationsstrategie 38 Schach! durch Innovation 42 Erfolge und Grenzen im Indikatorendschungel buchbesprechung Dan Senor und Saul Singer 47 Start-Up Nation Israel Yehuda Elkana/Hannes Klöpper 48 Die Universität im 21. Jahrhundert weiterbildung Ada Pellert Aktueller Begriff 50 Horizon 2020 – Aufbruch zu neuen Ufern? Buchmarkt 52 Impressum 54 Dieser Ausgabe liegt das Wissenschaftsmanagement special State of the Art bei. wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 4 news & facts POLITIKBERATUNG Wissenschaft macht Politik Das Büro für Technikfolgenabschätzung des Bundestages stellt eine zentrale Transferleistung des Wissenschaftssystems dar mit faktischer Unterstützung unterschiedliche, teils konträre Positionen vertreten. „Bei manchen Fragen ist jede Koryphäe der Wissenschaft der Meinung, ihre Position sei die einzig richtige Antwort“, sagt Burchardt. Wie kommt wissenschaftliche Erkenntnis in den politischen Alltag? Das TAB ist nur ein Beispiel für solch einen Wissenstransfer. Foto: Jim Pfeffer/pixelio BERLIN. Die beste Grundlage für eine funktionierende Beziehung ist der regelmäßige Austausch beider Partner. Frei nach diesem Motto erläuterte Ulla Burchardt (SPD), Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, in der Berliner Geschäftsstelle der Leibniz-Gemeinschaft, ihre Sichtweise auf wissenschaftliche Beratung der parlamentarischen Politik. Eine beachtliche Reihe öffentlicher Anhörungen, Expertenrunden, Fachveranstaltungen der Fraktionen und Enquête-Kommissionen stellen die unerlässliche Beratungsleistung des Wissenschaftssystems an die Praktiker aus dem Bundestag dar und liefern wichtigen inhaltlichen Input. „Ohne die Wissenschaft hätte der Bundestag nicht viel zu tun“, fügt Burchardt mit einem Augenzwinkern an. wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 Abgesehen von formellen Anlässen der wissenschaftlichen Beratung seien es speziell auch die „unzähligen persönlichen, informellen Gespräche“ mit Vertretern der Zunft, welche eine besondere Bedeutung für die politische Entscheidungsfindung hätten. Solche Treffen und der Austausch mit nicht organisierten Wissenschaftlern seien weniger stark dem Risiko reinen Lobbyismus‘ ausgesetzt, speziell wenn die beratenden Forscher nicht um finanzielle Zuwendungen durch die Politik werben. Doch die Beratung durch Fachleute birgt laut Burchardt durchaus auch Fallstricke: „Eine ständige Herausforderung ist das Austarieren von nötiger Nähe auf der einen, Unabhängigkeit und Qualität auf der anderen Seite“, so Burchardt. Außerdem drohe vielerorts das sogenannte Experten-Dilemma. Es entsteht, wenn verschiedene Experten glaubhaft und jeweils Modellbeispiel Büro für Technikfolgenabschätzung Wie eine glückliche Beziehung von Politik und Wissenschaft aussehen kann, lässt sich laut Burchardt im Bereich der Technikfolgenabschätzung begutachten. Nach fast 20 Jahren der informellen Beratung nahm in Deutschland 1990 das Büro für Technikfolgenabschätzung (TAB) seine Arbeit auf, unter Steuerung des Bildungsausschusses des Bundestages. Per Ausschreibung wird seitdem alle fünf Jahre ein externer wissenschaftlicher Dienstleister mit der Erarbeitung großer technisch-gesellschaftlicher Fragen beauftragt. Bis heute ging diese Aufgabe stets an das Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemforschung am Karlsruher Institute of Technology (KIT). Die Berichterstatterrunde der Fraktionen im Ausschuss begibt sich hierfür regelmäßig auf Themensuche und steckt grobe Schwerpunkte ab, welche anschließend eigenständig vom TAB wissenschaftlich konkretisiert werden, meist unter Einbindung einer Reihe externer Experten und Gutachter. Zuletzt geht der fertige Bericht zurück an den Ausschuss und wird als Bundesdrucksache der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Diese bewährte und institutionalisierte Methode begründet laut Burchardt „eine ausgesprochen fruchtbare Zusammenarbeit“ und führe häufig zur Integration der Ergebnisse in die Politik, entweder durch den Ausschuss selbst oder durch einzelne Fraktionen oder Abgeordnete. news & facts5 blog #Redefining Accreditation From Courses to Competencies LUND/SCHWEDEN. As demand grows for alternatives to the traditional model of earning a university degree based on coursework, a new model is gaining momentum and credibility. Therein, universities grant degrees based on skills competencies. The education industry is under increasing pressure to prove its relevancy, provide value and meet the needs of students, employers and industry. Discussion of the need for innovation in higher education is increasing. One of the challenges of degree programs is finding the balance between cost, time and quality. Traditionally earning a college degree is a combination of credits, classes and tuition. But not anymore. A newer model is gaining popularity – one which doesn’t require credits, or courses – just competencies. Through a series of competency based assessments, if a student can meet the degree requirements, the university will issue a degree. Knowledge can be acquired from anywhere – no credits and no actual courses need to be completed at the university issuing the degree. Since 1997, Western Governors University in the US has been issuing competency based degrees earned online. Thomas Edison in New Jersey, Charter Oak State College in Connecticut and private, non-profit Excelsior College in New York now offer similar programs. Recently, the University of Wisconsin has announced their intention to begin offering competency based degrees in the autumn of 2013 under a “Flexible Program Option”. There will be no difference between the degree issued through a competency based degree and one earned through the more traditional route of attending classes on campus. For both students and employers this is welcome news – the quality of the degrees will be equivalent. Technology is making it easier to make assessment tasks more complex, detect cheating and provide more interactive learning options for students. All of which add to the credibility of competency based degree programs. Many believe the higher education industry is entering a crisis, in need of reinvention to more closely align their product offering to the needs of students and employers. Competency based degrees provide a number of benefits: u Reduce the time and cost to complete a university degree. u Recognise skills and knowledge of experi- enced workers. u Provide flexibility in learning options in- cluding alternatives to classroom based learning. u Recognise non-academic skills providers as legitimate sources to acquire knowledge. This may create additional opportunities for training, apprenticeships, employer training programs and industry certifications programs. u Provide global labour market flexibility al- lowing foreign educated workers to quickly gain locally recognised university credentials. u Create opportunities for organisations spe- cialising in assessment and competencies to design and provide testing. u Encourage lifelong learning and facilitate career changes which will only continue to grow in importance as people live and work longer. u Provide universities with a flexible business model not dependent on student numbers, physical classrooms and professors. Anybody there? Competency-based degrees might mark a strong shift from the traditional ways of receiving higher education. Foto: Rainer Sturm/pixelio With these benefits in mind, it seems as though competency based degrees might be the answer to the needs of students, employers and universities. Elizabeth Rudd Die Autorin berät für die australische Firma „FutureNous“ Kunden in strategischen Zukunftsfragen. Außerdem verfasst Sie regelmäßig Trendanalysen und ausführliche Berichte über Langzeitentwicklungen für das Forschungs-Netzwerk „Shaping Tomorrow“. This article can be accessed at the Englishlanguage blog www.innovationmanagement.se. Diesen Beitrag finden Sie im englischsprachigen Blog www.innovationmanagement.se. wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 6 news & facts Interview Die DFG zwischen Wissenschaft und Politik Im Gespräch mit Niklas Wiegand, Wissenschaftsmanager an der Universität Köln und Autor des Buches „Beobachtungen organisationalen Wandels – Die ‚Deutsche Forschungsgemeinschaft‘ (DFG) im Gegensatz von Selbst- und Fremdbeschreibung“ Den Wandel stets im Blick, Selbst- und Fremdbild vergleichend. Niklas Wiegand, es ist nun etwa eineinhalb Jahre her, dass ihre Arbeit „Beobachtungen organisationalen Wandels“ veröffentlicht wurde. Damals stellten Sie fest, dass die DFG sich selbst als Wissenschaftsorganisation sieht und darstellt, von außen dagegen oft als politische Organisation wahrgenommen wird. Stimmt diese Beobachtung auch heute noch? Unterschiedliche Sichtweisen auf die DFG gibt es immer noch und wird es auch weiterhin geben. Denn dies ist immer ein Resultat der Art und Weise, wie eine Organisation beobachtet wird. Deshalb ging es mir in dieser Arbeit auch vor allem darum, organisationstheoretisch zu erläutern, wie Organisationen, und insbesondere Forschungsförderungsorganisationen wie die DFG, unterschiedlich beschrieben werden können. Denn dass die DFG als Organisation betrachtet werden wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 kann, die sich primär nur einem einzigen gesellschaftlichen Bereich (hier der Politik oder Wissenschaft) zuordnen lässt, ist nur eine mögliche Unterscheidung. Diese Form der Zuordnung von Organisationen zu eindeutigen gesellschaftlichen Kontexten ist zwar die vorherrschende und damit am stärksten verbreitete Vorgehensweise in unserer (Alltags-) Kommunikation über Organisationen. Insbesondere deshalb, weil dadurch zunehmend vielschichtiger werdende Organisationen, die immer mehr Bezüge zu anderen gesellschaftlichen Funktionen (beispielsweise zu Wirtschaft, Bildung, Recht) herstellen, in ihrer Komplexität reduziert und somit vereinfacht dargestellt und kommuniziert werden können. Die Organisationsstruktur der DFG stellt da keine Ausnahme dar. Es gibt aber auch eine andere Möglichkeit, Organisationen zu beobachten, weil sie nicht immer eindeutig einer einzigen gesellschaftlichen Funktion zuge- Foto: Karl-Heinz Gottschalk/pixelio ordnet werden können. In diesen Fällen wird auch von „intermediären Organisationen“ gesprochen. Diese Organisationen, und so könnte auch die DFG verstanden werden, agieren als „Vermittler“ zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen. Demzufolge kann die DFG also entweder als wissenschaftliche ODER politische Organisation beschrieben werden oder eben als wissenschaftliche UND politische Organisation. Letzteres ist zwar gesellschaftsweit weniger kommunikativ anschlussfähig, entspricht dafür aber besser der komplexen Organisationsstruktur der DFG. Jeder Beobachter entscheidet letztlich selbst, welche Unterscheidungskategorie er wählt. Wie schätzen sie die Entwicklung der DFG seitdem ein? Hat die DFG auf die Kritik von anderen Seiten reagiert und ihr Selbstbild kritisch hinterfragt? Oder hat sich die Fremdwahrnehmung – vielleicht auch durch die Öffentlichkeitsarbeit der DFG – dem Selbstbild angenähert? Zunächst einmal muss festgehalten werden, dass divergierende Organisationsbeschreibungen von Forschungsförderungsorganisationen, wie die der DFG, kein deutsches Spezifikum und kein neues Phänomen darstellen. Wir können davon ausgehen, dass bei der Gründung der meisten nationalstaatlichen Forschungsförderungsorganisationen als inhärentes Strukturmerkmal eine starke politische Verankerung bei einem gleichzeitigen hohen Anspruch auf wissenschaftliche Unabhängigkeit immer mit einhergeht. So gab es zum Beispiel bereits vor dem Zweiten Weltkrieg insbesondere im anglo-amerikanischen Raum Kontroversen zwischen liberal-konservativen und marxistischen Wissenschaftstheoretikern, inwiefern eine Fremdsteuerung der Wissenschaft durch die Politik notwendig sei oder ob es diese ganz im Gegenteil zu verhindern gilt. Unter der Bedingung eines globalisierten Wirtschafts- und Wissenschaftssystems bleibt diese Frage auch heute noch hoch aktuell, da der internationale Wettbewerb um eine möglichst hohe nationale Innovationsfähigkeit, die als Antrieb für wirtschaftlichen Wohlstand gesehen wird, weiter zunimmt. Damit geht ein steigendes Interesse der Politik an einer Wissenschaft, die sich noch stärker an gesellschaftlichen Problemstellungen (Beispiel „Grand Challenges“) orientieren soll, einher. Auch wenn die Freiheit der Forschung, wie in Deutschland, sogar verfassungsrechtlich garantiert wird, kann sich die Grenze zwischen Wissenschaft und Politik in Forschungsförderungsorganisationen im Laufe der Zeit durchaus immer wieder verschieben. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Frage nach einer eindeutigen Zuordnung der DFG zur Wissenschaft und/oder Politik weiterhin gestellt und zum Teil immer noch konträr beantwortet wird. Ob diese Personen, die die DFG nicht als primär wissenschaftliche Organisation beschreiben, allerdings für eine Mehrheit im deutschen Wissenschaftssystem stehen, kann bezweifelt werden. Wenn wir über die DFG sprechen, müssen wir ja auch immer bedenken, wie viele Tausende Wissenschaftler, seien es Antragssteller oder Gutachter, an der wissenschaftlichen Selbstverwaltung beteiligt sind und dass sich im Verhältnis dazu nur wenige kritisch äußern. Eine sinkende Förderquote aufgrund steigender Antragszahlen schließt aber auch tendenziell zunehmend mehr Wissenschaftler aus der Drittmittelförderung aus, was zu mehr Unzufriedenheit führen kann. Eine Organisationskritik sollte in diesem Zusammenhang in jedem Fall auch immer als Reflexionsmöglichkeit gesehen werden, um sich selbst aus einer externen Perspektive gegenbeobachten zu können, wodurch „blinde Flecken“ der eigenen Beobachtung aufgedeckt werden können. Viel wichtiger ist es deshalb, und hier, denke ich, hat sich die DFG gut positioniert, begründete Kritikpunkte anzunehmen beziehungsweise deren Ursachen herauszuarbeiten, um diese dann entsprechend organisationsintern und/oder -extern zu verarbeiten und zu kommunizieren. Welche konkreten Maßnahmen empfehlen Sie Politik und DFG? Hier ist grundsätzlich die Öffentlichkeitsarbeit als wichtigstes Instrumentarium zur Entwicklung von Kommunikationsstrategien gefragt. Betrachtet man die jüngsten Aussagen, sowohl aus der Politik (beispielsweise zuletzt durch den Bundespräsidenten Joachim Gauck im Rahmen der DFG-Jahresversammlung 2012) als auch von der DFG, so wird aber klar, dass beide Seiten bereits eine sehr hohe Sensibilität zu diesem Thema entwickelt haben. Woran lassen sich solche Veränderungen erkennen? An dieser Stelle sind insbesondere zwei Aspekte zu nennen, die in den letzten Monaten deutlich geworden sind. Zum einen die Reaktion der DFG auf ihre Kritiker. Neben der news & facts7 Niklas Wiegand, Organisationssoziologe und Wissenschaftsmanager an der Universität zu Köln Foto: privat Veröffentlichung eines Dokuments, in dem die DFG auf jeden einzelnen Kritikpunkt von Roland Reuß und Volker Rieble (Kritik an der DFG, FAZ 2011. Anm. der Red.) eingegangen ist, hat der damals scheidende DFG-Präsident Matthias Kleiner diverse Gelegenheiten genutzt, wie Neujahresansprachen und DFGJahresversammlungen, um auf problematische Sachverhalte hinzuweisen, die offene Diskussion zu suchen und um gleichzeitig das Selbstbild und auch die Organisationsstruktur der DFG wiederholt zu erläutern. Zum anderen hat die DFG die Kritik auch als eine Kritik an der steigenden Abhängigkeit von Drittmitteln interpretiert und sich diese dabei zu Eigen gemacht, indem sie sich in die Diskussion um die zukünftige Finanzierung von Wissenschaft (Stichwort „Bildungspfennig“) eingeschaltet hat. Dabei unterstützt die DFG die Universitäten (und damit letztlich auch jeden einzelnen Wissenschaftler) in ihren Unterfangen, höhere Grundfinanzierungen zu erhalten. Somit hat die DFG für mehr Transparenz gesorgt, den Dialog gesucht und sich darüber hinaus verstärkt als „Vermittler“ zwischen Politik und Wissenschaft eingeschaltet. Die Fragen stellten Cédric Koch und Gerhard Wolff wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 8 crow news & facts dfun PRODUKTIONSTECHNIK Industrie 4.0 – oder die Produktion von morgen ded Zwischenbilanz Hannover Messe 2013 – vor zwei Jahren wurde dort das Konzept erstmals diskutiert zum ersten Mal auftauchte, die vierte industrielle Revolution ankündigte und Hoffnung auf einen starken Produktionsstandort Deutschland weckte. Der Zeitpunkt war perfekt: Die jüngste, durch zweifelhafte Finanzgeschäfte hervorgerufene Wirtschaftskrise war gerade überstanden, und Deutschland kam relativ glimpflich davon, was man dem vergleichsweise hohen Industrieanteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) zuschrieb. So soll es in Zukunft nicht mehr aussehen. Die Industrie 4.0 geht schonend mit ihren Ressourcen um. Foto: Dieter Schütz/pixelio Hannover. Die Nachrichten der letzten Jahre sind eindeutig: Aus der industriellen Forschung dringen immer häufiger Begriffe wie das Internet der Dinge, Smart Factory, Cyber-Physical Systems (CPS) oder Industrie 4.0. nach außen. Sie alle meinen intelligente Maschinen und Materialien, die sich miteinander verständigen, voneinander lernen. Sie scheinen sich abzustimmen und entscheiden am Ende selbstständig, was zu tun ist. Ist das ein Wunsch- oder Angstszenario? Vor zwei Jahren begann in Hannover die breite Diskussion. Nun – 2013 – gibt es die erste Gelegenheit, die Chancen zu beleuchten. Wissenschaft und Wirtschaft im Gespräch. Maschinen mit Selbstbewusstsein und Entscheidungskraft arbeiten auf hohem Qualitätsniveau. Es klingt revolutionär, „ist aber eine evolutionäre Entwicklung“, sagt Jürgen wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 Jasperneite, Leiter des Fraunhofer-Anwendungszentrums Industrial Automation und Tatsächlich befand sich dieser 2011 in Deutschland bei 23 Prozent, während Griechenlands Werte unter 10 Prozent lagen. Großbritannien kam nur auf 11 Prozent, weil das Königreich Finanzdienstleistungen hofierte. So setzte sich allmählich europaweit die Erkenntnis durch, dass Industrie eine stabilisierende Wirkung auf die Gesamtwirtschaft ausübt, und im Oktober 2012 kündigte der zuständige EU-Kommissar Antonio Tajani die Re-Industrialisierung Europas an. eine Vision. Der amerikanische Informatiker Die Voraussetzungen dafür sind in Deutschland gut. Der Maschinen- und Anlagenbau hierzulande brummt (noch). Die industrielle Forschungsbasis ist breit entwickelt und die politische Aufmerksamkeit erreicht. Wenn es also gelingt, Produktion bald auch mit intelligenten Systemen zu veredeln, dann könnte Deutschland in die Geschichte als das Land eingehen, von dem die vierte industrielle Revolution ausging. Aber bis dahin muss noch einiges passieren. Mark Weiser beschrieb diese als „Ubiquitous Anita Widera des Instituts für industrielle Informationstechnik der Hochschule Ostwestfalen-Lippe. „Sie kommt schleichend, denn die Informationstechnologien bestimmen die Produktion schon seit längerem.“ Bei dem Versuch, die Begriffe rund um die Industrie 4.0 zu erklären, geht Jasperneite an den Anfang der Neunzigerjahre zurück. Damals war die Vernetzung der Welt sowie ihrer vielen Gegenstände noch Computing“. Und als die Vision nach und nach zur Wirklichkeit wurde, haben sich auch präzisere Begriffe etabliert. Schlagwort macht die Runde Es ist jetzt zwei Jahre her, als das Schlagwort „Industrie 4.0“ auf der Hannover Messe 2011 Die Autorin ist Freie Journalistin und publiziert unter anderem auf lemmens-online.net Den ungekürzten Artikel des Crowdfunding-Portals von lemmens-online.net finden Sie unter: www.lemmens-online.net/ingenieurwissenschaften/ produktionstechnik/details/artikel/industrie-40-smartfactory-oder-die-produktion-von-morgen.html Ahrweiler in Ahrweiler Neue Präsidentin in Köln Forschung, Studium und Lehre Die Europäische Akademie zur Erforschung von Folgen wissenschaftlichtechnischer Entwicklungen Bad Neuenahr-Ahrweiler gGmbH hat eine neue Direktorin. Die Sozialwissenschaftlerin Prof. Dr. Petra Ahrweiler übernimmt die Geschäftsführung und eine Professur im Fachbereich Sozialwissenschaften an der Universität Mainz. Die Forscherin hat langjährige Erfahrung in der Organisation internationaler Forschungsprojekte und war zuletzt Professorin für Technologie- und Innovationsmanagement am University College in Dublin/Irland und Direktorin des dortigen Zentrums für Innovationsforschung. Ziel der Akademie ist ein unabhängiger wissenschaftlicher Dialog zwischen Wirtschaft, Kultur, Politik und Gesellschaft. Seit dem 1. April ist Prof. Dr. Elisabeth Fröhlich die neue Präsidentin der Cologne Business School (CBS). Der bisherige Präsident Jürgen Weischer übernimmt das Amt des kürzlich in den Ruhestand getretenen Geschäftsführers Klaus Götze. Ein Grund für den Führungswechsel ist die Teilung zwischen finanzieller und akademischer Administration. „Wir legen damit die Grundlage für unsere weitere Entwicklung. Wir möchten besonders unsere MBAs und Executive Education, also die Weiterbildung für Berufstätige, ausbauen. Außerdem werden wir unsere Internationalisierungsstrategie weiter umsetzen und konsequent englischsprachige Programme anbieten, um auch für ausländische Studenten attraktiv zu sein“, so die neue Präsidentin. Der langjährige Ansprechpartner und Pressereferent für Fragen zu Forschung, Studium und Lehre der Universität Tübingen, Michael Siefert, geht in den Ruhestand. Neue Ansprechpartnerin für die Medienvertreter wird Antje Karbe, die seit 2011 als Redakteurin in der Stabsstelle Hochschulkommunikation in Tübingen tätig ist. Sie kennt sich also bereits aus und war zuvor als Redakteurin bei der Mittelbayerischen Zeitung in Regensburg für das Ressort Bildung und Wissenschaft verantwortlich. „Ich freue mich auf die künftig noch intensivere Zusammenarbeit mit Antje Karbe, auch wenn die Lücke, die Michael Seifert hinterlässt, nicht leicht zu schließen sein wird“, erklärte Myriam Hönig, Leiterin der Hochschulkommunikation. Communications & Public Relations Seit dem 1. März ist Ines Heise neue Leiterin der Abteilung Communications & Public Relations der Jacobs University und somit zuständig für das Marketing und die Kommunikation der Hochschule. Zuvor war Heise maßgeblich an der strategischen Neuausrichtung des Career Service Centers der Jacobs University sowie an der Vermarktung der Universität gegenüber Arbeitgebern beteiligt. Sie begann ihren beruflichen Werdegang bei Kraft Foods, war zwischenzeitlich bei Nordmilch (heute: DMK) und zuletzt bei der NORDSEE Holding GmbH als Marketingleiterin beschäftigt. Prof. Dr. Thomas Graf ist neu gewählter Prorektor für Forschungs- und Wissenstransfer an der Universität Stuttgart. Graf, der Direktor des Instituts für Strahlwerkzeuge, könne „mit seinen langjährigen internationalen Erfahrungen an der Schnittstelle von Wissenschaft und Wirtschaft für den Forschungscampus Universität Stuttgart neue Impulse setzen“, so Rektor Wolfram Kessel. Graf betonte sein Ziel, die Forschungspartnerschaften zwischen den vier Kräften Universität, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, Unternehmen und Gesellschaft in Stuttgart zu stärken, „um damit die Alleinstellungsmerkmale unserer Universität zu schärfen“. wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 Foto: Universität Stuttgart Die Germanistin und Anglistin Anke Sobieraj übernimmt die Leitung der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). Sobieraj war bereits seit 2009 für den DAAD in der Medien- und Öffentlichkeitsarbeit der Forschungsmarketingkampagne „Research in Germany“ tätig. Sie war für die Redaktion einer Vielzahl an Online- und Printmedien, unter anderem für das französische Außenministerium, für das Goethe-Institut in Paris und für die Deutsche UNESCO-Kommission, verantwortlich und besitzt daher bereits zahlreiche Kontakte zu nationalen und internationalen Medien. Breiter Konsens für neuen Prorektor Foto: JUniversität Tübingen Foto: privat Internationale Kommunikation Foto: JUniversität Tübingen personalia9 Foto: CBS Foto: Europäische Akademie Ahrweiler 10 wissenschaftsmanagerin NACHGEFRAGT Kooperationen mit dem Reich der Mitte Beate Rogler, Leiterin des Verbindungsbüros der Freien Universität Berlin in Peking 1 Foto: FUB Wie sind Sie Wissenschafts- managerin geworden? Gestaltet die Verbindungen zwischen Deutschland und China: Beate Rogler Während meines DAAD-Lektorats an der Tongji-Universität in Shanghai (1998 bis 2003) bereitete ich chinesische Stipendiaten auf ihren Promotionsaufenthalt in Deutschland vor. Hierbei erschloss ich mir im Laufe der Jahre wertvolle Kenntnisse nicht nur über die deutsche, sondern auch die chinesische Hochschul- und Forschungslandschaft, und ich wurde immer neugieriger auf die Möglichkeiten, die sich im bilateralen Bildungs- und Forschungsaustausch entwickeln können. 2005 verfasste ich dann im Auftrag der HRK und in Zusammenarbeit mit Vertretern der HRK, des DAAD und des BMBF eine Studie, die deutschen Hochschulen eine Analyse und daraus resultierend Empfehlungen für gemeinsame deutsch-chinesische Studienprogramme bot. Die Interviews, die ich mit ausgewählten Programmkoordinatoren an verschiedenen Hochschulen in Deutschland führte, zeigten mir, dass viele Kooperationen noch auf unbekanntem Terrain agieren, doch auch über große Potenziale verfügen. Von 2005 bis 2010 leitete ich das DAAD Informationszentrum in Südchina/Guangzhou und konzentrierte mich auf die Werbung für den Studien- und Forschungsstandort Deutschland, organisierte Messen, Veranstaltungen und Alumnitreffen. Seit 2010 haben sich meine Aufgaben dahingehend verändert, dass ich nicht mehr auf Deutschland im Allgemeinen, sondern nur noch auf eine Hochschule und den Austausch mit ihren chinesischen Partnern konzentriert bin: bis 2012 für die Universität Göttingen in Nanjing und seit September 2012 für die Freie Universität Berlin wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 in Peking. Dies ermöglicht mir, konkreter und unmittelbarer die Bedingungen und Inhalte einer erfolgreichen Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern zu ergründen, passende Partner zu finden und Potenziale herauszuarbeiten. Hier zu beraten, Synergien zu schaffen und unterstützend wirken zu können, gehört zu den interessantesten Aufgaben. 2 Worin besteht Ihre aktuelle Tätigkeit? Die Freie Universität Berlin in China sichtbar zu machen und hervorragende chinesische Wissenschaftler und Studierende für die FU Berlin zu gewinnen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt in der Zusammenarbeit mit dem China Scholarship Council (CSC), mit dem die FU schon seit 2008 auf vertraglicher Basis in einem gemeinsamen PhD-Programm kooperiert und durch das bereits mehr als 150 chinesische Doktoranden an die FU Berlin gekommen sind. Hinzu kommt noch die Zusammenarbeit mit den FU-Alumni in China, die Unterstützung beim Aufbau interner Alumni-Netzwerke und die Bereitstellung von Informationen zu Förderungsmöglichkeiten und Entwicklungen an der FU Berlin durch regelmäßige Newsletter und die Webseite des Peking Büros. Aber es gilt natürlich auch die Gegenrichtung wahrzunehmen, das heißt, Studierende und Wissenschaftler der Freien Universität Berlin mit chinesischen Partnern in Verbindung zu bringen und über mögliche Studienaufenthalte oder potenzielle Partner und Zusammenarbeit, sei es in Forschungsprojekten oder strukturellen Programmen, zu informieren. Unser Pekinger Büro versteht sich generell als Serviceeinrichtung für Angehörige der FU, wissenschaftsmanagerin11 das Informationen bietet, Einschätzungen formuliert, Studiengänge zu bewerben hilft, beim Aufbau von Forschungskooperationen unterstützt und begleitet. 3 Welche beruflichen Ziele haben Sie? Die Wissenschaftler an der FU und in China zu größeren, nachhaltigen und institutionell wie auch strukturell besser verankerten Projekten bei gleichberechtigtem Einsatz beider Seiten zu ermutigen, für die es dann auch Kofinanzierungen auf beiden Seiten geben sollte; das heißt: weg von der eng gefassten Forschungs-Zweierbeziehung, die schnell mit dem Ausscheiden einer Person beendet ist, und hin zu gemeinsamen bilateralen Teams, die auf Augenhöhe und mit reziprokem Einsatz an gemeinsamen Projekten arbeiten, unter Einbeziehung von jungen Nachwuchskräften und erfahrenen Professoren. Außerdem Bildung von gemeinsamen fachlichen Instituten und Zentren, idealerweise an den Partnerhochschulen, Einrichtung von gemeinsamen Doppelabschluss-Programmen, gemeinsamen Graduiertenkollegs, Promotionsprogrammen und umfangreichen Forschungsprojekten, die im Sinne der Nachhaltigkeit und der Weiterentwicklung von Partnerschaften auch den Nachwuchs ins Zentrum setzen und im Auge behalten. 4 Ihr gelungenstes Projekt? Im Herbst 2008 die Leitung des Teams Wissenschaft und Bildung bei der Veranstaltung „Deutschland und China – Gemeinsam in Bewegung“ in Guangzhou mit 14 Programmen, wovon das Team des DAAD-Informationszentrums, das ich damals leitete, sieben Programme organisierte. Darunter waren die erstmals in China vorgestellte Kinder-Uni, eine deutsche Hochschulmesse, ein Umwelt-Forschungsworkshop und eine TV-Talkshow für Deutschland-Alumni. Die Vielfältigkeit der Inhalte und die Maßgabe der eng aufeinander abgestimmten Organisation mit den jeweiligen chinesischen Partnern war eine Herausforderung und offenbarte die ganze Bandbreite des Diskurses im bilateralen Verhältnis. Die sehr erfolgreichen Veranstaltungen zeigten aber auch, wie wichtig es ist, im Gespräch zu bleiben und etwas gemeinsam zu entwickeln, um somit auch den Erfolg gemeinsam wahrnehmen und darin die Potentiale für die Zukunft sehen zu können. ” Der Aufbau von Netzwerken im internationalen Kontext wird immer wichtiger. 5 Die größte Herausforderung für das Wissenschaftsmanagement? Bezogen auf die Zusammenarbeit mit China sehe ich die größte Herausforderung in der Entwicklung von gemeinsamen, kofinanzierten Projekten und Programmen, die auf Augenhöhe entwickelt und gleichberechtigt durchgeführt werden. Dies verlangt von beiden Seiten ein hohes Maß an Einsatz und Gesprächsbereitschaft, um gemeinsame Interessen zu eruieren und umzusetzen. Hinzu kommt die gemeinsame Antragsstellung bei Förderungsinstitutionen in Deutschland und China. 6 Wohin wird sich das Wissenschaftsmanagement entwickeln? Der Aufbau von Netzwerken im internationalen Kontext wird immer wichtiger. Hier Synergien zu schaffen, Kooperationen anzubahnen und transnational geeignete Partner zu finden, wird immer interessanter. Hierzu gehören die Beratung und die Bereitstellung von zielgruppenspezifischen Informationen zu potenziellen Partnern und Förderungsmöglichkeiten beider Seiten sowie der Einsatz neuer Medien, wie zum Beispiel die Nutzung von microblogs in China. 7 Ihre Botschaft an die Kolleginnen und Kollegen? Für meinen Arbeitsbereich ist die Kommunikation, das Gespräch mit den beteiligten Wissenschaftlern unerlässlich, um zu informieren und Interesse zu wecken. Auch können nur die Informationen zu positiven und negativen Erfahrungen derjenigen, die in der Wissenschaft arbeiten, helfen bei der Gestaltung und Umsetzung von Programmen sowie der Formulierung innovativer Ansätze. Kontakt: Beate Rogler Leiterin Verbindungsbüro Peking der Freien Universität Berlin DAAD – German Academic Exchange Service Unit 1718, Landmark Tower 2 8 North Dongsanhuan Road, Chaoyang District Beijing 100004, P.R. China Tel.: +86-10-6590 6676-35 Fax: +86-10-6590 6393 E-Mail: [email protected] wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 12 aktuelle diskussion Scheitern und Misserfolg Das System scheitert im Umgang mit Niederlagen Nina Feltz, Beraterin im Career Center der Universität Hamburg und im Promotionskolleg der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg Monate später die Entscheidung: „Nach Prüfung Ihres Projektantrages müssen wir Ihnen leider mitteilen, dass Ihr Antrag im Wettbewerb mit den anderen eingereichten Projektvorschlägen nicht die notwendige Priorität erreicht hat.“ – „I am very sorry that your ambitious proposal was rejected“, schreibt einer der Kooperationspartner empathisch, für den der Anteil im Projekt lediglich ein „Bonbon“ gewesen wäre. Diese Situationen sind keine Seltenheit. Drittmittelakquise beziehungsweise das Einwerben öffentlicher Projektaufträge ist spätestens seit der Exzellenzinitiative zum zentralen Finanzierungsmechanismus und damit Überlebensmoment vor allem von Nachwuchsförderung und -entwicklung geworden. Der Schwemme an finanzierungsbedürftigen „High Potentials“ begegnet das System Hochschule mit Großveranstaltungen zu Finanzierungsmöglichkeiten, deren Beantragung bereits das Navigieren im Antragsdschungel voraussetzt. Schätzungsweise 60 Prozent einer Stelle werden dafür aufgewendet, der Konkurrenzdruck ist enorm. Nicht die Stellen der Professoren oder die Existenz der wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 Fakultät stehen dabei auf dem Spiel, sondern die (Weiter-)Beschäftigung im akademischen Mittelbau, häufig von Promovierenden oder Post-Docs. Nur Kamele, kein Diskurs Das Kommen und Gehen der „Befristeten“ ist Normalzustand. Wie werden Rückschläge von den Einzelnen verarbeitet? Mit Glück sind sie Teil eines funktionierenden Teams, haben verständnisvolle Betreuung oder ein ausgleichendes Privatleben. Vielleicht geht auch noch etwas in der verbleibenden Laufzeit oder an einer anderen Hochschule. Schaut man sich die Lebensläufe heutiger Post-Docs an, sind erfolgreich eingeworbene Drittmittelprojekte maßgeblich für den Erfolg. Da es kaum mehr feste Stellen jenseits der Professur gibt, gilt das Prinzip: „Organisier‘ Dir Jahr für Jahr Dein Bleiberecht, wirb Geld für Deine Stelle ein oder geh‘!“ Ein Klima des „Nur erwünscht sein, wenn…“ hat sich längst durchgesetzt. Kürzlich wurde in einem Berufungsverfahren gefragt: „Wie viele Kamele bringen Sie uns denn mit?“ Kann es sein, dass Kamele inzwischen das Hauptaugenmaß für die Qualität von Forschung und Lehre sind? Weder Hochschulleitung noch Department wissen zumeist um die Ablehnungen von Anträgen und deren Auswirkungen auf die Betroffenen – für Misserfolge gibt es keinen Diskurs, außer den enttäuschter Hochschulleitungen nach dem Scheitern in einer Exzellenzrunde. Das System Hochschule ist längst so angelegt, Niederlagen einzurechnen, nur befristete (Teilzeit-)Stellen finanzieren zu können/wollen und dadurch hoch qualifizierte Nachwuchskräfte zu verlieren, weil Drittmittelanträge scheitern. Es gleicht inzwischen einem Groß- Foto: Universität Hamburg/StudioLine Die zwei wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen hatten wochenlang an dem Projektantrag gearbeitet, dafür notwendige Kooperationspartnerschaften im Ausland waren abgeschlossen, alle Kalkulationen inklusive Eigenanteile der Hochschule gegengerechnet, das Englisch perfekt und nicht zuletzt die eigenen Stellen sinnvoll eingebettet. Endlich war er weg – gleich zurück ins Alltagsgeschäft: Lehre, Publikationen, Postersessions vorbereiten, das aktuelle Projekt weiterführen und vieles mehr. Das Karussell dreht sich unbeirrt, das Ende der Stellen naht. unternehmen in vielen ökonomischen Logiken und bewertet die Leistungen seiner Mitarbeitenden entsprechend. Gleichwohl steht es als Teil der öffentlichen Hand für die Qualität und Weiterentwicklung des Bildungssektors – als solches ist es zum Schutz, zur Förderung und zur Entwicklung seiner Mitarbeitenden verpflichtet, die durch ihre Leistungen in Forschung und Lehre gesellschaftlich bedeutende Wissensbestände reproduzieren sollen. Das System braucht demnach Personalentwicklungsmaßnahmen, die Mitarbeitende auf den verschiedenen Qualifizierungsebenen alternative Angebote machen und aufzeigen, strukturelle Netze spannen – und eine Organisationskultur, die Forschungsförderungsund Drittmittelanträge als zentrales Anliegen der gesamten Organisation begreift, nicht als Sieg und Niederlage einzelner Personen. Scheitern und Misserfolg aktuelle diskussion13 Für eine Kultur des Scheiterns Sabina Fleitmann, Inhaberin von ProfiL – Beratung-Management-Bildung für Verbände und Hochschulen, Bonn einer „Kultur“ gesprochen wird – Fachbereichskultur, Leitbild- und Organisationskultur zum Beispiel – schwingt im Hintergrund oft ein kleiner „Verdacht“ mit: dass es nämlich mit dieser Kultur nicht zum Besten bestellt sein könnte, dass sie vielleicht verbesserungswürdig sei, und dass man sich zumindest bemühen müsse, etwas zu verändern oder bewusster Besonderheiten und Stärken herauszuarbeiten und aktiv zu pflegen. Wenn ich also von einer „Kultur des Scheiterns“ spreche, steht die Forderung, bewusst und aktiv mit dem Phänomen Scheitern umzugehen, gleich mit im Raum. Dies erfordert, genauer hinzuschauen und zu klären, was heißt „scheitern“ eigentlich in der Wissenschaft? Welche Maßstäbe gibt es für Scheitern? Wer setzt sie, und welche (offenen oder verdeckten) Leitsätze prägen unser Bild vom Scheitern? Wie finden wir eine angemessene (Neu-)Definition von Scheitern? Außerdem bedeutet diese Forderung, nach neuen und alternativen Wegen im Umgang mit dem Scheitern zu suchen und hier Angebote (für betroffene Wissenschaftler und für die Hochschulen) zu schaffen. Genauer hinzusehen heißt erst einmal, Scheitern in seinen verschiedenen Kontext-Ebenen wahrzunehmen und kritisch zu hinterfragen. Konkret: Weg von der individuellen Schuldzuschreibung! Weg vom impliziten „Scheiter-Verbot“ im Wissenschaftsbetrieb und seinem Zwilling, dem Zwang zum Erfolg! Weg von dem zweifelhaften Folgephänomen, nämlich der Verlagerung des Scheiterns von der eigenen Person auf Andere im Rahmen einer falsch verstandenen Hierarchie! Weg von der Zuschreibung des Studienerfolgs allein an die Studierenden! Weg von der Zuordnung des Scheiterns als Problem singulärer Fächer oder Fachbereiches hin zu einem hochschulweiten Anliegen, dessen Eckpunkte und Konstituenten in Bezug auf Leitbilder und Mission Statements zu bewerten und mit der so gewonnenen Klarheit als Führungsaufgabe für Hochschulleitungen zu begreifen sind! Weg von systemimmanenten Behinderungen und einer nicht hinterfragten „Kultur des Ehrgeizes“ als vom menschlichen Maß losgelösten Triebfaktor, hin zur Erkenntnis, dass diese Problematik eine bildungsstrukturelle ist, geprägt von nicht hinterfragten gesamtgesellschaftlichen Bildungsidealen und Wertmaßstäben sowie von einer neuen Marktkonkurrenz! Alternative Wege In der Tat verharren ernsthafte Versuche einzelner Hochschuleinheiten, dem Scheitern und dem Misserfolg für die eigenen Studierenden und Wissenschaftler entgegenzuwirken, oft im Stadium des Gutgemeinten, weil sie im Interessengeflecht der Gesamtorganisation Hochschule wenig Chancen haben. Um das zu ändern, müssten sowohl die traditionell oft konkurrierenden Fachbereiche sich auf eine gemeinsame Linie verständigen, als auch die Hochschulen sich dazu entschließen, eine positive Kultur des Scheiterns als Schritt in einer Lebensplanung oder auf dem Weg in alternative Arbeitswelten oder Tätigkeitsbereiche zu Foto: privat Wenn in der Organisationsentwicklung von etablieren, die durchaus für sich beanspruchen darf, wissenschaftliches Ethos in die Welt außerhalb der Hochschule hineinzutragen. Lehre und Forschung müssen das Scheitern als Möglichkeit (nicht als Ziel!) immer mitdenken, sich an Lösungsperspektiven orientieren und so vermitteln, was es an Neben- und Auswegen außerhalb der im strengen Sinne wissenschaftlichen Karriere noch gibt. So wird das Scheitern institutionell legitimiert und damit enttabuisiert. ” Ehrgeiz ist wohl der am besten verhüllte Auswuchs des Gehorsams. Verhüllt deshalb, weil der Unterworfene sich als autonom erlebt, da er glaubt, eigene Ziele zu verwirklichen. (Arno Gruen, 2002) wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 14 schwerpunkt Forschungsinformationssysteme Mathias Riechert und Stefan Hornbostel Alter Wein in neuen Schläuchen? Auf dem Weg zum Forschungsinformationsnetz Forschungsinformationen haben in den vergangenen 30 Jahren einen tief greifenden Wandel durchlebt. Trotz vielfältiger Entwicklungs- und Standardisierungsbemühungen hat sich kein einheitlicher Standard zu deren Erhebung und Verfügbarmachung durchgesetzt. Der vorliegende Beitrag diskutiert veränderte Anforderungen und zeigt resultierende Problemfelder für die Entwicklung hin zu einer vernetzten Forschungsinformationslandschaft auf. Die passenden Daten müssen zum richtigen Adressaten. Foto: Hermann Eberhardt/pixelio wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 Die Diskussion um Forschungsinformationen ist nicht neu. Parallel zu der in den 1980erJahren begonnenen Debatte um die Leistungsfähigkeit des deutschen Hochschulsystems entstanden Forderungen und Überlegungen zur Berichterstattung über Forschungsleistungen (Wissenschaftsrat 1980). Damals lag der Fokus darauf, forschungsrelevante Informationen für Wissenschaftler und Administratoren einfacher zugänglich zu machen. In den 1990er-Jahren folgte eine – bis heute anhaltende – intensive Diskussion um geeignete Indikatoren zur Messung von Forschungsleistungen. Das Interesse weitete sich auf evaluative Aspekte aus. Zugleich begannen die ersten Versuche, ein einheitliches europäisches Format für die elektronische Datenhaltung zu definieren (Common European Research Information Format; CERIF). Seit 2000 rückte dieser Aspekt internationaler Vergleichbarkeit stärker in den Vordergrund. Anders als das 1963 von der OECD initiierte und zuletzt 2002 fortgeschriebene „Frascati-Handbuch“, das sich im Wesentlichen auf international gültige Definitionen und Abgrenzungen von Forschungstypen, Forschungsgebieten, Personal und Ausgaben konzentriert, wurde in der Debatte um „Current Research Information Systems“ (CRIS) der direkte Austausch von Daten zum Kernanliegen. Gleichzeitig brachte die Open-Access-Bewegung in der Folge von Fälschungsskandalen und Forderungen nach besserer Zugänglichkeit von Primärdaten und Ansätzen zur Entwicklung virtueller Forschungsumgebungen weitere Facetten in die Debatte um Forschungsinformationssysteme (FIS) ein. Die wachsende Komplexität ließ immer deutlicher werden, dass ein CRIS mehr beinhaltet als lediglich ein Data Warehouse, das mit den organisationseigenen Daten bestückt ist. Interoperabilität, Austauschbarkeit der Daten von Hochschulen, Forschungsorganisationen, Drittmittelgebern, Bibliotheken, Repositorien, bibliometrischen Datenbanken und so weiter wurden zum Thema (Asserson/Simons 2006). Angesichts der enormen Schwierigkeiten, die sich dabei zeigten, verstärkte sich die Debatte um Definition und Standardisierung von Daten und Formaten und die Integration von Forschungsinformationssystemen sowohl in die lokale Dateninfrastruktur wie auch in nationale und internationale Berichtssysteme. 15 Entwicklungen und Prozesse Praktisch hatten diese Debatten aber kaum Auswirkungen auf die Vereinheitlichung der Informationssysteme. Insbesondere unter den föderalen Bedingungen in Deutschland entwickelte sich eine Fülle von lokalen, mehr oder weniger elaborierten Systemen mit unterschiedlichen Inhalten, Datendefinitionen, rechtlichen Regelungen, technischen Lösungen, Austauschformaten, internen Funktionen und Nutzerkreisen. Problematisch wurde diese Vielfalt mit dem Umbau des deutschen Hochschulwesens im Sinne des New Public Managements. Mit steigender Autonomie der Hochschulen ging ein wachsender Informationsbedarf von unterschiedlichsten Akteuren einher. Organisationsintern stiegen die Erwartungen an die Entwicklung interner Steuerungsprozesse und strategischen Handelns, extern stiegen die Erwartungen der Wissenschaftspolitik an eine Output-orientierte Berichterstattung. Rankings und Ratings brachten nicht nur weiteren Informationsbedarf mit sich, sondern veränderten mit ihren Informationsangeboten auch die Umwelt für Forschungseinrichtungen. Die Folge waren sehr bald Klagen über den Aufwand der Datenbereitstellung, Debatten über die Legitimität von Informationswünschen und Auseinandersetzungen über methodische Anforderungen an Informations- und Berichtssysteme. Pars pro toto lässt sich diese Entwicklung am Forschungsrating, das der Wissenschaftsrat (WR) 2004 (Wissenschaftsrat 2004) initiierte, nachverfolgen. Das Rating des WR soll in einem wissenschaftsgeleiteten Prozess und unter Berücksichtigung der disziplinären Eigenheit der Forschung zu einer vergleichenden Bewertung der Forschungsleistungen von Universitäten und außeruniversitären Einrichtungen führen. Methodisch wurde dazu das „informed peer review“ eingesetzt, das heißt, dass Fachexperten ihre Einschätzung unter Nutzung einer breiten Palette von quantitativen und qualitativen Daten erarbeiten. Bis heute konnte sich im deutschen Wissenschaftssystem kein Standard für die Bereitstellung vergleichbarer Daten durchsetzen. In diesem Jahr hat der Wissenschaftsrat nun eine „Empfehlung zu einem Kerndatensatz Forschung“ verabschiedet. Damit scheint der bisher eher akademische Diskurs um die Definition von Forschungsprodukten und -voraussetzungen, geeignete Indikatoren, Standardisierung von Datenformaten, einheitliche Datenerhebung und Formate des Datenaustauschs auf einer ganz praktischen Ebene angekommen zu sein (Wissenschaftsrat 2013). ” Standen vor 30 Jahren bei der Entwicklung von Forschungsinformationssystemen häufig noch technische Fragen im Mittelpunkt, liegen die Aufgaben heute eher in der Harmonisierung von Definitionen, Standards, Austauschformaten, rechtlichen Rahmenbedingungen und Datenschutzanforderungen. Wie dringlich ein solcher Schritt ist und welche Schwierigkeiten dabei zu meistern sind, lässt sich anhand der aktuellen Debatte um den wissenschaftlichen Nachwuchs in Deutschland abschätzen. Angestoßen von Plagiatsskandalen, offenbarten sich in der Diskussion um das Promotionswesen nicht nur enorme Lücken in der Erfassung von Doktoranden und erhebliche Qualitätsmängel der vorhandenen Daten, sondern auch die Sensibilitäten bei einer Veränderung von Erhebungspraxen (Hauss et al. 2012; Hornbostel 2012). Die Erhebung und Verarbeitung forschungsrelevanter Informationen – Daten über den wissenschaftlichen Nachwuchs gehören dazu – sind keineswegs nur ein technisches Problem. Vielmehr werden Macht- und Zuständigkeitsfragen aufgeworfen, rechtliche Rahmenbedingungen problematisiert, Qualitätskontrollen und Ressourcenumverteilungen notwendig. Als Folge der gestiegenen Anforderungen sind verschiedene Entwicklungen zu beobachten: Die Hochschulen implementieren zunehmend komplexere Informationssysteme. Teils sind dies Eigenentwicklungen, teils kommerzielle Systeme, die partiell in die bestehende Softwareumgebung integriert werden. Die Anpassungs- und Implementierungsprozesse stellen insbesondere für kleine Hochschulen eine wachsende finanzielle Belastung dar. Von Seiten des Wissenschaftsrates wird nun die Entwicklung eines „Kerndatensatzes Forschung“ vorangetrieben. Der Fokus liegt dabei auf der einheitlichen Definition von Datenformaten und Standards, Schnittstellen sowie einer Fächerklassifikation. Ziel ist dabei die langfristige Reduktion des Aufwandes für die Hochschulen. Ein Kanzler-Unterarbeitskreis „Berichtswesen“ erarbeitet Empfehlungen für Stichwörter Forschungsinformation Anforderungen Forschungsinformationssysteme Standardisierung wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 16 ” schwerpunkt Forschungsinformationssysteme Um alle Informationsbedarfe angemessen zu adressieren, werden derzeit an den Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen Informationen mehrfach vorgehalten oder müssen anlassbezogen aufwändig generiert werden. ein einheitliches Berichtswesen zwischen den Hochschulen und Ländern. Die Informations- und Softwareanbieter bieten neben Forschungsinformationssystemen auch diverse Managementwerkzeuge, die insbesondere auf den beiden internationalen bibliometrischen Datenbanken (Web of Science (WoS) und Scopus) aufsetzen. Akteure des Wissenschaftssystems und deren Vernetzung Für die Entwicklung der Forschungsinformationssysteme sind unter diesen Bedingungen nicht mehr nur die innerorganisatorischen Einheiten der Hochschulen und die dort beschäftigten Wissenschaftler relevant, sondern eine ganze Reihe von weiteren Akteuren, die entweder als Nachfrager oder als Anbieter (in manchen Fällen auch in beiden Rollen) auftreten. Ohne Vollständigkeitsanspruch gehören dazu: u die Forschungsförderer mit ihren Informationen über vergebene Drittmittel. Das derzeitige An- gebot etwa der DFG (GEPRIS) enthält weder Informationen über die bewilligten Summen noch in ausreichendem Maße Informationen der erzielten Ergebnisse. Ebenso fehlt eine komfortable Schnittstelle. Umgekehrt können die Förderer auch Bezieher von Daten der Hochschulen sein; u die amtliche Statistik, die nicht nur einen nennenswerten Bestand an Daten hält, sondern auch mit Definitionen, Klassifikationen und gesetzlich geregelten Lieferpflichten Standards setzt; u die Bibliotheken, die bei der Validierung, Zuordnung und Klassifikation von Publikationen eine wichtige Rolle spielen, aber zum Teil auch über Repositorien zu Datenlieferanten werden; u kommerzielle und nichtkommerzielle Anbieter bibliografischer und bibliometrischer Informa- tionen sowie Softwareentwickler; u die Fachgesellschaften, die bei der Entwicklung von Klassifikationen und der Definition an- erkannter Forschungsprodukte wichtig sind. Auch die Fachgesellschaften wären Nutzer der Datenkollektionen; u Bund und Länder sind als Adressaten von Berichten über spezifische Leistungs- und Belas- tungsparameter zu berücksichtigen. Sie setzen zugleich rechtliche Rahmenbedingungen und sind selbst Lieferanten von relevanten Daten; u die außeruniversitären Forschungseinrichtungen, deren Daten und Aggregationseinheiten aus verschiedensten Gründen nur bedingt mit den universitären kompatibel sind (auch in der amtlichen Statistik); u die Anbieter von Ratings und Rankings, Wissenschaftsorganisationen, aber auch die mediale Öffentlichkeit. keywords Research Information Research Information Systems Requirements Standardization wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 Um alle Informationsbedarfe angemessen zu adressieren, werden derzeit an den Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen Informationen mehrfach vorgehalten oder müssen anlassbezogen aufwändig generiert werden. Durch eine Übereinkunft über einen gemeinsam zugrunde gelegten Standard der Forschungsinformationen kann dieses Mehrfachvorhalten reduziert werden. Gleichzeitig stellt aber gerade der breite Kreis an potenziellen Nutzern und Datenlieferanten die größte Herausforderung an die Gestaltung eines interoperablen Informationssystems dar. Angesichts der Tatsache, dass an vielen Hochschulen nicht einmal intern alle notwendigen Informationen zur Verfügung stehen – ganz zu schweigen von einem Informationssystem, das diese Informationen bündelt und aufbereitet –, wird der Weg zu einem solchen System nur in Etappen zurückzulegen sein. 17 Entwicklungen und Prozesse Auf dem Weg zum vernetzen Forschungsinformationssystem Standen vor 30 Jahren bei der Entwicklung von Forschungsinformationssystemen häufig noch technische Fragen im Mittelpunkt, liegen die Aufgaben heute eher in der Harmonisierung von Definitionen, Standards, Austauschformaten, rechtlichen Rahmenbedingungen und Datenschutzanforderungen. Aus der Vielzahl der Berichtsanforderungen ergibt sich auf Seiten der Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen eine Vielzahl an zum Teil widersprüchlichen Informationsbedarfen. Dabei ist grundsätzlich zwischen internen (Evaluation, Steuerung, Wissenstransfer, Kommunikation, Initiierung und Förderung zukünftiger Forschungsvorhaben) und externen Informationsbedarfen (Management von Forschungsprojekten, Unterstützung förderpolitischer Entscheidungen für Fördereinrichtungen und -gremien, Technologietransfer, Verbreitung und Akzeptanz der Forschungsergebnisse, Berichtswesen) mit jeweils anderen Anforderungen an das Berichtswesen zu unterscheiden (Beyer/Trice 1982; Herwig/Becker 2012; Jörg 2012; Landry/Amara/Lamari 2001). Die Hochschule hat in der Regel selbst ein Interesse, Informationen zu bündeln, sie anhand externer Quellen zu validieren oder zu ergänzen und aufbereitete Informationen und Indikatoren zentral verfügbar zu machen, um dem Steuerungsbedarf und den Berichtspflichten gerecht zu werden. Dem gegenüber fordern Wissenschaftler zu Recht als „Enddatenproduzenten und -nutzer“ die Forschungsinformationssysteme als Werkzeug für die Forschungstätigkeit oder zumindest als Instrument zur Entlastung von bürokratischen Routinen. Bei alledem werden von allen Beteiligten potenzielle Nutzungsszenarien antizipiert, was dazu führt, dass Transparenz und Information mit einer strategischen Abschätzung von erwünschten und unerwünschten Folgen verrechnet werden. Die Erzeugung von Akzeptanz ist daher mit Erwartungen und Vorbehalten höchst unterschiedlicher Art konfrontiert. Am Beispiel der Forschungseinrichtungen im außeruniversitären Bereich wird eine weitere Facette des Problems deutlich: Durch die Zusammenarbeit mit Industriepartnern sind im Forschungsumfeld häufig Vertrauensaspekte zu berücksichtigen, die eine heterogene Informationserfassung und verteilte Informationskreisläufe zur Folge haben. Dadurch wird die Integration in ein übergreifendes Austauschsystem verkompliziert. Zur Deckung der verschiedenen Informationsbedarfe wurden in Forschungseinrichtungen häufig Insellösungen eingeführt, die eine problem- und institutionenübergreifende Integration bestehender Systeme erfordern, um die mehrheitlich dezentralen und zumeist isoliert voneinander liegenden Datenbestände zusammenzuführen. Das hat zur Folge, dass ein disziplinenübergreifender Informationszugang zu den Forschungsaktivitäten und -ergebnissen behindert und die Wahrnehmung von Forschungsprofilen unter Umständen gehemmt wird. Zudem erfordern dezentral gepflegte Daten häufige Mehrfachabfragen und erhöhen so den administrativen Aufwand für einzelne Berichtsanlässe (Herwig/Becker 2012). Neben internen Daten nutzen einige Systeme Importfunktionalitäten zur Integration externer Daten, die in der Praxis jedoch meist einen arbeitsintensiven Abgleich- und Qualitätssicherungsprozess erfordern (Ebert et al. 2012; Tobias/ Karl 2012). Da weitere externe Informationsquellen für die Forscher und die Verwaltung von Interesse sind (beispielsweise Förderdaten, Fachdatenbanken, Volltexte, CVs und so weiter) ist neben der Standardisierung des Datenaustauschformates auch die Entwicklung von Qualitätssicherungsprozessen notwendig. Am Beispiel der Integration von externen Daten wird letzteres Problem deutlich: Zusammengeführte Daten aus dezentralen Quellen erfordern eine umfassende Qualitätssicherung, da häufig verschiedene Datenkonzepte aufeinandertreffen. Durch diese Integration entwickelt sich eine zunehmende Abhängigkeit von externer Qualitätssicherung. Strittig ist die Frage, wer bei zusammengeführten Daten für die Qualitätssicherung verantwortlich ist. Von den Hochschulen Mathias Riechert ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung (iFQ) und promoviert im Bereich Forschungsinformation. Prof. Dr. Stefan Hornbostel ist Leiter des Instituts für Forschungsinformation und Qualitätssicherung (iFQ) und Professor für Soziologie am Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin. summary The Requirements for Research Information Systems have changed fundamentally in the last three decades. Despite of broad development and standardization effort no common research information standard has been established in the German science system. The present article discusses changed research information system requirements, gives an overview of relevant actors and points out resulting problem fields preventing the development of a linked research information landscape. wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 18 Literatur: Asserson, A. G. S./Simons, E. J., Enabling Interaction and Quality: Beyond the Hanseatic League-8th International Conference on Current Research Information Systems, Bergen 2006. Beyer, J. M./Trice, H. M., The utilization process: A conceptual framework and synthesis of empirical findings. Administrative Science Quarterly, 591–622, 1982. Ebert, B./Kujath, A./Holtorf, J./Holmberg, K./Rupp, T., Erfahrungen aus der Einführung des Forschungsinformationssystems Pure an der Leuphana Universität Lüneburg. Forschungsinformation in Deutschland: Anforderungen, Stand und Nutzen existierender Forschungsinformationssysteme, 65, 2012. Hauss, K./Kaulisch, M./Zinnbauer, M./Tesch, J./Fräßdorf, A./ Hinze, S./Hornbostel, S., Promovierende im Profil: Wege, Strukturen und Rahmenbedingungen von Promotionen in Deutschland. Ergebnisse aus dem ProFile-Promovierendenpanel. iFQ-Working Paper No.13. Berlin 2012. Herwig, S./Becker, J., Einführung eines Forschungsinformationssystems an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster: Von der Konzeption bis zur Implementierung. Forschungsinformation in Deutschland: Anforderungen, Stand und Nutzen existierender Forschungsinformationssysteme, 41, 2012. Hornbostel, S. (Hrsg.), Wer promoviert in Deutschland? Machbarkeitsstudie zur Doktorandenerfassung und Qualitätssicherung von Promotionen an deutschen Hochschulen. iFQ-Working Paper No.14. Berlin 2012. Jörg, B., CERIF 1.3 Full Data Model (FDM): Introduction and Specification, 2012. Abgerufen von http://www.eurocris.org/ Uploads/Web%20pages/CERIF-1.3/Specifications/CERIF1.3_ FDM.pdf. Landry, R./Amara, N./Lamari, M., Utilization of social science research knowledge in Canada. Research policy, 30(2), 333– 349, 2001. Tobias, R./Karl, V., Einführung eines integrierten Forschungsinformationssystems am Karlsruher Institut für Technologie. Forschungsinformation in Deutschland: Anforderungen, Stand und Nutzen existierender Forschungsinformationssysteme, 55, 2012. Wissenschaftsrat, Empfehlung zur Forschungsberichterstattung der Hochschulen: verabschiedet am 25. Januar 1980 in Berlin. Geschäftsstelle d. Wissenschaftsrates, 1980. Wissenschaftsrat, Recommendations for rankings in the system of higher education and research. Part 1: Research. Geschäftsstelle d. Wissenschaftsrates, 2004. Wissenschaftsrat, Empfehlungen zu einem Kerndatensatz Forschung (Drs. 2855-13). Geschäftsstelle d. Wissenschaftsrates, 2013. Kontakt: Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung (iFQ) Schützenstraße 6a 10117 Berlin Tel.: +49 30 2064 177-0 Fax: +49 30 2064 177-99 E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected] www.forschungsinfo.de www.research-information.de wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 schwerpunkt Forschungsinformationssysteme werden verschiedenste Modelle umgesetzt: von manueller Eingabe durch die Wissenschaftler selbst, über Pflege durch die übergeordnete Verwaltungsstelle bis zur Aufnahme und Qualitätssicherung durch die Bibliothek. Insgesamt ist zu beobachten, dass auf Nutzerseite durch die Einführung eines vernetzt integrierenden Forschungsinformationssystems teilweise überhöhte Erwartungen an die bereits erfolgte Qualitätssicherung entstehen (Ebert et al. 2012). Eine Standardisierung muss sowohl Formate als auch Workflows zur Qualitätssicherung umfassen, da bislang weder verbindliche Definitionen zur qualifizierten Beschreibung von Forschungsdaten vorliegen, noch eine Infrastruktur und das zugehörige Prozesswissen aufgebaut sind. Diese bereits bei der Zusammenführung von Teildatenbanken bei Universitätsfusionen (Beispiele: KIT, Universität Lüneburg) deutlich identifizierte Anforderung ist umso gewichtiger, je diverser die zugrundeliegenden Systeme sind. Ein institutionsübergreifender Standardisierungsprozess muss demzufolge verstärkt relevante Akteure frühzeitig einbinden, um eine bessere Wiederverwendbarkeit vorhandener Daten zu ermöglichen. Der Mehrwert für den Benutzer besteht bei bereits eingeführten Forschungsinformationen vornehmlich in der Publikationsunterstützung, der Präsentation der Forschungs- und Publikationsaktivitäten, der Kopplung an Mittelvergaben, der Unterstützung der Forscher im Forschungsprozess und der Dokumentation von Projektkoordinaten. Zudem können durch Einbindung eines Qualitätssicherungsprozesses auf Verwaltungs- oder Bibliotheksebene Wissenschaftler deutlich von Meldepflichten entlastet werden (Tobias/Karl 2012). Der Umfang der erreichten Entlastung hängt zudem stark von der Nutzerfreundlichkeit des Systems, der Einfachheit der Eingabe für den Nutzer ab. Der Nutzen für den Anwender steht schließlich in direkter Wechselwirkung mit der Akzeptanz des Forschungsinformationssystems auf institutioneller Ebene: Nur wenn das System auf Verwaltungs- und Nutzerebene angenommen und von Vertrauen in die Sicherheit und Qualität des Systems begleitet wird, kann die für den Erfolg notwendige Kultur des „Data Sharing“ entstehen. Bei Einführungsprozessen innerhalb von Universitäten wurde deutlich, dass eine begleitende Kommunikation von konkreten Anwendungsszenarien mit individuell sichtbarem Nutzen helfen kann, eventuelle Vorbehalte abzumildern (Herwig/Becker 2012). In manchen Disziplinen gehören virtuelle Forschungsumgebungen für Wissenschaftler bereits zum Forschungsalltag, in anderen Bereichen wird der elektronische Zugriff auf Rohdaten vermutlich bald zum Standard gehören. Performanzindikatoren unterschiedlichster Güte vagabundieren längst durch die Wissenschaft. Vor diesem Hintergrund wird vermutlich auch die Administration des Wissenschaftssystems in absehbarer Zukunft auf vernetzte Forschungsinformationssysteme kaum verzichten können. 19 Anbieter Kommerzielle Anbieter von Forschungsinformationssystemen Zwei kommerzielle Anbieter in Deutschland, die den europäischen Standard CERIF unterstützen Pure by Atira/Elsevier ” 48.000 Forscher an 75 Institutionen in Europa ” Kompatibel mit den internationalen Standards CERIF, CASRAI und ORCID Das dänische Unternehmen Atira veröffentlichte 2003 das Forschungsinformationssystem (FIS) Pure. Im August letzten Jahres wurde die Firma vom niederländischen Wissenschaftsverlag Elsevier übernommen. Pure ist ein auf dem europäischen FIS-Standard CERIF basierendes Informationsmanagement-Programm, welches nach eigenen Angaben von mittlerweile knapp 48.000 Forschern an 75 Institutionen in Europa genutzt wird. Hauptsächliche Verbreitung findet es in Dänemark und Großbritannien. In Deutschland verwendet es bisher nur die Leuphana Universität Lüneburg. Pure vereint eine Vielzahl relevanter Daten für Forscher und Hochschulmanager in einem zentralen Verarbeitungstool: Stipendienbewerbungen, Forschungseinkommen und Finanzen, Projekte, Veröffentlichungen, externe Kollaborationen, Veranstaltungen, Preise und mehr. Die Nutzer können dabei selbst bestimmen, welche ihrer Daten öffentlich einsehbar sein sollen. Außerdem integriert Pure eine Vielzahl lokaler Datenbanken und Informationsquellen, von bibliografischen Programmen über Finanz- und Buchhaltungssysteme bis hin zu Pressemanagement-Tools und Personalmanagement-Programmen. www.atira.dk Converis by Avedas Das Forschungsinformationssystem Converis der deutschen Firma Avedas ist modular aufgebaut und verfügt dadurch über einen flexiblen Charakter, der sich auch nach der Implementierung weiterhin an die Wünsche der jeweiligen Wissenschaftseinrichtung und deren Bedarf anpassen lässt. Converis führt als zentrale Informations-Management-Datenbank der jeweiligen Wissenschaftseinrichtung verschiedene Daten über Personen, Publikationen, Projektanträge und damit verbundenen Informationen, Projekte inklusive verbundener Finanzinformationen, Patente, wissenschaftliche Leistungen sowie Promotionen zusammen. Dadurch werden Forschende, interne und externe Partner sowie Projekt- und Forschungsinhalte miteinander verknüpft und zentral zugänglich gemacht. Dies hilft Wissenschaftlern und vereinfacht für sie die Datenpflege, macht Forschungsinformationen aber auch allgemein transparent und tagesaktuell verfügbar – ein großer potenzieller Nutzen für Hochschulleitung, Verwaltung und Controlling. Außerdem hilft dies bei der Außendarstellung, speziell auch gegenüber externen Forschungsförderern und Partnern. Die Daten sind dabei kompatibel mit internationalen Standards wie CERIF, CASRAI und ORCID. www.avedas.com wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 20 schwerpunkt Forschungsinformationssysteme Klaus Tochtermann Ein Netzwerk aus Forschenden, Leserschaft und Computern Um nachhaltig erfolgreich zu sein, müssen Forschungsinformationssysteme die Zeichen der Zeit erkennen – und die Möglichkeiten moderner Netzwerke voll ausschöpfen Die Forschung befindet sich im Umbruch. Der Trend führt inhaltlich hin zur interund multidisziplinären Forschung, für die Forschungsinformationen immer häufiger immer stärker und intelligenter vernetzt werden müssen. Zusätzlich ist das große Wachstum sozialer Plattformen und Netzwerke im Internet sowie deren Nutzung durch Forschende und Konsumenten zu einem Charakteristikum für die Wissenschaft im 21. Jahrhundert geworden. Forschungsinformationssysteme verändern sich in diesem Kontext stark: Die Branche steht im Zeichen des immer stärker automatisch vernetzten Webs auf der einen Seite – und der immer wichtigeren Vernetzung durch soziale Netzwerke und Plattformen auf der anderen. Einen Hauch altehrwürdiger als ihre heutigen digitalen Pendants: Informationen zu Forschung und Publikationen, in analoger Form. Foto: Carina Döring/pixelio Unter dem Begriff „Forschungsinformationssystem“ werden Systeme verstanden, die Literatur einer bestimmten Wissenschaftsdisziplin nachweisen. Die Nachweisinformation enthält beschreibende Informationen der eigentlichen Literatur, wie Autorennamen oder Erscheinungsjahr, sowie einen Hinweis, wo auf eine nachgewiesene Veröffentlichung zugegriffen werden kann, etwa in einer Online-Zeitschrift oder im Bestand einer Bibliothek. Beispiele sind etwa die Systeme der drei großen Zentralbibliotheken in Deutschland, also EconBiz (econbiz.eu) der Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften, MEDPILOT (medpilot.de) der Zentralbibliothek für Medizin und getinfo (getinfo.de) der Technischen Informationsbibliothek. Zwei zentrale Trends, die die Entwicklung von Forschungsinformationssystemen massiv beeinflussen, lassen sich identifizieren: Die Weiterentwicklung des „semantischen Webs“ und der Boom des „sozialen Webs“. Das semantische Web – Netzwerke für Computer Forschungsinformationssysteme sind von ihrem Ursprung her disziplinäre Systeme, die für eine wissenschaftliche Disziplin Literatur nachweisen. Dieser Anspruch hat speziell vor dem Hintergrund seine Berechtigung, als man einer Forschungsgemeinschaft einen fachlichen Zugang zu ihrer Literatur ermöglichen möchte. Allerdings befindet sich die Art und Weise, wie Forschung wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 21 Dienstleister Bibliothek betrieben wird, in einem Umbruch. Dieser Wandel wurde unter anderem durch die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder zur Förderung von Wissenschaft und Forschung an deutschen Hochschulen angestoßen. In allen Förderlinien wird nicht nur von „breiten Wissenschaftsgebieten“ oder „wissenschaftlicher Forschung zu einem weiter gefassten Themenkomplex“ gesprochen. Es wird auch explizit gefordert, nicht nur ein bestimmtes Teilgebiet eines Faches zu bearbeiten. Mit diesen Ansprüchen wird in erheblichem Ausmaß die multidisziplinäre und interdisziplinäre Forschung gefördert. Auch in der außeruniversitären Forschung lässt sich dieser Trend erkennen. So hat jüngst die Leibniz-Gemeinschaft für ihre Institute Forschungsverbünde als Instrument für Disziplinen übergreifende Forschung ins Leben gerufen. Der Forschungsverbund Science 2.0 ist einer dieser Verbünde (leibniz-science20.de). Er setzt sich gleichermaßen aus Forschungs- und Informationsinfrastruktureinrichtungen zusammen, die gemeinsam der Frage nachgehen, wie soziale Medien Forschungs- und Publikationsprozesse verändern werden. Viele Erkenntnisse, die während der Antragstellung des Forschungsverbunds entwickelt wurden, liegen diesem Text zugrunde. ” Mit dem semantischen Web soll das World Wide Web in eine Form überführt werden, die es nicht nur Menschen, sondern auch Computern erlaubt, Inhalte von Webseiten zu verstehen. Um Disziplinen übergreifende Forschung bestmöglich unterstützen zu können, müssen sich zukünftig Forschungsinformationssysteme entsprechend anpassen. Das heißt, es muss möglich sein, auch Literatur aus benachbarten Fachdisziplinen zu finden. Wird beispielsweise eine Suche in den Wirtschaftswissenschaften zum Thema des Rückgangs der Wälder abgesetzt, so sollte nicht nur die Literatur aus den Wirtschaftswissenschaften sondern auch Literatur aus benachbarten Fächern etwa den Agrar- und Umweltwissenschaften oder Sozialwissenschaften angeboten werden. Technisch kann dies natürlich dadurch geschehen, dass ein übergeordnetes System eingehende Anfragen an alle angeschlossenen Forschungsinformationssysteme weiterleitet und die gelieferten Suchergebnisse zu einer gemeinsamen Ergebnisliste zusammenbaut. Inzwischen gibt es eine neue Entwicklung, die vor allen Dingen die technische Realisierbarkeit im Vergleich zu den 90er Jahren deutlich erleichtert: die Linked Open Data Initiative, die im Kontext der Entstehung des semantischen Web entstand (linkeddata.org). Mit dem semantischen Web soll das World Wide Web in eine Form überführt werden, die es nicht nur Menschen, sondern auch Computern erlaubt, Inhalte von Webseiten zu verstehen. Die Grenzen des heutigen für die Menschen gemachten World Wide Web lassen sich gut aufzeigen, wenn eine Bildsuche mit dem Begriff „Apache“ gestartet wird. Unter den Ergebnissen findet man neben Bildern des Indianerstamms und einer Web-Server-Technologie auch Bilder eines US-amerikanischen Kampfhubschraubers. Dies liegt daran, dass Computer nicht das Konzept, also Ureinwohner Amerikas, Informationstechnologie oder Luftfahrzeug, verstehen, nach dem gerade gesucht wird. Die Linked Open Data Initiative verfolgt in diesem Kontext zwei Ziele: Einmal sollen Informationen mit einer Lizenz veröffentlicht werden, die eine möglichst breite Nachnutzung ermöglicht. Zum anderen sollen diese Informationen in solch einer Form veröffentlicht werden, dass Computer verstehen, ob es sich bei einer Anfrage zum Thema „Apache“ um das Konzept Ureinwohner Amerikas oder Informationstechnologie handelt. Hierfür gibt es aus dem Bereich der semantischen Technologien Beschreibungssprachen, die dies ermöglichen. Für Forschungsinformationssysteme eröffnen sich in diesem Kontext folgende Möglichkeiten: Ihre Inhalte, also die bibliografischen Daten zu Fachliteratur, können im Rahmen der Linked Open Data Initiative veröffentlicht werden. Diese Veröffentlichung findet unter Verwendung eines Systems zur Beschreibung von Ressourcen (RDF) statt. Dieses ermöglicht es, logische Aussagen über beliebige Dinge zu formulieren, so zum Beispiel dass „Apachen“ zu den Ureinwohnern Amerikas gehören. Auf dieser Basis können logische Aussagen über Informationen aus verschie- Stichwörter Forschungsinformationssysteme Linked Open Data Soziale Medien Semantisches Web wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 22 schwerpunkt Forschungsinformationssysteme summary Research is facing a dynamically changing environment. Starting from the growing demand for interdisciplinary research, networking information has only grown in importance. To satisfy needs of scientists and public alike, research information systems must incorporate the trends of automated networks as well as social networks. ” EEXCESS dreht das traditionelle Paradigma „Take the user to the content“ um und entwickelt Lösungen, die dem Paradigma „Bring the content to the user“ folgen. keywords research information systems linked open data social media semantic web wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 denen Forschungsinformationssystemen verknüpft und Suchanfragen somit entsprechend um fachübergreifende Informationen angereichert werden. Ein reales Beispiel soll diesen komplexen Zusammenhang illustrieren: Der britische Radiosender BBC bietet auf seiner Webseite Informationen darüber an, welche Titel von einem Interpreten zuletzt gespielt wurden. Diese Information wird auch als Linked Open Data veröffentlicht. BBC macht sich zunutze, dass auch die Wikipedia als Linked Open Data verfügbar ist. Diese wiederum bietet zahlreiche Informationen über Lebensläufe bekannter Musiker. Beide Informationsbestände können über eine semantische Beziehung, die die Gleichheit von Autorennamen ausdrückt, miteinander verknüpft werden. Damit ist es möglich, zu einem Titel den Lebenslauf des Interpreten aus der Wikipedia herauszufiltern und dies als Mehrwertinformation auf der Seite des BBC anzubieten. Auch die Informationen von Forschungsinformationssystemen werden zunehmend als Linked Open Data publiziert. Allerdings bedarf es noch viel mehr neuer Anwendungen, um den Anforderungen nach Disziplinen übergreifenden Literaturangeboten der sich wandelnden Wissenschaftsgemeinschaft gerecht zu werden. Diese Anwendungen werden sicherlich in den nächsten Jahren kommen, nicht zuletzt auch deshalb, weil der Wissenschaftsrat im Jahr 2011 in seinen Empfehlungen zur Zukunft des bibliothekarischen Verbundsystems in Deutschland speziell Linked Open Data als eine technische Basis für die Zusammenführung bislang getrennter Erschließungsdaten empfohlen hat. Zudem befasst sich auf europäischer Ebene eine Abteilung des Direktorats CONNECT der Europäischen Kommission speziell mit der Frage, wie Strategien für grenz-, sprach- und themenüberschreitende, datenbasierte Wertschöpfungsketten aussehen können. Das soziale Web – Netzwerke für Menschen Die bibliografischen Informationen in Forschungsinformationssystemen werden von den Organisationen bereitgestellt, die diese Forschungsinformationssysteme auch betreiben. Nutzenden kommt dabei allein die Rolle von „Informationskonsumenten“ zu. Die hierbei zugrundeliegende Governance-Struktur stammt aus den frühen Zeiten des World Wide Web, als die Rollen zwischen Informationsproduzenten und -konsumenten ganz klar getrennt werden konnten. Seit Mitte der 90er Jahre hat sich jedoch das World Wide Web zu einer Umgebung entwickelt, in der die Grenzen zwischen diesen Rollen verschwimmen. Alle können, speziell über soziale Medien, wie Facebook, Twitter, Instagram, aber auch über einfach bedienbare Autorenumgebungen, wie Wikis und Blogs, eigene Inhalte bereitstellen, Inhalte anderer ergänzen, bewerten oder kommentieren. Heutige Forschungsinformationssysteme liegen weit hinter diesen Entwicklungen zurück und beginnen erst langsam diese aufzugreifen. So bieten nur wenige Systeme Möglichkeiten zur Weiterempfehlung oder Bewertung von Informationen durch die Forschenden beziehungsweise eine unmittelbare Verbindung in die bekannten Kanäle des sozialen Webs. Ausnahmen sind im kommerziellen Bereich zu finden, etwa die Literaturverwaltungsumgebung des einst geliebten Open Access Stars Mendeley, der kürzlich von einem der am meisten kritisierten Wissenschaftsverlage übernommen wurde. Im wissenschaftlichen Bereich sei die Facebook-App von EconBiz zu nennen, mit der eine Suche in EconBiz aus dem persönlichen Facebook-Profil mit Möglichkeiten zur Weiterempfehlung von Informationen über Literatur möglich ist. Auch der Forschungsverbund Science 2.0 erarbeitet in diesem Kontext zahlreiche innovative Lösungen, über die Forschungsinformationssysteme und soziale Netzwerken enger verknüpft werden können. Einen Schritt weiter geht das mit knapp sieben Millionen Euro ausgestattete EU-Projekt EEXCESS (eexcess.eu). Mit diesem Projekt soll ein kompletter Paradigmenwechsel vollzogen wer- 23 Dienstleister Bibliothek den, dem folgende Beobachtung zugrunde liegt: Bibliotheken investieren sehr viel in beeindruckend gestaltete Lesesäle, so dass sich die Kundschaft vor Ort wohlfühlt und vor allen Dingen immer wieder gerne in die Bibliothek kommt, um die dort zugängliche Literatur zu nutzen. Es wird also alles getan, um die Kunden zu den Inhalten zu führen. Dieses Paradigma setzt sich bei den Forschungsinformationssystemen fort. Durch möglichst attraktive Benutzungsschnittstellen wird versucht, die Kundschaft an das System zu binden, so dass sie immer wieder gerne zur Recherche und Nutzung der Literatur dorthin zurückkehrt. Im Grunde wurden die realen Lesesäle einfach als virtuelle Lesesäle ins Internet übertragen. EEXCESS dreht das traditionelle Paradigma „Take the user to the content“ um und entwickelt Lösungen, die dem Paradigma „Bring the content to the user“ folgen. Schreiben beispielsweise Forschende an einem wissenschaftlichen Beitrag für einen Blog, so werden mit EEXCESS-Technologie die Inhalte des Beitrags analysiert. Die Analyse ergibt etwa, dass es sich um den Rückgang des Waldbestands handelt. Aus dieser Information wird in einem nächsten Schritt eine Suchanfrage an ein oder auch mehrere Forschungsinformationssysteme abgesetzt. Ermittelte Ergebnisse werden schließlich als Mehrwertangebot in einem dafür vorgesehenen Bereich im Blog den Forschenden zur Nutzung angeboten. Hierbei umfasst die Nutzung nicht nur Möglichkeiten zur Zitation sondern auch zur Weiterempfehlung oder Kommentierung in sozialen Netzwerken. Prof. Dr. Klaus Tochtermann ist Direktor der Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft (ZBW) mit Sitz in Kiel und Hamburg. Zugleich hat er einen Lehrstuhl für Medieninformatik an der Universität Kiel. Dieser Wandel ist dringend notwendig, da sich das Forschungs- und Publikationsverhalten der Forschenden aufgrund der neuen Möglichkeiten im sozialen Web zu ändern beginnt. Ein erstes Indiz liefert eine Studie unter Studierenden der Wirtschaftswissenschaften, die an der Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften durchgeführt wurde: So nutzen mehr als die Hälfte der knapp 300 Befragten soziale Medien für die Recherche nach studienrelevanter Information. Zudem gaben zwei Drittel der Befragten an, soziale Medien für den fachlichen Austausch mit anderen Studierenden zu nutzen. Damit ergibt sich die Notwendigkeit der Weiterentwicklung von Forschungsinformationssystemen, die allein Informationen zugänglich machen, zu funktional reichhaltigen Umgebungen. Stephen Abram, der vom Library Journal zu den TOP 50 der einflussreichsten Personen in der Bibliothekswelt gezählt wird, bezeichnet diese als „Experience Portals“. Ausblick Mit dem Semantischen Web und dem Sozialen Web finden zwei große technologische Entwicklungen statt, die noch nicht in dem Maße von Forschungsinformationssystemen aufgegriffen werden, das eigentlich erforderlich wäre, um den neuen Anforderungen der Forschungsgemeinschaft gerecht zu werden. Um diese Entwicklungen in ihrer ganzen Tiefe zu verstehen und vor allen Dingen auch frühzeitig zu erkennen, sind die Betreiber der Forschungsinformationssysteme gefordert, sich noch stärker als bislang als integraler Teil der Forschungsgemeinschaft zu etablieren. Nur dann ist es möglich, diese Entwicklungen nicht nur zu beobachten, sondern auch mitzugestalten. Kontakt: Prof. Dr. Klaus Tochtermann ZBW – Deutsche Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft Düsternbrooker Weg 120 24105 Kiel Tel.: +49 431 8814-333 E-Mail: [email protected] wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 24 schwerpunkt Forschungsinformationssysteme Sven Lübbe, Britta Ebeling und Karin Berkhoff Software-Unterstützung im Forschungsmanagement – warum (nicht)? Integriertes Hochschulmanagement: Effizienz durch Integration An Hochschulen sind eine zunehmende Bedeutung des Wissenschaftsmanagements sowie eine steigende Anzahl drittmittelgeförderter Forschungsprojekte zu beobachten. Dies bringt neue Herausforderungen, insbesondere für die Verwaltung, mit sich. Das Forschungsmanagement wird somit zu einer komplexen und dauerhaften Querschnittsaufgabe. Spezialisierte Software kann hier zur effizienten Gestaltung von Arbeitsabläufen beitragen. Das Forschungsmanagement ist eine Querschnittsaufgabe im Hochschulmanagement. IT-Systeme können dabei die Akteure in Wissenschaft und Verwaltung unterstützen. Durch den zunehmenden Drittmittelanteil, den Hochschulen im Rahmen ihrer Forschung einnehmen, ist die Sichtweise auf die Forschung als Kerngebiet weitergehend zu betrachten. Es ist nicht mehr ausreichend, nur jeweils die Sichtweise des wissenschaftlichen Bereichs oder der Verwaltung einzunehmen. Vielmehr gilt es, die Herausforderung anzunehmen, auch Bereiche einzubeziehen, die bisher isoliert betrachtet wurden. Hierzu sind die sich ergebenen Informationswege zu integrieren und die notwendigen Aufgaben direkt den entsprechenden Verantwortlichen zu übertragen. Foto: Thomas Siepmann/pixelio In der Praxis der Hochschulen findet man gegenwärtig vor allem isolierte Sichtweisen. Es werden zwar Arbeiten für ein Forschungsprojekt sowohl im wissenschaftlichen Bereich als auch in der Verwaltung abgestimmt. Jedoch sind die Abläufe untereinander noch nicht effizient verbunden. Dies hat zur Folge, dass Arbeitsschritte manuell und zum Teil auch mehrfach durchgeführt werden müssen. Damit ist ein erheblicher Zeitaufwand verbunden. Eine integrierte IT-Lösung bietet sich an, um diese Situation deutlich zu verbessern (Lübbe/Ebeling 2012). Eine grundlegende Herausforderung für die zukünftige Gestaltung besteht darin, übergreifend angrenzende Prozesse des Finanz-, Personal- und auch Campus-Managements einzubeziehen. Beim effizienten Forschungsmanagement müssen neben den Forschungsinformationen auch diese Bereiche sinnvoll, konsistent und damit intelligent miteinander kombiniert werden (Buck/Lübbe 2013). Stichwörter Beispiele für aktuelle Herausforderungen Gegenwärtig setzen einige Hochschulen bereits Forschungsinformationssysteme ein, um Forschungsergebnisse nach innen und außen zu präsentieren. Hierbei liegt der Schwerpunkt auf der Information zu Forschungsprojekten und Publikationen, vereinzelt auch auf Forschungsschwerpunkten sowie weiterführenden Ergebnissen, zum Beispiel in Form von Patenten. Häufig Forschungsmanagement Integrierte IT-Systeme Workflow-Unterstützung Prozessanalyse wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 25 Management von Querschnittsaufgaben wird auch die Erstellung von Forschungsberichten unterstützt. Hier bieten IT-Systeme bereits einen großen Vorteil, da die notwendigen Informationen sowohl für die Präsentation im Internet genutzt werden können als auch für die Aufbereitung des Forschungsberichtes. An der Zusammenstellung von notwendigen Informationen (z.B. Kennzahlen, Forschungsbericht) sind in der Regel mehrere Akteure beteiligt. Als wichtiger Baustein lässt sich dabei die Transparenz der Daten als Anforderung identifizieren. Dadurch können die am Prozess beteiligten Akteure Informationen wiederverwenden, sofern sie zentral und konsistent zur Verfügung stehen. Sven Lübbe, stellv. Arbeitsbereichsleiter des Arbeitsbereiches Prozessdesign und Großprojekte bei der HIS – Hochschul-Informations-System GmbH, Hannover. In der Praxis finden sich häufig Medienbrüche und unterschiedlichste Datenquellen wieder, die für das Forschungsmanagement relevant sind. Zusätzlich werden Informationen mehrfach abgelegt, was dazu führt, dass Änderungen auch an mehreren Datenquellen vorgenommen werden müssen. Unter solchen Voraussetzungen leidet nicht nur die Qualität der Daten, sondern auch die Aktualität. Für die am Forschungsmanagementprozess beteiligten Akteure bedeuten Medienbrüche und unterschiedliche Datenquellen einen deutlichen Mehraufwand. Sie verlangen ein ständiges Abgleichen von Daten, wobei vorausgesetzt wird, dass ein permanenter Zugriff möglich ist. Bei unterschiedlichen Medien in unterschiedlichen Datenbasen ist dieses nahezu unmöglich. Britta Ebeling, Teamsprecherin Forschungsmanagement in der Hochschul-IT im HIS-Arbeitsbereich Prozessdesign und Großprojekte. Werden die verschiedenen Bereiche (Wissenschaft und Verwaltung) einer Hochschule für den Forschungsmanagementprozess betrachtet, so ergibt sich, dass auf die vorliegenden Informationen unterschiedliche Sichten für die vielen beteiligten Akteure notwendig sind. Ergänzt werden diese Sichten dadurch, dass zu unterschiedlichen Zeitpunkten notwendige Informationen bereitstehen müssen, um das Forschungsmanagement effizient durchführen zu können. Eine zentrale Herausforderung besteht somit in der Abbildung von Workflows, die durchgängig sind und die Akteure an den richtigen Stellen in den Prozess involvieren und mit Informationen versorgen. Dr. Karin Berkhoff, Projektleiterin in der Hochschul-IT im HIS-Arbeitsbereich Prozessdesign und Großprojekte. Ansatzpunkte und Potenziale der Software-Unterstützung Ein softwaregestütztes Forschungsmanagement bietet einen geeigneten Lösungsansatz für die vorangehenden Beispiele. Für die Konzeption und Umsetzung sind allerdings Voraussetzungen zu erfüllen, die sich sowohl organisatorisch als auch technisch auswirken. Die bereits etablierten Strukturen für die Forschungsinformationen bieten eine Grundlage, auf der die Geschäftsprozesse für das Forschungsmanagement aufgesetzt werden können. Um ein umfassendes Forschungsmanagement zu etablieren, wird es jedoch notwendig, die Prozessabläufe zu formulieren. In der Regel gibt es an den Hochschulen erste Vorstellungen zu den Abläufen. Mit Hilfe einer Prozessanalyse und der Formulierung von Soll-Prozessen wird die Grundlage für die Konzeption einer IT-Lösung gelegt. Diese zeigen neben dem Informationsfluss auch die jeweils beteiligten Akteure, so dass direkt deren Sichten identifiziert werden können. Notwendige Dokumentationen und Ergebnisse lassen sich mit Hilfe der Geschäftsprozesse visualisieren und als Anforderungen für die IT-Lösung ableiten. Insbesondere die Berücksichtigung von weiteren Beteiligten, die in das Forschungsmanagement involviert sind, erweitern die Geschäftsprozesse in einem nicht unerheblichen Umfang: Beispielsweise sind bei der Planung von Forschungsprojekten Finanz- und Stelleninformationen zu berücksichtigen, die auch in der Phase der Antragserstellung und -genehmigung zur Verfügung stehen müssen. Daran schließt sich auch eine Analyse der Prozesse an, die im Finanz- und Personalmanagement verortet sind. Es gilt dabei herauszuarbeiten, ob Informationen, die im Forschungsmanagement notwendig sind, dort auch direkt zur Verfügung stehen. Aus den aufbereiteten Prozessinformationen lassen sich die Zusammenhänge der IT-Systeme ableiten. Für die Themenbereiche Finanzen und Personal sind in den meisten Fällen an den Hochschulen keywords research management integrated software systems workflow assistance process analysis wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 26 ” schwerpunkt Forschungsinformationssysteme Eine zentrale Herausforderung besteht in der Abbildung von Workflows, die durchgängig sind und die Akteure an den richtigen Stellen in den Prozess involvieren und mit Informationen versorgen. bereits Lösungen vorhanden. Diese stellen für ein effizientes Forschungsmanagement die elementare Basis dar. Es zeigt sich damit, dass das Forschungsmanagement stark von den vorhandenen IT-Systemen profitiert und die dort enthaltenen Informationen weiterverwendet. Eines der ersten Ziele sollte dabei eine einheitliche Datenbasis sein. Auf diese müssen die am Forschungsmanagementprozess beteiligten Akteure jederzeit Zugriff haben. Die jeweils notwendigen Informationen werden idealerweise von einer ganzheitlichen IT-Lösung zur Verfügung gestellt. Eine einheitliche Datenbasis bedeutet dabei nicht nur eine Datenbank, sondern definiert, dass die Informationen zentral zur Verfügung stehen und somit qualitativ hochwertig und stets aktuell sind. Aus der Anforderung, eine einheitliche Datenbasis zur Verfügung zu stellen, leitet sich eine Vernetzung der beteiligten Systeme ab. Werden für Forschungsprojekte in der Phase der ersten Planung Stelleninformationen benötigt, sind Abfragen zu den aktuell in der Hochschule verfügbaren Personalstellen aus dem Personalmanagement-System notwendig. Gleiches gilt für die Finanzierbarkeit eines Forschungsprojektes, in dem Sach- und Personalkosten mit in die Planungsphase involviert werden. IT-Systeme für das Finanzmanagement stellen die notwendigen Informationen zur Verfügung. Idealerweise bietet das Forschungsmanagementsystem den beteiligten Akteuren Zugriffe auf die relevanten Daten an. Selbstverständlich sind dabei die datenschutzrechtlichen Belange von den IT-Systemen zu beachten. Doch nicht nur in der Planungsphase sind solche Informationsvernetzungen hilfreich. Auch während der Laufzeit von Forschungsprojekten sind Personal und Stellen sowie Finanzmittel wichtige Indikatoren. Ein Controlling der Forschungsprojekte wird mit einer optimierten IT-Struktur deutlich effizienter. Schnittstellen zwischen den Systemen Neben Systemen für das Personal- und Finanzmanagement, die den Dateninput widerspiegeln, ist ein Data Warehouse ein wichtiges Instrument, um Kennzahlen für den Output liefern zu können. Die für das Management wichtigen Kennzahlen werden gegenwärtig in vielen Fällen manuell errechnet. Damit ist ein hoher Zeitaufwand verbunden, die entsprechenden Daten aus unterschiedlichen Datenbasen zusammen zu stellen. Das Data Warehouse kann Daten idealerweise aggregieren und bereitstellen. Am Forschungsmanagementprozess sind heterogene Systeme beteiligt. Dadurch wird es erforderlich, Schnittstellen zwischen den Systemen zu definieren, die bereits an der Hochschule etabliert sind. Eine Ablösung von bestehenden Finanz- und Personalmanagement-Systemen ist eher unwahrscheinlich, da sie meist schon über viele Jahre im Einsatz sind. Es zeigt sich somit, dass für das Forschungsmanagement ein System zu etablieren ist, welches über eine Schnittstellenarchitektur verfügt, um die Systeme miteinander zu vernetzen. Das bedeutet als Umkehrschluss, dass das Forschungsmanagement als ein zentrales IT-System auftritt und sich aus den Datenbeständen bedient, die für die Prozesse notwendig sind. Gleichzeitig bietet sich diese Datenquelle für die Berichtserstattung an, ob direkt oder über ein Data Warehouse. summary More and more, universities depend on their potential in research. The externally-funded share of research is growing strongly and needs to be managed efficiently. A tailored IT solution for research management can provide efficient support for research processes. IT based research management considers particularly the interdisciplinary, integrated character of research management. wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 In der Workflow-Unterstützung liegt ein weiteres Potenzial von Softwarelösungen. Das heißt, die Geschäftsprozesse werden durchgängig mit Workflows in den beteiligten IT-Systemen unterstützt. Dabei wird jeder Akteur dort eingebunden, wo von ihm eine Tätigkeit für den Prozess gefordert wird. Beispielsweise bedeutet dies im Kontext der Planungsphase von Forschungsprojekten, bei der Personalplanung, für den Workflow: Die an der Planung des Forschungsprojektes beteiligten Akteure machen Vorschläge, die dann vom Personalmanagement genehmigt oder abgelehnt werden. Es sind somit unterschiedliche Entscheider an dem Prozess beteiligt, die nacheinander über einen ausstehenden Beschluss informiert und mit den zugehörigen Hintergrundinformationen versorgt werden müssen. 27 Management von Querschnittsaufgaben Es gibt eine ganze Reihe an Möglichkeiten, Prozessabläufe durch Workflows zu unterstützen. Der Mehrwert für Gelegenheitsnutzer stellt sich insofern ein, dass sie nicht mit komplizierten Softwaredialogen arbeiten müssen. Die von ihnen verlangten Aufgaben werden ihnen zusammen mit wesentlichen Informationen durch die Workflow-Unterstützung direkt zur Verfügung gestellt. Die Software kann die Arbeit der Akteure somit gezielter unterstützen und die Prozesse effizienter gestalten. Auch Antwortzeiten und Abstimmungswege werden hierdurch deutlich verkürzt. Etablierung von IT-gestütztem Forschungsmanagement Eines der größten Problemfelder der Praxis stellt die manuelle Zusammenstellung von Informationen für die unterschiedlichen Akteure dar. Durch den Einsatz von spezialisierter Software als zentralem System kann hier von einer deutlichen Verbesserung ausgegangen werden. Dies kann sowohl durch eine Weiterentwicklung der vorhandenen Forschungsinformationssysteme als auch durch die Erweiterung eines anderen Systems mit hinreichender Datenbasis erfolgen. Demzufolge liegt der Einsatz eines integrierten Hochschul-Management-Systems als Basis für die Etablierung eines Forschungsmanagements nahe. Entscheidend ist, zu identifizieren, welche Prozesse für das Forschungsmanagement relevant sind und welche Systeme sich für die Prozessunterstützung anbieten. Durch den Einsatz eines integrierten Systems, welches Schnittstellen zu weiteren unterstützenden IT-Systemen wie Finanz- und Personalmanagement bietet, kann eine gezielte Optimierung erreicht werden, um die Effizienz im Forschungsmanagement zu steigern. Die somit ebenso ermöglichte Workflow-Unterstützung bietet darüber hinaus für die beteiligten Akteure eine weitere Verbesserung bei der Gestaltung ihrer Arbeitsabläufe. Fazit Eine softwareseitige Unterstützung des gesamten Forschungsmanagementprozesses zeigt sich angesichts der neuen Herausforderungen als unausweichlich. Durch einen steigenden Drittmittelanteil an den Hochschulen ist es erforderlich, stets aktuelle Informationen für alle Bereiche der Hochschulen bereitstellen zu können. Ebenfalls ist es sinnvoll, die Aufgaben bei den Akteuren zu positionieren, die diese am besten ausführen können. Um inkonsistente Datenbestände zu vermeiden, Aktualität zu gewährleisten sowie die Qualität der Informationen stetig zu erhöhen, bietet eine spezialisierte Softwarelösung große Vorteile. Der Forschungsmanagementprozess benötigt durch seine starken Verflechtungen beispielsweise mit dem Finanz- und Personalmanagement Informationen, die bisher in vielen Fällen nur manuell durch die beteiligten Akteure zusammengestellt werden konnten. Durch eine Integration der entsprechenden Systeme ergibt sich ein deutlicher Vorteil, der effizientes Arbeiten stark fördert. Darüber hinaus ermöglicht eine integrierte Softwarelösung, die Akteure an den geeigneten Stellen einzubinden und die Abarbeitung von Aufgaben durch den Einsatz einer Workflow-Unterstützung noch effizienter zu gestalten. Zukünftig ist es durchaus interessant, das Forschungsmanagement und dessen Prozesse an die des Campus-Managements heranzubringen. Insbesondere die Ergebnispräsentation und Leistungsdokumentation angehender Wissenschaftler ermöglicht die direkte Einbindung. Die Planung von Ressourcen (Personen und Räume) für Forschungsveranstaltungen wird zukünftig ebenso wichtig wie die Nutzung von Ergebnissen in Lehrveranstaltungen. Zusammenfassend lässt sich „Effizienz durch Integration“ durch eine Softwareunterstützung nachhaltig realisieren, da die Informationen von unterschiedlichen Akteuren zu definierten Zeitpunkten an einer zentralen Position zusammengeführt werden. Gleichzeitig ist damit auch die Nutzung des Systems gewährleistet, was im Umkehrschluss zu einer qualitativ hochwertigeren Forschungsunterstützung führt. Literatur: Buck, D., Lübbe, S., Eine Querschnittsaufgabe von hoher Komplexität, in: Wissenschaftsmanagement (2013) 1, S. 12. Lübbe, S., Ebeling, B., Forschungsmanagement als Querschnittsdisziplin, HISinOne integriert die Hochschul-Prozesse, in: HIS-Magazin (2012) 4, S. 12-13. ” Aus der Anforderung, eine einheitliche Datenbasis zur Verfügung zu stellen, leitet sich eine Vernetzung der beteiligten Systeme ab. Kontakt: Sven Lübbe HIS Hochschul-Informations-System GmbH Abteilung Hochschul-IT Goseriede 9 30159 Hannover Tel.: +49 511 1220 284 Fax: +49 511 1220 250 E-Mail: [email protected] wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 28 management Strategiepapier 2020 Globaler Wettbewerb um die Besten Im Gespräch mit der Generalsekretärin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), Dorothea Rüland, über die Internationalisierung der Wissenschaft und die DAAD-Strategie 2020 Dorothea Rüland, der DAAD hat am 15. April in Berlin seine Strategie 2020 vorgestellt. Wieso braucht eine Förderorganisation wie der DAAD überhaupt eine solche Strategie? Dorothea Rüland: Der DAAD schwebt nicht in einem luftleeren Raum. Wir sind eine Einrichtung der deutschen Hochschulen und Studierendenschaft, die sich in einem permanenten Wandel – auch in einem internationalen Kontext – befinden. Diesen Wandel, der durch globalen Wettbewerb um die besten Forscher und Studenten geprägt ist, möchten wir mitgestalten. Für ganz Deutschland ist es wichtig, gute Köpfe ins Land zu holen und dort zu halten. Jede Hochschule hat heutzutage eine Internationalisierungsstrategie; jedes Land hat seine eigene Strategie, sich international in Wissenschaft und Forschung zu bewähren. Um in diesem Umfeld nicht nur bestehen, sondern erfolgreich handeln zu können, braucht auch die weltweit größte Förderorganisation für den internationalen Austausch von Studierenden und Wissenschaftlern eine Strategie. Wie reagiert nun der DAAD auf diese internationalen Herausforderungen? Was beinhaltet die Strategie 2020? Die Strategie 2020 des DAAD baut auf drei Handlungsfeldern auf: Stipendien für die Besten, weltoffene Strukturen und Wissen durch Wissenschaftskooperationen. Dabei setzen wir nicht nur auf neue Ideen, sondern auch auf viel Kontinuität. Nehmen wir die Struktur der Stipendienvergabe. Diese ist schon lange recht ausgeglichen zwischen Deutschen, die ins Ausland gehen, und Ausländern, die zu uns kommen. Das soll auch so bleiben. Die Welt ist das Labor. Der DAAD unterstützt Studierende, Wissenschaftler und Hochschulen beim weltweiten Austausch. Allerdings scheint es mit den neuen Bachelor-Studiengängen noch schwerer geworden zu sein, ins Ausland zu gehen, ohne viel Zeit beim Studium zu verlieren. Foto: Martin Gapa/pixelio Es ist zugegeben nicht immer einfach, einen Auslandsaufenthalt zu planen. Die verkürzte Studienzeit im Bachelor zwingt die Studierenden, sich noch früher um ein Stipendium und einen Studienplatz in ihrem Wunschland zu kümmern. Das ist nicht immer allen klar. Daher geht der DAAD oft schon in die Schulen, um den Studieninteressierten dies näher zu bringen. Ebenso muss den Studierenden die Angst vor fehlender Anerkennung ihrer Studienleistungen genommen werden. Hier sind die Studenten selbst, vor allem aber die Hochschulen gefragt. Die Hochschulen, die ja auch ein genuines Interesse daran haben, viel internationalen Austausch zu erleben, müssen sich mit den ausländischen Hochschulen verständigen. Was meinen Sie mit „weltoffenen Strukturen“, dem zweiten Punkt der Strategie 2020? Stichwörter Internationalisierung Strategie Austausch Stipendien wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 Damit beschreiben wir eine Willkommenskultur, die wir uns in Deutschland für alle ausländischen Studierenden und Forscher wünschen. Wie auch das German International Student Barometer (D-ISB) zeigt, müssen wir uns noch besser um unsere Gäste kümmern. Es muss mehr Propädeutika und bessere Informationsmöglichkeiten geben – auch über die Möglichkeiten, die sich in Deutschland nach dem Studium bieten. Viele ausländische Studierende werden mit Wohnungssuche, Behördengängen und so weiter alleingelassen. Diese weltoffenen Strukturen sollen dabei die horizontale Mobilität – also den zeitlich befristeten Aufenthalt – wie auch die vertikale Mobilität – den kompletten Umzug in ein anderes Land mit einem Abschluss als Ziel – befördern. Strategiepapier 2020 management29 Wenn wir an die doppelten Abiturjahrgänge, die ausgesetzte Wehrpflicht und die erhöhte Durchlässigkeit der Hochschulen denken, scheinen viele Hochschulen schon jetzt aus allen Nähten zu platzen. Ist da überhaupt noch Platz für so viele ausländische Studierende? Dr. Dorothea Rüland ist seit dem 1. Oktober 2010 Generalsekretärin des DAAD, nachdem Sie bereits von 1985 bis 2008 in verschiedenen Positionen für den DAAD tätig war. Auch die Hochschulen denken schon an die Zeit nach dieser „Studierendenschwemme“. Nehmen wir das Beispiel Brasilien: Das Stipendienprogramm der brasilianischen Regierung schickt bis 2014 100.000 Studierende in die ganze Welt. 10.000 davon sollten nach Deutschland, pro Jahr über 2.000. Wir haben die Hochschulen gefragt, ob sie das wollen und stemmen können. Ja! war die einhellige Antwort. Und siehe da: Kurze Zeit später standen 2.000 neue Studienplätze zur Verfügung. Dabei geht es aber nicht nur um Masse, sondern besonders um Klasse. Im Kampf um die besten Köpfe braucht eine Hochschule viele Partner. Für die strategische Entwicklung ist dann aber ein fester Kern von fünf bis 15 Kooperationspartnern wichtig. Dies gilt nicht nur für die deutschen Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen. Der DAAD vergibt im Moment mehr Stipendien aus Mitteln ausländischer Regierungen als aus Mitteln des Auswärtigen Amtes. Jedes Land, jede Hochschule will überall auf der Welt vertreten sein. Und Deutschland ist vielen besonders wichtig, weil hier Wissenschaft nicht als Business gesehen wird. Foto: DAAD/Eric Lichtenscheidt Welche Rolle spielen dabei die Hochschulen? Wie reagieren sie auf die Globalisierung der Wissenschaft? Auch in den Hochschulen wandeln sich die Internationalisierungsstrategien. In den 1990er Jahren ging es hauptsächlich um die Mobilität junger Menschen. Danach kamen die großen Programme der Hochschulen mit bilateralen Kooperationen, Austauschprogrammen und so weiter. Seit ein paar Jahren kristallisieren sich nun sogenannte Education Hubs heraus. Städte oder Regionen versuchen an einem Ort konzentriert Studenten, Hochschulen und Unternehmen aus aller Welt zusammenzubringen. Dies geschieht bisher hauptsächlich im arabischen Raum, in Ostund Südostasien: Dubai, Katar, Malaysia, Südkorea. Ich persönlich glaube allerdings, dass der Trend eher in Richtung von Research Hubs gehen wird, wo die Forschung im Mittelpunkt steht. Kommen wir zum letzten Punkt des Strategiepapiers: Wissen durch Wissenschaftskooperationen. Was hat es damit auf sich? Der DAAD besitzt ein globales Netzwerk an Außenstellen, Informationszentren und Lektoraten. Außerdem bündeln wir das Wissen über die Strukturen der Hochschulkooperationen und Wissenschaftssysteme weltweit. Vor diesem Hintergrund kann der DAAD deutsche wie internationale Hochschulen und Akteure beraten, bei Kooperationen unterstützen, und Kontakte knüpfen. Hat beispielsweise eine Hochschule Interesse an einem bestimmten Land, dort zu rekrutieren oder Kooperationen aufzubauen, liefern wir die nötigen Informationen, führen Konferenzen oder Studien durch. Wir schreiben internationale Studiengänge aus und testen die Interessenten auf ihre Studierfähigkeit. Wir bilden fort, beraten und publizieren, stehen mit unserer Strategie 2020 den deutschen Hochschulen also bei ihrer Internationalisierungsstrategie in allen Belangen zur Seite. ” Die Hochschulen, die ja auch ein genuines Interesse daran haben, viel internationalen Austausch zu erleben, müssen sich mit den ausländischen Hochschulen verständigen, Kooperationen und Netzwerke ausbauen. Wie hat sich die neue Strategie auf den DAAD selbst ausgewirkt? Die neue Strategie haben wir parallel zu einer Umstrukturierung des DAAD auf den Weg gebracht, die sich in wenigen Stichworten zusammenfassen lässt. Auch der DAAD möchte die besten Köpfe in seinen Reihen wissen und wird diese auf der ganzen Welt gewinnen. So wird eine internationale Arbeit zur Internationalisierung des deutschen Wissenschaftssystems ermöglicht. Eine offene Organisationskultur lädt alle Mitarbeiter ein, themen- sowie abteilungsübergreifend zu denken und zu handeln. Qualitätssicherung und Prozessoptimierung schaffen effiziente Rahmenbedingungen für diese Arbeit. Die Fragen stellte Gerhard Wolff Kontakt: Pressestelle Deutscher Akademischer Austauschdienst Kennedyallee 50 53175 Bonn E-Mail: [email protected] wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 30 managementInnovationsförderung Claudia Erni Baumann und Roman Boutellier Begegnungen im Forschungsalltag …und was dies für die Arbeitsplatzgestaltung bedeutet Viele Unternehmen und Forschungseinrichtungen stehen vor der Herausforderung, immer wieder neue Ideen für ihre Forschungs- und Entwicklungstätigkeit zu erzeugen. Ob Bestehendes variiert oder Neues umgesetzt werden soll – alles dreht sich um die Frage, woher neue Ideen kommen und wie deren Entstehung unterstützt werden kann. Begegnungen spielen hierbei eine wichtige Rolle. Neben Strategie und effizienten Prozessen ist Innovation entscheidend für das Wachstum und die Wettbewerbsfähigkeit vieler Unternehmen. Insbesondere in Hochschulen und forschungsbasierten Unternehmen ist Wissen die wichtigste Ressource um erfolgreich kreativ und innovativ tätig zu sein (Drucker 2002). Das Ziel der Forschung ist daher der Aufbau von Wissen in quantitativer und qualitativer Hinsicht. Gerade Erstbegegnungen sind zarte „BeziehungsPflänzchen“, denen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden soll, da sie zu überraschenden Verknüpfungen von verschiedenartigen Fertigkeiten und unterschiedlichem Wissen führen können. Foto: Norbert Weiß/pixelio Stichwörter Gespräche Chance Encounters Arbeitsplatzgestaltung wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 Unternehmen und Hochschulen, die Forschung als Kernaufgabe verstehen, sehen sich häufig mit der Schwierigkeit konfrontiert, das vielfältige Wissen der Mitarbeitenden effizient zu nutzen und zu vernetzen. Das Innovationspotenzial einer Organisation hängt einerseits von der Fähigkeit der Mitarbeitenden ab, neues Wissen effizient zu erarbeiten. Andererseits ist für die Kreativität der Mitarbeitenden aber auch entscheidend, dass sie ab und zu mit fachfremdem Wissen konfrontiert werden und sich so neuartige Ideen entwickeln können, die ohne Anregung von außen nie entstanden wären. Durch die Auseinandersetzung mit Menschen, die einen anderen Wissenshintergrund haben, können neue Zugänge zu einem Problem geschaffen werden, die sonst nicht möglich wären. Das persönliche Netzwerk unterstützt diesen Wissensfluss. Es entscheidet darüber, wie gut der Zugang zu komplementärem Wissen ist. Denn das Wissen über die Fachkenntnisse von anderen ermöglicht es, bei Problemen gezielt einen konkreten Ansprechpartner zu kontaktieren. Die Hemmschwelle, um Hilfe zu holen und etwaige Wissenslücken zu schliessen, ist weniger groß, wenn man den entsprechenden Ansprechpartner auch persönlich kennt. Dies macht den Lernprozess effizienter. Kommunikation ermöglicht den Transfer von Wissen Die Kommunikation innerhalb von Organisationen bildet die Grundlage für den Transfer von Wissen (Davenport/Prusak 1998). Dieser Umstand ist insbesondere für große Unternehmen bedeutend, da Wissen nicht nur innerhalb von überschaubaren Organisationseinheiten ausgetauscht werden muss, sondern über die ganze Organisation hinweg. Betrachtet man die verschiedenen Arten von Kommunikation, ist die Begegnung von Angesicht zu Angesicht, die so genannte Face-to-Face-Kommunikation, der wertvollste Weg, Informationen zu transportieren: Nebst der eigentlichen Botschaft, der expliziten Kommunikation, werden durch die Art und Weise, wie man kommuniziert, auch implizite Inhalte übertragen. Im zwischenmenschlichen Austausch schafft management31 Innovationsförderung implizite Kommunikation Vertrautheit. Um eine erfolgreiche Zusammenarbeit zu etablieren, ist die persönliche Begegnung daher besonders wertvoll, weil sie bei der Vertrauensbildung hilft (Prusak 2001). Auch und gerade bei der Weitergabe von komplexem Wissen ist die implizite Kommunikationsmöglichkeit der persönlichen Begegnung von entscheidender Bedeutung (Nonaka/Konno 1998). Claudia Erni Baumann, M.A. HSG und MSc ETH, ist Doktorandin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Technologie- und Innovationsmanagement der ETH Zürich. Oft wird unterschieden zwischen einer losen („weak ties“) und einer engen Beziehung („strong ties“) zwischen zwei Menschen (Perry-Smith 2006). Während unter einer losen Beziehung eine lockere Bekanntschaft zu verstehen ist, sind mit engen Beziehungen gute Freunde oder Kollegen gemeint. Menschen, verbunden mit einer losen Beziehung, bilden mit ihren komplementären Erfahrungen und Ansichten häufig eine Quelle für neue Ideen (Gladwell 2001; Allen/Henn 2007). Im Gegensatz dazu kennen gute Freunde und Kollegen die Probleme, die einen beschäftigen. Enge Beziehungen sind deshalb wichtig, um die eigene Arbeit kritisch zu hinterfragen, spezifisches Wissen weiterzugeben und die Arbeit zu koordinieren (Boutellier et al. 2008; Perry-Smith 2006). Im Forschungsalltag sind beide Arten von Beziehungen wertvoll. Prof. Dr. Roman Boutellier, ist Prof. für Technologieund Innovationsmanagement der ETH Zürich, VizePräsident für Personal und Ressourcen der ETH Zürich, Mitglied in Vorstandsund Aufsichtsräten mehrerer großer Schweizer Unternehmen. Persönliche Begegnungen Persönliche Begegnungen während der Arbeit erzeugen Vertrautheit, was eine Voraussetzung für den Aufbau von Vertrauen ist (Gefen 2000). Persönliche Begegnungen lassen sich danach unterscheiden, ob man u jemanden trifft, den man kennt, oder ob man davor noch nie mit der betreffenden Person gesprochen hat, sie also nicht kennt, u und ob die Begegnung geplant war oder ungeplant erfolgte. Erstbegegnungen sind Begegnungen zwischen Menschen, die sich bis dato nicht gekannt haben. Sie können die Grundlage bilden für Folgebegegnungen. Bei einer Folgebegegnung kennen sich die Menschen schon zum Voraus. Wobei „jemanden kennen“ bedeutet, dass man mit der beGeplante treffenden Person schon einmal in Kontakt gestanden hat Begegnung (37%) und sich auch danach noch an die Person erinnert. Chance Encounters – ungeplante Begegnungen – sind zufällige Begegnungen zwischen Menschen, die nicht unmittelbar Begegnung miteinander zusammen arbeiten. Bei Chance Encounters kommt es zu einem kommunikativen Austausch. Solche Ungeplante Begegnungen finden vorwiegend im beruflichen Umfeld Begegnung statt, aber auch Begegnungen in der Freizeit können sich (63%) auf die Arbeit auswirken. Menschen kennen sich (90%) Beziehung Menschen kennen sich nicht (10%) Folgebegegnung Erstbegegnung (32%) (5%) Folgebegegnung Erstbegegnung Chance Encounters (58%) Studie: Persönliche Begegnungen im Forschungsalltag Im Fokus der vorliegenden Studie stand die Frage, welchen Anteil der persönlichen Begegnungen im Forschungsalltag – gemessen an allen Begegnungen, die sich während der Arbeit außerhalb des eigenen Arbeitsteams ereignen – auf Chance Encounters entfallen und wie viele Begegnungen Erstbegegnungen sind. Zudem wurde untersucht, ob sich die verschiedenen Arten von Begegnung hinsichtlich des Gesprächsinhaltes und der Gesprächsdauer unterscheiden. Basis der Studie bildet eine Datenerhebung bei zwei Forschungsgruppen der ETH Zürich. Die beiden Forschungsgruppen arbeiten in einer traditionellen Forschungsumgebung, die geprägt ist (5%) n = 412 Abb. 1: Persönliche Begegnungen während der Arbeitszeit außerhalb des eigenen Arbeitsteams: Es kommt häufiger zu ungeplanten Begegnungen zwischen Menschen, die sich kennen (58%), als solchen, die sich nicht kennen (5%). wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 32 managementInnovationsförderung durch kleine Büro- und Laboreinheiten. Die Datenerhebung erfolgte mittels eines strukturierten Fragebogens. Zwei Wochen lang wurde während der Arbeit die Face-to-Face-Kommunikation mit Menschen protokolliert, die nicht der eigenen Forschungsgruppe angehören. Insgesamt wurden die Daten von 52 Forschenden erhoben. Begegnungsarten – 63% aller persönlichen Begegnungen sind Chance Encounters. Bei Begegnungen wird über die Arbeit oder über Privates gesprochen, selten über beides. Literatur: Allen, T.J./Henn, G.W., The Organization and Architecture of Innovation, Burlington 2007. Boutellier, R./Ullman, F./Schreiber, J./ Naef, R., Impact of office layout on communication in a science-driven business, in: R&D Management, 38 (2008) 4, S. 372-391. Davenport T.H./Prusak, L., Working Knowledge: How Organizations Manage What They Know, Boston, Massachusetts 1998. Drucker, P.F., Managing in the Next Society, Oxford 2002. Gefen, D., E-commerce: the role of familiarity and trust, in: Omega 28 – The International Journal of Management Science, (2000), S. 725-737. Gladwell, M., The Tipping Point, How Little Things Can Make a Big Difference, London 2001. Ergebnisse der Studie Die durchgeführte Studie zum Kommunikationsverhalten von Forschern zeigt, dass knapp fünf Prozent der persönlichen Begegnungen außerhalb der eigenen Forschungsgruppe ungeplant sind und mit Menschen stattfinden, die sich zuvor nicht gekannt haben (vgl. Abb. 1). In 58 Prozent der Fälle treffen sich Menschen zufällig, die sich kennen. Insgesamt sind knapp zwei Drittel (63 Prozent) aller persönlichen Begegnungen ungeplant, es sind Chance Encounters. Etwas über ein Drittel (37 Prozent) aller persönlichen Begegnungen sind geplant, sie finden aufgrund einer Verabredung statt oder anlässlich anderer organisierter Zusammenkünfte wie beispielsweise Meetings. Gemäß der Studie ereignen sich 90 Prozent der Begegnungen zwischen Menschen die sich kennen, nur zehn Prozent der Begegnungen sind Erstbegegnungen. Geplante Begegnungen und Chance Encounters unterscheiden sich bezüglich des Gesprächsinhaltes: Bei geplanten Begegnungen drehen sich fast drei Viertel der Gespräche ausschließlich um wissenschaftliche oder arbeitsbezogene Inhalte (73 Prozent). Bei Chance Encounters stehen private Gesprächsinhalte und damit Sozialisierung im Vordergrund. 51 Prozent dieser Gespräche sind ausschließlich privater Natur. Allerdings weisen auch hier knapp die Hälfte der Gespräche (49 Prozent) zumindest teilweise arbeitsbezogenen Inhalt auf. Bei Erstbegegnungen überwiegt das Gespräch über die Arbeit (74 Prozent), nur ausnahmsweise dreht sich ein Gespräch sowohl um die Arbeit als auch um Privates (drei Prozent). Bei Folgebegegnungen wird eher über Privates ausschließlich arbeitsbezogener Gesprächsinhalt ausschließlich privater Gesprächsinhalt sowohl arbeitsbezogener als auch privater Gesprächsinhalt Chance Encounters 37% 51% 12% Geplante Begegnungen 73% 17% 10% Erstbegegnungen 74% 23% 3% Folgebegegnungen 47% 41% 12% Tab. 1: Gesprächsinhalte bei Begegnungen: Bei geplanten Begegnungen und bei Erstbegegnungen steht das Thema Arbeit im Mittelpunkt. gesprochen: 41 Prozent der Gespräche sind ausschließlich privater Natur, 12 Prozent der Begegnungen haben privaten und arbeitsbezogenen Gesprächsinhalt. In allen Fällen ist der Anteil der Gespräche mit sowohl privatem als auch arbeitsbezogenem Inhalt gering: Die Anteile bewegen sich zwischen drei Prozent bei Erstbegegnungen und zwölf Prozent bei Chance Encounters und Folgebegegnungen. Offenbar wird Privates und Arbeit bei Gesprächen nur ungern vermischt. t< _ ½ min ½ min < t < _ 3 min t > 3 min Nonaka, I./Konno, N., The concept of ‘‘ba’’: building a foundation for knowledge creation, in: California Management Review, 40 (1998) 3. Chance Encounters 15% 34% 48% Geplante Begegnungen 5% 15% 81% Perry-Smith, J.E., Social yet creative: the role of social relationships in facilitating individual creativity, in: The Academy of Management Journal, 49 (2006) 1, S. 85-101. Erstbegegnungen 3% 25% 72% Folgebegegnungen 12% 29% 59% Prusak, L., Face to Face, Screen to Screen, Collaboration in the New Workplace, Grand Rapids 2001. wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 Tab. 2: Gesprächsdauer bei Begegnungen: Geplante Begegnungen dauern länger als Chance Encounters, Erstbegegnungen länger als Folgebegegnungen. Innovationsförderung management33 Geplante Begegnungen dauern für gewöhnlich länger als Chance Encounters. So sind 81 Prozent der geplanten Begegnungen länger als drei Minuten. Bei Chance Encounters dauern knapp die Hälfte (48 Prozent) der Gespräche mehr als drei Minuten. Begegnen sich Menschen, die sich nicht kennen, und kommen sie miteinander ins Gespräch, dauern die Gespräche eher länger als bei Menschen, die sich kennen. 72 Prozent der Erstbegegnungen und 59 Prozent der Folgebegegnungen sind länger als drei Minuten. Am wenigsten Kurzgespräche ereignen sich bei Erstbegegnungen (drei Prozent). Gespräche dauern meistens länger als 3 Minuten. Schlussfolgerungen Begegnungen sind vielfältig und lassen sich durch die Arbeitsplatzgestaltung modellieren. In Organisationen ist es wichtig, im unmittelbaren Arbeitsumfeld von Forschern und Entwicklern Raum zu schaffen für Gespräche. Eine ideale Arbeitsumgebung lässt möglichst viele und verschiedenartige Kontakte zu, ermöglicht aber auch das stille, konzentrierte Arbeiten. Bei der Gestaltung der Arbeitsumgebung stellt sich die Herausforderung, eine Umgebung zu schaffen, die sowohl Chance Encounters als auch geplanten Begegnungen Raum bietet. Zudem sollte sie nicht nur Folgebegegnungen ermöglichen und provozieren, sondern auch Erstbegegnungen. Gerade Erstbegegnungen sind zarte „Beziehungs-Pflänzchen“, denen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden soll, da sie selten und aufgrund ihrer Funktion so wertvoll sind. Speziell diejenigen Erstbegegnungen, die sich aufgrund von Chance Encounters ereignen, führen möglicherweise zu überraschenden Verknüpfungen von verschiedenartigen Fertigkeiten und unterschiedlichem Wissen. Bei Erstbegegnungen stehen arbeitsbezogene Gespräche im Mittelpunkt. Sie helfen den Mitarbeitenden, sich besser kennen zu lernen. Die Hemmschwelle, miteinander ins Gespräch zu kommen, ist weniger hoch, wenn das Gesprächsthema definiert ist oder gar einer Notwendigkeit entspricht. Unerlässlich dabei ist eine gewisse Länge des Gespräches, um einander kennenzulernen und innovationsfördernde Effekte zu ermöglichen. u Um Chance Encounters herbeizuführen, müssen Orte oder Gelegenheiten geschaffen wer- den, die von vielen Leuten gerne genutzt werden und die einen Grund zum Verweilen bieten. Die Umgebung soll so gestaltet sein, dass sie genügenden akustischen und visuellen Schutz bietet, damit längere Gespräche möglich sind, sich die Mitarbeitenden nicht allzu sehr exponieren müssen und andere Mitarbeitende in ihrer Arbeit nicht stören. Als Beispiel für einen solchen Ort sei hier Infrastruktur wie Drucker oder Kaffee-Ecke genannt, die von unterschiedlichsten Mitarbeitenden genutzt wird. u Für geplante Begegnungen braucht es abgeschirmte Orte, welche über eine entsprechende Infrastruktur verfügen, um dort effizient und bequem arbeiten zu können. Eine angenehme Umgebung lädt zum Verweilen ein, es kommt eher zu einem Austausch auch neben der Agenda. Ein Beispiel für eine geschützte Umgebung mit Ambiente ist eine Sitzgelegenheit im Garten, ein trendiges Bistro oder ein technisch erstklassig ausgestatteter Raum. u Erstbegegnungen können erleichtert werden, indem Anknüpfungspunkte für Gemeinsamkeiten und gute Gründe für den Aufenthalt geschaffen werden. Gemeinsame Veranstaltungen, wie etwa Teamevents oder interne Weiterbildungen, führen zu neuen Kontakten und geben einen Anstoß für Gespräche. u Durch das Schaffen von Orten und Gelegenheiten, die von vielen Mitarbeitenden besucht werden, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für Folgebegegnungen. Der organisierte Freizeitbereich oder die bewusste Gestaltung der Arbeitsumgebung bieten hierzu beispielsweise großes Potenzial. Kontakt: Claudia Erni Baumann ETH Zürich Chair of Technology and Innovation Management Scheuchzerstrasse 7 8092 Zürich Tel.: +41 44 632 05 83 E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Roman Boutellier ETH Zürich Bereich VP f. Personal & Ressourcen Rämistrasse 101 8092 Zürich E-Mail: [email protected] wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 34 management Gender und Diversity Lina Vollmer Von der Frauenförderung zum Gleichstellungsmanagement? Professionalisierung der Gleichstellungsarbeit an Hochschulen Vor dem Hintergrund der Implementierung neuer Steuerungsmechanismen steht seit einigen Jahren die Professionalisierung des Hochschulmanagements im Fokus der Hochschulforschung. Obwohl die Gleichstellungsarbeit zunehmend als Teil des Hochschulmanagements gesehen wird, wurden Gleichstellungsakteurinnen in den Studien nicht berücksichtigt. Dabei hat sich gerade in diesem Bereich sehr viel getan. Forschung, Administration und Gender-Kompetenz stärken gemeinsam die Innovationskraft der Forschungseinrichtung. Foto: Karl-Heinz Laube/pixelio Wegen der besseren Lesbarkeit und aufgrund des geringen Anteils männlicher Akteure in dem beschriebenen Bereich wird die weibliche Form verwendet, welche die männliche inkludiert. wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 Seit den 1980er-Jahren sind Hochschulen in Deutschland gesetzlich verpflichtet, eine Gleichstellungsbeauftragte zu ernennen (vgl. Blome/Erfmeier/Gülcher/Smasal/Smykalla 2005). Diese waren lange Zeit an ihren jeweiligen Hochschulen allein um die Durchsetzung der Chancengleichheit von Männern und Frauen bemüht. Mit viel Glück stand ihnen ein Gleichstellungsbüro zur Verfügung. Zwar ist dieses Modell heute auch noch an vielen – vor allem kleineren – Hochschulen anzutreffen, allerdings haben sich die Rahmenbedingungen für die hochschulische Gleichstellungsarbeit in den letzten Jahren stark verändert. Initiativen zur Förderung der Gleichstellung in Wissenschaft und Forschung wie die Forschungsorientierten Gleichstellungsstandards der DFG und das Professorinnenprogramm wurden ins Leben gerufen. Bedeutungszuwachs und Ausdifferenzierung Zum einen werden Gleichstellungsaspekte in neue Steuerungsmechanismen integriert. So finden Gleichstellungsaspekte sowohl Berücksichtigung in der Exzellenzinitiative als auch in der Aushandlung von Zielvereinbarungen und leistungsorientierter Mittelvergabe. Zum anderen macht sich die Gleichstellungspolitik selbst Instrumente des New Public Managements zu Nutze, wie etwa das Controlling oder die Qualitätssicherung. Folglich hat die Gleichstellungsthematik eine Aufwertung im hochschulpolitischen Diskurs erfahren und ist heute aus einem fortschrittsorientierten Hochschulimage nicht mehr wegzudenken. Die Hochschulleitungen sind unter einen gleichstellungspolitischen Handlungsdruck geraten und die Anforderungen an die Qualität der Gleichstellungsarbeit sind gestiegen (vgl. Blome et al. 2005; Macha/Gruber/Struthmann 2011; Zimmermann 2003). Gender und Diversity Neben einem Bedeutungszuwachs ist in den letzten Jahren auch eine thematische Ausdifferenzierung in der Gleichstellungspolitik zu beobachten. Ging es früher vor allem um Frauenförderung, haben wir es heute mit einer Vielfalt von Ausrichtungen und Strategien der Gleichstellung zu tun. Genannt seien hier Konzepte wie Gender Mainstreaming, Managing Diversity, Dual Career oder Work-Life-Balance (vgl. Blome et al. 2005). Der Bedeutungszuwachs und die Ausdifferenzierung der Gleichstellungsthematik haben sich auf die personellen Strukturen der Gleichstellungsarbeit ausgewirkt. Gleichstellungsbeauftragte sind nun längst nicht mehr die einzigen Akteurinnen auf diesem Gebiet. Neben den Gleichstellungsbüros ist die Einrichtung weiterer Stellen zu beobachten, die mit Gleichstellung befasst sind und die häufig an das Rektorat, die Verwaltung oder auch an Graduiertenschulen und Forschungsgruppen angebunden sind. Um ein aktuelles Bild der Ämter und Stellen zu erhalten, die an Hochschulen mit Gleichstellung befasst sind, führte das Kompetenzzentrum Frauen in Wissenschaft und Forschung (CEWS) im Rahmen des BMBF-geförderten Drittmittelprojektes „Hochschulische Gleichstellungsstrukturen im Wandel“ im Sommer 2011 eine quantitative Bestandserhebung der personellen Strukturen in der hochschulischen Gleichstellung durch. An der Befragung haben sich 203 Hochschulen beteiligt und es konnten 1.311 Ämter und Stellen erfasst werden, zu deren Arbeitsumfeld Gleichstellung gehört. Einerseits ergab die Erhebung, dass ca. 70 Prozent dieser Ämter und Stellen im Arbeitsumfeld der Gleichstellungsbeauftragten angesiedelt sind, womit der Kern der hochschulischen Gleichstellungsarbeit nach wie vor bei den Gleichstellungsbeauftragten und ihrem Team liegt. Andererseits befinden sich etwa 30 Prozent der ermittelten Stellen außerhalb des Büros der Gleichstellungsbeauftragten. Zu diesen Stellen gehören beispielsweise Mitarbeiterinnen in Stabsstellen mit Anbindung an die Hochschulleitung und in dezentralen Einheiten. Die Vielzahl an Stellen außerhalb der Gleichstellungsbüros spiegelt die Verlagerung der Gleichstellungsarbeit in den Einflussbereich der Hochschulleitung wider sowie die zunehmende Integration in das administrative Hochschulmanagement. management35 ” Doch obwohl auch die Gleichstellungsarbeit zunehmend Teil des Hochschulmanagements ist, wurden Gleichstellungsakteurinnen in der empirischen Forschung zur Professionalisierung des Hochschulmanagements bisher nicht mitberücksichtigt. Vor dem Hintergrund eines erhöhten Drucks hinsichtlich der Verwaltungseffizienz von Hochschulen und der Implementierung neuer Steuerungsmechanismen rückte in den letzten Jahren die Professionalisierung des Hochschulmanagements in den Fokus der Hochschulforschung (vgl. Krücken/Blümel/Kloke 2010; Merkator/Schneijderberg 2011). Doch obwohl auch die Gleichstellungsarbeit zunehmend Teil des Hochschulmanagements ist, wurden Gleichstellungsakteurinnen in der empirischen Forschung zur Professionalisierung des Hochschulmanagements bisher nicht mitberücksichtigt. Dabei identifizierte Meuser (2005) Professionalisierungsprozesse in der Geschlechterpolitik, welche beispielsweise an einer Akademisierung der Wissensvermittlung und Vorläufern einer Standesorganisation erkennbar seien. Eine bessere Kenntnis solcher Prozesse kann Chancen für die Verbesserung der hochschulischen Gleichstellungsarbeit aufzeigen. Neben der Bestandserhebung wurde im Winter 2012 im Rahmen des Projektes eine OnlineBefragung mit Amts- und Stelleninhaberinnen der hochschulischen Gleichstellung zur Professionalisierung der Gleichstellungsarbeit durchgeführt. Im Folgenden werden einige Ergebnisse aus dieser Umfrage vor dem Hintergrund ihrer professionssoziologischen Relevanz vorgestellt. Gleichstellungsarbeit – ein heterogenes Feld Aus professionssoziologischer Sicht gilt das Vorhandensein einer gemeinsamen Wissensbasis als wichtiges Professionalisierungskriterium, da erst eine fachspezifische Expertise die Expertin von der Laiin abgrenzt (vgl. Meyer 2000). Hinsichtlich der Gleichstellungsarbeit an Hochschulen existiert weder eine zertifizierte Ausbildung noch ist jemals ein allgemeingültiges spezifisches Kompetenzprofil entwickelt worden (vgl. Meuser 2005; Nigges-Gellrich 2007). Dementspre- Stichwörter Gleichstellung Hochschulmanagement Professionalisierung wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 36 management Literatur: Blome, E./ Erfmeier, A./Gülcher, N./Smasal, K./Smykalla, S., Handbuch zur universitären Gleichstellungspolitik: von der Frauenförderung zum Gendermanagement? Wiesbaden 2005. Krücken, G./Blümel, A./Kloke, K., Hochschulmanagement – auf dem Weg zu einer neuen Profession?, in: WSI Mitteilungen (5) 2010, S. 234-241. Macha, H./Gruber, S./Struthmann, S., Die Hochschule strukturell verändern: Gleichstellung als Organisationsentwicklung an Hochschulen, Opladen 2011. Merkator, N./Schneijderberg, C., Professionalisierung der Universitäten an den Schnittstellen von Lehre, Forschung und Verwaltung, in: Nickel, S. (Hrsg.), Der Bologna-Prozess aus Sicht der Hochschulforschung Analysen und Impulse für die Praxis, Centrum für Hochschulentwicklung, CHE-Arbeitspapier Nr. 148, Gütersloh 2011, S. 204-216. Meuser, M., Gender-Management: zur Professionalisierung von Geschlechterpolitik, in: Supervision - Mensch Arbeit Organisation (2) 2005, S. 14-18. Meyer, R., Qualifizierung für moderne Beruflichkeit - soziale Organisation der Arbeit von Facharbeiterberufen bis zu Managertätigkeiten, Münster 2000. Nigges-Gellrich, A., Neue Wege statt alter Pfade: Frauenund Gleichstellungsarbeit auf dem Weg zur Profession, in: Sozialwissenschaftlicher Fachinformationsdienst: Frauenund Geschlechterforschung, 2007(1), S. 11-24. Offerhaus, A., Die Professionalisierung des deutschen EUJournalismus. Expertisierung, Inszenierung und Institutionalisierung der europäischen Dimension im deutschen Journalismus, Wiesbaden 2010. Gender und Diversity chend haben Gleichstellungsakteurinnen einen sehr heterogenen fachlichen Hintergrund, wobei laut der Online-Befragung ein geistes- und sozialwissenschaftlicher Hintergrund dominiert – ein Merkmal, welches sie mit Mitarbeiterinnen im Hochschulmanagement gemeinsam haben. Knapp die Hälfte der befragten Gleichstellungsakteurinnen haben außerdem Inhalte der Frauenund Geschlechterforschung als Teil ihres Studiums behandelt und ca. 40 Prozent haben vor ihrer aktuellen Tätigkeit bereits in der Gleichstellung gearbeitet. Betrachtet man die Ergebnisse differenziert nach bestimmten Gruppen, heben sich allerdings die Gleichstellungsbeauftragten mit Freistellungsmodell deutlich von hauptberuflichen Gleichstellungsbeauftragten sowie anderen Mitarbeiterinnen im Gleichstellungsbereich ab. Erstere haben einen heterogeneren fachlichen Hintergrund, weniger Praxiserfahrung in der Gleichstellungsarbeit und geben weitaus seltener an, Inhalte der Gender Studies in ihrem Bildungsweg behandelt zu haben. Dieser Gruppe steht auch mit durchschnittlich 11 Wochenstunden weitaus weniger Arbeitszeit für die Gleichstellung zu Verfügung als den hauptberuflichen Kolleginnen (30 Stunden) und den Mitarbeiterinnen (25 Stunden). Weiter zeigen die Ergebnisse, dass fast die Hälfte der befragten Akteurinnen nicht nur durch Eigeninitiative auf das jeweilige Amt beziehungsweise die jeweilige Stelle in der Gleichstellung gelangt ist, sondern durch Zufall oder weil sie dazu aufgefordert wurden. Dies traf vor allem auf die freigestellten Gleichstellungsbeauftragten zu. Hier zeigte sich je nach fachlichem Hintergrund ein Unterschied im Antwortverhalten. Befragte mit einem sozialwissenschaftlichen oder Gender Studies bezogenen Hintergrund gaben öfter an, aufgrund ihrer Fähigkeiten und speziellem Interesse an der Gleichstellung ihrer Tätigkeit nachzugehen. Pfadenhauer, M., Professionelles Handeln, Wiesbaden 2005. Zimmermann, K., Praxis der Gleichstellung - widersprüchliche Modernisierung. Das Beispiel der Hochschulen, in: Journal / Netzwerk Frauenforschung NRW (15) 2003, S. 55-64. Unabhängig von den genannten Beweggründen, stimmten fast alle Akteurinnen (97 Prozent) der Aussage zu, weiterhin in der Gleichstellung arbeiten zu wollen. Und das obwohl die Aufstiegschancen in Bezug auf die jeweilige Stelle und auf die Gleichstellungsarbeit generell eher pessimistisch eingeschätzt werden – ein Merkmal, welches die Gleichstellungsakteurinnen ebenfalls mit Mitarbeiterinnen im Hochschulmanagement gemeinsam haben (vgl. Krücken et al. 2010). Um den Status einer Expertengruppe zu erlangen, bedarf es nicht nur eines speziellen Fachwissens, sondern auch eines Selbstverständnisses der Gruppe als Expertinnen (vgl. Offerhaus 2010; Pfadenhauer 2005). Von den in der Studie befragten Gleichstellungsakteurinnen sieht sich knapp die Hälfte als Gleichstellungsexpertin. Doch während sich die Mitarbeiterinnen in einem ähnlichen Maße als Expertinnen wahrnahmen wie die Gleichstellungsbeauftragten, fühlen sie sich signifikant weniger als solche nachgefragt. Dies ist insofern verwunderlich, als dass die Mitarbeiterinnen den Gleichstellungsbeauftragten hinsichtlich des Bezugs zur Frauen- und Geschlechterforschung, der Praxiserfahrung und der auf Interesse und Fähigkeiten beruhenden Gründen für die Stellenausübung in nichts nachstehen. keywords gender equality professionalization university management wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 Professionalisierung mit Heterogenität vereinbaren Gleichstellungsakteurinnen sind also zum einen eine fachlich sehr heterogene Gruppe, die eine Tätigkeit in der Gleichstellung häufig gar nicht bewusst angestrebt hatten und wenig Aufstiegschancen in dem Bereich sehen. Zum anderen dominiert ein Bezug zur Sozialwissenschaft und Gender Studies. Trotz mangelnder Karrierechancen wollen fast alle Gleichstellungsakteurinnen weiterhin in der Gleichstellungsarbeit beschäftigt bleiben und etwa die Hälfte von ihnen sieht sich als Gleichstellungsexpertin. Dabei lassen sich diverse Parallelen zu Studien über Mitarbeiterinnen des Hochschulmanagements ziehen. Aufgrund der Heterogenität ist die Entwicklung hin zu einer einheitlichen Berufsgruppe weder bei Mitarbeiterinnen im Hochschulmanagement noch bei Gleichstellungsakteurinnen wahrscheinlich. Gender und Diversity management37 In Bezug auf das Hochschulmanagement gehen Krücken et. al. viel mehr von einer „Verdichtung“ zu „funktionalbereichsspezifischer Expertengruppen“ (Krücken et al. 2010) aus. Gleichzeitig halten sie es für denkbar, „dass sich durch ähnliche Karrieremuster und eine wachsende Rolle von Fortbildungsprogrammen und berufsfeldspezifischen Vernetzungen eine gemeinsame ,berufliche Kultur‘ entwickelt, die nicht zwangsläufig aus dem Durchlaufen einer gemeinsamen Fachsozialisation, sondern eher aus gleichen Praktiken und Handlungsweisen resultiert“ (Krücken et. al 2011). Solch eine Entwicklung ist auch in der hochschulischen Gleichstellungsarbeit denkbar. Das Angebot an Fort- und Weiterbildungsangeboten für Gleichstellungsakteurinnen sowie die Verwendung standardisierter Handlungsleitfäden und gleichstellungsbezogener Steuerungsinstrumente haben zugenommen. Durch die Einrichtung thematisch spezialisierter Funktionseinheiten, wie zum Beispiel auf Dual Career oder Diversity spezialisierte Stabsstellen oder Büros, ist aber auch ein Trend hin zu spartenspezifischer Expertisierung abzusehen. Allerdings hat die Studie des CEWS auch gezeigt, dass Gleichstellungsakteurinnen vor allem informelle Strategien der Informationsbeschaffung und des fachlichen Austausches nutzen, wie beispielsweise den Austausch mit Kolleginnen oder die Beobachtung anderer Hochschulen. Der Besuch von Tagungen oder die Teilnahme an Weiterbildungs- und Coachingangeboten wird hingegen eher selten wahrgenommen. Eventuell böte eine größere Verbreitung von standardisierten und verbindlicheren Formen der Informationsbeschaffung und Vernetzung eine Möglichkeit zur weiteren Professionalisierung der Gleichstellungsarbeit und ihrer Akteurinnen und würde zur Entwicklung einer gemeinsamen beruflichen Kultur beitragen, so wie sie Krücken et al. beschreiben. Mit der BuKoF (Bundeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen) existiert zwar bereits seit Jahrzenten ein etabliertes gleichstellungspolitisches Netzwerk, welches einige Merkmale einer Standesorganisation erfüllt. Wie der Name schon sagt, vernetzt dieses allerdings hauptsächlich die Gleichstellungsbeauftragten. Ein umfassendes Netzwerk für alle Akteurinnen der hochschulischen Gleichstellungsarbeit gibt es bisher nicht, wäre aber äußerst sinnvoll. Fazit Um die Chancengleichheit von Männern und Frauen an deutschen Hochschulen sicherzustellen, bedarf es einer effektiven und sinnvoll organisierten Gleichstellungsarbeit. Diese ist im Begriff sich auszudifferenzieren und weist Merkmale einer Professionalisierung auf. Allerdings zeichnet sich eher eine Entwicklung von spezialisierten Expertinnengruppen als ein umfassender Professionalisierungsprozess ab. Für eine weitere Professionalisierung bedarf es eines einheitlichen Selbstverständnisses der Gleichstellungsakteurinnen und des Ausbaus einer gemeinsamen Wissensbasis. Chancen sind dabei in einer besseren Vernetzung aller Gleichstellungsakteurinnen zu sehen. Außerdem könnten mehr Angebote und auch eine höhere Bereitschaft der Akteurinnen an der Nutzung institutionalisierter und standardisierter Formen des Austausches zu einer Professionalisierung beitragen. Gefragt sind natürlich auch die Hochschulleitungen. Diese sollten die vorhandenen Expertisen ihrer Gleichstellungsbeauftragten aber auch der anderen Gleichstellungsakteurinnen anerkennen und nutzen sowie Möglichkeiten zum weiteren Ausbau der Gender- und Gleichstellungsexpertisen schaffen. Dipl.-Sozialwissenschaftlerin Lina Vollmer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Kompetenzzentrum Frauen in Wissenschaft und Forschung CEWS. Sie promoviert zum Thema „Professionalisierung der Gleichstellungsarbeit“. ” Gleichstellungsakteurinnen sind eine fachlich sehr heterogene Gruppe, die eine Tätigkeit in der Gleichstellung häufig nicht bewusst angestrebt hatten und wenig Aufstiegschancen in dem Bereich sehen. Kontakt: Lina Vollmer GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften Kompetenzzentrum Frauen in Wissenschaft und Forschung CEWS Unter Sachsenhausen 6-8 D-50667 Köln Tel.: +49 221 47694-257 E-Mail: [email protected] http://www.gesis.org http://www.cews.org wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 38 managementInnovationsstrategie Farshad Feyzi, Heiko Baum und Ronald Kett Schach! durch Innovation Was haben innovative Produktentwicklung und ein bekanntes Brettspiel gemeinsam? Wie können Innovationen in der Entwicklung von Software und wissensintensiven Dienstleistungen strategisch angegangen werden? Welche Parallelen zu dem Strategiespiel Schach gibt es? Hier wird beschrieben, wie sich ein kleines Dienstleistungsunternehmen strategisch auf ein hohes technologisches Niveau bringen und halten kann. FLUIDON ist ein seit Jahren erfolgreich für die Technologieführer der Automobilindustrie tätiger innovativer Nischenanbieter im mechatronischen Anwendungsfeld, das ein sehr breites und komplexes Arbeitsgebiet von Komponentenentwicklung und -auswahl bis hin zur Fehlerdiagnose in dynamischen Systemen ausmacht. Das Ziel ist anvisiert, das Spiel kann beginnen. Foto: Dinolino/pixelio FLUIDON wurde 1994 als Spin-off von IFAS gegründet. Die primäre Aufgabe bestand in Weiterentwicklung und Vertrieb von DSHplus. Bei einem kleinen neu gegründeten Dienstleistungsunternehmen fehlen verständlicherweise die finanziellen und personellen Ressourcen, um durch gezielte Marktforschung die Marktanforderungen systematisch erfassen und analysieren zu können. Innovationsstrategie Die Innovationsstrategie ist zuerst die abstrakte Beschreibung, wo eine Innovation hinführen soll! Opening the Game: Major focus on preparative steps, screening and developing alternative strategies! Wie beim Schachspiel ist die Spieleröffnung entscheidend für die weitere Entwicklung von Szenarien auf dem Feld. Eine gute Vorbereitung schafft gleich zu Spielbeginn einen strategischen Vorteil. In dieser Phase werden die offensiven beziehungsweise defensiven Alternativen vorbereitet. Der Vergleich mit anderen Spielen/Benchmarking soll bereits beim Start einen Vorsprung schaffen. Vor der Gründung von FLUIDON noch am Institut für fluidtechnische Antriebe und Steuerungen der RWTH Aachen (IFAS) wurden zwei Programme, DSH und Simulant, in einer Reengineering -Phase zu DSHplus zusammengeführt. Dieser Schritt bedeutete inhaltlich die vertikale Integration des fluidtechnischen Modellierungs-Know-hows der beiden Programme in eine SimulationsSoftware zur Berechnung dynamischer und nichtlinearer Vorgänge zur Auslegung von hydraulischen und pneumatischen Komponenten und Systemen. Das Etablieren von Usergruppen schien eine sinnvolle Alternative, um die Kundenanforderungen aus erster Hand kennenzulernen. Zu einem frühen Zeitpunkt wurden die Trends, wie zum Beispiel Bedienungskomfort auch bei komplexen Anwendungen, erkannt und in die Entwicklung integriert. Die wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 Innovationsstrategie management39 Realisierung einer grafischen Oberfläche ermöglichte dem Anwender eine bedienungsfreundliche Auswahl und Verknüpfung der zu simulierenden Komponenten. Dies wurde später zum Markenzeichen des Programms, das bis heute Bestand hat. Darüber hinaus wurde durch die modulare Art der Programmierung und die Wahl der Sprache hohen Wert auf die Offenheit und Flexibilität gelegt, um den wechselnden Aufgaben gerecht zu werden. Dieser Schritt war die erste Öffnung des SoftwarePakets in Richtung einer industriellen Anwendung und bedarfsgerechten Dienstleistung. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt.-Ing. Farshad Feyzi berät mittelständische Unternehmen bei der Gestaltung und Implementierung von Geschäftsprozessen für das operative und strategische Produkt- und Innovationsmanagement. Innovationstaktik Die Innovationstaktik ist die konkrete Beschreibung der nächsten Schritte, die konditionell, situativ ja fast opportunistisch sein dürfen, aber der Innovationsstrategie folgen müssen! Transition Opening/Middle Game: Major focus on decision making! Dr.-Ing. Heiko Baum arbeitet bei FLUIDON schwerpunktmäßig an der kundenspezifischen Weiterentwicklung der Software DSHplus und der dynamischen Simulation von hydraulischen Leitungssystemen. Die genaue Kenntnis über den Gegenspieler und seine verfolgte Strategie ist eine wichtige Voraussetzung, das Spiel in die nächste Phase zu bringen! Die Benchmarking-Analyse zeigte, dass der Wettbewerber mit wesentlich breiter angelegten Produkteigenschaften den Markt bedienen möchte. Die Besetzung der maximalen Feldbreite hat aber oft den Nachteil, dass keine Flanke besonders stark für einen Angriff ausgeprägt ist. Dipl.-Ing. Ronald Kett ist für den Bereich der Softwareentwicklung, die Koordination der FLUIDON-Aktivitäten bei der mechatronischen Verbundsimulationen und die kundenspezifischen Schnittstellen der Software DSHplus verantwortlich. Die Analyse der vorhandenen Ressourcen und der Abgleich mit der gewählten Strategie zeigte, dass bei FLUIDON ein Abweichen von der verfolgten Nischenstrategie weder ressourcenschonend noch effektiv gewesen wäre. Bei einer weiteren Offensive in der entscheidenden Flanke verlieren plötzlich viele Figuren des Gegenspielers an Bedeutung. Während die Bewegung der Bauern irreversibel und oft vergeudet ist, kostet das Zurückführen der anderen Figuren in das entscheidende Feld wertvolle Zeit. Anstatt in die Defensive zu gehen, startete FLUIDON durch die Öffnung des Source-Codes zum Austausch von Bibliotheken mit dem Kunden eindeutig eine Offensive. Auf der Anwendungsebene bedeutete dies offene und flexible Schnittstellen zu Kundenapplikationen, die einen Transfer von Teilbibliotheken und Simulationsmodellen zuließen. Durch die Open-Source-Programmierung der Modelle wurde ein Datenaustausch mit den Kunden ohne Komplikationen gewährleistet. Darüber hinaus konnten externe Funktionalitäten von anderen Programmen genutzt und damit zusätzliche und anspruchsvollere Anwendungen behandelt werden. Dieser Schritt war zu dem Zeitpunkt im Jahr 2000 sehr innovativ und nicht frei von Risiken und sollte gegenüber Wettbewerbern in der ausgewählten Nische einen Zeitvorteil schaffen. Die messbare Durchdringung in dem angestrebten Markt zeigte die Richtigkeit dieser Offensive. Weiterhin öffnete FLUIDON das Tor zum Wissensaustausch durch gemeinsame Forschungsprojekte mit Hochschulen und schärfte damit die Fähigkeit der Antizipation der künftigen Trends. Dies brachte weiteren technologischen Vorsprung in der angestrebten Nische. Middle Game: Major focus on allocation of resources highly adapted to other players on the field! Im „Middle Game” werden die Ressourcen schnell der vorbereiteten Strategie folgend bewegt. Eine nahe und ständige Auseinandersetzung mit dem Gegenspieler, verbunden mit raschen Entscheidungen kennzeichnen diese Phase. Reversible Entscheidungen, wie die Bewegung eines Läufers, der zurück- Stichwörter Innovationsstrategie Innovationstaktik Innovationsmanagement wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 40 managementInnovationsstrategie summary Long term success in an innovative technology SME is more likely if it continues over several innovation lifecycles. Achieving and maintaining economic success in a technology-driven market depends more on an adequate and measurable innovation strategy than on company size alone. In this paper the innovation strategy of FLUIDON GmbH as a small niche provider of software and engineering services in the field of mechatronics is described. gesetzt werden kann! Irreversible Entscheidungen, wie die Bewegung eines Bauern, der nicht zurückgesetzt werden kann! Die technologischen Innovationen werden oft von den Lead-Usern getrieben. In dem technologischen Nischenfeld der fluidtechnischen Simulation und Optimierung wird diese Position ohne Zweifel von der Automobilindustrie in Deutschland besetzt. Die Anfragen aus dieser Richtung bestätigten diese These schnell und eindeutig. Das Risiko der von den Lead-Usern getriebenen Innovationen ist die Abhängigkeit, in die sich ein kleines Dienstleistungsunternehmen wie FLUIDON begeben kann. Wie konnte nun die richtige Innovationsstrategie in Bezug auf die Technologie weiterentwickelt werden, die nachhaltig bei der global agierenden innovativen Automobilindustrie Erfolg hat, aber keine starke Abhängigkeit von wenigen Pionier-Kunden mit sich bringt? Die Innovation wurde auf zwei Ebenen gesplittet: die Plattformebene und die Anwendungsebene. Die Innovation auf der Plattformebene brachte eine immer schnellere und zuverlässigere Durchführung der Simulationsberechnungen. Die Innovationen auf der Anwendungsebene ermöglichte unterschiedliche Aufgaben der Automobilindustrie (Brems- und Kupplungssysteme, Servolenkung, Kraftstoffsysteme etc.) technologisch und wirtschaftlich optimal zu erfüllen. Darüber hinaus eröffnete die angewendete Innovationsstrategie den Zugang zu anderen Branchen, wie zum Beispiel Werkzeugmaschinen, wodurch die Abhängigkeit von der Automobilindustrie reduziert werden konnte. Heute ist FLUIDON ein wissensintensiver Dienstleister, der sein Know-how den Technologieführern in mehreren Branchen im Bereich fluidtechnischer mechatronischer Antriebstechnik anbietet. Innovation als Funktion von Zeit, Material und Qualität In einem dynamischen Betätigungsfeld kann man Material einsetzen beziehungsweise opfern, um Zeit zu gewinnen. Die Strategie ist das Erreichen einer qualitativ höherwertigen Positionierung. End Game: Major focus on concentration to win the game, no mistake allowed as the resources are highly exhausted! Die richtige Intuition, ein Spiel zielführend in die Endphase zu bringen, entwickelt sich dann, wenn genügend Erfahrung in der Analyse kalkulierbarer und kalkulierter Einzelschritte gesammelt wurde. Der Gewinnerinstinkt wird durch das Management der kalkulierten und kreativen geistigen Prozesse gebildet und ist damit keine angeborene Eigenschaft, sondern harte Arbeit. Die richtigen Entscheidungen führen am Ende zum Spielgewinn! Wie ist der Einfluss auf die Qualität einer Entscheidung, wenn sie aus einer offensiven beziehungsweise defensiven Haltung getroffen wird? Wie ist die Qualität einer Entscheidung, wenn sie vorzeitig, rechtzeitig oder zu spät getroffen wird? ” Der nachhaltige Erfolg für technologieorientierte KMUs kann erst dann nachgewiesen werden, wenn diese Unternehmen mehrfach ihre Innovations-Lebenszyklen mit Erfolg bestehen. wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 Die Entwicklung der letzten Jahre zeigte, dass die Kunden immer mehr an einer Gesamtlösung interessiert sind und sich nicht mehr mit Einzeldisziplinen auseinandersetzen wollten. FLUIDON hat sich bereits durch die weitere Flexibilisierung der Schnittstellen zu anderen Konstruktionsund Simulationsprogrammen auf diese neue Phase vorbereitet und wird wieder erfolgreich den technologischen Trends folgen. Innovationsmanagement Die intuitive Innovation entwickelt sich dann, wenn die kalkulierbare Innovation zuerst beherrscht wird. Ein installiertes Innovationsmanagement ist die Voraussetzung dafür. FLUIDON Innovationsstrategie management41 3 führte im Jahr 2009 ein Online- IMP rove-Assessment über das eigene Innovationsmanagement 3 durch. IMP rove ist eine Initiative der Europäischen Kommission zur Steigerung der Innovationsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen mit einem ganzheitlichen Ansatz, der sowohl die strategischen als auch die operativen Aspekte des Innovationsmanagements berücksichtigt. Ein Benchmarking-Vergleich mit dem Wachstums-Champion und dem Durchschnitt der Branche sowie eine anschließende Ursachen-Wirkungs-Analyse führen zu wertvollen Schlüssen über die Effektivität des Innovationsmanagements. Literatur: FLUIDON: Overview of Cooperative-Projects for DataManagement and Co-Simulation, 2008. 3 IMP rove: www.Improve-Innovation.eu. 3 IMP rove-Coreteam: www.Improve-Innovation.eu, Innovation Management in High-Growth-SMEs from the Knowledgeintensive Services: Setting the Pace for Growth in Europe, July 2010. 3 Das IMP rove-Benchmarking zeigte, dass FLUIDON in der eigenen Branche europäischer Champion war, was eine Bestätigung der ausgewählten Strategie in Bezug auf die Technologie bedeutete. Die weitergehende Analyse hat jedoch ein sehr interessantes Defizit aufgedeckt. Die Arbeitsweise in dem vorhandenen Netzwerk um das Unternehmen war nicht systematisch genug organisiert, um die Projekte bei steigenden Anforderungen effektiv zu gestalten. Dies bedeutete, dass ein Governance Model entwickelt werden musste, das die Arbeitsweise im Netzwerk für eine interaktive Wertschöpfung beschreibt. Für eine interaktive Wertschöpfung müssen die Aufgaben für alle beteiligten Akteure präzise formuliert werden. Als Modell kann die Interaktion zwischen den unterschiedlichen Modulen innerhalb einer Software dienen. Jedes Modul führt die erforderlichen Funktionalitäten aus, um von einem definierten Input einen geforderten Output zu erzeugen. Der generierte Output dient dann in einem nachgelagerten Schritt als Input für eine weitere Erhöhung der Wertschöpfung. Die Steuerung gegenseitig laufender Flüsse von Input- und Output-Werten ist die Kernaufgabe von Schnittstellenfunktionen, die eine hohe Interaktionskompetenz voraussetzen. Bei den Wissensflüssen kann noch zwischen einem eher technisch-wissenschaftlichem Know-how und Anwendungswissen unterschieden werden. Die effektive Verknüpfung dieser zwei Wissensarten ist eine besondere Herausforderung für eine kundenorientierte und interaktive Wertschöpfung. Die Finanzflüsse repräsentieren die monetäre Abwicklung der kollaborativen Wertschöpfung. Die hierfür zugrunde liegenden Verträge behandeln den Zusammenhang zwischen Funktions- und Finanzflüssen. Ein auf alle Akteure übergreifendes Controlling sorgt für Messung und Steuerung der im Vorfeld definierten Teilaufgaben. Die Einbindung von innovativen und fortschrittlichen Kunden (Lead-Usern) in eine interaktive Wertschöpfung ist relativ leicht, weil sie mit Bedürfnis- und Lösungsinformationen an der interaktiven Wertschöpfung teilnehmen. Die Partizipation von wenig innovativen Kunden ist dagegen häufig abhängig von entsprechenden Anreizsystemen. Dieser Ansatz trägt bereits die ersten Früchte: FLUIDON platziert ein größeres Angebot gemeinsam mit seinen Partnern für eine sehr komplexe Anwendung bei einem führenden internationalen Maschinenbau-Unternehmen. Lessons Learned Der nachhaltige Erfolg für technologieorientierte KMUs kann erst dann nachgewiesen werden, wenn diese Unternehmen mehrfach ihre Innovations-Lebenszyklen mit Erfolg bestehen. Der wirtschaftliche Erfolg auf dem von Technologie getriebenen Markt ist keine Frage der Größe, sondern der richtigen Innovationstrategie, die langfristig und messbar definiert werden muss. Diese Strategie kann analog zum Schachspiel von der Opening- über Middle-Game in die End-Game-Phase führen. Eine ständige qualitative und quantitative Kontrolle der Ressourcen, wie zum Beispiel Know-how zur Umsetzung der Strategie über der Zeit, ist eine wichtige Voraussetzung für den nachhaltigen Erfolg. In beeindruckender Weise unterstützt die Offenheit im Austausch von Know-how und Kooperationen in Netzwerken den technologischen Vorsprung. Aktuelle Studien der Europäischen Kommission belegen diesen Sachverhalt insbesondere bei kleinen und mittleren wissensintensiven Dienstleistungsunternehmen, die einen Wachstumsmotor in den hochindustrialisierten Ländern wie Deutschland ausmachen. Kontakt: Dr. Farshad Feyzi Technisch-Wirtschaftliche Beratung Oppenhoffallee 116 52066 Aachen Tel.: +49 (0) 241 943 153 10 Fax: +49 (0) 241 943 153 20 E-Mail: [email protected] www.feyzi.de FLUIDON Gesellschaft für Fluidtechnik mbH Jülicher Straße 338a 52070 Aachen Tel.: +49 (0) 241 960 92 60 Fax: +49 (0) 241 960 92 62 E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected] www.fluidon.com wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 42 managementHochschulsteuerung Heide Klug Erfolge und Grenzen im Indikatorendschungel Evolution eines fachbereichsspezifischen Mittelverteilungsmodells Auf Länderebene und vom zentralen Hochschulmanagement mittlerweile standardmäßig als Steuerungsinstrument eingesetzt, bedeutet die Umsetzung leistungsorientierter Mittelverteilungsmodelle auch einige Jahre nach deren Etablierung auf dezentraler Ebene häufig noch einen immensen Kraftakt. Es bedarf einer ausgewogenen Herangehensweise bei der Etablierung eines Steuerungsinstruments, das ursprünglich nicht für die Expertenorganisation Hochschule entwickelt wurde. Vor diesem Hintergrund erläutert der folgende Beitrag am Beispiel eines Mittelverteilungsmodells auf Fachbereichsebene Herausforderungen des Fachbereichsmanagements. Welche Indikatoren sind leistungsfähig und aussagekräftig, um die Mittel der Fakultät gerecht zu verteilen? Foto: Rolf van Melis/pixelio Seit einigen Jahren ist die indikatorbasierte Mittelverteilung an Hochschulen ein verbreitetes Steuerungsinstrument. Die tatsächliche Steuerungswirkung dieses Instruments ist im Wissenschaftssektor durchaus umstritten (vgl. Wissenschaftsrat 2011). Dennoch wird selten infrage gestellt, dass die Mittelverteilung indikatorbasiert erfolgen soll. Sehr unterschiedlich ist in den Ländern und Organisationen der Umfang der indikatorbasiert verteilten Mittel. Die zugrunde liegenden Indikatoren unterscheiden sich indessen in weitaus geringerem Maße (vgl. Jaeger 2005). Die Rolle indikatorbasierter Mittelverteilung in Fachbereichen Mittelverteilungsmodelle werden von Fachbereichen selten aus eigener Initiative entwickelt. Häufig folgen die dezentralen Einrichtungen Vorgaben der Hochschulleitung. Eine Herausforderung des Fachbereichsmanagements ist es, vor dem Hintergrund dieser zentralen Vorgaben geeignete Modelle zu entwickeln, die von den beteiligten Akteuren akzeptiert werden und als Steuerungsinstrument geeignet sind oder zumindest keine Fehlsteuerung erzeugen. Der Beitrag basiert auf einem Vortrag auf der Tagung „Performance Management im Hochschulbereich“ der Wissenschaftlichen Kommission Hochschulmanagement des Verbands der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V. am 15. Oktober 2011 an der Technischen Universität Braunschweig. wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 Steuerungsziel der Hochschulleitung ist neben der Verbesserung der für das Hochschulbudget relevanten Leistung auch die Stärkung der Eigenverantwortung von Fachbereichen. Die Fachbereiche versuchen, die für das Fachbereichsbudget relevanten Leistungen zu verbessern. Darüber hinaus werden mit Hilfe der indikatorgestützten Mittelverteilung Leistungsunterschiede der budgetierten Einheiten deutlich. Diese Transparenz entfaltet Steuerungswirkung unabhängig davon, ob zusätzlich noch monetäre Anreize wirken (vgl. Jaeger 2006). Vor diesem Hintergrund wurde im Jahr 2007 auch am Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Technischen Universität Darmstadt ein Mittelverteilungsmodell entwickelt. Hochschulsteuerung management43 Grundzüge des Mittelverteilungsmodells Das dezentrale Mittelverteilungsmodell am Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften hat sich kontinuierlich weiterentwickelt, zum einen im Hinblick auf den Umfang der anhand des Modells verteilten Mittel und zum anderen bezüglich der herangezogenen Indikatoren sowie deren Gewichtung. So stieg der Anteil der indikatorbasiert verteilten Mittel über mehrere Stufen von zehn auf bis zu 100 Prozent der an die budgetierten Einheiten (hier: Fachgebiete) verteilten Sachmittel (siehe Abbildung 1). Dies entspricht circa einem bis zehn Prozent des Gesamtbudgets (Personal- und Sachmittel) des Fachbereichs. Das Modell sieht vor, dass das indikatorbasiert verteilte Budget zu gleichen Teilen nach 100% Forschungs- und Lehrleistungen verteilt wird. 90% Darüber hinaus ist ein bestimmter Anteil für 80% die Verteilung nach Leistungen in der Selbst70% verwaltung vorgesehen. Die einzelnen Indika60% toren wurden mit Punktwerten versehen und 50% dadurch untereinander gewichtet. Zwischen 40% 2007 und 2009 gab es zusätzlich einen Bud30% getanteil für den Bereich Gleichstellung. Nach der Weiterentwicklung des Modells wurde der 20% Gleichstellungsindikator in den Forschungs10% bereich integriert, indem Promotionen und 0% 2007 2008 2009 2010 Habilitationen von Frauen höher gewichtet wurden. Hier wurde der Vorgehensweise des universitätsweiten Mittelverteilungsmodells gefolgt. Seit 2010 besteht das Modell somit aus den Leistungsbereichen (A) Forschung, (B) Lehre und (C) Selbstverwaltung. Die Entwicklung der Gewichtung innerhalb der Verteilung ist der folgenden Abbildung 2 zu entnehmen. Von Beginn an galt die Vorgabe, dass Forschung und Lehre immer gleich gewichtet sein sollten, der Anteil des Budgets für Selbstverwaltung hingegen variierte. Erst in der letzten Version des Modells wurde ein fester Verteilungsschlüssel von je 45 Prozent für Lehre und Forschung und zehn Prozent für die Selbstverwaltung festgelegt. Bis dahin war die Gewichtung der Leis100% tungsbereiche von der Summe der erhobenen 90% Punkte in der Lehre und der Selbstverwaltung 80% abhängig. Die für die Lehre ermittelten Ge70% samtpunkte gaben die für die Forschung zu 60% verteilenden Punkte vor, um dem Ziel einer 50% gleichen Gewichtung von Lehre und For40% schung Rechnung zu tragen. Herausforderung Akzeptanz Leistungsorien7ert verteilte Sachmi?el Pro Kopf verteilte Sachmi?el 2011 2012 Abb. 1: Anteil der leistungsorientiert verteilten Sachmittel Gleichstellung Selbstverwaltung Lehre Forschung 30% 20% Eine erste Herausforderung für die Entschei10% der ergab sich daraus, eine möglichst hohe 0% 2007 2008 2009 2010 Akzeptanz des neuen Mittelverteilungsmodells zu erzielen. Um dies zu erreichen, wurde zunächst deutlich gemacht, dass das Mittelverteilungsmodell neben einer Leistungsorientierung vor allem auch Belastungen abbilden sollte. Darüber hinaus sollte die Akzeptanz über 2011 2012 Abb. 2: Anteil der Leistungsbereiche an der Mittelverteilung wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 44 managementHochschulsteuerung summary The article describes the evolution of a local formula-based funding model and consequential challenges for faculty management. ” eine entsprechende Auswahl an Indikatoren erreicht werden. Dem ersten Konzept von 2007 zur leistungs- und belastungsbezogenen Mittelvergabe ist zu entnehmen, dass das Modell „einen Kompromiss zwischen den Zielen der Leistungsgerechtigkeit und der Minimierung des administrativen Aufwands [darstellt]“. Die in Tabelle 1 aufgeführten Indikatoren wurden für die erste Version des Modells im Jahr 2007 herangezogen. Die Liste ist das Ergebnis eines intensiven Diskussionsprozesses am Fachbereich mit dem Ziel einer hohen Akzeptanz. Unter der Annahme, dass die Akzeptanz davon abhänge, möglichst viele Interessen zu berücksichtigen, wurde eine hohe Anzahl – insbesondere von Lehrindikatoren – festgelegt. A. Forschung B. Lehre C. Selbstverwaltung 1) Drittmittelausgaben 4) Vorlesungen und Übungen 15) Dekan 2) Rufe 5) Klausurkonzeption 16) Prodekan 3) Publikationen/Vorträge 6) Klausur 17) Studiendekan 7) Multiple Choice-Klausur 18) Vorsitz Prüfungsausschuss 8) Seminararbeit 19) Geschäftsführender Direktor 9) Diplomprüfung (mündlich) 20) Frauenbeauftragte 10) Vertiefungsprüfung (mündlich) 21) Fachstudienberatung 11) Abschlussarbeiten 22) Austauschprogramme Organisator 12) Promotion Erstgutachten 23) Gespräche Austauschprogramme 12a) Promotion Zweitgutachten 24) Gutachten für Stipendien Leistungsorientierte Steuerungsmodelle geraten häufig aufgrund des mit ihrer Umsetzung verbundenen Aufwands in die Kritik. 13) Habilitation Erstgutachten 13a) Habilitation Zweitgutachten 14) Praktika/Fallstudien Tab. 1: Indikatoren Modell 2007 Die hohe Anzahl an Indikatoren brachte trotz der vermuteten hohen Akzeptanz jedoch Schwierigkeiten mit sich. Zum einen sind nicht alle Indikatoren einfach nachvollziehbar und gut dokumentiert. Das Modell sah beispielsweise vor, verschiedene Arten von Prüfungen (schriftlich, mündlich, Vertiefungsprüfung, Diplomprüfung…) unterschiedlich hoch zu gewichten. Diese Differenzierung von Prüfungen nach vermeintlich weniger und mehr Aufwand pro Prüfung konnte teilweise nur auf der Grundlage von Selbstangaben der budgetierten Einheiten ermittelt werden, was die Neutralität der Datenerhebung gefährdete. Vor dem Hintergrund, dass in den ersten Jahren insgesamt zehn Prozent der Sachmittel auf Stichwörter Leistungsorientierte Mittelverteilung Steuerungsinstrumente Budgetierung Fachbereichsmanagement wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 Basis einer hohen Anzahl differenzierter Indikatoren verteilt wurden, war eine monetäre Anreizwirkung kaum gegeben. Die einzelnen Indikatoren hatten teilweise verschwindend geringe Auswirkungen auf die Budgets der budgetierten Einheiten. Eine Steuerungswirkung erzielte das Modell dennoch. Die Transparenz über Leistungen und Belastungen führte in einzelnen Fachgebieten dazu, dass einzelnen Tätigkeitsbereichen, etwa der Betreuung von Seminar- und Abschlussarbeiten, eine höhere Bedeutung zuteil wurde. Hochschulsteuerung management45 Herausforderung Transparenz Zwar war nach der ersten Anwendung des Modells für die Mittelverteilung eine Transparenz über die Leistungen und Belastungen der einzelnen budgetierten Einheiten gegeben, die Transparenz im Hinblick auf die Berechnung des Budgets und den Aufbau des Modells ließ jedoch zu wünschen übrig. Die fachbereichsinternen Diskussionen infolge der Einführung des Modells machten deutlich, dass die Akzeptanz – die ursprünglich durch eine detaillierte Anzahl an Indikatoren erzielt werden sollte – aufgrund der Komplexität des Modells gefährdet war. Demzufolge wurde in der zweiten Version des Modells die Anzahl der Lehrindikatoren drastisch reduziert, aber auch in den anderen Bereichen wurden einige Indikatoren gestrichen (Tabelle 2). Der Indikator „Promotionen und Habilitationen“ wurde aus dem Bereich Lehre in den Bereich Forschung verschoben, was der üblichen Praxis und dem universitätsweiten Mittelverteilungsmodell entsprach. A. Forschung B. Lehre C. Selbstverwaltung 1) Promotion/Habilitation 4) Vorlesungen 12) Dekan 2) Drittmittelausgaben 5) Übungen 13) Prodekan 3) Publikationen 6) WINF-Praktika 14) Studiendekan 7) Fallstudien 15) Vorsitz Prüfungsausschuss 8) P rüfung (Klausur oder mündlich) 16) Austauschprogramme Organisator 9) Seminararbeit 17) Frauenbeauftragte 10) Bachelor-/Studienarbeit 11) Master-/Diplomarbeit Tab. 2: Indikatoren Modell 2009 Aus den gleichen Gründen wie für die Aktualisierung des Modells im Jahr 2009 fand 2012 eine weitere Verschlankung des Modells statt. Eine deutliche Reduzierung der Indikatoren im Leistungsbereich Lehre auf die drei Indikatoren Prüfung, Seminararbeiten und Abschlussarbeiten erhöhte erneut die Transparenz im Hinblick auf die Mittelverteilung (Tabelle 3). A. Forschung B. Lehre C. Selbstverwaltung 1) Promotion/Habilitation 4) Prüfungen 7) Dekan 2) Drittmittelausgaben 5) Seminararbeiten 8) Prodekan 3) Publikationen 6) Abschlussarbeiten 9) Studiendekan Dr. Heide Klug ist kaufmännische Geschäftsführerin des Fachbereichs Rechtsund Wirtschaftswissenschaften an der Technischen Universität Darmstadt. ” Mit der aktuellen Modellversion ist der Fachbereich dem Ziel näher gekommen, möglichst wenige aussagekräftige Indikatoren heranzuziehen. Mit der Transparenz wurde die Akzeptanz erhöht und der Aufwand reduziert. 10) Vorsitz Prüfungsausschuss 11) Koordinator Internationales 12) Frauenbeauftragte Tab. 3: Indikatoren Modell 2012 Herausforderung Aufwand Leistungsorientierte Steuerungsmodelle geraten häufig aufgrund des mit ihrer Umsetzung verbundenen Aufwands in die Kritik. Insbesondere der Aufwand für die Datenerhebung in den budgetierten Einheiten trägt nicht zur Akzeptanz der Verteilungsmodelle bei. Durch die oben skizzierte Entwicklung des Modells ist berücksichtigt worden, dass ein universitätsweites Campus- keywords formula-based funding governance tools budgeting faculty management wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 46 managementHochschulsteuerung Literatur: Jaeger, M., Leistungsbezogene Mittelvergabe und Qualitätssicherung als Elemente der hochschulinternen Steuerung, HIS-Kurzinformation, Hannover 2005. Jaeger, M., Leistungsorientierte Budgetierung: Analyse der Umsetzung an ausgewählten Universitäten und Fakultäten/ Fachbereichen, HIS-Kurzinformation, Hannover 2006. Schmoch, U., Geeignete Ansätze zur Messung wissenschaftlicher Leistung, in: Beiträge zur Hochschulforschung 31 (2009) 1, S. 26-41. Schröder, T., Der Einsatz leistungsorientierter Ressourcensteuerungsverfahren im deutschen Hochschulsystem. Eine empirische Untersuchung ihrer Ausgestaltung und Wirkungsweisen, in: Beiträge zur Hochschulforschung 26 (2004) 2, S. 28-58. Wissenschaftsrat (Hrsg.), Empfehlungen zur Bewertung und Steuerung von Forschungsleistung, Köln 2011. Kontakt: Dr. Heide Klug Technische Universität Darmstadt Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften Hochschulstraße 1 64289 Darmstadt Tel.: +49 (0) 6151-16 6825 Fax: + 49 (0) 6151-16 6508 E-Mail: [email protected] www.wi.tu-darmstadt.de wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 Management-System möglichst alle benötigten Daten (für den Bereich Lehre) liefert. Für die anderen Bereiche wurde das Berichtswesen des Fachbereichsmanagements konsequenter hinsichtlich der Datenanforderungen ausgebaut. Der Aufwand der Datenerhebung wurde dadurch deutlich verringert. Um die Akzeptanz des Modells nicht zu gefährden, bleibt es dennoch wichtig, den budgetierten Einheiten die Möglichkeit zu geben, die Daten zu validieren. Somit verbleibt ein gewisser Aufwand für die Fachgebiete. Bezüglich einer Qualitätssicherung des Berichtswesens und der Akzeptanz der Mittelverteilung ist die Datenvalidierung jedoch zwingend erforderlich und im Interesse der budgetierten Einheiten. Das im Zuge der Mittelverteilung verbesserte Berichtswesen nützt dem Fachbereichsmanagement zudem für weitere Entscheidungsprozesse. Ergebnis Vor dem Hintergrund der Ziele einer anreizbezogenen und gerechten Mittelverteilung lassen sich für das hier vorgestellte Modell Erfolge und Grenzen aufzeigen. Die Entwicklung des Mittelverteilungsmodells zeigt, dass ein Kompromiss zwischen leistungsgerechter Verteilung und Umsetzbarkeit gewählt werden muss. Zu Beginn stand im Vordergrund, durch die Berücksichtigung möglichst vieler Interessen eine hohe Akzeptanz zu erzielen. Damit sollte den Erfahrungen anderer Fachbereiche und den in einem Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften durchaus bekannten Problematiken mit Anreizmodellen Rechnung getragen werden. Die daraus resultierende Ausdifferenzierung des Modells widersprach jedoch dem damit verfolgten Ziel einer möglichst hohen Akzeptanz. Dies führte wiederum zu einer Straffung der Anzahl der Indikatoren. Die dynamische Entwicklung des Modells zeigt, dass es kein ideales, kein einmal entwickeltes und dann dauerhaft angewendetes Modell geben kann. Gerade zu Beginn der hochschulpolitischen Diskussion um leistungsorientierte Verteilungsmodelle musste den Akteuren zugestanden werden, die Anwendung zu erproben und entsprechend anzupassen. Mit der aktuellen Modellversion ist der Fachbereich dem Ziel näher gekommen, möglichst wenige aussagekräftige Indikatoren heranzuziehen. Mit der Transparenz wurde die Akzeptanz erhöht und der Aufwand reduziert (vgl. zur Relevanz von Transparenz Schröder 2004). Die Straffung des Modells birgt jedoch die Gefahr einer nicht sachgerechten und unter Umständen ungerechteren Verteilung (vgl. Schmoch 2009). Der Auswahl der wenigen Indikatoren muss daher eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Idealerweise sollte das Modell künftig in etwas größeren zeitlichen Abschnitten verändert werden. Es kann jedoch kein Ziel sein, ein statisches, langfristig gültiges Modell zu entwickeln, da stets neue Gegebenheiten berücksichtigt werden müssen und neue Akteure eingebunden werden sollten. Eine Evolution der Mittelverteilung hält demnach an. Aktuell findet eine Diskussion über die Erweiterung des Modells auf einen Anteil des Personalbudgets des Fachbereichs statt. Diese Weiterentwicklung ist von der Universitätsleitung gefordert und bietet Anlass zu intensiven Auseinandersetzungen mit dem bestehenden Modell. Für das Fachbereichsmanagement bedeutet es eine große Herausforderung, diese Diskussion aufzugreifen und produktiv zu nutzen, um das Steuerungsinstrument Mittelverteilung zielführend weiterzuentwickeln. buchbesprechung47 Dan Senor und Saul Singer Start-Up Nation Israel Was wir vom innovativsten Land der Welt lernen können Das Autorenduo Dan Senor und Saul Singer betrachtet die Bedeutung von Innovation für die Geschichte des wirtschaftlichen und unternehmerischen Erfolges des Staates Israel. Die Machart des Buches ist dabei ungewöhnlich. Wer ein chronologisches, nach Wirtschaftssektoren oder Schlüsselelementen geordnetes Vorgehen erwartet, wird überrascht werden: Vielmehr vermittelt das Buch über Anekdoten und kleine Insiderstorys das Mosaik der Innovationen und die dafür notwendigen Voraussetzungen. Umgeben von Krisenherden ist Israel seit seiner Gründung ein ständig gefährdetes Land. Trotzdem geht aus allen wirtschaftlichen Kennzahlen hervor: An keinem Ort der Welt ist eine höhere Konzentration von Innovation und Unternehmertum zu finden als in Israel. Senor und Singer zeigen: Wer in einem ständig gefährdeten Land überleben will, muss ständig wachsam sein. Das Buch will gleichzeitig Studie, Diskussionsbeitrag und historische Darstellung sein. Angefangen von Exkursen zu Geschichte und Kultur Israels über die wichtige Geopolitik der Region und markanten Unternehmensbeispielen vermag dieses Buch den Leser zu fesseln und ihm die Augen zu öffnen für das Geheimnis der wirtschaftlichen und unternehmerischen Leistungen Israels. Was den Leser an dieses Buch derart fesselt ist jedoch nicht nur das „Was“, sondern auch das „Wie“: Durch kurze Anekdoten erklären die Autoren beispielhaft, was das israelische Erfolgsmodell ausmacht. Da ist zum Beispiel die Geschichte von Shai Agassi, Sohn irakischer Einwanderer und gleichzeitig erfolgreicher Software-Unternehmer, der jetzt durch passende Infrastrukturen den flächendeckenden Einsatz von Elektroautos möglich machen will. Die beiden Autoren schaffen es mit ihrer Erzähltechnik immer wieder, die kurzen Geschichten so lebensecht zu vermitteln, dass der Leser meint, dabei zu sein. Dies liegt auch am journalistischen Hintergrund der Autoren: Senor schreibt im Wall Street Journal, der New York Times und der Washington Post. Singer ist Kolumnist bei der Jerusalem Post. Hinzu kommt das nötige Hintergrundwissen: Senor ist Adjunct Senior Fellow für Nahoststudien am amerikanischen Council on Foreign Relations. Singer lebt heute in Israel und war zuvor Berater für den US-Kongress. Durch die einzelnen Abschnitte des Buches entwickelt sich ein Gesamtbild, dass zeigt, warum es in diesem kleinen, fast isolierten Land möglich war und ist, so viel Innovation in Wohlstand zu verwandeln. Es wird deutlich, warum etwa die Clusterwirkung der israelischen Streitkräfte oder die dynamische Wirkung der ständigen Migrationsströme in Israel zu mehr Innovationsstreben und Pioniergeist führen. Und trotz der sehr positiven Darstellung der unternehmerischen Fähigkeiten in Israel bleiben auch kritische Aspekte nicht unbehandelt. Die Verteilungsprobleme innerhalb der sehr ungleichen israelischen Gesellschaft etwa werden durchaus kritisiert. Aufgrund der deutlich israelischen Perspektive bleiben allerdings einige Punkte unbehandelt, beispielsweise das Verhältnis des israelischen Staates zu den Palästinensern sowie das Verhalten gegenüber den arabischen Staatsbürgern Israels. Das Fazit der beiden Autoren lautet dementsprechend: „Während Israel noch viel von der Welt lernen muss, muss die Welt viel von Israel lernen“. Luis Padberg Dan Senor, Saul Singer Start-Up Nation Israel Was wir vom innovativsten Land der Welt lernen können 2012, 374 Seiten, gebunden, 24,90 Euro, Carl Hanser Verlag, München, ISBN 978-3-446-42921-5 Der Autor ist Mitarbeiter der Lemmens Medien GmbH in Bonn. wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 48 buchbesprechung Yehuda Elkana und Hannes Klöpper Die Universität im 21. Jahrhundert Für eine neue Einheit von Lehre, Forschung und Gesellschaft Die Universität, eine der konservativsten Institutionen unserer Gesellschaft, ist nur auf dem Papier im 21. Jahrhundert angekommen. In vielen Bereichen ihres Denkens und Handelns scheint die Universität vielmehr noch im 19. Jahrhundert zu verharren. Vor diesem Hintergrund gehen die Autoren der Frage nach, was und wie an einer zeitgemäßen Universität gelehrt werden soll und welcher Lehrplanreformen es dazu – vom Bachelor bis zum PhD – bedarf. Die zentrale Aufgabe der Universität sehen die Verfasser darin, die Studierenden zu (selbst-) reflektierten Bürgern zu bilden, die in der Gesellschaft Verantwortung übernehmen. Die Autoren reihen sich damit in die Gruppe jener Hochschulexperten ein, die eine Entwicklung weg von der rein beruflichen Ausbildung, hin beziehungsweise zurück zu mehr (Allgemein-) Bildung an Universitäten fordern. Elkana und Klöpper liefern dafür durchaus nützliche und zeitgemäße Empfehlungen. Yehuda Elkana, Hannes Klöpper Die Universität im 21. Jahrhundert. Für eine neue Einheit von Lehre, Forschung und Gesellschaft edition Körber-Stiftung, Hamburg 2012. 500 Seiten, ISBN 978-3-89684-088-2 Den Autoren Yehuda Elkana (Professor für Wissenschaftstheorie und -geschichte mit internationaler Erfahrung im Wissenschaftsbereich, u.a. als Rektor der Central European University in Budapest) und Hannes Klöpper (Sozialwissenschaftler und Geschäftsführer der iversity GmbH, ein im Bildungsbereich tätiges Internet-Startup) ist mit dem gemeinsamen Buch „Die Universität im 21. Jahrhundert“ eine Wissenskombination aus der Erfahrung des Alters und der Dynamik der Jugend gelungen. In zehn großen Kapiteln, die sich aus einer umfassenden Aufarbeitung der vorhandenen Literatur, zahlreichen Beispielen aus der universitären Praxis sowie daraus abgeleiteten eigenen Thesen und Forderungen zusammensetzen, geben die Autoren einen gut verständlichen Einblick in das Dreieck von Lehre, Forschung und Gesellschaft. Idee und Ziele der Universität Die Einleitung stellt eine Zusammenfassung der oft beschriebenen Herausforderungen der Universität im 21. Jahrhundert dar, welchen den Verfassern zufolge nur mit einer Weiterentwicklung vom lokalen Universalismus zum globalen Kontextualismus begegnet werden kann. Die Probleme des (Arbeits-) Lebens seien komplex und interdisziplinär, worauf die Studierenden an Universitäten jedoch zu wenig vorbereitet würden. In den beiden Kapiteln „Idee der Universität“ und „Ziele der Universität“ beschreiben die Autoren die geschichtliche Entwicklung von der Forschungsuniversität über die Multiversität bis zur Universität als Unternehmen – mit Beispielen aus Deutschland, England und den USA – und entwickeln schließlich einen eigenen Zielkatalog. Im Kapitel „Grundprinzipien für die Bachelor-Ausbildung“ werden mögliche Lehrplanreformen konkretisiert, mit insgesamt 16 universitären Beispielen. In der „Renaissance der Rhetorik“ propagieren die Autoren ein neues kritisches Denken zwischen Gesellschaftsdistanz und Gesellschaftsrelevanz. Besonders dabei ist die Anmerkung, dass Universitäten der Gesellschaft manchmal das geben sollten, was sie braucht, und nicht das, was sie verlangt. Im Kapitel „Neue Curricula und Disziplinen“ werden die Besonderheiten der einzelnen Wissenschaftsdisziplinen beispielhaft beleuchtet und einmal mehr die Bedeutung der Interdisziplinarität betont. Mit „Die Einheit von Forschung und Lehre neu denken“ fordern die Autoren nicht nur eine Aufwertung der Lehre, sondern auch eine Evaluation von Wissensproduktion (Forschung bzw. Pub- wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 buchbesprechung49 likationen richten sich nach außen, an die Scientific Community) und Wissensvermittlung (Lehre bleibt hingegen innerhalb der Institution), sowie eine kritische Reflexion des Konstrukts Exzellenz. Im Kapitel „Demokratie und eine Philosophie der Bildung“ wird an das Recht auf Bildung und die Bedeutung der praktischen Vernunft erinnert, aber auch daran, dass Bildungstheorie immer auch politische Theorie ist. Bildung und Wissen ist den Verfassern zufolge immer kontextabhängig und wird sozial konstruiert. Dieses eher philosophische Kapitel ist für die aktuelle Hochschuldiskussion wertvoll, wirkt jedoch im Gesamtaufbau etwas verloren. Wie im Kapitel zur Bachelor-Ausbildung werden auch im „Promotionsstudium“ Beispiele und Grundprinzipien für die PhD-Ausbildung dargestellt, wie zum Beispiel Ethik und mehr Praxisbezug. Das letzte und zugleich größte Kapitel zur „Universität im digitalen Zeitalter“ bietet konkrete Beispiele für innovative Lehre durch die Nutzung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien. Von den Verfassern wird jedoch betont, dass dadurch der Mensch nicht erneut durch die Maschine ersetzt werden sollte. Die Autorin ist ProgrammManagerin an der WU Executive Academy der Wirtschaftsuniversität Wien und forscht im Bereich Hochschulmanagement, Organisations- und Personalentwicklung. Die Lehre im Fokus Der Schwerpunkt des Buches liegt, wie schon die Reihenfolge im Untertitel vermuten lässt, auf der Lehre und deren Ausgestaltung, womit sich dieses von anderen gleichnamigen Büchern (vgl. Hoffacker 2002, Laske/Scheytt/Meister-Scheytt/Scharmer 2002) unterscheidet, die stärker auf die (Selbst-) Steuerung der Hochschulen und das Selbstverständnis der Universität als komplexe Organisation insgesamt fokussieren. Durch diesen Schwerpunkt kommen sowohl der im Wissenschaftssystem konstruierte Fokus auf Forschung, den es ebenso kritisch zu hinterfragen gilt, wie die systemische Betrachtung der Organisation Universität und ihrer Umwelt beziehungsweise der Gesellschaft etwas zu kurz. Der von den Autoren geforderte Perspektiven- und Paradigmenwechsel ist ein komplexer Prozess, der nicht durch eine reine Aufwertung und Weiterentwicklung der Lehre erfolgen kann. Das von Elkana und Klöpper vorgeschlagene ganzheitliche Denken und Handeln an Universitäten stellt jedoch einen wichtigen Beitrag für den aktuellen theoretischen und praktischen Hochschuldiskurs dar. Von der „Getriebenen“ zur „Treiberin“ Die „unvollkommene Universität“ steht vor der Herausforderung, sich durch ein modernes (Selbst-) Verständnis ihrer Strukturen, Forschung und Lehre weiter zu entwickeln – unter Beibehaltung der akademischen Freiheit. Die Frage ist, ob Universitäten die Chance ergreifen, sich von „Getriebenen“ politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Anforderungen (wieder) zu „Treiberinnen“ gesellschaftlicher Entwicklungen zu wandeln. Elkana und Klöpper liefern jedenfalls praktische Anregungen dafür und machen damit ihr Buch für die Entscheidungsträger an Universitäten definitiv lesenswert. Dr. Verena Aichholzer wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 50 weiterbildung Aktueller Begriff Matthias Hendrichs „Horizon 2020“ – Aufbruch zu neuen Ufern? Eine aktuelle Standortbestimmung Der über sieben Generationen verwendete Titel „Framework Programme for Research“ wird 2014 abgelöst durch „Horizon 2020 – The Framework Programme for Research and Innovation“, womit Aufbruch und weit gesteckte Ziele assoziiert werden. Gibt es wichtige Neuerungen oder verkaufen uns die Marketing-Profis alten Wein in einem neuen Schlauch? Sehr erfreulich erscheint das um rund 30 Milliarden deutlich angewachsene Budget von etwa 80 Milliarden Euro für sieben Jahre. Bei genauerer Betrachtung wird allerdings deutlich, dass dieser Zuwachs nicht primär durch eine Erhöhung des bisherigen Forschungsetats, sondern durch die Integration des Rahmenprogramms für „Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (CIP)“ in das Forschungsrahmenprogramm erreicht wird. Gleichzeitig erklärt diese Zusammenlegung die deutlich stärkere Ausrichtung vieler Förderungen auf das Zusammenspiel zwischen Forschungseinrichtungen und Industriepartnern. Das europäische Forschungsrahmenprogramm Horizon 2020 beginnt 2014. Foto: Jakob Ehrhardt/pixelio Die Zusammenarbeit mit Unternehmen wird wichtiger Dabei stehen die Kleinen und Mittelständischen Unternehmen (KMU, engl. SME) im besonderen Fokus der EU-Kommission, die ihre Forschungsförderung zukünftig noch konsequenter mit der Wirtschaftsförderung verknüpft. Jedoch schrecken gerade kleinere Unternehmen bisher vor den administrativen Hürden in EU-Projekten zurück: Das Verhältnis von Aufwand und Ertrag rechnet sich für diese Unternehmen nicht. Hier bietet sich eine enge Zusammenarbeit mit den Forschungseinrichtungen an. Denn diese verfügen inzwischen vielerorts über große Kompetenz in der Administration von EU-Projekten, die sich ein einzelner Mittelständler meist nicht leisten kann. In den letzten Jahren wurden in Deutschland an vielen Forschungseinrichtungen stabile Strukturen geschaffen, um die Wissenschaftler bei der Antragstellung zu unterstützen. Beispiele dafür sind die bundesweit aufgeteilten EU-Regionalbüros der Max-Planck-Gesellschaft oder die in Nordrhein-Westfalen mit Förderung des Wissenschaftsministeriums an Universitäten und Fachhochschulen eingerichteten EU-Büros. Hier wird neben der Beratung bei der Antragstellung meist auch die komplette Projektadministration übernommen. Solche Unterstützungsstrukturen können die Qualität der Forschung zwar nicht verbessern, entlasten die beteiligten Partner aber deutlich von administrativen Details, so dass sich die Wissenschaftler auf die Forschung und die Unternehmen auf den Transfer der Ergebnisse in die Praxis fokussieren können. Die Forschungseinrichtungen sind für die Zukunft gut beraten, das Netzwerk aus Industriepartnern – bevorzugt KMU – noch intensiver auszubauen und zu pflegen. Damit wird nicht nur die Erfolgsaussicht für zukünftige EU-Anträge deutlich erhöht, sondern auch die gesellschaftlich gewünschte Überführung von Forschungsergebnissen in die Praxis stimuliert. Weiterführende Informationen: u http://ec.europa.eu/research/horizon2020 u http://erc.europa.eu/ u http://www.kowi.de wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 Die Programmlinien werden übersichtlicher Für Horizon 2020 ist ein spezifisches Programm mit wenigen Hauptteilen geplant. Von besonderem Interesse für die Forschungseinrichtungen sind die im ersten Programmteil „Excellent Science“ integrierten Förderungen des European Research Council (ERC) sowie der Marie-CurieMaßnahmen, die mit einem geplanten Fördervolumen von 13,2 Milliarden (plus 77 Prozent) und Aktueller Begriff weiterbildung51 5,8 Milliarden Euro (plus 21 Prozent) deutlich ausgebaut werden. In diesen sehr prestigeträchtigen und lukrativen Förderformaten müssten die deutschen Forschungseinrichtungen die Anzahl und Qualität ihrer Anträge weiter steigern, um den inzwischen erreichten zweiten Platz im europaweiten Vergleich der Einwerbung von ERC-Grants zu festigen und den deutlichen Rückstand gegenüber den britischen Forschungseinrichtungen aufzuholen. Im zweiten Programmteil „Industrial Leadership“ stehen 13,8 Milliarden Euro für Industrial Technologies wie Bio-, Nano- oder Informations- und Kommunikationstechnologien sowie Materi- Dr. Matthias Hendrichs ist Leiter des Dezernats Forschungsmanagement der Universität zu Köln. altechnik zur Verfügung. Im dritten Programmteil „Social Challenges“ werden insgesamt 31,7 Milliarden Euro bereitgehalten für die Themen von hoher gesellschaftlicher Relevanz, die von Demographic Change über Health, Food Security, Clean Energy, Smart Transport bis zu Inclusive Societies reichen. Die Beteiligungsregeln werden vereinheitlicht Die komplizierte Unterscheidung zwischen verschiedenen Aktivitäts- und Organisationstypen im letzten Rahmenprogramm wird deutlich vereinfacht durch eine einheitliche Förderquote von 100 Prozent der erstattungsfähigen Kosten für die allermeisten Förderungen. Projekte mit überwiegend marktnahen Aktivitäten und von der EU kofinanzierte Projekttypen werden zukünftig mit maximal 70 Prozent der erstattungsfähigen Kosten gefördert. Ebenfalls vereinheitlicht wird die Erstattungsregel für indirekte Kosten, die zukünftig auf 20 Prozent der erstattungsfähigen Kosten festgelegt wird. Auch hier gibt es abweichende Regelungen im Einzelfall, die sich im Wesentlichen aus der Abrechnung von Leistungen der Projektpartner ergeben und den Bestimmungen des EU-Beihilferahmens entsprechen. Das leidige Thema Zeitnachweise wurde insofern vereinfacht, dass zukünftig für Personal, welches zu 100 Prozent im Projekt angestellt ist, keine Timesheets mehr ausgefüllt werden müssen, sondern eine pauschale Erklärung ausreicht. Diese begrüßenswerten Änderungen bedeuten leider nicht, dass der Detaillierungsgrad und der Umfang der Abrechnungsregeln vereinfacht werden, so dass auch zukünftig ein fast unverändert hoher formaler Aufwand mit der korrekten Administration der Projekte verbunden sein wird. Die ” Die Forschungseinrichtungen sind für die Zukunft gut beraten, das Netzwerk aus Industriepartnern – bevorzugt KMU – noch intensiver auszubauen und zu pflegen. Umstellung vieler Universitäten auf eine doppelte Buchführung und die Einführung entsprechender Planungs- und Abrechnungssysteme bietet die Möglichkeit, die Abrechnungsregeln der EU sehr exakt abzubilden, so dass die notwendigen Nachweise und Berichte unterstützt werden. Ob sich daraus zukünftig auch eine vereinfachte Abrechnung oder gar Schnittstelle mit den Industriepartnern und deren Buchhaltungssystemen ergibt, bleibt abzuwarten. Einige Details müssen noch verhandelt werden Nachdem das Europaparlament den mühsam verhandelten Vorschlag zum Finanzrahmen für die EU im März abgelehnt hat, stehen die bereits nachverhandelten Etats der einzelnen Ressorts noch einmal zur Diskussion. Es ist zu erwarten, dass die Forschungsförderung nicht von den vereinbarten Kürzungen um durchschnittlich 12 Prozent verschont bleibt. Zudem werden aktuell immer noch die Details des seit November 2011 vorliegenden Entwurfs der neuen Beteiligungsregeln verhandelt, so dass alle Aussagen zu den tatsächlichen administrativen Anforderungen in Kontakt: Horizon 2020 noch vorläufig sind. Dr. Matthias Hendrichs Dezernent Forschungsmanagement Universität zu Köln Albertus-Magnus-Platz 50937 Köln Tel.: +49 221 470 2866 E-Mail: [email protected] Ungeachtet dessen bieten sich für die Forschungseinrichtungen in Deutschland auf Grundlage der bisher aufgebauten Strukturen und verfügbaren Kompetenzen ideale Bedingungen, um frühzeitig über die Programmdetails und die Förderbedingungen in Horizon 2020 zu informieren und entsprechende Vorbereitungen mit Blick auf die ersten Ausschreibungsrunden 2014 zu treffen. wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 52 buchmarkt Barbara M. Kehm, Harald Schomburg, Ulrich Teichler (Hrsg.) Funktionswandel der Universitäten Differenzierung, Relevanzsteigerung, Internationalisierung 2012, broschiert, 562 Seiten, 45 Euro, Campus Verlag, Frankfurt, ISBN 978-3-593-39659-0 Die Hochschullandschaft steht unter einem wachsenden Druck: Steigende Studierenden- und Absolventenzahlen, die Erwartung an die Universitäten, den Praxisbezug zu erhöhen, die Konkurrenz um internationale Studierende und die Vergabe von immer mehr Forschungsgeldern fordern von den Universitäten immer mehr Profilbildung und Spezialisierung. Das Buch „Funktionswandel der Universitäten“ thematisiert den Umgang der Hochschulen mit diesen Herausforderungen: Umbau von Studiengängen, internationale Kooperation und Mobilität, neue Formen des Wissenschaftsmanagements, die veränderte Rolle der Lehre und die Beziehung zwischen Studium und Beruf. Eine sehr zu empfehlende Publikation für Entscheidungsträger und Praktiker aus der Hochschullandschaft. Barbara M. Kehm, Harald Schomburg, Ulrich Teichler (Hrsg.) Funktionswandel der Universitäten Differenzierung, Relevanzsteigerung, Internationalisierung 2012, broschiert, 562 Seiten, 45 Euro, Campus Verlag, Frankfurt, ISBN 978-3-593-39659-0 Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) (Hrsg.) Bildung auf einen Blick 2012 OECD-Indikatoren 2012, broschiert, 688 Seiten, 69 Euro, W. Bertelsmann Verlag, Bielefeld, ISBN 978-3-7639-5090-4 Philip Thelen Vergleich in der Weltgesellschaft Zur Funktion nationaler Grenzen für die Globalisierung von Wissenschaft und Politik 2011, broschiert, 376 Seiten, 32,80 Euro, Transcript Verlag, Bielefeld, ISBN: 978-3-8376-1913-3 Philip Thelen wählt Niklas Luhmanns Theorie der Weltgesellschaft als Grundstein, um empirisch und in historischer Perspektive die Funktion nationaler Grenzen für die Globalisierung von Funktionssystemen, wie beispielsweise die Wissenschaft, zu untersuchen. Laut Luhmanns Theorie sind die Grenzen von Gesellschaften durch die Unterscheidung zwischen Kommunikation und Nicht-Kommunikation eindeutig gezogen und mehrere Gesellschaften nur in vollständiger Isolation möglich. Der Autor befasst sich vor diesem Hintergrund mit der Funktion nationaler Kommunikationsgrenzen. Das Buch bietet einen komplexen Theorieüberbau, der mit empirischen Vergleichsstudien zu nationalen Wissenschafts- und Politikgrenzen und zu internationaler Politik und Wissenschaft angereichert ist. Komplizierte Thematik, die in einem sehr lesenswerten Buch aufbereitet ist. Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) (Hrsg.) Bildung auf einen Blick 2012 OECD-Indikatoren 2012, broschiert, 688 Seiten, 69 Euro, W. Bertelsmann Verlag, Bielefeld, ISBN 978-3-7639-5090-4 Jährlich veröffentlicht die OECD in „Bildung auf einen Blick“ quantitative Indikatoren, um internationale Vergleiche von Bildungssystemen in vier Themenfeldern zu ermöglichen: „Bildungsergebnisse und Bildungserträge“, „Die in Bildung investierten Finanz- und Humanressourcen“, „Bildungszugang, Bildungsbeteiligung und Bildungsverlauf“ und „Das Lernumfeld und die Organisation von Schulen“. Zusätzlich werden länderspezifische Untersuchungen durchgeführt, die dann gemeinsam mit den Indikatoren den Entscheidungsträgern als Orientierung dienen. Die jeweils aktuellsten Entwicklungen werden entsprechend umfangreicher behandelt. In diesem Jahr sind die Schwerpunkte: Auswirkungen der weltweiten Rezession auf die Bildungsausgaben, Systeme zur frühkindlichen Bildung weltweit, Mobilität zwischen den Generationen, Auswirkungen von Bildung auf makroökonomische Kennzahlen und viele andere. wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 buchmarkt53 Alexander Neumann Integrative Managementsysteme 2012, broschiert, 207 Seiten, 19,95 Euro, Springer Gabler, Berlin, ISBN 978-3-642-30896-3 Integratives Management versucht verschiedene Komponenten, wie Qualitätsmanagement oder Informationsmanagement, in ein Managementsystem zu integrieren. In diesem Buch werden die Methoden, also Controlling, Auditierung sowie integrative Unternehmensbewertung und -analyse, aber auch das wichtige Change Management beleuchtet. Die zweite Auflage der Publikation wurde hinsichtlich neuer Entwicklungen im Risiko- und Energiemanagement aktualisiert und erweitert. Zielgruppe für dieses Buch sind Studierende, aber auch Praxisbeteiligte, die einen Einblick in die Grundlage der Materie bekommen möchten. Christoph Sohn, Harald F. O. von Kortzfleisch Citizensourcing mit dem Open Policy-Making Toolset Konzept und Prototypische Umsetzung 2012, broschiert, 98 Seiten, 42 Euro, Josef Eul Verlag, Lohmar, ISBN 978-3-8441-0159-1 Band 3 der Reihe Management mediengestützter Dienstleistungsinnovationen befasst sich näher mit dem Begriff des Citizensourcing. Beim Citizensourcing integriert man das Know-how von Bürgern in die Ebene der öffentlichen Verwaltung, beispielsweise durch das Einbringen von Ideen und Lösungsvorschlägen. Zunächst werden einige grundsätzliche Konzepte, wie Open Innovation erklärt. Danach wird der aktuelle Stand von Citizensourcing in Theorie und Praxis dargelegt. Der Hauptteil des Bandes ist dem Open Policy-Making Toolset gewidmet. Der Band will CrowdsourcingKonzepte auf den öffentlichen Bereich übertragen und so eine Lücke zwischen Wissenschaft und Praxis schließen. Alexander Neumann Integrative Managementsysteme 2012, broschiert, 207 Seiten, 19,95 Euro, Springer Gabler, Berlin, ISBN 978-3-642-30896-3 Anzeige Herausgegeben von Marco Balocco, Paul Licka, Thomas Marty Das Berinfor Management-Modell für Hochschulen Ein Praxishandbuch für Führungskräfte in Universitäten, Hochschulen und weiteren Bildungs- und Forschungsinstitutionen 2012, 91 Seiten mit 19 Abbildungen, Paperback EUR 29.- / CHF 34.50 ISBN 978-3-85724-026-3 Das Berinfor Management Modell für Hochschulen liefert auf wenigen Seiten und gut verständlich einen ganzheitlichen Orientierungsrahmen, der die Besonderheiten der Hochschulwelt konzentriert zusammenfasst. Dieses Buch richtet sich insbesondere an bestehende und angehende Führungskräfte in Hochschulen, die innerhalb kurzer Zeit einen Überblick über die wichtigsten Fragen des Hochschulmanagements gewinnen wollen. Das Modell ermöglicht ihnen einerseits, ihre eigene Position im Gefüge der Institution und der relevanten Umwelt zu erkennen. Es stellt zudem eine Gedankenstütze für die Reflexion von Problemen und anstehenden Entscheidungen im Alltagsgeschehen dar. Die Autoren unterstützen Universitäten und Hochschulen bei strategischen und operativen Fragen des Hochschulmanagements sowie bei der Initiierung und Umsetzung von Veränderungsprozessen. Die Berinfor AG ist eines der wenigen Beratungsunternehmen, das seine Aktivitäten konsequent auf die Unterstützung von Hochschulen ausrichtet. www.berinfor.ch wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 54 buchmarkt www.wissenschaftsmanagement.de Impressum Geschäftsführende Herausgeber Dr. Markus Lemmens, Lemmens MedienGmbH, Bonn Prof. Dr. Ada Pellert, Deutsche Universität für Weiterbildung, Berlin Dr. Johannes Neyses, Universität zu Köln Prof. Dr. Frank Ziegele, Centrum für Hochschulentwicklung, Gütersloh, und Fachhochschule Osnabrück Herausgeberbeirat Prof. Dr. Hans-Jörg Bullinger, Fraunhofer-Gesellschaft, München Dr. iur. Dietmar Ertmann, Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Prof. Dr. Cornelius Herstatt, Technische Universität Hamburg-Harburg Prof. Dr. Péter Horváth, IPRI International Performance Research Institute gGmbH und Universität Stuttgart Dr. Volker Meyer-Guckel, Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V. Prof. Dr. Karl Heinrich Oppenländer, Ludwig-Maximilians-Universität München Prof. Dr. Hanns H. Seidler, Zentrum für Wissenschaftsmanagement e.V., Speyer Dr. Horst Soboll, Union des Industries de la Communauté Européenne (UNICE) Redaktionsleitung Markus Lemmens (verantw.) Telefon: +49 228 42137-14 E-Mail: [email protected] Redaktion Bonn Bruni Köppen Telefon: +49 228 42137-11 E-Mail: [email protected] Redaktion Berlin Gerhard Wolff, M.A. und K.Rüdiger Durth Lemmens Medien GmbH – Büro Berlin Schiffbauerdamm 40/1203 10117 Berlin Telefon: +49 30 206253-82 E-Mail: [email protected] Verlag und Anzeigen Lemmens Medien GmbH Matthias-Grünewald-Str. 1-3, 53175 Bonn Telefon: +49 228 42137-0 Telefax: +49 228 42137-29 E-Mail: [email protected] Internet: www.lemmens.de Bezugsbedingungen: Jahresabonnement (6 Ausgaben) e 114,50 inkl. MwSt. und zzgl. Versandkosten Einzelheft e 19,80 inkl. MwSt. zzgl. Versandkosten Erscheinungsweise zweimonatlich; Bestellungen über Buchhandel oder Verlag; Anzeigenpreisliste 2013; Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Das Abonnement kann mit einer dreimonatigen Frist jeweils zum Jahresende gekündigt werden. Herstellung Kössinger AG, Schierling ISSN 0947-9546 Hinweis: Wegen der besseren Lesbarkeit wird die männliche Form verwendet, welche die weibliche inkludiert. wissenschaftsmanagement 2 • märz/april • 2013 Wentland, Knie, Ruhrort, Simon, Egeln, Aschhoff, Grimpe Forschen in getrennten Welten ZEW Wirtschaftsanalysen Band 103: Konkurrierende Orientierungen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft in der Biotechnologie 2012, broschiert, 238 Seiten, 59 Euro, Nomos Verlag, Baden-Baden, ISBN: 978-3-8329-7596-8 Die Biotechnologie ist seit Jahren in Deutschland höchst medienwirksam: Reizthemen wie beispielsweise Stammzellennutzung und gentechnisch veränderte Lebensmittel, lassen Emotionen und verschiedene Moralvorstellungen in die Debatte einfließen. Die vorliegende Studie befasst sich mit den Differenzen von Grundlagenforschung und anwendungsbezogener Kommerzialisierung im Biotechnologiebereich. In vielen Fällen basieren neu auf den Markt gebrachte Produkte oder biotechnische Verfahren auf Erkenntnissen aus den öffentlich finanzierten Forschungseinrichtungen. Doch der Blick auf die reale Situation der Forschungsbeziehungen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft in der Biotechnologie zeigt oftmals: Jenseits der politischen Rhetorik, gemessen an Ergebnissen werden die hohen Erwartungen an den Technologietransfer nicht erfüllt. Baarfuss, Blum, Conrads, Flecker, Huber Brösamle, Köster, Strobel, Wick Wirksames Management in der Wissenschaft Die eigene Arbeitsgruppe erfolgreich führen 2012, broschiert, 176 Seiten, 49 Euro, Campus Verlag, Frankfurt am Main, ISBN 978-3-593-39701-6 Das klischeehafte Bild des isolierten Wissenschaftlers im Elfenbeinturm ist längst keine Realität mehr. Zusammenarbeit in Arbeits- und Forschergruppen, nationale und internationale Kooperationen sowie große Forschungseinrichtungen bestimmen den Wissenschaftsbetrieb. Für einen reibungslosen Ablauf des Forschungsprozesses mit so vielen Akteuren ist eine professionelle Führung von Nöten, die Managementinstrumente und andere Hilfsmittel richtig einzusetzen weiß. In dieser Publikation kommen verschiedene Absolventen der Helmholtz-Akademie für Führungskräfte zu Wort. Die einzelnen Beiträge sind leicht verständlich. Durch Übersichtskästen, in denen einzelne Instrumente kurz und prägnant verdeutlicht werden, sind die Inhalte einprägsam. Durchweg eine gelungene Publikation. Reiner Bröckermann Personalwirtschaft Lehr- und Übungsbuch für Human Ressource Management 2012, broschiert, 456 Seiten, 29,95 Euro, Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart, ISBN: 978-3-7910-3201-6 Dieses Lehrbuch zur Personalwirtschaft ist nicht nur ein wichtiger Begleiter für das Studium, es dient auch als Ratgeber in der Praxis. Besonders der gelungene Aufbau, der integrierte Praxisbezug und ein Aufgabenteil zur Überprüfung der Lernergebnisse zeichnen das Buch aus. In sieben Abschnitten (Grundlagen, Personalbeschaffung, Personaleinsatz, Personalbeurteilung, Entgelt, Personalführung und Personalservice) nennt der Autor zu Beginn jeweils die Leitfragen, nennt Beispiele aus der Praxis und bietet in abgegrenzten Kästen detaillierte Zusatzinformationen. Das Stichwortverzeichnis am Ende des Buches macht es dem Anwender leicht, schnell zum passenden Artikel zu gelangen. Alles in allem also ein gelungenes Lehr- und Übungsbuch, das sich an Studenten wie Personaler richtet. Luis Padberg NEUERSCHEINUNG Reihe Edition Wissenschaftsmanagement Markus Lemmens & Ann-Katrin Schröder-Kralemann Praxis Quartäre Bildung Wissenschaftliche Weiterbildung für die Wirtschaft Firmenbedarf ermitteln Hochschulen suchen Kooperation moderieren 72 Seiten, broschiert 25,00 Euro ISBN 978-3-86856-004-6 Wie können Hochschulen nachfrageorientiert in der Weiterbildung agieren? Eine Unternehmensbefragung des Stifterverbandes beantwortete diese Frage 2008 eindeutig: Diejenigen Unternehmen, die in der Weiterbildung bereits mit Hochschulen zusammenarbeiten, sind äußerst zufrieden. Die Schwierigkeiten liegen jedoch im Schritt davor, nämlich in der Anbahnung einer möglichen Kooperation hin zu passfähigen Konzepten. Mit dem Projekt Matching Workshops in der Quartären Bildung wurde (2009 – 2011) der Versuch unternommen, anhand von einigen Praxisbeispielen das Für und Wider einer Brokerfunktion zwischen Unternehmen und Hochschulen zu entwickeln und zu prüfen. Die Idee war gut: Unter einer moderierten Begleitung wurden beide Seiten – Wirtschaft und Wissenschaft – zusammengebracht. Grundlagen für ein maßgeschneidertes Weiterbildungskonzept wurden gelegt. Das Ergebnis fällt insgesamt nüchterner aus, bringt aber Erkenntnisse, wie es künftig besser werden kann. In jedem Fall sollten Hochschulen die Initiativrolle übernehmen. Mit dem Ansatz eines „beratenden Vertriebs“ können sie aus der Geschäftsfeldentwicklung der Unternehmen Anforderungen für die akademische Weiterbildung ableiten. Das ist der Schlüssel zu erfolgreichen und nachfrageorientierten Konzepten. Lemmens Medien www.lemmens.de