- Greenpeace

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- Greenpeace
04 | Dezember 2010 – Februar 2011
Endliches Grün
Weltweit werden die Wälder immer weniger. Auch der
letzte Tiefland-Urwald Europas ist in Bedrängnis.
Europa isst Afrika
Die EU fischt Westafrikas Meere leer
Tod auf Raten
Keine Zukunft nach dem Giftschlamm
act
1
Editorial
Inhalt
Liebe Leserinnen und Leser!
„Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet und der letzte
Fisch gefangen ist, werdet ihr feststellen, dass man Geld nicht essen kann.“ Ich
bin mir sicher, dass fast jeder von Ihnen diese alte indianische Prophezeiung
kennt, die seit vielen Jahren so etwas wie ein Leitspruch von Greenpeace ist.
, das Sie gerade in Händen halten, musste
Bei der Vorbereitung des aktuellen
ich an diese Prophezeiung denken. Denn in dieser Ausgabe werden alle Themen
der Weissagung berührt: In Geschichten über bedrohte Wälder, die weltweit
weniger und weniger werden. In einem Artikel über die riesigen Fangschiffe der
EU, die vor Westafrikas Küste die Gewässer leerfischen. Und schließlich die
berührende Reportage eines unserer Aktivisten aus Ungarn, wo eine giftige
Schlammflut nicht nur Dörfer, Felder und Häuser vernichtet, sondern auch
Flüsse vergiftet hat.
Der letzte Baum, der letzte Fisch, der letzte Fluss – noch sind wir nicht so weit.
Aber es werden weniger Bäume, weniger Fische und weniger saubere Flüsse.
Jahr für Jahr, Monat für Monat, Tag für Tag.
Diese Dynamik der Zerstörung aufzuhalten ist das Anliegen von Greenpeace.
Was als kleine Initiative begonnen hat, ist in bald vier Jahrzehnten zu einer der
weltweit größten Umweltschutzorganisationen herangewachsen. In dieser
Zeit gab es sensationelle, große und kleine Erfolge. Durststrecken, Rückschläge
und Tiefpunkte. Nur eines gab es nie: aufgeben, zurücklehnen, resignieren.
will Ihnen nicht nur einen Überblick über die drängendsten Umweltproble­
me, sondern auch einen Einblick in die tatkräftige Welt von Greenpeace geben.
Mit herzlichen Grüßen,
Birgit Bermann, Chefredakteurin
IMPRESSUM
Medieninhaber, Verleger und Herausgeber: Greenpeace in Zentral- und Osteuropa,
Fernkorngasse 10, 1100 Wien; Tel. 01/54 54 580, www.greenpeace.at Spendenkonto: P.S.K. 7.707.100,
www.greenpeace.at/spenden Redaktion: Birgit Bermann (Chefredak­tion), Brigitte Bach, Marco
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Jurrien Westerhof E-Mail: [email protected] Bildredaktion: Georg Mayer Artdirektion: Karin
Dreher Fotos: Greenpeace, Florian Bolka, Georg Mayer Lektorat: Johannes Payer Coverbild: ©
Aleksander Bolbot, 2010, Benutzung unter Lizenz von Shutterstock.com Anzeigen­gestaltung:
Florian Bolka Druck: Niederösterreichisches Pressehaus
erscheint viermal jährlich auf 100% Recyclingpapier. Ab einer Jahresspende von € 40 wird Ihnen
gratis zugesandt. Die nächste Ausgabe erscheint im März 2011.
06
Fotos: © GP/Georg Mayer, © GP/Juraj Rizman, © GP/René Huemer, © Christian Åslund/GP, © GP/Florian Bolka
einem Relaunch unterzogen, und ich habe als
In diesem Sinne haben wir das
Chefredakteurin die Verantwortung dafür übernommen. Das ist eine spannen­
de und mit viel Freude verbundene Aufgabe. Nun würde es mich sehr freuen,
mitteilen und
wenn Sie uns Ihre Meinung und Ihre Anregungen zum neuen
an [email protected] schreiben. Wir lesen uns!
04 In Aktion 06 Alarmstufe Rot 08 Die schleichende Katastrophe
10 Europas letzte Riesen 13 Politischer Aktivismus auf der Anklagebank 14 Im Gespräch mit Ernst Ulrich von Weizsäcker 16 Afrikas
Fisch für Europas Hunger 18 Erneuerbares Österreich 20 Mission
Ölsuche 22 Gemeinschaft der Regenbogenkrieger
14
16
10
König der Wälder: Im
polnischen Bialowieza leben die
letzten Wisente Europas
in freier Wildbahn
act
3
„So etwas habe ich noch nie getan, aber wir
müssen die gigantischen Ölbohrschiffe auf ihrer
verrückten Reise nach den letzten Tropfen Öl
unbedingt stoppen.“ Mit diesen Worten brachte
der Greenpeace-Schwimmer Ben Stewart den
Kampf gegen Tiefseebohrungen in arktischen
Gewässern auf den Punkt. Fünfzig Stunden im
eiskalten Meerwasser und hundert Stunden an
der Ankerkette der „Stena Carron“ waren das
Resümee der Blockade, die das Vordringen des
Bohrschiffes des Energiegiganten Chevron zu
einem Ölfeld westlich der schottischen Shetland­Inseln Ende September verhinderte. Bereits
einen Monat zuvor zeigten Greenpeace-Aktivis­
ten unter extremen Bedingungen ihr Durchhaltevermögen und besetzten in Grönland vierzig
Stunden lang die Ölplattform „Stena Don“ des
britischen Unternehmens Cairn Energy. Die
dreimonatige „Go beyond Oil“-Expedition des
Greenpeace-Schiffes „Esperanza“ ist erst der
­Anfang eines intensiven Protests gegen den
Raubbau der Ölindustrie in den empfindlichsten
Ökosystemen unserer Erde.
KlIma:
Erleuchtete
Botschaften
In Bodhgaya, wo Buddha vor tausenden
Jahren Erleuchtung
erlangte, wurde der
Höhepunkt der Greenpeace-Tour „Urja Kranti
Yatra“ zelebriert. Zahl­
reiche große und kleine Mönche versammelten sich vor der achtzig
Meter hohen BuddhaStatue und ließen hell
leuchtende Ballons mit
aufrüttelnden Slogans
in den dunklen Nachthimmel steigen. Die
„Urja Kranti Yatra“-Tour
führte durch zehn
Distrikte Bihars, einer
der ärmsten indischen
Bundesstaaten, um die
Menschen für erneuerbare Energien zu mobilisieren. In Bihar hat ein
Teil der Bevölkerung
noch keinen Zugang zu
Elektrizität.
4 act
Als Nestlé Mitte März erstmals mit
dem von Greenpeace produzierten
„Anti-KitKat“-Spot konfrontiert wurde,
ahnte im weltgrößten Lebensmittelkonzern wohl niemand, welche Eigendynamik eine Kampagne im Zeitalter von Web 2.0 gewinnen kann.
Die Botschaft von Palmöl aus Regenwaldzerstörung in Nestlé-Produkten
verbreitete sich in Windeseile in
sämtlichen sozialen Netzwerken und
machte „Nestlé, give the Orang Utan
a break“ zu einer der erfolgreichsten
Online-Kampagnen aller Zeiten.
Rund eine Viertelmillion Menschen
unterstützten weltweit viele weitere
Protestaktionen und erreichten somit gemeinsam, dass Nestlé auf die
Greenpeace-Forderungen einging und
künftig auf Palmöl aus Regenwaldzerstörung verzichtet.
Umweltschutz: Kampagne für eine
grüne Entwicklung Thailands
Schutz der Wälder, Stopp der Wasserverschmutzung, eine
Energierevolution und nachhaltige Landwirtschaft … die Lis­te
war umfassend, mit der Greenpeace während der „Turn the
Tide“-Tour zu einer grünen Entwicklung Thailands aufrief.
Das Flaggschiff „Rainbow Warrior“ war dafür zweieinhalb
Monate in Südostasien unterwegs und bot die perfekte
Plattform für das Wachrütteln von Politik und Bevölkerung.
Ein Vorhaben, das dank Aktionen wie der Proteste gegen die
Dreckschleuder-Fabrik Map Ta Phut (Bild) eindeutig gelang.
Fotos: © Jiri Rezac/GP, © Prashant Ravi/GP, © Sataporn Thongma/GP, © Will Rose/GP, © Paul Hilton/GP, © GP/Georg Mayer, © GP/Daniel Beltrá
Urwald: Mit Web 2.0
gegen Zerstörer Nestlé
Atom: Stopp
für Italiens
Atompläne
Nachdem italienische
Umweltschützer Alarm
geschlagen und im Kampf
gegen den geplanten
Wiedereinstieg Italiens
in die Atomenergie um
Hilfe aus Österreich gebeten hatten, setzten Greenpeace-Aktivisten im
Rahmen einer umfassenden Kampagne jede Menge Warnsignale. Mithilfe
von Sirenen, Strahlenschutzanzügen und Geigerzählern wurde die italienische Botschaft in Wien Mitte September zur atomaren Zone erklärt,
um auch die Gefahr für Österreich durch den Bau grenznaher Reaktoren
zu verdeutlichen.
Tunfisch: Protest
im Mittelmeer und
in Österreich
In Aktion
Tiefseebohrungen:
Mit der „Esperanza“ drei
Monate in Sturm und Eis
Ein einzelner Konsument kann
nichts bewegen? Und ob! Während Greenpeace-Aktivisten
im Mittelmeer friedlich gegen
die Ausrottung des gefährdeten
Blauflossentuns kämpften und
dabei von französischen Fischern
angegriffen wurden, zeigten
Greenpeace-Spender dem Handel in Österreich, was sie wirklich
wollen – nämlich ein nachhaltiges
Fischsortiment in den Supermarktregalen. Viele abgegebene
Protestcoupons brachten das
Unternehmen „Vier Diamanten“
endlich zum Umdenken und zu
einer Erweiterung seines Tunfischangebots.
Gletscherschutz:
Eis statt Öl und Gas
in Argentinien
Alles andere als frostig war die
Stimmung unter argentinischen
Umweltorganisationen, als die Regierung in Buenos Aires im Oktober
endlich ein Gesetz zum Schutz der
Gletscher erlassen hat. Dieses ist
das erfreuliche Ergebnis eines langen Kampfes von Greenpeace für
den Erhalt der größten Eismassen
Südamerikas und gegen deren Zerstörung durch die Gewinnung von
Öl, Gas und Mineralien.
act
5
Alarmstufe Rot
Mensch und Umwelt werden noch lange an den Folgen der Giftschlamm-Katastrophe
in Ungarn zu leiden haben. Auch für Greenpeace-Aktivistinnen und -Aktivisten mit langer
Erfahrung war der Einsatz ein zutiefst verstörendes Erlebnis. Bernd Schaudinnus erzählt,
was er dort gesehen hat und nicht wieder vergessen wird.
Apokalyptische Bilder aus den betroffenen Dörfern im westlichen Ungarn. 40
Quadratkilometer Land wurden unter
einer giftigen Schlammlawine begraben,
neun Menschen starben. Die Bevölkerung steht vor dem Nichts, die Umwelt
ist für viele Jahre schwer geschädigt.
Ein normales Leben ist hier nicht mehr
möglich.
Analyse des
Giftschlamms
Hochgiftige Schadstoffe
gefährden Mensch und
Umwelt – für lange Zeit.
Greenpeace hat sofort nach der
Katastrophe Proben des Giftschlamms
gesammelt und analysieren lassen. Die
Ergebnisse sind alarmierend, gefunden wurden unerwartet hohe Schadstoffmengen. Vor allem Arsen stellt ein
Problem dar, zusätzlich wurden
bedenkliche Mengen Quecksilber,
Cadmium und Nickel nachgewiesen.
Arsen und Quecksilber sind hochgiftig
und können das Nervensystem schädigen. Cadmium, ebenfalls hochgiftig,
steht wie Arsen im Verdacht, krebserregend zu sein. Nickel ist ein bekanntes Allergen. Diese Schadstoffe können ins Trinkwasser gelangen und sich
in der Nahrungskette anreichern. Die
Korngrößenanalyse des Schlamms
ergab, dass er zu 70 Prozent aus Teilchen besteht, die kleiner als 0,002 Millimeter sind. Trocknet er, können große Mengen Ultrafeinstaub entstehen. Dieser führt zu einer erhöhten
Infektionsgefahr der Atemwege und
kann Lungenerkrankungen verursachen. Greenpeace fordert von den Behörden, laufend Boden-, Wasser- und
Luftproben genauestens zu untersuchen und anhand der Ergebnisse wirksame Maßnahmen zum Schutz von
Bevölkerung und Umwelt zu setzen!
Greenpeace sammelte unmittelbar nach
der Katastrophe am Ort des Geschehens
Schlammproben und gab die Ergebnisse
umgehend an die Öffentlichkeit weiter.
Von den Behörden, der Regierung oder
der verantwortlichen Firma wurden keine
brauchbaren Informationen über das wahre
Ausmaß des Giftunfalls zur Verfügung
gestellt.
6 act
Fotos: © GP/Peter Somogyi-Tóth (2), © GP/Waltraud Holzfeind (3), © GP/Bernd Schaudinnus (2)
Das ist Drin
im schlamm
Am 4. Oktober überrollte eine
Giftlawine die Orte Kolontar und
Devecser in Ungarn. Der Damm ei­
ner Aluminiumoxidfabrik war ge­
brochen und knapp eine Million Ku­
bikmeter giftiger Bauxitschlamm
wälzte sich durch vier Ortschaften.
Diese Information zu erhalten und
sofort zu handeln ist beste Green­
peace-Tradition – wir nennen das
„rapid response“. Alle anderen Din­
ge müssen zurückgestellt werden,
und das gesamte Büro arbeitet in
eine gemeinsame Richtung.
Meine Kollegin Waltraud Holz­
feind und ich brechen sofort nach
Ungarn auf, um Recherchen zu ma­
chen, Proben zu nehmen sowie die
Situation vor Ort zu beurteilen.
Was uns dort erwartet, lässt sich
kaum beschreiben: Roter, ätzender
Schlamm bedeckt alles – Straßen,
Häuserwände und Gärten. Er ist
in die Wohnungen eingedrungen,
durch die zerborstenen Fenster­
scheiben und Türen hindurch. Die
Innenhöfe – ein Chaos aus Schlamm
und Hausrat. Dazwischen Men­
schen, die versuchen, mit bloßen
Händen noch etwas zu retten – ein
Heiligenbild, ein paar Topfpflanzen,
Spielzeug.
Viele Häuser sind schon verlassen,
als wir eintreffen, die Bewohner ent­
weder im Krankenhaus oder im
Nachbarort im Gymnasium notdürf­
tig untergebracht. Neun Menschen
sind bei der Katastrophe gestorben
(ertrunken oder vom ätzenden
Schlamm regelrecht verbrannt wor­
den). 120 müssen sich noch Tage da­
nach im Krankenhaus behandeln
lassen. Überall ist Polizei und Militär
aufmarschiert, die Rettungskräfte
sind im Dauereinsatz. Wir gehen mit
Schutzausrüstung durch Kolontar
und sehen fassungslos die furchtba­
re Zerstörung, die über den Ort her­
eingebrochen ist. Zwei Meter hoch
sind die roten Markierungen an den
Häusern, die die Schlammwelle hin­
terlassen hat. Ihre Gewalt war so
stark, dass sogar Metallzäune und
Mauern umgestoßen worden sind
und Autos wie Spielzeug in der Land­
schaft herumliegen.
Wir beginnen mit unserer Arbeit:
Fotodokumentation, mit den Ein­
wohnern und Hilfskräften reden
und Proben nehmen, um sie in Wien
untersuchen zu lassen (siehe Kasten). Denn sowohl die Behörden als
auch die für die Katastrophe verant­
wortliche Firma MAL stellen keine
Daten zur Verfügung, und die Be­
völkerung bleibt im Unklaren dar­
über, wie giftig der Schlamm wirk­
lich ist, der sie überrollt hat. Es dau­
ert noch zwei Tage, bis darüber Klar­
heit herrscht – weil Greenpeace die
Analyse der gesammelten Proben
sofort an die Öffentlichkeit weiter­
gibt. Das Ergebnis sind hohe Arsen­
werte, Cadmium, Blei, Quecksilber
und Chrom, um nur einige zu nen­
nen. Starke Umweltgifte, die sich in
der Nahrungskette anreichern. Vor
Ort messen wir noch den pH-Wert
des Schlamms und stellen fest, dass
es eine sehr starke Lauge ist – Nat­
ronlauge, mit einem pH-Wert von
14! Uns beobachten nicht nur die
Bewohner und Hilfskräfte, sondern
auch viele Medienvertreter aus ganz
Europa. Sie alle warten auf Resulta­
te, die die Behörden nicht und nicht
liefern. Schon allein unsere pH-Mes­
sung erregt die Menschen sehr,
denn plötzlich ist ihnen die Gefahr,
in der sie sich befinden, wesentlich
klarer.
Langsames Sterben
Was mich aber am meisten betrof­
fen macht, so merkwürdig es auch
klingen mag, ist das leise, unauf­
haltsame Sterben um mich herum.
Die stark ätzende Lauge frisst sich
langsam in den Boden, zerstört alles
tierische und pflanzliche Leben,
macht aus Holz und Wurzeln einen
mürben Brei, kontaminiert den Bo­
den auf lange, lange Zeit. Ich stehe
auf der Straße und blicke in den al­
ten Park von Devecser. Ein unglaub­
lich schöner Anblick. Goldenes
Herbstlaub auf uralten Bäumen, ein
schmaler Weg, unberührt von
menschlichen Spuren. Aber es
herrscht völlige Stille im Park, kein
Tier, kein Mensch, nicht einmal ein
Vogel ist zu hören. Keine Schaufel
rührt sich, kein Bagger, der den
knietiefen roten Schlamm beiseite­
schiebt. Der ganze Boden des klei­
nen Waldes ist vom roten Schlamm
bedeckt. Der Wald steht da, in ­seiner
herbstlichen Pracht, und ist doch
schon tot, es wird keinen Frühling
für ihn geben. So wie es auch in den
Gärten und Feldern rund um Kolon­
tar und Devecser keinen Frühling
geben wird. Dieser Anblick hat mich
tief getroffen, und die Bilder sind
in meinem Gedächtnis eingebrannt,
so wie viele Bilder der Umweltzer­
störung, die ich schon gesehen habe.
Menschliches Leid und die Zerstö­
rung unseres Lebensraumes wegen
der kleinlichen, verantwortungs­
losen Geldgier einiger weniger. An
solchen Tagen weiß ich genau,
­warum ich bei Greenpeace arbeite
und warum es sich lohnt, gegen
­diese Umweltzerstörungen anzu­
kämpfen. n
act
7
Die schleichende
Katastrophe
2011 hat die UNO zum
Jahr der Wälder ernannt.
Das ist dringend geboten,
denn die weltweite
Waldfläche nimmt rapide
ab. Alle zwei Sekunden
geht Wald in der Größe
eines Fußballfeldes
endgültig verloren.
Von Birgit Bermann
Greenpeace mit
Kampagnen und
Aktionen für bedrohte
Wälder vor Ort aktiv
8 act
1,8 Milliarden Menschen sind die Wälder
Lebensraum und Lebensgrundlage glei­
chermaßen. Und zu guter Letzt bedeutet
Klimaschutz Waldschutz. Ein Fünftel (!)
der weltweiten Emissionen geht durch die
Freisetzung des in Wäldern gespeicherten
Kohlenstoffs auf das Konto der Waldzer­
störung – mehr als der gesamte Verkehrs­
sektor zusammen. Die beiden großen Tro­
penwaldvernichter Brasilien und Indonesi­
en hat der Raubbau an ihren grünen Schatz­
kammern schon an die Spitze der weltweit
größten Klimasünder katapultiert.
Rettungsanker Schutzgebiete
Der Stopp der Abholzung und eine nach­
haltige Waldnutzung sind Ziele, für die sich
Greenpeace an vielen Schauplätzen der Welt
einsetzt (siehe Grafik). Und vor allem die
­Bewahrung noch intakter Wälder durch
Schutzgebiete – denn was einmal verloren
ist, kann nur mit großem Aufwand wieder
rekonstruiert werden. Zwar führen Wieder­
aufforstungsprogramme in Teilen Asiens
wieder zu einer Zunahme der Wälder, aber
er wächst nur in der Fläche, nicht in der Sub­
stanz. Bei Tropenwäldern ist der Verlust
noch dramatischer. Sie sind wesentlich ar­
tenreicher als normale Wälder und spei­
chern ein Vielfaches mehr an Kohlenstoff.
Nur acht Prozent der intakten Waldfläche
stehen weltweit unter Schutz. Greenpeace
kämpft dafür, dass es jedes Jahr mehr wer­
den. Denn sonst heißt es schon bald:
GREEN OVER für unseren Planeten. n
Noch intakter Waldbestand, Urwälder
Intakte Wälder unter
500 km2, nicht intakte
Wälder und Forste
Amazonas
Der Amazonas ist so groß wie
die USA. 78 Millionen Hektar
wurden bereits zerstört, größtenteils, um Weideland für 63
Millionen Rinder zu schaffen und
um Soja anzubauen. 20 Millionen
Menschen, viele davon Indigene,
sind durch die Urwaldzerstörung in ihrer Existenz bedroht.
Greenpeace kämpft seit vielen
Jahren für den Amazonas – mit
wichtigen Etappensiegen. Die
vier größten brasilianischen
Rinderfirmen haben sich
verpflichtet, dem Amazonas
kein zusätzliches Weideland
abzuringen. Rodungen für den
Sojaanbau konnten ebenfalls
zurückgedrängt werden.
Fotos: © GP/Rodrigo Baléia, © GP/Jiro Ose, © GP/Natalie Behring-Chisholm
Ödnis, so weit das Auge reicht.
Sattes, dichtes Grün ist einem leeren
Braun-Schwarz gewichen. Statt einer le­
bendigen Geräuschkulisse herrscht Toten­
stille. Wenn die Baggerkommandos in
den tropischen Regenwäldern der Welt
auffahren, dann ist das dortige Leben der
­Vernichtung preisgegeben. Der „Gewinn“
­solcher Zerstörung ist Weideland für
­Rinderfarmen, neuer Platz für Soja- und
Palmölplantagen oder Tropenholz, das als
besonders robustes Gartenmöbel in unse­
ren Baumärkten landet. Dieses Szenario
findet am Amazonas, in Indonesien und
im Kongo Tag für Tag und Stunde um
Stunde statt. Und das in rasendem Tempo.
Alle zwei Sekunden wird Wald von der Grö­
ße eines Fußballfeldes vernichtet. Wenn
die Zerstörung so weitergeht, dann sind
die tropischen Regenwälder schon in 100
Jahren nur mehr Geschichte.
Insgesamt verliert der Planet 13 Millio­
nen Hektar Wald pro Jahr, so viel wie die
Fläche Griechenlands. In den letzten bei­
den Jahrhunderten ist die Hälfte des ge­
samten Waldbestandes verloren gegangen.
Die heutigen Wälder sind also fast nur
mehr Restbestände, dabei sind sie für das
Leben auf dem Planeten unverzichtbar.
Wälder aller Vegetationen reinigen Was­
ser, regulieren die Temperatur, bilden
Schutz vor Erosionen, Überschwemmun­
gen und Lawinen und filtern die Luft. Sie
beherbergen einen unermesslichen Reich­
tum an Tier- und Pflanzenarten, und für
Greenpeace Länderbüros mit nationalen
Wald-Kampagnen auf
Konsumenten-Ebene.
Für den internationalen
Waldschutz arbeiten
weltweit alle Greenpeace-Büros.
Kongo
86 Millionen Quadratmeter
umfasst der afrikanische Urwald,
der größte Teil liegt im Kongo. Industrieller Holzeinschlag bedroht
den zweitgrößten Urwald der
Welt massiv. Die Holzkonzerne­
profitieren von einer durch
lange Bürgerkriege ausgehöhlten
staatlichen Struktur. Bewohner
werden für ihre Landrechte mit
Salz und Bier abgespeist, bei Widerstand wird mit purer Gewalt
reagiert. Kongo-Hölzer werden
zu einem großen Teil in die EU
exportiert. Greenpeace kämpft
vor Ort und international gegen
den brutalen Kahlschlag.
Indonesien
Nirgendwo wird der Urwald
mit 51 Quadratkilometern pro
Stunde so schnell vernichtet
wie in Indonesien – zumeist für
Palmölplantagen. Palmöl wird als
pflanzliches Fett in Lebensmitteln
und Kosmetika verarbeitet. Der
Lebensraum zahlreicher Arten
gerät schwer in Bedrängnis,
die Orang-Utan-Population ist
dramatisch dezimiert. Zudem ist
im Torfboden des indonesischen
Regenwaldes zehnmal mehr
Kohlenstoff gespeichert als in
anderen Urwäldern. Greenpeace
konnte internationale Konzerne
dazu bewegen, ihre Verträge mit
dem größten Palmölproduzenten Sinar Mas zu kündigen.
Wälder vor 8.000 Jahren
act
9
Bialowieza ist mit seinem jahrhundertealten Baumbestand und
seiner einzigartigen Fauna ein Relikt
aus alter Zeit. Hier tummeln sich die
letzten
freilebenden Wisente Europas,
Verwandte des amerikanischen
Bisons. Greenpeace will deren
Lebensraum retten und den letzten
Tiefland-Urwald des Alten Kontinents bewahren.
Europas letzte Riesen
Es ist eine Vorstellung, die viel
Fantasie beansprucht. Man stelle
sich vor: ganz Europa ein einziger
Wald. Ein imaginärer Blick aus dem
Fenster: alles voll Bäume. Wien,
­Paris, Berlin und Rom: ein Urwald,
wild, geheimnisvoll, undurchdring­
lich und märchenhaft. So hat Europa
vor tausenden Jahren ausgesehen –
ein durchgängiges Waldgebiet von
der Atlantikküste bis zum Uralgebir­
ge, vom Polarkreis bis nach Sizilien.
Bevölkert von Lebewesen, von de­
nen viele heute schon nicht mehr
existieren.
Seitdem ist viel geschehen. Der
Urwald verschwand, die Zivilisation
forderte ihren Raum, und auch wenn
wir heute in Europa noch Waldflä­
chen haben – mit diesem Ur-Urwald
haben sie nur mehr sehr wenig zu
tun. Menschenhand hat eingegriffen
und die Ökosysteme verändert,
Wildtiere wurden ausgerottet, und
Wälder haben sich in Forste verwan­
delt – mancherorts noch immer ein­
drucksvoll, aber natürlich nicht in
dem Maße ursprünglich und unbe­
rührt wie früher.
Im Nordosten Polens allerdings
hat noch ein kleiner Rest von diesem
10 act
Urwald überlebt. Bialowieza ist das
Fenster zum alten Europa, der letzte
Tiefland-Urwald des Kontinents. Als
solcher ist er ein Museum – aber
­voller Leben. Der Wald, der sich
auch großflächig ins benachbarte
Weißrussland erstreckt, beherbergt
20.000 Tier- und 5.500 Pflanzen­
arten, darunter viele, die im restli­
chen Europa bereits stark dezimiert
oder ausgerottet sind, sowie viele en­
demische Arten. Hier streifen einige
hundert Exemplare des europäi­
schen Bisons, Wisente genannt,
durch die Wildnis – die letzten, die in
Europa noch in freier Wildbahn exis­
tieren. Wölfe, Luchse und Elche ha­
ben in Bialowieza ebenso ihr Refugi­
um gefunden wie eine Vielzahl selte­
ner Vögel, die das Herz jedes Orni­
thologen zum Rasen bringen. Doch
nicht genug der Superlative: Hier ra­
gen Europas letzte Riesen in den
Himmel – Bäume, die bis zu 60 Me­
ter hoch sind, einen Durchmesser
von 1,80 Metern aufweisen und ein
Alter von über 600 Jahren haben.
„Es ist beeindruckend, weil man
weiß, man ist an einem der letzten
wirklich wilden Flecken dieser Erde“,
erzählt Iwo Los, Kampaigner im
Greenpeace-Büro in Polen. „Am meis­
ten hat mich anfangs die Unordnung
überrascht“, berichtet er über seine
Eindrücke von diesem besonderen
Ort. In Bialowieza herrscht nicht von
Menschenhand geschaffene Struk­
tur, die wir von unseren Wäldern ge­
wohnt sind, sondern wilde Ordnung.
Umgestürzte Bäume bleiben liegen,
wie sie gefallen sind, und liefern in
ihrem Zersetzungsprozess die Basis
für einen neuen, fruchtbaren Le­
benszyklus im Wald. Moose und
Flechten überziehen das Wurzel­
werk, und tausende Pilzarten wach­
sen auf dem Waldboden. Und auch
der Geräuschpegel in Bialowieza ist
so, wie man es sich von einem leben­
digen und vor allem ungestörten
Wald ­erwarten würde: hoch – viele
Lebe­wesen machen viele Laute.
Paradies in Gefahr
Doch wie könnte es anders sein:
Auch dieses allerletzte Stück unbe­
rührter Wildnis ist bedroht. Nur 17
Prozent des polnischen Anteils an
Bialowieza stehen als Naturpark und
UNESCO-Welterbe unter strengem
Schutz. Diese Kernzone kann man
nur auf einigen schmalen Pfaden
© Heinrich Seul/GP, © Gordon Welters/GP, © GP/Juraj Rizman, ©GP/Janusz Korbel
Im Nordosten Polens steht Europas letzter Urwald. Seltene Wildtiere
und endemische Pflanzen leben hier in einem Ökosystem, in dem
nur ein Lebewesen fehl am Platz ist: der Mensch. Von Birgit Bermann
act
11
12 act
polnischen Anteils an Bialowieza die
zweite Kernforderung jener, die den
Wald beschützen und in seiner Ein­
zigartigkeit erhalten wollen – mit
Greenpeace an vorderster Front. Da­
bei kommt besonders aus der Bevöl­
kerung der umliegenden Dörfer teils
enormer Widerstand. Sie wollen eine
Ausweitung des Parks verhindern,
da sie befürchten, ihre Jobs in der
Forstbewirtschaftung zu verlieren
und von den Erträgen des Waldes
abgeschnitten zu werden. Neue Kon­
zepte wie ein nachhaltiger Touris­
mus in der Region und die Zusiche­
rung, den Wald in verträglichem
Rahmen weiter nützen zu können,
stießen bisher auf wenig Gegenliebe.
Doch Bialowieza besetzt in Polen
längst nicht mehr den Rang eines Re­
gionalthemas. In Umfragen spricht
sich die Mehrheit der Bevölkerung
für einen strengen Schutz des einzig­
artigen Naturwunders aus. Auch der
polnische Umweltminister Andrzej
Kraszewski kommt um das Thema
­Bialowieza immer weniger herum. Im
August hat Greenpeace sich dazu ent­
schlossen, seinen Forderungen mit­
tels Aktionen mehr Nachdruck zu
verleihen, und einen riesigen Banner
an der Fassade des Umweltministeri­
ums angebracht.
Etappensiege
Die Maßnahme zeigte Wirkung:
Kraszewski sagte zu, die Schlägerun­
gen bis zum Ende der Vogelbrutsai­
son auszusetzen und die künftige
Abholzungsquote auf 80.000 Kubik­
meter festzulegen – eine weitere
Etappe, aber noch lange kein Sieg im
Kampf um den Schutz von Bialo­
wieza. Greenpeace wird in den kom­
menden Monaten jedenfalls beson­
ders wachsame Augen auf den polni­
schen Umweltminister und seine
Zusagen werfen. Bis es so weit ist
und durch hartnäckige Umwelt­
schutzarbeit erreicht ist, dass der
ganze Wald unter strengen Schutz
gestellt wird, müssen sich die Könige
von Bialowieza, die Wisente, immer
tiefer in die Kernzone zurückziehen.
Denn auch wenn sie fast eine Tonne
wiegen und eine Schulterhöhe von
1,80 Metern erreichen – Wisente
sind äußerst scheue Waldbewohner.
Und das Areal des streng geschütz­
ten Teils von Bialowieza ist mit rund
10.000 Hektar nicht gerade groß zu
nennen angesichts der Tatsache,
dass hunderte dieser mächtigen Le­
bewesen samt anderen Wildtieren
wie Wölfen oder Luchsen dort Platz
finden müssen. In den 20er-Jahren
des letzten Jahrhunderts war das
größte Landsäugetier Europas schon
einmal ausgerottet. Ein aufwändiges
Zuchtprogramm hat die Wisente in
Bialowieza wieder heimisch werden
lassen. Bedrängt man sie in ihrem
letzten Refugium, dann hat Europa
sein Fenster zur alten Zeit endgültig
­geschlossen. n
Fotos: ©Stevi Panayiotaki/GP (3)
Eine lebendige Demokratie braucht eine starke, engagierte Zivilgesellschaft. Doch die wird durch
bedenkliche Gesetzesanwendungen in Bedrängnis gebracht. Von Philipp Strohm
Fotos: © Karol Grygoruk/GP, ©GP/Janusz Korbel (2)
und mit Sondergenehmigung ausge­
stattet betreten. Eingegriffen wird
hier nur, wenn ein umgestürzter
Baum den Weg versperrt (und auch
dabei müssen Motorsäge oder ande­
re zivilisatorische Hilfsmittel drau­
ßen bleiben). Mehr Eingriff ist hier
streng verboten.
Im restlichen Gebiet werden je­
doch Schlägerungen für kommer­
zielle Zwecke vorgenommen. Erst
seit acht Jahrzehnten bedient sich
der Mensch Bialowiezas, davor war
es jahrhundertelang als privates
Jagdrevier der polnischen Könige
und später der russischen Zaren zu
einem großen Teil vor dem Zugriff
der Menschen geschützt. Die letzten
Jahrzehnte haben Bialowieza aller­
dings schon spürbar zugesetzt. Die
uralten Baumbestände könnten be­
reits in zehn Jahren verschwunden
sein. Beim Weißrückenspecht oder
dem Dreizehenspecht werden schon
Rückgänge gemessen. „Das sind so­
genannte bezeichnende Arten.
Wenn diese Populationen zurück­
gehen, weiß man, dass etwas mit
dem Ökosystem nicht stimmt“, er­
läutert Iwo.
Streitfrage Abholzung
Pro Jahr werden aus Bialowieza
derzeit rund 110.000 Kubikmeter
Holz für kommerzielle Zwecke aus
dem Wald geholt – von den staatli­
chen Forstbetrieben, die direkt dem
polnischen Umweltminister unter­
stehen. Zu viel, sagen Wissenschaft­
ler und Umweltschützer, die die
Höchstrate an Schlägerungen, die
der Wald verkraften kann, mit
30.000 Kubikmeter festgesetzt ha­
ben. Der seit langem hitzig debat­
tierten Abholzungsrate fehlt es da­
bei nicht an Absurdität. Denn die
110.000 Kubikmeter aus Bialowieza
entsprechen nur rund 0,04 Prozent
der polnischen Holzproduktion.
Man könnte also die Bäume im Ur­
wald stehen lassen und den Entgang
leicht mit Forstwäldern kompensie­
ren. „Hier zu schlägern ist ungefähr
so, als würde man am Königsschloss
in Warschau Ziegelsteine entneh­
men, um damit neue Häuser zu bau­
en“, kommentiert Bogdan Jarosze­
wicz, Direktor des geobotanischen
Instituts in Bialowieza und altge­
dienter Kämpfer für den Wald, die
Debatte.
Neben der Quote für die Waldnut­
zung ist die Ausdehnung des Natur­
parks auf das gesamte Gebiet des
Politischer Aktivismus
auf der Anklagebank
Klettern für die Bäume: Die GreenpeaceAktion an der Fassade des polnischen
Umweltministeriums zeigte sofortige Wirkung,
die Abholzungen wurden vorübergehend
ausgesetzt. Für das einzigartige Ökosystem in
Bialowieza sind die derzeitigen Quoten für
den Holzeinschlag viel zu hoch angesetzt, bei
speziellen Vogelpopulationen wurden bereits
Rückgänge gemessen. Eine Ausweitung des
streng geschützten Nationalparks auf das
gesamte Areal des polnischen Teils von Bialo­
wieza würde den bedrängten Arten den Raum
geben, den sie brauchen.
Der Prozess gegen zwei japanische Greenpeace-Aktivisten ließ die Zivilgesellschaft nicht kalt – eine weltweite Protestwelle war die Antwort.
In Japan wurden vor kurzem
zwei Greenpeace-Aktivisten verur­
teilt. Ihr Verbrechen? Sie hatten aus
einer Lagerhalle Walfleisch entwen­
det und es als Beweismaterial an die
Behörden übergeben. Sie deckten da­
mit einen ungeheuerlichen Korrupti­
onsskandal innerhalb der japani­
schen Walfangflotte auf: Deren Mit­
arbeiter hatten Walfleisch auf dem
Schwarzmarkt verkauft, obwohl doch
angeblich nur aus wissenschaftlichen
Gründen gejagt wird. Es folgten Er­
mittlungen, doch nicht gegen die
Walfänger. Plötzlich fanden sich un­
sere beiden Kollegen auf der Anklage­
bank wieder. Aus dem Sicherstellen
von Beweismaterial war Diebstahl ge­
worden – das Ergebnis eines politisch
motivierten Verfahrens.
Auch in Europa ist das Recht auf
Widerstand aus der Zivilgesellschaft
keineswegs in Stein gemeißelt. 2009
wurden in Dänemark die „Red Carpet
Activists“ festgenommen. Beim Kli­
magipfel in Kopenhagen gelang es
den vier Greenpeace-Aktivisten, auf
den roten Teppich der politischen
Prominenz vorzudringen und dort
ihre Botschaft auf einem Banner in
die Kameras der internationalen
Presse zu halten. Sie wurden ohne
konkrete Anklage für 20 Tage in Un­
tersuchungshaft festgehalten und
warten seither auf eine Entscheidung
der Gerichte.
Auch in Österreich ist einiges in
Schieflage. Hier ist der Mafiaparagraf
278a Thema. Er wurde bekannt durch
den Tierschützer-Prozess, der seit
über einem halben Jahr läuft. Der Pa­
ragraf behandelt eigentlich die „Bil­
dung einer kriminellen Organisati­
on“, doch für eine Anwendung reicht
die bloße Unterstellung der Bildung
einer solchen bereits aus, schon dür­
fen die Ermittler das gesamte Arsenal
an Überwachungsmethoden abfeu­
ern. In einer solchen Situation wäre
Greenpeace nahezu handlungsunfä­
hig, und Kampagnen gegen Atom­
kraftbetreiber wären nur noch schwer
durchführbar. Paragraf 278a kann
­also missbraucht werden, um Wider­
stand aus der Bevölkerung mundtot
zu machen.
Die Liste der Kritiker am Mafiapa­
ragrafen ist lang. Amnesty Interna­
tional, die Rechtsanwaltskammer
und der ÖGB sind nur einige davon,
elf weitere NGOs kämpfen zusam­
men mit Greenpeace für eine Reform.
Doch die Politik und insbesondere die
ÖVP mauert: Die Terrorgefahr mache
besondere Maßnahmen nötig, und
wer nichts zu verbergen habe, habe
auch nichts zu befürchten, so der
­Tenor.
Welcher Terror?
Seit dem 11. September 2001 wird
mit der Angst vor Terror Politik ge­
macht – und Angst ist quasi der Tur­
bo der Sicherheitsgesetze. Fakt ist je­
doch, dass Terroristen kein weiterer
Flugzeuganschlag gelungen ist, und
auch das Trinkwasser wurde nicht
mit Anthrax verseucht – zum Glück.
Was aber verseucht wurde, ist die Ge­
setzgebung in den westlichen Demo­
kratien. Und mit jedem neuen Sicher­
heitsgesetz kommt der Terrorismus
seinem Ziel wieder ein Stück näher:
der Beschädigung unseres demokra­
tischen Verständnisses. Und dafür
brauchen die Bin Ladens dieser Welt
wenig zu tun. Parteien wie die ÖVP
positionieren sich als Ritter der Si­
cherheit und machen sich damit un­
gewollt zum braven Erfüllungsgehil­
fen demokratiefeindlicher Kräfte.
Doch das ist nur eine Seite. Es
lohnt ein genauerer Blick: Wer könn­
te denn noch Interesse an überzoge­
nen Sicherheitsgesetzen haben, die
dann missbräuchlich gegen zivile
Gruppen eingesetzt werden können?
Es sind die Betreiber von Atomkraft­
werken, die Greenpeace handlungs­
unfähig sehen wollen, die Fleisch­
industrie hätte den Tierschutz gerne
mundtot, und der Kampf gegen Kin­
derarbeit hat schon so manchem Be­
kleidungsunternehmen seinen Ruf
gekostet. Solche Unternehmen sind
gut vernetzt in der Politik, und so
wird die Angst vor dem Terrorismus
dazu genutzt, um Überwachungs­
möglichkeiten auszubauen. Zum
Schutz der Bevölkerung vor Terroris­
mus, sagt die Politik. Zum Schutz der
Unternehmen vor Kritik, freut sich
die Industrie. n
Infos zur
Kampagne
für eine Reform
von 278 StGB
auf:
www.demokratieretten.at
act
13
„Wir haben allen
Grund zu einer
Kehrtwende“
tiert, aber effizient und innovativ. Die bei­
den letzten Aspekte will ich hinüber­
retten. Die Sozialverpflichtung, der Kli­
maschutz, die Langfristigkeit, das kann
nur vom Staat kommen. Was ich mir vor­
stelle, ist eine staatliche, möglichst auch
überstaatliche Politik der sozial verträgli­
chen, schrittweisen und langfristigen Er­
höhung der Preise für Naturverbrauch.
Das dient der Abkopplung des Bruttoso­
zialprodukts (BSP) vom Ressourcenver­
brauch. Die ist noch gar nicht geschafft.
Denn heute gilt: je höher das BSP pro
Kopf, desto höher die CO2-Emissionen. In
dieser Lage von den Völkern zu erwarten,
dass sie CO2 einsparen, ist gleichbedeu­
tend mit Wohlstand einsparen. Das ma­
chen die natürlich nicht.
Lösungen statt düsterer Prognosen:
traf den Naturwissenschaftler,
Autor und international
anerkannten Vordenker
Ernst Ulrich von Weizsäcker
zum Gespräch.
Wie entkoppeln wir Wachstum und
Wohlstand?
Interview Birgit BermanN
Wie vorhin gesagt ist eine Verfünffachung
des Wohlergehens-Outputs pro Ressour­
cen-Input technisch überhaupt kein
­Pro­blem! Das scheitert nicht an der Tech­
nologie. Es scheitert an den ökonomi­
schen Randbedingungen. Energie und
Rohstoffe sind so billig, dass die Ver­
schwendung ökonomisch attraktiver ist
als die Effizienz.
druss und zu Krankheiten führt. Unsere
Ökonomie ist ja sehr umsatzmaximierend
angelegt und nicht wohlergehensmaxi­
mierend. Bis sich eine Alternative zum
Bruttosozialprodukt durchgesetzt hat, das
kann noch sehr lange dauern. Mit Aus­
nahme des Königreiches Bhutan kenne
ich keinen Staat, der auch nur ernsthaft
versucht hat, einen anderen Messwert zu
etablieren.
Sehen Sie uns derzeit als Gesellschaft
auf dem richtigen Weg?
Ich sehe in der jungen Generation, auch in
Amerika oder China, positive Zeichen.
Die Menschheit ist nicht generell daran
interessiert, ins Verderben zu rennen.
Aber die Politik ist durch die Globalisie­
rung geschwächt worden: Der Markt ist
heute weltweit, und Staat und Recht blie­
ben national. Jetzt darf man dreimal ra­
ten, wer gewinnt – natürlich der Markt.
Ein Staat, der versucht, an den Weltmarkt­
kräften vorbei hohe Steuern für Soziales
und Umwelt aufrechtzuerhalten, wird
böse bestraft. Immer wieder gewinnen die
Frechlinge, die in Rechts- oder Steuer­
oasen ausweichen, wo man für seine
Schandtaten nicht bestraft wird. Und
dann importieren wir die dort produzier­
nur können. Ich bin zu dem Ergebnis ge­
kommen, dass Europa gar nichts anderes
übrig bleibt, als Klimapolitik zunächst zu­
sammen mit den Asiaten und den Ent­
wicklungsländern zu machen. Die Ameri­
kaner sind noch nicht so weit – und darauf
sind sie sogar noch stolz. Die Idee, einen
europäisch-asiatischen Pionierweg in die
Realpolitik zu überführen, hängt wieder
mit dem Faktor fünf zusammen. Wenn
Europäer und Asiaten die technologische
Entwicklung in diese Richtung mit einer
ökologischen Preispolitik anstacheln und
rentabel machen, wäre das glänzend für
die europäischen und asiatischen Wirt­
schaften, und es wäre gut fürs Klima. Wir
wären dann die Ersten, die die ineffizien­
ten Dinosauriertechnologien ausmustern.
Die überlassen wir getrost den Amerika­
nern mit ihrer verschwenderischen Le­
bensweise. Irgendwann wird sogar der
US-Senat merken, dass Europa und Asien
schlauer waren.
Wir brauchen also Ihrer Meinung nach
einen starken Staat, der die Regeln durchsetzt. Und engagierte Bürger, die sich in
Genügsamkeit üben. Wie wichtig ist eine
Organisation wie Greenpeace?
Solche Organisationen sind sehr wichtig,
Fünfmal so viel gewonnene Produkti­
vität aus unseren Ressourcen – das ist laut
Ernst Ulrich von Weizsäcker der Schlüssel
zur Lösung der drängendsten Umweltpro­
bleme wie Klimawandel und der Raubbau
an unseren Ressourcen. Wie das funktio­
niert, hat der Experte für nachhaltiges
Wirtschaften in seinem neuen Buch „Fak­
tor Fünf“ detailliert aufgelistet – samt Plä­
doyer für das Erlernen einer neuen Ge­
nügsamkeit.
Wir verbrauchen immer mehr Ressourcen in immer kürzeren Zeitspannen. Was
hat das für Auswirkungen?
Es ist eine Tatsache, dass wir in weitem
Umfang von der Substanz leben. Glückli­
cherweise ist die Erde ein riesiger Planet,
und die Substanz erstaunlich groß. Aber
wenn gleichzeitig die Zahl der Menschen
sich vermehrt, die Technologie so plump
bleibt, wie sie ist, und die Konsumbedürf­
nisse weiter ansteigen, dann muss man
anfangen, in Jahrzehnten zu rechnen, die Wann immer die Politik in der Lage ist,
mehr Konsum anzubieten, macht sie das
wir allenfalls noch Zeit haben.
Beim Klimawandel spricht man von auch. Also ist realpolitisch der einzig ernst­
haft beeinflussbare Faktor die Technologie.
­wenigen Jahren, die wir noch haben.
Reagieren sollte man rasch, auch wenn sich Die allerdings ist viel, viel flexibler, als sie
der Klimawandel langsam vollzieht. Es typischerweise dargestellt wird. Da wird so
wird immer wieder Eruptionen geben wie getan, als wäre ein Auto ein Auto und ein
dieses Jahr die Fluten in Pakistan oder die Kühlschrank ein Kühlschrank, und als wä­
russischen Waldbrände. Dazu kommen ren die Herstellungskosten in Sachen Ener­
schleichende Dinge wie unbrauchbares gie, Wasser und so fort fast nicht veränder­
Wasser, fehlende Landreserven, Landkäu­ bar. Das ist total falsch. Die Technologie
fe durch die Reichen mit der Folge von kann uns mindestens einen Faktor fünf an
Hunger bei den Armen. Hieraus können Entlastung bescheren.
politische Brände, also Bürgerkriege und
Sie sagen, auf den Markt ist punkto Umgroße Kriege, entstehen. Wir haben allen weltschonung kein Verlass. Wer ist der
Grund zu einer wirklichen Kehrtwende.
Verbündete?
Wie kann die gelingen?
Ich will eine gute Balance und Symbiose
Es gibt die berühmte IPAT-Formel: Um­ zwischen Staat und Markt. Viele Angel­
weltschaden (Impact) = Bevölkerung (Po­ sachsen meinen, der Markt sei aus sich
pulation) x Verbrauch (Affluence) x Tech­ her­aus besser als der Staat. Nicht nur effi­
nologie (Technology). Die Bevölkerungs­ zienter, das könnte man ja noch schlu­
zahl zu beeinflussen ist schwierig. Der Ver­ cken. Aber besser – das ist grundfalsch.
brauch ist politisch nicht verminderbar. Der Markt ist kurzfristig und profitorien­
Fotos: ©GP/Florian Bolka
»Die Menschheit ist nicht generell daran interessiert, ins Verderben zu rennen.«
»Energie und Rohstoffe sind so billig, dass die Verschwendung
ökonomisch attraktiver ist als die Effizienz.«
14 act
zur Person
Prof. Dr. Dr. h. c. Ernst Ulrich von Weizsäcker
(71) ist diplomierter Physiker, Chemiker und Professor für Biologie. Er war Direktor des Instituts
für Europäische Umweltpolitik und Präsident
des Instituts für Klima, Umwelt und Energie. Von
1998 bis 2005 saß er für die SPD im Deutschen
Bundestag. Er ist außerdem Mitglied des Club of
Rome, eines nichtkommerziellen Think Thanks,
der sich mit Fragen der internationalen Politik
und der Entwicklung der Menschheit beschäftigt.
Ernst Ulrich von Weizsäcker ist verheiratet und
hat fünf Kinder und sieben Enkelkinder.
Sie schreiben auch, wir müssen genügsamer werden. Und dass für wirkliche
Veränderung wirkliches Wollen nötig ist.
Wollen wir nicht genug?
Es war bisher keine gesellschaftliche Prio­
rität. Die historisch glücklichen Zeiten für
Völker waren meist diejenigen, wo man
von Armut zu Wohlstand übergegangen
ist. Das ist tief verwurzelt. Aber wir er­
leben auch, dass Überkonsum zum Über­
ten Waren, und die schlagen die mit An­
stand hergestellten Waren preislich aus
dem Feld. Das ist die soziale und ökologi­
sche Tragödie der Globalisierung.
Kann ein Klimaabkommen der Prototyp
für diese globalen Regeln werden?
Ja, das könnte es. Aber da gibt es einen
großen Gegner, und das ist der amerikani­
sche Senat. Die wollen keine Global Gover­
nance, die bekämpfen das, wo immer sie
und Greenpeace ist besonders wichtig.
Das ist ja eine der wenigen NGOs, die sich
nicht einkaufen lassen, wie das besonders
in den USA leider meist der Fall ist. Die
Glaubwürdigkeit der Unabhängigen ist
ein hohes und vehement zu verteidigen­
des Gut. Die freiwilligen Beiträge vieler
tausender Unterstützer sind die Voraus­
setzung dafür, dass das hohe Gut der Un­
abhängigkeit erhalten bleibt. n
act
15
Afrikas Fisch
für Europas
Hunger
die vielen kleinen Pirogen der Ein­
heimischen, die – seiner Meinung
nach illegal – in „seiner“ Region fi­
schen, er müsse ständig aufpassen,
um sie nicht zu überfahren.
„Fish for Cash“ heißt das simple
Geschäft: Gegen Geld für Fangquo­
ten, das in der Realität nie bei der lo­
kalen Bevölkerung ankommt, räu­
men die europäischen Schiffe die
westafrikanische Küste leer. Die EU
nennt es „Fischerei-Partnerschafts­
abkommen“ – für Greenpeace ist es
das Paradebeispiel einer verheeren­
den EU-Fischereipolitik. Europa hat
seine eigenen Gewässer bereits heil­
los ausgebeutet: 88 Prozent aller eu­
ropäischen Fischbestände gelten als
überfischt. Derzeit ist die EU-Flotte
in der Lage, zwei- bis dreimal mehr
Fisch zu fangen, als es ökologisch für
Europas Meere vertretbar ist. Der
große Fisch-Hunger der EU kann
also schon lange nicht mehr aus den
eigenen Meeren gestillt werden. Um
ihren Fischern „Zugang zu Fisch­
Hochseetrawler aus der EU fischen vor der
westafrikanischen Küste die Gewässer leer.
Fang und Profit gehen nach Europa, der
lokalen Bevölkerung bleiben leere Netze
und ebensolche Teller.
Von Antje Helms
Fischfabriken auf See
Der Fischreichtum Mauretaniens
ist damit die wichtigste, wenn nicht
gar einzige Lebensgrundlage für sei­
ne Bevölkerung. Doch inzwischen
bleiben die Teller der Fischer und ih­
rer Familien immer häufiger leer.
Laut Umweltprogramm der Verein­
ten Nationen UNEP werden derzeit
bis zu 90 Prozent des Fischfangs vor
Westafrika nicht von einheimischen
Schiffen betrieben. Die Schuldigen
an der verheerenden Situation kann
16 act
die Greenpeace-Crew an Bord der
„Arctic Sunrise“ während einer fünf­
wöchigen Patrouillenfahrt vergange­
nen Frühling zahlreich ausmachen:
Es sind Europas Fischer.
130 Hochseetrawler, vorwiegend
aus Spanien, Italien, Portugal, Frank­
reich und Griechenland, dürfen in
mauretanischen Hoheitsgewässern
jährlich Fisch im Wert von über 1,5
Milliarden Euro fangen. Unter ihnen
finden sich die größten schwimmen­
den Fischfabriken der Welt. Green­
peace sichtet die „Johanna Maria“,
mit 119 Meter Länge eines der größ­
ten Schiffe der EU-Flotte. Heringe,
Sardinen oder Makrelen: Bei einer
Kühlkapazität von 280 Tonnen pro
Tag wird der Fisch an Bord sofort
weiterverarbeitet, tiefgefroren und
erst in EU-Häfen an Land gebracht –
das Schiff ist für Monate auf See.
Hochgerechnet auf die gesamte EUFlotte sind die Fangmengen vor
Mauretanien enorm, riesige Mengen
an ungewolltem Beifang inklusive,
der für den Rückgang vieler Arten
wie Haie, Rochen und Meeresschild­
kröten verantwortlich ist. Es ist ein
Konflikt zwischen Groß und Klein,
Arm und Reich: In einem Gespräch
mit Greenpeace beschwert sich der
Kapitän der „Johanna Maria“ über
280 Tonnen Fisch werden auf
der „Johanna Maria“ (l. und r.) ein­
gefroren – pro Tag! Die schwimmende Fischfabrik ist zwar das
größte, aber bei weitem nicht das
einzige Schiff, das unter EU-Flagge
die westafrikanischen Fischgründe
leerräumt. Greenpeace hat sich
dem unrühmlichen Giganten auf
die Fersen geheftet und seinen
Raubzug auf See dokumentiert.
Fotos: ©Christian Åslund/GP
April 2010: Nicht zum ersten
Mal durchkreuzt ein GreenpeaceSchiff die Gewässer Mauretaniens.
Dreimal so groß wie Deutschland,
zählt dieser westafrikanische Staat
zu den ärmsten der Welt. Maureta­
nien ist ein Land voller Widersprü­
che: Während der staubtrockene
Wüstensand der Sahara fast überall
bis ans Meer reicht und Landwirt­
schaft unmöglich macht, gehören
die Hoheitsgewässer vor der Küste
zu den zehn fischreichsten Regionen
unseres Planeten. Tunfische, Makre­
len, Heringe, Sardinen, Barsche, Gar­
nelen und Tintenfische tummeln
sich in diesem Meeresgebiet, wo
nährstoffreiches Tiefenwasser an die
Oberfläche steigt.
die Gewässer Senegals bereits als
überfischt.
Eine große Chance für die EU, den
notwendigen radikalen Umschwung
zu vollziehen, ist die anstehende
­Reform der sogenannten „Gemein­
samen Fischereipolitik“: Planmäßig
alle zehn Jahre muss die EU ihre
­Fischereiregelungen überarbeiten.
Das Zeugnis, dass die Europäische
Kommission der jetzigen EU-Fische­
reipolitik in ihrem Grünbuch aus­
stellt, gleicht einer Bankrotterklä­
rung: Exzessive Subventionen durch
Steuergelder, ineffektive Kontrollen
und unzureichender politischer Wil­
le hätten zu massiven Überkapazitä­
ten und einer dramatischen Über­
fischung geführt. „Wenn wir jetzt
nicht handeln, geht der Teufelskreis
weiter“, schreibt die Kommission.
In den kommenden zwei Jahren
hat die EU also einiges zu tun, um
aus einer verheerenden Fischereige­
setzgebung, die aus schnöden Ge­
schäftsinteressen Europas Meere
gründen zu sichern“, unterhält die
EU daher 16 Fischerei-Partner­
schaftsabkommen. Allein mit west­
afrikanischen Staaten hat Brüssel
sieben solcher Abkommen geschlos­
sen. Durch sie haben etwa 700 EUSchiffe Zugang zu – wie die Europäi­
sche Kommission es in ihren Hoch­
glanzbroschüren anpreist – „über­
schüssigen Fischbeständen, die ihre
Partner nicht befischen können oder
wollen“. Doch was für die ersten Fi­
schereiabkommen in den 1980erJahren noch gestimmt haben mag,
gehört inzwischen der Vergangen­
heit an. Die Ausbeutung Westafrikas
durch internationale Fischereiflot­
ten im industriellen Maßstab zeigt
längst ihr wahres Gesicht: So gelten
leer zurückgelassen hat, einen mus­
tergültigen Mix aus Meeresschutz,
nachhaltiger Fischerei, realistischem
Flottenmanagement und gerechter
Entwicklungspolitik zusammenzu­
stellen. Auch die ausbeuterischen Fi­
schereiverträge mit westafrikani­
schen Staaten müssen überarbeitet
werden. Denn zur Armutsbekämp­
fung in Entwicklungsländern kann
die Fischindustrie nur beitragen,
wenn diese Länder an der Wert­
schöpfung gerecht beteiligt werden.
Greenpeace wird in den nächsten
zwei Jahren nicht nur in Brüssel ver­
stärkt auf Patrouille gehen, damit Eu­
ropas Fischer in Zukunft Makrelen,
Heringe und Co. nicht auf Kosten
­Afrikas auf unsere Teller legen. n
act
17
Erneuerbares Österreich
Innerhalb von einer Generation weg von Kohle, Gas und Öl? Das Institut für Höhere Studien
hat im Auftrag von Greenpeace errechnet, wie dieses Szenario Realität wird. Von Jurrien Westerhof
aus Wind, Sonne oder Biomasse er­
zeugen, ist relativ leicht zu transpor­
tieren, und Elektromotoren sind ge­
genüber Benzin- oder Dieselmoto­
ren viel effizienter. Die Ära des Öls
wird weitestgehend zu Ende gegan­
gen sein – weil der Verkehr praktisch
ohne Benzin und Diesel auskommt
und Heizöl und Ölkraftwerke Ge­
schichte sein werden.
Gemeinsam mit der Gewerk­
schaft VIDA und der Energiegesell­
schaft EVN hat Greenpeace das
­Institut für Höhere Studien (IHS)
­beauftragt, ein Energieszenario zu
entwickeln. Die zentrale Frage: Wie
kann Österreich im Jahr 2050 zu
100 Prozent mit erneuerbaren Ener­
gien versorgt sein? Die gute Nach­
richt vorweg: Es geht! Wenn wir
gleichzeitig in Energiesparmaßnah­
men und in den Ausbau von erneu­
erbaren Energien investieren, dann
kann Österreich innerhalb weniger
Jahrzehnte von Kohle, Gas und Öl
unabhängig werden.
Die Entscheidung, die Studie
nicht alleine machen zu lassen, son­
dern Partner aus der Wirtschaft und
der Arbeitnehmerseite zu suchen,
stand für Greenpeace am Beginn des
Energieszenarios. Denn wie die
Energieversorgung der Zukunft aus­
sehen kann, beschäftigt ja nicht nur
uns. Der Energieversorger EVN und
die Dienstleistungs- und Verkehrs­
gewerkschaft VIDA kamen als Part­
18 act
ner dazu – denn in Zukunft werden
wir Energiegesellschaften brauchen,
die Änderungen nicht nur mittra­
gen, sondern selber aktiv vorantrei­
ben. Und am Arbeitsmarkt wird es
einschneidende Veränderungen ge­
ben: weniger Lkw-Fahrer, aber dafür
mehr Solarinstallateure, um nur ein
Beispiel zu nennen.
Das IHS hat nicht nur berechnet,
wie die Energieversorgung der Zu­
kunft aussehen kann, sondern auch
was wir konkret tun müssen, um
dorthin zu kommen. Das Ergebnis:
Wenn wir jetzt anfangen, unsere
Häuser und Büros zu sanieren,
­Güterverkehr von der Straße auf
die Bahn verlagern, Spritfresser ge­
gen Elektroautos eintauschen und
gleichzeitig in saubere Energien wie
Sonne, Wind und Biomasse inves­
tieren, dann kann Österreich sich
2050 zu 99,28 Prozent mit erneuer­
baren Energien versorgen.
Die Studie beschreibt nicht nur die
zu setzenden Schritte, sondern wirft
auch einen Blick auf unsere zukünfti­
gen Lebensrealitäten. Photovoltaik
(Elektrizität aus Sonnenenergie) und
Solarkollektoren (für Warmwasser)
werden im Wohnbau Normalität
sein. Neue Häuser werden Passiv­
hausstandard haben, also keine Ener­
gie mehr fürs Heizen brauchen.
Investieren in die Zukunft
All das geschieht natürlich nicht
von selbst. Es muss massiv in die Sa­
nierung von Wohnungen und Häu­
sern investiert werden. Vor allem
die über eine Million Bauten aus den
Nachkriegsjahren bis ca. 1985 sind
oft sehr schlecht gedämmt und wer­
den in vielen Fällen mit teurem
Heizöl beheizt. Und gerade dort
wohnen oft Menschen, die ohnehin
nicht besonders viel Geld haben.
Wenn man hier Dächer und Fassa­
den dämmt und Fenster und Hei­
zung austauscht, hilft man also
nicht nur dem Klima, sondern auch
den Bewohnern dieser Häuser.
Auch der Verkehr wird 2050 ein
anderer sein als heute. Es wird auch
in Zukunft Autos geben, aber diese
werden meist mit Elektrizität fah­
ren. Derzeit kommen gerade die ers­
ten Elektroautos auf den Markt –
die noch sehr teuer sind. Aber nicht
nur der Preis wird sich ändern. Die
Energie für den Betrieb wird nicht
mehr aus Russland oder den arabi­
schen Staaten kommen, sondern
eher von den Sonnenkollektoren am
Dach der Garage oder dem nächsten
Windpark. Gleichzeitig werden die
Autos eine Rolle als Stromspeicher
im Elektrizitätsnetz erfüllen – mit
Batterien, die, nach eigenem Bedarf
programmiert, in Ruhezeiten den
gerade nicht gebrauchten Strom ins
Netz einspeichern. Das, was jetzt
von einigen Pionieren vorgemacht
wird, ist 2050 die Norm.
Durch die Einsparung im Verkehr
und beim Heizen werden wir 2050
mehr als ein Drittel weniger Energie
verbrauchen als heute. Der Strom
wird dann im Mittelpunkt der Ener­
gieversorgung stehen, denn er hat
gleich mehrere Vorteile: Er lässt sich
Fotos: ©GP/Sunbeam (2), ©Martin Langer/GP
Das Beheizen von schlecht gedämmten
Gebäuden ist gleichbedeutend damit, Geld
zum Fenster hinauszuwerfen. 2050 wird das
in Österreich der Vergangenheit angehören,
sagt eine aktuelle Untersuchung des Instituts
für Höhere Studien – sofern jetzt die richtigen
Maßnahmen und Investitionen gesetzt werden. Dann könnte schon in wenigen Jahrzehnten der Ausstieg aus den schmutzigen
Energien Kohle, Öl und Gas gelungen sein.
Grüne Steuern
Wie das Ganze finanziert werden
soll? Die meisten Ausgaben werden
sich rentieren, denn die Öl- und
­Gaspreise steigen, und erneuerbare
Energien werden immer billiger.
Auch Investitionen in Wärmedäm­
mung amortisieren sich dadurch
schneller. Trotzdem wird massiv in­
vestiert werden müssen. Die Mittel
dafür sollen unter anderem durch
eine Ökologisierung des Steuersys­
tems generiert werden: Kernpunkt
sind hier die Entlastung des Faktors
Arbeit durch die Senkung der Lohn­
nebenkosten und die Belastung des
Energieverbrauchs. So wird nicht
nur Energieeffizienz gefördert, son­
dern auch die Schaffung neuer Ar­
beitsplätze.
Bis diese Vision Realität wird,
muss noch viel geschehen. Es gibt
noch immensen Forschungsbedarf,
und es sind große politische Hürden – Stichwort ökologische Steuer­
reform – zu überwinden. Aber bei
immer mehr Technologien, wie zum
Beispiel der Photovoltaik, steht der
Durchbruch kurz bevor oder wird
der Erfolg bereits sichtbar, wie bei
der wachsenden Anzahl an Passiv­
häusern. Das Einzige, was es jetzt
dringend braucht, ist eine Politik,
die für diese Vision die geeigneten
Rahmenbedingungen schafft – und
der Rest wird folgen. n
Webtipp
Download der Studie
unter www.greenpeace.at/
energy-revolution
act
19
Greenpeace ahoi!
Mission Ölsuche
Der österreichische Aktivist
Manuel Marinelli wird
demnächst auf der „Arctic
Sunrise“ anheuern.
Fast drei Viertel des im Golf von Mexiko während der BP-Ölkatastrophe
ausgelaufenen Öls sollen auf wunderbare Art und Weise verschwunden
sein. Greenpeace begab sich mit der „Arctic Sunrise“ auf Spurensuche.
Von Marco Häfner
Du warst schon einmal an Bord
eines Greenpeace-Schiffes. Worum ging es dabei?
Tauchgang in die Tiefe (l.): Die
Wissenschaftler untersuchen 500
Meter unter der Meeresoberfläche
die Auswirkungen der Ölkatastrophe auf das sensible Ökosystem
der Tiefsee-Korallen. Nach den
Expeditionen in die Küstengewässer müssen die dafür verwendeten Schlauchboote wieder an
Deck gehievt werden (r.).
20 act
nach einigen Änderungen schließ­
lich am 12. August bereit, bei 30
Grad Celsius in die azurblaue See zu
stechen – mit rund einem Dutzend
Wissenschaftlern an Bord. Im
Schlepptau zwei zentrale Fragen:
Wo ist das Öl geblieben? Welche Ver­
änderungen sind im betroffenen
Ökosystem zu beobachten?
Gefährdete Pottwale
Als erste Etappe auf der Suche
nach dem Öl steuerte die Crew den
Dry-Tortuga-Nationalpark am west­
lichen Zipfel Floridas an. An diesem
wunderschönen Fleckchen Erde mit
seinen atemberaubenden Unter­
wasserwelten wurden Wasserpro­
ben entnommen, um die darin
­enthaltenen Kleinstlebewesen auf
Schadstoffe untersuchen zu kön­
nen. Anschließend wurde Kurs mit­
ten in das Herz des Unglücksgebie­
tes gesetzt, um sich dort der Wal­
populationsforschung zu widmen.
Pottwale mögen zwar mächtig in der
Größe sein, aber gegen die Ölschwa­
den im Wasser können auch die
Herrscher der Meere nichts ausrich­
ten – sie verenden elend. Doch das
ist noch längst nicht alles gewesen.
Die Forschungsaufgabe, die dem aus
Österreich stammenden Meeresfor­
Was wird dein Job an
Bord sein?
scher Rainer Amon von der A&M
Universität in Texas oblag, führte je­
den an Bord an die Grenzen seiner
Kräfte. Ein riesiges stählernes Unge­
tüm zur Messung der Sauerstoff­
konzentration musste jeden Tag an
einer anderen Stelle rund um das
Bohrloch im Wasser versenkt wer­
den. „Von den Messungen, die wir
vorgenommen haben, sehen wir bis
300 Meilen westliche Richtung ­klare
Zeichen von Sauerstoffverarmung“,
fasst Amon die aufwändige For­
schungsarbeit zusammen. Was sich
schon für Laien nicht gut anhört,
bekommt im Zusammenhang mit
dem propagierten Ölfresser-Wun­
derbakterium noch eine zusätzliche
Bedeutung. Hätten die Bakterien die
klebrige, lebensfeindliche Masse
wirklich vernichtet, müsste die ge­
messene Konzentration noch we­
sentlich niedriger sein. Denn die
­Mikroorganismen verbrauchen für
ihre Arbeit Sauerstoff – und zwar
wesentlich größere Mengen, als die
Messwerte anzeigen.
Die Forschungsergebnisse führ­
ten die Wissenschaftler zu einer
neuen Annahme. Der Meeresbiolo­
ge Cliff Nunnally vermutet, dass
sich das Öl hauptsächlich auf dem
Meeresboden abgesetzt hat – also
Diesmal bin ich „Volunteer Deckhand“ (Matrose). Meine Aufgaben
reichen vom Putzen der Toiletten bis zur Rostbekämpfung am
Rumpf, zum Lackieren, Flexen und
Deckschrubben. Wie alle an Bord
werde ich zusätzlich Aktivist sein.
Aber als Meeresbiologe darf ich
bei etwaigen Datenerhebungen
mithelfen und vielleicht auch als
Fotograf aushelfen. Noch ist vieles
offen, aber wie die Kapitäne immer
sagen: „Well, there’s a lot uncertain,
but that’s Greenpeace shipping!“
Wie kamst du dazu, mit Greenpeace zur See zu fahren?
Fotos: © Sean Gardner/GP (2), © Mannie Garcia/GP, © Todd Warshaw/GP
74 Prozent des Öls vom Deep­
water-Horizon-Unglück sind ver­
schwunden! 3,3 Millionen Barrel
der klebrigen Masse, die über Mona­
te hinweg aus einem Bohrloch im
Golf von Mexiko sprudelte, sollen
von dem Wunderbakterium der
Klasse Gammaproteobacteria auf­
gelöst worden sein. So jedenfalls
meldete es die US-Behörde für Mee­
res- und Klimaforschung NOAA
­Anfang August – und musste dafür
reichlich Kritik einstecken.
Auch Greenpeace beteiligte sich
an dieser Kritik, und wer die Regen­
bogenkrieger kennt, der weiß, dass
auf Worte Taten folgen. „Wir müs­
sen alle die wirklichen Ausmaße der
Ölkatastrophe und auch die Grün­
de, wie es dazu kommen konnte, er­
fahren, um sicherzustellen, dass so
etwas nie wieder passiert“, brachte
Philip Radford von Greenpeace USA
die Mission auf den Punkt. Mög­
lichst vielen Forschern sollte die
Möglichkeit gegeben werden, drei
Monate lang vollkommen unabhän­
gig und direkt am Unglücksort zu
arbeiten.
Aus der Greenpeace-Schiffsflotte
wurde die „Arctic Sunrise“ für die
Mission ausgewählt. Eigentlich ein
Eisbrecher, war die „Arctic Sunrise“
Zuletzt durfte ich am Flaggschiff,
der „Rainbow Warrior 2“, dabei
sein, um bei der Mission zur
Rettung des Blauflossentuns im
Mittelmeer zu helfen.
Ich hatte bereits im Zuge der „Defending Tuna“-Tour die Möglichkeit,
als Taucher an Bord zu sein, und
bin auf den Geschmack gekommen. Ich liebe das Meer und Schiffe
und habe mich auf Anhieb wohl
gefühlt, was vor allem auch an der
großartigen Crew lag. Jetzt darf ich
einmal mehr an Bord sein!
gar nicht zersetzt wurde. Ist aber das
Öl erst einmal dort angelangt, dau­
ert es Jahre oder Jahrzehnte, bevor
es unter den herrschenden Extrem­
bedingungen zersetzt wird. Um die­
se These zu erforschen, wurden Bo­
denproben aus 1.300 Meter Tiefe
eingeholt. Dabei kam Ernüchtern­
des ans Tageslicht: Bereits auf den
ersten Blick war zu erkennen, dass
sich Öl im Schlamm befindet. Die
genauen Laboruntersuchungen wer­
den Gewissheit bringen. Doch schon
jetzt ist klar, dass das Ökosystem im
Golf von Mexiko noch lange mit den
Folgen der Ölkatastrophe zu kämp­
fen haben wird. Angesichts der
Schönheit dieser Gegend und der
Gefahr, in der sich dieses Wunder
der Natur befindet, mutet es unvor­
stellbar an, dass die US-Regierung
das nach der Katastrophe ausgeru­
fene Moratorium zum vorläufigen
Verbot von Tiefseebohrungen im
Golf von Mexiko vorzeitig aufgeho­
ben hat. BigOil, die großen Player
der Ölbranche, haben also wieder
den Freibrief erhalten, einzigartige
Lebensräume auf der Suche nach
Profit zu gefährden.
Raus aus der Tiefsee!
Die „Arctic Sunrise“ hat ihre Reise
durch den Golf von Mexiko inzwi­
schen beendet. Ihre Mission glich je­
ner der „Calypso“, das Schiff des gro­
ßen Meeresforschers Jacques Cous­
teau. Dieser Visionär führte uns die
„Wunder der Meere“ vor Augen, so
nah, als könnte man sie anfassen.
2010 war es die Crew der „Arctic
Sunrise“, die auf Forschungsreise
ging – leider nicht, um Naturwun­
der zu dokumentieren, sondern um
die Folgen der Ölkatastrophe im
Golf von Mexiko begreifbar zu ma­
chen. Und um wieder deutlich vor
Augen zu führen, dass Bohrungen
in so sensiblen Ökosystemen fahr­
lässig sind und dort nichts verloren
haben. Deshalb fordert Greenpeace:
„Raus aus der Tiefsee!“ n
act
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© Greenpeace / Florian Bolka
Gemeinschaft der
Regenbogenkrieger
Ohne seine vielen freiwilligen Helfer und Aktivisten könnte Greenpeace längst nicht so
erzählt, wie der
erfolgreich sein. Stellvertretend für viele haben zwei von ihnen
Einsatz für den Umweltschutz ihr Leben veränderte. Von Jutta Matysek
Pia Grunner
Roland Keller
links im Bild
„Heute bin ich mutiger
und konsequenter“
„Ich habe sehr viel an
Lebensqualität gewonnen“
Seit über vier Jahren ist die 35-jährige Bibliothekarin Pia Grunner
­Aktivistin und ehrenamtliche Mitarbeiterin im Grazer Greenpeace-Büro.
Ihr erster Einsatz ist ihr noch gut in Erinnerung: „Wir haben mit rund 200
Menschen in Brüssel bei einem Meeting der Fischereiminister das Gebäu­
de symbolisch vermauert. Das war wirklich toll. So viele Menschen aus so
vielen Nationen, die gemeinsam gegen die Überfischung der Meere kämp­
fen – das gibt viel Energie.“ Bei Greenpeace ist sie deshalb, weil man hier
etwas bewegen kann. „Ich wollte nicht nur im stillen Kämmerlein etwas
für unsere Umwelt tun, sondern auf die Missstände aufmerksam machen.“
Als Gruppenkoordinatorin organisiert sie Infostände zu aktuellen Green­
peace-Themen, koordiniert Freiwilligentreffen oder bereitet Aktionen vor.
Anstoß für den Umschwung in Richtung aktive Umweltschützerin war
ihre heute 15-jährige Tochter. Sie hat den ersten Schritt gemacht, ist Vege­
tariern geworden und hat mich „mit ihrer Entschlossenheit zu einem an­
deren Leben inspiriert“, erzählt Pia.
Die Lebensveränderung hat sich für die 35-Jährige gelohnt. „Ich habe
von der ehrenamtlichen Arbeit enorm profitiert und gelernt, einige meiner
Grenzen auszuloten. Ich versuche heute, mutiger und konsequenter zu
sein in Dingen, die mir am Herzen liegen“, zieht Pia Resümee. Themen, zu
denen sie aktiv sein möchte, gibt es genug: „Das Thema Gentechnik ist mir
sehr wichtig, denn es betrifft uns alle direkt.“ Auch gegen Atomkraft enga­
giert sie sich: „Ich habe die Auswirkungen von Tschernobyl als Kind ja
­direkt mitbekommen.“ Aber eigentlich gibt es kein Umweltthema, das die
Aktivistin kaltlässt. Ob die Verbauung unserer letzten frei fließenden Flüs­
se, die Regenwaldabholzung, die Überfischung der Meere, die drohende
Wiederaufnahme des Kohlekraftwerks in Voitsberg –„einfach alles ist
wichtig für mich!“ n
„Was ist der Sinn des Lebens?“ und „Was will ich aus meinem Leben
machen?“ – diese Fragen standen für den heute 20-jährigen Roland
­Keller am Beginn seines Engagements für Greenpeace. Er schrieb eine
­E-Mail an die Freiwilligengruppe in Wien und kam zu einem Treffen –
das war vor dreieinhalb Jahren, und der mittlerweile Geografie und
­Physik im Lehramt studierende Aktivist ist bis heute begeistert dabei. Er
veranstaltet Straßentheater, hält Schulworkshops ab, läuft verkleidet bei
Marathons mit und organisiert „Humanbanner“, Veranstaltungen und
Infostände zu verschiedenen Themen, zu denen Greenpeace arbeitet.
Dass er mit seinen Aktionen etwas zum Positiven verändern kann
und durch sein Engagement Gleichgesinnte findet, ist für Roland nur ei­
ner der vielen Pluspunkte, bei Greenpeace dabei zu sein. „Ich habe die
Möglichkeit, mich zu entfalten, kann selbst bestimmen, wofür ich mich
einsetze, und werde hier wertgeschätzt“, erzählt er. Zuletzt hat er sich
für die Änderung des Paragrafen 278 eingesetzt, mit dem auch gegen
Vereinigungen wie Greenpeace vorgegangen werden kann. Gemeinsam
mit anderen Freiwilligen und Mitarbeitern des Wiener Büros wurde ein
Gefangenenzug organisiert, um auf die Gefährdung der demokratischen
Grundwerte aufmerksam zu machen.
Greenpeace hat jedenfalls sein Leben verändert, fasst Roland die Ent­
wicklungen der letzten Jahre zusammen. „Früher war ich eher ein unsi­
cherer Mensch, aber mit den Projekten und der Wertschätzung, die ich
erfahren habe, sind mein Selbstwertgefühl und mein Selbstbewusstsein
gestiegen. Ich habe sehr viel an Lebensqualität gewonnen.“ Dazu zählt
auch das Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Aktivisten. Neulinge
lädt Roland herzlich dazu ein, vorbeizukommen und mitzugestalten.
„Wir freuen uns über jeden, der da ist!“ n
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Was hast du heute vor?
Du wilst dich für die Umwelt einsetzen?
Du kannst warten, auch mal in der Kälte?
Du kannst malen, klettern oder Tee kochen?
Dann bist du bei uns richtig!
Taten statt Worte – melde dich unter:
www.greenpeace.at/aktivisten | [email protected] | 0664 / 610 39 99 (Jutta)
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Werden Sie meine Heimat retten?
Bitte unterstützen Sie die Arbeit von Greenpeace
mit einer Baumpatenschaft. Ab € 20,– pro
Monat investieren Sie in unsere gemeinsame
große Vision – Rodungsstopps in den
Urwäldern unserer Erde.
© Greenpeace / Natalie Behring-Chisholm
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