DIE WELT Kompakt

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DIE WELT Kompakt
M I T T W O C H , 6 . O K T O B E R 2 010 | N R W | N R . 19 4 | 8 0 C E N T
Das sollten Sie lesen:
Tipps der Redaktion zur
Buchmesse
Seiten 24/25
Giftschlamm
überflutet Dörfer
Budapest – Eine Lawine aus ätzendem Bauxitschlamm aus einer Aluminiumhütte hat
im Westen Ungarns mehrere Orte überschwemmt und vier Menschen in den Tod
gerissen. Unter den Toten in dem Dorf Kolontár waren zwei Kleinkinder, bestätigten
die Behörden. Die Rettungskräfte suchten
bis gestern Abend noch nach mehreren
Vermissten. Umweltschützer warnten vor
Gesundheitsgefahren und vor der Verschmutzung des Trinkwassers. Die Regierung erklärte jedoch, die unmittelbare Gefahr sei abgewendet. Für die westungarischen Bezirke Veszprém, Vas und Györ
Letzte Seite
wurde der Notstand verhängt.
NACHRICHTEN
..............................................................................
Frauen trinken immer mehr
Die Drogenbeauftragte der Regierung
warnt vor einer wachsenden Alkoholabhängigkeit unter Frauen. Besonders
Seite 5
junge Mädchen seien gefährdet.
Kennen Sie Graphen? Für
die Entdeckung des Materials
gab es den Nobelpreis Seite 28
Gefahr durch deutsche Islamisten
Spur der in Pakistan getöteten Mitglieder einer Terrorgruppe führt nach Hamburg
Berlin – Bei einem US-Drohnenangriff auf eine Gruppe
deutscher und turkmenischer
Islamisten im Nordwesten Pakistans sind zehn Personen getötet worden. Unter ihnen befinden sich laut Geheimdienstkreisen in der Region acht Deutsche, davon drei Einwanderer.
Sie alle sollen der terroristischen Islamischen DschihadUnion angehört haben.
Ein unbemanntes Flugzeug
hatte am Montagabend nach pakistanischen Geheimdienstangaben zwei Raketen auf ein Gehöft im Stammesgebiet NordWaziristan gefeuert, in dem sich
die Islamisten versammelt hatten. Eine offizielle Bestätigung
gab es dafür bislang nicht. Drei
Tote seien gestern in unmittelbarer Nähe des Angriffsortes in
Mir Ali von radikal-islamischen
Aufständischen beigesetzt worden. Die anderen Leichname
seien in den benachbarten Distrikt Bannu gebracht worden,
wo sie bestattet werden sollen.
Nach pakistanischen Geheimdienstangaben könnten unter
den Toten Mitglieder einer
Hamburger
Islamistenzelle
sein, die im vorigen Frühjahr in
die Region gereist waren und
Anschläge in Europa geplant haben sollen. Zumindest eine Verbindung nach Deutschland
scheint nach dem Drohnenangriff gesichert. Der Besitzer des
schen Polizisten in der Region
festgenommen worden.
Der amerikanische Fernsehsender ABC News berichtete
gestern unter Berufung auf USRegierungskreise, dass angeblich fünf große Flughäfen in Europa zu den möglichen Anschlagszielen gehören sollen.
Das Bundeskriminalamt geht
davon aus, dass nicht nur in Afghanistan und Pakistan, sondern auch im Jemen und in Somalia Terroristen geschult werden. Das Auswärtige Amt bestätigte gestern in Berlin, dass ein
terrorverdächtiger Deutscher in
Kenia festgenommen und nach
Deutschland
zurückgebracht
worden ist.
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zerstörten Gehöfts, ein Taliban
namens Sher Maula Khan, war
im Juni mit dem Hamburger Islamisten Rami M. von pakistani-
Polizei ist überfordert
■ Laut Gewerkschaft der Polizei
(GdP) sind die Sicherheitskräfte
nicht in der Lage, islamistische
Terrorhelfer in Deutschland effektiv zu überwachen. „Eine Rundum-die-Uhr-Beobachtung ist aus
Personalmangel nicht möglich“,
sagte GdP-Chef Konrad Freiberg.
Daher könne die Polizei „immer
nur hoffen, dass wir die Richtigen
im Auge haben und Anschläge
nicht von anderen kommen“.
Hinschauen
Börsenzocker soll
fünf Milliarden
zurückzahlen
MTV nur noch gegen Bezahlung
Der Musikkanal MTV sieht seine Zukunft im Bezahlfernsehen. Ab Januar soll
es das Programm nur noch im Abonnement eines Digitalpakets geben. Seite 19
Paris – Ein Pariser Gericht hat
dem französischen Skandalhändler Jérôme Kerviel die volle
Schuld für seine milliardenschweren Finanzspekulationen
gegeben und ihn zu fünf Jahren
Haft verurteilt – zwei Jahre werden auf Bewährung ausgesetzt.
Außerdem muss der heute 33Jährige der Société Générale die
4,9 Milliarden Euro zurückzahlen, die die Großbank durch seine
Geschäfte 2008 verlor. Seiten 2/3
Zusätzliches Geld für Ärzte
Die Honorare für die 150 000 niedergelassenen Ärzte in Deutschland werden
im nächsten Jahr erneut steigen. Es gibt
Seite 20
eine Milliarde Euro zusätzlich.
Ich weiß, wo du bist
Facebook startet den Dienst „Orte“ nun
auch in Deutschland. Nutzer können
ihre Freunde nun einfacher über ihren
Seiten 26/27
Aufenthaltsort informieren.
Dax im Minus, Euro im Plus
Stuttgart 21:
Bahnhofsabriss
vorerst gestoppt
Der Aktien-Leitindex fällt um 1,33 Prozent auf 6215,83 Punkte.
Der Wert des Euro steigt um 0,55 Prozent aus 1,3780 US-Dollar.
TWEETS DES TAGES
..............................................................................
ZDF/DOUG HYUN/AMC/LIONSGATE
Gib einem Mann einen Fisch + er hat
Essen für einen Tag. Lehre ihn das
Angeln + er sitzt den ganzen Tag im
Boot und trinkt Bier.
shengfui
SENSATION: Nobelpreis für Zauberei
geht 2010 an einen kleinen Zauberer
mit Brille. Phillip Rößler für seine
Illusion „Die Gesundheitsreform“.
onkelfisch
24h-Service: 01805-6 300 30
(14ct/Min. aus dt. Festnetz, Mobilfunk max. 0,42 ¤/Min.)
Don Draper ist der Protagonist aus „Mad Men“ –
einer faszinierenden TV-Serie um eine Gruppe
zynischer Werbemanager aus den 60er-Jahren.
Wie kein anderer verkörpert Draper den amerikanischen Traum – und doch plagt ihn eine dunkle
Treffpunkt für Fans:
www.facebook.com/weltkompakt
Vergangenheit, von der niemand wissen soll.
„Mad Men“ gewann in den USA zahlreiche Preise,
doch hierzulande ist die Serie gerade einmal gut
genug für „ZDFneo“ – einen Spartenkanal, den
viele Deutsche nicht empfangen können. Seite 31
Wir twittern, was uns bewegt:
www.twitter.com/weltkompakt
E-Mail an die Redaktion:
[email protected]
Stuttgart – Die erbitterten Proteste gegen das Bahnprojekt
Stuttgart 21 zeigen Wirkung: Die
Landesregierung hat einen Abriss-Stopp für den Südflügel des
alten Bahnhofs angeordnet und
versprochen, dass im Schlossgarten keine weiteren Bäume
mehr gefällt werden. Ministerpräsident
Stefan
Mappus
(CDU) erneuerte zudem sein
Gesprächsangebot an die Gegner. Ein kompletter Baustopp
wurde aber abgelehnt. Zugleich
präsentierte die Landesregierung ein Rechtsgutachten, wonach eine Volksabstimmung unzulässig wäre. Die Stuttgarter
Polizei versprach zudem eine
lückenlose Aufklärung des geSeite 4
walttätigen Einsatzes.
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* M I T T W O C H , 6 . O K T O B E R 2 010
THEMA
Als wäre es die französische Fassung des
Hollywood-Klassikers
„Wall Street“: Skandaltrader Jérôme
Kerviel (Mitte) wird
von Gendarmen zum
Gerichtssaal gebracht
Wie zahlt man 4,9 Milliarden Euro zurück?
Der französische Wertpapierhändler Jérôme Kerviel hat den größten Spekulationsverlust aller Zeiten verursacht –
Berlin – Ein Regisseur hätte es nicht
besser inszenieren können: Der Angeklagte schließt einen Moment
lang die Augen. Ein Raunen geht
durch den Pariser Gerichtssaal. Fünf
Jahre Haft, davon zwei auf Bewährung. Das ist die Strafe für Jérôme
Kerviel, den Verursacher des größten Spekulationsverlustes aller Zeiten. Zusätzlich muss er der französischen Großbank Société Générale,
seinem früheren Arbeitgeber, 4,9
Milliarden Euro Strafe zahlen.
Die Realität ist noch extremer als
im Hollywood-Film „Wall Street“.
Michael Douglas alias Gordon Gekko biegt als skrupelloser Spekulant
die Gesetze, um Millionen zu scheffeln. Kerviel hat mit seinen Milliardenzockereien die Existenz einer
der größten Banken Frankreichs auf
Spiel gesetzt – und einen weltweiten
Aktiencrash provoziert.
Doch viele Franzosen machen das
in ihren Augen moralisch verkommene Finanzsystem für die Auswüchse mitverantwortlich. Sie sehen den 33-jährigen Bretonen eher
als Opfer denn als Täter. „Dieses Urteil ist unvernünftig und inakzeptabel“, sagt Olivier Metzner, der Anwalt Kerviels und einer der bekanntesten Strafverteidiger Frankreichs.
„Ein Mann soll für das System zahlen.“
Kerviel genießt in Frankreich viel
Sympathie. „Das Urteil hätte von der
Société Générale geschrieben sein
können“, empört sich eine Frau, die
den Prozess verfolgt hat. „Je nachdem ob man mächtig oder arm ist,
wird man durch das Urteil des Ge-
richts weiß oder schwarz“, schreibt
Alain Fabre auf der Internet-Seite
der Wirtschaftszeitung „Les Echos“.
„Seit La Fontaine hat sich nichts geändert. Zwischen dem Ruf der Société Générale und der Gerechtigkeit musste eine Wahl getroffen wer-
den. Jérôme Kerviel hat sicher keine
weiße Weste, aber die Société Générale auch nicht.“ La Fontaine war ein
französischer Schriftsteller des 17.
Jahrhunderts, der mit seinen Fabeln
moralische Missstände anprangerte.
Die Höhe des Strafgelds entspricht
REUTERS/CHARLES PLATIAU
VON DANIEL ECKERT,
GESCHE WÜPPER UND
HOLGER ZSCHÄPITZ
Kerviels Anwalt Olivier Metzner steht einem Pulk aus Journalisten Rede und Antwort
genau dem Verlust, den Kerviel damals, im Jahr 2008, verursacht hatte.
Der Wertpapierhändler hatte seine
Kompetenzen weit überschritten
und größere Positionen aufgebaut,
als ihm zustand. Im Extrem waren es
rund 50 Miliarden Euro, mit denen
er wettete. Das überstieg den Börsenwert der Société Générale. Um
ein Haar hätte Kerviels missglückte
Milliardenspekulation das 1864 gegründete Institut um die Existenz
gebracht.
Als aus anfänglichen hohen Gewinnen horrende Verluste wurden,
versuchte der Banker seine Vergehen zu vertuschen, unter anderem
indem er Unterschriften seiner Vorgesetzten fälschte. Zwar habe Kerviel sich durch die Spekulationen
nicht persönlich bereichert, aber er
habe durchaus mit einem saftigen
Bonus gerechnet, meinte der Richter. Schuldig in allen Punkten, lautete das Urteil: Fälschung, Untreue,
betrügerische Manipulation des
Computersystems. „Jérôme Kerviel
war der Erfinder eines kohärenten
Betrugssystem“, sagte der Richter.
Die Chronik des Betrugs: Untreue, Fälschung und Datenmanipulation
■ Mit dem Prozess gegen den französischen Ex-Börsenhändler Jérôme
Kerviel ist gestern einer der bedeutendsten Wirtschaftsprozesse in Frankreich zu Ende gegangen. Die einzelnen
Etappen des Finanzbetrugs.
■ Januar 2008: Die französische
Großbank Société Générale meldet
einen Verlust aufgrund betrügerischer
Machenschaften in Höhe von 4,9
Milliarden Euro. Die Bank wirft dem
Börsenhändler Jérôme Kerviel vor, mit
Hilfe von Fiktivgeschäften Risiken
verschleiert zu haben. Ein Ermittlungsverfahren wird eröffnet.
■ Februar 2008: Die Bank erklärt,
dass keine Gelder veruntreut wurden
und dass Kerviel allein gehandelt
habe. Im März wird Kerviel aus der
Untersuchungshaft entlassen.
■ Juli 2008: Die Bank-Kommission
legt der Société Générale wegen
gravierender Mängel im Kontrollsystem
eine Strafe in Höhe von vier Millionen
Euro auf.
■ Mai 2010: Kerviel veröffentlicht in
Frankreich seine Memoiren.
■ Juni 2010: Der Prozess gegen
Kerviel wegen Untreue, Fälschung und
betrügerischer Computerdatenmanipulation beginnt.
■ Oktober 2010: Ein Pariser Gericht
verurteilt den Finanzjongleur.
Er habe sein Limit wissentlich weit
überschritten, finanzielle Transaktionen vorgegaukelt, um Risiken zu
kaschieren, die Mängel im System
gekonnt ausgenutzt. „Er hat sich den
Ruf verschafft, effizient zu sein und
war bei seinen Vorgesetzten beliebt“, sagte der Richter. Er habe perfekt den Jargon drauf gehabt und damit die Kontrollinstanzen in Sicherheit gewogen.
Die Strafe von 4,9 Milliarden Euro
ist symbolisch. Damit signalisiert
das Gericht, dass es die Schuld allein
bei Kerviel sieht. Bei seinem derzeitigen Monatsgehalt von 2300 Euro
müsste er knapp 180 000 Jahre dafür
arbeiten. Wäre der Bank eine Mitschuld zugesprochen worden, hätte
dies das französische Bankensystem
erschüttern können. Unter Umständen hätten die Institute ihre Trader
in den lukrativen Handelsabteilungen strengen Restriktionen unterwerfen müssen. Viele Institute erwirtschaften einen Großteil ihrer
Gewinne im sogenannten Eigenhandel, wo auch Kerviel tätig war.
Kerviels Anwalt kündigte Berufung an. Sein Mandant wirkte im Gerichtssaal ein wenig, als sei er auf einer Beerdigung: schwarzer Anzug,
schwarze Krawatte, die Arme vor
dem Oberkörper verschränkt. Der
33-Jährige verfolgte die knapp einstündige Verlesung der Urteilsbegründung aufmerksam und fast regungslos. Ab und zu verriet sein
wippender Fuß die innere Ungeduld. „Ein ausgeglichenes Wesen,
keine seelischen Probleme“, hatten
die psychologischen Experten befunden. Wer eine große Bankenschelte seitens des Richters erwartet hatte, wurde enttäuscht. Hier
und da gab es Kritik an Unzuläng-
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THEMA
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Finanzbetrüger richten
immense Schäden an
Abgezockt: die spektakulärsten Fälle
Berlin – Betrüger haben schon
mehrfach riesige Schäden mit Finanzgeschäften angerichtet. Bei
einigen wie bei Bernard Madoff
oder Jérôme Kerviel ging es um
Milliarden. Die Zahl der Geschädigten geht in die Tausende. Einige spektakuläre Fälle:
lich in die Höhe getrieben und
dann mit großen Gewinnen verkauft haben.
Januar 2005: Der Betrug der Frankfurter Firma Phoenix Kapitaldienst fliegt auf. Das Unternehmen hatte seit Anfang der 1990er
AP/LAURENT CIPRIANI
Jetzt muss er hinter Gitter und 180 000 Jahre lang Strafe zahlen
und Herren, es geht für Sie genau
wie für die Kunden darum, die Marge zu finden… Wo ist sie denn hin,
die Marge? Da nicht … Da auch nicht
… Ah! Sie ist in meiner Tasche!’ Hysterisches Gelächter.“
Der Finanzsektor scheint Betrüger und Zocker geradezu anzuziehen. Immer wieder brachten Händler und Manager mit gewagten Wetten an den Rand des Ruins oder sogar darüber hinaus. Der Engländer
Nick Leeson ruinierte in den
■ Die Höhe des Strafgelds entspricht
Neunzigerjahren die traditigenau dem Verlust, den Kerviel im
onsreiche britiJahr 2008 verursacht hatte
sche Handelsbank Barings mit
Ganzes an: Es sei eine vollkommen Handelsverlusten von 1,4 Milliarden.
von der Realität abgekoppelte Sphä- Dollar. Er wurde dafür 1995 in Singare, die „Kapitel aus denjenigen pur zu sechseinhalb Jahren Haft verschlägt, die darin arbeiten, das sie urteilt. Er erhielt für jede verzockte
aber bedenkenlos fallen lässt, wenn Milliarde 4,7 Jahre Gefängnis. Japans
sie versagen.“ En detail schildert er bekanntester Schurkenhändler Yazahlreiche Auswüchse: Seinen Dar- suo Hamanaka büßte jede Milliarde,
stellungen zufolge lud die Bank aus- die er verspielte, mit drei Jahren ab.
gewählte Händler zu Lustwochen- Bei Kerviel, der mehr Minus machte,
enden ein. Der Alkohol floss in Strö- als jeder andere Händler, betrug das
men und Stars boten ein Unterhal- Strafmaß umgerechnet ein halbes
Jahr pro Dollarmilliarde.
tungsprogramm für teures Geld.
Kein Trader war Bernard Madoff,
Bei solchen Anlässen hätten die
Risikomanager, die eigentlich dafür der in Geschichtsbücher als der
zuständig sind, für Disziplin zu sor- größte Finanzbetrüger eingeht: Der
gen, durchblicken lassen, dass die Fi- leutselig wirkende Amerikaner baunanzmarkt-Regularien nicht allzu te ein 65 Milliarden Dollar schweres
ernst zu nehmen seien. „Die Chefin Schneeball-System auf: Statt das ihm
der Risikoabteilung, die wissen anvertraute Geld zu investieren,
musste, wovon sie sprach, sang leise brachte er es im großen Stil durch.
und verführerisch: ‚Die Risiken, die Er besaß mehrere Luxusappartewir eingehen, liegen jenseits aller ments, unter anderem am New YorGesetze…’“ So ist es in seinem Buch ker Central Park, und lebte in Saus
zu lesen. An einer anderen Stelle be- und Braus. Madoff schädigte die Anschreibt er den Sketch eines Chef- leger, darunter viele Prominente, um
verkäufers der Bank in einem Hüt- die unglaubliche Summe von insgechenspiel: „‚Sehr verehrte Damen samt 20 Milliarden Dollar. Im Jahr
lichkeiten und Lücken im Kontrollsystem der Société Générale. Kerviel
selbst hatte stets darauf beharrt, mit
Billigung seines Arbeitgebers gehandelt zu haben. Seine Vorgesetzten
hätten solange beide Augen zugedrückt, wie er mit seinen gewagten
Transaktionen Gewinne machte.
In seinen jetzt auch auf deutsch
erschienen Memoiren „Nur ein Rad
im Getriebe“ klagt Kerviel den Zynismus eines Finanzsystems als
2009 wurde er dafür zu 150 Jahren
Gefängnis verurteilt. Während andere Milliardenbetrüger im Luxus
schwelgten, führte Kerviel ein eher
bescheidenes Leben. Seine Mutter
betrieb bis zu ihrer Pensionierung
einen Friseursalon in Pont l’Abbé, einem malerischen Ort in der Bretagne. Sein Vater, ein Kunstschmied,
arbeitete bis zu seinem Tod als Ausbilder in einer Lehrlingswerkstatt.
Elitäre
Wirtschaftshochschulen
blieben dem einst pummeligen jungen Mann, den Mitschüler als Teenager „Doppelzentner“ nannten, verschlossen und so musste er an den
weniger renommierten Universitäten von Nantes und Lyon studieren.
Als Aktienhändler lebte Kerviel
stets bescheiden in einer kleinen
Wohnung in einem Pariser Vorort.
Von seinen Bonuszahlungen kaufte
er sich weder einen Porsche noch
maßgefertigte Anzüge, sondern einen kleinen weißen Hund. „Mister
Nobody“ spöttelten damals einige
seiner Kollegen über ihn. Zumindest
das dürfte sich geändert haben. Und
die Hollywood-Verfilmung dürfte
ziemlich sicher kommen.
Ausgespielt
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Der frühere Wertpapierhändler Jérôme
Kerviel muss 4,9
Milliarden Euro
erstatten. Das Video
zum Urteil.
Folgen Sie
Michael Bee
auf Twitter
twitter.com/wk_bee
Juni 2009: Der US-Milliardenbetrüger Bernard Madoff wird von
einem Gericht in New York zu 150
Jahren Gefängnis verurteilt. Der
Ex-Broker hatte mit einem rund 65
Milliarden Dollar (46 Milliarden
Euro) schweren Schneeball-System beim bis dahin größten Betrugsfall der Finanzgeschichte
weltweit tausende Anleger geschädigt.
Februar 2009: US-Behörden decken
den Milliarden-Schwindel um die
texanische Stanford International
Investment Bank auf. Nach Angaben der US-Börsenaufsicht SEC
soll Robert Allan Stanford mit seiner Bank Anleger um rund acht
Milliarden Dollar (6,3 Milliarden
Euro) geprellt haben. Im Juni wird
Stanford festgenommen.
Januar 2009: Die spanische Polizei
hebt eine Betrügerbande aus, die
an der Londoner Börse 450 Millionen Euro erschwindelt haben soll.
Die Bande soll über fünf Jahre die
Aktienkurse einer Scheinfirma
mit komplizierten Transaktionen
und gefälschten Papieren künst-
AFP/JACQUES DEMARTHON
Dezember 2009: Der Milliardär und
Hedgefonds-Chef Raj Rajaratnam
wird in New York wegen Betrugs
und Verschwörung angeklagt. Zusammen mit 21 Komplizen soll er
durch Insider-Geschäfte bei großen Firmenzusammenschlüssen
laut US-Börsenaufsicht SEC illegale Gewinne von 53 Millionen
Dollar (36 Millionen Euro) eingestrichen haben. Unter anderem
ging es um Aktien von IBM, Google und der Hilton- Hotelkette.
Jérôme Kerviel betrog das französische
Institut Société Générale
Jahre mit Hilfe gefälschter Unterlagen Wertpapiergeschäfte vorgetäuscht und Anleger so um insgesamt gut 600 Millionen Euro geprellt. Zwei Ex-Manager werden
2006 zu mehrjährigen Haftstrafen
verurteilt.
Juni 2002: Ein Bilanzbetrug des
zweitgrößten USA-Anbieters von
Ferngesprächen WorldCom im
Umfang von 3,85 Milliarden Dollar
(3,97 Milliarden Euro zum damaligen Wechselkurs) erschüttert
weltweit die Börsen. Im August
gibt das zahlungsunfähige Unternehmen zusätzliche Falschbuchungen in Höhe von 3,2 Milliarden Euro zu. Im März 2005 wird
Ex-WorldCom-Chef Bernard Ebbers in New York wegen Betrugs
zu einer Gefängnisstrafe über 25
Jahre verurteilt.
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POLITIK
Der Südflügel des Bahnhofs bleibt
Das bayerische Kabinett tagt heute
über die Münchner Bewerbung
um die Olympischen Winterspiele
2012. Zum einen wollen die Minister über das Bewerbungsbuch
beraten, das im Januar beim Internationalen Olympischen Komitee
abgegeben werden muss. Zum
anderen soll ein Olympia-Gesetz auf
den Weg gebracht werden.
Folgen Sie
Fabian Gartmann
auf Twitter
twitter.com/wk_gartmann
POLITIK KOMPAKT
BAFÖG-ERHÖHUNG
Zwei Prozent mehr Geld
Die vom Bundestag beschlossene
Bafög-Erhöhung um zwei Prozent ist nahezu perfekt. Im Vermittlungsausschuss einigten sich
die Vertreter von Bundestag und
Bundesrat gestern Abend in
Berlin auf einen Finanzierungskompromiss. Das teilte die CDUBundestagsabgeordnete Antje
Tillmann, als Mitglied des Vermittlungsausschusses, im Anschluss an die Sitzung mit.
ENTWICKLUNGSHILFE
Niebel erhöht Aids-Hilfen
DPA/MARIJAN MURAT
Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hat versprochen, den
Kampf gegen die Krankheiten
Aids, Malaria und Tuberkulose,
in den nächsten drei Jahren weiterhin mit 600 Millionen Euro zu
unterstützen. Eine entsprechende Zusage machte Niebels Ministerium auf einer internationalen
Konferenz in New York. Niebel
fordert eine Erhöhung seines
Etats um 400 Millionen Euro, was
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bisher ablehnt. Die
Zusage, die Arbeit der Hilfsorganisation Global Fund, die
den Kampf gegen die drei Krankheiten organisiert, weiterhin zu
unterstützen, stammt nicht von
Niebel, sondern von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Niebel
knüpfte die Zusagen noch an die
Zustimmung des Bundestags.
BANKER
Grenze für Banker-Boni
Die schwarz-gelbe Koalition will
sich noch diese Woche auf einen
Gesetzentwurf zur Begrenzung
der Boni von Bankern staatlich
kontrollierter Kreditinstitute
einigen. Der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, HansPeter Friedrich, sagte gestern in
Berlin, es solle eine schnelle
Einigung über die verschiedenen
Vorschläge aus Kabinett und
Fraktionen geben. Die Koalition
will damit verhindern, dass Mitarbeiter solcher Banken unterhalb der Vorstandsebene mehr
als 500 000 Euro verdienen.
Landesregierung macht Zugeständnisse bei Stuttgart 21 – Polizei räumt Fehler ein
VON HANNELORE CROLLY
Stuttgart – Entschärfen, deskalieren, beruhigen, befrieden: So oft
wie in den letzten Tagen hat Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus diese Wörter
sicher noch nie in den Mund genommen. Seit dem Gewaltausbruch zwischen Polizei und Demonstranten am vergangenen
Donnerstag sagt der CDU-Landeschef fast gebetsmühlenartig, er
werde alles dafür tun, dass sich die
erhitzten Gemüter abkühlen und
„solche Bilder“ nie mehr wiederholen. Sogar zu einer Art Baustopp
hat sich Mappus durchgerungen:
Vorerst sollen keine weiteren Bäume im Schlossgarten oder Teile
des Bahnhofs fallen. Allerdings
möchte Mappus weder eine Entschuldigung für den Polizeieinsatz
geben, wie sie Gegner von Stuttgart 21 fordern, noch den kompletten Baustopp anordnen. Auch ein
Volksentscheid kommt für ihn
nicht in Frage. Er präsentierte gestern ein Gutachten des früheren
Verfassungsrichters Paul Kirchhof,
nach dem eine Volksbefragung
„verfassungswidrig“ wäre – denn
das Etatrecht des Landtags könne
ebenso wenig wie das Planungsrecht des Bundes Gegenstand einer solchen Befragung sein.
Die SPD wehrte sich umgehend
gegen die Einschätzung und warf
Kirchhof „Irrtum“ vor. Fraktionschef Claus Schmiedel unterstellte
Mappus, Angst vor einer Entscheidung des Volkes zu haben.
Gegner des Projekts haben mittlerweile eine Unterschriftensammlung gestartet, um über einen Volksentscheid die vorzeitige
Auflösung des baden-württembergischen Landtags zu erzwingen.
Am Montag Abend hatten erneut
bis zu 50 000 Menschen demonstriert. Wegen des Polizeieinsatzes
wurden auch zahlreiche Strafanzeigen gegen Polizisten und Polizeipräsident Siegfried Stumpf erstattet, der den Einsatz leitete.
Mappus will heute bei einer um
einen Tag vorgezogenen Regierungserklärung ein Paket an Maßnahmen vorlegen, um endlich einen Dialog zwischen Gegnern, Befürwortern und Bauherren zu ermöglichen. „Es kann schließlich
nicht Normalzustand sein, dass Sie
DPA/BERND WEISSBROD
TERMIN DES TAGES
Ein Protestplakat hängt vor der Baustelle des Stuttgarter Hauptbahnhofs
in Deutschland die Polizei brauchen, um eine Baustelle zu sichern“, sagte er und zeigte sich
überzeugt, dass seine Ideen „gar
nicht abgelehnt werden können.“
Über den Inhalt der Vorschläge
schwieg sich der 44-Jährige zwar
aus. Aber aus Unionskreisen verlautete, Mappus werde unter anderem wohl einen angesehenen Ver-
mittler einzuschalten versuchen.
Der
Bürgerrechtler
Joachim
Gauck, von FDP-Chef Guido Westerwelle ins Gespräch gebracht,
hatte aber bereits aus Zeitgründen
abgewinkt. Von den Landtags-Grünen war die Personalie des ehemaligen CDU-Generalsekretärs Heiner Geißler aufgebracht worden.
Doch es ist unklar, ob es tatsäch-
McAllisters halber Fehlstart
lich auf den immerhin schon 80Jährigen hinausläuft.
Den Abriss-Stopp am Südflügel
des denkmalgeschützten Bahnhofs
will Ministerpräsident Mappus
nun als ein „deutliches Signal“ an
seine Bereitschaft sehen, auf die
Bürger zuzugehen. Es wäre
schließlich einfacher und billiger
gewesen, die Abrissarbeiten einfach weiterführen zu lassen, so
Mappus. Der Nordflügel wurde
bereits im Sommer niedergerissen.
Umwelt- und Verkehrsministerin
Tanja Gönner (CDU) versicherte
zugleich, dass vorerst keine Bäume
mehr im Schlossgarten gefällt werden. Dies gilt jedoch nicht für die
80 Bäume rund um den Nordflügel: Sie sollen wie geplant bis Februar fallen. Grünen-Chef Cem
Özdemir begrüßte den Abrissstopp als Zeichen, dass beide Seiten ins Gespräch kommen könnten.
Über die Eskalation im Stuttgarter Schlossgarten am 30. September zeigte sich Mappus „tief betroffen“. Er könne bisher aber keine Fehler beim Polizeieinsatz erkennen. Allerdings habe er auch
selbst keinerlei Erfahrungen mit
Demonstrationen und hätte sich
„nicht vorstellen können, wie sich
so etwas abspielt“. Er habe als Ministerpräsident auch mit dem Einsatz nichts zu tun gehabt und überhaupt erst am Nachmittag des Vortages davon erfahren. Zu keinem
Zeitpunkt des Einsatzes habe die
Polizei bei der Regierung oder einzelnen Minister „nachgefragt“,
was zu tun sei, stellte Mappus klar.
„Das Operative ist und bleibt Sache der Polizei.“
Zuvor hatte die Führung der
Stuttgarter Polizei versucht, mit
Videoaufnahmen zu belegen, dass
ausschließlich die Demonstranten
die Schuld an dem Gewaltausbruch hatten. Der „massive Widerstand“ der Projektgegner habe erst
dazu geführt, dass die Polizei Pfefferspray,
Wasserwerfer
und
Schlagstöcke habe einsetzen müssen, sagte Inspekteur Dieter
Schneider. Polizeipräsident Siegfried Stumpf räumte allerdings
Fehler ein. So habe das massive
Auftreten der Demonstranten die
Polizei überrascht. „Ich hätte nie
gedacht, dass uns so starker Widerstand entgegenschlägt.“
Niedersachsens Ministerpräsident zieht Bilanz nach 100 Tagen
Uni Tübingen will
als erste Lehrer für
Islam ausbilden
Hannover – Niedersachsens
Ministerpräsident
David
McAllister (CDU) sieht sein
Land auf einem guten Kurs.
Seit seinem Amtsbeginn habe er auf „Kontinuität und
Verlässlichkeit“ gesetzt, sagte McAllister am Dienstag in
einer Bilanz in Hannover.
Am Freitag ist der 39-Jährige
als jüngster Ministerpräsi- David McAllister – hier auf Indien-Reise –
dent Deutschlands genau zieht nach 100 Tagen im Amt Bilanz
100 Tage im Amt – als Nachfolger von Christian Wulff, der weniger Fastfood nennt er als
Bundespräsident wurde.
Gründe. Auch im Landtag ist
Fünf Kilo hat McAllister nach ei- McAllister seither ein anderer:
genen Angaben abgenommen, Der Politiker der Kategorie „Attamehr Termine, mehr Stress und cke“, der er als Fraktionschef nicht
Stuttgart – Der erste Fachbereich
für Islam an einer deutschen Universität soll im Wintersemester
2011/12 in Tübingen seine Arbeit
aufnehmen. Im Januar hatte der
Wissenschaftsrat die Ausbildung
von Imamen und Religionslehrern
empfohlen.
Bildungsministerin
Annette Schavan (CDU) sagte, für
sie gehöre dieser Schritt „zu einer
überzeugenden Integrationspolitik in modernen Gesellschaften“.
Die Entscheidung für Tübingen
überrascht nicht, da katholische
und evangelische Theologie, sowie orientalische und arabische
Sprachen zur Spezialität der Universität gehören.
DPA/MARCO HADEM
4
* M I T T W O C H , 6 . O K T O B E R 2 010
nur am Rednerpult des Landtags
war, ist sichtlich und hörbar bemüht, diplomatischere Töne anzuschlagen. „Ironie, Spott und Sarkasmus sind nur bedingt geeignet
für einen Ministerpräsidenten. Daran muss ich noch arbeiten“, sagte
McAllister gestern.
Die Opposition im Landtag sieht
McAllisters 100-Tage-Bilanz als
„glanzlosen Zwischenbericht einer Übergangsregierung“, urteilt
Grünen Fraktionschef Stefan Wenzel. Auch SPD-Fraktionschef Stefan Schostok ist enttäuscht. Sowohl in der Schul- als auch in der
Umweltpolitik habe McAllister eine „schwache Figur“ abgegeben.
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POLITIK
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2008 waren mehr zehn bis 15-jährige Mädchen wegen Alkoholvergiftungen in Behandlung als gleichaltrige Jungs
Mädchen trinken mehr als Jungen
Junge Frauen hängen Männer beim Alkohlkonsum ab – Der Rausch wird inszeniert
VON CHRISTINE KENSCHE
Berlin – Trinken bis der Arzt
kommt: Das „Komasaufen“ ist ein
Partyvergnügen Jugendlicher –
und offenbar vor allem bei Mädchen beliebt. 2008 wurden mehr
als 2400 Mädchen im Alter zwischen zehn- und 15 Jahren mit einer
Alkoholvergiftung im Krankenhaus behandelt. Die Fallzahl der
gleichaltrigen Jungen fiel um 300
niedriger aus. Dieses Ergebnis hat
die Jahrestagung „Alkohol – für
Frauen (k)ein Problem?“ in Berlin
publik gemacht.
„Lange Zeit sind wir davon ausgegangen, dass Alkoholabhängigkeit ein typisch männliches Problem ist“, sagte die Drogenbeauftragte
der
Bundesregierung,
Mechthild Dyckmans (FDP).
„Doch heute wissen wir, dass auch
ein relevanter Teil der Frauen davon betroffen ist.“ Das Bundesgesundheitsministerium hatte zum
ersten Mal Untersuchungen zum
Trinkverhalten von Frauen in Auftrag gegeben. „Ganz besonders erschreckend ist der Anstieg des Alkoholkonsums von Mädchen im
Alter von zehn bis 20 Jahren und
von Frauen von 40 bis 59 Jahren“,
so Dyckmans. 1,3 Millionen Menschen in Deutschland sind alkoholabhängig.
Darunter
sind
370 000 Frauen.
Während der Konsum von Alkohol seit dreißig Jahren insgesamt
abnimmt, trinken immer mehr
Menschen exzessiv. Dagegen hat
das Gesundheitsministerium zwar
bereits Kampagnen gestartet. „In
unserer Studie zeigt sich aber, dass
die Jugendlichen davon nicht beeindruckt sind“, sagt Heidi Reinl
vom Tübinger Institut für frauenpolitische Sozialforschung.
Reinl hat das Trinkverhalten von
Jugendlichen im Alter von zwölf
bis 17 Jahren untersucht. „Die Jugendlichen wollen Spaß haben,
sich ausprobieren und experimentieren. Das passiert über das
Rauschtrinken“, erklärt Reinl.
Mädchen seien dabei niemals allein, sondern immer in der Gruppe.
Während Frauen hinter verschlossen Türen tränken, inszenierten sich die Mädchen öffentlich. „Darunter sind auch einige,
die sich darüber definieren, dass
Alkoholisierte Jugend
■ Im Jahr 2000 sind 9500 Zehnbis 20-Jährige wegen einer Alkoholvergiftung behandelt worden, acht
Jahre später 25 700, ein Anstieg
um 170 Prozent. Der Anteil der
volltrunkenen Mädchen nahm dabei
zu: Alkoholvergiftungen stiegen in
der Gruppe der Zehn- bis 15-Jährigen zwischen 2008 und 2009 um
22 Prozent. Bei den Jungen dagegen
um 19 Prozent. 80 Prozent der
Mädchen im Alter von 14 Jahren
hätten „Trunkenheitserfahrungen“
gesammelt.
sie viel trinken – was sonst eher als
ein männliches Verhalten gilt.“ Die
Jugendlichen wollten einen „kontrollierten Kontrollverlust erleben“. Gerade Mädchen passten dabei gut aufeinander auf – was jedoch nicht immer gelingt.
„Offensichtlich greifen die Kontrollen des Jugendschutzgesetzes
oftmals nicht so, wie wir es uns
wünschen“, erklärt Dyckmans.
Doch auch bei älteren Frauen
nimmt das Problem immer mehr
zu: Jede Fünfte der 45- bis 54-Jährigen trinkt mehr als zwölf Gramm
reinen Alkohol am Tag – ein gesundheitsgefährdendes Verhalten.
„Besonders erstaunlich ist, dass
Akademikerinnen viel häufiger
trinken als Frauen aus den unteren
Bildungsgruppen“, so die Drogenbeauftragte. Die Gründe dafür sind
noch nicht erforscht.
Dyckmans kündigte an, Prävention und Suchthilfen für Frauen
künftig einen höheren Stellenwert
als bisher zu geben.
Berlin – Wer öffentliche Gelder für
den Kampf gegen Rechtsextremismus bezieht, sollte selbst das
Grundgesetz achten. Was wie eine
Selbstverständlichkeit klingt, hat
zu einem heftigen Streit zwischen
dem Familienministerium und Initiativen gegen Rechts geführt.
Auslöser war der Plan von Familienministerin Kristina Schröder
(CDU), künftig von jedem, der
sich neu um Fördergelder bewirbt,
eine schriftliche „Bestätigung“ zu
erbitten, dass er auf dem Boden
des Grundgesetzes stehe. Schröder verteidigte gestern im Gespräch mit WELT KOMPAKT ihr
Vorhaben: „Wer damit schon ein
Problem hat, der demaskiert sich
selbst.“ Damit widerspricht sie
Kritik von Grünen und Linken, die
durch die Bestätigung der Verfassungstreue „das bürgerliche Engagement insgesamt“ gefährdet sahen. Diese Argument weist die Familienministerin zornig zurück:
„Wer würde denn allen Ernstes einem bekennenden Pyromanen ein
Feuerzeug in die Hand drücken,
nur weil der sich auch bei der freiwilligen Feuerwehr engagiert? Genauso wenig werden wir extremistische Gruppen unterstützen, nur
weil sie sich auch gegen andere Extremisten wenden.“
Hintergrund des Streites ist eine
Neuordnung der Fördergelder, die
Schröder gerade vornimmt, die
Bekämpfung von Rechts- und
Linksextremismus künftig gleichermaßen finanziell zu fördern.
Ihr Haushaltsentwurf für 2010, der
noch vom Bundstag verabschiedet
werden muss, sieht fünf Millionen
Euro für die Förderung von Initiativen gegen Linksextremismus
und islamischen Extremismus vor.
Initiativen gegen Rechts sollen 24
Millionen bekommen – so viel wie
im Vorjahr.
DAPD/TIMUR EMEK
SUPERBILD/INCOLOR
Schröder: „Dem
Pyromanen kein
Feuerzeug geben“
Familienministerin Schröder (CDU) will
Initiativen gegen Rechts überprüfen
Christian Wulffs Versuch überparteilich zu sein
Unionspolitiker kritisieren den Bundespräsident für seine Worte zum Islam – die Opposition unterstützt ihn
Zwölf Wörter zählt der Satz, der
Kritik an Bundespräsident Christian Wulff hervorruft. Er lautet:
„Aber, meine Damen und Herren,
der Islam gehört inzwischen auch
zu Deutschland.“ Wulff hatte diesen Satz während seiner Rede zum
20-jährigen Jubiläum der Vereinigung Deutschlands ausgesprochen. Vertreter von Islamverbänden lobten daraufhin die Worte
des Staatsoberhauptes. Einzelne
Unionspolitiker indes äußern nun
Bedenken. Die „Bild“-Zeitung erkennt darin eine „Riesen-Diskussion“. Der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach sagte der „Bild“-Zei-
REUTERS/MICHAEL DALDER
VON D. F. STURM UND T.
VITZTHUM
Die eigene Partei kritisiert Bundespräsident Christian Wulff (CDU)
tung: „Zwar ist der Islam inzwischen Teil der Lebenswirklichkeit
in Deutschland, aber zu uns gehört
die christlich-jüdische Tradition.“
Hans-Peter Uhl (CSU) konstatierte, was Wulff kaum bezweifelt:
„Grundgesetz geht vor Scharia.“
Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hingegen stellt sich hinter den Bundespräsidenten, ebenso wie Vertreter
der Opposition.
Was aber hatte der Bundespräsident genau gesagt – und was war
sein Anliegen jener Rede zum
3. Oktober?
Wulff verlangte einerseits ein
„Verständnis von Deutschland“
jenseits von Pass, Familiengeschichte und Glauben. Andererseits konstatierte er recht unpräzise: „Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Ju-
dentum gehört zweifelsfrei zu
Deutschland. Das ist unsere christlich-jüdische Geschichte.“ Es folgte der strittige, oben zitierte Satz.
Wulff differenzierte also nicht
zwischen der – ebenso zweifelsfreien – kulturellen Prägung
Deutschlands durch eine christlich-jüdische Tradition und dem
wesentlich
unverbindlicheren
Hinweis, dieses oder jenes „gehöre“ zu Deutschland.
Aber ebenso wenig hat Wulff behauptet, Deutschland werde seit
Jahrhunderten maßgeblich vom Islam geprägt, was auch grober Unfug wäre. Fragwürdig ist bei alldem Wulffs Verengung von Migranten auf deren teilweise Zugehörigkeit zum muslimischen
Glauben. Mit seinem Hinweis, er
verstehe sich als „Präsident aller
Menschen, die hier in Deutschland
leben“, hat Wulff ein Verständnis
seines Amtes geschildert, das wohl
alle Bundespräsidenten miteinander verbindet. Es ist jedenfalls keine Äußerung, etwa seines Vorgängers Horst Köhlers bekannt, demzufolge er sich nur als Bundespräsident
aller
deutschen
Staatsbürger – oder aller Volljährigen verstünde. Johannes Rau verstand sich explizit als Präsident aller in Deutschland lebenden Menschen. Immer wieder verwies er
darauf, in Artikel 1 des Grundgesetzes heiße es, die Würde des
Menschen – und nicht: die Würde
des Deutschen– sei unantastbar.
W E LT K O M PA K T
6
M I T T W O C H , 6 . O K T O B E R 2 010
POLITIK
Donner über Waziristan
Hunderte Europäer rüsten sich in Pakistan für den „Heiligen Krieg“ – Die Nato schickt tödliche Drohnen
dass Zeit zur Identifizierung der
Leichen bliebe.“ In der Tat waren
die Terroristen nach Angaben der
Bewohner bemüht, schnell und diskret den Ort des Anschlags abzuriegeln und die Leichen zu begraben.
Dennoch: Terroristen mit EUPässen, die nicht vorbestraft sind
und frei reisen können, sind der
Albtraum westlicher Sicherheitsbehörden. Die Führung des Terrornetzwerkes al-Qaida setzt besonders gern auf diese „home-grown“Rekruten, solche also, die in den
Zielländern aufgewachsen, sozialisiert und nicht straffällig worden
sind. Mehr als 200 europäische Militante aus Deutschland, Schweden,
Frankreich und Großbritannien
sollen sich unter dem Kommando
eines Libyers („Ahmed“) dort aufhalten.
Die getöteten angeblich deutschen Terroristen sollen nach pakistanischen Angaben der Islamischen Dschihad-Union (IJU) angehören, einer 2002 gegründeten Terrorgruppe, die Muslime in
Zentralasien und Europa rekrutiert.
500 Kämpfer soll die IJU haben,
darunter mehr als 60 türkischstäm-
Ein US-Soldat hält
Wache auf einem
Hügel in der afghanischen Region
Khost. In der Ferne
liegt Waziristan – die
pakistanische Brutstätte des Terrors.
Sicherheitskräfte
haben Fotos und
Ausweise (kleines
Bild) von Islamisten
in Südwaziristan
beschlagnahmt
mige sowie zum Islam konvertierte
Deutsche. Ihr Hauptquartier liegt
in der Region Mir Ali, ebenso wie
weit abgelegene Unterkünfte und
Trainingslager ohne Straßenzugang. 2008 kündigte der aus Bayern
stammende türkischstämmige Islamist Cüneyt C. in einem IJU-Video
an, mit einem Selbstmordanschlag
sein Leben „für die Ehre des Islam“
zu opfern. Er riss vier Afghanen in
der Provinz Khost mit in den Tod.
Wenige Monate später drohte der
Konvertit Eric Breininger mit Anschlägen in Deutschland.
Der vom US-Geheimdienst CIA
forcierte Drohnenkrieg scheint eine Reaktion auf diese amorphe Bedrohung zu sein: Allein 22 Raketenangriffe mit Drohnen, die von den
Einheimischen „bangana“ (Donner) genannt werden, weil ihre
Hellfire-Geschosse apokalyptische
Zerstörung in die Dörfer bringen,
waren im September zu verzeichnen – sie töteten etwa 100 Menschen. Das ist die höchste Monatsquote der vergangenen sechs Jahre.
Mit „Bangana“ konnten in den vergangenen Jahren rund 24 Feldkommandeure des Al-Qaida-Chefs Osama Bin Laden getötet werden. Jetzt
Aufklären, erfassen, zerstören
■ Drohnen sind unbemannte Fluggeräte (Unmanned Aerial Vehicles,
UAV) und gehören zum Arsenal der
Streitkräfte vieler Länder. Die
Mini-Flugzeuge sind mit modernster
Elektronik ausgestattet und können
unterschiedliche militärische Aufgaben übernehmen. Das Spektrum
reicht von der Überwachung bis zu
gezielten Angriffen auf Personen.
Drohnen werden aus großer Entfernung gesteuert und können
einen Tag oder länger in der Luft
bleiben.
■ Die unbemannten Fluggeräte
werden gegenwärtig im Afghanistan-Krieg und in der jüngsten
Vergangenheit verstärkt auch zur
Bekämpfung von Terrorgruppen
eingesetzt.
SWAT-TAL
AFGHAN.
PAKISTAN
INDIEN
DPA/EPA/NICOLAS ASFOURI
Plötzlich soll es gefährlich sein,
nach Deutschland, Großbritannien
oder Frankreich zu reisen. Die europäischen Nachbarn, Australien
und die USA raten ihren Bürgern zu
erhöhter Wachsamkeit, wenn sie
die drei europäischen Kernstaaten
bereisen. Die Dramatik der Warnungen steigt in dem Maße, in dem
der Krieg in Afghanistan und den
pakistanischen Stammesgebieten
eskaliert: Drohnenangriffe auf islamistische Ausbildungslager, Taliban-Attacken auf Nato-Nachschubwege, der Versuch der islamistischen Fanatiker, den Konflikt in die
Entsendeländer der alliierten
Truppen zu exportieren – alles
hängt miteinander zusammen. Alles ist von Reaktion und Gegenreaktion geprägt und scheint auf einen Kulminationspunkt zuzusteuern, der sich eine andere Bühne
sucht als die weitgehend recht- und
gesetzlosen Stammesgebiete im
Grenzgebiet zwischen Afghanistan
und Pakistan, dem letzten „sicheren Hafen“ von al-Qaida und Taliban.
Die radikalislamischen Terrornetzwerke wollen ihren Dschihad,
ihren als „Heiligen Krieg“ verklärten Kampf gegen westliche Grundwerte und Lebensentwürfe wie
schon am 11.September 2001 in die
Heimat der Feinde tragen. Das zumindest vermuten westliche Geheimdienste und nennen potenzielle Anschlagsziele: Eiffelturm und
Notre Dame in Paris, das Hotel Adlon, der Fernsehturm und der
Hauptbahnhof in Berlin, Big Ben in
London. Ihr Kronzeuge: Ahmed Sidiqi, ein deutscher Islamist afghanischer Herkunft aus Hamburg, der
in US-Haft im afghanischen Lager
Bagram sitzt und offenbar alles
über Pläne und Personen ausplaudert, was er weiß.
Wie realistisch ist das? Bis zu
acht islamistische Terrorkämpfer
mit deutschen Pässen sollen in der
Ortschaft Mir Ali rund 20 Kilometer östlich der Stadt Miranshah im
pakistanischen Nordwaziristan bei
einem Drohnenangriff ums Leben
gekommen sein. Einwohner berichteten, zwei Raketen hätten das
Haus von Sher Maula Khan getroffen, einem Taliban-Sympathisanten, der deutschen Kämpfern Unterschlupf gewähre. Er selbst war
im Juni gemeinsam mit dem Hamburger Islamisten Rami M. von pakistanischen Polizisten festgenommen worden.
Andere Dorfbewohner berichteten, sie hätten die Leichen nach
dem Angriff gesehen und könnten
bestätigen, dass es sich um Ausländer gehandelt habe. Lokale Politiker und pakistanische Geheimdienstler bestätigen die Angaben,
während ein hoher Offizier des pakistanischen Militärgeheimdienstes ISI gegenüber WELT KOMPAKT skeptisch bleibt: „Da sitzt ein
Deutsch-Afghane im Gewahrsam
der CIA in Afghanistan und erzählt
etwas von acht Kämpfern mit deutschem Pass in Waziristan. Und kurze Zeit später sollen acht Menschen
von einer Drohne getötet worden
sein, und schon wenige Minuten
später weiß alle Welt, dass es Deutsche waren. Überlegen Sie mal, wer
das so schnell wissen kann – ohne,
GETTY IMAGES/JONATHAN SARUK
VON DIETRICH ALEXANDER,
D.-D. BÖHMER UND S. BOLZEN
120 km
Khyber-Pass
Peshawar
Islamabad
NORDWASIRISTAN
Mir Ali
STAMMESMiramshah
GEBIETE
SÜDNORDWESTWASIRISTAN TERRITORIEN
Torkham
Quelle: ICOS
hat es die CIA vor allem auf die
Führer des Haqqani-Netzwerkes
abgesehen, einem Ableger der afghanischen Taliban, der von NordWaziristan aus operiert und zum
Hauptgegner amerikanischer Soldaten in der unwegsamen Grenzregion geworden ist.
Unumstritten ist die Wirkung
der Drohnen, umstritten hingegen
ihre Präzision und damit die Langzeitwirkung: Es werden auch Zivilisten getötet. Und es liegt die Vermutung nahe, dass in ihren Familien eine neue, noch gewaltbereitere
Generation von Terroristen heranwächst, die vom stärksten Motiv
für Mord getrieben wird: Rache.
„Möglicherweise werden wir
auch in Nord-Waziristan eingreifen“, so der ISI-Offizier, „aber zu einem Zeitpunkt und unter Bedingungen unserer Wahl. Wir lassen
uns nichts diktieren.“ Zurzeit seien
die pakistanischen Truppen in der
seit über einem Jahr andauernden
Offensive gegen die Taliban im
Nordwesten des Landes überdehnt.
Zudem seien noch immer zahlreiche Soldaten in die Flutbekämpfung eingebunden. Die Amerikaner
seien einfach ungeduldig. „Sie glauben, dass Nord-Waziristan von strategischer Bedeutung für den Krieg
in Afghanistan sei. Das glauben wir
nicht. Das eigentliche Problem
liegt in Afghanistan.“
Tatsächlich fällt für Washingtons
Geostrategen im Grenzgebiet die
Entscheidung für die gesamte Region, und sie sind sich der vollständigen Zusammenarbeit mit dem pakistanischen Partner nicht immer
sicher. „Der ISI, den weder die
schwache Regierung noch das Militär wirklich kontrolliert, plant bereits für die Zeit, wenn Isaf aus Afghanistan abzieht“, warnt ein britischer Pakistan-Experte. Die Folge
könnte ein Flächenbrand sein, der
sogar Pakistans Erzfeind Indien mit
in den Konflikt zöge. Das ist nicht
nur den Amerikanern klar, sondern
zunehmend auch der Nato-geführten Isaf-Truppe – die schon längst
Teil des Konflikts zwischen Washington und Islamabad geworden
ist. Das Verhältnis zwischen Isaf
und Pakistan hat sich rapide verschlechtert, seit Nato-geführte
Kampfeinsätze von US-Kampfhubschraubern im Grenzgebiet geflogen wurden, bei denen drei pakistanische Soldaten getötet wurden.
Islamabad sperrte aus Protest
den Khyber-Pass, die wichtigste
Nachschubroute für die rund
130 000 in Afghanistan stationierten internationalen Soldaten. Mindestens 200 Lastwagen, viele davon
Tanker, hängen seither in Pakistan
fest – und werden von Aufständischen angegriffen. Seit der Schließung des Übergangs am vergangenen Donnerstag hat es fünf Anschläge auf den Lkw-Konvoi gegeben. „In jedem Krieg sind die
Nachschublinien der verletzlichste
Teil des Gegners. Wenn man wirklich schaden will, dann greift man
dort an“, sagt dazu der anonym
bleiben wollende ISI-Offizier.
Es wächst nicht zuletzt deshalb
die Bereitschaft der Nato, auf politischen Konfrontationskurs mit Islamabad zu gehen. „Die Isaf wird
ihre Operationen keinesfalls nach
Pakistan tragen“, erklärt Isaf-Sprecher Josef Blotz. „Aber wir haben
ein Recht auf Selbstverteidigung.“
M I T T W O C H , 6 . O K T O B E R 2 010 *
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POLITIK
7
POLITIK KOMPAKT
USA
Attentäter verurteilt
Wegen des versuchten Bombenanschlags am Times Square in
New York hat ein US-Gericht den
Angeklagten Faisal Shahzad gestern zu lebenslanger Haft verurteilt. Der aus Pakistan stammende US-Bürger Shahzad hatte zuvor
gestanden, Anfang Mai eine selbst
gebaute Autobombe am Straßenrand deponiert zu haben.
NORDIRLAND
Großbritanniens Finanzminister George Osborne verkündete auf dem Parteitag der Torries herbe Einschnitte im Sozialsystem – auch für die Mittelschicht
Im Namen der Fairness
Großbritanniens Regierung will Besserverdienern das Kindergeld streichen
Birmingham – Das Grollen ist
schon zu hören, die Stromschnellen rücken heran: Die britischen
Konservativen streichen den Besserverdienenden das Kindergeld –
denen, die umgerechnet mehr als
50 000 Euro im Jahr verdienen!
Verschwunden ist plötzlich das abstrakte Reden über die drakonischen Etatkürzungen, die der
Schatzkanzler am 20. Oktober verkünden will. Jetzt schon geht es
los, der erste Sprengsatz wurde gezündet, ausgerechnet hier, auf dem
Parteitag der Tories. Da ist es kein
Trost, dass der Plan erst ab dem
Haushaltsjahr 2013 greifen soll; 1,2
Millionen Familien dürften von
ihm betroffen sein.
Hätte er mit der Ankündigung
nicht warten können bis zu dem
genannten Datum, dieser George
Osborne mit seinen unverschämt
jungen 39 Jahren? Und nicht schon
jetzt herauslassen, wie er beim
Umbau des Sozialstaates auch mit
der Mittelschicht verfahren wird?
Die Entrüstung in den Medien ist
einhellig. Aber der Schatzkanzler
kalkuliert psychologisch: Es macht
sich gut, wenn eine konservativ geführte Regierung nicht das tut, was
man ihr als Erstes zutraut beim
Umkrempeln des Sozialstaats –
hartherzig den Schlechtergestell-
■ „Wir
sitzen alle
im selben Boot“
Finanzminister George Osborne
ten der Gesellschaft noch ein wenig mehr von ihren sozialen Wohltaten zu kappen. Nein, er rückt
jetzt schon den „middle classes“
zu Leibe, dem Stimmenreservoir,
in dem die Tories eigentlich reiche
Beute machen, er will demonstrieren, was er in seiner Rede als Prinzip verkündet hatte: dass jene, die
mehr oder das meiste haben, auch
mehr von den kommenden Lasten
tragen müssten. „Das verlangt die
Fairness, denn wir sitzen alle im
selben Boot“, so sein Mantra.
Zum ersten Mal macht sich eine
Regierung in Europa ernsthaft da-
ran, den Sozialstaat radikal umzubauen und dabei auch die Mittelschicht nicht zu verschonen. Diese
werden demnächst in einem „Universal credit“-System zusammengefasst, in das alle Einzelwohltaten
münden sollen, von der
Mietbeihilfe über das
Arbeitslosengeld,
die
Pauschale für ledige
Mütter und den Heizkostenzuschuss.
Keine
Staatsunterstützung darf
dann noch mehr einbringen als der
Durchschnittsverdienst eines Arbeitnehmers. Zurück an die Arbeit,
so lautet die Devise.
Haben wir nicht immer wieder
als Glaubwürdigkeitstest der Politiker verlangt, dass sie dem Volk
reinen Wein einschenken über das,
was nicht mehr zu bezahlen ist?
Ein Drittel des gesamten britischen Haushalts, so rechnete der
Finanzminister in Birmingham
vor, geht inzwischen in den Sozialetat, von dem allzu viele Menschen ihr Auskommen beziehen,
ohne je in Berührung mit der Ar-
beitswelt geraten zu sein. Aber der
Mittelschicht wird die Kritik an
diesen Zuständen bald vergehen,
wenn auch sie zur Kasse gebeten
wird; das Kindergeld ist nur der
Anfang. Denn am laufenden Haushaltsdefizit von umgerechnet etwa
190 Milliarden Euro kommt niemand vorbei – und niemand an den
knapp 140 Millionen Euro, die täglich an Zinsen auf die Staatsschuld
abfließen.
Es ist ein Parteitag, wie es noch
keinen gab auf der Insel. Die Torries, die Partei, die sich einst als
die „National Party of Government“ bezeichnete – geboren, um
zu regieren – schlägt den Briten in
klaren Worten einen Deal vor, den
diese am 6. Mai gewählt haben: die
Wahlversprechen der konservativliberalen Koalition. Harte Einschnitte, um Großbritannien für
den internationalen Wettbewerb
fit zu machen. Mit den angekündigten Einsparungen im Sozialsystem wird sich manch ein Brite
wohl fragen, ob er das Kreuz richtig gesetzt hat.
Kim Jong-un
zeigt sich bei
Militärübung
Ohrfeigen aus dem Kreml
Seoul – Nach der Ernennung zum
General hat sich der Sohn und
mutmaßliche Nachfolger von
Nordkoreas Machthaber Kim
Jong-il erstmals öffentlich bei einer Militärübung gezeigt. Kim
Jong-un und sein Vater hätten eine
Einheit der Volksarmee besucht
und gemeinsam einer Schießübung beigewohnt, berichteten die
Staatsmedien am Dienstag. Es war
das erste Mal, dass die Medien des
kommunistischen Landes von einer gemeinsamen Reise der beiden
berichteten. Beobachter sehen darin die Bestätigung für die langsame Übernahme der Macht von
Kims 27-jährigem Sohn.
Moskau – Dmitri Medwedew hat
Spekulationen um ein Ende der autoritären Herrschaft des weißrussischen Präsidenten Alexander
Lukaschenko (56) angeheizt.
Überraschend scharf warf er Lukaschenko in einer Videobotschaft
auf seiner Internetseite vor, zwischen beiden Ländern Feindschaft
zu säen. „Präsident Lukaschenko
geht damit nicht nur weit über den
Rahmen des diplomatisch Zulässigen, sondern auch über den
menschlichen Anstand hinaus“,
sagte Medwedew. In Weißrussland
sind am 19. Dezember Präsidentenwahlen. In beiden Ländern kursieren Gerüchte, der Kreml wolle Lu-
PA/EPA/DMITRY ASTAKHOV
Moskau verliert die Geduld mit Weißrussland und Lukaschenko
Medwedew (r.) im Gespräch mit
Weißrusslands Diktator Lukaschenko
kaschenko nach 16 Jahren im Amt
loswerden. Der von Menschenrechtlern als letzter Diktator in Europa beschriebene Staatschef hatte
Moskau vergangene Woche vorgeworfen, ihn stürzen zu wollen. In
einer ungewöhnlich heftigen Kampagne kritisiert das russische
Staatsfernsehen seit Wochen Lukaschenko. Er sei ein Psychopath,
hieß es in einer Sendung. Auch unabhängige Beobachter sehen darin
mögliche Kreml-Pläne, Lukaschenkos Ende einzuläuten. Medwedews Sprecherin Natalia Timakowa sagte, das Verhältnis mit der
weißrussischen Führung sei in eine Sackgasse geraten. Dass Lukaschenko versuche, sich auf der
Grundlage einer „anti-russischen
Thematik“ eine neue Amtszeit zu
verschaffen, sei inakzeptabel.
Bei der Explosion einer Autobombe in Nordirland sind am
gestern Morgen in der Stadt Londonderry mehrere Gebäude beschädigt worden. Verletzt wurde
aber niemand, wie die Polizei
mitteilte. Als Urheber des Anschlags wurden IRA-Dissidenten
vermutet, die den Friedensprozess
ablehnen. Eine Stunde vorher ging
eine telefonische Warnung ein.
NIEDERLANDE
Wilders-Prozess geht weiter
Der Prozess gegen den niederländischen Rechtspopulisten
Geert Wilders wegen mutmaßlicher Hetze gegen Muslime wird
nicht abgebrochen. Ein Gericht in
Amsterdam wies gestern einen
Befangenheitsantrag der Anwälte
des Politikers gegen Richter Jan
Moor zurück. Dieser hatte gesagt,
dass Wilders dafür bekannt sei,
kühne Behauptungen von sich zu
AP/KOEN VAN WEEL
REUTERS/TOBY MELVILLE
Autobombenanschlag
geben, aber Diskussionen zu meiden. Die Staatsanwaltschaft wirft
Wilders vor, den Islam mit dem
Nationalsozialismus verglichen zu
haben. Ihm drohen bis zu zwölf
Monate Haft.
BIRMA
Suu Kyi gibt nicht auf
Birmas Oppositionsführerin Aung
San Suu Kyi geht gerichtlich gegen
die von der Militärjunta erzwungene Auflösung ihrer Partei vor.
Vor dem Obersten Gericht des
Landes reichte sie gestern Klage
ein. „Wir werden nicht aufgeben“,
sagte einer ihrer Anwälte. Suu
Kyis Nationale Liga für Demokratie hatte die letzten freien Wahlen
1990 mit großem Vorsprung gewonnen, die Junta erkannte das
Ergebnis aber nie an. Für November setzte die Militärführung
Wahlen an, bei denen Suu Kyi
nicht kandidieren darf. Da ihre
Partei den Urnengang boykottieren wollte, wurde sie aufgelöst.
SACK REIS
Russlands Regierungschef Wladimir Putin hat den sechs rauchenden Ministern des Kabinetts den
Griff zur Zigarette verboten. „Sie
gehen mit gutem Beispiel voran
und geben das Rauchen auf“, sagte
er. Leidtragender dürfte vor allem
Außenminister Sergej Lawrow
sein, der als Kettenraucher gilt.
W E LT K O M PA K T
8
KULTUR
CHARTS
Bücher
1.
2.
3.
4.
5.
* M I T T W O C H , 6 . O K T O B E R 2 010
Eat Pray Love
Elizabeth Gilbert
(Vorwoche: 4.)
Herbstmagie
Nora Roberts
(Vorwoche: 1.)
Leichenblässe
Simon Beckett
(Vorwoche: 3.)
Der Chinese
Henning Mankell
Vorwoche: 2.)
Verbrechen
Ferdinand von Schirach
(Vorwoche: 12.)
KULTUR KOMPAKT
Der Traum vom Oscar
Mindestens 55 Länder machen
sich Hoffnung auf einen Oscar in
der Kategorie „Bester ausländischer Film“. Für Deutschland
geht Feo Aladags EhrenmordDrama „Die Fremde“ am 27. Februar 2011 ins Rennen. Gute Chancen sieht das Branchenblatt „Variety“ auch für Mexikos Beitrag
„Biutiful“, eine mexikanischspanische Koproduktion von
Regisseur Alejandro Gonzalez
Inarritu mit Javier Bardem in der
Hauptrolle. Die Türkei schickte
seinen Berlinale-Gewinner „Honey“, Rumänien will mit dem Film
„If I Want to Whistle, I Whistle“
noch einmal sein Glück versuchen. Er hatte in Berlin den
Silbernen Bären gewonnen. Aladags „Die Fremde“ hatte beim
New Yorker Tribeca-Festival
abgesahnt.
Musik und Theater im Louvre
Der französische Film- und Theaterregisseur Patrice Chéreau (65)
wird im Museum Louvre Theater
und Musik aufführen. Als GastKurator hat das Pariser Haus dem
Regisseur bei der Programmgestaltung freie Hand gelassen.
Das Ergebnis: Mehrere Theaterstücke in den Louvre-Sälen, darunter die Neuinszenierung von
„Traum im Herbst“ des norwegischen Dramatikers Jon Fosse.
Türkei will Sphinx zurück
Der türkische Kulturminister
Ertugrul Günay hat Deutschland
ultimativ aufgefordert, die im
Berliner Pergamon-Museum
aufbewahrte Sphinx von Hattuscha zurückzugeben. Sonst werde
dem Deutschen Archäologischen
Institut die Lizenz für Grabungen
in Hattuscha entzogen, zitierte
die türkische Tageszeitung „Aksam“ den Minister bereits am
Montag. Deutsche Archäologen
hatten in Hattuscha, der Hauptstadt der Hethiter, vor mehr als
100 Jahren mit Grabungen begonnen. In Berlin steht noch eine
von zwei gefundenen Sphingen
aus Stein. Mehrere Medien hatten
über diese Forderung berichtet.
Weder die Stiftung Preußischer
Kulturbesitz noch das Auswärtige
Amt wollten sich gestern zu den
Forderungen äußern.
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Andrea Kolpatzik
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twitter.com/wk_kolpatzik
Die nächste Piaf
Et voilà: Die Sängerin ZAZ ist in ihrem Heimatland Frankreich
bereits ein Superstar – jetzt will sie Deutschland erobern
VON JULIA DOMBROWSKY
Wer an Frankreich denkt, denkt zugleich an Carla Bruni, Brigitte Bardot und Edith Piaf. ZAZ kommt in
dieser Liste nicht vor. Superstar
dort, kleines Licht hier. Unverdient.
So lässt sich die Sängerin ZAZ am
schnellsten beschreiben.
Will man dem Phänomen des
zierlichen Energiebündels aus
Tours näher auf den Grund gehen,
braucht es etwas länger. Ihr erstes
Album „ZAZ“ war wochenlang auf
Platz eins der französischen Charts
und steht seit dem 1. Oktober endlich auch in Deutschland in den Läden. Ihre Single „Je veux“ löste Begeisterung aus, die Franzosen kennen sie aus der Talentshow „Bleu/
Réservoir Generation“, in der sie als
Außenseiter startete und dank ihrer
rauchigen Stimme und ihrer jazzigen Musik als Siegerin hervorging.
Als eine französische Lena MeyerLandruth sieht sie sich trotzdem
nicht. „Ich bin schon mit vier Jahren
singend durch die Wohnung gesprungen und habe eine klassische
Musikausbildung“, betont Isabelle
Geffroy, so ihr bürgerlicher Name,
dann. Eine Musikerin mit mehr Substanz also. Und ihr Weg zum Erfolg
war lang. Die heute 30-Jährige hat
alle Tiefen eines romantischen
Künstler-Daseins bereits hinter
sich.
Nach ihrer Ausbildung kommt
nicht sofort der große Erfolg, sondern Auftritte in einem Pariser Kabarett. „Anderthalb Jahre lang trat
ich dort täglich von 23 Uhr bis 5 Uhr
Nachts auf, sang ohne Mikro in das
zweistöckige Gebäude hinein. Es
war höllisch anstrengend. Ich fühlte
mich irgendwann wie eine Beamte
der Musik.“ – anstatt ihre Ambitionen hier lebendig zu begraben,
zieht sie lieber auf die Straße. Und
spielt mit einem Kontrabassisten
und einem Gitarristen auf den Straßen von Montmartre für Almosen.
Ein hoher Kulturfunktionär wird
auf die damals 26-Jährige aufmerksam und bietet ihr an, eine Tournee
mit Edith Piafs größten Hits durch
Sibirien zu machen. „Natürlich sagte ich ja. Auf Staatskosten zu spielen
war doch super. Es waren Minus 25
Grad, ich habe noch nie so etwas
Kaltes erlebt. Ich spielte 13 Konzerte
in 15 Tagen und es kam so gut an,
dass ich im April noch mal wiederkam.“
Solche und ähnliche Geschichten
hat ZAZ viel zu erzählen, die machen sich ja auch gut, wenn man als
unkonventionelle Zigeunerprinzessin auftritt, wie die Sängerin es tut.
Sie trägt bunte Klamotten, ein Piercing unter dem Auge, Tücher in den
Haaren. Bei Interviews sitzt sie auf
dem Fußboden, hibbelt herum,
transportiert ihre Klamotten in einem Müllsack. Sie tritt auf wie ein
Punk, nur ohne Hund, schreibt das
Magazin „Les Inrockuptibles“ über
sie „um zu zeigen, dass sie die Moral
Chanson aus Passion
■ Die als Isabelle Geoffroy
geborene französische Sängerin ZAZ
zeichnet sich durch eine einzigartige
Stimme aus.
■ Die Kritiker in Frankreich jubeln.
Charismatisch, melodiös, charmant.
■ ZAZ ist bekannt in der französischen Musikwelt: Nach ihrer Studienzeit in Bordeaux sang sie in einer
Bluesband. Anschließend in einem
baskischen Tanzorchester. Und danach
rockte sie auch noch in einer Latinband. Abgefahren.
■ Ihr Musikinteresse ist vielfältig:
afrikanische, arabische, andalusische
und brasilianische Musik beeinflussten ihre Entwicklung.
■ Erfahrung als Straßenmusikerin
sammelte sie auch. In Paris, zusammen mit zwei Musikerkollegen.
Zauberhaft
http://bit.ly/dyeWo5
Sie ist jung,
schön und
erfolgreich –
trotzdem gibt’s
was auf die
Ohren. Hier eine
Hörprobe.
der Klein-Bourgeoise beherrscht.“
Ganz falsch ist das nicht. Ihr verrückt-verruchtes Auftreten wirkt
einstudiert, Texte wie: „Vergesst all
eure Klischees, herzlich willkommen in meiner Realität!“ gezwungen unverkrampft und ihre Weltsicht zum Teil naiv-esoterisch. So
wie der Name ZAZ, der für sie „den
ewigen Zyklus repräsentiert“ – das
Z und das A bilden schließlich Ende
und Anfang des Alphabets.
Es mag nur eine clevere Vermarktungsstrategie des Mädchens aus
dem Mittelstand sein, das damit die
Sehnsucht nach freiem Leben und
guter Musik stillt. Doch musizieren,
das kann sie tatsächlich. Ihre Lieder
sind Ohrwürmer, mitreißend, angenehm. Die Ironie: sie erfüllen alle
Frankreich-Klischees. Jazz-Rythmen mit Akkordeon-Begleitung
und eine Soul-Sängerin mit einer an
der Großen Piaf angelehnten Stimme. Der schönste Beweis ist der
Song „Ni oui ni non“ – man tappt in
ihre Falle, man kann gar nicht anders.
Das Album wird daher – verdienterweise – auch in Deutschland seine Abnehmer finden und die Legenden, die sich um das Glückskind
ZAZ ranken, nur noch mehr werden. „Tatsächlich bin ich zu dem Album gekommen, nachdem ich eine
Annonce beantwortete, in der ein
Mann eine rauchige Stimme suchte.
Normalerweise hätte ich einen Perversen dahinter vermutet, aber wie
immer trügte mich mein Instinkt
nicht“, erzählt sie – und schon war
sie das Ziehkind von dem bekannten Produzenten Kerredine Soltani.
Er hatte die Annonce 2007 geschaltet, vermittelte die nötigen Kontakte und motivierte sie, selber Songs
zu komponieren. Seitdem ging es
für ZAZ nur noch bergauf. Man
fragt sich, was noch kommen mag.
Ob sie sich vorstellen kann, irgendwann einen französischen Präsidenten zu heiraten? „Nein“, sagt sie
entsetzt und dann, „Außer wenn er
den Glauben an die Menschen und
die Liebe hat und seine Taten, Worte und Gefühle eins ergeben – dann
vielleicht.“ Und schon ist sie wieder
ganz ZAZ.
Rauchige Stimme:
Die Sängerin ZAZ will
auch in Deutschland
erfolgreich sein
Von wegen kleine Schwester
Von Charlottenburg bis Friedrichshain – Die „art berlin contemporary“ umwirbt zeitgleich
VON ANDREA HILGENSTOCK
Das Art Forum und seine Satelliten
Berliner Liste
Münze Berlin
Molkenmarkt 2
vis-à-vis Rotes Rathaus
CHARLOTTENBURGWILMERSDORF
Art Forum Berlin 1
Messedamm 22
Eingang Masurenallee
Charlottenburg
2
4
FRIEDRICHSH.MITTE KREUZBERG
3
art berlin contemporary (abc)
TEMPELHOFMarshall-Haus
SCHÖNEBERG
Messegelände Berlin
Eingang Halle 19
Charlottenburg
art berlin contemporary (abc)
HAU2 (Hebbel am Ufer)
Hallesches Ufer 32
Kreuzberg
PRENZLAUER
BERG
3
5
7. Berliner Kunstsalon
a. Station Alter Schlachthof
Landsberger Allee 104
Prenzlauer Berg
Preview Berlin
Flughafen Berlin-Tempelhof
Hangar 2
Columbiadamm 10
Tempelhof
Berlin – Noch mehr Kunst gefällig?
Bitte sehr! Zum Art Forum Berlin,
das heute beginnt, rüsten auch die
drei Satellitenmessen auf: Liste, Preview und Kunstsalon. Siebenmeilenstiefel braucht in jedem Fall, wer alles sehen möchte, was zwischen dem
6. und 10. Oktober von Charlottenburg bis Friedrichshain bis Tempelhof geboten wird.
In unmittelbarer Nachbarschaft
zur großen Schwester auf dem Messegelände am Funkturm öffnet die
„abc art berlin contemporary“ ihre
Pforten. Sie versteht sich nicht als
Messe, sondern als freies Format
zwischen Ausstellung und GalerienEvent. Im 1950 errichteten, denkmal-
geschützten Marshall-Haus hat Kurator Marc Glöde unter dem Motto
„light camera action“ Videokunst
und Film-Installationen versammelt.
Da herrscht ein Surren und Flimmern. Rund 60 Künstler von 60 Galerien, die nebenan ihre Verkaufsstände haben, zeigen ihre Streifen.
Auch Lichtskulpturen sind dabei,
Collagen, Fotografie, Performances.
Martin Klosterfelde schickt als
Novum einen Film von Hanne Darboven ins Rennen. Bei der jungen
Galerie Reception offeriert Luigi
Ghirri das Brusttoupet eines strahlenden Herrn und Daniel Buchholz
tritt mit neuen Fotos von Wolfgang
Tilmans an.
Als Ergänzung zum Art Forum
Berlin macht die von unzufriedenen
M I T T W O C H , 6 . O K T O B E R 2 010 *
W E LT K O M PA K T
KULTUR
9
Auf dieser Beerdigung wurde viel 80 noch öffentlich seiner Kleider zu
Gelacht: Familie und Freunde von entledigen?“, fragte SchwarzenegTony Curtis verabschiedeten sich ger nach CNN-Angaben gestern.
in einer bewegenden Trauerfeier Curtis hatte der Zeitschrift „Vanity
von dem Ende September gestorbe- Fair“ 2005, damals als 80- Jähriger,
nen Schauspieler – mit Tränen, für Nacktfotos Modell gestanden.
Im Laufe seiner langen Filmkaraber auch mit vielen humorvollen
Anekdoten aus Curtis’ Leben. Der riere spielte Curtis in mehr als 140
Hollywoodstar war am vergange- Dramen und Komödien mit. Benen Mittwoch im Alter von 85 Jah- rühmt wurde er vor allem durch
ren in Henderson im US-Bundes- „Manche mögen’s heiß“ (1959) an
staat Nevada gestorben. „Wir alle der Seite von Marilyn Monroe und
haben etwas von ihm. Ich beispiels- Jack Lemmon.
weise mein ungestilltes Bedürfnis nach Beachtung“,
sagte Tochter Jamie Lee
Curtis nach der Trauerfeier
laut CNN-Angaben und
wies in die große Runde aus
Geschwistern und deren
Kindern.
Kaliforniens Gouverneur
und Ex-Schauspielerkollege
von Curtis, Arnold Schwarzenegger, würdigte die Courage des Stars. „Wer sonst Freunde und Verwandte verabschiedeten sich
hat denn den Mut, sich mit zärtlich von Tony Curtis
DPA/DANIEL GLUSKOTER
Abschied von Tony Curtis:
„Wer zieht sich jetzt aus?“
Empörung über Teilnahme
an Wagner-Festspielen
zum Art Forum das Publikum
Galeristen 2008 ins Leben gerufene
„art berlin contemporary“ insofern
Sinn, als hier nicht der Verkaufsaspekt vertieft wird, der häufig der
Malerei den Vorzug gibt. Dafür tritt
die Beschäftigung mit komplexen
Inhalten in den Vordergrund. „Worum es uns geht, ist nicht, eine monomediale Ausstellung zu zeigen,
sondern darzulegen, dass Film Bestandteil künstlerischen Denkens
ist“, erläutert Glöde.
Mal sehen, ob die Besucher das
würdigen und auch noch ins Theater
Hebbel am Ufer (HAU2) stiefeln,
dem zweiten Spielort der abc. Oder
ob sie die Schose als überflüssige
Ausdehnung des Art Forums erkennen, das seine Sonderausstellung ja
nicht ohne Grund einstellte. Was die
„abc“ allerdings adelt, ist die Tatsache, dass hier einige internationale
Händler beteiligt sind, die in den
Messehallen fehlen, Barbara Gladstone, Rosemarie Schwarzwälder
und Eva Presenhuber.
■ „Wir
wollen Film als
Bestandteil
künstlerischen Denkens
Kurator Marc Glöde
zeigen“
Weniger etabliert geht es bei der
Preview Berlin in der Haupthalle des
Flughafens Tempelhof zu. 60 Aussteller aus 19 Ländern präsentieren,
was sie für aufstrebend halten. Zum
Beispiel Kunst aus Osteuropa. „Der
Standort Berlin als Hauptstadt der
Kreativen in Europa, kann all die
Einflüsse, die durch die Künstler aus
diesen Ländern deutlich in der Stadt
zu spüren sind, nicht länger ignorieren“, findet Rüdiger Lange vom
Kunstraum „loop“. Vom klassischen
Standsystem hatte man sich hier im
Hangar2 des Flughafens im vergangenen Jahr verabschiedet. Diesmal
wird es eine Mischung geben aus
Projektflächen ohne Wände und den
klassischen Messekojen, berichtet
Preview-Mitbegründer Kristian Jarmuschek. Mehr als 200 Künstler locken auf der Preview. Mit dabei: die
Kunststiftung des Landes SachsenAnhalt aus Halle und die Warschauer Foundation für Promoting Contemporary Art.
Die geplante erste Teilnahme eines im Oktober 2000 für Aufsehen geisraelischen Orchesters an den sorgt, als er den langjährigen BoyWagner-Festspielen in Bayreuth kott gegen Wagner in Israel brach.
sorgt in Israel für Empörung. Der Er spielte damals mit dem Sinfoniedeutsche Komponist Richard Wag- orchester Rischon Lezion das „Siegner ist in Israel wegen
fried-Idyll“. Das Konantisemitischer Posi- ■ „Katharina
zert löste scharfe Protionen und seiner Poteste von Holocaustpularität während der Wagner will
Überlebenden in Israel
NS-Zeit
umstritten. mit der
aus. Seitdem werden
Seine Werke werden in
Wagners Werke weiterKonzerten so gut wie Einladung
hin kaum gespielt.
nie gespielt.
Der israelische Joureine
Brücke
Die Sprecherin des
nalist und HolocaustIsraelischen Kammer- schlagen, dies
Überlebende
Noach
orchesters, Meirav MaKlieger schrieb gestern
gen Lelie, bestätigte ist eine sehr
in einem Kommentar,
gestern die Teilnahme schöne Geste“
die Reise des Orchesan den Festspielen im
ters nach Bayreuth
Juli des kommenden Meirav Magen Lelie,
bringe ihn in Rage.
Jahres. Von der Bayreu- Sprecherin des Israelischen
„Dies ist ein Schritt,
ther Festspielleitung Kammerorchesters
den alle „Freunde“ des
war dazu gestern keine
Judentums im AllgeStellungnahme zu erhalten.
meinen und Israels im Besonderen
Das israelische Orchester sei von als Kapitulation ansehen werden –
der Leiterin der Festspiele, Kathari- und als Eingeständnis, dass der Boyna Wagner, eingeladen worden. „Es kott (Wagners in Israel) wertlos
ist ihre persönliche Initiative“, sagte und nicht gerechtfertigt war.“
die Sprecherin. „Sie will damit eine
Brücke schlagen, dies ist eine sehr
schöne Geste.“ Um auf Sensibilitäten Rücksicht zu nehmen, sollten
die Proben nicht in Israel stattfinden. Dort wird erwartet, dass Katharina Wagner kommende Woche
nach Israel kommen dürfte und vermutlich am Mittwoch eine offizielle
Einladung an das Orchester aussprechen könnte.
Die israelische Zeitung „Jediot
Achronot“ schrieb gestern, Wagner
wolle sich während einer Pressekonferenz in Israel auch zu der „Nazi-Vergangenheit ihrer Familie“ äußern. Die Wagner-Festspiele hatten
sich während der Nazi-Zeit durch
die Freundschaft von Wagners
Schwiegertochter Winifred zu
Adolf Hitler diskreditiert.
Der inzwischen verstorbene isra- Halten sich noch bedeckt: Katharina
elische Dirigent Mendi Rodan hatte Wagner (li.) und Eva Wagner-Pasquier
PA/DPA/DANIEL KARMANN
SONY MUSIC/LAUREN CLEMENT
Israelisches Orchester will im nächsten
Jahr in Bayreuth spielen – trotz Boykotts
W E LT K O M PA K T
KULTUR
REUTERS/MARKO DJURICA
10
* M I T T W O C H , 6 . O K T O B E R 2 010
Mehr Fans als Madonna?
Turbo-Folk ist auch politisch,
die Anhänger finden’s gut
Der Soundtrack des Krieges
Vor zehn Jahren stürzte Slobodan Miloševic – Auch die Faszination des Turbo-Folks verpufft
PA /DPA/MILOS JELESIJEVIC
Sicher nicht. Texte und Musik
des Turbo-Folks sind alles andere
als politisch. Wie der klassische
Popsong kreisen sie um Liebe und
Betrug. Politische Statements
sucht man vergeblich. Die Verbindung war eher struktureller Art.
Eine Schlüsselfunktion hatten dabei die Kriege der Neunziger, die
1992 von der Internationalen Gemeinschaft gegen Serbien verhängten Sanktionen – und die Inflation.
Die gut ausgebildeten und international geprägten Serben verließen das Land, 700 000 sollen es gewesen sein. Entsprechend dramatisch verschoben sich die Machtverhältnisse. Der Musikjournalist
Dragan Kremer beschreibt die angespannte Lage als „sozialen
Schnellkochtopf“: „In diesem Vakuum, abgeschnitten von Informationen und Einflüssen von außen,
verwandelte sich alles im Handumdrehen in Turbo-Folk.“
Kremer bezeichnet so weniger
eine Musik, als eine soziale Ord-
nung, die Deregulierung gewach- den eigenen avantgardistischen
sener Strukturen und Werte, einen Stil bezogen hatte, der den provinRückfall hinter die Toleranzprinzi- ziellen Ethno-Kitsch auf die Schippien der jugoslawischen Gesell- pe nahm.
schaft: Nationalismus, Patriarchat,
Die glitzernde Welt der neuen
DemokratiefeindlichStars, pompöse Galakeit, Homophobie.
Shows und die mit
Von der Weltstadt
Statussymbolen aufBelgrad war nicht viel
gemotzten Musikvigeblieben. „Nicht der
deos
suggerierten,
Turbo-Folk zerstörte
westliche Konsumgüdie Stadt, Belgrad
ter seien nach wie vor
existierte zu dieser
verfügbar. Dabei war
Zeit nicht mehr“, erdie gesamte Welt für
innert sich der KulSerben so unerreichturmanager
und
bar wie nie zuvor.
Fernsehmann Miloš
Zweifelsohne profiJež.
tierte die Politik am
Die Nationalisiemeisten von der Paralrung machte auch vor Hossa! Megastar Svetlalelwelt des Turboder Kultur nicht halt. na Ceca Ražnatovic
Folks. Hier fand sie
Obgleich die „Neudas Auditorium, das
komponierte Volksmusik“ sich sie durch die fatale Politik verloren
dem internationalem Pop angenä- hatte. Jež, damals Kreativdirektor
hert hatte, galt sie nunmehr als ser- von TV Palma, bezeichnet den
bisch, eben als Turbo-Folk – eine Sender als „Hauptquartier der soBezeichnung, mit der sich der Mu- zialen Befriedung“. Als „serbisiker Rambo Amadeus ironisch auf sches MTV“ war er Marktführer in
Sachen Turbo-Folk. Schon früh
hatte die Opposition der Regierung unterstellt, das Genre zur
Machtsicherung gefördert zu ha■ Die Zeit des Turbo-Folk war die
ben. Frei nach dem Motto „Brot
Zeit der Gegensätze. Insbesondere
und Spiele“. So lange „Ceca naciodie Rockszene Jugoslawiens galt
nale“ sang und tanzte, konnten Arals Gegenpol zum als nationalismut und Isolation Serbien nichts
tisch und provinziell verschrienen
anhaben.
Turbo-Folk. Das musikalische
Die Marktlage war für TurboBekenntnis war eines für oder
Folk-Produktionen mehr als lukragegen die herrschende Politik –
tiv, da Urheberrechte unbeachtet
und teilt Belgrad heute noch.
blieben. Ohnehin hatte der Staat
andere Probleme. Neue Produktionstechniken lösten eine unüberschaubare Welle aus. Private ProBalkan-Beat
duktionsfirmen und FernsehsenGelebter Turboder, die sich lokalen MusikprodukFolk: Jelena
tionen widmeten, schossen wie
Karleuša verPilze aus dem Boden.
körpert das Ideal
Die Gelder stammten aus dem
des Turbo-Folks –
Milieu derer, die von den sozialen
hier gibt’ s den
Clip dazu.
http://bit.ly/9dykVU
Umwälzungen profitiert hatten.
Turbo-Folk – Die serbische Alternative
■ Turbo-Folk war neben den
Hollywood-Blockbustern die billigste Form der Unterhaltung.
■ Er ist eine serbische Alternative
zum angloamerikanischen Pop und
kam dem nationalistischen Establishment unter Miloševic entgegen.
■ Neue, simple Boulevard-TVFormate sind untrennbar mit dem
Aufstieg des Turbo-Folks verknüpft.
■ Jelena Karleuša, der aktuelle
Star der Szene, verkörpert ein
Extrem von Weiblichkeit: aufgespritzte Brüste und Lippen,
gebräunte Haut, blondiertes Haar
bis zur Hüfte.
REUTERS/MARKO DJURICA
wie man sie aus der türkischen
Arabeske-Musik kennt, und mo„Ceca hat mehr Fans als Madon- derne Beats und Samples bekannna!“ So triumphierte letztes Jahr ter Songs – weicht heute kaum
das serbische Boulevardblatt Svet, mehr vom internationalen Popnachdem zum Belgrader Konzert Durchschnitt ab.
des amerikanischen Superstars
Ganz anders Anfang der Neunbloß 30 000 Zuschauer kamen. Der ziger, als der Turbo-Folk Serbien
Turbo-Folk-Star Svetlana „Ceca“ überflutete. 1993 veröffentlichte
Ražnatovic hatte es zwei Jahre zu- der Sänger Ivan Gavrilovic das ersvor auf 150 000 Fans gebracht.
te Turbo-Folk-Stück „200 na sat“
Das mag überraschen. Schließ- (200 km/h). Mit seinen Samples
lich gilt Turbo-Folk hierzulande des Eurodance-Hits „No Limit“
als musikalisches Randphänomen. von 2 Unlimited und dem Ruf
Zudem verbindet man das Genre „Techno Folk!“, der in ein schrilles,
mit serbischem Nationalismus traditionell anmutendes Akkordeund organisiertem Verbrechen. onspiel überging, gilt er heute als
Turbo-Folk ist alles
prototypisch.
andere als wohlgelitHier zeigt sich deutten, als „Soundtrack
lich, woher der Turbodes Krieges“ blieb er
Folk stammt. Die jugovom globalen Musikslawischen Kommumarkt ausgeschlosnisten
versuchten
sen.
früh, die unterschiedTatsächlich lässt
lichen sozialen, reliseine Entstehungsgegiösen und nationalen
schichte den TurboHintergründe
des
Folk als politisches
Staates zu moderiePhänomen erscheiren. Ab den Sechzinen. Gerade Ceca, der
gern förderte man daMegastar der Szene,
rum „Neukomponiertrug zu dieser Wahr- Pop heiratet Politik:
te Volksmusik“, um
nehmung bei. Ihre Željko und „Ceca“
jenseits regional aus1995 mit dem serbidifferenzierter
schen Kriegsverbrecher Željko Musikidiome Gemeinsamkeiten
„Arkan“ Ražnatovic
zu schaffen. Vor neuer Technik
geschlossene Ehe stand für die scheute man dabei nicht zurück.
symbolische Vermählung von Na- Zum Turbo-Folk, dessen von Syntionalismus und Popkultur. Später thesizern produzierte Sounds nur
ermittelte man wegen des Mordes noch erahnen lassen, was an ihm
am serbischen Premierminister Folk ist, war es nur ein kleiner
Zoran Djindjic gegen sie.
Schritt.
Heute, zehn Jahre nach dem
Man kann es als Ironie betrachSturz von Slobodan Miloševic, hat ten, dass dem Turbo-Folk ein Konder Turbo-Folk seinen Zenit längst zept zur Integration Jugoslawiens
überschritten. Der ursprünglich zugrunde liegt.
auffällige Mix aus elektronisch
Sollte aber die „Causa Ceca“
aufgemotzter Volksmusik – im ausreichen, um einer MusikrichVordergrund zumeist ein vom tung, die zweifelsohne die GesellKeyboard kopiertes Akkordeon, schaft prägte, Nationalismus nach„orientalische“ Gesangsstimmen, zuweisen?
VON SONJA VOGEL
M I T T W O C H , 6 . O K T O B E R 2 010 *
W E LT K O M PA K T
KULTUR
11
VON MATTHIAS KAMANN
Dafür oder dagegen?
Ausstellung „Kraftwerk Religion“ im Dresdner Hygiene-Museum polarisiert
DPA/ARNO BURGI
In eine Ausstellung über Religion
gehören Reliquien. Drum wird das
Original-Kopftuch gezeigt, das die
muslimische Lehrerin Fereshta
Ludin in einer deutschen Schule
trug, ehe ihr dies verboten wurde.
Hinter Glas präsentiert wird auch
eines der Kruzifixe, die aus einigen
bayerischen Klassenzimmern entfernt wurden. Ebenfalls zu sehen
ist das lila Schultertuch mit Protestsprüchen gegen Atomraketen,
das sich Margot Käßmann 1983 auf
dem Kirchentag in Hannover umlegte. Kommt her und seht auf diese Dinge: Sie erhitzen die Gemüter.
Da wird eine starke These anschaulich: dass die religiöse Erregung, die sich einst in der verzückten Anbetung oder bilderstürmenden Vernichtung von Heiligenknochen ausdrückte, sich heute im
erbitterten Streit über muslimische Symbole oder die Polit-Chiffren des Linksprotestantismus manifestiert. Am Grundprinzip der
Fixierung auf Ikonisiertes hätte
sich dabei wenig geändert. Ebenso
wenig daran, dass zum Wesen der
Religion ihr harter Bekenntnischarakter gehört: dafür oder dagegen?
Auf den Video-Schirmen der Ausstellung „Kraftwerk Religion“ im
Dresdner Hygiene-Museum nehmen Muslime oder Christen sofort
Stellung zum Kopftuch oder zum
Islam-Unterricht an Schulen.
Es ist vor allem dieser Streit, das
machen die Ausstellungskuratoren um Petra Lutz vom HygieneMuseum deutlich, der die Religion
heute in der Öffentlichkeit präsent
hält. Auf dem Rückzug ist der
In Dresden wird genau hingeschaut und das religiöse Streitpotenzial scharfsinnig in Szene gesetzt
Glaube in der Moderne keineswegs, bekräftigt diese kleine, hoch
konzentrierte und fast überfüllte
Ausstellung.
Das Streitpotenzial des Glaubens demonstrieren in Dresden
auch Textprojektionen, wo Voltaires Religionskritik gegen Ernst
Wolfgang Böckenfördes Verteidigung des Glaubens im modernen
Staat antritt. Religion ist in dieser
Ausstellung das, was uns zum Pro
und Kontra drängt. Dass dies der
religiösen Durchschnittserfahrung
entspricht, lässt sich bezweifeln.
Hat die statt mit hitzigen Diskussionen vielmehr mit Gewöhnung
ans nur halb Hinterfragte zu tun,
mit biografischen Anekdoten und
freundlichen Predigten, mit Ergriffenheit in schönen Kirchen oder
mit der Freundlichkeit einer Caritas-Schwester? Von all dem ist wenig zu sehen in den drei düsteren
Räumen, die mit dunklem Filz ausgelegt sind. Man könnte sagen,
dass in Dresden konfessionslose
Ostdeutsche mit einem fremd-brisanten Phänomen namens Religion konfrontiert werden. Doch diese Ausstellung macht Ernst mit
dem Ernst des Glaubens.
In diesem Ernst riskieren die
Gläubigen Verfolgung, was in
Dresden Filmausschnitte aus der
Stasi-Überwachung von Kirchen
in der DDR verdeutlichen. In diesem Ernst ritualisieren die Gläubigen auch die Aufnahme in die Gemeinschaften – Thomas Manns
Taufkleid ist zu sehen – und verehren Brot und Wein, besonders aber
Wasser. Aus dem Jordan kommt es,
aus dem Ganges, aus Mekka, aus
Lourdes – eine Batterie von
Fläschchen erinnert daran, wie
ähnlich sich die Religionen in vielem sind.
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LEVERAGE
DIE NEUE CRIME-SERIE
HEUTE | 22:15 |
W E LT K O M PA K T
SPORT
Ehrung für Löws Krisen-Kicker
Ein „Busenwischer“
und Babbels Tritt
ins Fettnäpfchen
Bundespräsident zeichnet DFB-Team aus – Zahlreiche Spieler im Formtief
Berlin – Das Leben ist manchmal
ungerecht. Kein Mensch wird sich
bei der Partie zwischen Hertha
BSC und Aachen (0:0) an die gute
Spielleitung von Bibiana Steinhaus
erinnern. Ebenso wenig an die
dürftige Leistung von Peter Niemeyer. Doch dank der Medienwelt
wird eine Zwölf-Sekunden-Sequenz in Erinnerung bleiben. Ob in
England, Holland, Spanien, Brasilien, Russland oder Deutschland –
der Videoschnipsel von dem unbeabsichtigten Treffen zwischen der
Schiedsrichterin und Niemeyer
hat es in Windeseile auf Server
rund um den Globus geschafft. Im
SKY SPORT
VON LARS GARTENSCHLÄGER
Der Fehlgriff: Peter Niemeyer und
Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus
Rückwärtsgehen wollte der Mittelfeldspieler der Polizistin aus
Hannover auf die Schulter klopfen,
verfehlte sein Ziel und wischte ihr
unbeabsichtigt über den Busen.
Steinhaus stutzte, schaute und löste die Situation mit einem charmanten Lächeln, weil Niemeyer
sich sofort entschuldigt hatte.
„Wir sind aneinander vorbeigelaufen und haben uns berührt. Ich
denke, da kann man es mit einem
Augenzwinkern belassen“, sagte
die einzige Schiedsrichterin im
deutschen Profifußball. Niemeyer
scherzte: „Man muss die Zuschauer ein wenig unterhalten.“
Die Beteiligten hatten die Szene
unverkrampft aufgelöst. Das gelang Hertha-Trainer Markus Babbel am Tag danach nicht. Er lobte
zwar die Leistung von Steinhaus
(„voll in Ordnung“), tapste dann
aber im Scherz ins Fettnäpfchen:
„Das hätte ich auch gern gemacht.
Aber bei uns damals gab’s ja keine
Schiedsrichterinnen.“
Berlin – Sie trugen schwarze Anzüge und graue Krawatten. Waren
in edler Kleidung bereit für den
großen Empfang, den Bundespräsident Christian Wulff gestern
Mittag für Bundestrainer Joachim
Löw und die Spieler der deutschen
Fußball-Nationalmannschaft gab.
Mit Shakiras WM-Song „Waka
Waka“, gespielt in einer Klassikversion, empfing das Staatsoberhaupt die Auswahl des Deutschen
Fußball-Bundes (DFB) im Schloss
Bellevue.
Wulff hatte im Vorfeld des EMQualifikationsspiels gegen die
Türkei am Freitag (20.45 Uhr, ARD
live) geladen, um mit Bundeskanzlerin Angela Merkel Spieler und
Trainer für ihr erfolgreiches Abschneiden bei der WM in Südafrika mit dem abschließenden dritten
Platz zu ehren. Während die Spieler das Silberne Lorbeerblatt erhielten, bekam Joachim Löw das
Bundesverdienstkreuz. Dies hatten u.a. schon Löws Vorgänger
Franz Beckenbauer (2006) und
Jürgen Klinsmann (2007) erhalten.
Christian Wulff würdigte die
herausragenden Auftritte des
Teams in Südafrika. „Die Mannschaft hat mit Eleganz, Leichtigkeit, Teamgeist und Spielwitz
überzeugt und kann für andere ein
Vorbild sein“, betonte Wulff. „Diese Mannschaft ist ein Spiegel der
tatsächlichen Gesellschaft unseres
Landes.“
In seiner Rede ging Wulff auch
auf das Thema Integration ein.
„Diese Mannschaft mit jungen
Männern so unterschiedlicher
Herkunft spiegelt Deutschland als
das Einwanderungsland, das es
längst schon geworden ist“, sagte
Wulff. Davor hätten, fuhr er fort,
viele lange Zeit ängstlich oder abwehrend die Augen verschlossen.
„Und nun“, so Wulff, „mit einem
Mal, konnte man sehen, was für ein
schönes, begeisterndes und effizientes Teamwork entstehen kann,
wenn Menschen, wie verschieden
ihre Herkunft auch ist, das beste,
REUTERS/TOBIAS SCHWARZ
12
* M I T T W O C H , 6 . O K T O B E R 2 010
Löw erhielt das Bundesverdienstkreuz, die Spieler das silberne Loorbeerblatt
was sie haben und können, in ein
Projekt einbringen.“
Es waren unbeschwerte Wochen
in Südafrika. Ganz anders als jetzt,
wo der raue Alltag ihnen Probleme
bereitet.
Allein 14 von 19 für die TürkeiPartie nominierten Spielern erleben dieser Tage die Kehrseite des
Daseins als Profi. Sie sind außer
Form, darben mit ihren Vereinen
im Tabellenkeller der Bundesliga
und stehen im Fokus der Kritik. In
Christian Träsch und Cacau sind
gar zwei Mann vom Tabellenletzten VfB Stuttgart dabei. Holger
Badstuber, Philipp Lahm, Toni
Kroos, Thomas Müller, Miroslav
Klose und Mario Gomez blamieren sich mit dem FC Bayern derzeit auf Platz zwölf. Torhüter Manuel Neuer, die deutsche Nummer
eins, ist mit Schalke Tabellenvorletzter und hat in sieben Spielen
schon 14 Tore kassiert. Dazu sind
auch der Kölner Podolski, die Bre-
mer Wiese, Mertesacker und Marin sowie der Hamburger Westermann mit ihren Vereinen weit von
den Zielstellungen entfernt.
Trotzdem schenkt der Bundestrainer seinen Männern das Vertrauen. Er sei nicht besorgt, sagte
er gestern, „weil ich es irgendwie
erwartet habe. Die Spieler haben
bei der WM Unglaubliches geleistet. Da sind viele Kräfte verloren
gegangen“. Löw hofft auf die therapierende Wirkung der Nationalmannschaft und darauf, dass unter
seiner Führung zumindest Klose
und Podolski wieder zu ihrer Form
finden.
Mario Gomez ist beim FC Bayern nur noch Reservist, auch wenn
er am Sonntag in Dortmund (0:2)
erstmals seit einem halben Jahr zur
Startelf gehörte. „Ich habe mein
Bestes gegeben, es hat nicht gereicht“, sagte Gomez. Auf dessen
Torflaute hat nun gar ein Wettanbieter reagiert. 210 Euro zahlt Partybets bei einem Einsatz von zehn
Euro, sollte Gomez in der Bundesliga-Hinrunde leer ausgehen.
Klose ist dort noch nicht gelistet, sagte: „Wer mit einer Niederlage in die Länderspielwoche geht,
hat immer ein schlechtes Gefühl.“
Die Sorgen des Angreifers sind
nachzuvollziehen. Doch Beispiele
aus der Vergangenheit zeigen, dass
es oft gut gegangen ist, wenn Bundestrainer auf schwächelnde Nationalspieler gesetzt haben. In der
Saison 1974/1975 etwa befanden
sich die Bayern in einer Krise.
Dennoch nominierte Helmut
Schön in der EM-Qualifikation regelmäßig einen München-Block,
und Deutschland schaffte trotz die
Qualifikation. 1997 setzte Berti
Vogts regelmäßig auf Spieler vom
kriselnden Klub Borussia Dortmund, trotzdem erwarb die Nationalmannschaft die WM-Spielberechtigung.
Angst vor einem Fußballbuch
welt.de/dfbelf
Wie die Türkei um deutsche Talente wirbt
Erdal Keser koordiniert 25 Scouts, die schon Nuri Sahin oder die Altintop-Brüder gewinnen konnten
wir an, und wir haben drei bis vier
Spieler aus Deutschland pro Jahrgang in unseren Teams“, sagt Keser stolz.
Von seinem Büro in Köln aus koordiniert er 25 Talentspäher. Sie
bewerten bei Partien die Fähigkeiten der Spieler. Richtig schwierig
wird es aber erst, nachdem ein
Spieler für gut genug befunden
wurde. Dann gilt es, die Talente zu
überzeugen, sich für die Türkei zu
entscheiden – und eben nicht für
Deutschland. Weil die meisten in
der Bundesrepublik geboren sind,
können sie wählen, für welches
Land sie spielen wollen – selbst,
wenn sie schon für Juniorenauswahlteams gespielt haben. Derzeit
ist der Verband an Taner Yalcin
(20, 1. FC Köln), Ömer Toprak (21,
SC Freiburg), Ilkay Gündogan (19)
und Mehmet Ekici (20, beide 1. FC
Nürnberg) interessiert. „Wir be-
drängen keinen Spieler. Er muss
die Entscheidung aus freien Stücken treffen. Wenn er sagt, dass es
ihn stolz macht, für die Türkei zu
spielen, öffnen wir ihm die Türen“,
sagt Keser.
Es klappt nicht immer, Mesut
Özil (Real Madrid) und Serdar
Tasci (VfB Stuttgart) entschieden
sich für Deutschland, der türkische Verband hat das Scouting
seither intensiviert. Probleme mit
dem DFB gebe es dennoch nicht,
BONGARTS/GETTY IMAGES/BORIS STREUBEL
den Vertrauten des Nationaltrainers Guus Hiddink. Sieben in
Berlin – Gut ist für ihn nicht gut Deutschland ausgebildete Profis
genug. Bei Erdal Keser muss es gehören zum Aufgebot der Türkei
sehr gut sein. Als der Türke in den für das Duell mit der Auswahl des
80er-Jahren für BorusDeutsche
Fußballsia Dortmund stürmte,
Bundes (DFB): Hamit
gab es nach Siegen nur ■ „Wir
Altintop (FC Bayern
die Frage: Was können bedrängen
München), sein Bruwir noch besser mader Halil (Eintracht
chen? Und diesen Per- keinen Spieler. Frankfurt), Nuri Safektionismus hat er Er muss die
hin (Borussia Dortsich auch als Leiter des
mund), Ömer ErdoEuropa-Büros des tür- Entscheidung
gan (Bursaspor, frükischen Fußballverbanher FC St. Pauli),
treffen“
des bewahrt. Es sagt daCeyhun
Gülselam
her viel über den Erfolg
(Trabzonspor, früher
seiner Arbeit aus, wenn er vor dem SpVgg Unterhaching), Hakan BalSpiel gegen Deutschland betont: ta (Galatasaray Istanbul, früher
„Ich bin sehr zufrieden.“
Hertha BSC) und Özer Hurmaci
Der Auftrag der Verbandsfüh- (Fenerbahce Istanbul, früher KSV
rung an den 49-Jährigen: Finde in Baunatal). „Uns geht es aber auch
Deutschland türkische National- schon um die Junioren-Nationalspieler! Er erfüllt ihn – und zählt zu mannschaften. Bei der U 15 fangen
VON JULIEN WOLFF
stattdessen großen Respekt vor
der guten Ausbildung der jungen
Spieler in Deutschland, so Keser.
Geld benutzt der Verband nach
eigenen Angaben nicht als Lockmittel. Kesers Team spricht mit
den Familien, appelliert an den
Stolz der Eltern. „Das Spiel am
Freitag ist für viele Jugendliche ein
Ansporn, es selbst in die Nationalelf zu schaffen“, sagt Erdal Keser.
Und meint natürlich die der Türkei.
Sie hat Keser
von einer Länderspielkarriere in
der Türkei
überzeugt: Halil
Altintop (links)
und Nuri Sahin,
hier beim
Training
M I T T W O C H , 6 . O K T O B E R 2 010
W E LT K O M PA K T
SPORT
13
Königreich schämt sich für Problemkind
Trainer van Marwijk verzichtet auf de Jong – „Er ist eine Schande für den niederländischen Fußball“
Wieder mal steht der Planet still,
weil die Uefa es so will. Zwei Wochen keine Bundesliga, dafür Länderspiele. Die Ehre des Vaterlandes steht hier und da auf dem
Spiel, da darf nichts die Konzentration auf das Wesentliche stören.
Wer im Juni 2012 im Sonderzug
nach Polen und/oder in die Ukraine fahren will, muss sich schließlich jetzt schon um die Reservierungen kümmern.
Niemand hat etwas zu verschenken in der Qualifikation zur Europameisterschaft, die Favoriten
schon gar nicht. Dennoch kommt
es vor, dass nicht alle Nationaltrainer ihre Besten nominieren. So wie
die niederländische Mannschaft.
Der Spieler Nigel de Jong, hierzulande bekannt aus seiner Zeit beim
Hamburger SV (2005 bis 2008), ist
schlicht zu hart fürs Vaterland. Sie
benötigen zwar ganze Kerle in der
Stunde der Bewährung, aber was
zu viel ist, ist zu viel. Trainer Bert
von Marwijk hatte schlicht „keine
andere Wahl“. Was ist geschehen?
De Jong ist kein Kind von Traurigkeit und geht schon mal zur Sache im Mittelfeld, aber in den Statistiken des Raubeins findet sich
bis dato kein einziger Platzverweis. Was zwar für ihn, aber all-
PA/DPA/BERND WEISSBROD
VON UDO MURAS
Mit diesem Tritt im WM-Finale schockierte Nigel de Jong die Fußball-Welt. Es war nicht die letzte Brutalo-Aktion
mählich nicht mehr unbedingt für
die Schiedsrichterzunft spricht.
Im März hatte der bei Manchester
City tretende, pardon arbeitende,
Kicker, der sich selbst als Wasserträger bezeichnet, einem Kontrahenten aus Bolton das linke Bein
gebrochen. Und am Tag nach dem
WM-Finale in Johannesburg hatte
es sein Kung-Fu-Tritt in die Brust
von Spaniens Xabi Alonso auf die
Titelseiten vieler Zeitungen geschafft. Das schöne Spiel der Niederländer bei der WM war nach
dem Treterfinale jedenfalls kein
Thema mehr – und de Jong hatte
daran einen durchaus unrühmlichen Anteil.
Nun hat er ein weiteres Kapitel
in der Chronik der Schandtaten
auf dem Fußballplatz geschrieben.
Bereits nach sieben Minuten beendete er am Samstag den Einsatz
von Newcastle Uniteds Hatem Ben
Arfa – Schien- und Wadenbeinbruch. Dass es dafür in England
nicht mal eine Gelbe Karte gibt,
darf uns nicht weiter verwundern.
Der englische Verband hat angeblich versucht, alle Videos zu sperren, die dieses Foul zeigen – es sei
dann doch zu brutal. Doch das geht
nicht in unserer Medienwelt, und
so kann es alle Welt sehen.
Die Heimat schämt sich nun aufrichtig für ihr Problemkind. „Nigel
de Jong ist ein rückfälliger Krimineller! Das hat etwas mit Intelligenz zu tun. Er ist eine Schande für
den niederländischen Fußball“,
wird der niederländische Kulturkritiker Hugo Bons zitiert und Jan
Everse, Sparta Rotterdams Trainer,
empfiehlt den Gang zum Psychiater. Nationaltrainer van Marwijk
ist zumindest ein Pädagoge und
kündigte bereits an, mit ihm „über
seine Spielweise zu sprechen“.
Die Mannschaftskollegen der
„Elftal“ wissen jedenfalls Bescheid, warum de Jong diesmal
nicht das orangefarbene Trikot
wird tragen dürfen.
Der Treter
http://bit.ly/bfatYA
Das brutale Foul
im WM-Finale
gegen Spanien.
Hier das Video zu
de Jongs Kung-FuTritt gegen Xabi
Alonso
Anzeige
FUSSBALL KOMPAKT
Bochum versinkt im Chaos
Mit einer Kurzschlussreaktion hat
Vereinsboss Werner Altegoer
seinen geliebten VfL Bochum ins
Chaos gestürzt. Der 75 Jahre alte
und fast allmächtige Aufsichtsratsvorsitzende trat im Anschluss an
eine turbulente Mitgliederversammlung zurück – der sportlich
kriselnde VfL ist nun auch noch
führungslos. Die Versammlung
endete mit dem Sturz eines Denkmals. „Meine persönliche Arbeit
für den VfL ist beendet“, sagte
Altegoer mit steinerner Miene,
nachdem die Mitglieder dem
Aufsichtsrat zweimal die Entlastung verweigert hatten.
Magath wütend auf Neuer
Trainer Felix Magath von Schalke
04 hat gereizt auf die öffentlichen
Abwanderungsgedanken des
Nationaltorhüters Manuel Neuer
reagiert. „Wer soll denn jetzt
zufrieden sein? Meinen Sie, ich bin
zufrieden? Es kann doch keiner
jetzt mit der Situation zufrieden
sein! Das hat aber doch damit
nichts zu tun, dass ich gleich alles
in Frage stellen muss“, sagte Magath dem Fernsehsender Servus
TV. Neuer hatte erklärt, er fühle
sich bei den Königsblauen derzeit
„nicht wohl“.
Forlán will weg
Uruguays WM-Star Diego Forlán
will Atlético Madrid so schnell
wie möglich verlassen. „Wenn ich
die Chance habe, werde ich geFolgen Sie
Florian Wichert
auf Twitter
twitter.com/wk_wichert
hen“, sagte der als bester Spieler
der Weltmeisterschaft ausgezeichnete Stürmer gestern dem englischen Pay-TV-Sender „Sky
Sports“. Wenig später relativierte
Forlán seine Äußerungen jedoch.
Er sei falsch verstanden worden,
sagte er dem Madrider Sportblatt
„Marca“ (Internetausgabe).
„Wenn ich ein gutes Angebot
erhielte, würde ich es wie immer
studieren. Danach sähen wir dann
weiter.“
TOLLHAUS!
Überraschungsteams im Prämienwahn – Hauen und Stechen beim Meister
Geschäftsstelle eingeweiht
Im Beisein der Witwe des ehemaligen Nationaltorhüters Robert
Enke ist gestern die neue Geschäftsstelle der gleichnamigen
Stiftung eingeweiht worden. Der
Sitz der Geschäftsstelle befindet
sich im Verwaltungsgebäude des
Niedersächsischen Fußballverbandes in Barsinghausen. „Ich bin
sehr froh, dass unsere Stiftung nun
ein dauerhaftes Zuhause erhalten
hat“, sagte Terese Enke. Ihr Ehemann hatte am 10. November 2009
Selbstmord begangen.
DFB kritisiert Gericht
Der Deutsche Fußball-Bund
(DFB) hat vor dem Prozessbeginn
im Wettskandal die fehlende
Kooperationsbereitschaft der
Gerichte scharf kritisiert. „Wir
beobachten den Prozess mit der
großen Hoffnung, dass da absolute
Klarheit geschaffen wird“, sagte
DFB-Generalsekretär Wolfgang
Niersbach gestern der Nachrichtenagentur dpa. „Denn wir als
Sportverband haben darunter zu
leiden, dass man uns nicht mal
komplette Akteneinsicht gewährt.
Da muss sich grundsätzlich etwas
ändern. Die Gerichte sollten mit
uns zusammenarbeiten.“
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W E LT K O M PA K T
14
* M I T T W O C H , 6 . O K T O B E R 2 010
SPORT
Warum Amerikas
Eishockey-Saison
in Europa beginnt
VON MARCEL STEIN
PA/SVEN SIMON
PA/DPA
Berlin – Angesetzt war es als
Freundschaftsspiel. Dabei stand
vom ersten Tag an fest, dass es viel
mehr sein würde. Ein Vergleich
der Systeme, ein Kampf um die
Weltherrschaft im Klubeishockey.
Zumindest für die einen. Das stellte Alexander Medwedew, der Präsident der pan-russischen Eishockeyliga
KHL,
klar. Er ließ extra
das Training von
SKA St. Petersburg, wo er ebenfalls
präsidiert,
unterbrechen und
schwor die Spieler
NHL-Commispersönlich auf die
sioner Bettman Partie in der heimischen
Arena
gegen die Carolina Hurricanes aus
der nordamerikanischen NHL ein.
SKA gewann, mit 5:3 schlugen sie
die Amerikaner.
Die Russen können nun behaupten, dass sie mit der besten Liga
der Welt auf einer Stufe stehen.
Was bei den Spitzengehältern, die
jeweils gezahlt werden, auch nicht
ganz verkehrt ist. Sportlich aber
hat die Partie eher wenig Aussagekraft, denn während die KHL seit
Wochen im Spielbetrieb ist, beginnt die NHL-Saison erst morgen.
Die Hurricanes haben die Partie in
St. Petersburg lediglich als Vorbereitung auf die Begegnung mit
Minnesota Wild in Helsinki genutzt.
Zum vierten Mal in Folge eröffnet die NHL ihre Saison nun in Europa. Gleich sechs Mannschaften
sind angereist und absolvieren
sechs Punktspiele. „Mit diesen
sechs Teams hat fast die Hälfte aller NHL-Klubs in Europa gespielt“, sagt NHL-Commissioner
Gary Bettman. Dahinter steckten
einst konkrete Expansionspläne,
von einer eigenen NHL-Division
in Europa war die Rede. Mittlerweile wird vorsichtiger formuliert.
„Es zeigt unser anhaltendes Interesse, das Eishockey außerhalb
von Nordamerika zu entwickeln“,
sagt Mike Ouellet, der Chef der
Wirtschaftsabteilung der Spielergewerkschaft NHLPA.
Christoph Sandmann, Deutschlands bester Vierspännerfahrer, an den Lenkseilen. Hinter ihm sitzen seine Beifahrer, die sogenannten Grooms
Hoch auf dem schnellen Wagen
Warum Christoph Sandmann auf eine Medaille bei den Weltreiterspielen hoffen darf
ren. „Bei Weltreiterspielen haben
wir immer genug Zuschauerresonanz“, sagt der Routinier.
Sandmann ist der deutsche Fahrer mit den größten Chancen in
Kentucky – ein Hobbysportler unter vielen Profis und Halbprofis.
Mit 18 Jahren fuhr der Niedersachse seine ersten Vierspännerturniere; 1992 holte er eine erste Medaille
bei Weltmeisterschaften, die immer zwei Jahre nach Weltreiterspielen ausgetragen werden.
Sandmanns Ziel ist ein Platz unter den besten Fünf. „Es gibt drei
VON MELANIE HAACK
Berlin – Geschickt und waghalsig
schlängelt sich der Fahrer mit seinem Wagen und den vier Pferden
durch enge Wendungen. Er sucht
den besten Weg zum nächsten Tor,
fährt rasant über Brücken, Erdhügel und durch Wasser. Spektakulär
ist sie, die Geländefahrt der Vierspänner.
Im Mittelpunkt des Pferdesports
stehen in Deutschland die Spring-,
Dressur- und Vielseitigkeitsreiter,
die Fahrer hingegen nur selten. Dabei haben sie bei den alle vier Jahre
ausgetragenen Weltreiterspielen
seit 1994 immer eine Medaille in
der Mannschaft und eine in der
Einzelwertung geholt. Bei den
Spielen in Lexington im US-Bundesstaat Kentucky beginnen die
Vierspännerfahrer morgen mit der
ersten von drei Teilprüfungen, der
Dressur.
Über zu wenig Interesse an seinem Sport will sich Christoph
Sandmann (43), der fünfmalige
Deutsche Meister, nicht beschwe-
absolute Favoriten.“ Gemeint sind
die Medaillengewinner der WM
2008. Damals holten die Deutschen im Team hinter den Niederländern Silber. Neben Sandmann
war auch Ludwig Weinmayr (49)
dabei, der in Kentucky ebenfalls
startet. Der dritte deutsche Fahrer
ist WM-Neuling Georg von Stein
(38). „Eine Silbermedaille wie vor
zwei Jahren ist, glaube ich, nicht
realisierbar“, sagt Sandmann.
Ob in Dressur, Geländeprüfung
oder Hindernisfahren – das Motto
„Das Pferd ist nicht gut genug fürs
Die Prinzessin und der erbitterte Machtkampf
■ Der Reiter-Weltverband FEI erlebt
bei den Weltmeisterschaften in
Lexington/USA eine Zerreißprobe.
Präsidentin Haya vernachlässigt für
den Kampf um ihre Wiederwahl im
November sogar das Tagesgeschäft:
Das Vorstandstreffen für Sonntag
habe sie abgesagt – „mit der Begründung, es gebe nichts mehr zu
besprechen“, zürnte Hanfried Ha-
Kaymer möchte auf Europas Thron
ring, Ex-Generalsekretär des deutschen Verbandes FN.
■ Das Verhältnis zwischen FEI und
Europa ist zerrüttet. Der Streit
eskalierte 2009. Haya, Prinzessin
von Jordanien, wollte eine Medikationsliste durchsetzen, die den Einsatz von Entzündungshemmern bei
Pferden im Wettkampf erlaubt hätte.
SPORT KOMPAKT
VOLLEYBALL
Golfer hat hohe Ambitionen nach dem Ryder-Cup-Erfolg
Newport – Als sein Name während
der Abschlusszeremonie aufgerufen wurde, stand Martin Kaymer
stolz auf. Um den Hals eine
schwarz-rot-goldene Fahne, winkte
er den applaudierenden Fans zu
und sollte wenig später zum ersten
Mal die wichtigste Golftrophäe der
Welt in Händen halten: Kaymer ist
nach Bernhard Langer der zweite
deutsche Ryder-Cup-Sieger. In einem denkwürdigen Wettkampf
hatte Europa die USA mit dem
knappsten aller Ergebnisse besiegt:
14,5:13,5. Trotzdem wirkte Kaymer
alles andere als gelöst. „Jetzt muss
ich extrem viel schlafen“, sagte er.
Er werde ohnehin erst in ein oder
zwei Wochen verarbeitet haben,
was er erlebt habe.
Zweieinhalb von vier möglichen
Punkten hatte Kaymer zum Erfolg
beigesteuert, er gehörte damit zu
den besten Europäern. In den drei
Doppeln agierte Kaymer solide,
seine Partner waren aber stets dominierend. Und im abschließenden
Einzel war Kaymer mitverantwortlich dafür, dass es noch einmal eng
wurde. „Ich habe mich danach
AP/MATT DUNHAM
VON SVEN FLOHR
Kaymer reckt stolz den Pokal in die
Höhe, doch er hat weitere Ziele
schrecklich gefühlt, du lässt die
Kollegen schließlich nicht gern
hängen“, sagte er.
Der Mann, der nach Angaben seines Trainers niemals einen Fehler
zweimal macht, wird hart daran arbeiten, auch im Ryder Cup dominieren zu können. Im Spiel Mann
gegen Mann sei er einfach nicht
gut, dass müsse sich dringend ändern, sagt Kaymer: „Ich analysiere
mein Spiel genau und versuche immer, herauszufinden, was ich falsch
gemacht habe. Dies wird mir in den
nächsten 15 bis 20 Jahren noch sehr
helfen.“
Auch die kurzfristigeren Pläne
sind bereits gemacht. Diese Saison
gibt es nur noch ein Ziel: „Ich habe
extrem gute Chancen, am Jahresende Europas Nummer eins sein. Den
Titel möchte ich mir holen.“
Reiten – dann wird es eben eingespannt“ gilt längst nicht mehr. Für
den Fahrer ist das Arbeiten mit
vier Pferden gleichzeitig eine besondere Herausforderung. „Ich bin
nur durch meine Leinen mit ihnen
verbunden. Meine Stimme muss
auf die Pferde einwirken, und ich
muss ein gutes Gespür dafür haben, wie ich sie anpacke, wie alles
zusammen
harmoniert“,
beschreibt Sandmann, der ein ganzes
Team hinter sich hat – darunter
zwei
Beifahrer,
sogenannte
Grooms.
Seine liebste Teilprüfung ist der
Marathon, offiziell Geländeprüfung genannt. Die Weltreiterspiele
nutzt Sandmann zu einem kleinen
Familientrip – seine Frau und die
älteren zwei von drei Kindern sind
mit ihm am 3. Oktober abgeflogen.
„Wir sind noch nie mit unseren
Pferden geflogen und in Übersee
gewesen“, sagt Sandmann. Seine
15-jährige Tochter fährt bereits
selbst. „Ich denke, dass sie irgendwann in meine Fußstapfen treten
kann.“
Deutsche fast im Halbfinale
Deutschlands Volleyballer dürfen
weiter von der ersten WM-Medaille seit 40 Jahren träumen.
Dank seiner bislang besten Turnierleistung feierte das junge
Team beim 3:0 (25:23, 25:18, 25:13)
gestern in Rom gegen Tschechien
einen souveränen Sieg. Ein weiterer und sie stehen im Halbfinale.
DOPING
Indizien gegen Contador
Der suspendierte Radprofi Alberto Contador gerät immer mehr in
Erklärungsnot. Nach Angaben der
„New York Times“ sind auch bei
einer zweiten Probe des Spaniers
während der diesjährigen Tour de
France Kunststoffrückstände in
seinem Urin gefunden worden, die
Blutdoping nahelegten. Das berichtete die Zeitung gestern unter
Berufung auf einen Informanten,
der die Testergebnisse kenne.
HANDBALL
Füchse-Trainer verlängert
Nach sechs Siegen in Serie und
Tabellenplatz eins in der Bundesliga haben die Füchse Berlin den
Vertrag mit Trainer Dagur Sigurdsson vorzeitig bis 2013 verlängert. „Ich bin noch nicht fertig
mit meinem Anteil am Projekt“,
sagte Sigurdsson gestern.
TENNIS
Petkovic ausgeschieden
Andrea Petkovic aus Darmstadt ist
bei dem mit 4,5 Millionen Dollar
dotierten WTA-Turnier in Peking
in der zweiten Runde ausgeschieden. Die 23-Jährige unterlag USOpen-Finalistin Wera Swonarewa
aus Russland nach 83 Minuten mit
4:6, 1:6.
Wir melden
unsere Lieblinge bei
Facebook an.
Sind wir reif für
eine neue Zeitung?
sind-wir-reif.de
W E LT K O M PA K T
16
Bunte Wiesn
Jung, wild und fröhlich – so feierten die Gäste des Münchner
Oktoberfest auch in diesem Jahr.
Nach Angaben der Organisatoren kamen insgesamt 6,4 Millionen Besucher, etwa 700.000 mehr
als vor einem Jahr. Am letzten
Samstag meldete die Wiesn den
vollsten Tag seit zehn Jahren.
Eine weitere Erkenntnis: Die
Gäste kommen immer zahlreicher auch aus dem Ausland,
vorwiegend aus Italien, aus den
USA, Japan und Australien. In
den letzten Jahren setzte sich
zudem der Trend zur Tracht
durch, so dass immer mehr der
Wiesnbesucher mit Lederhosen
bzw. Dirndl dorthin gehen. Doch
jetzt ist Schluss. Am Montag ging
die Party zu Ende. Und endlich
durfte auch das Personal ausgelassen feiern und trinken.
Nächstes Jahr gehen die Feierlichkeiten feuchtfröhlich weiter.
* M I T T W O C H , 6 . O K T O B E R 2 010
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DAPD/LUKAS BARTH
M I T T W O C H , 6 . O K T O B E R 2 010
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FORUM
KOPFNOTEN
Alles, was recht ist
Von Sabine Menkens
und Michael Miersch
PA/DPA/M. OSSOWSKI/S. SIMON
In einem Gastkommentar für
die WELT hatte
Walter Krämer
eine Studie
angezweifelt,
die die Grünen
in Auftrag
gegeben hatten. Darin wurde
behauptet, Atomkraftwerke verursachten Leukämie. „Falsch!“,
widersprach der Statistikprofessor und Autor („Lexikon der
populären Irrtümer“) und wies
der Studie statistische Irrtümer
nach. Um die Weiterverbreitung
von Krämers Kommentar zu verhindern, erwirkte einer der Verfasser eine einstweilige Verfügung. Die wurde jetzt vom Gericht aufgehoben. Ein Jahr dauerte der Streit. Krämer hielt durch –
und gewann.
Note: 1
Das Ehepaar Kirchner richtet sein Land zugrunde / Von Hildegard Stausberg
mehr Argentinier als den Dichter Borges.
So auch die argentinische Staatspräsidentin Cristina Fernández de Kirchner.
Sie verkörpert das lärmende, effekthaschende Argentinien der „Porteños“,
der Bewohner des ehemals eher südeuropäischen, nun aber immer südamerikanischer werdenden Schmelztiegels
am Rio de la Plata.
Aber all das Talmihafte, die Operettenauftritte, die Schminkorgien würde
man ihr verzeihen, wenn sie sich – im
Verbund mit ihrem Mann Néstor Kirchner – nicht vorgenommen hätte, aus Argentinien ein anderes Land zu machen,
ein rechtloses Gebilde. Ein Land, in dem
die Justiz der Exekutive gnadenlos unterworfen wird, in dem unabhängige
Richter bedroht werden, in dem mit
Ausnahmedekreten regiert wird, in dem
die Bereicherung des Präsidentenpaares
und seiner Entourage alle Vorstellungen
sprengt. Ein Land, in dem kritische Journalisten um ihr Leben fürchten müssen.
Um das Bereicherungsregime zu decken, werden geschickt Nebelkerzen geworfen. Dazu gehört vor allem der so
unermüdliche Einsatz der Kirchners für
die Menschenrechte. Als es an der Zeit
war, dafür einzustehen, unter dem Militärregime von 1976 bis 1983, duckte sich
das Paar weg. Der junge Anwalt Néstor
Kirchner bereicherte sich an den Opfern
der verfehlten Währungspolitik jener
Epoche. Später profitierte er als Gouverneur der Provinz Santa Cruz von der
Privatisierung des Erdölmonopols YPF
– die Zentralregierung zahlte 600 Millionen Dollar, das Geld ist seitdem verschwunden. Kenntnisreich weist der
Journalist Luis Majul in seinem Buch
„Der Besitzer“ nach, wie Kirchner sich
mit einem dichten Netzwerk das Land
zu unterwerfen sucht und jeden verfolgt, der ihn daran hindern will. Auch
den beiden großen Zeitungen des Landes, „Clarín“ und „La Nación“, hat das
Ehepaar den Krieg erklärt: Viele Details
des Bereicherungskrimis wurden dort
veröffentlicht. Der argentinische Qualitätsjournalismus hat längst eine für das
Überleben der Demokratie entscheidende Funktion.
Und so sollten alle Gesprächspartner
Frau Kirchners in diesen Tagen in Frankfurt am Main sie auch fragen, warum sie
die Freiheit der Presse beschneiden will,
indem sie etwa ein staatliches Monopol
über die Papierproduktion und -vergabe
herzustellen sucht. Sie kommt mit einer
Unternehmerdelegation, will für Investitionen sorgen. Wie aber steht es mit
der Rechtssicherheit in einem Lande, in
dem das Ehepaar Kirchner die privaten
Rentenfonds verstaatlichte, um sich das
Ersparte von Millionen Argentiniern
unter den Nagel zu reißen? Seitdem
schaffen die Argentinier noch mehr
Geld ins Ausland – 50 Milliarden sollen
es in den letzten fünf Jahren gewesen
sein. Außer in Immobilien investiert
kein Argentinier mehr in seiner Heimat:
Das Land ist paralysiert.
Dieser Stillstand provoziert eine seltene Einmütigkeit der sonst so zersplitterten Opposition. Sie fürchtet, dass die
Kirchners mit ihrer auf Spaltung der Gesellschaft angelegten Politik das Land
zugrunde richten. Argentinien braucht
mehr Borges: „Niemand ist das Vaterland, wir sind es alle.“
PA/DPA/KARL-JOSEF HILDENBRAND
N
iemand ist das Vaterland, wir
sind es alle.“ Argentiniens
größter Schriftsteller Jorge
Luis Borges bekräftigte dies
in einer „Ode, geschrieben 1966“, zwanzig Jahre vor seinem Tode. Und weiter:
„Das Vaterland, Freunde, entsteht durch
einen permanenten Schaffensakt.“ Wer
möchte Borges da widersprechen!
Sein Vaterland, das ferne Argentinien,
rückt uns nun als Schwerpunktland der
Frankfurter Buchmesse näher. Man wird
sich wieder einmal beschäftigen mit diesem achtgrößten Land der Welt, in dem
nur 40 Millionen Menschen leben, die
meisten davon in der Hauptstadt Buenos Aires und einigen Städten der wichtigsten Provinzen. Das Land selbst ist
zum großen Teil menschenleer. Der
Reichtum Argentiniens ist unermesslich. Das hat an der Wende vom 19. zum
20. Jahrhundert Millionen meist südeuropäischer Migranten angezogen: Aus
dem verschlafenen spanischen Vizekönigreich am Rio de la Plata wurde in der
ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts
die am kräftigsten pulsierende Wachstumsnation Lateinamerikas.
Das ist Geschichte. Längst hat sich
Brasilien durchgesetzt – und auch Chile
und Kolumbien geht es heute besser als
Argentinien. Nicht wenige Bücher argentinischer Autoren begeben sich auf
die Spurensuche dieses Verfalls. Und
manchmal scheint es fast, als ob die Argentinier diese Dekadenz ihres Gemeinwesens längst akzeptiert hätten, in ihr
ein Markenzeichen sehen. Vielleicht
könnte man dies als Lust am „Maradonismus“ definieren, den Fußballabgott
Diego Maradona verehren sicherlich
Note: 2
Hat man als
Mutter das
Recht auf eine
eigene Meinung? Keineswegs, findet
R-’n’-B-Star
Usher. Er ist
immer noch vergrätzt, dass seine
Mutter nicht zu seiner Hochzeit
mit der Stylistin Tameka Foster
vor drei Jahren gekommen ist,
sagte er dem US-Magazin „Vibe“.
Von Eltern erwarte er einfach
bedingungslose Liebe für ihre
Kinder. Sie sollten deren Entscheidungen akzeptieren, auch
wenn sie anderer Meinung seien,
meint der Sänger. Da mag er recht
haben. Weitsichtiger hingegen
war die Frau Mama mit ihren
Unkenrufen: Ushers Ehe ist bereits zerbrochen.
PA/DPA/GLOBE-ZUMA
Der Verfall Argentiniens
Endlich wieder
zu ihrem
Recht kommen auch die
Friseure in
Oberammergau.
Monatelang
mussten sie
darben, weil sich die Männer des
Ortes und Teilnehmer der Passionsspiele die Haare und Bärte
nicht schneiden lassen dur ften.
Nur Römer und Chormitglieder
dur ften zur Schur, aber die konnten das Geschäft auch nicht
retten. Jetzt ist der ganz persönliche Leidensweg der Oberammergauer Friseure vorbei, die
Scheren klappern wieder. Der
nächste Haar- und Barterlass gilt
erst wieder 2019 für die Passionsspiele 2020. Genug Zeit für
die wirtschaftliche Erholung.
Note: 4
WELT KOMPAKT erscheint auch im Abonnement: frei Haus monatlich Euro 15,90 inkl. 7% MwSt., Zustell- und Vertriebskosten. Abonnementgebühren im Voraus zahlbar.
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M I T T W O C H , 6 . O K T O B E R 2 010 *
W E LT K O M PA K T
WIRTSCHAFT
19
Zahlen muss man in Deutschland
fürs Fernsehen zwar immer – GEZ
sei Dank –, aber neben den bekannten öffentlich-rechtlichen
Sendern und den Privaten, gibt es
weitere Programmanbieter, deren
Sendungen nur dann zu empfangen sind, wenn man eine Zugangsgebühr oder eine Servicepauschale bezahlt. In den USA ist
das weit verbreitet, dort hatte
schon vor mehr als 20 Jahren rund
ein Drittel aller Haushalte Pay-TV.
In Deutschland tun sich die Anbieter noch schwer, 1986 startete in
der Region Hannover mit dem
Teleclub erstmals Pay-TV hierzulande. Längst gibt es mehrere
Sender, die dem Konzept folgen,
Beiträge nur jenen zugänglich zu
machen, die ein Abo kaufen oder
„auf Abruf“ zahlen. Jetzt will der
Musiksender MTV nur noch
gegen Geld ausstrahlen. Mit wenigen Ausnahmen sind Pay-TVAngebote heute digital verbreitet.
Zur Entschlüsselung muss der
Digitaldekoder ein Zugangsberechtigungssystem unterstützen.
Finanzmärkte
Name
Xetra
Schluss
Vortag
Schluss
+/%
Adidas
Allianz
BASF
Bayer
Beiersdorf
BMW
Commerzbank
Daimler
Deutsche Bank
Deutsche Börse
Deutsche Post
Deutsche Telekom
E.ON
Fresenius Vz.
Fres.Med.Care
Heidelbg.Cement
Henkel Vz.
Infineon
K+S
Linde
Lufthansa
MAN
Merck
Metro
Münchener Rück
RWE
SAP
Siemens
ThyssenKrupp
VW Vz.
45,52
83,11
47,24
52,60
45,40
49,95
6,08
44,69
40,55
48,44
12,96
10,06
21,21
59,08
44,95
36,18
40,34
5,14
44,09
97,41
13,75
79,48
61,01
46,90
102,00
49,14
36,73
76,14
24,49
83,97
44,59
82,03
46,46
51,22
45,67
48,22
6,01
43,78
39,58
47,17
12,94
9,98
21,38
59,04
45,33
35,20
39,44
5,00
43,35
96,00
13,42
79,04
61,01
46,13
100,75
49,24
36,17
75,56
24,13
83,36
2,10
1,32
1,69
2,69
-0,60
3,60
1,25
2,07
2,45
2,67
0,19
0,80
-0,80
0,07
-0,83
2,78
2,28
2,86
1,72
1,47
2,46
0,56
0,00
1,68
1,24
-0,20
1,55
0,77
1,51
0,73
DAX
6215,83
6250
6150
6050
08.09.10
05.10.10
MDAX
9000
Harharhar. Die Zeichentrick-Zyniker Beavis and Butthead waren ein Markenzeichen des Musiksenders MTV
Erst zahlen, dann gucken
Wer den Musikkanal MTV sehen will, muss ab Januar in die Tasche greifen
Dax-Werte
6350
AP
WIRTSCHAFTS-ABC
8811,39
Berlin – Der Musikkanal MTV
wird ab Januar nur noch für zahlende Kunden zu sehen sein. Ab
kommendem Jahr wird das Programm ausschließlich als Abosender auf digitalen Kabel-, Satellitenund Breitbandplattformen zu empfangen sein, sagte der Deutschlandchef von MTV Networks, Dan
Ligtvoet, der „Financial Times
Deutschland“.
Der Schwestersender Viva soll
im Gegenzug aufgewertet werden:
Viva werde zum zentralen Musikund Entertainmentkanal umgebaut und solle künftig erfolgreiche
Formate aller Sender von MTV
Networks ausstrahlen. „Viva wird
damit auch ein frei zugängliches
Schaufenster zu unserer Programmwelt“, sagte Ligtvoet.
MTV vollzieht damit einen Strategieschwenk, von dem einige Sender hierzulande träumen. Viele
TV-Sender liebäugeln nämlich mit
Bezahlangeboten, um sich weniger
abhängig von den schwankenden
Werbeeinnahmen zu machen. Zuletzt hatte die Wirtschaftskrise
deutlich gezeigt, wie riskant das
weitgehend auf Werbefinanzierung basierende Geschäftsmodell
hiesiger TV-Unternehmen ist.
2009 waren die Werbeeinnahmen
europaweit meist zweistellig eingebrochen und hatten weiten Teilen der Branche das Geschäft verhagelt.
Ohnehin gilt der deutsche PayTV-Markt als besonders schwierig: Anders als etwa in Großbritannien haben sich die deutschen
Fernsehzuschauer an frei zugängliche Angebote gewöhnt. Nirgendwo sonst auf der Welt gibt es so
viele frei verfügbare Fernsehkanäle, so dass die Bereitschaft für kostenpflichtige Angebote naturgemäß geringer ist. Vor allem der
Sender Sky – der bis vor einiger
Zeit noch Premiere hieß – beißt
sich seit Jahren die Zähne am deutschen Markt aus und hat bislang
keine nennenswerten Gewinne
vorgewiesen.
Branchenbeobachter
werten
den MTV-Sprung ins Bezahlfernsehen denn auch weniger als rein
strategische Offensive, sondern
vor allem als Reaktion auf rückläufige Werbeeinnahmen. Künstner
zufolge ist dies gerade für eine etablierte Marke wie MTV sinnvoll.
„Pay-TV ist zwar kein boomender,
aber dennoch ein wachsender
Markt“, sagt er. „Dass eine stark
profilierte Marke wie MTV den
Schritt aus dem rein werbefinan-
zierten Fernsehen macht, ist ein
Warnsignal für all die anderen
kleineren Spartenkanäle, die derzeit noch Hoffnungen auf Werbung setzen.“
Bei den Werbeeinnahmen bleibe
neben den Privatanbietern RTL
und ProSieben sowie den öffentlich-rechtlichen Sendern nur ein
kleiner Kuchen übrig, den sich alle
anderen Spartensender teilen
müssten, sagt Klaus Goldhammer,
Geschäftsführer der Unternehmensberatung Goldmedia. Dagegen sei Bezahlfernsehen „ein relativ klar kalkulierbares Modell“.
„Das ist ein wohlüberlegter strategischer Schritt“, den MTV hier
vollziehe.
Ich glotz’ Pay-TV
■ Einige TV-Unternehmen setzen in
Deutschland bereits auf PayTV.
ProSiebenSat.1-Chef Thomas Ebeling kündigte vor einem Jahr den
Aufbau zusätzlicher digitaler AboSpartensender an – mit dem Ziel,
mittelfristig 30 Prozent der Umsätze
Most wanted
aus nicht werbeabhängigen Quellen
zu erwirtschaften.
■ Schon heute unterhält das Unternehmen den Pay-TV-Kanal Sat.1
Comedy. RTL betreibt bereits drei
digitale Abosender.
http://bit.ly/cW8nGU
1994 hatte der
Musiksender noch
Stil: In der Show
„MTV most wanted“
machte Ray Cokes
anarchisches
Musik-TV.
8800
8600
08.09.10
05.10.10
Dow Jones
11050
10896,96
10800
10550
10300
08.09.10
1,38
05.10.10
Euro in Dollar
1,34
1,3780
1,30
1,26
08.09.10
86
05.10.10
Brent-Öl
83,97
83
80
77
08.09.10
1340
05.10.10
Goldpreis pro Unze
1305
1337,67
1270
1235
08.09.10
05.10.10
Zeitarbeitsunternehmen
drängen auf Mindestlohn
IWF: Finanzkrise kostete
2,2 Billionen Dollar
Berlin – Die Unternehmen der
Zeitarbeitsbranche drängen auf eine rasche Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns für Leiharbeiter. Spätestens im November
werde die Branche die Aufnahme
in das Entsendegesetz beantragen,
sagte der Vize-Präsident des Bundesverbandes Zeitarbeit, Thomas
Bäumer. „Im Mindestlohn-Boot
fehlt nur noch die FDP“, sagte der
Sprecher des Interessenverbandes
Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ), Wolfram Linke. Nur
die FDP sperre sich, den Mindestlohn für Leiharbeiter für allgemeinverbindlich zu erklären.
Am 1. Mai 2011 fallen die Grenzen
für den Zugang von Arbeitskräften
Washington – Die weltweite Krise
hat dem Finanzsystem nach Schätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) 2,2 Billionen
Dollar (1,6 Billionen Euro) gekostet. Der Finanzsektor bleibe zugleich noch immer die „Achillesferse“ der wirtschaftlichen Erholung, erklärte der IWF gestern in
seinem Halbjahresbericht zur
weltweiten Finanzstabilität.
„Das globale Finanzsystem ist
immer noch in einer Phase deutlicher Unsicherheit“, hieß es in dem
Bericht. Risiken bestünden insbesondere, weil die Konjunktur derzeit „sehr schnell von einer guten
Entwicklung in den Krisenmodus
umspringen kann“. In Deutschland
aus den osteuropäischen Beitrittsstaaten. Ohne gesetzliche Regelung könnten Leiharbeiter etwa
aus Polen oder Tschechien dann in
Deutschland zu den Tarifbedingungen ihres Heimatlandes arbeiten. „Das würde hier einen mörderischen Konkurrenzkampf bedeuten“, so Linke.
PA/DPA/MARTIN SCHUTT
8400
Zeitarbeitsmesse in Erfurt
hat die Konjunktur 2010 spürbar
angezogen.
Die Staaten dürften ihre Milliardenhilfen für die Banken aus diesem Grund nur sehr vorsichtig
herunterfahren und müssten sie
derzeit noch aufrechterhalten, erklärte der IWF. Für besonders bedroht hält der Währungsfonds die
reichen Staaten der entwickelten
Welt, insbesondere die USA, Europa und Japan. Die Wirtschaften der
aufstrebenden Schwellenländern
hingegen seien „sehr belastbar“.
Die Kostenschätzung von 2,2 Billionen Dollar liegt deutlich unter
der Zahl von vor einem Jahr, als
der IWF noch von Kosten von 2,8
Billionen Dollar ausging.
W E LT K O M PA K T
20
M I T T W O C H , 6 . O K T O B E R 2 010
WIRTSCHAFT
K O M M E N TA R
Die Beitragszahler
zahlen die Zeche
Götter in Gold
Deutschlands Kassenärzte bekommen 2011 eine Milliarde Euro zusätzliches Honorar
VON STEFAN VON BORSTEL
Eine Milliarde Euro mehr für die
Ärzte? Verwundert werden sich
viele Versicherte die Augen reiben. War da nicht von einem Milliardendefizit der Kassen die Rede?
Steigt nicht zuletzt deshalb auch
der Beitragssatz für die 70 Millionen Versicherten zum 1. Januar 2011
auf 15,5 Prozent an? Irgendwie will
das alles nicht zusammenpassen.
Der „Sparbeitrag“ der niedergelassenen Ärzte sieht nun so aus,
dass sie sich statt der geforderten
zwei Milliarden Euro mit einer
Milliarde begnügen müssen. Die
Beitragszahler werden dagegen
mit sechs Milliarden Euro zur
Kasse gebeten. Offenbar sind beim
Sparen doch nicht alle gleich.
Und beim Geldausgeben auch
nicht. Ärzte in reichen Bundesländern wie Baden-Württemberg
oder Bayern sollen nun mehr
bekommen als die in ärmeren
Ländern, weil sie bei der letzten
Honorarsteigerung zu kurz gekommen seien. Heißt es.
Es gibt aber auch handfeste
politische Gründe für diese Ungleichbehandlung. In BadenWürttemberg wird bald gewählt.
Und Bayerns CSU sitzt dem FDPGesundheitsminister im Nacken.
Außerdem braucht Rösler für
seine große Gesundheitsreform
die Unterstützung der Ärzteschaft. Mit der Milliarde werden
die Ärzte nun besänftigt. Zahlen
dürfen dafür die Beitragszahler.
Berlin – Ungeachtet des Sparzwangs im Gesundheitswesen erhalten die 150 000 niedergelassenen Ärzte 2011 deutlich mehr Honorar. Einschließlich weiterer Einnahmen
etwa
aus
Vorsorgeuntersuchungen können
die Ärzte insgesamt mit über einer
Milliarde Euro zusätzlichem Honorar rechnen, erklärte der Spitzenverband der gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV) gestern nach Verhandlungen mit der
Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).
Der Erweiterte Bewertungsausschuss von Ärzten und Kassen beschloss den Angaben zufolge in
Berlin konkret eine Anhebung der
Ärztevergütung um 500 Millionen
Euro, die im kommenden Jahr
asymmetrisch, also unterschiedlich stark, auf die einzelnen Regionen verteilt werden sollen. Nach
dem Willen der KBV sollen dadurch Ärzte in Bundesländern wie
Bayern oder Baden-Württemberg,
die von der jüngsten Honorarreform nur wenig profitiert hatten,
einen Ausgleich erhalten.
Ein weiteres Honorarplus von
175 Millionen Euro ergibt sich nach
Angaben des GKV-Spitzenverbandes durch einen entsprechenden
Kabinettsbeschluss. Weitere Leistungen wie den Hörtest für Neugeborene oder die Vorsorgeuntersuchungen eingerechnet, ergibt sich
nach Angaben der Kassen für die
niedergelassenen Ärzte unter dem
Was Ärzte verdienen
Honorare 2009 (vor Praxiskosten,
Steuern und Abgaben) in Euro
Veränderung
zum Vorjahr
Anstieg der Honorare der niedergelassenen Ärzte für die
Behandlung von gesetzlich Versicherten von '07 bis '09
+4%
+ 24,1 %
+ 23,6
+ 20,6
+ 19,0
Einkommen
je Arzt in Euro
+ 18,3
(nach Abzug
+ 17,7 der Praxiskosten,
vor Steuern
+ 14,9
und Abgaben)
+ 14,2
+ 13,3
2010
+ 12,0
164
000
2007
+ 10,8
142 000
+ 9,8
+ 7,7
+ 7,3
+ 3,5
+ 2,6
Hamburg
Thüringen
213 528
+7
Niedersachsen
204 430
+3
Sachsen-Anhalt
+2
192 591
Sachsen
Berlin
+6%
202 725 Euro
Mecklenburg-Vorp.
Brandenburg
450 723 + 7
433 653 + 3
Saarland
248 715
+5
Nordrhein-Westf.
235 085
-4
Hessen
233 142
+6
213 959
+6
Bremen
204 860
+5
Schleswig-Holstein
200 586
+ 19
Rheinland-Pfalz
192 216
+3
174 983
0
Baden-Württemberg
-1
173 362
Bayern
Hausärzte*
davon:
Kinderärzte
Internisten
Allgemeinmediziner
200 164 Euro
Fachärzte
davon:
Internisten
Radiologen
Augenärzte
Orthopäden
Chirurgen
Urologen
Gynäkologen
Nervenärzte
Hautärzte
HNO-Ärzte
Anästhesisten
* ohne Selektivverträge mit den Kassen
Grünen zur Gesundheit
■ Die Grünen setzen der Gesundheitsreform der schwarz-gelben
Koalition ein eigenes Konzept ihrer
Bürgerversicherung entgegen. Es
sieht vor, dass Krankenkassenbeiträge nicht mehr nur auf das Arbeitseinkommen gezahlt werden, sondern
auf alle Einkunftsarten. Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollen wieder
jeweils die Hälfte der Beiträge zahlen. Die private Krankenversicherung
wollen die Grünen weitgehend abschaffen und nur noch auf Zusatzversicherungen beschränken.
Strich ein Honorarplus von mehr
als einer Milliarde Euro.
Damit steige das Honorar von
rund 32 Milliarden Euro in diesem
Jahr auf gut 33 Milliarden Euro im
nächsten Jahr. „Das ist keine Sparmaßnahme, sondern eine Ausgabensteigerung“, kritisierte GKVVize Johann-Magnus von Stackelberg. Bezahlen müssten dies die
Beitragszahler über die Erhöhung
der Krankenkassenbeiträge, die
die Bundesregierung zum 1. Januar
2011 beschlossen hat.
Wie es aus Verhandlungskreisen
hieß, fiel der Beschluss im Erweiterten Bewertungsausschuss ge-
Quelle: dpa, KBV, GKV-Spitzenverband
gen die Stimmen der Krankenkassen. Ausschlaggebend war offenbar das Votum des unabhängigen
Sachverständigen Jürgen Wasem.
Die Kassen hatten eine Nullrunde
für die Ärzte gefordert.
Das Bundesgesundheitsministerium begrüßte, dass nun eine Entscheidung gefallen sei. Die Selbstverwaltung habe damit ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt. KBV-Chef Andreas Köhler
forderte von der Politik, die Ärztevergütung um mehr als die bislang
zugesagte „lineare Anpassung“ um
weitere 0,75 Prozent nochmals zu
erhöhen.
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WIRTSCHAFT KOMPAKT
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Warum der erfahrenste
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TOYOTA
2011 endet der Solarboom
Reperaturen abgeschlossen
Das Solarunternehmen Conergy
rechnet im kommenden Jahr mit
einem Ende des Solarbooms in
Deutschland. Wegen der deutlichen Kürzung der Förderung
werde die neu installierte Leistung
auf vier Gigawatt sinken, sagte der
scheidende Conergy-Chef Dieter
Ammer in der Hauptversammlung. In diesem Jahr rechnet er
noch mit einem Rekordzubau von
sieben Gigawatt. Frühestens 2013
werde es in Deutschland, dem mit
Abstand größten Photovoltaikmarkt der Welt, wieder aufwärts
gehen. Trotzdem hält es der Manager für möglich, dass Conergy im
kommenden Jahr Umsatz und
operativen Gewinn steigern kann.
Nach einer Serie von Rückrufaktionen hat der japanische Autohersteller Toyota die Hälfte der
Reparaturen an den betroffenen
Autos abgeschlossen. Mehr als
fünf Millionen der seit Herbst
ROHSTOFFHANDEL
Gegen Spekulanten
Deutschland und Frankreich
wollen die weltweiten Spekulationsgeschäfte mit Rohstoffen
eindämmen. Bundeskanzlerin
Angela Merkel machte sich wie
zuvor bereits Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy für eine
stärkere Regulierung in diesem
Bereich stark. Die Rohstoffpreise
seien sehr volatil, sagte Merkel.
„Daher würde ich es voll unterstützen, dass wir dieses Thema
angehen.“ Sarkozy hatte angekündigt, sich während der französischen G8- und G20-Präsidentschaft im nächsten Jahr für eine
stärkere Kontrolle einzusetzen.
Politiker haben Spekulanten für
stark gestiegenen Lebensmittelpreise verantwortlich gemacht.
PA/DPA/EVERETT KENNEDY BROWN
WEITERE THEMEN:
CONERGY
2009 zurückgerufenen Autos
seien repariert, teilte Toyota mit.
Jedes neue Fahrzeug werde darüber hinaus mit einem Gerät zur
Datenaufzeichnung bei Unfällen
und mit einem Notfall-Bremssystem ausgestattet sein. Die
Fahrzeuge waren unter anderem
wegen klemmender Gaspedale
sowie Problemen mit der Elektronischen Stabilisierung zurückgerufen worden.
G20-TREFFEN
Brüderle vertritt Schäuble
Bundeswirtschaftsminister Rainer
Brüderle (FDP) wird seinen erkrankten Kabinettskollegen Wolfgang Schäuble (CDU) beim Treffen der G20-Finanzminister in
Südkorea vertreten, hieß es in
Regierungskreisen. Die Finanzminister der 20 wichtigsten Wirtschaftsnationen treffen sich Ende
Oktober in Südkorea.
M I T T W O C H , 6 . O K T O B E R 2 010 *
W E LT K O M PA K T
WIRTSCHAFT
Notenbank-Chef Ben Bernanke fürchtet um die wirtschaftliche Zukunft des Landes
Berlin/New York – Die US-Notenbank Federal Reserve soll die Stabilität des Dollars, der Wirtschaft
und des Finanzsektors gewährleisten. Dementsprechend treten ihre
Chefs für gewöhnlich auf: ruhig,
zurückhaltend und vorsichtig in
der Wortwahl. Das gilt auch für
Ben Bernanke, den derzeitigen Notenbankchef – normalerweise. Am
Montag allerdings schlug Bernanke Alarm: Bei einer Rede im Bundesstaat Rhode Island warnte er,
dass die ausufernden Staatsschulden der USA die wirtschaftliche
Zukunft gefährden.
Der Zeitpunkt war sorgfältig gewählt: Bernanke sandte seinen Appell an die Politik, nachdem die
US-Börsen bereits geschlossen
hatten. Die wirtschaftliche Zukunft
der USA stünde auf dem Spiel,
wenn es der Regierung nicht gelinge, das Haushaltsdefizit in den
kommenden Jahren einzudämmen,
warnte Bernanke in seiner ungewöhnlich dramatischen Rede.
Für gesunde Staatsfinanzen seien strengere Regeln notwendig,
sagte Bernanke. Er schlug vor, in
den USA auf Bundesebene ebenfalls eine Schuldenbremse einzuführen. In europäischen Ländern
seien solche strengen Ausgabenregeln bereits sehr erfolgreich genutzt worden, erklärte Bernanke.
In Deutschland wurde im vergangenen Jahr eine Schuldenbremse
verabschiedet, die ab 2011 sukzessive in Kraft tritt.
Auch US-Präsident Barack Obama forderte, das Haushaltsdefizit
entschieden abzubauen. Der Notruf des Notenbankchefs kommt zur
Unzeit für den Präsidenten, in den
viele Wähler große Hoffnungen gesetzt hatten. Viele Amerikaner
sind unzufrieden mit seiner Politik.
Sie bedrückt vor allem die miserable wirtschaftliche Lage. Während
sich die Wall Street erstaunlich
schnell von der Krise erholt hat,
leidet der Rest des Landes unter
anhaltend hoher Arbeitslosigkeit.
Selbst überzeugte Anhänger verspüren wenig von dem Wandel,
den ihnen Obama im Wahlkampf
versprochen hatte.
AFP/MARK WILSON
VON TOBIAS KAISER
UND VIKTORIA UNTERREINER
Notenbank-Chef Ben Bernanke fordert die Einführung einer Schuldenbremse
Kampf gegen die Rezession
■ Der US-Chefökonom der Deutschen Bank in New York, Joseph
LaVorgna, hält es zwar nicht für
sinnvoll, die Steuererleichterungen
für Vermögende fortzusetzen. Aber
er würde es an Stelle von US-Präsident Obama dennoch tun, da die
Konsequenz noch schlimmer wäre.
„Der Rückfall in die Rezession wäre
dann viel wahrscheinlicher”, sagt er.
■ Denn blickt man auf die Fakten,
haben die USA das Schlimmste
hinter sich. Am Immobilienmarkt
sind die Preise für Wohneigentum
seit Ausbruch der Krise um ein
Drittel gesunken und dürften den
Boden mittlerweile erreicht haben.
In Großstädten wie New York steigen
die Mieten bereits wieder um einige
Prozent.
Offiziell hat sich die US-Wirtschaft zwar im Juni vergangenen
Jahres aus der Rezession befreit.
Aber ein richtiger Aufschwung
fühlt sich anders an. Seit Monaten
verharrt die Arbeitslosenrate
knapp unter zehn Prozent, und darin sind noch nicht einmal diejenigen berücksichtigt, die längst resigniert haben und sich gar nicht
mehr beim Amt melden. Die bange
Frage lautet daher, ob die größte
Volkswirtschaft der Welt die Rezession dauerhaft abgeschüttelt
hat oder ob ein Rückfall droht.
„Das Risiko ist gering”, sagt Jeffrey
Frankel von der Universität Harvard. Es liege unter 30 Prozent –
bislang jedenfalls. Denn die größte
Gefahr für die Wirtschaft geht derzeit von Washington selbst aus.
Im November stehen wichtige
Kongresswahlen an. Dass der amtierende Präsident bei diesen Wahlen Verluste hinnehmen muss, ist
üblich. Doch die Enttäuschung
über Obamas Politik ist so groß,
dass sich für die Demokraten hier
ein Desaster abzeichnet. Die Republikaner werden sehr wahrscheinlich ihre 2006 verloren gegangene
Mehrheit im Repräsentantenhaus
zurück erobern und auch im Senat
einige Sitze dazu gewinnen. Innenpolitisch dürfte sich dann in Amerika gar nichts mehr bewegen.
Am heftigsten streiten die beiden Parteien derzeit um Steuererleichterungen, die Obamas Vorgänger George W. Bush verabschiedet hatte und die Ende dieses
Jahres auslaufen. Obama will diese
Steuererleichterungen fortsetzen,
aber nur für die Mittelschicht. Wer
dagegen über 250 000 Dollar im
Jahr verdient, soll wieder so hohe
Sätze auf sein Einkommen zahlen,
wie vor der Änderung. Die Republikaner lehnen dies strikt ab. Verliert Obama im November die
Mehrheit im Kongress, ist er politisch so gut wie handlungsunfähig.
Wenn sich dann aber keiner der
politischen Gegner bewegt, wird
einfach gar nichts passieren. Alle
müssten dann im kommenden Jahr
mehr Steuern zahlen.
Der linksliberale Kolumnist und
Nobelpreisträger Paul Krugman
sieht sein Land jedenfalls auf dem
Weg hin zur „Bananenrepublik”.
Bund lässt Hochtief
beim Abwehrkampf
gegen ACS hängen
Düsseldorf – Die Hoffnungen des
größten deutschen Baukonzerns
Hochtief auf politische Unterstützung im Kampf gegen eine Übernahme durch den spanischen Konkurrenten ACS haben einen weiteren Dämpfer erhalten. Nach Bundeswirtschaftsminister
Rainer
Brüderle (FDP) wies auch Union-
DAPD/VOLKER HARTMANN
So schlecht steht es um die USA
21
Hochtief-Mitarbeiter. Die Belegschaft
sperrt sich gegen eine ACS-Übernahme
Fraktionsvize Michael Fuchs
(CDU) das Hilfeersuchen des
Hochtief-Managements zurück.
„Es ist nicht Aufgabe der Politik,
sich da einzumischen“, sagte
Fuchs. Lediglich die nordrheinwestfälische Landesregierung signalisierte ihre Unterstützung für
Hochtief. Eine Übernahme durch
ACS sei nicht im Interesse des
Landes hieß es.
Regierung kneift
vor Reform
der Mehrwertsteuer
Berlin – Aus Angst vor politischen
Protesten sind Teile der schwarzgelben Bundesregierung offenbar
gegen eine baldige Reform der
Mehrwertsteuer. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU)
will den Umbau des Mehrwertsteuerrechts mit seinen vielen
Ausnahmen dem Vernehmen nach
am liebsten bis in die nächste Legislaturperiode schieben. Schäuble und andere Regierungsmitglieder fürchten die Auseinandersetzungen, die mit verschiedensten
Lobbygruppen auf eine Reform
folgen würden – erst recht, wenn
Mehrbelastungen für Wirtschaft
und Bevölkerung entstünden. Seit
Antritt dieser Bundesregierung
streitet die Koalition über eine
Mehrwertsteuer-Reform.
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Länder rebellieren gegen Riesen-Lkw
Berlin – Die Länder fordern vom
Bund den Verzicht auf deutschlandweite Testfahrten mit RiesenLastwagen. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) solle
„keinen weiteren Feldversuch mit
Lang-Lkw“ zulassen, heißt es in einer Beschlussvorlage für die Konferenz der Länderverkehrsminister, aus der die „Berliner Zeitung“
zitierte. Zum einen lägen bereits
Ergebnisse aus anderen Tests vor.
Zum anderen lehnten einige Länder neue Tests mit den sogenannten Gigalinern ab.
Acht der 16 Bundesländern seien
gegen den bundesweiten Versuch
mit den Lang-Lkw, berichtete die
Zeitung. Zu den Gegnern gehörten
Berlin,
Nordrhein-Westfalen,
PA/DPA; FRISO GENTSCH
Schon bald sollen die „Gigaliner“ über deutsche Straßen rollen
Gigaliner vor einer Spedition. Die
Länder wollen die Lang-Lkw verhindern
Rheinland-Pfalz und Thüringen.
Nur fünf Länder seien für die Versuche, drei noch unentschieden –
Brandenburg, Hamburg und Hessen. Die Gegnerländer kritisieren,
dass ihnen der Bund nicht das
Recht einräumt, über die Tests zu
entscheiden, sondern nur über de-
ren Ausgestaltung. „Die Verkehrsministerkonferenz nimmt mit Besorgnis zur Kenntnis, dass das
Bundesverkehrsministerium den
Ländern nur ein Gestaltungsrecht
einräumt“, heißt es demnach in
der Beschlussvorlage. Einige Bundesländer erwägten bereits eine
Klage, sollte der Bund den Feldversuch im Alleingang durchsetzen.
Anfang 2011 will die Bundesregierung bundesweite Testfahrten
starten, mit denen überprüft werden soll, ob künftig auch in
Deutschland im Güterverkehr Riesen-Lkw über die Straßen rollen
können. Momentan ist die Länge
von Lkw in Deutschland auf 18,75
Meter begrenzt. Gigaliner dagegen
können 25 Meter lang sein.
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W E LT K O M PA K T
WIRTSCHAFT
PA/STEPHAN RUMPF
22
* M I T T W O C H , 6 . O K T O B E R 2 010
So malerisch wie in dieser Berufsfachschule für Buchbinder in München geht es in modernen Buchbindereien nicht mehr zu – dank High-Tech aus Deutschland
Die Buchbinder der Welt
Jedes dritte Werk entsteht auf Maschinen von Kolbus – Die Firma sucht eine Nische im digitalen Zeitalter
Leipzig – Bücher riechen sauer. Ob
Bestseller oder die Gelben Seiten –
wenn aus einem Stapel bedruckter
Papierbögen ein Buch entsteht,
riecht es säuerlich und manchmal
bitter, je nach Leimsorte. Den Geruch verströmen riesige Maschinen, beispielsweise in der Großdruckerei „Offizin Andersen Nexö“ bei Leipzig. Tausende Tonnen
bedrucktes Papier stapeln sich
dort, bis die „Kolbus“ sie innerhalb
von Sekunden zu Büchern vernäht
und verklebt.
Die Buchbinderei-Maschinen in
Leipzig stammen von einem Familienunternehmen aus dem nordrhein-westfälischen Rahden – so
wie in fast jeder Druckerei. Jedes
dritte Buch auf der ganzen Welt
wird von einer „Kolbus“ produziert, 80 Prozent aller Hardcovertitel laufen über eine Buchstraße
des mittelständischen Unternehmens. Die Maschinen produzieren
außerdem Taschenbücher, Kataloge, Telefonbücher und Werbebroschüren.
Thilo
Sarrazins
„Deutschland schafft sich ab“ wurde ebenso von Kolbus-Maschinen
gebunden wie die Potter-Bände.
Wer bei Druckereien derart
groß im Geschäft ist, hat eine sichere Position, könnte man meinen. Doch Kolbus-Geschäftsführer Kai Büntemeyer betrachtet den
Markt der Spezial-Maschinenbauer zwiegespalten. „Die Weltmarktführerschaft ist ein zweischneidiges Schwert“, sagt er. Das Unternehmen sei darauf angewiesen, um
mit Gewinn arbeiten zu können.
Dennoch würde Kolbus die Jahresproduktion gerne um 30 bis 40
Prozent steigern, sagt Büntemeyer.
Die Frankfurter Buchmesse, die
heute beginnt, lässt dieses Ziel allerdings illusorisch erscheinen.
Denn ein Schwerpunkt der Messe
ist die Digitalisierung: Vor allem
das E-Book beschäftigt die Verlagshäuser und Buchhersteller.
Die Berater von Pricewaterhouse Coopers (PWC) sehen die Zukunft der Verlage schon unabhängig vom Buch – als Anbieter von
Inhalten. „Verlage müssen sich auf
die digitale Wertschöpfungskette
einstellen, die Veränderungen in
der Produktion und in der Lagerung. Sie müssen auch ihre Mitarbeiter schulen, die sich als Anbieter von Inhalten, nicht länger als
Buchhändler begreifen müssen“,
sagt Christina Müller, Autorin der
KOLBUS
VON KAREN MERKEL
PWC-Studie. Obwohl das E-Book
in Deutschland bisher kein Bestseller ist, steht Müller zu ihrer
These. Gerade einmal 20 Millionen Euro Umsatz haben die elektronischen Bücher in Deutschland
im Jahr 2009 gemacht. PWC zufolge wird der Umsatz sich bis zum
Jahr 2015 allerdings auf 350 Millionen Euro pro Jahr steigern. Selbst
wenn sich dieses Potenzial gegenüber den 9,7 Milliarden Euro, die
mit gedruckten Büchern im Jahr
2009 umgesetzt wurden, bescheiden ausnimmt, könnte der Trend
den Markt grundlegend verän-
Bücher im
Sekundentakt:
eine KolbusMaschine in
Aktion
Leim und Faden – Wie Buchbinder arbeiten
■ Falzbogen: Ob Buch oder Werbebroschüre, am Anfang steht der
Falzbogen. Ein bis zu zwei Quadratmeter großer Papierbogen wird mit
den einzelnen Buchseiten bedruckt.
Zum Beispiel passen 16 DIN-A4Seiten auf einen Falzbogen.
■ Der Bogen wird mit der Falzmaschine mehrfach gefaltet, die
Seiten liegen dann in chronologischer Reihenfolge hintereinander.
Viele Falzbögen ergeben ein Buch.
■ Bindung: Ein Buch kann durch
verschiedene Verfahren gebunden
werden. Üblich sind die Klebebindung, bei der Leim die Buchseiten
zusammenhält, und die Fadenheftung mit reißfestem Garn.
■ Buchblock: Der Buchblock – die
Seiten ohne Umschlag – wird in die
Buchdecke eingehängt, das heißt:
mit Leim verklebt.
■ Dreischneider: Zum Abschluss
der Buchproduktion wird das Buch
an allen drei Seiten mit einer Art
Guillotine an Ober-, Unter- und
Vorderseite begradigt – und fertig ist
das lesebereite Buch.
dern. Für den Buchbinderei-Maschinen-Hersteller Kolbus ist es
nicht die erste Revolution. Das
Traditionsunternehmen
wurde
1775 als Hufschmiede gegründet,
stellt seit dem Jahr 1900 Buchbinderei-Maschinen her und hat sich
Ende der 90er-Jahre auf die speziellen Fertigungsanlagen spezialisiert. 1300 Mitarbeiter beschäftigt
Kolbus heute, davon 1150 in Rahden, einer Kleinstadt mit 16 000
Einwohnern.
Die Digitalisierung trifft den
Maschinenbauer hart. Während
das Unternehmen im Jahr 2007
noch 195 Millionen Euro Umsatz
und 10 Millionen Euro Gewinn verzeichnete, sinken seit dem Beginn
der Finanzkrise die Umsatzzahlen.
Im vergangenen Jahr meldete Büntemeyer fünf Millionen Euro Verlust und musste 150 Mitarbeiter betriebsbedingt entlassen. 2010 erwartet er lediglich 100 Millionen
Euro Umsatz. „Wir werden in diesem Jahr sicherlich kein Geld verdienen“, sagt Büntemeyer.
Die Kolbus-Kunden stehen unter enormem Kostendruck. Die
Herstellung eines Hardcovers kostet zwei bis drei Euro, die eines Taschenbuches rund einen Euro –
Produktionskosten, die sich kaum
noch senken lassen. OAN in Leipzig versucht es dennoch; im Sekundentakt läuft hier Cornelia
Funkes „Tintenherz“ als siamesischer Zwilling vom Band. Um
Druckplatten zu sparen, stellt die
Großdruckerei
Taschenbücher
spiegelverkehrt in doppelter Ausführung her und trennt die Bücher
erst im letzten Arbeitsschritt mit
einer Säge. Diese Art der Zwillingsproduktion gibt es bisher nur
wenige Male in Deutschland. Es ist
einer der Wege, Bücher kostengünstiger herzustellen.
Bislang sind E-Books im Verkauf
nur unwesentlich günstiger als ge-
druckte Werke. Das werde sich
künftig ändern, sagt Studien-Autorin Müller. Zwar werde das elektronische Buch das gedruckte
Buch dann nicht verdrängen, aber
in Teilen ersetzen, sagt sie. So werde es zum Beispiel künftig nicht
mehr nötig sein, die gesamte Ausgabe eines teuren Fachbuches zu
erstehen – stattdessen seien in der
elektronischen Variante die Werke
auch kapitelweise verfügbar.
Durch das E-Book seien außerdem
neue Unterhaltungsangebote bei
Büchern denkbar, etwa 3D-Animationen bei Kinderbüchern.
Büntemeyer sieht die Zukunft
seiner Branche dennoch positiv.
„Durch elektronische Bücher werden neue Wege entstehen, um Gewinn zu machen“, sagt er. Auch die
Buchbinderei profitiere von den
Entwicklungen auf dem digitalen
Markt. „Das digitale Buch kommt“,
wirbt Kolbus auf seiner Homepage, meint damit aber nicht das EBook. „Digitale Fotobücher stellen
ein Marktpotenzial dar, das sich
gleichberechtigt zu Printbuch und
Werbebroschüren
entwickeln
könnte“, sagt Büntemeyer. Jeder
Bundesbürger kaufe im Durchschnitt im Jahr ein Buch. Individuelle Bildbände von Digitalfotografien würden sich die Deutschen
künftig mindestens ebenso häufig
kaufen. Büntemeyer geht davon
aus, dass dieser Trend anhält. Behält er Recht, dann verdienen
selbst die Buchbinder an der Digitalisierung des Marktes mit.
Unter Druck
http://bit.ly/dby1WH
Sortieren, vernähen, verkleben
– alles in Sekundenschnelle.
So funktionieren
moderne Buchbindemaschinen.
W E LT K O M PA K T
24
M I T T W O C H , 6 . O K T O B E R 2 010
BÜCHER
Zeit fürs Geschichtenerzählen
Frankfurter Buchmesse eröffnet: Fünf Tage
lang geht es um das Gastland Argentinien
und die Verbreitung von E-Books
Stände der 172 000 Quadratmeter
großen Ausstellungsfläche.
Bestseller-Autorin Cornelia Funke
Positives konnte der Börsenverein
(51) schwört auf das gute alte Buch. des Deutschen Buchhandels von der
„Ich bin ein Buchfresser. Ich will wirtschaftlichen Entwicklung bemeine Fingerabdrücke und meine richten: Der Umsatz der BuchbranNotizen auf dem Papier sehen“, sag- che sei in den ersten neun Monaten
te die „Tintenherz“-Autorin gestern 2010 um 0,8 Prozent gestiegen, bezur Eröffnung der 62. Frankfurter richtete der Vorsteher der VereiniBuchmesse. Sie erwäge aber, bei der gung, Gottfried Honnefelder, bei der
Recherche für ihre Bücher auf E- Eröffnungspressekonferenz. „Damit
Books umzusteigen. „Pro Buch, das kann man zufrieden sein.“ Er rechich schreibe, kaufe ich
net damit, das Ergebmir jeweils 60 Bücher
nis bis zum Jahresende
■ „Ich bin ein
zum Recherchieren.
zu halten. 2009 lag der
In meinen Regalen ist Buchfresser. Ich
Gesamtumsatz bei 9,7
kein Platz mehr.“
Milliarden Euro.
Bange ist Funke vor will meine
Wichtiges Thema
den neuen Verbrei- Fingerabdrücke
der 62. Frankfurter
tungswegen
nicht.
Buchmesse sind digiFasziniert verfolge sie und meine
tale Medien wie Eetwa, wie ihr 15-jähri- Notizen auf dem Books. Aktuell haben
ger Sohn in dem
sie haben laut BörsenPapier sehen“
Freundschaftsnetzverein zwar weniger
werk Facebook regelals ein Prozent Marktrecht versinke. Dort Cornelia Funke
anteil, doch wird begehe es schließlich
reits ein Drittel aller
auch um den Umgang mit Wörtern. Neuerscheinungen auch elektro„Wir leben in einer sehr interessan- nisch angeboten. „Mittelfristig wird
ten Zeit fürs Geschichtenerzählen.“ der Anteil von E-Books am deutFunke stellt bei der weltgrößten Bü- schen Buchmarkt um die zehn Procherschau, die bis Sonntag läuft, ih- zent betragen“, sagte Honnefelder.
ren neuen Roman „Reckless. Stei- Deutschland liege in diesem Bereich
nernes Fleisch“ vor.
aber noch deutlich hinter dem
Aufgrund vieler Anmeldungen in Markt in den USA zurück. Umso
letzter Minute übertrifft die Frank- wichtiger sei es, dass die Bundesrefurter Buchmesse die Ausstellerzahl gierung dem Beispiel Frankreichs
vom Vorjahr. Insgesamt werden auf und Spaniens folge und auch für
der weltgrößten Bücherschau 7533 elektronische Bücher den ermäßigAussteller aus 111 Ländern erwartet, ten Mehrwertsteuersatz von sieben
gut 200 Anbieter mehr als 2009. Prozent erlaube.
Noch im September hatten die VerBuchmesse-Direktor
Juergen
anstalter mit weniger Ständen und Boos sagte, er erhoffe sich von der
deutlich weniger Titeln gerechnet. 62. Frankfurter Buchmesse AnreDie fünftägige Messe öffnet am heu- gungen für neue Produktions- und
tigen Mittwoch zunächst nur für Vertriebsformen: „Wir müssen geFachbesucher.
spannt sein und uns überraschen
Wie viele Titel die Aussteller zei- lassen, welche neuen Formate entgen werden, konnte Buchmessen- stehen.“ Die zunehmende DigitaliDirektor Juergen Boos gestern noch sierung von Büchern sei nach Johannicht sagen. Bis vor vier Wochen nes Gutenbergs Erfindung des behatte es so ausgesehen, als würden weglichen Bleisatzes die zweite gronur 310 000 statt wie im Vorjahr ße Umwälzung in der Literatur. Die
400 000 Exponate gezeigt. Neben neue Technik erlaube, dass GeDeutschland, das mit 3315 Ausstel- schichten zum Beispiel in Teams gelern vertreten ist, bestücken Groß- schrieben würden. Andererseits sei
britannien und die USA die meisten Technik ohne Inhalt aber nutzlos.
VON MICHAEL PROBST
Philipp Haibach
Roman Nr. 1 Andreas Maier: „Das
Zimmer“ (Suhrkamp, 17,90 Euro)
Maier promovierte nicht nur über
den
großen
Grantler Thomas Bernhard,
sondern arbeitete sich auch literarisch gar vatermörderisch
an ihm ab. Das
ist nun vorbei.
Maier hat sich
mit diesem Buch
von seinem einstigen Vorbild befreit: Ein bitterböser, meisterhafter Heimatroman aus der tiefen
hessischen Provinz und ein Sittenbild der alten Bundesrepublik.
Roman Nr. 2 Thomas Pynchon:
„Natürliche Mängel“ (Rowohlt,
24,95 Euro) – Was ist denn da passiert? Jemand hat Raymond
Chandler, T.C.
Boyle, Jörg Fauser, Ross Thomas und Hunter S. Thompson zu einem
großen KifferHippie-Krimi
gerollt und sich
angesteckt.
Und das war
ausgerechnet der bei literarischen Nerds so beliebte 73-jährige Pynchon. Ein „unendlicher
Spaß“ – diesmal wirklich ernst gemeint!
Roman Nr. 3 Philip K. Dick: „Stimmen der Straße“ (Liebeskind, 22
Euro) – Bevor sich US-ScienceFiction-Autor Philip. K. Dick in
fernen Parallelwelten herumtrieb und etwa
für spätere Verfilmungen seiner Bücher wie
„Blade Runner“
oder „Minority
Report“ sorgte,
hielt er sich mit
grandiosen Dramen über die Mittelschicht der 50ern auf. Wer mit
Richard Yates („Zeiten des Aufruhrs“) durch ist, dem sei dieses
Frühwerk empfohlen.
Sachbuch Siegfried Unseld: „Chronik 1970“ (Suhrkamp, 39,90 Euro)
– Nein, dieses Tagebuch des größten deutschen Verlegers des vergangenen Jahrhunderts
darf
nicht bloß Germanisten-Seminaren zum Opfer fallen. Das
wäre zu schade,
denn das hier ist
erlebte Kulturgeschichte. Bewegend
und
lehrreich. Es geht um Autoren,
Reisen, Saufgelage, Visionen und
Alltag, beginnend mit der Buchmesse 1967. Weitere Bände sind in
Arbeit. Welch Glück.
Ohne Literatur wäre man nur ein halber Mensch: Wenn die letzten Aufbauarbeiten
erledigt sind, kann sie endlich losgehen, die 62. Frankfurter Buchmesse
„Die Buchmesse bleibt daher der
Ort, wo Geschichten und Inhalte gehandelt werden“, betonte Boos. Zu
Lesungen und Gesprächen werden
Autoren wie Cornelia Funke, Katharina Hacker, Ingrid Noll, Günter
Grass, Bret Easton Ellis und Antonio
Skármeta erwartet. Aus Argentinien, dem diesjährigen Gastland, reisen 70 Schriftsteller an, unter ihnen
Osvaldo Bayer, Laura Alcoba und
Félix Bruzzone.
Angesichts der Digitalisierung hat
die Buchmesse sechs neue Plattfor-
Fallende Blätter: Die WELT-KOMPAKT-Redaktion ist schon mal durch den Literaturschreibt er auch noch gelungene Bücher. Markus Berges findet in seinem Debutroman die gleiche Lässigkeit und Leichtigkeit wie in seiner
Musik. Also: Ab auf das Sofa, die
neue Erdmöbel-CD „Krokus“ hören
– und dabei das wunderbare Buch lesen.
Frank Schmiechen
Roman Nr. 1 Markus Berges: „Ein
langer Brief an
September
Nowak“ (Rowohlt,
18,95) – Er spielt in
einer der besten
deutschen Bands
und ist für die tollen Songtexte verantwortlich. Jetzt
Roman Nr. 2 Haruki
Murakami: „1Q84“
(DuMont, 32 Euro)
– Ich gebe es zu, ich
bin süchtig nach
den Büchern von
Murakami. Die seltsame,
rätselhafte
Atmosphäre fesselt
mich bis in die frühen Morgenstunden. Seine Hauptdarsteller sind freundliche Melancholiker auf der Suche nach Sinn
und Glück. „1Q84“ ist noch versponnener als seine Vorgänger. Und die
1021 Seiten reichen für mehrere
durchwachte Nächte.
Roman Nr. 3 Tom
Rachman: „Die Unperfekten“ (DTV,
14,90 Euro) – Irgendwie erinnert
dieser Roman über
den Niedergang einer internationalen
Tageszeitung
an
US-Fernsehserien wie Mad Men
oder Sopranos. Aus wechselnden
Perspektiven der Beteiligten konstruiert Rachman ein virtuoses und
unterhaltsames Romandebut.
Fotoband Thorsten Klapsch: „Palast
der Republik“ (Edition Panorama, 48
Euro) – Drei Jahre nach der endgültigen Schließung, im Januar 1993, fotografierte Thorsten Klapsch den ungenutzten aber komplett möblierten
Palast der Republik. Er sollte in der
DDR eigentlich ein Symbol für Wirtschaftskraft, Volksnähe und Modernität darstellen. Geblieben sind nur
eine Baugrube und diese gespenstischen Fotos, die ganz viel über die
Kälte und Brutalität des DDR-Systems verraten.
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25
Lesungen, Gespräche, Partys
■ Die 62. Frankfurter Buchmesse
widmet sich Argentinien. Am Sonntag
erhält David Grossmann den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels in
der Paulskirche.
■ Morgen: 20 Uhr, Thomas Hettche,
Die Liebe der Väter; 20.15 Uhr, Martin
Mosebach, Was davor geschah; 20.30
Uhr, Thomas Lehr,
September. Fata
Morgana; 20.45
Uhr, Alexander
Osang, Königstorkinder; 21.45
Uhr, Peter Wawerzinek, Rabenliebe;
22 Uhr, Christoph
Roger Willemsen
Peters, Sven
Hofestedt sucht
Geld für Erleuchtung; 22.15 Uhr, Harald
Martenstein, Gefühlte Nähe.
Konferenz und ein Handelsplatz für
crossmediale Rechte unter dem Titel
„Frankfurt StoryDrive“ soll Vertreter
der Branchen Print, Film, Musik,
Spiele, Telekommunikation und Internet an einem Tisch zusammenbringen.
Mit der Kultur und Politik des Ehrengasts Argentinien beschäftigen
sich rund 300 Veranstaltungen. Auch
der Fußball kommt nicht zu kurz:
Am 9. Oktober werden die beiden
Weltmeister-Trainer Franz Beckenbauer und César Luis Menotti miteinander diskutieren. Das Rahmenprogramm zur Buchmesse umfasst
bis zum Abschluss am Sonntag insgesamt rund 2500 Veranstaltungen.
Jan Küveler
vergangenen Literaturherbstes – verhackstückte der 2003 verstorbene
Chilene Bolaño Frauen und Literaturwissenschaftler. In seinem letzten Romänchen (nur knapp über 100
Seiten) massiert er traumatisierte
Teenager und lässt blinde Bodybuilder sehr scharf sehen: eben ins düstere Herz der Menschen. Das ist ein
Pendel zwischen Leiden und Hoffen.
Roman Nr. 1 Roberto Bolaño, „Lumpenroman“ (Hanser, 14,90 Euro) –
Das Herz der Finsternis ist weit: Immerhin reicht es
vom mexikanischen
Ciudad Juárez bis
nach Rom. Im filigranen
Schauermonstrum „2666“ –
der Sensation des
Roman Nr. 2 Vladimir Nabokov, Ada
(Rowohlt, 38 Euro) – Die beste
Selbstbefriedigungsszene der Weltliteratur hat doch bestimmt Truman
Capote in „Erhörte Gebete“ geschrieben, denkt man. Falsch! Den
Vogel hat – wenn man so sagen darf –
ein greiser Russe abgeschossen. Dazu muss man gar nicht weit hinabsteigen in die furios verkleidete Privathölle der hochbegabten und in
unmöglicher Liebe
entflammten Halbgeschwister Ada
und Van. Die hohle
Hand des Bruders
begrüßt uns nach
wenigen
Seiten.
Insgesamt sind es
1152 in der neubearbeiteten Übersetzung von Dieter E. Zimmer und Uwe
Friesel, dem elften Band der seinem
Inhalt entsprechend fantastisch gestalteten Werkausgabe.
men für den Austausch zwischen
verschiedenen Branchen unter dem
Namen „Frankfurt Hot Spots“ geschaffen. Dort erhalten Hersteller
für elektronische Lesegeräte, das
mobile Internet, Softwareanbieter,
Internetportale,
Bildungsverlage
und weitere Dienstleister Raum für
Präsentationen. Eine zweitägige
PA/DPA/ARNO BURGI
■ „Open Books“, das Begleitprogramm
zur Buchmesse mit 160 Veranstaltungen,
gibt es in diesem Jahr zum zweiten Mal.
Zentrum der „Open Books“ bleibt der
Frankfurter Kunstverein. 2010 sind aber
weitere Spielorte hinzugekommen: Rund
um den Römerberg werden auch das
Haus am Dom – mit dem Sachbuchprogramm – die Evangelische Stadtakademie (Römer 9) sowie die Heussenstamm-Galerie zur Lesebühne. Hinzu
kommen das Literaturhaus Frankfurt,
das Hessische Literaturforum und als
einmaliger Gastspielort das MA* (ehemalige Frankfurter Diamantenbörse,
Stephanstraße
1–3). Roger Willemsen, Andreas
Maier, Jutta Ditfurth, Gerhard
Stadelmaier, Nike
Wagner und Sibyl
Gräfin Schönfeldt,
aber auch Petra
Gerster und Tom
Tom Buhrow
Buhrow gehören
zu den über 170 teilnehmenden Autoren. Das komplette Programm findet
sich unter:
http://www.openbooks-frankfurt.de.
DPA / STEPHANIE PILICK
■ Heute und morgen lädt das städtische Kulturamt zu „Literatur im Römer“ in die traditionellen Römerhallen
und bietet eine Orientierung über die
literarischen Herbstprogramme. Vorgestellt werden anspruchsvolle, in
manchen Fällen kontrovers diskutierte
literarische Neuerscheinungen der
deutschen Gegenwartsliteratur. An
den beiden Abenden werden insgesamt 16 Autorinnen und Autoren zu
Gast sein. Befragt werden sie heute
von Gerwig Epkes
(SWR2) und Sigrid
Löffler, sowie
morgen von Alf
Mentzer und Kathrin Fischer (beide
hr2-kultur). Der
Frankfurter DJ
Pedo Knopp legt
Platten auf. Los
Thomas Lehr
geht es jeweils um
20 Uhr. Das komplette Programm gibt
es unter http://bit.ly/bCtko3. Im folgenden einige Highlights:
DAPD/THOMAS LOHNES
DAPD/TORSTEN SILZ
■ Schon während der Fachbesuchertage müssen Literaturhungrige
aber nicht darben: Eine Vielzahl von
Veranstaltungen lässt es seltsam
erscheinen, dass
offiziell nirgends
von einem Literaturfestival die
Rede ist. Wohl um
Köln und Leipzig
nicht zu vergrätzen, wo die kommerzielle lit.cologne beziehungsAlina Bronsky
weise in Leipzig
die immer schon auf die Leser zugeschnittene Messe stattfindet. In
Frankfurt ist alles kostenlos, dafür ist
das Angebot umso größer. Im folgenden eine kleine Auswahl.
PA/DPA/ROLF VENNENBERND
■ Für Privatbesucher ist die Buchmesse am 9.10. (9 bis 18.30 Uhr:)
und am 10.10. (9 bis 17.30 Uhr:)
geöffnet. Eine Tageskarte (inkl. Nahverkehrs-Ticket) kostet 14 Euro.
■ Am Samstag, 9. Oktober, ist im
Literaturhaus Frankfurt die „Open Party“
unter dem Motto „Literatur legt auf“.
Am DJ-Pult stehen Protagonisten des
Literaturbetriebs. Der Eintritt zu sämtlichen Veranstaltungen der „Open Books“
– mit Ausnahme der Party – ist frei. In
allen Häusern gibt es Büchertische mit
den dort präsentierten Werken.
■ Heute: 20.15 Uhr: Joachim Zelter,
Der Ministerpräsident; 20.30 Uhr:
Hansjörg Schertenleib, Cowboysommer; 20.45 Uhr: Péter Esterházy, Ein
Produktionsroman; 21.15 Uhr: Alina
Bronsky, Die schärfsten Gerichte der
tatarischen Küche.
■ Der Frankfurter Kunstverein zeigt im
Rahmenprogramm von „Open Books“
außerdem die Ausstellung über das
Gastland „Tales of Resistance and
Change. Artists from Argentina“. Die
Heussenstamm-Galerie zeigt die Ausstellung: „Kirsten Hammerström +
Gabrielle Hattesen: THERE IS NOTHING
LIKE PAPER“.
gant Dezsö Kosztolányi vor lauter
Leseglück nicht einschlafen. Wer
„Ein Held seiner Zeit. Die Bekenntnisse des Kornél Esti“ noch nicht
kennt, sollte das schleunigst nachholen! Es ist jedenfalls traurig, dass die
Wiederentdeckung von Kosztolányis Landsmann Szilárd Rubin im
Frühling dieses Jahres mit seinem
Tod zusammenfiel. Doch wer weiß.
Der „geistreiche Melancholiker“
(Rowohlt) hätte die Pointe womöglich zu schätzen gewusst. Nach „Eine
kurze Geschichte der
ewigen
Liebe“
kommt jetzt jedenfalls der Roman „Eine
beinahe alltägliche
Geschichte“. Der Titel ist, gelinde gesagt,
eine schamlose Untertreibung!
Sachbuch Moritz von
Uslar, „Deutschboden“ (Kiepenheuer &
Witsch, 19,95 Euro) –
Der Schnelldenker
Moritz von Uslar, der
mit „100 Fragen“ das
Interview auf eine
neue
Erkenntnisebene schoss, hat rübergemacht.
Nach Brandenburg, Stätte totaler
Stagnation. Nach „HardrockSchweinigel-Assi-AbschaumHartz-Höllen-Hausen“ bzw. Oberhavel. Drei Monate hängt der Reporter-Dandy am Tresen der Gaststätte Schröder. Wo er in Biergläser und Köpfe guckt. Die Rückkehr
der literarischen Reportage? Solange es solche Bücher gibt, ist weder der Journalismus noch der Osten verloren.
Herbst spaziert
Roman Nr. 3 Szilárd Rubin, „Eine beinahe alltägliche Geschichte“ (Rowohlt Berlin, 16,95 Euro) – Rowohlt
Berlin legt uns unermüdlich tote Ungarn aufs Kopfkissen. Die haben sich
aber prächtig gehalten! Vor ein paar
Jahren ließ uns der vortreffliche Ele-
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INTERNET
Folgen Sie
Jürgen Stüber
auf Twitter
twitter.com/wk_stueber
FACEBOOK-POSTINGS UND LESERBRIEFE
Facebook
Michael Bartels Supermacht Facebook? Das ist eher eine
Bewegungstherapie für
gelangweilte Büroangestellte, die ständig
Farmville spielen.
Leserbriefe
Zu: Stuttgart 21
Als ich am 30. September die
Fernsehberichte über Stuttgart 21
gesehen habe, trieb es mir Tränen
in die Augen. Tränen der Fassungslosigkeit, Tränen über die Brutalität, mit der von der Polizei gegen
Kinder, Jugendliche und Rentner
vorgegangen wurde, Tränen der
Ohnmacht gegenüber den arroganten, machtgeilen und überheblichen Politikern. In keinem Bericht war zu sehen, dass Demonstranten gewalttätig waren.
Clemens Jaeckel
Die Eskalation bei den Demonstrationen gegen das umstrittene
Bahnprojekt Stuttgart 21 kommt
nicht von ungefähr. Die Wut ist in
der Mitte der Gesellschaft angekommen. Längst sind die Auseinandersetzungen keine Sache von
autonomen Linken mehr.
Thomas Henschke
Zu: Euro-Scheine werden im Ausland gedruckt
500- und 200-Euro-Scheine werden fast nirgendwo mehr angenommen, trotzdem aber fleißig
weitergedruckt. Nun sollen die
Euro-Scheine ab 2012 im Ausland
gedruckt werden können. Damit
stehen 400 Arbeitsplätze in
Deutschland auf der Kippe, und
die Bundeshoheit und die absolute
Kontrolle über das Drucken unseres Geldes entfallen. Ich schlage
vor, die Euro-Scheine künftig in
Schurkenstaaten drucken zu lassen. Dann wird der Euro eines
Tages die Welt überschwemmen
und zu einer Crash-Währung
verkommen, weil mit den überlassenen Druckplatten und dem
Papier statt Blüten einwandfreie
Euro in Umlauf kommen können.
Roland Klose
SO FUNKTIONIEREN DIE CODES
■ Sie brauchen ein internetfähiges
Handy, eine Datenflatrate und
einen QR-Code-Reader. Das ist
eine Software, die Sie von der
Seite mobil.welt.de/reader herunterladen können. Es gibt auch
kostenfreie Apps für iPhone und
Android-Handys – etwa von Lynkee.
■ Starten Sie den installierten
Reader und fotografieren Sie mit
ihm den QR-Code. Ein Klick genügt.
Und schon öffnet sich die im
QR-Code hinterlegte Website automatisch auf dem Handy-Display.
Kanzleramt
e
Nico ist am Morgen von Hamburg
nach Frankfurt geflogen. Hendrik verbringt seine Mittagspause in einer Bar
im Hamburger Schanzenviertel. Frank,
Oliver und André sitzen in ihren Berliner Büros. Klas ist in seiner Agentur.
Ein schneller Blick auf das Handy
zeigt, wo die Freunde sind und wie sie
sich die Zeit vertreiben. Sie alle haben
bei Facebook „eingecheckt“, wie die
Mitteilung des eigenen Standortes im
Plattform-Jargon heißt.
Seit gestern können Facebook-Nutzer ihren Freunden nicht nur mitteilen,
was sie gerade machen oder was ihnen
im Augenblick gefällt. Sie haben jetzt
auch in Deutschland die Gelegenheit,
ihre Community mit einem Klick darüber zu informieren, wo sie sich gerade
aufhalten und was sie dort tun. Bislang
war „Places“ nur in den USA, Japan,
Australien, Frankreich und Großbritannien verfügbar.
Um auf „Facebook Orte“, wie der
Dienst in Deutschland heißt, zugreifen
zu können, genügt ein internetfähiges
Mobiltelefon, das die Website touch.facebook.com abbilden kann. Wer ein
iPhone verwendet, benötigt die aktuellste Version der Facebook-App. Mit
ihr können Anwender an Orten „einchecken“ und damit Freunden in Echtzeit mitteilen, wo sie sind. Nutzer haben auch die Möglichkeit zu erfahren,
welche ihrer Freunde gerade in der Nähe sind. Zudem besteht die Möglichkeit, auch neue Orte kennenzulernen,
die Freunde entdeckt haben.
Die Möglichkeit, Freunden, Bekannten und Kollegen mitzuteilen, wo man
sich aufhält, hat dem Mobiltelefon
schon vor Jahrzehnten mit zum Durchbruch verholfen. Doch bislang war das
entweder teuer oder umständlich.
Denn es bedurfte eines Anrufs, einer
fingerakrobatischen SMS-Kurznachricht oder einer Mail.
Ortsbasierte Internetdienste haben
das vereinfacht. Sie verwenden Informationen aus drei Quellen. Zum Ersten
erkennen sie über Satelliten-Daten
(GPS-Dienste), WLAN-Netze oder Koordinaten von Mobilfunkstationen den
exakten Standort des Nutzers. Aus einer Datenbank beziehen sie dann Informationen über Lokalitäten in der
Nähe, die angeklickt werden können.
Und zum Dritten erfahren sie aus dem
eigenen Netzwerk, welche anderen
Nutzer sich ebenfalls dort aufhalten.
Diese drei Quellen werden verknüpft,
und fertig ist der Geolocation-Dienst.
Am erfolgreichsten ist mit einem
solchen ortsbasierten Dienst bislang
die Plattform Foursquare, auf der nach
eigenen Angaben etwas mehr als drei
Millionen Internetnutzer einchecken.
Foursquare nutzt einen spielerischen
Ansatz: Nutzer erwerben Orden („Badges“) für ihre Aktivitäten. Und wer am
häufigsten an einem Ort eingecheckt
hat, erhält den Titel des „Mayor“ (Bürgermeister).
Ähnlich, aber weniger spielerisch
funktioniert der Dienst „Latitude“ des
aß
Während es mit Twitter steil
bergauf geht, strich ein artverwandtes Start-up die Segel: der
Kurznachrichten-Videodienst
„12seconds“ wird im Laufe des
Monats eingestellt. Es sei nicht
gelungen, eine kritische Masse zu
entwickeln, heißt es beim Technik-Blog Mashable. Jürgen Stüber
VON JÜRGEN STÜBER
Str
„Als Evan die Führung übernahm,
hatten wir eine Million Tweets pro
Tag. Jetzt sind wir bei 90 Millionen Tweets pro Tag und haben
damit eine Ertragsmaschine“,
sagte Costolo dem Technologieblog Techcrunch. Ein erster
Schritt dazu könnten die „Promoted Accounts“ sein, deren Start
gestern bekannt gegeben wurde.
Das Konzept dieser personalisierter Werbeform ist, interessierten
Nutzern das Folgen von Markenaccounts zu empfehlen.
Facebook startet den Dienst „Orte“
nun auch in Deutschland – Die Angst
vor Überwachung ist groß, aber
unbegründet
in-
In seinem Blogbeitrag hob Williams die besonderen Anstrengungen Costolos bei der Entwicklung
und Verbesserung der Einnahmestrategie hervor. In der Vergangenheit war der Kurznachrichtendienst, der seit seiner Gründung
im März 2006 auf inzwischen 165
Millionen Nutzer weltweit gewachsen ist und täglich um
370 000 weiter wächst, oft wegen
seines nicht erkennbaren Geschäftsmodells kritisiert worden.
Investoren steckten seit der Grün-
dung rund 160 Millionen USDollar (115 Millionen Euro) in das
Unternehmen und hoffen darauf,
ihr Geld irgendwann auch zurück
zu bekommen. Inzwischen hat
Twitter 300 Beschäftigte.
ab
■ Der überraschende Führungswechsel beim Kurznachrichtendienst Twitter beschäftigte gestern die Blogosphäre. Der TwitterMitgründer und bisherige CEO
Evan Williams hatte die Leitung
des rasant wachsenden Unternehmens an den bisherigen Geschäftsführer (COO) Dick Costolo
abgegeben. Costolo war vor einem
Jahr vom Internetkonzern Google
zu Twitter gekommen. Zuvor hatte
er die Plattform FeedBurner erfunden, die 2007 von dem Suchmaschinenkonzern für 100 Millionen Dollar gekauft worden war.
Williams will sich künftig verstärkt um Produktstrategie kümmern, wie er in einem Blogbeitrag
schrieb. Im zahlreichen Foren
wurde spekuliert, wie Costolo das
Unternehmen ausrichten wird.
k-R
Führungswechsel bei Twitter
Und wo bist Du
gerade?
ha
UPLOAD – DIE SOCIAL MEDIA KOLUMNE
ni
Straße des 17. Ju
Yitz
26
* M I T T W O C H , 6 . O K T O B E R 2 010
St
Tie
Internetkonzerns
Google. Dort erfährt
der Nutzer nicht nur,
welche Freunde sich gerade in der Nähe aufhalten
und was sie dazu mitteilen.
Er kann auch sein eigenes Bewegungsprofil freigeben und für
die Community sichtbar ins Netz
stellen.
Die Geolocation-Plattform „Gowalla“ hat einen anderen Ansatz gewählt
und bedient die Leidenschaft Reisender, Stempel fremder Grenzbehörden
in ihrem Reisepass zu sammeln. Nutzer dieses Dienstes können durch
Check-ins solche Stempel erwerben
und dadurch Ansehen in der Community gewinnen.
Nutzer erhalten aber auch den Anreiz, Entdeckungen ihrer Freunde
selbst zu erkunden. Gowalla bietet zusätzlich Exkursionen an, die beispielsweise von Organisationen wie National Geographic oder dem Nachrichtensender CNN angeboten werden.
Wie bei Foursquare werden auch bei
Gowalla soziale Netzwerke wie Facebook oder Nachrichtendienste wie
Twitter zum Verbreiten der eigenen
Status-Updates genutzt.
Warum machen Internetnutzer das?
Neben der Freude am Social Networking und dem Drang, beiläufig die eigene Weltläufigkeit zu unterstreichen (@
Hyatt Regency Crown Center oder @
Frankfurt International Airport (FRA)
w/ 12 others) dürfte es wohl vor allem
die Lust am Spiel sein, die Internetnutzer dazu zu bringen, immerzu mitzuteilen, wo sie gerade sind.
Geolocation-Dienste sind aber auch
Plattformen für Schnäppchenjäger, die
Vergünstigungen ergattern wollen:
Freigetränke oder Gratistickets in Locations, in denen sie Mayor-Titel erworben haben. Vor allem in den USA
ist das ein verbreitetes
Geschäftsmodell.
Dieses Konzept hat sich der
deutsche Foursquare-Klon „Friendticker“ zu Eigen gemacht. Diese Plattform setzt gezielt auf materielle Güter
als Belohnung für häufige Check-ins.
Nutzer können dort beispielsweise
Gratis-Übernachtungen in Hotels, kostenfreie Cocktails, Wellness-Behandlungen oder Gutscheine erwerben.
Für die Anbieter der Plattformen ist
Der Nutzer erfährt mit einem Blick
aufs Handy, wo die Freunde sind
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INTERNET
27
INTERNET KOMPAKT
DATENSCHUTZ
Panne bei Unicef
Sensible Daten von Unicef-Spendern wie Kontonummern von 147
Unternehmen sind für einen
kurzen Zeitraum unverschlüsselt
im Internet zugänglich gewesen.
Das Problem sei bereits behoben,
sagte Rudi Tarneden, Sprecher
von Unicef Deutschland. Während
eines Serverumzugs der UnicefInternetseite habe ein Dienstleister die Schutzeinstellungen
fehlerhaft vorgenommen.
PATENTRECHT
Apple droht eine Strafe
Apple wehrt sich gegen eine drohende gigantische Patent-Strafzahlung bis zu 625,5 Millionen
Dollar. Der Mac- und iPhoneAnbieter will einen entsprechenden Gerichtsbeschluss mit einem
Eilantrag stoppen. Die kleine
Firma Mirror Worlds wirft dem
Technologiekonzern vor, drei
Patente zu verletzen. Der Vorwurf
richtet sich gegen drei AppleFunktionen. Es geht um die Ansicht „Cover Flow“, sowie um die
Mac-Suche „Spotlight“ und das
ebenfalls im Mac-Betriebssystem
integrierte Backup-Werkzeug
„Time Machine“.
NETZNEUTRALITÄT
Regulierung ist nicht nötig
Innenminister Thomas de Maizière lehnt Forderungen nach
einer weitreichenden Regulierung
des Internets ab. Selbst für die
umstrittene Internet-Plattform
Wikileaks, gebe es ausreichend
gesetzliche Regelungen, sagte der
CDU-Politiker gestern auf dem
„Handelsblatt“-Sicherheitsforum
in Berlin. Denn Geheimnisverrat
sei „offline wie online“ strafbar.
Platz der Republik
Spree
Reichstag
e
Dorotheenstraß
Ein Smartphone, ein Mikroskop,
50 winzige Puppen: Die Filmemacher von
Aardman
erzählen,
wie
der
Trickfilm
mit
der
kleinsten
Figur der
Welt entstanden ist. http://bit.ly/9WNf8H
aß
rtstr
Ebe
Scheidemannstraße
AP PHOTO/FACEBOOK
DER MOBILE VIDEO-TIPP
e
Unter den Linden
traße des 17. Juni
e
aß
str
lm
lhe
Wi
Ebertstraße
ergarten
„Wo bist
Du?“ Und
„Was machst Du“
fragt der neue FacebookDienst
die Spielleidenschaft ihrer Kunden ein
lukratives Geschäft. Die Nutzer liefern
mit ihren Empfehlungen, Tipps und
Entdeckungen den GeolocationDiensten in Eigenleistung kostenfrei
gigantische und veritable Datenbanken mit Lokalitäten, die anders nie hät-
ten recherchiert werden können. Das
ist Crowdsourcing wie aus dem SocialMedia-Lehrbuch: andere die Arbeit
machen lassen, die man eigentlich
selbst erledigen müsste.
Die Nutzer bieten mit ihren Checkins der Werbewirtschaft aber auch ei-
Auf Nummer sicher gehen
■ Standorte sind nicht für alle Facebook-Nutzer sichtbar: Beim Einchecken
erscheint der eigene Standort standardmäßig nur in den Neuigkeiten der
eigenen Freunde. Bedenken, dass man
über Facebook Orte der ganzen Welt
mitteilt, wenn man nicht zu Hause ist,
sind deshalb unbegründet.
■ Minderjährige können ihre StandortDaten nicht ganz öffentlich machen.
Sie sind grundsätzlich nur für deren
Freunde sichtbar. Das Gleiche gilt für
Beiträge, in denen ein Minderjähriger
markiert wurde – zum Beispiel wenn
Vater und Sohn ins Kino gehen und der
Vater veröffentlicht dies mit FacebookOrte und markiert seinen Sohn.
■ Das Markieren von Personen (Tagging) ist auch bei „Orte“ möglich.
Freunde können einen Nutzer aber nur
dann markieren und einchecken, wenn
dieser der Nutzung von „Orte“ zuvor
zugestimmt hat. Die Markier-Funktion
lässt sich auch ganz abstellen.
■ Eine weitere Hürde gegen Markierungen – etwa an kompromittierenden
Orten – ist, dass sich der Freund dort
selbst erst einchecken muss, bevor er
einen anderen einchecken könnte.
ne Breitseite,
um sie künftig
nicht nur mit personalisierter, sondern auch mit ortsbasierter Werbung anzusprechen. Was dem
Nutzer „gefällt“, wissen Facebook und Google schon lange. Neu ist der geradezu unbezahlbare Gute-Laune-Faktor – die
Echtzeit-Information, was dem Nutzer
wann und wo gefällt.
Geolocation-Dienste wie Facebook
„Places“ schlagen aber auch ein neues
Kapitel der Internet-Datenschutzdebatte auf. Bereits zum Start des Dienstes in den USA titelte das Technologieblog Techcruch: „Sind wir ein Stück
näher an 1984?“
Facebook hat aber anscheinend aus
früheren Lektionen und dem Datenschutzfiasko des Internetkonzerns
Google nach der Bekanntgabe des
„Street View“-Starts in Deutschland
gelernt und bemüht sich vorab, ein BigBrother-Image gar nicht erst aufkommen zu lassen. „Facebook-Orte ist in
der Grundeinstellung deaktiviert. Wer
den Dienst nutzen möchte, muss aktiv
zustimmen“, schreibt das Unternehmen. Liegt diese Freigabe vor, so erscheinen die Check-ins in den eigenen
Neuigkeiten und abhängig von den Privatsphäre-Einstellungen auch in den
Neuigkeiten der Freunde. Nur, wenn
man es ausdrücklich so eingestellt hat,
sind sie sichtbar für alle Webnutzer.
Außerdem werden auf der Facebook-Seite des jeweiligen Ortes in dem
Feld „Personen, die jetzt hier sind“ die
Namen der Nutzer aufgelistet, die dort
sind. Diese Standortangaben werden
überschrieben, sobald man an einem
neuen Ort eincheckt. „Facebook erstellt keine Bewegungsprofile“, betont
das Unternehmen.
Google TV am Start –
CNN unter Partnern
Google hat für seinen geplanten
Dienst Google TV erste Partner als
Inhalte-Lieferanten bekannt gegeben. Von den führenden drei USFernsehsendern ABC, NBC und
CBS ist allerdings keiner dabei. In
dieser Woche will Logitech eine
erste Settopbox für Googles Internet-Fernsehdienst in den USA auf
den Markt bringen. Und ebenfalls
für den Herbst hatte zuletzt auch
Sony einen ersten Fernseher „Sony
Internet-TV powered by Google“
zunächst für den US-Markt ange-
kündigt. Unter anderem werden
CNN, TNT, TBS und Cartoon Network ihre Angebote für den neuen
Fernsehdienst des Internet-Unternehmens anpassen, teilte Google
mit. Mit Google TV will der Suchmaschinenspezialist
Fernsehen
und Internet verschmelzen. Der
Zuschauer soll via Googles Browser Chrome direkt am Fernseher
sowohl auf das Internet als auch
auf Hunderte von Fernsehkanälen
zugreifen und sie durchsuchen
können.
Skype-App auch für
Android-Smartphones
Auch Nutzer von Android-Handys
können seit gestern kostenlos über
das Internet telefonieren. Der Internettelefonie-Anbieter
Skype
hat dafür eine App veröffentlicht,
die auf Googles Handy-Betriebssystem läuft. Skype-Apps waren
bislang für Apples iPhones und
Handys mit Nokias Symbian verfügbar. Damit könne Skype nun auf
den drei am meisten verbreiteten
Smartphone-Betriebssystemen genutzt werden, betonte ProduktManager Mark Douglas.
Die neue Skype-App läuft auf
Android ab der Version 2.1 und
lässt sich kostenlos unter der Adresse www.skype.com/m herunterladen. Nach der Installation
können Anwender sowohl über
ein Datennetz (Wifi) als auch über
das Mobilfunknetz (GPRS, EDGE
und 3G) mit anderen Skype-Nutzern weltweit kostenlos telefonieren. Für Telefonate zu anderen
Teilnehmern berechnet Skype eine geringe Gebühr. Die Software
gleicht automatisch die Kontakte
mit dem eigenen Adressbuch ab.
Die App zeigt zudem an, wer von
den Kontakten gerade online und
per Anruf oder Chat erreichbar ist.
Den Mobilfunkbetreibern ist
Skype mit seinem kostenlosen Angebot ein Dorn im Auge. In
Deutschland hatte die Telekom die
Skype-Software auf iPhones in ihren Mobilfunknetzen teilweise
blockiert. Es gebe inzwischen aber
einige Tarife, die kostenlose Internet-Gespräche über UMTS erlauben, sagte Douglas.
W E LT K O M PA K T
28
M I T T W O C H , 6 . O K T O B E R 2 010
WISSENSCHAFT
WISSEN KOMPAKT
GESUNDHEIT
Ängstliche schlafen schlecht
Computeranimation eines Graphen-Moleküls: Es besteht ausschließlich aus Kohlenstoffatomen, die regelmäßige Sechsecke bilden
Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) appelliert an Gartenbesitzer und Stadtgärtnereien,
auf Laubbläser und Laubsauger
zu verzichten. Laub solle auf
Büschen und Beeten liegen bleiben, da es einen wichtigen Lebensraum für Tiere darstelle und
gleichzeitig dünge, hieß es. Lediglich auf Gehwegen und Straßen sollte es
entfernt werden – möglichst mit
Besen und
Rechen. Laubbläser und
Laubsauger
entziehen
Spinnen, Käfern und Amphibien ihre
Lebensgrundlage, zerstückeln oder verletzen sie und
stoßen gesundheitsschädliche
Abgase aus. Auch Igel würden
durch sie gefährdet.
UMWELT
Arktis bald eisfrei
Das Eis in der Arktis wird nach
Schätzung von US-Forschern in
20 bis 30 Jahren während der
Sommermonate komplett wegschmelzen. Das lasse sich auch
aus aktuellen Beobachtungen in
diesem Sommer rund um den
geografischen Nordpol wieder
schließen. Demnach ist das
dickste Eis, das älter als fünf
Jahre ist, fast vollständig verschwunden.
Nobelpreis für einen Hauch von Nichts
Zwei Physiker werden für die Entdeckung des Materials Graphen ausgezeichnet
VON NORBERT LOSSAU
Der Werkstoff, den die beiden Physiker Andre Geim und Konstantin
Novoselov in ihrem Labor der Universität Manchester entwickelt haben, klingt eher nach ScienceFiction denn Wirklichkeit.
Dieses fantastische Material ist
rund 100 Mal belastbarer als der
stärkste Stahl und dabei doch fast
nur ein Hauch von Nichts –
schlicht Kohlenstoffatome, vernetzt in nur einer Ebene zu einem
perfekten
Bienenwabenmuster.
Ein Quadratmeter dieses flächigen
Moleküls wiegt weniger als ein
Milligramm. Und es ist dabei eine
Million Mal dünner als ein Blatt
Papier. Für die Herstellung und
Analyse des Graphen genannten
Wunderstoffs werden die Forscher
mit dem Physiknobelpreis 2010 geehrt. Am 10. Dezember nehmen sie
ihn aus der Hand des schwedischen Königs in Stockholm entgegen. Das Preisgeld von rund einer
Million Euro geht je zur Hälfte an
die beiden Wissenschaftler. Für
den heutigen Niederländer Geim
fällt dabei die monetäre Anerkennung geringer aus als bei der Verleihung des Körber-Preises im vergangenen Jahr in Hamburg.
Dort erhielt er für die Arbeiten
zum Graphen 750 000 Euro Preisgeld – und zwar allein. Andre Geim
wurde 1958 im russischen Sotschi
geboren, studierte Physik in Moskau und promovierte 1987 am Insti-
Die Möglichkeiten
■ Graphen leitet elektrischen Strom
fast so gut wie Kupfer. Wärme kann
es gar zehn Mal besser leiten als
dieses Metall. Graphen ist nahezu
völlig transparent.
■ Das Wundermaterial ist härter
als Diamant, extrem reißfest und
dabei als hauchdünnes „Atom-Gaze“
mechanisch überaus flexibel.
■ Graphen eignet sich als Kandidat
für unzählige technische Anwendungen – von der Computer- und Handytechnik über Solarzellen bis hin zu
Frischhaltefolien.
mensionalen Graphen.
tut für Festkörperphysik
Beim Schreiben mit Grain
Tschernogolowka.
phit auf Papier entstehen
Nach Stationen in EngSchichten aus mehreren
land und Dänemark ging
Lagen Graphen. Bisweier an die Universität Nijlen lösen sich dabei einmegen. Dort begann die
zelne Graphen-Moleküle
Zusammenarbeit
mit
ab, die dann – für das Audem 15 Jahre jüngeren Konstantin
ge unsichtbar – irgendwo
Konstantin Novoselov. Novoselov (36)
auf dem Blatt Papier lieDieser folgte Geim 2001
gen bleiben. Geim und
nach Manchester. Dort
Novoselov hatten eine, im
glückte 2004 der nobelNachhinein betrachtet,
preiswürdige
Durchsimple Idee.
bruch. Der in „Science“
Sie drückten ein Klebeveröffentlichte Bericht
band gegen einen Graüberraschte die Fachwelt.
phit-Kristall und transfeTheoretisch
wurden
rierten die daran hängen
zweidimensionale Mole- Der Physiker
Graphenküle ja bereits seit 1947 Andre Geim (51) gebliebenen
Moleküle auf eine Oberdiskutiert und sogar deren hypothetische Eigenschaften fläche aus Siliziumoxid. Dort beberechnet. Doch dass die Herstel- gannen die Forscher mit der Analung jemals gelingen könnte, daran lyse der physikalischen Eigenschaften der Graphenflöckchen.
hatte niemand so recht geglaubt.
Dabei hat schon jeder von uns Die optischen Eigenschaften von
Graphen hergestellt, freilich ohne Graphen machen es zu einem ausdies zu ahnen.
sichtsreichen Material für den Bau
Der in Bleistiften enthaltene von Solarzellen und TouchGraphit ist gleichsam der dreidi- screens. Kratzfest, durchsichtig
mensionale Bruder des zweidi- und elektrisch leitend.
AP
Warnung vor Laubsaugern
DPA/KÖRBER-STIFTUNG
UMWELT
Im Gespräch kopieren wir den Sprachstil
Vor allem Frauen und gute Studenten passen sich an
Stammzellen im
Visier der
Krebsforscher
nem Gast ins Gespräch, der sich die Forscher das Phänomen, auf chologen verschiedene Formen
besonders gewählt ausdrückt.
Deutsch könnte es mit „Überein- der Kommunikation. So stellten
Innerhalb weniger Minuten stimmung der Sprachstile“ über- sie Studenten eine schriftliche
passt man sich an, sucht ebenfalls setzt werden. Um das Verhalten zu Aufgabe. Je förmlicher die Frage
nach eloquenten Ausdrüformuliert war, desto trockecken. Vielleicht bewusst,
ner fiel ihre Antwort aus.
aber auf jeden Fall unbeWar die Aufgabe umgangswusst. Das zumindest fansprachlich geschrieben, fiel
den Psychologen der Uniauch die Antwort locker aus.
versity of Texas heraus, die
Vor allem Frauen und Studas Kommunikationsverhaldenten mit guten Noten passten untersuchten. Wenn wir
ten sich dem Stil der Aufgamit anderen Menschen sprebenstellung an. Am Ende alchen, dann nähern sich inler Untersuchungen stellten
nerhalb kürzester Zeit unsedie Forscher fest: Je harmonire Sprachstile an.
scher die Dialoge verlaufen,
Der eine flucht viel, der Nach wenigen Minuten reden wir im gleichen Stil
desto glücklicher sind die
andere tut es ihm gleich. wie unser Gegenüber
Menschen, die sie führen.
men Forscher verstärkt die
Stammzellen unter die Lupe. Es
mehrten sich die Hinweise, dass
die meisten Krebserkrankungen
aus Stammzellen entstünden, erklärte der Vorstandsvorsitzende
des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), Prof. Otmar
Wiestler, zum Abschluss eines Internationalen Symposiums. Er
wies darauf hin, dass Stammzellen
und Krebszellen Gemeinsamkeiten haben. Beide seien wandelbar
und könnten sich in unterschiedliche Richtungen entwickeln. Zudem seien Gene, die Stammzellen
regulieren, häufig auch an der Entstehung von Tumoren beteiligt.
GÜR TLERS
GESAMMELTE GRÜTZE Auf einer Party kommt man mit ei- „Language style matching“ nennen verstehen, untersuchten die Psy- Im Kampf gegen den Krebs neh■ Die erste Papstwahl durch ein
Konklave fand im Jahr 1241 statt.
Nach 64 Tagen Beratung wählten
die Kardinäle den neuen Papst
Coelestin IV. Durch die Teilnahme
am anstrengenden Konklave geschwächt, starb Coelestin allerdings schon 17 Tage später.
MEHR GRÜTZE: WWW.WELT.DE/GRUETZE
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Luise Schlächter
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PA/JAVIER PIERINI
PA/GMS
JANNIK MEYER/SCIENCE
Wer ängstlich oder nervös ist,
entwickelt nach einer Studie der
Berliner Charité eher als zielstrebige und ausdauernde Menschen eine Schlafstörung. Zudem
seien insbesondere Frauen betroffen, sagte Schlafforscherin
Anita Peter im Vorfeld eines
dreitägigen Fachkongresses mit
1800 Experten, der morgen in
Bremen beginnt. Das Schlaflabor
im Zentrum für Neurologie,
Neurochirurgie und Psychiatrie
der Charité hatte etwa 400 Menschen zwischen 18 und 81 Jahren
aus zehn Dörfern zu Schlafqualität und persönlichen Eigenschaften befragt. Peter: „Ängstliche
Menschen geben eine schlechtere Schlafqualität an.“ Das zeige,
dass Schlafstörungen eng mit
Angststörungen und mit depressiven Erkrankungen verbunden seien.
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W E LT K O M PA K T
RÄTSEL
HOROSKOP
Machen Sie heute etwas aus Ihrer guten Laune. Lassen Sie andere daran
teilhaben und inspirieren Sie sie mit
Ihrer Energie. Sie haben es in der Hand,
wie gut Sie sich fühlen. Es steht auf
der Kippe. Sie sollten nicht über die
Stränge schlagen!
Sie blühen richtig auf. In nächster Zeit
könnte eine neue leidenschaftliche Beziehung Sie auf Hochtouren bringen.
Ihre Energie steigert sich. Die Stimmung ist prächtig und die körperliche
Verfassung ausgezeichnet. Sport nach
Feierabend?
Ein unverhofftes Glück richtig zu genießen, ist eine hohe Kunst. Üben Sie sich
in der Kunst. Sie bekommen die Gelegenheiten. Fit und dynamisch, die alten Belastungsgrenzen liegen weit
hinter dem Horizont. Tolle Ergebnisse
wecken Lust auf Sport.
Venus heißt Ihre Verbündete. In dieser
Atmosphäre der neu erwachten Leidenschaft lässt sich so manches leichter regeln. Worauf warten Sie? Sie sind
in keiner Weise angeschlagen. Am heutigen Tage können Sie alles erreichen,
wenn Sie nur wollen.
Die Scheuklappen versperren Ihnen
nicht nur die Sicht auf die netten Personen, sie verhindern die wichtigen Augenblicke. Kümmern Sie sich bewusst
um Fitness und Gesundheit. Ihr Körper
fordert vermehrt zusätzliche Pflege
und Aufmerksamkeit.
Sie sprühen nur so vor positiver Energie. Hindernisse räumen Sie heute
auch ohne viel Vorbereitung aus dem
Weg! Weiter so! Singles haben jetzt
gute Chancen, dass sich ein vielversprechender Flirt vertieft. Es eröffnen
sich neue Perspektiven.
Mit tatkräftiger Marsunterstützung haben Sie das Gefühl, als könnten Sie
Bäume ausreißen. Aber übertreiben
Sie nicht. Venus hat für Sie ein offenes
Herz parat. Wenn Sie nun zu lange warten, verschenkt sie es an jemand anderen. Zugreifen!
Entspannung und Erholung sollten keine Fremdwörter für Sie sein. Schaffen
Sie sich Freiräume – erfüllen Sie sich
Wünsche! Sie haben den Willen zu einer tief greifenden Veränderung – aber
auch die nötige Einsicht? Mut zur Ehrlichkeit zu sich selbst!
Sie belasten Ihren Körper bis aufs Äußerste. Gut, dass Sie so schnell regenerieren. Trotzdem: Ruhephasen einlegen. Vor lauter Begeisterung nach
einer besonderen Begebenheit neigen
Sie zur Unbesonnenheit. Vermeiden
Sie Fehlinterpretationen.
An diesem Tage stehen Ihnen alle Wege offen, wenn Sie sich mutig und entschlossen für Ihre Ziele und Träume
einsetzen. Venus ist die beste Krankenschwester! Das Liebesglück vertreibt
alle Zipperlein und lässt Ihre Form
deutlich ansteigen.
Eine Portion Sternenpower verleiht Ihnen Flügel. Da können Sie anpacken,
was Sie wollen – und vielleicht noch
mehr. Fantasie beschert Ihnen heute
frischen Aufschwung in eine eingefahrene Situation. Freuen Sie sich über
den positiven Ausgang!
Einflüsse von vielerlei Planeten schaffen in Ihnen das Gefühl, gegen Widerstände arbeiten zu müssen. Das macht
sehr müde. Sie sind ziemlich überheblich und neigen dazu, Ihre Gefühle nur
spärlich zu verteilen. Ihre Umwelt übernimmt diesen Sparkurs.
S U D O KU
VON STEFAN HEINE
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TV-PROGRAMM
ARD
ZDF
RTL
SAT.1
PRO 7
VOX
5.30 ZDF-Morgenmagazin 9.00
heute 9.05 Rote Rosen. Telenovela
9.55 Wetterschau 10.00 heute
10.03 ¥ Brisant 10.25 ¥ Weissensee (Wh.) 11.15 ¥ In aller Freundschaft (Wh.) 12.00 heute 12.15 g
ARD-Buffet. Zuschauerfragen zum
Thema: Schnarchen; Vincent Klink
bereitet heute ein Gericht aus den
Deutschen Koch-Charts zu (Platz
18) 13.00 ZDF-Mittagsmagazin
14.00 Tagesschau
14.10 Rote Rosen
15.00 Tagesschau
15.10 Sturm der Liebe
16.00 ¥ Tagesschau
16.10 Papageien, Palmen & Co.
17.00 ¥ Tagesschau
17.15 ¥ Brisant
18.00 Verbotene Liebe
18.25 Marienhof
18.50 Das Duell im Ersten
19.20 Das Duell im Ersten
19.45 ¥ Wissen vor 8
Wie entsteht Popcorn?
19.50 Wetter
19.55 Börse im Ersten
20.00 ¥ Tagesschau
20.15 H ¥ g Im Dschungel
TV-Drama, D 2010
Mit Ronald Zehrfeld,
Heino Ferch, Ina Weisse
Regie: Elmar Fischer
21.45 ¥ Hart aber fair Talk
Thema: Bürger gegen Politiker – Wie viel Aufstand
verträgt die Demokratie
Moderator: Frank Plasberg
23.00 Tagesthemen
Moderation: Susanne Holst
23.28 Wetter
23.30 ¥ Schmutzige Schokolade
0.15 Nachtmagazin
0.35 H õ ¥ Long Hello and
Short Goodbye
Thriller, D 1999
Mit Nicolette Krebitz,
Marc Hosemann, Dietrich
Hollinderbäumer
Regie: Rainer Kaufmann
2.05 ¥ Tagesschau
2.10 ¥ g Pferdesport:
Weltreiterspiele
Springreiten, Nationenpreis
4.00 Deutschlandbilder
4.10 ¥ Tagesschau
5.30 ZDF-Morgenmagazin 9.00
heute 9.05 Volle Kanne – Service
täglich. Top-Thema: Mieterpflichten
– Vermieterpflichten; Einfach lecker: Tafelspitz mit Speckwirsing
und legiertem Meerrettich 10.30 ¥
g Lena – Liebe meines Lebens. Telenovela 11.15 Reich und schön
11.35 Reich und schön 12.00 heute 12.15 drehscheibe Deutschland
13.00 ZDF-Mittagsmagazin
14.00 heute – in Deutschland
14.15 Die Küchenschlacht
15.00 heute
15.05 Topfgeldjäger
16.00 heute – in Europa
16.15 ¥ g Lena
17.00 ¥ heute – Wetter
17.15 hallo deutschland
17.45 ¥ Leute heute
18.00 g SOKO Wismar
Drunter und drüber
18.50 Lotto am Mittwoch
19.00 ¥ heute
19.20 ¥ Wetter
19.25 Küstenwache Entscheidung
aus Verzweiflung
20.15 ¥ Aktenzeichen XY...
ungelöst
Dresden: Sex-Täter auf der
Lauer – Kripo fahndet nach
brutalem Serienvergewaltiger; Frankfurt am Main:
Auf offener Straße niedergeschossen – Terror gegen
Top-Anwalt; Gelsenkirchen:
Rambo-Messer am Hals –
Angriff auf Geschäftsmann;
Frankfurt am Main: Überfall
auf Swinger-Club-Chef;
Große Preisverleihung –
XY präsentiert drei ausgezeichnete Kandidaten
21.45 ¥ heute-journal
22.15 Abenteuer Forschung
Spurlos: Gibt es das
perfekte Verbrechen?
22.45 auslandsjournal XXL
Thema: Küche, Kommerz,
Kartelle – wie globalisiert
ist unser Essen?
23.30 Markus Lanz Talk
0.35 heute nacht
0.50 Da wird mir übel
1.35 ¥ Aktenzeichen XY...
ungelöst (Wh.)
6.00 Punkt 6. Magazin. Moderation: Miriam Lange, Bernd Fuchs
7.30 Alles was zählt. Soap 8.00
Unter uns. Soap 8.30 Gute Zeiten,
schlechte Zeiten 9.00 Punkt 9. Magazin 9.30 Mitten im Leben! Dokusoap 10.30 Mitten im Leben! Dokusoap 11.30 Unsere erste gemeinsame Wohnung. Dokusoap 12.00
Punkt 12 – Das RTL-Mittagsjournal. Moderation: Roberta Bieling
14.00 Mitten im Leben!
Dokusoap
15.00 Verdachtsfälle
Dokusoap
16.00 Familien im Brennpunkt
Dokureihe
17.00 Die Schulermittler
17.30 Unter uns
18.00 Explosiv – Das Magazin
18.30 Exclusiv –
Das Star-Magazin
18.45 RTL Aktuell
19.03 RTL Aktuell – Das Wetter
19.05 Alles was zählt Soap
19.40 Gute Zeiten,
schlechte Zeiten Serie
20.15 Die Super Nanny
Recap Familien W. und C.
aus Darmstadt
21.15 Raus aus den Schulden
Hans-Joachim K.
aus Aichstetten
22.15 stern TV Magazin
Stuttgart 21: Wenn Bürger
auf die Barrikaden gehen;
Joey Kellys Tortur: Das große Finale?; Robert Enke:
Ein allzu kurzes Leben;
Die Tricks der Autodiebe:
Wie leicht lassen sich
moderne Autos knacken?
0.00 RTL Nachtjournal
0.32 Das Wetter
0.35 Extra – Das RTL Magazin
U.a.: Neues von den Reimanns: Wie Konny sich
als Comic-Held macht und
warum die Texas-Auswanderer Zuwachs kriegen
1.40 Raus aus den Schulden
Dokusoap (Wh.)
2.30 CSI: Miami Krimiserie
3.20 RTL Nachtjournal (Wh.)
3.47 Das Wetter (Wh.)
3.50 Das Strafgericht
5.30 Sat.1-Frühstücksfernsehen.
Magazin. Moderation: Jan Hahn,
Karen Heinrichs, Matthias Killing
10.00 Zwei bei Kallwass. Lebensberatung 11.00 Richterin Barbara
Salesch. Gerichtsshow 12.00 Richter Alexander Hold. Gerichtsshow
13.00 Britt
Britt deckt auf: Schamlose
Lügengeschichten
Moderation: Britt Hagedorn
14.00 Zwei bei Kallwass
Lebensberatung
15.00 Richterin Barbara Salesch
Gerichtsshow
16.00 Richter Alexander Hold
Gerichtsshow
17.00 Niedrig und Kuhnt
Reihe. Zauberhaft
17.30 Das Sat.1-Magazin
18.00 Hand aufs Herz
18.30 Anna und die Liebe
19.00 Schicksale – und plötzlich
ist alles anders Show
19.30 K 11 – Kommissare
im Einsatz
Reihe. Mordslügen
20.00 Sat.1 Nachrichten
20.15 Deutschland gegen Türkei –
Das Duell
Länder-Spielshow
Gäste: Til Schweiger,
Matthias Steiner, Jürgen
Vogel, Andrea Sawatzki,
Ulla Kock am Brink,
Mike Krüger, Kaya Yanar,
Gülcan Kamps, Bülent
Ceylan, Sila Sahin, Eko
Fresh, Erdogan Atalay,
Tim Seyfi, Ilknur Boyraz
23.30 Mensch Markus
Comedy von 2002
0.00 Mensch Markus
0.30 Hausmeister Krause –
Ordnung muss sein
Schell bei Michelle
1.05 Hausmeister Krause –
Ordnung muss sein
Die Sexmaschine
1.30 Joe Cocker: Das SAT.1
Music Special
1.55 Quiz Night
3.25 Zwei bei Kallwass (Wh.)
4.15 Richterin Barbara Salesch
Gerichtsshow (Wh.)
5.05 Niedrig und Kuhnt (Wh.)
6.05 How I Met Your Mother 6.50
Kyle XY 7.45 Alle hassen Chris 8.35
How I Met Your Mother 9.35 Malcolm mittendrin 10.30 Scrubs
11.25 H Die Highschool-Trickser.
Komödie, USA 2001. Mit Trevor
Fehrman, Elden Henson, Matthew
Lawrence 13.05 Malcolm mittendrin 13.35 Malcolm mittendrin.
Schweigen ist ungesund
14.05 Scrubs – Die Anfänger
Mein Spitzname
14.30 Scrubs – Die Anfänger
Mein Weihnachtswunder
15.00 We are Family!
So lebt Deutschland Die
Campingplatz-Familie (3)
17.00 taff Magazin
U. a.: Endlich stotterfrei
18.00 Newstime
18.10 Die Simpsons
Und der Mörder ist…
18.40 Die Simpsons
Lehrerin des Jahres
19.10 Galileo U. a.: Mission
Wissen Weltweit – Jobs an
ungewöhnlichen Orten
20.15 Grey’s Anatomy –
Die jungen Ärzte
Arztserie. Der Tod und
seine Freunde. Mit Ellen
Pompeo, Katherine Heigl
22.15 Good Wife
Dramaserie. Fluchtversuche
Mit Julianna Margulies, Matt
Czuchry, Archie Panjabi
23.15 TV total
Comedy-Show. Gäste:
Sarah Connor, Konny Reimann, Kai Magnus Sting
Moderation: Stefan Raab
0.10 Galileo: Das Fake-Check
Spezial
1.15 ProSieben Reportage
Die Edel-Anstalt – Prüfungsstress im Eliteinternat
2.00 ProSieben Night-Loft
3.00 Spätnachrichten
3.05 Grey’s Anatomy –
Die jungen Ärzte
Arztserie (Wh.)
4.25 TV total (Wh.)
5.10 ProSieben Reportage
Die Edel-Anstalt – Prüfungsstress im Eliteinternat
5.50 CineTipp
6.25 McLeods Töchter 8.15 Die
Nanny 8.45 Die Nanny 9.15 Gilmore Girls 10.15 ’Til Death. Des Bruders Hüter / Mr. T und die Männer
10.45 ’Til Death. Durchgebrannt
11.10 vox nachrichten 11.15 Die
Nanny. Yettas Briefe 11.45 Die
Nanny. Woman in love 12.15 The
Guardian – Retter mit Herz. Eine
rettende Spende 13.15 McLeods
Töchter. Serie. Die Rückkehr
14.10 McLeods Töchter
Serie. Wo das Herz schlägt
15.05 Law & Order
Krimiserie. Bei aller Liebe
16.00 Law & Order
Schall und Rauch
16.55 Menschen, Tiere
& Doktoren
Dokusoap über Tierärzte
18.00 mieten, kaufen, wohnen
Dokusoap über
Traumimmobilien
19.00 Das perfekte Dinner
Tag 3: Sabine aus München
19.50 Prominent! Magazin
Moderation: Constanze Rick
20.15 Criminal Intent
Krimiserie. Pokerface
21.15 Lie to Me
Krimiserie. Pokerface
22.15 Leverage
Krimiserie
Ein Team für alle Fälle
23.10 Crossing Jordan –
Pathologin mit Profil
Krimiserie. Rattengift
0.05 Criminal Intent –
Verbrechen im Visier
Krimiserie. Pokerface (Wh.)
1.00 vox nachrichten
1.20 Lie to Me
Krimiserie. Pokerface (Wh.)
2.05 Leverage
Krimiserie. Ein Team
für alle Fälle (Wh.)
2.45 Crossing Jordan (Wh.)
3.30 The District –
Einsatz in Washington
Krimiserie. Totgeglaubt
4.10 Law & Order
Krimiserie. Bei aller Liebe
4.50 Law & Order
Schall und Rauch (Wh.)
5.35 mieten, kaufen, wohnen
Dokusoap
KABEL 1
TIPPS DES TAGES
RTL 2
14.35 Eine schrecklich nette Familie 15.05 King of Queens 15.30
King of Queens 16.00 kabel eins
news 16.10 What’s up, Dad?
16.35 What’s up, Dad? 17.00 Two
and a Half Men 17.30 Two and a
Half Men 18.00 Abenteuer Leben
– täglich Wissen 19.00 Achtung
Kontrolle! 20.15 H Daredevil.
Fantasyaction, USA 2002 22.15 H
Dogma. Satire, USA 1998. Mit
Ben Affleck, Matt Damon, Linda
Fiorentino 0.35 H Daredevil. Fantasyaction, USA 2002 (Wh.) 2.20
Der kabel eins Kinotipp 2.35
Challenge 3.05 Star Trek – Das
nächste Jahrhundert. SF-Serie.
Ronin 3.50 Ein Käfig voller Helden
Im Dschungel
Frank Sperber (Ronald Zehrfeld)
kämpft als Betriebsratsmitglied um
den Erhalt der Arbeitsplätze. Als er
sich in die Managerin Marie Sandberg (Ina Weisse) verliebt, gerät er
zwischen die Fronten. ARD 20.15
Schmutzige Schokolade
Schokolade essen ist nicht so
harmlos wie wir glauben – Hilfsorganisationen verdächtigen die
Schokoladen-Industrie, von Kinderhandel und Kinderarbeit in
ARD 23.30
Afrika zu profitieren.
Abenteuer Forschung
Der Wettlauf zwischen Jägern und
Gejagten, zwischen Ermittlern und
Straftätern, vollzieht sich in immer
höherem Tempo. Harald Lesch stellt
die Frage, ob es das perfekte VerZDF 22.15
brechen gibt.
Daredevil
Der blinde Anwalt Matt Murdock (Ben
Affleck) vertritt tagsüber die Unterdrückten, nachts jedoch wird er zu
Daredevil, einem maskierten Rächer
der mit seinen Fähigkeiten für GeKabel1 20.15
rechtigkeit kämpft.
14.50 Yu-Gi-Oh! 5D’s 15.20 Naruto Shippuden 15.45 Naruto
Shippuden 16.05 Immer wieder
Jim 16.35 Immer wieder Jim
17.05 Hinterm Sofa an der Front.
Ich bin nicht schwul! 17.30 Hinterm Sofa an der Front. Große
Dinger 18.00 Die Schnäppchenhäuser 19.00 X-Diaries – love,
sun & fun. Soap 20.00 News
20.15 H Sunshine. Science-Fiction, GB/USA 2007 22.25 Paradox.
Bestimmung 23.30 Heroes. Tabula Rasa 0.30 Stargate. Metamorphosis 1.20 Battlestar Galactica.
Heimat 2.10 H Das Verfluchte
Grab. TV-Action, USA 2007 3.55
Paradox (Wh.) 4.45 Heroes (Wh.)
TELE 5
DAS VIERTE
3 SAT
ARTE
KI.KA
PHOENIX
5.55 Smallville 6.50 Allein gegen
die Zukunft 7.55 Homeshopping
8.55 Missionswerk Karlsruhe 9.00
Joyce Meyer 9.30 Homeshopping
12.40 Babylon 5 13.35 Stargate
14.40 Yu-Gi-Oh! 15.05 Yu-Gi-Oh!
15.25 One Piece 15.45 One Piece
16.10 Smallville 17.10 Allein gegen die Zukunft 18.10 Babylon 5
19.10 Stargate 20.15 H Der Duft
von Lavendel. Melodram, GB 2004.
Mit Judi Dench, Maggie Smithl
22.25 H Narc. Thriller, USA/CDN
2002 0.30 H Spitfire. Action, USA
1994 2.30 H Street Fighter – Die
entscheidende Schlacht. Action,
USA 1994 (Wh.) 4.30 Countdown X
6.00 CNBC – Capital Connection
7.00 CNBC – Squawk Box Europe
10.00 Teleshopping 10.30 Living
Gospel 11.00 Das Vierte Lebensberatung 13.00 Teleshopping
17.30 Neues aus der Medizin.
Mundhöhlenkrebs 18.00 Teleshopping 18.30 Cybill. Rufmord 18.55
Cybill. Geld regiert die Welt 19.20
Ein Haus voller Töchter. Lehrer unter sich 19.45 Teleshopping 20.15
H Der gezähmte Widerspenstige.
Komödie, I 1980 22.35 Teleshopping 23.20 ® Twilight Zone – Unwahrscheinliche Geschichten. Die
Farbe des Todes 23.55 Heiße Girls
0.55 Das Vierte Girls 2.00 Girls
14.15 Pfeffersäcke, Diebe und
Abenteurer 15.00 Der Weg der
Diamanten 15.45 Der Weg der Diamanten 16.30 Der Weg der Diamanten 17.15 Die Löwen vom Krokodil-Fluss 18.00 Bilder aus
Deutschland 18.30 nano 19.00 ¥
heute 19.20 Kulturzeit 20.00 ¥ Tagesschau 20.15 Willkommen in der
Nanowelt. Von Mikro zu Nano 21.15
Wilder deutscher Wald 21.30 Bauerfeind 22.00 ZIB 2 22.25 Tonspur
– der Soundtrack meines Lebens.
Eine musikalische Spurensuche
22.55 ¥ Die Anwälte. Serie. Leben
und Tod 23.40 ¥ Die Anwälte. Serie. Glauben 0.25 10 vor 10
14.45 H Die Elsässer: 1927 – 1940
(3/4). Familienchronik, F 1996
16.10 Palettes 16.50 g Bauen und
Leben mit Lehm 17.35 X:enius
18.05 g 360° – Geo Reportage
19.00 Journal 19.30 Im Farbrausch
der Tiefe. Aus der Sicht der Fische
20.15 g Schlaflos im Krieg. Die
pharmazeutische Waffe 21.05 Die
Unbeugsamen. Reportage. Flucht
aus Hitlers Elitengefängnis 22.00
g Erectionman 22.55 H g Suely
im Himmel. Drama, F/D 2006 0.15
Im Hause Chanel 0.40 g Mit offenen Karten. Magazin 0.55 H Zimt
und Koriander. Tragikomödie,
GR/TR 2003 2.45 Vorschau
11.40 Das Zauberkarussell 11.55
Classic Cartoon 12.05 õ In einem
Land vor unserer Zeit 12.30 Coco,
der neugierige Affe 12.55 Pearlie
13.20 õ Rocket & Ich 13.40 Hier
ist Ian 14.05 Mini Ah! 14.08 logo!
14.10 Schloss Einstein 15.00 Endlich Samstag! 15.50 Die Hauptstadtpraktikanten 16.18 logo!
16.20 Bernard 16.25 Enyo 17.15
Caspers Gruselschule 17.40 õ Jibber Jabber 18.00 Roary 18.20 Das
Zauberkarussell 18.40 Elefantastisch! 18.50 Sandmännchen 19.00
õ In einem Land vor unserer Zeit
19.25 pur+ 19.50 logo! 20.00 KI.
KA Live 20.15 õ Dance Academy
13.00 Sitzung des Deutschen Bundestages 13.30 Krokodile im
Wohnzimmer 14.00 Profit statt
Heilung? 14.45 Vor Ort 15.35 Sitzung des Deutschen Bundestages,
Aktuelle Stunde 18.00 Krokodile im
Wohnzimmer 18.30 Hitlers geheime Waffe. Die tödliche Fracht der
Hydro 19.15 Hitlers letzte Waffe.
Die Raketen von Peenemünde
20.00 ¥ Tagesschau 20.15 Ins heiße Herz Afrikas. Wassermusik 21.00
Ins heiße Herz Afrikas. Jenseits von
Timbuktu 21.45 heute-journal
22.15 Phoenix-Runde. Diskussion
23.00 Der Tag 0.00 Phoenix-Runde
0.45 Im Bann der Pferde. Dokureihe
WDR
NDR
RBB
BR
SWR
HR
14.15 ¥ markt 15.00 Planet Wissen 16.00 ¥ WDR aktuell 16.15
daheim & unterwegs 18.00 Lokalzeit 18.05 ¥ Hier und heute 18.20
¥ Servicezeit: Familie 18.50 ¥ Aktuelle Stunde 19.30 Lokalzeit aus
Köln 20.00 ¥ Tagesschau 20.15 ¥
Das NRW Duell. Thema: Schlager
21.00 ¥ Land und lecker 21.45 ¥
WDR aktuell 21.55 ¥ Bericht aus
Brüssel 22.10 ¥ Um Himmels Willen. Serie. Urlaub mit Folgen 23.00
H ¥ Tatort: Gebrochene Blüten. TVKrimi, D 1988. Mit Götz George,
Eberhard Feik 0.30 Jagd auf
Schmuggler. Großeinsatz im Hamburger Hafen 1.00 Domian. Talk
14.15 ¥ Bilderbuch Deutschland
15.00 ¥ aktuell 15.15 Leben im
Verborgenen: Fuchs, Kauz und
Specht 16.00 ¥ aktuell 16.10 Mein
Nachmittag 17.10 Eisbär, Affe &
Co. 17.35 Das Quiz mit Jörg Pilawa
18.00 Ländermagazine 18.15 Die
Inselsheriffs von Sylt 18.45 DAS!
19.30 Ländermagazine 20.00 ¥
Tagesschau 20.15 Expeditionen ins
Tierreich. Im Reich des Seeadlers
21.00 Menschen und Schlagzeilen
21.45 Großstadtrevier. Krimiserie.
Kaltes Kind 22.35 Panorama – die
Reporter 23.05 Zapp 23.35 ¥ Zimmer frei! – Prominente suchen ein
Zuhause 0.35 ¥ Weltbilder (Wh.)
14.15 Planet Wissen 15.15 Der
Wettlauf der bockigen Viecher
16.00 rbb aktuell 16.05 Heute im
Parlament 17.00 rbb aktuell 17.05
Elefant, Tiger & Co. 17.55 Unser
Sandmännchen 18.00 rbb um
sechs – Das Ländermagazin 18.25
rbb wetter 18.30 zibb 19.25 rbb
wetter 19.30 Abendschau 20.00 ¥
Tagesschau 20.15 ¥ quivive 21.00
Die 30 legendärsten Fernsehshows
21.45 rbb aktuell 22.15 Die rbb
Reporter. Figaros Umzug – Die
Staatsoper zu Gast im Schillertheater 22.40 H Der Richter und der
Mörder. Psychokrimi, F 1975 0.40
Thadeusz (Wh.) 1.10 Abendschau
13.30 H ¥ Der Sonnenhof. TV-Komödie, D 2007 15.00 ¥ Dahoam is
Dahoam 15.30 Wir in Bayern 16.45
Rundschau 17.00 Münchner Hinterhofgeschichten 17.30 Schwaben
& Altbayern aktuell 18.00 Abendschau 18.45 ¥ Rundschau 19.00 ¥
Stationen.Dokumentation 19.45 ¥
Dahoam is Dahoam 20.15 Jetzt red
i 21.00 Rundschau-Magazin 21.15
¥ Kontrovers – Das Politikmagazin
21.45 H ¥ Pizza und Marmelade.
Tragikomödie, D 2008 23.15 Kino
Kino 23.30 Rundschau-Nacht
23.39 H ¥ Meine Mutter, mein Bruder und ich. Familiendrama, D 2008
1.15 on3-südwild. Jugendmagazin
13.30 H ¥ Hengstparade. TV-Krimikomödie, D 2005 15.00 Planet
Wissen 16.00 Aktuell 16.05 Kaffee
oder Tee? 17.00 Aktuell 17.05 Kaffee oder Tee? 18.00 Aktuell 18.09
Börse 18.15 ¥ Koch-Kunst mit
Vincent Klink 18.45 Landesschau
19.45 Aktuell 20.00 ¥ Tagesschau
20.15 betrifft: Das Geheimnis der
Heilung 21.00 Reisewege: Leben
wie Gott in Frankreich 21.45 Aktuell 22.00 Der Hundeversteher
22.30 Neues vom König aus Burladingen 23.00 An vordersten Fronten – Kriegsalltag in Afghanistan
23.45 H ¥ Tödliche Entscheidung.
Thriller, USA 2007 1.35 Leben live
14.45 Invasion aus dem Meer
15.30 Bergauf-Bergab 16.00 Die
Franche-Comté 16.45 hessenschau
kompakt 17.00 Das Quiz mit Jörg
Pilawa 17.50 hessenschau kompakt
18.00 maintower 18.20 ¥ Brisant
18.50 service: trends 19.15 wetter
19.30 hessenschau 19.58 wetter
20.00 Tagesschau 20.15 mex. das
marktmagazin 21.00 Alles Wissen.
Schwerpunkta: Medizin 21.45 ¥ Um
Himmels Willen 22.30 hessenschau
kompakt 22.45 Faszination Berge
23.40 Die Herren der Lüfte 0.10 H
¥ Die Schreckensfahrt der Orion
Star. TV-Actiondrama, USA/D
1998 1.40 Alles Wissen. Magazin
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M I T T W O C H , 6 . O K T O B E R 2 010 *
W E LT K O M PA K T
MENSCHEN & MEDIEN
31
L E U T E V O N W E LT
DPA /PA/ JOERG KOCH
■ Katy Perry (25),
Popsängerin, und
Russell Brand (35),
britischer Schauspieler („Männertrip“), wollen
keine Hochzeitsgeschenke. Laut
einem Bericht des „Daily Mirror“
hat das Paar in ihren Einladungen
die Gäste gebeten, auf Präsente zu
verzichten und stattdessen Geld
für wohltätige Zwecke zu spenden.
Die Trauung soll Ende des Monats
in Indien stattfinden.
DPA/PA/ HUBERT BOESL
■ Regisseur Roman Polanski (76) hat
sich zum zweiten Mal seit seiner
Entlassung aus dem Hausarrest in
der Öffentlichkeit gezeigt. Er
besuchte am Montagabend die
Eröffnung einer Ausstellung über
Frauenhaare in Paris. „Ich bin
glücklich, in Paris
zu sein und meine
Freunde wieder
zu treffen“, sagte
Polanski. Die
Schweiz hatte
Mitte Juli den
Hausarrest für
Polanski aufgehoben. Die US-Justiz wirft dem
Filmemacher vor, 1977 eine 13Jährige sexuell missbraucht zu
haben.
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Das Büro in der New Yorker Madison Avenue von Werbe-Profi Donald Draper (Jon Hamm, Mitte) ist das Zentrum der Serie „Mad Men“
Die Mad Men aus Mainz
Heute startet die derzeit beste Serie im ZDF – nicht im Hauptkanal, sondern auf ZDFneo
VON RICHARD KÄMMERLINGS
UND PETER PRASCHL
Berlin – Eine Gruppe junger, ehrgeiziger, brillanter Kreativer sitzt in der
Chefetage zusammen, schon vor
dem Meeting genehmigt man sich einen Hochprozentigen, es wird geraucht, gedacht, gelacht. Jeder will
den Nebenmann mit seinen Geistesblitzen ausstechen, die Bedenken der
Marktforschung werden schon vorher lässig in den Papierkorb geworfen, denn das Budget spielt hier, bei
den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten, sowieso keine Rolle.
Plötzlich hat einer die Idee, die alle
umhaut, sogar den Programmdirektor: „Leute, wir machen eine Fernsehserie über eine Werbeagentur in
der Adenauer-Ära, total stylish, bis
ins letzte Ausstattungsdetail historisch authentisch, setzen die witzigsten Dialogschreiber dran, casten die
besten Schauspieler und erzählen
nebenbei die Mentalitätsgeschichte
der frühen Bundesrepublik, so tiefgründig wie in einem Frühwerk von
Martin Walser. Geld spielt keine Rolle, wir sind ja nicht bei den Privaten,
und dann bringen wir das sonntags
zur Prime Time als Konkurrenz zum
Tatort!“
So will man sich gern eine Programmkonferenz auf dem Mainzer
Lerchenberg vorstellen. Die klügsten
Fernsehköpfe der Republik, mutige
Chefs, Geld satt, Quoten egal und am
Ende entsteht eine Serie, die es in der
Qualität und Zeitgemäßheit mit den
besten amerikanischen Formaten
aufnehmen kann. Die Serie über die
frühen Sechziger gibt es bekanntlich
schon. Sie heißt „Mad Men“, läuft
seit Sommer 2007 auf dem amerikanischen Kabelsender AMG und hat
in den letzten drei Jahren Emmys
und Golden Globes abgeräumt. Neben HBO-Serien wie „Sopranos“
oder „The Wire“ gilt „Mad Men“ als
Paradebeispiel einer neuen Fernsehspitzenqualität. Wenn das ZDF jetzt
mit dem Slogan „Hinter jeder erfolgreichen Frau steht ein Mann, der ihr
auf den Arsch glotzt” für „Mad Men“
plakatiert, dann ist das nicht mehr als
ein schlechter Witz: Mit riesiger Verspätung läuft nun die erste Staffel an
– im Spartenkanal ZDFneo.
Der wurde 2009 von den Mainzern gegründet, um Sendungen auslagern zu können, die auf ein Publikum unterhalb des Kukident-Alters
und oberhalb eines provinziellen
Geschmacks abzielen. Bei neo laufen
viele Programme, auf die das ZDF
stolz sein dürfte – im Hauptsender
währenddessen verschnarchte Klassiker wie „Wetten, dass“, die den Altersschnitt des ZDF-Publikums verlässlich bei 61 Jahren halten. Bislang
ist die Strategie nicht aufgegangen:
Ein Jahr nach seiner Gründung hat
der Spartenkanal einen Marktanteil
von 0,3 Prozent. Was möglicherweise auch daran liegt, dass ZDFneo oft
nicht in die Kabelnetze eingespeist
wird und im digitalen terrestrischen
Fernsehen empfangen werden muss,
wo es sich einen Kanal mit dem Kindersender kika teilt. Wahrscheinlich
haben die meisten Menschen in Deutschland
noch immer nicht die geringste Ahnung, dass es
ZDFneo gibt. Deswegen ist
die Entscheidung, einer so
epochalen Serie wie „Mad
Men“ einen Nischenplatz
statt den ganz großen Auftritt zu geben, Programmplatz gewordene Geringschätzung.
Schließlich
wissen die VerantwortliKlassisch: Donald’s Ehefrau Betty (January Jones), chen: Wenn man will, dass
hat gekocht, die Männer genießen das Essen
etwas nicht gesehen wird,
ZDF/LIONS GATE TV INC
Die katholische Kirche hat die
Verleihung des Nobelpreises für
Medizin an Robert Edwards, den
Erfinder der künstlichen Befruchtung, kritisiert. Seit 1978 sind über
vier Millionen Kinder nach der
Methode von Edwards gezeugt
worden. Das gefällt der Kirche
nicht, obwohl damit die Kinderherstellung endlich ohne den
höchst störungsanfälligen Beischlaf bewerkstelligt werden kann.
Trotz Edwards’ Erfindung sind
Kinder immer noch die häufigste
Nebenwirkung von Sex, verbunden mit Juwelierbesuch, Kreditaufnahme, Häuserkauf, Eheschließung und Scheidung. Kinder, die
im Reagenzglas entstanden sind,
können aber genau die gleichen
Nebenwirkungen hervorrufen. Sie
sind mit bloßem Auge nicht von
herkömmlich erzeugten Kindern
zu unterscheiden, sie wünschen
sich nicht überdurchschnittlich oft
einen Chemiebaukasten zu Weihnachten und bevorzugen auch
keineswegs Berufe mit Laboraufenthalten oder Nahrungsmittel mit
künstlichen Aromastoffen. Jetzt
sucht die Wissenschaft noch nach
einem Verhütungsmittel gegen
künstliche Befruchtung. Die Kirche ist trotzdem gegen künstliche
Befruchtung, denn auf ein ähnliches Verfahren hält sie seit 2010
Jahren das Patent.
ZDF/LIONS GATE TV INC
ZIPPERT ZAPPT
Die Serie
■ Die vielfach ausgezeichnete Serie
„Mad Men“, unter anderem mit den
US-Fernsehpreisen „Golden Globe“
und „Emmy“ dekoriert, ist eine
Studie einer heilen Männer-Welt, ein
paar Jahre bevor die Revoluzzer der
68er-Generation das Establishment
infrage stellten. Im Mittelpunkt steht
Don Draper, der aufstrebende Star
einer Werbeagentur an der New
Yorker Madison Avenue. Er ist die
Verkörperung des amerikanischen
Traums, lebt mir Ehefrau Betty und
seinen Kindern in der Vorstadt. In
der City hält er sich Geliebte. Ihn
plagt eine dunkle Vergangenheit, die
er um jeden Preis verbergen will. In
den Büros wird geraucht und getrunken, die Kerle sind sexistisch,
rassistisch und antisemitisch. Frauen werden in zwei Kategorien eingeteilt: Die Vorzeigegattin, als Heimchen am Herd und die Sekretärin im
Büro, die für Affären gerade gut
genug ist.
■ Ab heute immer mittwochs um
22.30 Uhr auf ZDFneo
schiebt man es in ZDFneo ab. Oder
umgekehrt: Das ZDF missbraucht
den Nimbus, den die Serie hat, als
Promo-Hebel für eine Totgeburt –
anstatt sie der Allgemeinheit auf direktem Wege zugänglich zu machen,
wie es eigentlich seine Pflicht wäre.
Das ist einerseits kreuzdämlich.
Andererseits könnte man es auch für
skandalös halten. Das ZDF ein Sender mit staatsvertraglich festgeschriebenem Bildungs- und Qualitätsauftrag und dem Privileg, sein
Programm aus Gebührenmitteln bestreiten zu können. Es könnte sich also durchaus den Ehrgeiz leisten, ohne Quotendruck intelligentes und innovatives Fernsehen zu machen.
Stattdessen versucht es, so erfolgreich wie die Privaten zu sein, ohne
deren Geschäftsrisiken einzugehen.
Und vertreibt das Publikum mit
Traumschiffen, Markus-Lanz-Gesülze, Hitlers Helfern und Hitlers Hunden. Doch wann immer jemand daran zweifelt, ob die Mainzer ihren
Job richtig machen, verweisen sie auf
ihre ambitionierten Spartenkanäle.
Als würde sich ein Arztroman-Tycoon damit rechtfertigen, dass er in
einer Sonderreihe auch experimentelle Poesie verlegt. Die Folgen fürs
deutsche Fernsehen sind fatal. Denn
natürlich kosten die verschnarchten
Programme das Geld, das man
bräuchte, um brillante Drehbuchautoren aufzubauen und riskante Formate zu entwickeln. Und natürlich
würde ein Publikum, das von den Öffentlich-Rechtlichen nur Talk-Marathons und Schnabeltassen-Gönnerhaftigkeit gewohnt ist, von einer Serie etwa über eine Werbeagentur aus
der Adenauer-Ära erst einmal so
überfordert werden wie von „Mad
Men“.Vielleicht sollte man das ZDF
einfach abschaffen. Und das gute
Fernsehen nur noch im DVD-Fachhandel suchen.
Verleger: Axel Springer (1985 †) Herausgeber: Thomas Schmid
Chefredakteur: Jan-Eric Peters Stellv. Chefredakteure: Ulf Poschardt; Oliver Michalsky, Frank Schmiechen, Andrea Seibel, Cornelius Tittel Leitender Redakteur: Matthias Leonhard (v.i.S.d.P.) Verantwortliche Redakteurin: Barbara Brandstetter
Redaktion: Politik: Torsten Krauel, Marcus Heithecker Internet & Wissen: Jürgen Stüber Wirtschaft: Olaf Gersemann, Thomas Exner Kultur, Magazin: Philipp Haibach Sport: Stefan Frommann Menschen & Medien, Aus aller Welt: Sandra Garbers
Regionalredaktionen: Berlin: Matthias Leonhard Düsseldorf: Nicole Lange, Anne Heidrich Frankfurt: Jan Küveler, Jan-Otto Weber Hamburg: Jörn Lauterbach Köln: Tobias Dupke, Stefan Kaufmann München: Uli Scherr, Ruth Wenger
Foto: Stefan A. Runne; Layout und Produktion: Ronny Wahliß, Gesa Vollborn, Holger Bade; Berater der Chefredaktion: Brian O’Connor.
WELT KOMPAKT erscheint in Kooperation mit der Axel Springer Akademie. Leitung: Marc Thomas Spahl (www.axel-springer-akademie.de)
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Verlagsgeschäftsführung: Jan Bayer (Vorsitzender), Christoph Rüth, Frank Mahlberg ; Anzeigenleitung: Clemens Braun (Rubriken/Regional), Peter M. Müller (Nationaler Handel), Philipp Zwez (Display national)
Anzeigenpreisliste Nr. 88, gültig ab 01.01.2010 für DIE WELT Gesamtausgabe; Alle Rechte vorbehalten. Die Rechte für die Nutzung von Artikeln für elektronische Pressespiegel erhalten Sie über die PMG Presse-Monitor GmbH, Tel.: 030/284930 oder www.presse-monitor.de
Verlag und Druck: Axel Springer AG. 10888 Berlin, Axel-Springer-Straße 65. Tel.: 030/25910, 20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1 ● Tel.: 040/34700
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W E LT K O M PA K T
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M I T T W O C H , 6 . O K T O B E R 2 010
AUS ALLER WELT
Lesbische Frau
erwartet Fünflinge
von Samenspende
WELT KOMPAKT
DEUTSCHLAND
Amokläufer schoss wahllos
GROSSBRITANNIEN
Feuer zerstört Brücke
Ein Feuer hat den 138 Jahre alten
historischen Pier im britischen
Badeort Hastings im Südosten
Englands zerstört. Die seit dem
Jahr 2006 für Besucher gesperrte
Seebrücke aus Holz und Eisen in
der Grafschaft East Sussex sei bei
dem Brand zu 95 Prozent vernichtet worden. „Wir versuchen
vorrangig, so viel wie möglich von
der Substanz zu erhalten, um dann
zu schauen, was in der Zukunft
noch möglich ist“, sagte ein Feuerwehr-Sprecher.
PHILIPPINEN
Strafe für falsche Hymne
Wer die Nationalhymne nicht
richtig singt, muss auf den Philippinen künftig mit Strafen rechnen.
Das Repräsentantenhaus hat ein
Gesetz verabschiedet, nach dem
„Lupang Hinirang“ (auserkorenes
Land) im Tempo eines Marsches
zu singen ist. Wer schief singt oder
nicht genügend engagiert, dem
drohen Strafen von 100 000 Pesos
(1700 Euro) oder zwei Jahre Gefängnis.
Sydney – Eine lesbische Frau in
Australien erwartet Fünflinge – ohne vorherige Behandlung wegen
Unfruchtbarkeit. Das berichtete die
27-jährige Melissa Keevers der Zeitschrift „Woman’s Day“. Der Vater
sei ein Samenspender aus den USA,
sagte sie. Eine solche Fünflingsschwangerschaft gebe es nur einmal
unter 60 Millionen Fällen, rechnete
die Zeitschrift gestern vor. „Es hat
lange gedauert, bis ich das glauben
konnte, aber jetzt, da ich mich an
den Gedanken gewöhnt habe, bin
ich aufgeregt“, meinte Keevers. Ihre
Freundin Rosemary Nolan sagte:
„Es ist ein Wunder und wir könnten
nicht glücklicher sein.“ Keevers
und Nolan haben bereits eine einjährige Tochter die mit Sperma des
selben Spenders gezeugt wurde.
REUTERS/BERNADETT SZABO
Der Amokläufer von Winnenden
hat einem Gutachten zufolge nicht
gezielt auf Mädchen geschossen.
„Er hat nicht selektiv geschossen“,
sagte Rechtsmediziner HeinzDieter Wehner gestern vor dem
Landgericht Stuttgart. Der 17Jährige habe mehreren seiner
Opfer beim Amoklauf am 11. März
2009 in der Albertville Realschule
gezielt in den Oberkörper geschossen, dabei aber nicht zwischen Mädchen und Jungen unterschieden. Wehner bestätigte die
Ergebnisse der Polizei, dass der
Amokläufer mit einem Stirnschuss
Selbstmord beging. Sein Vater
steht wegen des Verstoßes gegen
das Waffengesetz vor Gericht.
Menschen fliehen in dem Dorf Devescer aus ihren Häusern. Der rote, giftige Schlamm bedeckt die Straßen
Giftkatastrophe in Ungarn
Familiendrama:
Leiche im See und
ICE-Unglück
Unfall in Aluminiumfabrik – Vier Tote, viele Verletzte
VON THOMAS ROSER
Budapest – Die Luftaufnahmen
des ungarischen Fernsehens zeigten gestern das ganze Ausmaß der
offensichtlich von Ungarns Behörden zunächst völlig unterschätzten Katastrophe. Über 40 Quadratkilometer sind im Nordwesten Ungarns schon von den hochgiftigen
Schlamm-Massen bedeckt. Sie hatten sich nach einem Deichbruch
im seegroßen Rückhaltebecken
des Aluminiumwerks von Ajka zunächst über die Dörfer Kolonotar
und Devecser ergossen. Verzweifelt versuchte das Militär, mit dem
Abwurf von Zementsäcken aus
Hubschraubern die weitere Ausbreitung der Schlammwelle zu
stoppen. Wenn der Schlamm in
den Fluss Raba und damit auch in
die Donau gelangen sollte, „sollte
jeder auf die Knie sinken – und beginnen zu beten“, sagte der erschütterte Staatssekretär Illes Zol-
tan nach einem Ortstermin. Er
sprach von einer „ökologischen
Katastrophe“.
Tagelanger Regen hatte den
schwachen
Erddeich
des
Schlammbeckens offenbar aufgeweicht. Die gerade beim Mittagessen sitzenden Einwohner der angrenzenden Ortschaften rund 30
Kilometer nördlich des BalatonSees wurden völlig unvorbereitet
von der über einen Meter hohen
50 km
Vier Tote nach
Chemieunfall
Budapest
Devecser
Ajka
Kolontar
Balaton
UNGARN
Donau
UNGARN
SERBIEN
Quelle: dpa
Schlammwelle überrascht, die
über 400 Häuser überflutete und
zum Teil zerstörte. Den Helfern
bot sich ein Bild der Verwüstung der rote natronlaugehaltige Bauxitschlamm stand vielerorts meterhoch. Bislang sprechen die ungarischen Rettungskräfte von mindestens vier Todesopfern, darunter ein drei Monate altes Baby. Vier
Einwohner werden noch vermisst,
Dutzende Menschen mussten mit
schweren Verletzungen, meist
Verätzungen, in Kliniken eingeliefert werden. Die genaue Zusammensetzung der rötlichen Giftbrühe ist noch unbekannt. Das staatliche Umweltamt spricht von
„schwach radioaktiven und krebserregenden Stoffen“. Der Betreiber des Aluminium-Werks, die Magyar Aluminium Termel Rt (MA),
hatte sich gestern nicht öffentlich
geäußert, um über die in dem ausgelaufenen Giftsee eingelagerten
Abfallstoffe zu informieren.
München – Grausamer Zusammenhang zwischen dem Selbstmord auf
einer Bahnstrecke und dem Fund
von Leichenteilen in einem Badesee
nahe Würzburg: Bei dem durch einen ICE getöteten 30-jährigen Mann
und der zerstückelten 29-jährigen
Frau handelte es sich um ein Ehepaar, wie das Polizeipräsidium Unterfranken gestern mitteilte. Die Ermittler prüfen nun, ob der Ehemann
Ende vergangener Woche seine
Frau ermordete, dann zerstückelte
und in den See warf, bevor er sich
am Montag nahe des Sees das Leben
nahm, indem er sich von einem ICE
überrollen ließ. Keine Angaben
wollte die Polizei zu Medienberichten machen, wonach es sich bei dem
Ehemann um einen Bundeswehrsoldaten gehandelt haben und die Frau
seit Jahren im Rotlichtmilieu gearbeitet haben soll. Den Berichten zufolge soll die Frau ihrem Mann dies
verschwiegen haben.
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11 Münster
21
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Hof
Frankfurt
Saarbrücken
21
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Dresden
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12
18
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17
7
21
11
Nürnberg
München
2
19
8
Friedrichshafen 20
11
13
Helsinki
Oslo
Stockholm
Kopenhagen
Südlich der Mittelgebirge startet der Tag neblig, auch im
Nordosten ist es wolkig. Später heitert es verbreitet auf, nur in
Bayern können sich Nebelfelder länger halten. Gleichzeitig
nähert sich von Westen her ein Tiefausläufer, der an der
Nordsee etwas Regen bringen kann. Maximal 17 bis 22 Grad.
Dublin
Teils sonnig, teils zähe Wolkenfelder, an den Flüssen im
Süden anfangs neblig. Temperaturanstieg auf 16 bis 21
Grad, nordöstlich der Elbe nur noch 12 bis 16 Grad.
SAMSTAG
-9 bis -5
-4 bis 0
1 bis 5
6 bis 10
11 bis 15
16 bis 20
21 bis 25
26 bis 30
31 bis 35
über 35
19
Nach örtlichem Frühnebel bei lebhaftem Ostwind vielfach
sonnig, im Norden und Osten teils zähe Hochnebelfelder.
Höchsttemperaturen 12 bis 17, im Rheinland bis 19 Grad.
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H
18
21
T
26
H
T
13
19
Bern
Budapest
Zagreb
16
16
25
24 Barcelona
Palma
Malaga
28
23
Algier
23 26
Hoch/Tief
Warmfront
Kiew
8
Wien 15
Bordeaux
19
22
Nizza
Las Palmas
Warschau
19
Brüssel
Madrid
Lissabon
Moskau
Berlin
17
Von Nordrhein-Westfalen bis zur Ostsee etwas Regen,
in den übrigen Gebieten nach zögernder Nebelauflösung
sonnig. 13 Grad auf Rügen, 23 Grad am Oberrhein.
H
15
London
Paris
11
10
13
15
MORGEN
FREITAG
19
9
Stuttgart
22
9
St. Petersburg
10
Leipzig
Kassel
Düsseldorf
Köln
Reykjavik
Vielerorts aufheiternd
23
20
Rom
T
Istanbul
22
20
22
25
Athen
Tunis
31
33
Kaltfront Okklusion
Warmluft
24
Kaltluft
H
25
Kaltluft in der Höhe
T
DAS WELTWETTER
Amsterdam 18°
Barcelona 25°
Buenos Aires 24°
Djerba
33°
Genf
21°
Hongkong 29°
Innsbruck 22°
Kapstadt
29°
Kairo
30°
Kreta
25°
Los Angeles 20°
Mailand
24°
Malta
27°
Miami
28°
New York 19°
Palermo
26°
Peking
28°
Prag
16°
Salzburg
20°
Sydney
23°
Tel Aviv
30°
Tokio
26°
Regen
heiter
einz. Schauer
sonnig
bewölkt
zeitw. Regen
wolkig
zeitw. heiter
sonnig
zeitw. sonnig
bewölkt
Schauer
wenig Wolken
etwas Sonne
einz. Schauer
heiter
heiter
stark bewölkt
Nebel
wolkig
heiter
wolkig