Solarmarkt: Mehr Regeln bitte!
Transcription
Solarmarkt: Mehr Regeln bitte!
I n t e rv i e w Im Solarbereich erfahrene Investoren und IPPs gehen extrem professionell vor – und sind dann auch erfolgreich. 1 Im Moment beklagt sich wohl niemand, der in Japan verkauft, meint Steffen Studeny, Managing Partner bei RenEn Crossborder. Ein bisschen mehr Regeln, bitte! Steffen Studeny ist seit 2008 in Japan im Solargeschäft – damals versuchten sich noch wenige ausländische Unternehmen und Investoren auf dem Archipel. Heute ist das anders. Der Solarmarkt Japan boomt. Seit Einführung der Einspeisevergütung nach deutschem Vorbild im Juli 2012 hat er sich zu einem der größten der Welt entwickelt. Doch das El Dorado für Komponentenlieferer und Anlagenbauer lässt Nachhaltigkeit vermissen. Das Interview führte Patrick Bessler J M: Herr Studeny, Kritiker monieren, das Wachstum des japanischen Solarmarktes beruhe auf einer viel zu hohen Einspeisevergütung (Feed-in Tarif/FIT) von 40 Yen pro kWh im letzten Jahr. Im April wurde sie auf 36 Yen pro kWh gesenkt. Ist sie noch zu hoch? Studeny: Der FIT war eindeutig zu hoch und vor allem an relativ wenige Bedingungen geknüpft. Dabei war das Wirtschaftsministerium [METI] seit 2010 in Europa unterwegs, um nach der besten Möglichkeit zur Einspeisevergütung zu suchen. Man hatte zu dem Zeitpunkt schon gesehen, welche Probleme in Spanien entstanden waren, in Tschechien, Bulgarien oder auch in Deutschland. Man hatte also die besten 28 J A PA N M A R K T Oktober 2013 Voraussetzungen, einen nachhaltigen FIT einzuführen, der nicht nach einem Jahr wieder angepasst werden muss. Um so überraschender waren die Höhe des FIT und die wenigen Bedingungen, an die er geknüpft ist, etwa, wie schnell der Bau der Anlage nach der Zulassungsbestätigung des Stromversorgers erfolgen muss. Oder dass es einen „local content“ geben muss, also dass ein gewisser Teil der Systemkomponenten aus Japan bezogen werden muss. Es wurde ein FIT ausgegeben, der eine Goldgräberstimmung geschaffen hat. JM: Warum hat man den Wert so hoch angesetzt? Studeny: Ich vermute, dass man sich ent- schieden hat, den Markt erstmal so gut wie möglich zu pushen. Eigentlich ist das ja lobenswert. Aber die Frage ist, ob man das nicht ein bisschen nachhaltiger hätte gestalten können. Im Ergebnis haben sich viele Firmen, Broker und Investoren erstmal den FIT gesichert, ohne zu prüfen, ob man auf dem anvisierten Grundstück auch eine Solaranlage bauen kann. Die Zusagen des METI gab es oft überraschend schnell. Scheinbar wurde da nicht immer alles im Detail geprüft. JM: Laut METI sind bereits Zulassungen für den Bau von Solaranlagen im Umfang von 22 Gigawatt zusammengekommen… Studeny: Es kann sein, dass dort einige Doppelungen enthalten sind, weil mehrere Projekte auf demselben Grundstück zugelassen wurden, oder dass die Bestätigung durch den Landbesitzer noch gar nicht vorliegt. Teilweise wird da Gelände per „Google Earth“ gescannt, digital bearbeitet und auf dieser Grundlage ein Antrag gestellt, obwohl es fast unmöglich ist, dort zu bauen. JM: Einige legen es also gar nicht darauf an, wirklich eine Anlage hinzustellen? Studeny: Es gibt Broker, viele aus Europa, die sich hier über irgendwelche Wege Land sichern, ein Projekt anmelden und das Land und die Rechte dann wieder teuer verkaufen. Das ist das Gegenteil von nachhaltig und hat zu einem großen sekundären Markt geführt. Das Ziel ist, die Projektrechte zu verkaufen, aber nicht die Anlage zu bauen. Das Interessante ist aber, dass bisher die wenigsten davon ihre Stücke verkauft haben. Solche Broker prüfen oft nicht, ob sich das Gelände wirklich eignet. Sie beachten nicht die Probleme, die es dann mit speziellen Genehmigungen, angrenzenden Grundstücken, durch Fehlen von Karten, unklare Grundstücksgrenzen, die Versicherbarkeit der Anlage, Drainagen und so weiter geben könnte. Im Solarbereich erfahrene Investoren und unanbhängige Stromanbieter (Independent Power Producer/IPP) gehen da im Gegensatz extrem professionell vor – und sind dann auch erfolgreich. JM: Insgesamt 15 Prozent oder weniger der angemeldeten Leistung wurden bisher wirklich umgesetzt. Liegt diese Diskrepanz denn allein an solchen Investoren, die auf schnelle Profite aus sind? Studeny: Teilweise liegt sie auch daran, dass nicht nur das METI, sondern auch die Stromversorger einem Antrag stattgeben müssen – und die kommen teils nicht mit dem Bearbeiten hinterher. Für Investoren gibt es oft das Problem, dass sich die Inbetriebnahme der Anlage verzögert. Man hat Projekte, die scheinbar gut aussehen, die alle Genehmigungen haben – und dann kann es passieren, dass der lokale Versorger sagt: Wir schließen das Projekt erst in zwei Jahren an. Grundsätzlich sind die Unternehmen wie Tepco verpflichtet, den Strom abzunehmen, was sie auch machen. Die Frage ist nur: Wann? In Hokkaido hat das METI ueber 1,5 Gigawatt an Solaranlagen freigegeben. Hokkaido Electric will aber aufgrund von Kapazitätsproblemen nur 400 Megawatt anschließen. Außerdem kostet die Inbetriebnahme eine Gebühr und die ist in Abhängigkeit von der Anschlussstelle stark nach oben gegangen. YOUR PUBLISHING PARTNER JM: Wie viel Planungssicherheit gibt es also überhaupt in Japan? Studeny: Grundsätzlich ist Japan politisch sehr stabil. Dass hier wie in Spanien die Einspeisevergütung rückwirkend gekürzt oder komplett gestrichen wird, ist sehr unrealistisch. JM: Führen solch unrealistische Aussichten wie besagte 22 Gigawatt aber nicht zu einer Blase und zu Überkapazitäten durch falsche Erwartungen? Studeny: Genau. Das ist zum Beispiel 2008 in Spanien so passiert. Bis die Regierung die Subventionen schließlich gestrichen hat und der Markt mit seinen Überkapazitäten zusammengebrochen ist. In Japan kann man derzeit beobachten, wie jede Firma hier reinkommt, große Ankündigungen macht, Büros eröffnet und Leute einstellt – und es sieht danach aus, dass derzeit keiner über Worst-Case Szenarien nachdenkt, also dass der Markt eventuell zusammenbrechen könnte. Ein bisschen erinnert mich diese Goldgräberstimmung derzeit an Spanien damals. Es ist unwahrscheinlich, dass so etwas in Japan auch passiert, aber ganz auszuschließen ist es nicht. JM: Mit wie viel Wachstum kann der Solarmarkt in Japan in den nächsten Jahren denn noch rechnen? Studeny: Das Ziel der Regierung lautet 30 Gigawatt bis 2020, bis 2030 sollen es 50 sein. Kumuliert kommen wir derzeit auf etwa 10 GW. Das Potenzial ist 1 Translation & Localization Services www.nexxus.co.jp Nexxus Communications K.K. Everything in Print and MoreTM Oktober 2013 J A PA N M A R K T 29 Interview da. Aber dazu muss es noch wesentliche Änderungen bei Speichertechnologien und Eigenversorgung geben. Japan ist hier führend, etwa was den Einsatz von Elektrovehikeln angeht oder bei Smart Houses – also Technologien, die sich prima mit Solarenergie kombinieren lassen. Das betrifft im ersten Schritt private Anlagen, lässt sich aber auch größer ausbauen. An Supermärkten, Baumärkten oder Fabriken kann man beispielsweise wunderbar auf den Parkplätzen einen Carport installieren, mit PV-Panels auf dem Dach, wo die Autos praktisch während des Parkens geladen werden können. Hinzu kommt, dass Japan als Insel seinen Strom, wenn es Überproduktion gibt, nicht wie etwa Deutschland einfach ins Ausland verkaufen kann. Das heißt, das Land muss so oder so über eine effiziente und stabile Energieversorgung nachdenken und das geht nur über Speichertechnologien und den Mix aus allen Energieträgern. Modulherstellung notwendig sind, ist es schwieriger geworden, da die großen japanischen Modulhersteller viele Produktionskapazitäten ins Ausland ausgelagert haben bzw. Module in OEM beziehen. Im Bereich der Systemkomponenten, wie Module, Wechselrichter, Gestelle oder Überwachungssysteme, sind ausländische Unternehmen, insbesondere auch deutsche Firmen, bereits sehr erfolgreich in Japan unterwegs. Es gibt aber weiterhin sehr viel Potenzial. Extrem interessant ist der Markt für Investoren und IPPs. Unterstützung und die richtigen Netzwerke sind aber unbedingt notwendig. JM: Wie interessant sind private Anlagen in Zukunft noch – der Trend im Markt geht ja derzeit deutlich eher zu großen Installationen. Und wo gibt es Chancen für deutsche Unternehmen? Studeny: Kleine Anlagen bleiben im Moment stabil oder wachsen nur leicht. Der Bau von großen und mittelgroßen Anlagen hat drastisch zugenommen. Mittelfristig sind kleine Anlagen aber nachhaltiger. Wo es Chancen für ausländische Firmen gibt, kommt es darauf an, wo man in der Zulieferungskette aktiv ist. Bei Rohmaterialien und im Bereich von Materialen, die für die JM: Alles in allem sind Sie also optimistisch? Studeny: Derzeit beklagt sich wohl niemand, der in Japan verkauft. Noch sind hier die Preise höher als auf anderen Märkten und im Moment ist es sehr lukrativ, hier Geschäfte zu machen. Aber das wird sich im Laufe der Zeit anpassen. Oft wird gefragt, was nach der Kürzung oder Streichung der Einspeisevergütung passieren wird und ob dies dann das Ende des Solarmarktes ist. Die Antwort ist ganz klar: Nein! In anderen Ländern gibt es bereits Solarsysteme, die zu extrem konkurrenzfähigen Kosten gebaut werden, und wo der Strom für acht bis zehn US Dollar-Cent pro kWh produziert werden kann. Wenn in Japan Anlagen gebaut werden, die unter 15 Yen/kWh Strom produzieren, wird es hier enorm spannend. In den letzten Monaten ist der Markt etwas heiß gelaufen. Ausnahmsweise bräuchte es mal ein paar mehr Regeln. n Wikimedia/U.S. Navy JM: Die Smart-City Visionen japanischer Elektronikunternehmen könnten in Japan also bald Wirklichkeit werden? Studeny: Aus technologischer Sicht: ja. Die Frage ist nur: Was sind die Heraus- forderungen? Die großen Stromversorger werden erst mal wenig Interesse daran haben. Eine Energiewende funktioniert aber nur, wenn sie zusammen erfolgt und alle Beteiligten Schritt für Schritt zusammen gehen. Für eine nachhaltige Energieversorgung wäre ein schnellerer Wandel natürlich besser, nicht nur bezüglich der Stromversorger, sondern auch bezüglich der Einspeisevergütung. In Deutschland gibt es eine gewisse Eigenverbrauchsförderung oder eine höhere Förderung, wenn man Speichertechnologien gleich mit installiert. In diese Richtung sollte Japan jetzt schon gehen. 1 Der Trend geht zu großen Anlagen. Der Markt für kleinere und mittelgroße Installationen bietet aber mehr Stabilität. 30 J A PA N M A R K T Oktober 2013 Steffen Studeny ist seit 2008 in der Solarbranche in Japan aktiv. Seit 2013 ist er Managing Partner bei RenEn Crossborder K.K. Das Beratungsunternehmen spezialisiert sich auf erneuerbare Energien in Japan in Sachen Project Management, Operational Management, Consulting, M&A und Post Merger Integration. E-Mail: [email protected] www.re-crossborder.com