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196 Seiten DAS MAGAZIN FÜR KLASSISCHE SPIELE
:
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de
4/2013
Die dritte
De
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September/Oktober/
November 2013
4/2013
196 Seiten epochale spiele für Home-Computer, Konsolen & PCs
Deutschland @ 12,90 Österreich
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sfr 25,80
Luxemburg @ 14,85
Winnie
Geschic Forster über die
hte d
Spiele-H er deutschen
ersteller
20
epochale
PC-Spiele
Welche Computerspiele man
einfach kennen muss, weil sie
ganze Genres geprägt haben
Die SimCity-Serie
Zusammen mit Schöpfer
Will Wright stellen wir die
Hintergründe und alle
Teile vor – inklusive
des 2013er
Fiaskos
AUFSTIEG DER
JUMP-AnD-RUNS
Wie sich die einfachen Plattformer
zum lange Zeit beliebtesten SpieleGenre mauserten
Kultschmiede
Sierra on-line
Wir wandeln auf den Spuren des
einstigen Mega-Publishers von
King’s Quest, Larry u. v. a.
RetroRevivals
Lucasarts
Spiele-Veteranen stellen ihre alten
Lieblinge vor: River Raid, Populous,
Bard’s Tale, Kennedy Approach u. a.
Indy, Monkey island, star wars & alle anderen spiele
Unser Tribut an George Lucas’ legendäres Studio
Mit Beiträgen
von boris Schneider und Ron Gilbert
computer
der 70er
Die Homecomputer vor C64
und Co. stellen Spiele oft noch
per Zeichensatz-Grafik dar
Mattel
Aquarius
Vergessene Spielemaschine: Von
dieser technischen Rarität habt
ihr bestimmt noch nichts gehört!
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arcade | atari | commodore | MSX | NEO GEO | nintendo | schneider | sega | sinclair | SONY
S
Anatol
Locker
Heinrich
Lenhardt
Jörg
Langer
Mick
Schnelle
Winnie
Forster
ommerzeit, Retrozeit! Aktuelle Spiele
erscheinen zurzeit kaum, sodass ich gerne zu
Titeln greife, die mich teils schon seit Jahrzehnten begleiten. Als ich für unseren Artikel „20
epochale PC-Spiele“ Ultima Underworld installierte, um
ein wenig Inspiration für meinen Text zu bekommen
und ein Foto zu machen, lief ich danach noch geraume
Zeit durch die Stygian Abyss, einfach, weil mich der
Flair erneut gepackt hatte. Ähnliches passierte mir nach
der Aufnahme des Edi-Fotos: Da läuft ja The Secret of
Monkey Island auf dem iPad, und als ich wieder am
Schreibtisch saß und die berühmte Karibikmusik weiterdudelte, ließ ich Artikel Artikel sein und steuerte lieber
noch eine Weile Guybrush Threepwood durch PiratenKaschemmen und Wortgefechte. Was natürlich gut zu
unserem LucasArts-Titelthema passt …
Retro gehört nicht zum Alteisen, das zeigen die immer neuen Remakes und Fortsetzungen. Dass Nintendo
noch jede ihrer Vorzeigeserien in die nächste Gerätegeneration übertrug, hat Gründe: Super Mario Bros. 2 etwa
verkauft sich eben auch auf Wii U immer noch gut, und
an Fortsetzungen wie Pikmin 3 oder dem für Herbst
geplanten Remake Legend of Zelda – Windwaker HD
kommt kein Fan vorbei. Zum knapp zehn Jahre alten
Rome – Total War bringt Sega Anfang September
Rome 2 heraus, Shadowrun Returns ist eben erst
erschienen, und auch so manch anderes Indie-Spiel
ist schlicht ein Klassiker im neuen Gewand. Kürzlich
habe ich mir die Battle Isle-Hommage Battle Worlds –
­Kronos angesehen, zur selben Vorlage plant Blue-ByteMitgründer Thomas Hertzler Ende 2013 eine offizielle
Mobil-Fortsetzung – wie auch im Interview „Auf dem
Sofa mit Chris Hülsbeck“ zu lesen. Retro lebt und
beeinflusst ganz direkt die heutige Spielewelt.
In die 196 Seiten des aktuellen Retro Gamer
ist viel Zeit und Liebe geflossen, von den deutschen Autoren (siehe links) genauso wie von
unserem internen Team bei GamersGlobal.
Darum kommt dies von Herzen:
Viel Spaß beim Lesen!
Jörg Langer
Projektleitung Retro Gamer
» Die Klassiker von damals sind die Neuerscheinungen von heute. Ein Beispiel: Das knapp zehn Jahre alte Rome – Total War
(oben) erhält Anfang September eine grafisch und spielerisch
generalüberholte Fortsetzung namens Rome 2.
Inhalt 4/2013
September, Oktober, November
Für Liebhaber von klassischen Spielen
Schwerpunkte
Historie
006 River Raid (Heinrich Lenhardt)
058 Der Patrizier (Mick Schnelle)
086Budokan (Winnie Forster)
118 Kennedy Approach (Mick Schnelle)
146 Borrowed Time (Anatol Locker)
190Arkanoid (Heinrich Lenhardt)
014 Made in Germany, Teil 3
088 Die Evolution der Plattformer
Making Of
022 Star Fox
100 20 epochale PC-Spiele
RETRO-REVIVAL
Epos mit Füchsen und Star-Wars-Flair
064SimCity
Von Will Wrights Anfängen bis Teil 5
108Adventure
Ataris Action-Adventure-Pionier
134 Crusader: No Remorse
Rätseln und ballern in SVGA-Grafik
154 NBA Jam
Von NBA-Profis und zu großen Köpfen
Dieses Mal behandelt Winnie Forster die
„Nullerjahre“ der deutschen Publisher
030 LucasArts – ein Tribut
17 Seiten über alle Spiele. Mit vielen
Anekdoten, Gastbeitrag von Ron Gilbert
und Interview mit Boris Schneider
078 30 essenzielle Shoot-em-ups
Von einfachsten 1-Bildschirm-Shootern
bis zu multi-scrollenden Effektgewittern
Diese Computerspiele haben den PC
als Spieleplattform nach oben gebracht
112 Das Vermächtnis der PS2
Kurz vor Launch der PS4 blicken wir
auf ihre Vor-Vorgängerin zurück
166 Bill Gates und die Spiele
Wieso Microsofts Begeisterung für
Spiele nicht erst mit der Xbox begann
Klassische Spiele
Von den Anfängen bis zur Wii U
140 NewZealand Story
Klebrig süß – aber auch vielseitig
158 Chase HQ
Gas geben und Verbrecher jagen
174 30 Jahre Dragon’s Lair
Diesem Spiel huldigten die Massen
Retro-Hardware
120 BBC Micro
Die Entstehungsgeschichte
des ersten britischen
„Volkscomputers“
126 Mattel Aquarius
Winnie Forster hat einen
echten Hardware-Exoten
ausgegraben
128 Homecomputer der 70er
Commodore PET 2001 & Co.:
Geräte, die den Stein ins
Rollen brachten
Firmen-Archive
020 Battlehawks 1942
008 Sierra On-Line, Teil 1
028 Die Unkonvertierten
RUBRIKEN
054Mega-CD-Außenseiter
003Editorial
192Retro-Feed
Anatol Locker über die Erfolgsstory
von Ken und Roberta Williams
060Bungie
Die Story der Halo-Macher, und wie
sie sich von Microsoft freikauften
184 Bizarre Creations
Einst schufen sie F1-Spiele und Gotham
Racing, dann kamen Blur und 007 …
Der Macher von Driver und
Shadow Of The Beast redet Klartext
4 | RETRO GAMER 4/2013
Eine Auswahl aus der Spieleflut
Winnie Forster möchte Gott spielen
098 The Bard’s Tale
048 Chris Hülsbeck
148 Martin Edmondson
Klassiker und Geheimtipps
076Populous
Komponieren per Hex-Editor,
alte Träume und neue Projekte
Aqua Jack, Atomic Boy und andere
072Atari-800-Außenseiter
AUF DEM SOFA
Mick Schnelle steigt ins Cockpit
Wir reisen zurück nach Skara Brae
164 Import-Hit Aah! Harimanada
Wieso Sumo-Ringen Spaß macht
Leserbriefe und Termine
194Vorschau & Impressum
RETRO-HARDWARE
ALTE KONSOLEN-SCHÄTZE IN NEUEM GLANZ
120
126
022
086
098
146
158
174
184
129
133
006
054
058
064
100
134
078
» retro-revival
River Raid
Fluss ohne Wiederkehr
» Publisher: Activision
» Erschienen: 1982
» Hardware: Atari VCS ( im Bild: C64-Version)
HISTORie
Von Heinrich Lenhardt
Der Action-Höhepunkt der Atari-VCS-Ära spielt sich heute noch bemerkenswert gut. River Raid ist knackig, abwechslungsreich und holt ein
Maximum an Ballerspaß aus der Minimal-Hardware heraus. Unzählige Feindschiffe und Brücken hat der Tiefflieger auf dem Gewissen,
doch in Deutschland wurde er selbst zum Opfer und von der ersten
Indizierungs-Breitseite erwischt.
Dem Laden Videomagic verdanken ganze Münchner Schülerjahrgänge die schönsten Nachmittage ihrer Jugend. Wir Teenies konnten uns zwar
mühsam ein Atari VCS, Intellivision oder gar eine Colecovision-Konsole leisten, aber bei Spielpreisen von (nicht inflationsbereinigten) 120 Mark aufwärts
war jede Software-Anschaffung ein Staatsakt. Und bei Videomagic, in einem
Untergeschoss um die Ecke vom Stachus gelegen, konnte man nicht nur
Module etwa alle zehn Tage tauschen, sondern auch die ganzen neuen tollen
Spiele ausprobieren. Dazu kaufte man „Fun Chips“, mit denen die zahlreichen
Demostationen gefüttert wurden. Ich fürchte, dass irgendwann eine wenig
Spaß verstehende Aufsichtsbehörde das Konzept wegen Ähnlichkeiten zum
Daddelprinzip nicht jugendfreier Spielhallen abwürgte. Aber so um 1982 war
der Laden das Paradies auf Erden, in dem ich so manchen Fun Chip für River
Raid versenkt hatte.
Wer die grafisch nur marginal verbesserte C64-Version kennt, möge
bedenken, wie eingeschränkt die Hardware der ersten Atari-Konsole war.
Dafür war River Raid technisch ein Gedicht, mit seinem tadellosen Vertikal­
scrolling, den klaren bunten Sprites und der effektvollen Soundkulisse:
Abhängig von der Fluggeschwindigkeit änderte sich das Triebwerkrauschen,
das süße „Du-du-di“-Gepinge bei Erreichen eines Treibstoff-Depots war
angesichts chronisch leerer Tanks Anlass für manchen Erleichterungsseufzer.
Das war alles schon erheblich raffinierter als die meisten anderen Ballereien der frühen 80er: Auf Gegner schießen, aber nicht auf die Spritspender.
Das Tempo variieren, um Geschossen auszuweichen. Dem Weg des Flusses
folgen, denn aus welchem Grund auch immer crasht unser Flieger, wenn er
das (Hoch- ?)Ufer ansteuert. Es gibt Abzweigungen, schwer vorhersehbare
Feindesbewegungen und über 50 (sic!) Levels. Jede zerstörte Brücke, die
den Beginn des nächsten Abschnitts markiert, ist ein Triumph. Der Einstieg
fällt leicht, aber bald wird es verdammt schwer und herausfordernd. River Raid
kann man auch bei Abnahme der Nostalgiebrille heute noch prima spielen.
Es klang ja ansatzweise wildromantisch, was Activision für den
deutschen Markt an Werbesprüchen zusammentextete: Als „Jagdflieger“
am „Fluss ohne Wiederkehr“ würden wir ein „Kampfspektakel“ erleben,
„das den Bildschirm erzittern läßt“. Doch River Raid wurde seinerzeit in
Deutschland als bedenkliches Gewaltspiel empfunden. Fachorgan Tele Match
bemängelte in einer ansonsten positiven Besprechung das „leider extrem
kriegerische Geschehen“. Im Dezember 1984 wurde River Raid gar als eines
der ersten Computer- und Videospiele in Deutschland indiziert. Bis ins Jahr
2003 sorgte diese Jugendschutz-Maßnahme für Verkaufseinschränkungen
und De-facto-Werbeverbot. Die Bundesprüfstelle behauptete seinerzeit kühn:
„Das Videospiel River Raid hat emotionssteuernde und aggressionssteigernde
Eigenschaften“, außer dem aggressiven Ballern werden „keine differenzierten
sozialen Regeln angeboten für die Bewältigung von Wut und Zerstörungsgefühlen.“ Merkwürdig, denn auf die pazifistische Geisteshaltung des minderjährigen Lenhardt hatten die vielen Fun Chips, die er in River Raid gesteckt hatte,
keinerlei Einfluss.
6 | RETRO GAMER 4/2013
RETRO GAMER 4/2013 | 7
e
Mystery Hous
King’s Quest IIV
Police Quest III
Space Quest IV
yV
Quest for Glor
Die firmen-
archive
retro gamer GRÄBT DIE AKTEN BEKANNTER ALTER FIRMEN AUS.
Sierra On-Line
(Teil 1)
Sierra On-Line, das ist mehr als eine Firma: Sierra ist Legende.
Eine Liebesgeschichte. Ein wenig Sex. Und auch Drama. Und eine der
schillernsten Spielefirmen, die je existierten. Meint Anatol Locker.
W
ir schreiben das Jahr 1979: Im
Iran wird der Schah gestürzt,
im Atomreaktor Three Miles
Island kommt es zur Kernschmelze,
Reinhold Messner besteigt den K2 ohne
Sauerstoffgerät, AC/DC veröffentlichen
Highway to Hell und der Hamburger SV
wird deutscher Fußballmeister. Oh, und
zwei amerikanische Teenager machen
sich auf, Spielegeschichte zu schreiben.
Die schüchterne Roberta Nova
Heuer lernt den energischen Ken Williams
auf der High School in Los Angeles kennen
und lieben. Als sie heiraten, ist Roberta
19 und Ken gerade 18 geworden. Wenige
Monate später ist das erste Kind unterwegs. Ken braucht Geld, und zwar flott. In
Kalifornien werden Programmierer händeringend gesucht – und Ken ist ein besonders
geschickter und trickreicher Programmierer,
wie seine Angestellten später übereinstimmend berichten. Tagsüber programmiert er
als Troubleshooter für IBM, abends spielt er
auf seinem neu erstandenen Apple II. Auch
Roberta infiziert sich mit dem Computer­
8 | RETRO GAMER 4/2013
virus. Nachdem sie Colossal Cave, die Scott
Adams-Abenteurer und nahezu alle damals
erhältlichen Adventures durchgespielt hat,
reift ihr Entschluss, selbst ein Spiel zu
schreiben.
Roberta, die gerne liest, überzeugt Ken, eine Agatha-Christie-ähnliche
Geschichte namens Mystery House zu
produzieren. Am Programmieren ist sie
nicht interessiert – da muss Ken ran, und
zwar in langen Nachtschichten. Während
die meisten Spiele damals in BASIC
entstehen, arbeitet Ken in Assembler und
erreicht damit eine wesentlich höhere
Geschwindigkeit. Statt ein „normales“ Textadventure zu schreiben, bedrängt Roberta
ihren Mann, den beschreibenden Text mit
digitalen Zeichnungen zu ergänzen – ein
Geniestreich, wie sich herausstellt. Betritt
ein Spieler einen neuen Raum, erscheint
am Bildschirm eine Strichgrafik. Die Mystery
House-Grafik ist für heutige Verhältnisse
lachhaft simpel, so muss Ken die Namen
auf die abgebildeten Gegenstände schreiben, weil eine Flasche sonst nicht von einer
SOFORT-EXPERTE
Anfang und Mitte der
80er war Sierra eine der
potentesten Computerspiele-Firmen der USA.
Serien spülten in der
ersten Dekade des Unternehmens das Geld in
die Kassen. King’s Quest
brachte es insgesamt auf
acht Folgen, Space Quest
auf sechs, Quest for Glory auf fünf, Police Quest
auf vier. Wobei nicht alle
von denselben Teams programmiert wurden.
Nominell die meisten
Folgen gibt es von Leisure
Suit Larry, doch erstens
sprang deren Nummerierung nach Teil 3 auf Teil 5
(Al Lowe hatte erklärt, es
werde nie einen vierten
Teil geben...), zweitens
gab es nur sechs echte
Teile vom Serienvater, danach folgten ein CasinoSpiel und mehrere Gurken
– bis im Juli 2013 mit Leisure Suit Larry Reloaded
ein gelungenes Remake
von Al Lowe erschien.
Leisure Suit Larry war
lange Zeit das am meisten
raubkopierte PC-Spiel.
Die Spiele der King’s
Quest-Serie verkauften
sich 3 Millionen Mal, was
Roberta Williams zur erfolgreichsten Spieleerfinderin der Welt macht.
Sierra setzte für seine Adventures stark auf
Handbuch-Kopierschutz.
In Police Quest musste
der Spieler die echten Radiocodes von Straftaten
eingeben, in Space Quest
IV waren es mathematische Formeln.
Sierra war der Hauptarbeitgeber für Oakhurst
und die umliegenden Gemeinden. Teilweile kam
die Infrastruktur des Örtchens nicht mehr mit; vor
allem das Postamt war anfangs völlig überfordert.
Das „Labion Root
Monster“-Rätsel in
Space Quest II gilt als eines der schlimmsten der
Adventure-Geschichte.
Hier musste der Spieler
pixelgenau durch ein Labyrinth manövrieren. Geriet
er an einen der Fangarme,
hieß es „Game Over“.
John Williams war Sierras zweiter Angestellter.
Kens Bruder fuhr mit seinem Wagen von Computershop zu Computershop,
um Mystery House zu verkaufen. Später wuchsen
die Aufgaben: Bis zum
Jahr 2000 kümmerte er
sich ums Marketing aller
Sierra-Spiele.
rry VI
Leisure Suit La
V
Vase unterscheidbar ist. Und doch: Das
Ehepaar hat soeben das erste Grafikadventure finalisiert und wohl das erste Spiel,
das überhaupt mehrere Grafiken anzeigt
(natürlich schwarz-weiß).
Ken und Roberta packen Spiel­
diskette und ein fotokopiertes Handbuch in
eine durchsichtige Plastiktüte und klappern
im Mai 1980 die Computershops ab. Außerdem bieten sie ihr Spiel per Mail Order
an. Mystery House erregt Aufmerksamkeit:
Erstens sind die Käufer von der Grafik faszi­
niert, zweitens ist die Story gut geschrieben
und mit anständiger Rätseldichte versehen. Eine Entscheidung bereut das Paar
allerdings schnell: Sie veröffentlichen ihre
private Telefonnummer im Handbuch. Da­
raufhin „riefen die Leute gerne um drei Uhr
morgens an, um sich beim Spiel weiterhelfen zu lassen“, grämt sich Roberta später.
»S
ie war schüchtern,
er ein Draufgänger … Ken und Roberta waren schon
in der Highschool
ein Liebespaar.
»O
n-Line Systems war
Kens erste Firma. Sie
wurde nach dem Umzug
nach Oakhurst in Sierra
On-Line umbenannt,
später dann in Sierra
Entertainment.
Raus aus dem
Moloch
zahlen-SPIELE
2 Menschen hatten einen
großen Einfluss auf Sierra – so
gab es Ken Williams in einem
Interview mit Adventure Classic Gaming zu Protokoll: „Bill
Gates und Walt Disney. Ihre
Firmen waren mein Vorbild.
Ich hatte jede Zeile zu diesen
Firmen gelesen und versuchte
zu verstehen, wie sie dachten
und Geschäfte machten.“
167.000 US-Dollar spielte
Mystery House ein – genug,
dass die Williams ihre Fluchtge-
danken aus L.A. wahr machen
konnten.
3 platzsparende Kilobyte
brauchten im Schnitt Sierras
frühe Grafiken. Al Lowe erinnert sich: „Das JPG-Format
gab’s damals noch nicht …
In Larry 1, 2 und 3 legten die
Grafiker erst schwarze Linien
an, die sie dann Punkt für
Punkt mit Farbe füllten. Weil
nur die Vektoren gespeichert
wurden, blieben die Grafiken
schön klein.”
7 sogenannte „Hi-Res-Adventures“ brachte Sierra heraus.
Diese Spiele besaßen für
heutige Verhältnisse extrem
krude Grafik.
20 Minuten brauchte Al Lowe,
um nach einer Radiosendung
zum 99sten Geburtstag des
Ragtime-Komponisten Irving
Berlin sein legendäres „Leisure
Suit Larry Theme“ zu komponieren.
78 Spiele veröffentlichte Sierra
in den ersten zehn Jahren.
Das Ehepaar Williams will
raus aus dem Moloch Los
Angeles, am liebsten in ein
Blockhaus. Ihr damaliges
Mantra lautet: „Wenn Mystery
House nur 10.000 Exemplare
verkaufen würde … dann
könnten wir von Los Angeles
wegziehen.“ Das Spiel bringt
das 16-fache ein. Familie
Williams zieht 1982 nach
Coarsegold, eine ehemalige
Goldgräberstadt nahe den
Sierra Nevada Mountains, in der Robertas
Eltern eine Apfelplantage besitzen.
Ken hatte Mystery House durch
seine frisch gegründete Firma „On-Line
Systems“ vertrieben. Nun kündigt er seinen
Job und beschließt, erstmal ausschließlich
neue Spiele zu veröffentlichen. Es folgen
sechs weitere Adventures, darunter auch
The Wizard and The Princess, das erste
Adventure mit farbiger Grafik. Die beiden
lizenzieren Jim Hensons Film The Dark Crystal und setzen ihn in ein Abenteuerspiel um.
Ihr ambitioniertestes Projekt ist jedoch Time
Zone, ein Zeitreise-Abenteuer mit 1.500
Räumen, das sich über sechs Diskettenseiten entspannt – und grausam floppt.
Zwei Jahre werkeln Ken und Roberta in ihrem Privathaus, dann platzt die
Bude aus den Nähten. „Überall stapelten
sich Boxen und Disketten. Ich hatte die
Nase voll“, erklärt Roberta später. Die
umbenannte Firma Sierra On-Line zieht ins
frisch gebaute Redwood Building in Oakhurst um, nur ein paar Kilometer von Coarsegold entfernt (das Gebäude wird später
in mehreren Sierra-Spielen verewigt). Auch
Oakhust ist ein 2.000-Seelen-Kaff, weit ab
vom Schuss. Mit der Folge, dass Ken Williams, der schreckliche Flugangst hat, erst
mit seinem Wagen zum Flughafen Fresno
muss, um dort in eine Maschine nach San
Francisco zu erwischen, um schließlich
nochmal einen Flieger zu seinem Ziel zu
besteigen. Und dann das Ganze retour.
Und fliegen muss der Firmenchef später
nahezu täglich.
RETRO GAMER 4/2013 | 9
die firmen-
archive
»M
ystery House gilt als erstes
Computerspiel mit Grafik – mit
diesem Adventure wurde
Roberta Williams schlagartig
in der Szene bekannt.
ie Quest-Grafiken
»D
wurden alle von
Hand gecodet.
Erst erstellten
die Grafiker eine
Strichzeichnung,
die dann mit Farben
und Schattierungen
gefüllt wurden.
JPG, GIF oder andere Bildstandards
gab es zu dieser
Zeit noch nicht.
Der Vorteil der
Quälerei: Die Bilder
waren extrem
platzsparend.
» I n dieser Form kennen
die meisten Spieler
das Sierra-Logo.
Kens clevere Schachzüge
3 untypische Spiele
Stunt Flyer
Flugsimulation aus
dem Jahr 1983
Thexder
Der Sidescoller-Shooter
Smart Money
Finanzverwaltungsprogramm. Sierra hatte
außerdem noch ein
Textverarbeitungepro-
gramm sowie eine
Schreibsoftware (Homeworld Plus) für ScriptAutoren im Programm
(Screenwriter II)
»D
as Redwood-Building wurde schnell zum Wahrzeichen der frühen
amerikanischen Adventureszene. Das Gebäude existiert noch heute.
Ken ist ein geschickter Verhandler, mit
einem breiten Ego ausgestattet, ein extrem
fähiger Programmierer und laut Aussagen
seiner Angestellten ein harter, aber fairer
und menschlicher Chef. Er hat gerade einen
Deal mit IBM an Land gezogen, die für ihren
Volkscomputer PC Jr. ein Spiel suchen, das
die Fähigkeiten ihrer Maschine zeigen soll.
Wieder schlägt Robertas große Stunde. Sie
liebt Märchen und stellt sich ein klassisches
Abenteuer vor, in dem der Spieler drei
Schätze sammelt, um das Königreich Daventry zu retten: King’s Quest ist geboren.
Die Marke und die neue SCI-Engine
(„Sierra Creative Interpreter“) werden zum
wichtigsten Baustein für Sierras Erfolg. Statt
einfach nur Bilder zu zeigen, orientiert sich
das Adventure an einer Theaterbühne, über
die man die Hauptfigur mit den Pfeiltasten
navigiert. Am Ort des Geschehens angekommen, greift man beherzt in die Tasten,
um in klassischer Textadventure-Manier
Befehle in den Zwei-Wort-Parser zu tippen.
Sieben Angestellte plus das Ehepaar arbeiten 18 Monate an dem Spiel, das Budget
beträgt 700.000 Dollar. Das Ergebnis kann
sich sehen lassen: hochauflösende Grafik
mit gewaltigen 16 Farben, MIDI-Soundtrack
und eine schöne, humorvolle Story. King’s
Quest bringt technische Brillanz und erzählerisches Können der damaligen Zeit auf den
Punkt.
Der IBM PC Jr. floppt zwar grandios
(zu teuer, nicht erweiterbar), das Spiel
jedoch wird zum Renner. Ken war schlau
genug, die Rechte für King’s Quest nicht aus
der Hand zu geben, und portiert es bald auf
Apple II, Tandy, Commodore sowie später
auf Amiga und Atari ST. Im Lauf der Zeit
erscheinen Sierra-Spiele auf allen großen
Computern der damaligen Zeit – nur für Videospielkonsolen sind die Adventures nicht
geeignet. Hauptplattform bleibt der PC.
Ken Williams versteht schon früh,
dass man als Firma nicht allein mit einer
Adventure-Monokultur überlebt, siehe
Infocom. Also beginnt Sierra, als Publisher
PC-Spiele zu verlegen oder sie umzusetzen – ihr Videospiel-Engagement floppte
dagegen böse. Die bekanntesten dieser Vertriebstitel in den 80ern waren Frogger und
Ultima II. Richard Garriott war allerdings mit
der PC-Konvertierung seines Rollenspiels so
unzufrieden, dass er Origin gründet, um ab
sofort alle Fäden in der Hand zu haben.
» I n den ersten Jahren
schrieb Roberta
Williams im Jahresrhythmus ein neues
Kings Quest.
»S
oftporn Adventure
stammt aus der Feder
von Charles Benton. Im
Whirlpool der Familie
Williams sitzen von links
nach rechts Roberta Williams, die Ehefrau eines
Sierra-Autors sowie die
Firmen-Buchhalterin. Der
Kellner stammte aus dem
lokalen Restaurant
„The Broken Bit“.
10 | RETRO GAMER 4/2013
» Ursprünglich eine Beigabe für IBMs PC Jr, entwickelte King’s Quest schnell ein
Eigenleben … und wurde zu einer der erfolgreichsten Spieleserien aller Zeiten.
Die frimenarchive: sierra on-line
» Was tun, wenn der Name Space
Quest schon an ein Brettspiel
vergeben ist? Ken Williams
bat den Designer, von seinen
Namensrechten zurückzutreten.
Mehr solcher Schmankerl finden
sich auf Ken Williams Seite
www.sierragamers.com.
Parallel entwickelt Ken Williams
weitere Spieleserien. Er macht dabei etwas,
was die meisten Manager vermeiden wie
die Pest: Er lässt andere zum Star werden.
Wie ein guter Verleger würgt er Ideen nicht
ab, sondern lässt sie zu – und lässt den
Machern bei einem Erfolg den verdienten
Ruhm und die Ehre. Die Namen, Fotos und
Biografien von Al Lowe, Scott Murphy und
Marc Crowe, Jim Walls, Corey und Lori
Cole werden nicht nur auf die Packungen
gedruckt; die Spieledesigner erscheinen
auch geschlossen zu Presseterminen,
geben Interviews fürs US-Fernsehen und
besuchen Messen – ganz im Gegenteil zum
damaligen Usus oder zur zunehmend wieder gesichtslos werdenden ComputerspieleIndustrie heute.
Leisure Suit Larry: Das erste
Spiel für Erwachsene
Sierra-Angesteller der ersten Stunde war
der Musiklehrer und Jazz-Saxophonist Al
Lowe, der sich ebenfalls „aus Spaß“ einen
Apple II gekauft hatte. Al, der drei seiner
BASIC-Spiele bei Ken verlegt hatte, arbeitete inzwischen als Freelancer bei Sierra.
„Ende 1986 hatte ich gerade Kings Quest
III beendet und redete mit Ken über mein
nächstes Projekt. Es gab kaum Erwachsenenspiele auf dem Markt … sondern immer
nur ,Rette die Prinzessin‘ oder ,Rette die
Galaxie‘. Ken schlug vor, ich solle doch das
alte Textadventure Softporn umsetzen, das
Ken früher erfolgreich verlegt hatte.“
25.000 Stück des Textadventures
von Charles Benton waren damals weggegangen – als gerade mal 100.000 Apple
II im Handel waren. „Ich sah’s mir an …
und war wenig begeistert. Es ging darum,
in einer Nacht in Las Vegas drei Frauen
abzuschleppen. Es gab keinen Helden,
keine Handlung und kaum Text. Beim
nächsten Meeting erklärte ich, das Spiel sei
so altertümlich, dass es schon fast einen
,Freizeitanzug‘ (Leisure Suit) anhabe. Alle
lachten …“ – der Rest ist Geschichte.
Al Lowe nannte sein Spiel Leisure Suit Larry und machte daraus ein
Grafikadventure, wobei ihm Mark Crowe
(später eine Hälfte der „Two Guys from
»W
o Erfolg ist, wird auch gefeiert:
Sierra lud in späteren Jahren die
kalifornische Spielebranche zu
Rafting-Touren und Grillabenden ein.
Andromeda“) für vier knappe Wochen
half. Story und Rätsel von Softporn wurden
kaum verändert. Dafür ergänzte Lowe das
Spiel um einen der schrägsten Charaktere
der Videospielgeschichte: Larry Laffer, ein
sympathischer Loser, immer auf der Suche
nach Lust und Liebe. Es war das erste
Sierra-Spiel mit einer Boss-Taste: Wenn
jemand nicht sehen durfte, was gerade
auf dem Schirm passierte, drückte man
[Ctrl B] … schon erschien eine langweilige
Tabellenkalkulation auf dem Schirm. Verließ
der Chef das Zimmer, konnte man wieder
ins Spielgeschehen eintauchen. Keine
schlechte Idee, denn schließlich ging es in
Larry um Sex – und den fürchten Amerikaner bekanntlich mehr als Waffen.
Leisure Suit Larry In The Land Of The
Lounge Lizards, so der volle Titel, war nicht
sonderlich umfangreich; Al Lowe war nach
drei Monaten fertig. Es war erste SierraSpiel, das einer Qualitäts- und Bugkontrolle
unterzogen wurde. Nach zwei Monaten Betatest kam Larry in den Handel – und legte
den miesesten Start der Sierra-Firmengeschichte hin. Al Lowe meinte schon,
» Mark und Scott waren bekannt dafür,
alles und jeden auf
die Schippe zu nehmen. Hier muss die
Bar aus Star Wars
daran glauben.
nders als in den
»A
meisten Spielefirmen veranstaltete Sierra um die
Designer einen
Personenkult. Hier
die „Two Guys from
Andromeda“.
timeline
Ken Williams gründet
seine Softwarefirma
On-Line Systems.
Programmiert wird
auf dem in den USA
populären Apple II.
1979
1980
Sierra veröffentlicht weitere
Grafikadventures (Ulysses and
the Golden Fleece, Cranston
Manor) sowie das Textadventure Softporn Adventure, den
Vorläufer zu Leisure Suit Larry.
1981
Roberta Williams
schreibt Mystery House,
das erste Grafikadventure der Welt. Ken
programmiert es.
1982
Sierra publiziert
Frogger und
Ultima II: The
Revenge of the
Enchantress.
Roberta Williams
entwickelt das
Adventure King’s
Quest: Quest for
the Crown.
1984
1985
Die Nachfrage wird
gröSSer: King’s Quest
III: To Heir Is Human
und Space Quest: The
Sarien Encounter
erscheinen-
1986
Schon ein Jahr später erscheint der
Nachfolger King’s
Quest II: Romancing
the Throne.
1987
Noch mehr Fortsetzungen (Police Quest II:
The Vengeance, King‘s Quest IV: The Perils of
Rosella, Leisure Suit Larry Goes Looking
for Love (in Several Wrong Places), Police
Quest II: The Vengeance. Neu und düster:
Das Adventure Manhunter: New York.
1988
Al Lowe und Jim Walls betreten
mit Leisure Suit Larry respektive
Police Quest: In Pursuit of the
Death Angel die Bühne. AuSSerdem
erscheint in diesem Jahr Space
Quest II: Vohaul’s Revenge, und
Sierra verlegt den Sidecroller
Thexder.
1989
Fortsetzung folgt
Sierra erreicht seinen ersten Höhepunkt:
Codename: ICEMAN, The Colonel’s Bequest
von Roberta Williams, Hero’s Quest: So
You Want to Be a Hero, Hoyle’s Official
Book of Games, Leisure Suit Larry III: Passionate Patti in Pursuit of the Pulsating Pectorals, Manhunter 2: San Francisco und
Space Quest III: The Pirates of Pestulon.
RETRO GAMER 4/2013 | 11
die firmen-
archive
» Der Police Quest-Erfinder
hatte Anfangs keine Ahnung
von Computern … was
ihn nicht daran hinderte,
neben der Serie auch den
Spionagerthriller Codename:
ICEMAN zu schreiben.
» Für ganz korrekte Spieler: in Police Quest I mussten sich Spieler
strikt an die Vorschriften halten. Erst im weiteren Verlauf der Serie
weichte die Korrektheit zu Gunsten der Spielbarkeit auf.
» Als ich das erste Mal vor einem
Computer saß, musste man mir
zeigen, wo der Anschalter war. «
Jim Walls
sechs Monate seines Lebens vergeudet zu
haben, da zog die Mundpropaganda endlich
an. Larry wurde peu à peu zur Kultfigur,
bis Larry schließlich zu den bestverkauften
Sierra-Spielen gehörte.
Die zwei vom anderen Stern:
Space Quest
»S
ierra wurde schnell zum Hauptarbeitgeber der kleinen Städtchen Oakhurst und Coarsegold. In späteren Jahren arbeiteten bis zu 1.000 Angestellte bei der Softwarefirma.
» Leisure Suit Larry gab einer pubertierenden Branche, was
sie dringend brauchte: ein wenig Softsex und viel, viel
Humor. Al Lowes Larry-Abenteuer wurden von Mal zu Mal
stilvoller und gingen nur selten voll unter die Gürtellinie.
Mark Crowe und Scott Murphy waren ein
Gespann, dass sich gesucht und gefunden
hatte. 1986 arbeiteten sie erstmals gemeinsam an The Black Cauldron und entdeckten
schnell, dass sie ähnlich tickten. Mark, der
früher Grafiken für Disneyfilme gepinselt
hatte, bastelte nun Grafiken. Scott, der in
Sierras Packdienst angefangen hatte, war
zum Programmierer avanciert. Sie kamen
zum Schluss, dass Sierra eine Science-Fiction-Serie fehlte. Also programmierten sie
in weiteren Nachtschichten die ersten vier
Räume ihrer beginnenden SF-Serie. Dann
zogen sie in einem günstigen Moment
den ahnungslosen Ken Williams an den Bildschirm. Ken war von dem Ergebnis angetan
und gab den Startschuss für Space Quest:
The Sarien Encounter.
In den folgenden Jahren parodierte
das Gespann unter dem Namen „Two
Guys from Andromeda“ alles, was nicht bei
Drei auf dem Mars war. Weder Star Wars,
Star Trek, Terminator, Dune, Warner Bros
Cartoons, Ken Williams noch die VideospielIndustrie im Allgemeinen war vor ihrem
beißenden Humor sicher.
Police Quest
»A
l Lowe, der LarryErfinder, spielt ein
herrliches Jazz-Saxophon und betreibt eine
Witze-Website. 2013
kam sein gelungenes
Remake Leisure Suit
Larry Reloaded heraus.
12 | RETRO GAMER 4/2013
Als Roberta einmal zum Friseur ging, berichtetet ihr die Friseuse vom Schicksal ihres
Mannes Jim, der als Streifenpolizist bei der
California Highway Patrol arbeitete. Officer
Walls hatte bei einer Verfolgungsjagd einen
gesuchten Straftäter getötet. Der traumatisierte und inzwischen freigestellte Jim
drehte zuhause Däumchen. Ken traf sich
mit Jim und überredete ihn, ein Polizeispiel
zu machen. Jim willigte ein, es mal auszuprobieren. Doch gab es ein kleines Problem:
„Als ich das erste Mal vor einem Computer
saß, um die Story von Police Quest zu
schreiben, musste man mir zeigen, wo
der Anschalter war. Ich tippte die gesamte
Geschichte mit zwei Fingern. Das einzige,
was ich wirklich gut konnte, war Kriminelle
zu jagen und ins Gefängnis zu stecken“.
Police Quest: In Pursuit of the Death Angel
war die realistischste Sierra-Serie. Im ersten
Teil musste sich der Spieler akribisch an
die Vorschriften halten. Kein Wunder, dass
später manche Polizeidisktrikte das Spiel
einsetzten, um Kadetten auszubilden. Es
verkaufte sich nicht so gut wie die anderen
Quest-Serien, doch Ken gab dennoch den
Startschuss für weitere Teile.
Technisch ganz vorne dran
Mit ihrem mal großen, mal kleineren Erfolg
gingen King’s Quest, Space Quest, Police
Quest und Larry in Serie – und wurden
von Mal zu Mal umfangreicher. Kein
Wunder, denn Sierra schob, um mit der
Konkurrenz mithalten zu können, technisch kräftig an. Die King’s Quest-Serie
verdeutlicht das: Der erste Teil passte
auf eine Diskette, hatte CGA-Grafik (16
Farben) und Piepsound per Lautsprecher.
Der fünfte Teil, der 1990 erschien, passte
gerade so auf zwei CD-ROMs, besaß
VGA-Grafik mit 256 Farben, durchgehende
Sprachausgabe sowie einen kompletten
orchestrierten Soundtrack für Soundblaster
und Rolands Luxus-Modul MT-32.
Anfang der 90er erreichte Sierra
seine erste Blütezeit. Über 500 Mitarbeiter arbeiteten an Fortsetzungen der
beliebten Serien, an Edutainment-Spielen
und Lizenzprodukten. Wie es mit Sierra
weiterging, erfahrt ihr in der nächsten
Ausgabe von Retro Gamer – denn es ist
nur angemessen, die Serienkünstler in
zwei großen Artikel-Teilen vorzustellen.
Im nächsten Retro Gamer also lest ihr,
was es mit dem „Kettensägen-Montag“,
fliegenden Toastern und dem Zusatz „OnLine“ in „Sierra On-Line“ auf sich hat. Und
warum Ken und Roberta schließlich aus
ihrer Firma ausstiegen.
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» Moorhuhn hebt als
Werbespiel ab, später
wird der SimpelShooter zum Vollpreis
angeboten (Bild:
Moorhuhn 3 für GBA).
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Auf der Reise durch drei Spiele-Jahrzehnte
erreicht Retro Gamer die Jetztzeit:
Die deutsche Games-Industrie bringt ihre
Sturm-und-Drang-Zeit hinter sich und
schreitet gereift, mit international konkurrenzfähigen Marken und Know-how ins
neue Jahrtausend. Hinter neuen Logos
und Firmen stecken nicht selten erfahrene
Kreative, gleichzeitig schießen in München,
Hamburg und Berlin ehrgeizige Start-ups
aus dem Boden: Wir überblicken eine stark
fragmentierte Szene, die vom Flash-Spiel
für lau bis zur AAA-Produktion auf Blu-ray
die ganze Palette spielerischer und kaufmännischer Möglichkeiten abdeckt.
» Dank Koch
kommt das
PC-Abenteuer
Geheimakte
Tunguska 2008
auf die Wii.
14 | RETRO GAMER 4/2013
C
asual, nicht Hardcore beginnt das 21. Jahrhundert für
die deutsche Szene: Mit der
anspruchslosen ZielkreuzBallerei Moorhuhn, ursprünglich
ein Werbespiel und damit aus der
untersten Produktions-Schublade,
bastelt sich Neuer-Markt-Neuling
Phenomedia einen Publikumserfolg,
wie er wesentlich ambitionierteren
Made-in-Germany-Spielen in den
Jahrzehnten davor versagt bleibt.
Nicht nur PC-Nerds, sondern
viele Millionen Otto-Normal-User
vergnügen sich plötzlich mit deutschen Pixeln, die sich – auch das
ein Zeichen der Zeit – nicht primär
über den Fachhandel, sondern das
Internet verbreiten. Der Spaß kostet
nix, zumindest am Anfang. Das Geld
sammelt Phenomedia an der Börse
(im März 2000 stehen die Aktien weltweit ganz oben), bis herauskommt,
dass die Computerspiel-Wunderfirma
eine Mogelpackung ist: Der Chef wird
wegen Betrug und anderen Delikten
verurteilt, der Laden dichtgemacht.
Das Platzen der Dotcom-Blase
erwischt nicht nur Phenomedia,
sondern auch ehrbare Spielefirmen,
sodass diese Zeit viele Start-ups
auftauchen und wieder verschwinden
sieht. Etwa zeitgleich mit Phenomedia
geht Funatics unter, das Studio der
Blue-Byte- und Battle-Isle-Veteranen
Thorsten Knop, Thomas Friedmann
and Thomas Häuser.
Vorsprung durch Technik
Es geht auch anders: Solide statt auf
wackligen Hype-Bilanzen aufgestellt
sind nach 2000 die Top-Techniker der
deutschen Branche, die – im Gegensatz zu den meisten hiesigen Publishern – sogar auf dem anspruchsvollen Konsolensektor erfolgreich
agieren. Nach der Auswanderung
von Factor Five und dem Zerfall von
Neon sind FEB/VCC in Hamburg, die
Berliner Yager Development, vor allem aber das 1999 gegründete Studio
Crytek (siehe Kasten) die Stars der
Highend-Szene.
Effektgewitter und schnelle
Action – es sind weniger Spieldesign
oder neue Konzepte als herausragende Technik und starke Engines,
mit denen sich Deutsche und
Österreicher einen Namen auf dem
Weltmarkt machen. Gerne nützen
internationale Game-Boy-Entwickler
beispielsweise die Audio-Tools von
Shin'en aus München. Als offizielle
Nintendo-Lizenznehmer schreiben die
ehemaligen Amiga-Aktivisten außerdem Partikel- und Plasma-sprühende
Handheld-Ballereien wie Iridion 3D
(2001) und Nanostray (2005), die
sogar in Japan gefeiert werden.
Ebenfalls in München sitzt
Workflow-Spezialist NXN, der
internationale Game-Studios mit der
Alienbrain-Middleware beglückt (und
2004 vom US-Grafik-Konzern Avid
geschluckt wird). Populär ist auch die
schwäbische 3D-Engine Vision für
Windows-, Playstation- und Nintendo-, in der aktuellen Version auch
Wii-U-, Vita- und Android-Spiele. Den
deutschen Entwickler Trinigy und
seine Technik übernimmt 2011 die
Intel-Tocher Havok.
Die Mutterfirma des Spiele-Labels Deep Silver wird 1994 als Film- und Software-Verlag von Franz
Koch und Dr. Klemens Kundratitz in Höfen (Österreich) gegründet. Sie vermarktet erst Anwendungen,
dann verstärkt Edu-, Info-und Entertainment auf CD-ROM (etwa den belgischen Autobahn Raser),
Lexika und Kinder-Software, und schluckt dazu die Reste des englischen Publishers Europress. Die
Tochterfirma Deep Silver wird 2002 mit dem norwegischen MMO Anarchy Online gestartet und mit
eigen- und fremdproduzierten Action-, Strategie- und Rollenspielen wie X2: The Threat (2004) und
Gothic 3 (2006) weitergeführt. 2007 übernimmt Koch den Entwickler Games That Matter: Die ehemalige
Rockstar-Wien-Abteilung unter Gründer Hannes Seifert produziert das Wii-Adventure Cursed Mountain
(2009). Die wichtigsten Titel liefern weiterhin externe und unabhängige Studios, teils in osteuropäischen
Ländern. So entsteht Rush for Berlin (2006) bei Stormregion in Ungarn, während der Zombie-Schocker
Dead Island 2011 in Polen entwickelt und in 18 Monaten weltweit fünf Millionen Mal verkauft wird.
Made in germany, Teil 3
» Das Berliner
Team Yager
startet 2003 mit
der ersten XboxEntwicklung aus
Deutschland.
Eutin
Software 2000
1987 – 2001
Hamburg
Hamburg
Daedalic
Bigpoint
2007
2002
Hamburg
Hamburg
Fishlabs
Hamburg
2004
DTP
1995-2012 (Insolvenz)
Berlin
Frogster
2004 – 2009
» Hoch im Norden:
Fishlabs schafft als
Pionier schneller
Smartphone-Action
das fulminante
Galaxy on Fire 2
für AppStore
(und PC).
Gütersloh
Gütersloh
Ascaron
Magic Byte
1989 – 2009
1987 – 1999
Berlin
Mülheim a.d.Ruhr
Blue Byte
Düsseldorf
1988 – 2001 (verkauft)
Rainbow Arts
Mönchengladbach
1985 – 1995
Rondomedia
Köln
1998 (vorher Astragon)
RTL Interactive
Aachen
Ikarion
2007
1993 – 2001
Köln
Heusenstamm
Eschborn
bitComposer
2009
Frankfurt
CDV
Sunflowers
1993 – 2007
1994 – 2010
Frankfurt
Neon Studios
Frankfurt
Crytek
1993 – 2005
» Stark im Süden: Mit
Iridion-Scrollern
macht sich Shin'en
in der Shmup-Welt
einen Namen, den die
Münchner mit Nano
Assault auf 3DS und
Wii U verteidigen.
Frankfurt
1999
Worms
Kalypso Media
2006
Darmstadt
10tacle
2003 – 2008
Karlsruhe
Karlsruhe
Gameforge
Topware AG
2003
1995 – 2011
Unterföhring (bei München)
München
Pro7Sat.1 Games
UIG
Attic
1989 – 2001
2009
2005
Albstadt
München
München
Koch (Deep Silver)
Ravensburger
Interactive
2009
1994
München
München
Morphicon
2004
United Soft Media
(USM)
München
1994
Schladming
Max Design
1991 – 2004
Rottenmann
Jowood
1995 – 2011
RETRO GAMER 4/2013 | 15
Wien
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ller
» Programmierteams in
Osteuropa beliefern die
deutschen SoftwareVerlage: Deep Silver
produziert das polnische
Dead Island, ebenso wie
Stalker- und Metro-Spiele
aus der Ukraine.
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Jahre
Gute Verbindung
in alle Welt
Bis zur Insolvenz im April 2012 ist der „digital tainment pool“ für ein paar
Jahre unser umtriebigster Software-Hersteller. 1995 von Thomas Baur gegründet, produziert dtp für die Verlage Burda und Focus, übernimmt das mit
Egmont gegründete Spiele-Label Shoebox und wird 1999 zur AG. Nach diversen PC-Titeln, darunter dem ersten Gothic, veröffentlichen DTP und das bis
2008 bestehende Adventure-Label Anaconda auch Spiele für Xbox-, Playstation- und Nintendo-Konsolen. Den Handelsspiel-Experten 4Head übernimmt
dtp 2007 und benennt ihn in Cranberry Production um; die Hannoveraner
produzieren unter anderem die Black Mirror-Adventures für Anaconda.
Geschluckt werden ein MMO-Studio in Singapur und der Bremer AdventureExperte House of Tales, der mit dem Psycho-Thriller Overclocked sein Meisterstück liefert, aber danach zerfällt. Auf dem Nintendo DS renoviert dtp 2009
mit Programmierer Armin Gessert dessen 80er-Jahre-Jump-and-run Giana
Sisters und erhält dafür den Deutschen Computerspielpreis als bestes Mobilspiel. Fürs DS setzt dtp auch die düsteren Emily the Strange-Mädchenbücher
um. Letzte Erfolge sind die Drakensang-RPGs von Radon Labs, die heute
Online-Spezialist Bigpoint als Free-to-play-Abklatsch weiterführt.
Deutsche Programmierer mit guten
Kontakten nach Japan erkennen früh
das Potenzial von Handys als Spielgeräten: Noch vor dem SmartphoneDurchbruch startet Living Mobile in
München mit monochromer WAPUnterhaltung, dann konvertieren
die Gründer alte 8-Bit-Konzepte des
japanischen Partners Hudson und
ihrer eigenen 80er-Jahre-Firma BBG
(siehe Made in Germany Teil 1), und
schließlich folgen aktuelle Marken
wie Autobahn Raser. 2005 schluckt
und integriert Disney diesen Entwickler. Ein Jahr davor und gut 600
km nördlich debütiert ein Studio, das
sich ganz auf die leistungsfähigsten
Handys, die ersten Java-, BREW- und
Symbian-Smartphones, konzentriert:
Fishlabs in Hamburg produziert
3D-Renn- und Action-Titel für THQ
und den US-Mobilspiel-Marktführer
Glu und baut mit Galaxy on Fire eine
eigene 3D-Weltraum-Action-Marke
auf, die bis heute zum grafisch und
spielerisch Besten zählt, was in Appund Android-Stores herumfliegt. Die
internationale Kritik sieht das ähnlich:
Fishlabs ist fürs Handy-Zeitalter in
etwa das, was für den Amiga Rainbow Arts war.
Vom Brett ins Netz
Am anderen Ende des kreativen
Spektrums, weit weg von Algorithmen, Code und harter IT, stehen die
Designer traditioneller Gesellschaftsspiele. Holz- und Pappe-, Brett-, Karten- und Würfel-Spiele aus deutscher
Produktion genießen seit jeher hohes
Ansehen, nicht zuletzt in angloame-
rikanischen Ländern. Die BrettspielTraditionalisten nähern sich nun den
neuen Medien und finden ein vielfach
vergrößertes Publikum für ihre
durch Sound und Animation, KI- und
Online-Gegner modernisierten und
erweiterten Konzepte. Ravensburger
betritt den PC-Markt als Lizenzgeber
und lässt 1998 ein digitales Scotland
Yard von den französischen PixelKünstlern Cryo produzieren. Ein Jahr
später gibt Ravensburger die PCFassung des Tischspiel-Phänomens
Die Siedler von Catan von Klaus Teuber bei Funatics in Auftrag und startet
2001 ein reines Computerspiel-Label,
Fishtank.
Schon das C64-Kaiser kam
aus der Brettspielecke (mit beigelegtem Spielplan und 100 Steinen); im
21. Jahrhundert sind es nicht zuletzt
Designprofis ohne IT-Background
und Technik-Faible, die auf dem
deutschen Computerspiele-Sektor
auftrumpfen. Ein frühes Beispiel ist
der strategische Klötzchenbau Torres
von Wolfgang Kramer und Michael
Kiesling (Brettspiel des Jahres 2000),
von Radon Labs umgesetzt. Ein
jüngeres Beispiel ist das 2012 veröffentlichte Das Verrückte Labyrinth HD.
Das prominenteste Beispiel für den
Schulterschluss zwischen deutschem
Brett- und Software-Design ist neben
Catan das erst kürzlich für iPad per
Riesen-Patch erweiterte Carcassonne
von Klaus-Jürgen Wrede. Ironischerweise lassen Ravensburger und
Koch Carcassonne anfangs nicht in
Deutschland, sondern in der Ukraine
umsetzen, während das Xbox-Debüt
in die Hände von Sierra gelegt wird.
Erst mit der Nintendo-Fassung von
» Verbeugung vor der Vergangenheit:
Nach 22 Jahren kehren die Giana
Sisters zurück. Ihr Schöpfer Armin
Gessert stirbt 2009 und erlebt den
Erfolg des Sequels Twisted Dreams
2012 nicht mehr.
» Spellbound, nicht Piranha
Bytes, inszeniert 2010 das
vierte Gothic. Die Fans der
Serie sind wenig begeistert.
»R
isen 1 und 2 (Bild) führen die Gothic-Serie „im Geiste“ fort.
16 | RETRO GAMER 4/2013
Made in germany, Teil 3
» Hardwarehungrig, groß, komplex und glaubwürdig:
das RPG Gothic (2001).
2009 dürfen sich hiesige Entwickler
– in diesem Fall die Ariolasoft-Veteranen Independent-Arts im westfälischen Hamm – an der preisgekrönten
Marke versuchen. Carcassonne wird
auch zum frühen App-Store-Erfolg:
Hinter die iOS-Version klemmt
sich ein Team Apple-begeisterter
Studenten, die sich unter dem Motto
„Brettspiele sind unsere Leidenschaft“ als die Code Monkeys zusammenschließen und mit Lost Cities
danach ein Kartenspiel von Reiner
Knizia umsetzen. Auch Knizias Keltis:
Der Weg der Steine sowie weitere
seiner Brettspiele finden den Weg auf
Nintendo-Handheld und iOS.
Verliebt in Berlin
Während es in den ersten beiden
Made-in-Germany-Dekaden aus der
Hauptstadt noch nicht viel zu berichten gab, wird der Großraum Berlin
im 21. Jahrhundert zu einem Hotspot
der deutschen Game-Entwicklung.
Trendsetter ist, gegründet noch in
den 90er Jahren, das Software-Labor
Terratools in Potsdam, dessen erstes
Spiel Urban Assault Microsoft als
Publisher gewinnt. Terratools hält nur
ein paar Jahre durch, erweist sich
aber als Wiege vieler Talente und
unabhängiger Teams. Radon Labs ist
eine solche Nachfolgefirma, TechnikChef André Weißflog der einzige
erfolgreiche Spielprogrammierer mit
DDR-Vergangenheit, den wir für diese
Artikelserie ausfindig machten.
» International meist
ignoriert, setzen
deutsche Entwickler gekonnt das
Adventure-Genre fort.
Rechts: Harveys neue
Augen (2012) von
Daedalic.
Wie viele User auf der
kommunistischen Seite des eisernen
Vorhangs startet Weißflog nicht auf
C64 oder Amiga, sondern auf Rechnern des Büromaschinen-Kombinats
Robotron. Nach Terratools’ Urban
Assault codet sich Weißflog durch die
ganze Palette deutscher Produktionen, programmiert Verliebt in Berlin
für Windows und liefert die Engine
für Reit-, Tier- und Hof-Simulationen,
wie sie ab 2005 in Mode kommen.
Mittlerweile ist er vom Casual- ins
Hardcore-Lager zurückgekehrt,
leitet die Programmierung der DSAbasierten Drakensang-Rollenspiele
und aktuell die Online-Fassung von
Bigpoint.
Mit Das Schwarze Auge
kommen wir beim Lieblingsthema
hiesiger Entwickler und Spieler, das
gleichzeitig – siehe unsere Reportagen über die 80er und 90er Jahre
– ein kostspieliges Problemkind der
Branche ist. Deutsche RPG-Studios
mussten fleißig üben und Durststrecken überstehen, bevor sie in der
dritten Dekade endlich den Durchbruch schaffen und eine internationale Ernte einfahren. Als Paradebeispiel
für gereiftes und dennoch ehrgeiziges
Rollenspiel-Design erscheinen 2001
Gothic und bereits ein Jahr später
ein enorm aufgebohrter Nachfolger
– zwei Epen, die Fantasy-Tradition in
die Hardware-Gegenwart übersetzen
und Solohelden durch eine glaubwürdige 3D-Welt mit flexiblen Missionen
und vielfältige Interaktionsmöglichkeiten schicken.
Rollenspielern, denen angesichts moderner 3D-Beschleunigung
schwindelt, schwören auf Ascarons
(vormals: Ascon) Action-RPG namens
Sacred, das sich mit isometrischer
Architektur an US-Klassikern wie Diablo orientiert. Die Fortsetzung Fallen
Angel ist 2008 das letzte Werk der in
der Retro Gamer 3/2013 porträtierten
Firma von Holger Flöttman, die im
gleichen Jahr zum zweiten Mal, und
diesmal endgültig, dichtmacht.
Firmenpleiten sowie Gerangel um Namensrechte bleiben eng
mit der deutschen RPG-Evolution
verbunden. Piranha Bytes gerät nach
der Gothic-Premiere in den Insolvenzstrudel der Mutterfirma Phenomedia;
zeitweise sieht’s nicht gut aus für die
gefeierten Rollenspiele. Die Gründer
kaufen sich 2002 frei, reanimieren
» Ein Open-World-Paradies für Action-Gourmets: Mit Far Cry und
hauseigener Technik ballert sich Crytek auf den Weltmarkt.
Unsere Made-in-Germany-Karten zeigen nur Publisher, und
nur diesen widmen wir Porträt-Kästen, nicht Entwicklerstudios. Doch Crytek, von den Brüdern Faruk, Avni und Cevat
Yerli gegründet, ist nicht nur international längst eine Macht,
mit mehr Einfluss auf Veröffentlichungs- und Markenpolitik
als andere deutsche Studios. Crytek beginnt auch mit der
Eigenvermarktung von iOS-Spielen (2012) und will 2013 mit
dem futuristischen F2P-Ballerspiel Warface selbst zum
Publisher (auch für Drittfirmen) werden.
Berühmt ist und bleibt Crytek für ihre Highend-Technik,
die auf den leistungsstärksten DVD-Plattformen zum Einsatz
kommt. Erstmals zeigen die Yerlis die CryEngine 2004 im
Piranha Bytes als Label und basteln
– als sie ihre Marke 2007 für mehrere
Jahre an Jowood abgeben müssen – eine neue RPG-Welt. So erhält
Gothic 3 kurioserweise zwei verschiedene Fortsetzungen: Während
Piranha Byte die Serie 2009 mit Risen
werksgetreu, aber im neuen Szenario weiterführt, beauftragt Jowood
Spellbound (die Firma des RainbowArts- und Blue-Byte-Veteranen Armin
Gessert) mit Arcania: Gothic 4 (2010).
Letzteres ist zwar die offizielle, aber
auch klar schlechtere Fortsetzung.
Die Terratools-Abspaltung
Radon Labs geht während der
Fertigstellung der Drakensang-Fortsetzung bankrott und wird 2010 vom
Browserspiel-Hersteller Bigpoint aufgefangen. Heute arbeiten Weißflog
& Co. an Drakensang Online, einem
Free-to-play-Online-Spiel, das lose
auf dem Vorgänger basiert, aber
» Zu Millionensellern mausern
sich simple
Fahrzeug-Sims wie
LandwirtschaftsSimulator von
Giants.
Südsee-Egoshooter Far Cry, den Ubisoft vermarktet, und
lizenzieren sie an MMORPG-Major NC Soft. 2006 gibt Crytek
Far Cry an Ubisoft ab und wechselt den Partner, sodass die
DirectX10-optimierte CryEngine2 in einem EA-Spiel debütiert:
Der technische Vorsprung, den US-Shooter-Platzhirsche wie
id Software vor Euro-Programmierern haben, schmilzt im
FX-Gewitter des Science-Fiction-Feldzugs Crysis und dessen
zwei Fortsetzungen. Crytek übernimmt 2008 ein Studio in
Bulgarien sowie 2009 die Reste des britischen Entwicklers
Free Radical Design, eröffnet Büros in Shanghai, Seoul,
Istanbul, in der Ukraine und in Texas, und beschäftigt heute
fast 800 Mitarbeiter, davon etwa die Hälfte bei Frankfurt.
RETRO GAMER 4/2013 | 17
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Jahre
» Die Blüte der DSARollenspiele heißt
Drakensang – doch
Radon Labs ist nach
Teil 2 pleite.
ohne Regeln und Namen von Das
Schwarze Auge auskommen muss.
RPG mit Strategiespiel mischt
2003 Meisterdesigner Volker Wertich
mit seinem Phenomic: SpellForce:
The Order of Dawn ist 2003 Auftakt
einer bis heute fortlaufenden FantasySerie, die Jowood vermarktet. 2006
wird Phenomic zur EA-Tochter und
bringt 20011 die Browser-Schlacht
Lord of Ultima ins Netz, die mit
Origins Ultima-Universum bis auf das
Logo nicht das Geringste zu tun hat.
Die Spellforce-Entwicklung wird von
Ingelheim nach Indien outgesourct,
nach dem Jowood-Bankrott wandern
die Rechte in schwedischen Besitz.
Digitale Denkmalpflege
2012 bastelt Phenomic an einer
Free-to-Play-Variante von Command
& Conquer für Steam-Konkurrenten
„Origin“. Hiesige Profis kümmern sich
gern um in Ehren ergraute Spielkonzepte aus aller Welt. Fürs Nintendo
DS renoviert 10tacle 2007 das USPuzzle Dash, RTL ein Jahr später den
japanischen Tüftel-Klassiker Sokoban.
2012 produzieren Peter Ohlmann
(früher bei Blue Byte) and Robert
Andreas Drude (Ex-Ascaron) als Core
Design für bitComposer ein Remake
des Taktik-Rollenspiels Jagged
Alliance von 1995; ein Stand-aloneAdd-on folgt. Noch sechs Jahre älter
ist das französische Taktik-ActionWerk North & South, ursprünglich
ein Amiga-Spiel, das bitComposer im
gleichen Jahr aufs iPad bringt.
Armin Gessert, der Ende der
80er Jahre der deutschen Szene mit
Giana Sisters einen Hit spendierte,
Der Name des 2003 gegründeten Computerspielverlags erweist sich als prophetisch: Wie die Tentakel eines Monsters wuchert das Unternehmen von Michele
Pes in den folgenden Jahren um den Globus. 10tacle hat vor allem Rennspiele im
Angebot, als es ein Jahr nach Gründung den Entwickler Reakktor (Hannover),
2005 das belgische Studio Elsewhere und 2006 den englischen Entwickler Blimey!
übernimmt sowie ein Studio in Singapur eröffnet. Durch Börsengang mit frischem
Geld versorgt, kauft 10tacle 2007 den ungarischen Entwickler Stormregion und
investiert in Nintendo-DS-Spiele (Boulder Dash, Panzer Tactics). 2008 endet die
Expansion mit dem Börsenabsturz: Pes schimpft auf sein slowakisches Studio
und sagt die Übernahme der Berliner The Games Company ab. Nach der Pleite
bilden ehemalige 10tacle-Kreative auf eigene Faust Nachfolgefirmen: Das Bratislava-Studio unter Ex-Sunflowers-Entwicklungschef Jürgen Reußwig formiert
sich als Games Distillery (aktueller Titel: Citadels), aus den belgischen Resten wird
2008 Fishing Cactus, aus Blimey! entstehen die Slightly Mad Studios, die seitdem
Shift-Rennspiele für EA entwickeln.
nimmt die Handheld-Neuauflage mit
seinem Spellbound-Studio selbst
in die Hand. Der 8-Bit-Pionier erlebt
noch die Auslieferung von Giana
Sisters DS, aber nicht mehr die Veröffentlichung der iOS-Fassung 2010: Er
stirbt Anfang 2009, erst 46 Jahre alt.
Renaissance der Abenteuer
Der 80er- und 90er-Jahre-Tradition
verpflichtet fühlt sich auch die
Gemeinde deutscher AdventureEntwickler, die im 21. Jahrhundert
aufblüht. So wechselt ein Frankfurter
Start-up ein Jahr nach der Gründung seinen Namen in Deck13 und
das Kerngeschäft von moderner
3D-Kriegsführung auf klassisches
Point-and-click-Adventure. Auf drei
Ankh-Spiele (ab 2005), die einen
jugendlichen Helden durch die
Pharaonen-Zeit scheuchen, folgt 2007
das Freibeuter-Abenteuer Jack Keane.
Beide Serien rendern die Spielwelt in
3D, aber nicht fotorealistisch, sondern
cartoonhaft verzerrt, wie früher die
LucasArts-Abenteuer.
Letztere dienen heutigen
Adventure-Designern als Vorbild,
dessen Erbe nicht zu stehlen, sondern
zu pflegen ist. Um die klassische
LucasArts-Engine SCUMM zu ehren,
entsteht mit der Visionary-Engine ein
Windows-Autorensystem. Ursprünglich nur für Freeware-Hobbyisten
und die Macher von Fan-Adventures
(etwa Zak McKracken Between
Time & Space, 2008) gedacht, wird
Visionary ab 2010 auch von den
Profis bei Daedalic Entertainment
genutzt, die damit Abenteuer mit
liebevoll handgemalter Grafik und
viel Witz produzieren. Darunter sind
» Mit deutscher Hilfe macht
EA aus dem WestwoodKlassiker Command &
Conquer ein F2P-Spiel
namens C&C: Tiberium
Alliances.
» Noch ohne hochauflösende Grafik startet 2004 das
historische RessourcenSpiel Travian.
Hits wie Edna bricht aus (2008) oder
das ernsthaftere Pixel-Märchen The
Whispered World. Neben einigen
anderen Werken schafft Daedalic Das
Schwarze Auge: Satinavs Ketten (kein
RPG, sondern ein reinrassiges GrafikAdventure, das bald mit Memoria
eine Fortsetzung erhält) sowie Chaos
auf Deponia, das den Deutschen
Computerspielpreis »Bestes Spiel
2013« einheimst. Auf Konsole schaffen es leider nur die wenigsten Madein-Germany-Adventures, darunter
zumindest der nostalgische Thriller
Geheimakte Tunguska, der 2008 von
Deep Silver für DS und Wii ausgeliefert wird. Ebenfalls archäologisch
und pseudo-historisch ausgerichtet
sind die Abenteuer, die Independent
Arts für Pro7 entwickelt, etwa Galileo
Mystery – Die Krone des Midas (2009)
und Der Fluch der Osterinsel (2010).
Schnelle Action, Rollenspiel,
Adventures – war Deutschland
nicht auch berühmt für seine zivilen
Simulationen? Das trifft auch im
dritten Jahrzehnt noch zu, wobei sich
zu Aufbaustrategie und taktischem
Management mit den NutzfahrzeugSimulationen eine neue Genrevariante gesellt. Spezialisierte Firmen wie
Aerosoft, UIG, die Schweizer Giants
Software oder TML Studios in Erfurt
liefern regionale und historische
Szenarios für US-Simulationen, dann
bald auch eigenständige Omnibus-,
U-Bahn- und Kehrmaschinen-Programme, die sich, zum Entsetzen der
Hardcore-Fachpresse, erschreckend
gut verkaufen. Mit seinen jüngsten
Versionen stößt der LandwirtschaftsSimulator von Giants und Astragon
in Sachen Verkaufserfolg in die Regi-
» Mit Die Siedler Online
(2010, Bild) und Anno Online
(2013) verwandelt Ubisoft
die zwei größten deutschen
Serien in Browser-Spiele.
onen von Anno und Die Siedler vor,
den stärksten deutschen AufbauspielMarken für Datenträger.
Kostenlos, aber nicht billig
Wir haben die letzte Aussage im vorigen Absatz bewusst auf physische
Medien beschränkt, denn bei den
Browsergames, dem jüngsten Spross
der Computerspiel-Evolution, ist man
längst bei achtstelligen Spielerzahlen
angekommen „Free to play“ und
„Freemium“ (man bezahlt nicht das
Spiel, sondern virtuelle Güter und
Zusatzleistungen) werden für junge,
aber auch ein paar alteingesessene
Unternehmen ab 2010 zum wichtigen
Marktsektor. Und das hat Gründe:
Der Entwicklungsaufwand der Flashund Java-Programme ist überschaubar, die potenzielle Reichweite enorm.
Diese Computerspiel-Gattung ist wie
geschaffen ist für die deutsche Szene,
die sich vor allem durch technische
Kompetenz und kaufmännisches
Selbstbewusstsein auszeichnet.
Ähnlich wie bei App-StoreSpielen ist die Online- und BrowserSzene extrem zerklüftet: Ambitio­
nierte Hobbyisten produzieren
und vermarkten Browser-Spiele
im Alleingang, ebenso einige der
größten Software- und Medienfirmen
Deutschlands. Die Unternehmen,
die Anfang des 21. Jahrhundert in
diesem Bereich frisch starten (in
Hamburg, München und Berlin –
nicht in Gütersloh, Aachen oder dem
Ruhrpott), wachsen schwindelerregend, viel schneller als traditionelle
Publisher der 80er und 90er Jahre.
Einer der Platzhirsche und
Trendsetter ist Bigpoint (siehe Kas-
ten), andere sind die Gameforge AG,
die nach der Übernahme des Berliner
Mitbewerbers Frogster auf 600 Angestellte wächst und mehrere Dutzend
Online- und Mobil-Titel im Angebot
hat. Auch die Innongames GmbH
ist zu nennen, die von den Brüdern
Eike und Hendrik Klindworth zur
Vermarktung ihres Strategie-Spiels
Die Stämme 2007 gegründet wird
und heute über 200 Mitarbeiter beschäftigt. Ebenso viele Game-Profis
arbeiten für Travian, dem Hersteller
der gleichnamigen Antik-AufbauSimulation, an den Standorten Köln,
Mainz, Hamburg und in der bayrischen Zentrale.
Die Free-to-play-Firmen bringen viele neue Namen und junge Talente in die Branche: Programmierer,
Grafiker und Designer, für die Flash
und Java die ersten Plattformen ihrer
Karriere sind. Auch Jahrgänge neuer,
Game-spezifischer Studiengänge
und Ausbildungsstätten wie der 2000
eröffneten Games Academy in Berlin,
sind in die Branche eingesickert.
Was machen sie heute?
Blicken wir zum Abschluss unserer
dreiteiligen Made-in-Germany-Serie
zurück auf die Profis und Veteranen
der ersten beiden Dekaden: Einige
Adventure-Pioniere wie Karsten
Köper und Guido Henkel haben die
Branche verlassen – wobei Letzterer
mit dem gescheiterten KickstarterProjekt Thorvalla und aktuell mit
Deathfire ein Comeback anstrebt.
Andere 8- und 16-Bit-Größen sind in
führender Stellung fortgesetzt aktiv.
Kingsoft-, Rainbow-Art- und AriolaVeteranen wie Wertich, Thierolf,
Die von Heiko Hubertz 2002 gegründete Firma steht
hier stellvertretend für ein Dutzend international
erfolgreicher Hersteller von Online- und Browser-Spielen, die während der letzten Dekade in Deutschland
entstehen und nicht mit Schachtel-, sondern IngameVerkäufen Umsatz machen. Noch unter anderem
Namen debütiert Bigpoint mit Eishockey-, F1- und Fußball-Managern. 2006 steigt Internet-Provider 1&1 in das
Unternehmen ein, das sich ein Jahr später umbenennt
und für angloamerikanische Finanzinvestoren öffnet.
Stock, Holger Flöttmann, Teut Weidemann, Frank Matzke und Erik Simon
leiten im 21. Jahrhundert entweder
eigene Studios oder Niederlassungen
oder sind als Berater aktiv. Andere
werkeln eher im Hintergrund, wie
C64-Primus Manfred Trenz, der zum
Handheld-Spezialisten wird, und
Deck13s Ankh (aber auch Germany’s
Next Topmodel) auf Nintendo DS
bringt. Das aktuelle Werk seines
Rainbow-Arts-Kollegen (und ehemaligen Xbase-Moderators) Andreas von
Lepel kann man als Freeze in App-,
Android- und Amazon-Store kaufen.
Wer um 1990 Amiga und
Mega Drive spielte, der erinnert sich
auch an Erwin Kloibhofer. Der Österreicher, ehemals in Diensten von Thalion, dann Psygnosis, programmiert
für Sproing Interactive in Wien und
bringt auf eigenes Faust ein kosmisches MMO-Strategiespiel ins Netz:
Cosmicsupremacy. Rainer Reber, der
Ende der 80er Jahre mit dem AmigaAtomino startet, mobilisiert Anfang
des 21. Jahrhunderts Klassiker wie
Wizardry und Acclaims Extreme G
und holt für Deep Silver das Tunguska-Abenteuer auf DS. Seinem alten
Blue-Byte-Kollegen Marcus Pukropski
und dessen Sidequest-Studio in
Mainz hilft er 2007 bei der Entwicklung von Söldner-X: Himmelsstürmer,
das horizontal-scrollende BallerKlassik à la R-Type auf moderner
PC-Technik feiert. Vermarktet wird
der Partikel- und Bullet-sprühende
Windows-Shooter von Eastasiasoft
in Hong Kong, einer Gründung des
Österreich-Auswanderers Thomas
Wiesinger, ebenfalls Ex-Blue-Byte.
Für Ende 2013 zur Veröffentlichung geplant, belebt mit Battle Isle:
Threshold Run der Blue-Byte-Gründer
Thomas Hertzler seine berühmte
Saga für iOS wieder. KingArts’
Rundentaktik-Spiel Battleworlds: Kronos ist gerade auch im Entstehen – es
ist ganz klar von Battle Isle inspiriert.
Keine Frage: Ohne Albion-, BattleIsle- und Siedler-Veteranen wäre
die Spielewelt des 21. Jahrhunderts
ärmer.
» Aus dem Hobby der
Brüder Eike und Henrik
Klindworth (1. und 2.
v. r.) wird die Innogames
GmbH, die heute EAVeteran Dr. Gerhard
Florin im Vorstand hat.
2010 startet Bigpoints US-Niederlassung, im gleichen
Jahr wird der bankrotte Rollenspielentwickler Radon
Labs und dessen Marke Drakensang übernommen,
sowie 2011 das US-Studio Planet Moon geschluckt.
Bald produzieren und vermarkten 800 Mitarbeiter gut
50 Online-Spiele. Branchenüblich folgt auf das aggressive, internationale Wachstum eine ruppige Konsolidierung (2012), die das Aus für knapp 100 Hamburger
Mitarbeiter sowie aller kalifornischen Entwickler
bedeutet; Hubertz verlässt das Unternehmen.
Einige Screenshots und Fotos von Maniac.de/Cybermedia & Gameplan.de
»D
ass Tom Clancy's EndWar in der PSPFassung dem Klassiker Battle Isle ähnelt,
ist kein Zufall: Designer dieser Version ist
Blue-Byte-Gründer Lothar Schmitt.
»N
eue Vermarktungsmodelle und Wege:
Bigpoints Taktik-Abenteuer Seafight beginnt
als 2006 kostenloses
Browser-Spiel.
RETRO GAMER 4/2013 | 19
K L A SSIK E R- CH ECK
» speedball 2: brutal deluxe
Von Mick Schnelle
» Ein recht agiler Jäger, leicht
übermotorisiert.
» Im Sturzflug muss der Angriffswinkel genau stimmen.
»H
auptsache die Maschine
ist beim Abwurf horizontal
ausgerichtet.
20 | RETRO GAMER 4/2013
Q
uizfrage: Welcher Archäologe
hat George Lucas und Steven Spielberg im Jahr 1988
abheben lassen? Wer jetzt auf
Doktor Jones tippt, liegt kräftig daneben.
Zwar hat auch der hier gesuchte Wissenschaftler Grabungserfahrung in diversen
Ländern, aber als Grabräuber wird Larry
Holland nur selten bezeichnet. Und
anders als Indy gibt es den passionierten Hobbygärtner wirklich. 1988 war er
zudem bei Lucasfilm auf der berühmten
Skywalker Ranch beschäftigt. Als Spieleentwickler schuf er damals die erste von
drei legendären Flugsimulationen. Ihr
Name: Battlehawks 1942.
Wie aus dem diplomierten Altertumsforscher ein Spieleentwickler wurde,
ist heute den Nebeln der Geschichte kaum
mehr zu entreißen. Fakt ist, dass der Com­puterautodidakt bereits vor 1988 im digitalen Business tätig war. Er setzte Videospiele wie Super Zaxxon für Heimcomputer um
oder adaptierte die Musik von Bard’s Tale
2 und 3. Für LucasArts, die damals noch
Lucasfilm Games hießen, wagte er sich
das erste Mal an eine Flugsimulation, die
zwar kein Megaerfolg wurde, aber doch
zwei Nachfolger gebar: Auf Battlehawks
1942 folgte das deutlich aufwendigere Their
finest Hour, das den Luftkrieg um England
zum Thema hatte, und Secret Weapons
of the Luftwaffe. Zu Letzterem gab es
sogar mehrere Erweiterungen mit neuen
Flugzeugen. Doch Larrys Simulationen
blieben nicht auf den Zweiten Weltkrieg
beschränkt. Bei seinem Arbeitgeber George Lucas lag das Thema Star Wars nahe.
Und während X-Wing noch unter ein paar
Kinderkrankheiten wie unklar formulierten
Missionszielen litt, katapultierte sich der
davon befreite Nachfolger TIE Fighter in
den Simulationsolymp und gilt bis heute
als eine der besten Raumflug-Simulationen.
Mister Spielberg war seinerzeit ein
großer Fan der Pazifiksimulation. Nur war
ihm die Amiga-Version ein klein wenig zu
ruckelig. Wie praktisch, wenn der Chef des
Entwicklers ein guter Freund ist. Und so
entstand eine speziell an Steven Spielbergs
aufgemotzten Amiga angepasste Version.
Ob diese Fassung den Ansprüchen des
Filmregisseurs entsprach, ist leider nicht
überliefert. Diese Version wurde auch
nie offiziell veröffentlicht. Wahrscheinlich
lagert sie bei der amerikanischen Post,
direkt neben der Bundeslade. Doch noch
ein anderer Promi sollte von Battlehawks
profitieren. Chris Roberts gestand später
ein, dass er Battlehawks 1942 genau analysierte, um die allererste Engine von Wing
Commander zu programmieren.
» Extrem wendig mit ausgezeichneter Steigrate.
» Die Val-Bomber sind
etwas träge.
» Im Jahr 1942 der fortschrittlichste Torpedobomber.