Ausbildung und Leben in München

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Ausbildung und Leben in München
Landeshauptstadt
München
Referat für Arbeit
und Wirtschaft
Ausbildung und Leben in München
Studie über die Lebenssituation der von außerhalb
Oberbayerns zur Berufsausbildung nach München
kommenden Jugendlichen
Landeshauptstadt
München
Referat für Arbeit
und Wirtschaft
Herzog-Heinrich-Str. 20
80336 München
Telefon (089) 233 25156
Telefax (089) 233 25090
[email protected]
Ausbildung und Leben in München
Studie über die Lebenssituation der von außerhalb Oberbayerns zur Berufsausbildung nach
München kommenden Jugendlichen
Landeshauptstadt München
Referat für Arbeit und Wirtschaft
Kommunale Beschäftigungspolitik und Qualifizierung
Dr. Anneliese Durst
Robert Hanslmaier
Veröffentlichung des
Referates für Arbeit und Wirtschaft
April 2003, Heft Nr. 145
Vorwort
In München bestand in den vergangenen Jahren eine hervorragende
Situation am Ausbildungsstellenmarkt. Rein rechnerisch gab es deutlich mehr freie Ausbildungsplätze als Bewerbungen. So erfreulich diese
Situation aus Sicht der Jugendlichen war, so schwierig war es gleichzeitig für viele Münchener Betriebe, für ihre Ausbildungsplätze geeignete Bewerber/-innen zu finden. Nicht nur im Handwerk blieben zahlreiche Ausbildungsplätze unbesetzt. Da die Summe der zu vergebenden Ausbildungsplätze die Zahl der Münchener Schulabgänger/-innen
deutlich überstieg, fanden beispielsweise auch viele Arzt- bzw. Zahnarztpraxen und Einzelhandelsbetriebe keine Auszubildenden mehr. Angesichts zu weniger
einheimischer Bewerber/-innen greifen Münchener Betriebe seit einigen Jahren zunehmend
auf auswärtige Jugendliche zurück. Allein durch die Berufsberatung werden pro Ausbildungsjahr ca. 2.000 Jugendliche von außerhalb Bayerns zur Berufsausbildung nach München
vermittelt. Die genaue Zahl der von auswärts kommenden Jugendlichen ist nicht bekannt, da
viele ohne Einschaltung des Arbeitsamtes einen Ausbildungsplatz in München finden. Auch
trotz des inzwischen auf dem Münchener Ausbildungsstellenmarktes spürbaren Drucks der
wirtschaftlichen Entwicklung zieht es weiterhin zahlreiche Jugendliche von auswärts zur Berufsausbildung nach München. Zwar ist die Zahl der noch offenen Ausbildungsstellen rückläufig, aber nach wie vor haben viele Betriebe Probleme, geeignete Jugendliche zu finden.
Trotz der großen Zahl der von auswärts kommenden Auszubildenden konnten bislang über
ihre Lebenssituation kaum Angaben gemacht werden konnten. Eine Recherche des Referats
für Arbeit und Wirtschaft ergab, dass für diesen Bereich keine verlässlichen Daten vorliegen.
Schon die Frage, ob die Jugendlichen direkt im Anschluss an ihre Schulausbildung nach
München kommen oder ihre Heimat infolge hoher regionaler Jugendarbeitslosigkeit erst
nach verschiedenen Warteschleifen verlassen, konnte nicht beantwortet werden. Auch ihre
Altersverteilung - eine wichtige Größe bei der Konzeption von Betreuungsangeboten - war
nicht bekannt. Ebenso war weitgehend unklar, wie sich die Integration der Auszubildenden in
München gestaltet.
Dies war der Ausgangspunkt für die vorliegende Untersuchung. Das Referat für Arbeit und
Wirtschaft hat in einer empirischen Studie die Lebenssituation der von auswärts kommenden
Jugendlichen erhoben. Am Beispiel Münchens wird untersucht, wie Jugendliche damit zurecht kommen, wenn sie zur Berufsausbildung in eine neue Stadt ziehen. Die Ergebnisse ermöglichen erstmals ein umfassendes und detailliertes Bild darüber, wie es den jungen Menschen bei ihrer Ausbildung in München ergeht. Sie liefern eine wichtige Grundlage für diejenigen, die sich in ihrer Arbeit mit der Integration der Neuankömmlinge in München beschäftigen bzw. Jugendliche bei der Entscheidung eines Umzugs zur Berufsausbildung nach München beraten und unterstützen.
Dr. Reinhard Wieczorek
Referent für Arbeit und Wirtschaft
der Landeshauptstadt München
Inhaltsverzeichnis
1
Studiendesign und Datenerhebung ............................................................................................ 1
2
Auswärtige Jugendliche............................................................................................................... 3
2.1
2.2
2.3
2.4
2.5
2.6
2.7
2.8
3
Regionale Herkunft ..................................................................................................................... 3
Größe des letzten Wohnortes ..................................................................................................... 5
Mobilitätserfahrung ..................................................................................................................... 6
Geschlechterverteilung ............................................................................................................... 7
Altersstruktur............................................................................................................................... 7
Schulabschluss ........................................................................................................................... 8
Ausbildungsberufe ...................................................................................................................... 9
Zeit zwischen Ende der Schul- und Beginn der Berufsausbildung ........................................... 12
Motivation für München, Information über Ausbildungsplatz und Bewerbung.................... 14
3.1
3.2
3.3
3.4
3.5
4
Gründe für eine Berufsausbildung in München......................................................................... 14
Alleine oder mit anderen nach München gekommen................................................................ 16
In München bereits bestehende Kontakte ................................................................................ 16
Information über den freien Ausbildungsplatz........................................................................... 17
Bewerbungen............................................................................................................................ 19
Situation als Neuankömmling.................................................................................................... 20
4.1
4.2
4.3
4.4
5
Schwierigkeit in verschiedenen Lebensbereichen .................................................................... 20
Hilfestellung und Unterstützung für Neuankömmlinge.............................................................. 21
Schwierigkeiten und Probleme für Neuankömmlinge ............................................................... 22
Situation als Neuankömmling - aktuelle Situation..................................................................... 25
Wunsch, nach der Ausbildung in München zu bleiben........................................................... 28
5.1 Absicht, in München zu bleiben ................................................................................................ 28
5.2 Abbruch der Berufsausbildung.................................................................................................. 32
6
Wohnsituation ............................................................................................................................. 35
6.1
6.2
6.3
6.4
6.5
6.6
7
Wohnung zu Beginn der Ausbildung......................................................................................... 35
Schwierigkeit der Wohnungssuche........................................................................................... 35
Unterschiede in der Wohnungsart nach regionaler Herkunft und nach Alter............................ 36
Miete ......................................................................................................................................... 39
Umzugsverhalten ...................................................................................................................... 40
Zufriedenheit mit Wohnsituation ............................................................................................... 42
Heimfahrten am Wochenende ................................................................................................... 46
7.1 Häufigkeit der Heimfahrten ....................................................................................................... 46
7.2 Überwiegend benutztes Verkehrsmittel .................................................................................... 49
8
Freizeit und Freundeskreis ........................................................................................................ 51
8.1
8.2
8.3
8.4
8.5
8.6
9
Freizeitaktivitäten der Jugendlichen.......................................................................................... 51
Aspekte der Freizeitgestaltung ................................................................................................. 53
Bekanntheitsgrad von Jugendzentren ...................................................................................... 54
Freundeskreis in München........................................................................................................ 54
Beurteilung des Freizeitangebots ............................................................................................. 57
Wünsche an das Münchener Freizeitangebot .......................................................................... 58
Finanzielle Situation ................................................................................................................... 60
9.1 Finanzielle Unterstützung ......................................................................................................... 60
9.2 Finanzielle Förderquellen und Art der Unterkunft ..................................................................... 61
9.3 Beurteilung der finanziellen Situation........................................................................................ 62
10
Einstellungen zu Ausländern..................................................................................................... 64
10.1
10.2
11
Aussage zu Ausländern ........................................................................................................ 64
Auf Ausländer bezogene Antworten aus offenen Fragen ..................................................... 65
Ausbildung und Leben in München .......................................................................................... 67
11.1
11.2
Überblick über zentrale Befunde der Studie ......................................................................... 67
Empfehlungen der Jugendlichen .......................................................................................... 68
1 Studiendesign und Datenerhebung
Die Erhebung wurde in Form einer schriftlichen Befragung von auswärts kommender Jugendlicher durchgeführt. Eine Schwierigkeit bei der Konzeption des Studiendesigns bestand
darin, dass es für diese Grundgesamtheit keine abschließende Liste gibt, die eine Stichprobenziehung gestattet. Ein postalischer Versand der Fragebogen auf Basis einer Adressendatei war somit nicht möglich. In einem ersten Schritt wurden daher mit Experten neun Münchener Berufsschulen für die Untersuchung ausgewählt. Dabei konzentrierte sich die Auswahl primär auf Bereiche, von denen bekannt war, dass der Anteil auswärtiger Jugendlicher
besonders hoch ist. Gleichzeitig wurde aber auch darauf geachtet, ein breites Berufsspektrum abzudecken, das neben Handwerk auch freie Berufe und den IT-Bereich abdeckt. Es
handelt sich hierbei um folgende Städtische Berufsschulen:
·
·
·
·
·
·
·
·
·
Berufsschule für das Bäcker- und Konditorenhandwerk
Berufsschule für das Bau- und Kunsthandwerk
Berufsschule für Fachräfte in Arzt- und Tierarztpraxen und pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte
Berufsschule für Fachkräfte in Zahnarztpraxen
Berufsschule für das Friseurhandwerk
Berufsschule für das Hotel-, Gaststätten- und Braugewerbe
Berufsschule für Kommunikationselektronik
Berufsschule für das Metzgerhandwerk
Berufsschule für Fahrzeug- und Luftfahrttechnik
An den neun ausgewählten Berufsschulen wurde schließlich in einem zweiten Schritt eine
Vollerhebung durchgeführt. Diese erstreckte sich auf die Jugendlichen, welche alle der drei
folgenden Kriterien erfüllten:
·
·
·
Der Ausbildungsbetrieb befindet sich in München oder im S-Bahn-Bereich.
Der Jugendliche wohnt in München oder im S-Bahn-Bereich.
Der Auszubildende ist während der letzten zwölf Monate vor bzw. zum Ausbildungsbeginn von außerhalb Oberbayerns nach München gekommen.
Die Fragebogen wurde in Absprache mit der jeweiligen Schulleitungen von den Klassleitungen verteilt. Diese erhielten hierfür eine detaillierte schriftliche Anweisung, an welche Jugendlichen sie einen Fragebogen vergeben sollten. Hierdurch wurde sichergestellt, dass
schließlich alle Auszubildenden einbezogen wurden, welche die drei festgelegten Auswahlkriterien erfüllen.
Da die Jugendlichen bei der Untersuchung über ihre Erfahrungen in München berichten sollten, war es wichtig, sie nicht bereits zu Beginn der Berufsausbildung zu befragen, sondern
erst nach einigen Monaten ihres Aufenthalts. Deshalb wurde - in Absprache mit den Berufsschulen - mit der Befragung im Januar 2001 begonnen. Da an mehreren Berufsschulen
blockweise unterrichtet wird, dauerte es bis April 2001, bis alle Jugendlichen wieder einen
Ausbildungsblock an der Berufsschule angetreten hatten und befragt werden konnten. Die
Befragung erreicht Jugendliche in allen Ausbildungsjahren. Zum Zeitpunkt der Befragung
war bei den meisten Jugendlichen die Probezeit bereits abgeschlossen. Dies hat zur Folge,
dass die Jugendlichen, die ihre Berufsausbildung bereits abgebrochen haben - das Gros der
Abbrüche erfolgt erfahrungsgemäß in der Probezeit - nicht von der Befragung erfasst werden. Bei der Interpretation der Befunde ist also zu berücksichtigen, dass sich ihre Aussagen
nur auf zum Zeitpunkt der Befragung noch in Ausbildung befindliche Jugendliche bezieht.
Der Rücklauf der Fragebogen war sehr hoch. Um die Arbeit für die Berufsschulen so einfach
wie möglich zu halten, wurde auf ein Verfahren zur Bestimmung der exakten Rücklaufquote
verzichtet. Nach Einschätzung der beteiligten Berufsschulen wurde jedoch ein Großteil der
1
ausgegebenen Fragebogen ausgefüllt. Für die Auswertung liegen 993 Fragebogen vor. Diese sind in der Regel vollständig ausgefüllt. Sehr erfreulich ist, dass die zahlreichen offenen
Fragen von den Jugendlichen aufgegriffen wurden, um in ihren eigenen Worten - teilweise
sehr detailliert - ihre Situation zu beschreiben. Diese hohe Akzeptanz der offenen Fragen
signalisiert ebenso wie der gute Rücklauf, dass die Jugendlichen sich durch das Thema der
Befragung angesprochen fühlten und es ihnen wichtig war, eine Rückmeldung zu erteilen,
wie es ihnen als neu in München lebende Auszubildende ergeht. Die Datenanalyse erfolgte
mit dem Statistikprogramm SPSS.
2
2 Auswärtige Jugendliche
Nachfolgend sollen die auswärtigen Jugendlichen anhand ausgewählter Variablen vorgestellt
werden. Zunächst wird ihre soziale Herkunft betrachtet. Anschließend wird die Größe des
Ortes, von dem sie nach München gekommen sind, beschrieben. Dabei wird analysiert, inwieweit die Jugendlichen bereits über Mobilitätserfahrung verfügen. Schließlich werden die
Geschlechterverteilung, die Altersstruktur, die Schulabschlüsse und die Ausbildungsberufe
vorgestellt. Sehr interessant ist, was die Jugendlichen vor ihrem Zuzug nach München gemacht haben. Was lag zwischen Ende der Schul- und Beginn der Berufsausbildung? Sind
die Jugendlichen nahtlos von der Schule zur Berufsausbildung nach München gekommen
oder haben sie zunächst in ihrer Heimatregion über längere Zeit erfolglos versucht, einen
Ausbildungsplatz zu finden, um dann mit Verzögerung eine Ausbildung in München anzutreten?
2.1 Regionale Herkunft
Von besonderer Bedeutung ist die regionale Herkunft der Jugendlichen. Diese wurde im Fragebogen über den letzten Wohnort erhoben. In einem ersten Auswertungsschritt wird nachfolgend innerhalb Deutschlands differenziert, ob die Jugendlichen aus den neuen oder den
alten Bundesländern stammen. Die aus den anderen sechs bayerischen Regierungsbezirken
stammenden Jugendlichen (befragt wurden alle nicht aus Oberbayern kommenden Jugendlichen) werden in einer eigenen Kategorie ausgewiesen. Ebenfalls in einer separaten Kategorie zusammengefasst werden die aus Berlin stammenden Jugendlichen. In der Befragung
wurde bewusst auf eine Unterscheidung zwischen Ost- und Westberlin verzichtet, da bei
einer Wohnbiographie mit wiederholten innerstädtischen Umzügen eine Zuordnung zum Ostoder Westteil der Stadt wenig Sinn gemacht hätte. Schließlich werden die aus dem Ausland
kommenden Jugendlichen in einer weiteren Kategorie dargestellt.
Regionale Herkunft der Auszubildenden
69%
14%
neue BL (ohne Berlin)
alte BL (ohne Bayern)
11%
Bayern (ohne Obb.)
3%
3%
Berlin
Ausland
Die meisten Befragten stammen aus den neuen Bundesländern, aber mit 14 % kommen
auch Jugendliche in nennenswerter Größenordnung aus den alten Bundesländern. 11 % der
Auszubildenden kommen aus Bayern und jeweils 3 % aus Berlin oder dem Ausland. Die aus
dem Ausland nach München gezogenen Jugendlichen stammen - ohne dass ein Schwerpunkt zu erkennen wäre - überwiegend aus europäischen Staaten, aber mit Ländern wie
Simbabwe, Indonesien, Neuseeland und Peru sind auch die anderen Kontinente vertreten.
In der weiteren Auswertung werden wegen der nicht möglichen Zuordnung zu den alten oder
neuen Bundesländern die Berliner Jugendlichen von den Berechnungen ausgeschlossen,
die zwischen den neuen und alten Bundesländern vergleichen. Ebenso unberücksichtigt
bleiben bei innerdeutschen Vergleichen die aus dem Ausland kommenden Jugendlichen.
Grundsätzlich sei angemerkt, dass mit innerdeutschen Vergleichen keine Stigmatisierung der
3
aus den neuen Bundesländern stammenden Jugendlichen beabsichtigt ist. In der Sozialforschung bildet die Unterscheidung zwischen den neuen und alten Bundesländern eine wichtige Variable. Ergebnisse der letzten Shell-Jugendstudie belegen, dass sich Unterschiede
zwischen ost- und westdeutschen Jugendlichen teilweise eher verstärken statt abschwächen.
Im nächsten Schritt wird die Herkunft der Jugendlichen aus den neuen und alten Bundesländern und aus Bayern jeweils getrennt beschrieben.
Neue Bundesländer: Regionale Herkunft der Auszubildenden
57%
16%
13%
12%
2%
Sachsen
Sachsen-Anhalt
Thüringen
Brandenburg
Meckl.-Vorpomm.
Mit 57 % stammen die meisten der aus den neuen Bundesländern nach München kommenden Jugendlichen aus Sachsen. Innerhalb der fünf neuen Bundesländer stellt Sachsen einen
Bevölkerungsanteil von ca. 32 %, so dass die sächsischen Jugendlichen daran gemessen
deutlich überrepräsentiert sind. Die Jugendlichen aus den anderen vier Bundesländern - insbesondere aus Mecklenburg-Vorpommern - sind an ihrem Bevölkerungsanteil gemessen unterrepräsentiert.
Der hohe Anteil sächsischer Jugendlicher dürfte in erster Linie auf zwei Gründe zurückzuführen sein. Zum einen ist bei ihnen die Entfernung nach München am geringsten. Zum anderen besteht seit der Wiedervereinigung zwischen dem Arbeitsamt München und sächsischen Arbeitsämtern eine sehr enge Kooperation, die eine Vermittlung sächsischer Jugendlicher nach München erleichtert. So waren viele Mitarbeiter sächsischer Arbeitsämter im
Rahmen arbeitsamtsinterner Austauschprogramme in München und im Gegenzug ihre Münchener Kollegen in Sachsen tätig. Die geringe Anzahl von Jugendlichen aus MecklenburgVorpommern dürfte wesentlich auf die große räumliche Distanz zu München zurückzuführen
sein.
Alte Bundesländer: Regionale Herkunft der Auszubildenden
40%
21%
12%
11%
7%
BadenWürttemberg
NRW
Hessen
Niedersachsen
Rheinland-Pfalz
5%
SchleswigHolstein
2%
1%
1%
Hamburg
Bremen
Saarland
Auch bei den Jugendlichen aus den alten Bundesländern ist das Bundesland mit der geringsten Entfernung am Bevölkerungsanteil überrepräsentiert: Stellt Baden-Württemberg
4
zwar nur knapp 20 % der Bevölkerung aus den oben dargestellten Bundesländern, so stammen jedoch mit 40 % doppelt so viele Jugendliche aus Baden-Württemberg. Die Auszubildenden aus Nordrhein-Westfalen bilden mit 21 % die zweitgrößte Gruppe. Berücksichtigt
man jedoch, dass Nordrhein-Westfalen das Bundesland mit den meisten Einwohnern ist und
jeder dritte Bundesbürger aus den alten Bundesländern (ohne Bayern und Berlin) aus Nordrhein-Westfalen stammt, so ist festzustellen, dass hieran gemessen nordrhein-westfälische
Jugendliche unter den von auswärts nach München kommenden Jugendlichen unterrepräsentiert sind.
Bayern: Regionale Herkunft der Auszubildenden
36%
25%
14%
12%
9%
4%
Niederbayern
Schwaben
Mittelfranken
Oberpfalz
Unterfranken
Oberfranken
Schließlich sind auch bei den bayerischen Jugendlichen zwei Regierungsbezirke überrepräsentiert. Aus Schwaben stammen ca. 22 % der Bevölkerung der sechs obigen Regierungsbezirke, aus Niederbayern 14 %. Innerhalb Bayerns kommen jedoch mit 61 % die meisten
Jugendlichen aus Schwaben oder Niederbayern. Es überrascht, dass aus Oberfranken nur
4 % der Jugendlichen stammen (Bevölkerungsanteil: 14 %). In Oberfranken besteht zwar
eine vergleichsweise hohe Arbeitslosenquote, aber auch die Erfahrungen des Arbeitsamtes
München mit einem innerbayerischen Ausgleichsprojekt zeigen, dass es sehr schwierig ist,
Jugendliche aus dieser Region für eine Ausbildung in München zu gewinnen.
2.2 Größe des letzten Wohnortes
Einfluss auf ihr Einleben kann es haben, aus welchen Orten die Jugendlichen in die Großstadt München ziehen. Sind sie in einer ländlichen Gegend sozialisiert worden, bringen sie
Erfahrung aus Kleinstädten mit oder sind sie das Leben in größeren Städten bereits gewohnt? Daher wird anschließend betrachtet, wieviele Einwohner in dem Ort leben, in dem
die Jugendlichen vor Aufnahme ihrer Berufsausbildung gewohnt haben.
Einwohnerzahl des letzten Wohnortes
33%
27%
25%
15%
unter 5.000
5.001 bis 20.000
20.001 bis 200.000
über 200.000
5
Die meisten Jugendlichen stammen aus kleineren Orten. So wohnen bei jedem Dritten im
Herkunftsort weniger als 5.000 Einwohner. Jeder vierte Auszubildende hat zuletzt in einem
Ort mit einer Einwohnerzahl zwischen 20.001 und 200.000 gelebt und nur 15 % kommen aus
großen Städten mit mehr als 200.000 Einwohnern. Dies bedeutet, dass die meisten der befragten Jugendlichen über keine unmittelbare Großstadterfahrung verfügen, auf die sie zurückgreifen können.
Interessant ist, ob sich Unterschiede in der Größe des Heimortes in Abhängigkeit von der regionalen Herkunft feststellen lassen:
Einwohnerzahl des Heimatortes nach regionaler Herkunft
Alte Länder (ohne Bayern)
Restliches Bayern
36%
37%
36%
30%
23%
29%
22%
Neue Länder
28%
23%
19%
11%
6%
unter 5.000
5.001 bis 20.000
20.001 bis 200.000
über 200.000
Während sich die aus Bayern und den neuen Bundesländern kommenden Auszubildenden
in den beiden kleineren Kategorien bis 20.000 Einwohner nicht unterscheiden, stammen
bayerische Jugendliche etwas häufiger aus Städten zwischen 20.001 und 200.000 Einwohnern und selterer als ostdeutsche Jugendliche aus Städten mit einer Einwohnerzahl über
200.000. Ein deutlich anderes Bild ergibt sich bei den aus den alten Ländern stammenden
Jugendlichen. Hier kommen die meisten aus einem städtischen Umfeld und beinahe jeder
fünfte von ihnen aus einem Ort mit mehr als 200.000 Einwohnern. Insgesamt ist festzuhalten, dass nur eine Minderheit der Jugendlichen über ausgeprägte Großstadterfahrung verfügt, wobei dieser Anteil bei den bayerischen Jugendlichen am geringsten und bei den aus
den alten Bundesländern stammenden Jugendlichen am höchsten ist.
Die Jugendlichen wurden bei den Motivationsgründen für eine Entscheidung für eine Berufsausbildung in München gefragt, ob es ihnen wichtig war, in einer Großstadt zu leben. Hier
steigt der Anteil der Jugendlichen, die sich gezielt für das Leben in einer Großstadt entschlossen haben, mit der Größe des Heimatortes an: Stimmen von den Auszubildenden aus
Orten unter 5.000 Einwohner nur 28 % dieser Aussage zu, beträgt dieser Anteil bei den Jugendlichen aus Städten mit über 200.000 Einwohnern 54 % (5.001 bis 20.000 Einwohner:
36 %, 20.001 bis 200.000 Einwohner: 44 %).
2.3 Mobilitätserfahrung
Theoretisch wäre es möglich, dass alle Jugendlichen bereits in einer Großstadt und nur unmittelbar vor ihrem Umzug nach München in einem kleineren Ort gewohnt haben. In der Befragung wurde deshalb auch erhoben, wie lange sie an dem Ort gelebt haben, von dem sie
nach München gezogen sind. Vergleicht man diese Angaben mit dem Geburtsalter, so ist
festzustellen, dass ca. 70 % der Jugendlichen schon immer an ihrem Geburtsort gelebt haben. Während der letzten fünf Jahre vor ihrem Herzug nach München sind weniger als 10 %
der Jugendlichen umgezogen. Es kann also festgehalten werden, dass die wenigsten der be6
fragten Jugendlichen Mobilitätserfahrung besitzen und es ausgeschlossen werden kann,
dass viele im Verlauf ihrer Wohnbioggraphie bereits Großstadterfahrung sammeln konnten.
2.4 Geschlechterverteilung
Vor Beginn der Untersuchung wurde von einigen Experten vermutet, dass wohl nur wenige
junge Frauen den Schritt zu einer Berufsausbildung nach München wagen bzw. Eltern ihren
Töchtern die Zustimmung für eine Berufsausbildung fern der Heimat eher verweigern. Daher
ist ein Blick auf den Mädchenanteil unter den befragten Jugendlichen interessant. Es zeigt
sich, dass zwei Drittel weiblich und ein Drittel männlich sind. Der hohe Anteil an Mädchen
und jungen Frauen ist vor allem auf die ausgewählten Berufe zurückzuführen, die unten genauer beschrieben ist und in der sich viele frauentypische Berufe befinden. Die Hypothese,
dass es sich bei den von auswärts kommenden Jugendlichen überwiegend um junge Männer handelt, kann jedoch als widerlegt betrachtet werden.
2.5 Altersstruktur
Für den Betreuungsbedarf der von auswärts kommenden Jugendlichen spielt deren Alter
eine entscheidende Größe. 15 oder 16jährige Jugendliche erfordern ein anderes Angebot als
bereits volljährige Jugendliche. Daher soll das Alter der Auszubildenden betrachtet werden.
Nachfolgend ist ihr Alter bei Ausbildungsbeginn dargestellt:
Alter bei Ausbildungsbeginn
31%
25%
14%
unter 17 J.
17 J.
18 J.
11%
19 J.
9%
10%
20 J.
21 J. u. älter
Der jüngste Befragte stand bei Ausbildungsbeginn kurz vor seinem 15. Geburtstag, die
älteste Jugendliche war 29 Jahre alt. Das Durchschnittsalter betrug am ersten Ausbildungstag 18,24 Jahre. Unter 16 Jahre waren nur 1 % der Jugendlichen, 30 % waren zu Beginn
ihrer Ausbildung 16 Jahre alt. Da es sich um eine linkssteile Verteilung handelt, liegt das
Durchschnittsalter etwas über 18 Jahren, obwohl 56 % der Jugendlichen bei Ausbildungsbeginn noch nicht volljährig sind.
Betrachtet man das Alter nach regionaler Herkunft, so ergeben sich deutliche Unterschiede:
7
Durchschnittsalter bei Ausbildungsbeginn nach regionaler Herkunft
Neue Länder
17,70
19,12
Restliches Bayern
Alte Länder (ohne Bayern)
20,06
Die Auszubildenden aus den neuen Bundesländern sind am jüngsten: Beträgt das Durchschnittsalter ostdeutscher Jugendlicher bei Ausbildungsbeginn nur 17,70 Jahre, so sind die
Befragten aus den alten Bundesländern mit 20,06 Jahren mehr als zwei Jahre älter. Ein
Grund für das höhere Alter der westdeutschen Jugendlichen liegt in der unterschiedlichen
Berufswahl. Wie nachfolgend noch gezeigt wird, konzentrieren sich Jugendliche aus den
alten Bundesländern auf Berufe, in denen die Arbeitgeber in der Regel Abitur oder zumindest
die Mittlere Reife erwarten, während in anderen Berufen sich teilweise fast ausschließlich
ostdeutsche Jugendliche finden.
2.6 Schulabschluss
Die Jugendlichen haben folgende Schulabschlüsse:
Schulabschluss
58%
25%
16%
1%
Hauptschule/Quali
Mittlere Reife
Fachabitur/Abitur
Sonstige
Die meisten Auszubildenden verfügen über die Mittlere Reife. Gut jeder sechste hat die
Hauptschule absolviert und jeder Vierte verfügt über Abitur oder Fachabitur. 1 % der Jugendlichen haben keinen oder einen sonstigen Schulabschluss. Betrachtet man die Schulabschlüsse in Abhängigkeit von der regionalen Herkunft, so stellt man deutliche Unterschiede
fest:
8
Schulabschluss nach regionaler Herkunft (ohne "Sonstige")
Alte Länder (ohne Bayern)
69%
Restliches Bayern
62%
Neue Länder
46%
33%
27%
21%
11%
16%
15%
Hauptschule/Quali
Mittlere Reife
Fachabitur/Abitur
Das höchste Bildungsniveau haben die Auszubildenden aus den alten Bundesländern. Von
ihnen verfügen 62 % über Abitur oder Fachabitur. Die Jugendlichen aus den neuen Bundesländern haben überwiegend die Mittlere Reife erworben. Bayerische Jugendliche haben mit
21 % zwar deutlich häufiger die Hauptschule absolviert als die übrigen Befragten, aber auch
bei ihnen bildet die Mittlere Reife mit 46 % den häufigsten Abschluss.
Zum Teil lässt sich das höhere Bildungsniveau darauf zurückführen, dass die Jugendlichen wie bereits oben angesprochen - je nach regionaler Herkunft Berufe mit unterschiedlichem
Qualifikationsniveau wählen. Hält man den Beruf konstant, so verringert sich zwar der Unterschied in der Schulbildung, aber immer noch haben westdeutsche Jugendliche häufiger
einen höheren Bildungsabschluss. So verfügen unter den Hotelfachleuten 70 % der westdeutschen Auszubildenden über Abitur, aber nur 44 % der ostdeutschen. Auf niedrigere
Quoten an Abiturienten je Jahrgang in den neuen Bundesländern kann ihr geringerer Anteil
unter den Münchener Auszubildenden nicht zurückgeführt werden. So erwerben in BadenWürttemberg und Sachsen mit jeweils knapp 30 % etwa gleich viele Jugendliche eines Jahrgangs das Abitur. Arbeitsmarktexperten aus der Region Halle haben bei einer Diskussion der
Ergebnisse darauf verwiesen, dass aufgrund des engen Ausbildungsstellenmarktes in den
neuen Bundesländern ein hoher Konkurrenzdruck zwischen den Jugendlichen besteht. In
dessen Folge erhalten bevorzugt die höher qualifizierten Bewerber Ausbildungsplätze in ihrer
Heimatregion, wohingegen Jugendliche mit mittleren und einfachen Abschlüssen einem verstärkten Migrationsdruck unterworfen sind.
2.7 Ausbildungsberufe
Wie eingangs beschrieben, wurde die Befragung nicht an allen 36 Münchener Berufsschulen
durchgeführt, sondern beschränkte sich auf diejenigen mit einem hohen Anteil auswärtiger
Jugendlicher. Daher ist nicht das gesamte Berufsspektrum, sondern nur ein bestimmter Ausschnitt vertreten:
9
Berufsgruppen
Sonstige
Friseur
Bau
IT
Fahrzeugbau-/Luftfahrtechnik
Arzthelferinnen
Fachverkäuferinnen
Zahnarzthelferinnen
Hotel-und Gaststättengewerbe
2%
3%
5%
7%
8%
9%
12%
20%
34%
Jeder dritte befragte Auszubildende befindet sich in einem Beruf des Hotel- und Gaststättengewerbes. Die Städtische Berufsschule für das Hotel-, Gaststätten- und Braugewerbe ist
auch die größte Münchener Berufsschule. Innerhalb der HoGa-Berufe bilden die Hotelfachleute mit 68 % die größte Gruppe (18 % Köche, 12% Restaurantfachleute, je 1 % Systemgastronomen und Brauer/Mälzer). Im Datensatz stellen Hotelfachleute mit 23 % vor den
Zahnarzthelferinnen auch den am häufigsten vertretenen Einzelberuf. Die Kategorie Fachverkäuferinnen umfasst die Bereiche Fleisch- und Wurstwaren sowie Konditorei, in denen
zusammen 12 % der befragten Jugendlichen ausgebildet werden. Zu den Berufen der
Fahrzeug- und Luftfahrtechnik zählen Vulkaniseur, Automobilmechaniker, Konstruktionsmechaniker, Fluggerätemechaniker, Eisenbahner im Betriebsdienst sowie Karosserie- und
Fahrzeugbauer. In ihnen werden insgesamt 8 % der Befragten ausgebildet. Aus den IT-Berufen sind die beiden Ausbildungsberufe Fachinformatiker und IT-Systemelektroniker vertreten. 5 % der Jugendlichen erlernen einen Bauberuf.
Der Anteil von Mädchen bzw. Jungen in den einzelnen Berufen ist sehr unterschiedlich. Unter den befragten Zahnarzthelferinnen und Arzthelferinnen befand sich kein einziger männlicher Auszubildender. Demgegenüber waren bei den IT-Berufen nur 12 % und bei den Fluggerätemechanikern nur 10 % weibliche Auszubildende. Unter den befragten Automobilmechanikern und Maurern befand sich kein einziges Mädchen. Bei den Hotelfachleuten - dem
zahlenmäßig in der Befragung am stärksten vertretenen Beruf - betrug der Mädchenanteil
76 %.
Wie bei der Darstellung der Schulabschlüsse angekündigt, wird nachfolgend betrachtet, ob
sich die Berufswahl der Jugendlichen nach ihrer regionalen Herkunft unterscheidet. Die Darstellung beschränkt sich hierbei auf einige ausgewählte Berufe:
10
Regionale Herkunft in ausgewählten Berufen (ohne Berlin, ohne Ausland)
97%
96%
Alte Länder (ohne Bayern)
Restliches Bayern
Neue Länder
44%
37%
26%
0%
3%
Fachverk. Fleischerei
0%
37%
36%
20%
4%
Arzthelferin
IT-Berufe
Hotelfachfrau
In den einzelnen Berufen unterscheiden sich die Jugendlichen nach ihrer regionalen Herkunft sehr deutlich voneinander. Nur einige wenige bayerische Jugendliche befinden sich
unter den Arzthelferinnen und im Fleischereifachverkauf. Der Anteil an Auszubildenden aus
den neuen Bundesländern beträgt in diesen beiden Berufen jeweils 96 % bzw 97 %!
Bei der Interpretation dieses Befundes ist zu berücksichtigen, dass einheimische Jugendliche nicht befragt wurden und somit kein genauer Rückschluss auf den Anteil der auswärtigen Jugendlichen unter allen Auszubildenden der einzelnen Berufe möglich ist. Aus
einer zu Beginn des Schuljahres 2000/2001 an der Berufsschule für das Metzgerhandwerk
durchgeführten Erhebung geht jedoch hervor, dass gut 75 % aller Fleischereifachverkäuferinnen aus den neuen Bundesländern stammen und somit ihr Anteil an allen Auszubildenden sehr hoch ist.
Eine ganz andere Verteilung ergibt sich bei den Hotelfachleuten. Dies ist der Beruf, in dem
mit 44 % die Jugendlichen aus den alten Bundesländern die stärkste Gruppe unter den auswärtigen Jugendlichen bilden und der Anteil der aus den neuen Bundesländern kommenden
Jugendlichen mit 36 % im Vergleich zu den zuvor betrachteten Berufen eher gering ist. Der
Befund, dass sich sehr viele westdeutsche Jugendliche unter den Auszubildenden für das
Hotelfach befinden, lässt sich darauf zurückführen, dass es sich hier aus Perspektive der Jugendlichen um einen sehr attraktiven Ausbildungsberuf handelt. Nicht nur in München, sondern im gesamten südbayerischen Raum hat Tourismus eine große Bedeutung und es werden entsprechend viele Ausbildungsplätze angeboten. Ca. 55 % der Auszubildenden des
Hotelfachs verfügen über Abitur bzw. Fachabitur. Dies erklärt den oben festgestellten hohen
Anteil von Abiturienten unter den Jugendlichen, die aus den alten Bundesländern nach München gekommen sind.
Bei den in der Befragung vertretenen IT-Berufen kommen von den auswärtigen Auszubildenden je 37 % aus Bayern und den neuen Bundesländern. Aus den alten Bundesländern stammen 26 %. Wie bereits bei den Hotelfachleuten motiviert auch die Ausbildung zum Fachinformatiker oder IT-Systemelektroniker Jugendliche aus dem gesamten Bundesgebiet, für eine
Berufsausbildung nach München zu kommen. München wird oftmals als das Silicon Valley
Deutschlands bezeichnet, da es im IT-Bereich ein besonders attraktiver Standort ist. Nach
ihrer Berufsausbildung eröffnen sich für die Jugendlichen in diesem Bereich in München vielfältige attraktive berufliche Perspektiven.
Es kann festgehalten werden, dass je nach Ausbildungsberuf die regionale Herkunft der von
auswärts kommenden Jugendlichen stark variiert. Neben Berufen mit fast ausschließlich ost11
deutschen Auszubildenden gibt es auch einige Berufe, in denen Jugendliche aus dem gesamten Bundesgebiet nach München kommen.
2.8 Zeit zwischen Ende der Schul- und Beginn der Berufsausbildung
Von besonderem Interesse ist die Frage, was die Jugendlichen vor Aufnahme ihrer Berufsausbildung gemacht haben. Viele Fachexperten haben im Vorfeld der Befragung die Vermutung geäußert, dass die meisten Jugendlichen sich erst dann entschließen, ihre Heimat für
eine Berufsausbildung in München zu verlassen, nachdem sie verschiedene andere Alternativen versucht haben und daher die Berufsausbildung nicht nahtlos an die Schulzeit anschließt. Um diese “Warteschleifen-Hypothese” zu überprüfen, wurde im Fragebogen erhoben, was die Jugendlichen zwischen dem Ende ihrer Schulausbildung und der Aufnahme
des aktuellen Ausbildungsplatzes gemacht haben. Es ergibt sich folgende Verteilung:
Beschäftigungen/Tätigkeiten zwischen Ende des Schulbesuchs und
Beginn der Berufsausbildung (Mehrfachnennungen möglich)
Abschluss Studium
0,1%
Au pair
1,7%
Berufsgrundschuljahr
1,8%
Freiwilliges soziales Jahr
Auslandsaufenthalt
2,2%
3,0%
Berufsvorbereitende
Maßnahme
3,4%
Abbruch Studium
3,6%
Abschluss andere
Berufsausbildung
3,8%
Berufsvorbereitungsjahr
4,2%
Sonstiges
5,7%
Arbeitslosigkeit
6,0%
Wehr-/Zivildienst
Job/Arbeit
Abbruch andere
Berufsausbildung
6,9%
9,3%
10,0%
Ausbildung unmittelbar im
Anschluss an Schulbesuch
Gut 60 % der Befragten haben ihren Ausbildungsplatz in München in unmittelbarem Anschluss an ihre Schulausbildung angetreten. Berücksichtigt man, dass die Hälfte derjenigen,
12
60,2%
die ihren Wehr- oder Zivildienst absolviert haben, Abiturienen bzw. Fachabiturienten sind, die
nach der Schule ihren Dienst abgeleistet und daran anschließend die Berufsausbildung aufgenommen haben, so erhöht sich der Anteil auf ca. 64 %. Jeder zehnte befragte Jugendliche
hat bereits eine andere Berufsausbildung abgebrochen (wobei in der Befragung nicht erhoben wurde, ob auch hier München Ausbildungsort war). Gejobbt bzw. gearbeitet haben bereits gut 9 % der Jugendlichen, arbeitslos waren vor ihrer Berufsausbildung 6 %. Die Arbeitslosigkeit dauerte im Durchschnitt 6,4 Monate. Bei den in der Kategorie “Sonstige” zusammengefassten Jugendlichen handelt es sich überwiegend um Befragte, welche den Besuch
der Fachoberschule oder der gymnasialen Oberstufe abgebrochen haben. Ein Studium
haben 3,6 % der Auszubildenden abgebrochen, eine andere Ausbildung 3,8 % abgeschlossen. Nur relativ wenige Jugendliche waren in einer berufsvorbereitenden Maßnahme oder
haben ein Berufsvorbereitungsjahr besucht. Jeder vierte der befragten Jugendlichen, der in
einer berufsvorbereitenden Maßnahme war, hat im übrigen auch das Berufsvorbereitungsjahr besucht.
Jeweils zwischen knapp zwei und drei Prozent der Jugendlichen haben vor Beginn ihrer Berufsausbildung ein freiwilliges soziales Jahr absolviert oder eine Zeit im Ausland bzw. als Aupair verbracht. Ob es sich hier im Einzelfall um Überbrückungsversuche gehandelt hat, weil
kein Ausbildungsplatz gefunden wurde, kann aufgrund der vorliegenden Daten nicht beantwortet werden. Insgesamt kann jedoch festgehalten werden, dass die überwiegende Mehrheit der Jugendlichen ohne Warteschleifen oder Zeitverluste im direkten Anschluss an ihre
Schulausbildung zur Berufsausbildung nach München gekommen ist.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die meisten der Jugendlichen, die von auswärts zur
Berufsausbildung nach München kommen, aus den neuen Bundesländern stammen. Unter
den neuen Bundesländern wiederum kommen die Auszubildenden am häufigsten aus Sachsen. Mehr als die Hälfte der Jugendlichen ist bei Ausbildungsbeginn noch nicht volljährig.
Dieses geringe Durchschnittsalter ist auch darauf zurückzuführen, dass die meisten Jugendlichen unmittelbar im Anschluss an ihre Schulausbildung ihre Berufsausbildung in München
aufnehmen. Die im Vorfeld der Befragung häufig geäußerte Vermutung, dass ein hoher Anteil der Jugendlichen bereits viel Zeit in Warteschleifen verbracht hat, kann somit verworfen
werden. Jugendliche aus den neuen Bundesländern sind im Durchschnitt vielmehr deutlich
jünger als die anderen Befragten, verfügen am häufigsten über die Mittlere Reife und haben
am seltensten das Abitur. Ein wesentlicher Grund hierfür ist, dass sie vielfach Ausbildungsberufe ergreifen, denen von westdeutschen Jugendlichen offenbar zu wenig Attraktivität beigemessen wird.
13
3 Motivation für München, Information über Ausbildungsplatz und Bewerbung
Der folgende Abschnitt widmet sich der Frage, warum sich die Jugendlichen für eine Berufsausbildung in München entschieden haben. Haben Sie zu Hause keinen Ausbildungsplatz
bekommen? Sind sie bewusst von zu Hause weggegangen, weil sie einmal etwas Neues
ausprobieren wollten? Hatten sie den Eindruck, dass ihr Heimatort für junge Leute zu wenig
attraktiv ist? Bei der Beantwortung dieser Fragen wird auch analysiert, ob es in den Motivationsgründen für München Unterschiede nach der regionalen Herkunft der Auszubildenden
gibt. Darüber hinaus wird der Frage nachgegangen, ob die Jugendlichen alleine oder gemeinsam mit anderen nach München gekommen sind. Besonders bedeutsam für eine gute
Integration in München können schließlich bereits in München bestehende Kontakte sein.
Daher wird geprüft, inwieweit die Jugendlichen auf solche zurückgreifen können. Außerdem
wird beschrieben, woher die Jugendlichen von ihrem Ausbildungsplatz wussten. In Zusammenhang mit der Suche des Ausbildungsplatzes wird aufgezeigt, wie oft sich die Auszubildenden beworben haben und wie schwierig es für sie war, einen Ausbildungsplatz zu finden.
3.1 Gründe für eine Berufsausbildung in München
Die Jugendlichen nannten für ihre Entscheidung, in München eine Berufsausbildung zu beginnen, folgende Gründe:
Aus welchen Gründen nach München gekommen
(Mehrfachnennungen möglich)
politisches Asyl
0,1%
Bürgerkrieg
0,5%
Sonstiges
4,8%
Partner/-in lebt in
München
5,5%
Vermittlung Arbeitsamt
10,4%
in München Verwandte,
Freunde, Bekannte
11,0%
wollte unbedingt fort von
zu Hause
Heimatort für junge Leute
nicht attraktiv
wollte in Großstadt leben
fand München als Stadt
sehr anziehend
wollte etwas Neues wagen
zu Hause keinen Ausb.Platz gefunden
wollte eine
Berufsausbildung machen
14
15,4%
16,6%
20,5%
25,0%
36,7%
52,4%
89,4%
Es überrascht wenig, dass die meisten Jugendlichen angeben, wegen ihres Wunsches einer
Berufsausbildung nach München gekommen zu sein. Diese Kategorie wurde in erster Linie
deshalb erhoben, damit sich alle Jugendlichen in der Frage wiederfinden. Etwas mehr als die
Hälfte der Jugendlichen gibt jedoch an, zu Hause keinen Ausbildungsplatz gefunden zu haben. Für zahlreiche Jugendliche war der Schritt in ein selbständiges Leben bedeutend. So
geben 36,7 % an, sie wollten mit ihrer Ausbildung in München etwas Neues wagen und
15,4 % der Jugendlichen wollten von zu Hause weg. Unter den 4,8 % der Jugendlichen, die
“sonstige Gründe” nennen, finden sich insbesondere solche, die gemeinsam mit den Eltern
nach München gezogen sind. Bei einzelnen Gründen ergeben sich je nach Herkunft der Jugendlichen teilweise sehr deutliche Unterschiede:
Ausgewählte Motivationsgründe für München nach regionaler Herkunft
Alte Länder (ohne Bayern)
Restliches Bayern
67%
Neue Länder (ohne Berlin)
55%
52%
44%
44%
38%
32%
18%
10%
zu Hause k. Ausb.-Pl.
gefunden
34%
32%
München als Stadt sehr
anziehend
14%
wollte in Großstadt leben
wollte etwas Neues wagen
Besonders stark unterscheiden sich die Jugendlichen nach ihrer regionalen Herkunft in dem
Motiv, wegen eines zu Hause mangelnden Ausbildungsplatzes nach München gekommen zu
sein. Stimmt hier nur ein Zehntel der aus den alten Ländern stammenden Jugendlichen zu,
so sind es bei den bayerischen bereits ein Drittel, bei denjenigen aus den neuen Ländern jedoch zwei Drittel. Demgegenüber haben sich viele der westdeutschen Jugendlichen bewusst
und gezielt für München bzw. die Ausbildung in einer Großstadt entschieden, während diese
Gründe nur von vergleichsweise wenigen ostdeutschen Jugendlichen genannt werden.
Schließlich geben mehr als die Hälfte der aus den alten Ländern stammenden Auszubildenden an, sie wollten mit der Ausbildung in München etwas Neues wagen, während dieser Entscheidungsgrund nur auf ein Drittel der Jugendlichen aus den neuen Bundesländern zutrifft.
Die bayerischen Jugendlichen befinden sich jeweils zwischen den ost- und westdeutschen
Jugendlichen. Bei der Aussage, dass der Heimatort für Jugendliche nicht attraktiv genug erschien, ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Jugendlichen.
Es zeigt sich, dass bei Jugendlichen aus den neuen Ländern sehr oft der Wunsch dominiert,
überhaupt eine Ausbildung antreten zu können, wobei der Ausbildungsort oftmals nachrangig ist. So stimmen auch 69 % von ihnen der Aussage zu, sie wären nicht nach München gekommen, wenn sie zu Hause einen Ausbildungsplatz bekommen hätten. Stellvertretend hierzu sind nachfolgend einige Antworten von Auszubildenden aus den neuen Bundesländern
auf die Frage nach ihrem wichtigsten Grund für ihre Entscheidung, nach München zu kommen, wiedergegeben:
„Ich habe hier die Möglichkeit bekommen, meinen >Traumberuf< zu lernen. Zu
Hause hätte ich nicht einmal etwas in der Branche gefunden.“
15
„Eine Ausbildung zu bekommen, weil es in Sachsen wenig gibt, die Stadt an sich
war nicht der Grund zum Umziehen.“
„In Sachsen bekommt man sehr schlecht Lehrstellen und bevor ich nichts habe,
dachte ich mir, gehe ich lieber von zu Hause weg.“
„Um hier eine Ausbildung als Friseurin zu erlernen. Weil ich in meinem Heimatort
keine Ausbildung gefunden habe und mir nichts anderes übrig blieb.“
„Dass ich hier nach 50 Bewerbungen (quer durch Deutschland) einen Ausbildungsplatz bekommen habe.“
Bei Jugendlichen aus den alten Bundesländern bzw. Bayern stand - zum Teil auch durch ihr
höheres Alter begründet - bei der Entscheidung für eine Ausbildung in München demgegenüber oftmals der Wunsch im Vordergrund, auf eigenen Füßen zu stehen bzw. es gab Gründe, gezielt nach München zu gehen. Diese Motivationsgründe spiegeln sich in den nachfolgenden Antworten von Auszubildenden aus den alten Bundesländern und Bayern zu ihrem
Hauptgrund für eine Ausbildung in München wider:
„Ich wollte mein eigenes Leben leben und versuchen, >alleine< klar zu kommen.“
„Ich möchte in meinem Leben viel Erfahrungen sammeln und viel sehen und
München ist für mich der erste Schritt dazu.“
„Neues, selbständiges und eigenständiges Leben anzufangen.“
„Weg von zu Hause sein, das Leben in die eigenen Hände nehmen! Aus dem
Kontrollbereich sein. Und 800 km sind noch nicht weit genug weg.“
3.2 Alleine oder mit anderen nach München gekommen
Mit 74 % kommen die meisten Jugendlichen alleine nach München, während 26 % angeben,
gemeinsam mit Partner, Freunden, Familienangehörigen, Verwandten oder anderen Auszubildenden des Betriebs nach München gekommen zu sein. Diese Jugendlichen standen also
nicht vor der Aufgabe, alleine mit einer neuen Situation fertig werden zu müssen, sondern
konnten Probleme mit anderen gemeinsam lösen. Auszubildende aus den alten Bundesländern und Bayern kommen mit 77 % tendenziell etwas häufiger alleine nach München als die
Jugendlichen aus den neuen Bundesländern, von denen 73 % alleine kommen.
3.3 In München bereits bestehende Kontakte
Wichtiger als die Frage, ob man alleine oder gemeinsam mit anderen kommt, kann es jedoch
sein, ob man schon jemanden in München kennt. Denn die Unterstützung durch bereits in
München lebende Personen kann eine bessere Orientierung und das Einleben in der neuen
Stadt wesentlich erleichtern. Bereits im Vorfeld eines Umzugs können in München lebende
Ansprechpartner bei dessen Vorbereitung wichtige Hilfestellungen leisten. So können sie
beispielsweise bei der Wohnungssuche hilfreich sein bzw. eine vorübergehende Unterkunft
zur Verfügung stellen.
Die Hälfte der Jugendlichen verfügte bereits vor Ausbildungsbeginn über Kontakte in München. Meist handelt es sich hierbei um Freunde und Bekannte oder Familienangehörige und
Verwandte. Darüber hinaus kennen einige bereits zukünftige Kollegen aus ihrem Ausbildungsbetrieb oder ihr Partner wohnt schon in München. Am häufigsten verfügen - aufgrund
ihrer räumlichen Nähe - mit 71 % die aus Bayern stammenden Jugendlichen bereits über
Kontakte in München. Die aus den neuen Bundesländern kommenden Jugendlichen kennen
hingegen mit 44 % am seltensten bereits vor ihrem Umzug andere in München lebende Personen, bei den aus den alten Bundesländern stammenden Jugendlichen beträgt dieser
16
Anteil 59 %. Somit können ostdeutsche Jugendliche zu Beginn ihrer Ausbildung seltener als
andere Jugendliche auf bereits in München bestehende Kontakte und Hilfestellungen zurückgreifen.
3.4 Information über den freien Ausbildungsplatz
Die Jugendlichen haben aus sehr unterschiedlichen Quellen von dem freien Ausbildungsplatz erfahren:
Woher von Ausbildungsplatz gewusst
(Mehrfachnennungen möglich)
Schule, Lehrer
Personen aus Betrieb
Arbeitsamt München
ASIS
Familienangehörige,
Verwandte
2%
4%
7%
11%
14%
Freunde, Bekannte
15%
Sonstiges
15%
Internet
Arbeitsamt Heimatort
Zeitungsannonce des
Betriebs
18%
19%
21%
Als häufigste Informationsquelle erscheint im Diagramm mit 21 % die Zeitungsannonce des
Betriebes. Dies soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass anderen Informationskanälen eine stärkere Bedeutung zukommt. Diese sind allerdings im obigen Schaubild genauer
untergliedert. So sind die unterschiedlichen Kontaktarten differenziert nach Personengruppen dargestellt, um darzustellen, dass hier Freunden und Bekannten mit 15 % und Familienangehörigen mit 14 % eine stärkere Bedeutung zukommt als aus dem Betrieb stammenden Personen (4 %) oder den Lehrern bzw. der Schule (2 %). 19 % der Jugendlichen wussten über das Arbeitsamt ihres Heimatortes von dem Ausbildungsplatz, 7 % über das Arbeitsamt München. Die Kategorie “Sonstiges” ist mit 15 % relativ stark besetzt. Hier handelt es
sich überwiegend um Jugendliche, die beispielsweise über die Gelben Seiten oder Branchenführer die Information über den freien Ausbildungsplatz erlangt und direkt bei den Ausbildungsbetrieben angefragt haben.
Zur besseren Veranschaulichung sind nachfolgend einige Kategorien aus dem obigen
Schaubild zusammengefasst. So finden sich im nachfolgenden Diagramm unter “Kontakte”
17
alle wieder, die oben in mindestens einer der vier Kategorien “Freunde, Bekannte”, “Familienangehörige, Verwandte”, “Personen aus Betrieb” oder “Schule, Lehrer” aufgeführt sind.
Entsprechend handelt es sich auch nicht um eine Addition der oben genannten Prozentwerte, da sich diese in der aggregierten Darstellung aufgrund von Mehrfachnennungen reduzieren:
Woher von Ausbildungsplatz gewusst - aggregierte Darstellung
(Mehrfachnennungen möglich)
Sonstiges
Zeitungsannonce
Arbeitsamt
ASIS/Internet
Kontakte
15%
21%
24%
26%
31%
In der aggregierten Darstellung wird deutlich, dass nicht Zeitungsannoncen für die Rekrutierung der befragten Auszubildenden die stärkste Bedeutung zukommt, sondern dass mit 31 %
die Jugendlichen am häufigsten über Kontakte vom Ausbildungsplatz erfahren haben. Ein
hoher Stellenwert kommt hier sicher den Jugendlichen zu, die in München einen Ausbildungsplatz gefunden haben und in ihrer Heimat über freie Ausbildungsplätze informieren. So
weiß eine Personalentwicklerin aus dem Ausbildungsbereich eines großen Münchener
Dienstleistungsunternehmens zu berichten:
„Es gibt einen Ort in der Nähe von Berlin, und da habe ich einen Bewerber eingestellt von dort und der macht jetzt anscheinend unwahrscheinlich Reklame,
weil jetzt habe ich schon die fünfte Bewerbung aus diesem ziemlich kleinen Ort.
Und das ist natürlich auch das andere, die haben die Verbindung zu Hause und
sagen: >Pass auf, ich hab da was und das ist toll und München ist toll!< Also, so
kommen auch viele zu uns, durch Empfehlung.“
Betrachtet man die Informationsquellen nach Berufen bzw. Berufsgruppen, so ergeben sich
sehr deutliche Unterschiede: Mit 69 % wussten Befragte, die einen IT-Beruf erlernen, dreimal
häufiger über ASIS bzw. Internet von ihrem Ausbildungsplatz als die Jugendlichen in den anderen Berufen (23 %). Dies dürfte zum einen darauf zurückzuführen sein, dass angehende
IT-Fachleute eine hohe Affinität für entsprechende Suchstrategien haben und die Ausbildungsbetriebe in diesem Bereich auch verstärkt über das Internet präsent sind. Im Hotelfach
kommt der Initiativbewerbung eine herausragende Bedeutung zu. 43 % der angehenden
Hotelfachleute geben unter „Sonstiges“ an, sich insbesondere über Hotelführer, den Hotelund Gaststättenverband oder die Gelben Seiten über freie Ausbildungsplätze informiert zu
haben. Bei den anderen Berufen gaben nur 7 % der Jugendlichen an, „sonstige Informationsquellen“ genutzt zu haben. Mit 47 % haben besonders häufig Fleischereifachverkäuferinnen über Zeitungsannoncen von ihrem Ausbildungsplatz erfahren. Anzeigen in Zeitungen waren daneben auch bei Zahnarzthelferinnen (41 %) und Arzthelferinnen (34 %) von
großer Bedeutung. In allen übrigen Berufen wussten hingegen nur 9 % der Jugendlichen aus
Zeitungsannoncen von ihrem Ausbildungsplatz. Es ist also festzustellen, dass zwischen den
in der Befragung vertretenen Ausbildungsberufen deutlich unterschiedliche Rekrutierungswege existieren.
18
3.5 Bewerbungen
Im Durchschnitt haben sich die Jugendlichen 29,46mal beworben, wobei neun Befragte sich
200 bis 250mal beworben haben und ein Jugendlicher sogar 600 Bewerbungen verfasste.
6,5 % der Jugendlichen waren hingegen bereits mit ihrer ersten Bewerbung erfolgreich:
Anzahl der Bewerbungen (Durchschnitt = 29,46)
28%
22%
19%
17%
14%
1 bis 5
6 bis 10
11 bis 20
21 bis 50
mehr als 50
Genügten bei 39 % der Auszubildenden maximal zehn Bewerbungen, so haben sich 14 %
der Befragten mehr als 50mal beworben. Nur 1 % der bayerischen Jugendlichen und 7 %
der westdeutschen Jugendlichen mussten sich mehr als 50mal bewerben, während dies bei
17 % der ostdeutschen Jugendlichen der Fall war. Entsprechend unterscheiden sich die
Auszubildenden nach ihrer regionalen Herkunft in der Zahl der Bewerbungen deutlich voneinander:
Anzahl der Bewerbungen nach regionaler Herkunft
34,61
16,79
neue Bundesländer
alte Bundesländer (ohne Bayern)
13,69
übriges Bayern
Die Jugendlichen aus den neuen Bundesländern haben durchschnittlich gut doppelt so viele
Bewerbungen geschrieben wie die aus den alten Bundesländern. Am wenigsten Bewerbungen waren bei den bayerischen Jugendlichen erforderlich.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich west- und ostdeutsche Jugendliche in ihrer
Motivation für eine Berufsausbildung in München deutlich voneinander unterscheiden. Überwiegt bei den Jugendlichen aus den neuen Bundesländern die schlechte Situation am heimischen Ausbildungsstellenmarkt, so steht bei vielen Jugendlichen aus den alten Bundesländern der Wunsch im Vordergrund, in München selbständig zu leben und neue Erfahrungen
zu sammeln. Am häufigsten erfahren Jugendliche über freie Ausbildungsplätze durch Kontakte, sei es zu Freunden, Bekannten, Familienangehörigen, Verwandten, Betriebsangehörigen oder Lehrern. Ein hoher Anteil hat über das Internet bzw. ASIS vom freien Ausbildungsplatz erfahren. Zwischen den Berufen ergeben sich bei den Informationsquellen starke Unterschiede. Bei den IT-Berufen kommt dem Internet hier eine herausragende Bedeutung zu,
bei den Fleischereifachverkäufern besitzt die Zeitungsannonce die stärkste Verbreitung. Aufgrund der schlechten Situation am heimischen Ausbildungsstellenmarkt müssen sich ostdeutsche Jugendliche schließlich am öftesten bewerben, um einen Ausbildungsplatz zu finden.
19
4 Situation als Neuankömmling
In der Befragung wurde erhoben, wie es den Jugendlichen als Neuankömmling in München
ergangen ist. War es schwierig für sie, sich in der neuen Stadt zurecht zu finden? Fühlten sie
sich in ihrer neuen Umgebung wohl? Hatten sie Heimweh? Die Jugendlichen konnten schildern, was für sie als Neuankömmling einfach war und auf welche Unterstützung sie zurückgreifen konnten. Daneben konnten sie beschreiben, welche Probleme und Schwierigkeiten
sich für sie ergeben haben. Darüber hinaus wurden die Auszubildenden gebeten, ihre Situation als Neuankömmling mit der aktuellen Situation zum Zeitpunkt der Befragung zu vergleichen.
4.1 Schwierigkeit in verschiedenen Lebensbereichen
Die Jugendlichen wurden gefragt, wie einfach oder schwierig ihnen als Neuankömmling in
München verschiedene Lebensbereiche gefallen sind:
Wie einfach oder schwierig war es ...
... sich in neuer Stadt
zurecht zu finden
11%
... sich in neuer Umgebung
wohlzufühlen
12%
... Freundeskreis zu finden
... Freizeitmöglichkeiten zu
erkunden
20%
sehr einfach
17%
31%
42%
21%
6%
31%
35%
6%
5%
31%
40%
16%
... Heimweh
... finanziell über die
Runden zu kommen
52%
18%
41%
30%
23%
40%
eher einfach
11%
26%
35%
eher schwierig
sehr schwierig
Die größte Schwierigkeit in den sechs ausgewählten Lebensbereichen bestand für die neu
angekommenen Auszubildenden in ihrer finanziellen Situation. So geben 35 % an, dass es
für sie sehr schwierig war, finanziell über die Runden zu kommen, weitere 40 % bezeichnen
es als schwierig und für nur 5 % gestaltete sich die finanzielle Situation als sehr einfach. Bei
Heimweh ist die Streuung der Antworten am größten. Für 26 % war Heimweh zu Beginn sehr
schwierig, während es für 21 % sehr einfach war. Der Bereich, den die meisten Jugendlichen
als einfach beschreiben, bildet das Zurechtfinden in der neuen Stadt. Insgesamt ist aber festzuhalten, dass jede der sechs ausgewählten Dimensionen von deutlich mehr als einem Drittel der Jugendlichen als anfangs schwierig beschrieben wird.
Es überrascht, dass sich bei den Schwierigkeiten der Jugendlichen keine signifikanten Unterschiede in Abhängigkeit von der Größe ihres Herkunftsortes beobachten lassen. Lediglich
die Orientierung in der neuen Stadt, das Wohlfühlen in der neuen Umgebung sowie Heimweh bereiten Jugendlichen aus Orten mit unter 5.000 Einwohnern tendenziell etwas mehr
Schwierigkeiten.
20
Mit Ausnahme des Findens eines Freundeskreises haben die Auszubildenden in Abhängigkeit vom Alter unterschiedlich starke Schwierigkeiten. In der Regel ergeben sich für die älteren Jugendlichen seltener Probleme. Allein bei der finanziellen Situation haben sie häufiger
Schwierigkeiten als jüngere Auszubildende. Jüngere Auszubildende sind es offenbar noch
stärker gewohnt, mit wenig Geld auszukommen als ältere Auszubildende. Bezeichnen es
von den bei Ausbildungsbeginn unter 17jährigen 28 % als sehr einfach oder einfach, finanziell über die Runden zu kommen, so beträgt dieser Anteil bei den über 21jährigen lediglich
13 %. Demgegenüber beschreiben 55 % der unter 17jährigen Auszubildenden ihr Heimweh
als sehr schwierig oder schwierig, während sich dieser Anteil bei den über 21jährigen auf
30 % beläuft.
Auch zwischen den Geschlechtern ergeben sich - mit Ausnahme der finanziellen Situation Unterschiede. In allen anderen Bereichen geben Jungen seltener als Mädchen an, Probleme
gehabt zu haben. Besonders deutlich ist dies beim Heimweh: Mit 58 % bezeichnen doppelt
so viele Mädchen als Jungen (29 %) ihr Heimweh zu Beginn der Ausbildung als schwierig
oder sehr schwierig. Auch nach regionaler Herkunft ergeben sich Unterschiede. Das Zurechtfinden in der neuen Stadt, das Erkunden der Freizeitmöglichkeiten, das Wohlfühlen in
der neuen Stadt und Heimweh ist für die Auszubildenden aus den neuen Bundesländern am
schwierigsten. Bezeichnen es von den westdeutschen Jugendlichen 32 % und von den bayerischen Jugendlichen 36 % als schwierig oder sehr schwierig, sich in der neuen Stadt wohl
zu fühlen, so beträgt dieser Anteil unter den ostdeutschen Jugendlichen 54 %.
4.2 Hilfestellung und Unterstützung für Neuankömmlinge
Bei der Befragung wurde erhoben, in welchen Bereichen die Jugendlichen als Neuankömmlinge Hilfestellung und Unterstützung erfahren haben bzw. was für sie einfach war. Nachfolgend werden die meistgenannten Bereiche vorgestellt und stellvertretend jeweils Antworten
der Jugendlichen wiedergegeben.
Eltern
Viele Jugendliche verweisen darauf, dass in der ersten Zeit in München ihre Eltern für sie
sehr wichtig waren. Die elterliche Hilfe beschränkt sich nicht auf finanzielle Zuwendungen,
sondern erstreckt sich auch auf den Bereich der sozialen und emotionalen Unterstützung:
„Die Eltern haben einen unterstützt, finanziell, aber auch über das Heimweh hinweggeholfen.“
Familienangehörige und Verwandte in München
Neben den Eltern bilden bereits in München wohnende Familienangehörige und Verwandte
eine Unterstützungsquelle, die besonders in der Anfangszeit sehr wichtig sein kann:
„Mein Bruder wohnt schon länger hier und hatte einen großen Freundeskreis, der
mir gleich Unterstützung schenkte.“
„Ich habe meinen Onkel hier, ich geh´ immer zu ihm hin, wenn ich nicht weiter
weiß.“
Freunde und Bekannte in München
Ähnlich wird die Anfangsphase oftmals deutlich erleichtert, wenn Jugendliche bereits über
Kontakte und Anlaufstellen in München aus dem Freundes- und Bekanntenkreis verfügen:
„Meine beste Freundin ist schon ein Jahr vor mir nach München gegangen und
kannte sich dementsprechend schon aus, das hat den Einstieg wesentlich leichter gemacht!“
„Nachdem ich bereits mehrere Freunde kannte, die in München studieren, hatte
ich gleich Anschluss.“
21
Ausbilder, andere Auszubildende, Aktivitäten des Betriebes
Vor allem in der Anfangszeit können die Kontakte, die sich im Ausbildungsbetrieb ergeben,
für das Eingewöhnen der Jugendlichen sehr wichtig sein. Über die am Arbeitsplatz entstehenden Kontakte werden oft erste Freundschaften mit Münchener Jugendlichen geknüpft.
Vor allem größere Betriebe fördern bewusst den Aufau sozialer Netzwerke unter ihren Auszubildenden. Für manche Jugendlichen sind Arbeitgeber und Ausbilder wichtige Anlaufstellen bei Problemen:
„Der Betrieb trägt sehr viel dazu bei, dass die Auszubildenden Dinge miteinander
unternehmen und sich kennenlernen. Azubitreffen, Bar- oder Discobesuch nach
der Arbeit.“
„Mein Arbeitgeber hat mir sehr geholfen; ohne ihn hätte ich es nicht geschafft,
mich in München allein zurechtzufinden.“
„Der Lehrling aus dem 3. Lehrjahr (gleich zu anfangs) hat mir als neue Freundin
sehr geholfen, mich nicht so alleine gelassen, mal mit ins Kino genommen, oder
schwimmen gewesen. Das ging schon!“
„Meine Kollegen ... waren bzw. sind immer für mich da! Auch meine Chefin ist
immer da, wenn ich Probleme / Heimweh, oder was auf dem Herzen habe!“
Wohnheim, Wohngemeinschaft
Viele Jugendliche, die zu Beginn in ein Wohnheim oder in eine Wohngemeinschaft ziehen,
betonen, wie hilfreich für sie in der Anfangsphase die Unterstützung durch Betreuer und
andere Jugendliche war. Vor allem der Aufbau von Kontakten und das Knüpfen von
Freundschaften wird in Formen des gemeinschaftlichen Lebens sehr stark erleichtert:
„Die Betreuer im Wohnheim konnten mir sehr gut helfen, mich in München zurechtzufinden.“
„Habe in dem Wohnheim schnell Freunde gefunden. Weil alle aus Ostdeutschland sind, war es einfacher, sich wohl zu fühlen, weil man über Zuhause reden
konnte, wir unterstützen uns immer gegenseitig.“
„Bin in eine Wohngemeinschaft eingezogen. Hatte viel Kontakt zu meinen Mitbewohnern, die ich vorher noch nicht kannte.“
Broschüren und Führer über München
In ihren Antworten verweisen zahlreiche Jugendliche, dass sie bei ihrer Orientierung in München auf Broschüren und Informationsmaterialien zurückgegriffen haben. Dies ist eine wichtige Rückmeldung, da erkennbar wird, dass sich zumindest ein Teil der Jugendlichen über
schriftliches Material informiert. Insofern kann es durchaus sinnvoll sein, für neu nach München kommende Auszubildende Informationsbroschüren zu erarbeiten.
„Es gibt sehr viele Broschüren über München, Sport, Restaurants, Nightlife, Jugendprogramme usw.“
„Freizeitmöglichkeiten: PRINZ, lokale Zeitung (z. B. Sendlinger Anzeiger) etc.,
andere Infobroschüren über die Stadt – Touristik-Zentrale Marienplatz.“
4.3 Schwierigkeiten und Probleme für Neuankömmlinge
Wie bei den Unterstützungsleistungen werden nachfolgend die wichtigsten Bereiche vorgestellt, in denen sich für die Jugendlichen zu Beginn ihrer Ausbildung Probleme ergeben haben. Manche Bereiche sind komplementär zu den oben beschriebenen Hilfestellungen konnten manche Jugendliche bereits auf in München bestehende Freundschaften zurückgreifen, so haben andere große Probleme, sich in München einen Freundeskreis aufzubauen.
22
Fehlen von Eltern und Familie
Vor allem in der Anfangsphase ist es für viele Jugendliche nicht einfach, nicht mehr bei ihren
Eltern zu wohnen bzw. sie nur mehr selten sehen zu können:
„Die Umstellung, dass meine Familie und Freunde nicht mehr da waren.“
„Die Familie hat mir total gefehlt.“
Partner
Sehr problematisch war die Anfangszeit für einige der Jugendlichen mit einem am Heimatort
lebenden Partner:
„Habe einen festen Freund zu Hause und das war am schlimmsten für mich und
für unsere Beziehung.“
„Dass mein Freund so weit weg ist.“
Einsamkeit, Heimweh
Oftmals sehr eng verbunden mit den beiden erstgenannten Problembereichen sind Einsamkeit und Heimweh. Vielen Jugendlichen fehlen gerade beim Übergang in das Berufsleben
ihre gewohnten Ansprechpartner und sie fühlen sich in ihrer neuen Umgebung alleine und
einsam:
„Am Anfang das Gefühl, ganz alleine zu sein!“
„Dass niemand da war, der mich mal gedrückt hat, wo ich sehr deprimiert war
und geweint habe, da ich Probleme auf Arbeit habe.“
„Am schwierigsten ist die Einsamkeit. Die hat mir am Anfang am meisten Kummer bereitet. Wenn man dann einige Zeit hier lebt, kann man eigentlich gut neue
Kontakte knüpfen.“
Selbständigkeit / Leben alleine meistern
Für die meisten Jugendlichen ist es eine völlig ungewohnte Situation, plötzlich auf eigenen
Füßen zu stehen und auf viele Hilfestellungen nicht mehr zurückgreifen zu können, die vorher oftmals als selbstverständlich vorhanden galten. So werden auch die Behördengänge
von einigen als mühsam beschrieben. Bedenkt man, dass mehr als die Hälfte bei Ausbildungsbeginn noch unter 18 Jahre alt sind, so verwundert es nicht, dass mit der ungewohnten
Selbständigkeit auch Probleme einhergehen:
„Damit klarzukommen, dass ich jetzt mein eigenes Leben für mich führen muss
(Essen kaufen, Umgehen mit Geld).“
„Zum ersten Mal auf den eigenen Beinen zu stehen ist hart.“
„Man musste plötzlich Probleme selber lösen, wo einem vorher die Mutter noch
geholfen hat.“
„Die vielen Behördengänge, die man nun alleine machen muss, haben mir am
meisten Schwierigkeiten gemacht. Früher haben das ja die Eltern für mich gemacht!“
Probleme im Betrieb
Natürlich ergeben sich nicht nur für von auswärts kommende Jugendliche in ihrem Ausbildungsbetrieb Probleme. Aber anders als bei einheimischen Auszubildenden ist zu berücksichtigen, dass sie zusätzlich mit anderen Schwierigkeiten fertig werden müssen und seltener auf Unterstützungs- bzw. Kompensationsmöglichkeiten zurückgreifen können:
„Probleme mit Lehrstelle.“
„In der Praxis einzuleben (Patienten, Arbeitskollegen, Chef).“
23
Wohnung, Wohnungssuche
Wie auch im Kapitel zur Wohnsituation beschrieben, können sich für die Jugendlichen im
Bereich Wohnen vielfältige Probleme ergeben. So ist es oft schwierig, überhaupt eine Wohnung zu finden. Viele Jugendliche klagen über Probleme mit ihren Mitbewohnern im Ausbildungsbetrieb, Wohnheim oder der WG.
„Der Wohnungsmarkt ist eine Katastrophe, es gibt so gut wie keine Wohnungen
und die wenigen, die sind für meine Gehaltsklasse unbezahlbar.“
„Unterkunft zu finden; bin immer noch auf Wohnungssuche. Viele Vermieter geben Azubis keine Chance, aus Angst vor Mietrückständen...“
„Mit Leuten zusammen zu wohnen, mit denen man sich nicht versteht.“
Freundeskreis aufbauen
Fällt es - wie im vorigen Abschnitt beschrieben - manchen Jugendlichen, die im Wohnheim
oder einer WG leben, sehr leicht, neue Freundschaften zu knüpfen, so geht dies für andere
Auszubildende teilweise mit großen Problemen einher:
„Freunde in München zu finden ist nicht so leicht. Ich habe erst nur die Leute von
der Arbeit gekannt. Später hatte ich dann Freunde in der Schule.“
„Es war sehr schwierig, Freunde zu finden. Ich hab dann die ganze Zeit in meiner
Wohnung rumgesessen und Fernsehen geschaut.“
Freizeitmöglichkeiten erkunden
Für viele Auszubildende ist die Erkundung des Münchener Freizeitangebots nicht einfach
bzw. sie müssen aus dem vorhandenen Angebot das für sie zutreffende herausfinden:
„Herauszufinden, wo man sich als Jugendlicher in München so aufhalten kann.“
„Entscheidungen beim vielfältigen Freizeitangebot zu treffen.“
Finanzielle Situation
Bereits bei der Betrachtung ausgewählter Problembereiche wurde deutlich, dass die finanzielle Situation von den meisten Jugendlichen als sehr belastend erlebt wird. Vor allem die
hohen Miet- und Lebenshaltungskosten können sie oftmals ohne Hilfestellung mit ihrer Ausbildungsvergütung alleine nicht bezahlen. Teilweise verfügen die Auszubildenden jedoch
auch bereits über einen hohen Lebensstandard bzw. hohe Fixkosten:
„München ist sehr teuer (überzogen). Ohne Unterstützung der Eltern kann es
sich ein Auszubildender nicht leisten, in München zu wohnen.“
„In München ist alles arschteuer, da macht Fortgehen keinen Spaß. Finanziell
gesehen, gut, das kann man nicht ändern, als Azubi mit eigener Wohnung, Auto
und Handy kommt man eben schlecht über die Runden.“
Großstadt
Manche Jugendliche müssen sich erst an das Großstadtleben gewöhnen. Einigen bereitet
die Anonymität Probleme:
„Die Umstellung vom Dorfleben auf Stadtleben (viel Stress und Hektik).“
„Anonymität der Großstadt.“
„Da ich auf dem Dorf aufgewachsen bin, war es schwierig, sich erst einmal an die
Stadt zu gewöhnen.“
Mentalität
Vor allem aus den neuen Bundesländern kommende Jugendliche klagen über Unterschiede
in der Mentalität der Münchener Jugendlichen bzw. Münchener Bevölkerung:
24
„Die Jugendlichen hier haben zum Teil ganz andere Vorstellungen als wir!“
„Ich komme hier mit den meisten Menschen nicht klar, da wir total andere Einstellungen haben.“
Sprache/Dialekt
Im Bereich Sprache ergeben sich zwei Probleme. Zum einen werden Jugendliche oftmals
aufgrund ihres sächsischen oder thüringischen Akzents gehänselt. Eine Berufsschullehrerin
berichtete, dass sich einige ihrer Schülerinnen zusammengeschlossen haben, um in ihrer
Freizeit möglichst akzent- bzw. dialektfreies Hochdeutsch zu üben, damit sie nicht sofort als
Ostdeutsche auffallen. Neben Problemen mit dem eigenen Dialekt führen manche Jugendliche an, bayerisch sprechende Münchner anfangs nur schwer verstanden zu haben:
„Man wird oft als Ossi abgestempelt und mit unserem Dialekt aufgezogen.“
„An die Sprache muss man sich gewöhnen, bis man sie verstehen kann.“
Vorurteile gegenüber Ostdeutschen
Auch zehn Jahre nach der Wiedervereinigung ergeben sich für viele Jugendliche Probleme,
weil sie aufgrund ihrer Herkunft aus den neuen Bundesländern belächelt oder ausgegrenzt
werden:
„Ost - West - Konflikt, Preuße - Nicht-Preuße. Man wird als Jugendlicher Ossi
nicht anerkannt, man findet nur schwer Freunde.“
„Dass man als Ostdeutscher immer mal mit einem dummen Spruch rechnen
muss“.
„Man wird als dummer Ossi beschimpft.“
MVV
Einige Jugendliche hatten anfangs Probleme mit dem MVV-Netz und seinem Tarifsystem:
„Das Zurechtfinden im MVV-Netz, da es in der Region, aus der ich komme, keine
U-Bahnen, S-Bahnen gibt.“
„Besonders schwierig ist das Lesen der Bahnkosten (die in Ringe aufgeteilt
sind).“
Ausländer
Manche ostdeutsche Auszubildende verweisen darauf, dass es für sie anfangs zumindest
ungewohnt war, in München so viele ausländische Mitbürger anzutreffen. Nehmen einige
Aussagen nur auf die Höhe des Ausländeranteils bezug, beinhalten andere jedoch bereits
Vorurteile:
„Sehr viele Ausländer, war zu Hause nicht so.“
„Dass ich überall nur Türken und weiß Gott was sah und eigentlich seltener einen
Deutschen.“
„Mit den vielen Ausländern, die schneller Wohnungen bekommen, klarzukommen.“
4.4 Situation als Neuankömmling - aktuelle Situation
Den Jugendlichen wurden im Fragebogen vier Aussagen zum Vergleich ihrer aktuellen Situation mit der als Neuankömmling vorgelegt. Sie wurden gebeten, die Aussage auszuwählen, welche ihre persönliche Situation am besten beschreibt:
25
Vergleich aktuelle Situation mit Situation als Neuankömmling
61%
20%
17%
2%
"Ich hatte von Anfang an
"Die erste Zeit in
in München keinerlei
München war manchmal
Probleme."
schwierig, aber
inzwischen finde ich
mich gut zurecht."
"Je länger ich in
München bin, desto
schwieriger wird es hier
für mich."
"Ich habe mich noch nie
in München heimisch
gefühlt."
17 % der Auszubildenden geben an, dass sie von Anfang an in München keine Probleme
hatten. Mit 61 % hatten die meisten Jugendlichen zwar anfangs Probleme, kommen inzwischen aber ganz gut zurecht. Von keiner gelungenen Integration kann man bei den 2 % der
Befragten ausgehen, die angeben, dass sich ihre Lage mit zunehmender Dauer der Ausbildung verschlechtert bzw. für diejenigen 20 %, die sich noch nie in München heimisch gefühlt
haben. Fasst man diese beiden Kategorien zusammen, so ergibt sich folgendes Bild: Ca. ein
Fünftel der Befragten haben in München keine Startschwierigkeit, wohingegen mit vier Fünftel die meisten Anfangsprobleme haben, die bei einem Fünftel zu dauerhaften Integrationsproblemen führen.
Bei dieser Beschreibung des Vergleichs der aktuellen Situation mit der Lage als Neuankömmling ist zu berücksichtigen, dass nur Jugendliche befragt wurden, die sich zum Befragungszeitraum, also im Frühjahr 2001, noch in Ausbildung befunden haben. Über all diejenigen, die bis dahin ihre Ausbildung bereits beendet haben, kann keine Aussage getroffen
werden. Es wird also die Situation derjenigen erfasst, die sich weiterhin in Ausbildung befinden, so dass - bezogen auf die Gesamtheit der Jugendlichen, die von auswärts kommend
eine Ausbildung in München beginnen - die Anpassungsprobleme vermutlich unterschätzt
werden. Es wird jedoch deutlich, dass auch für die in München ihre Ausbildung fortsetzenden
Jugendlichen die Anfangszeit in der Regel nicht einfach ist.
Älteren Jugendlichen und Auszubildenden aus den alten Bundesländern fällt der Wechsel
nach München leichter, wohingegen jüngere und Jugendliche aus den neuen Bundesländern
mehr Probleme haben. Es fällt auf, dass Abiturienten am seltensten zu den Jugendlichen mit
dauerhaften Integrationsproblemen zählen, sondern ihnen der Wechsel nach München auch
am häufigsten ohne Probleme gelingt. Dies ist sowohl bei den west- als auch den ostdeutschen Abiturienten zu beobachten. Natürlich kommt hier auch das höhere Alter der Abiturienten zum Tragen. Daher wurden in einem weiteren Auswertungsschritt nur die bei Ausbildungsbeginn volljährigen Befragten untersucht. Auch bei dieser Kontrolle des Alters ist zu
beobachten, dass Abiturienten das Einleben in der neuen Stadt signifikant leichter fällt als
Jugendlichen mit Mittlerer Reife bzw. Hauptschule: Haben 26 % der bei Ausbildungsbeginn
volljährigen Hauptschüler und 24 % derjenigen mit Mittlerer Reife dauerhafte Integrationsprobleme, so ist dieser Anteil bei den Abiturienten mit 13 % deutlich geringer.
26
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass bei jedem der bei der Befragung vorgelegten Lebensbereiche mindestens ein gutes Drittel der Jugendlichen bei ihrer Ankunft in München
Probleme hatte. Von der Schwierigkeit, finanziell über die Runden zu kommen, waren dabei
die meisten betroffen. Sehr hilfreich für Neuankömmlinge ist es, wenn sie bei ihrer Ankunft
bereits in München lebende Familienangehörige, Verwandte oder Bekannte haben. Der Einstieg in München und der Aufbau eines Freundeskreises fällt in diesen Fällen sehr viel einfacher. Insgesamt haben rund vier Fünftel der Befragten in München Anfangsschwierigkeiten, die sich bei gut einem Fünftel auch auf Dauer nicht lösen. Besonders gut gelingt Abiturienten der Start in München. Offenbar wird mit dem Reifezeugnis auch häufig das Rüstzeug
erworben, sich selbständig in einer neuen Umgebung zu orientieren.
27
5 Wunsch, nach der Ausbildung in München zu bleiben
Der folgende Abschnitt widmet sich der Frage, welche Pläne die Jugendlichen für die Zeit
nach ihrer Berufsausbildung haben: Sind sie nach München gekommen, um in München zu
bleiben? Wollen sie nach der Berufsausbildung wieder zurück in ihre Heimat? Zieht es manche vielleicht ganz woanders hin - in eine andere Region oder ins Ausland? Darüber hinaus
wird untersucht, ob die Jugendlichen ihre Ausbildung überhaupt beenden wollen oder ob sie
sich eventuell mit dem Gedanken tragen, sie abzubrechen. Dabei werden auch die Abbruchgründe erhoben: Gefällt es ihnen im Betrieb nicht, haben sie den falschen Beruf gewählt
oder wird das Heimweh zu groß?
5.1 Absicht, in München zu bleiben
Für den Wirtschaftsraum München ist es von großer Bedeutung, ob die Jugendlichen zur
Ausbildung nach München kommen, um im Anschluss nach Möglichkeit wieder in ihre Heimat zurückzukehren oder ob sie in München bleiben möchten. Genauso interessant ist es für
die Heimatregionen der Jugendlichen, ob diese auf Dauer weggezogen sind oder aber eine
Rückkehr planen. Daher wurden die Jugendlichen gefragt, welche Pläne sie im Anschluss an
ihre Berufsausbildung haben:
Absicht, nach Ausbildung in München zu bleiben
42%
29%
12%
will in München bleiben will zurück an Heimatort
17%
will an anderen Ort
weiß noch nicht
Bei der Bewertung der Antworten muss berücksichtigt werden, dass die Jugendlichen ihren
aktuellen Wunsch äußern konnten, darin aber noch nicht dessen Realisierungsgrad berücksichtigt ist. So müssen beispielsweise diejenigen, die nach ihrer Ausbildung in die Heimat
zurückkehren oder ins Ausland gehen möchten, zuvor einen entsprechenden Arbeitsplatz
finden. Auszubildende, die in München bleiben möchten, können im weiteren Verlauf ihrer
Ausbildung einen Partner aus ihrer Heimat kennenlernen und in der Folge wieder zurückkehren wollen. Es handelt sich also um Absichtserklärungen der Befragten, die mitunter von ihrem tatsächlichen zukünftigen Verhalten deutlich abweichen können. Nichtsdestotrotz sind
die Antworten für eine erste Einschätzung der Zukunftsabsichten der Jugendlichen gut geeignet.
Es überraschend nicht, dass ein großer Anteil der Jugendlichen mit „weiß noch nicht“ antwortet: 42 % haben sich noch nicht entschlossen, wo sie nach ihrer Ausbildung leben möchten bzw. antizipieren, dass ihre Entscheidung noch von vielen Unwägbarkeiten beeinflusst
werden kann. Sicher haben sich auch einige Jugendliche mit dieser Frage noch nicht intensiv auseinander gesetzt, sondern konzentrieren sich zunächst auf ihre Ausbildung. Mit 29 %
möchten beinahe 2 1/2mal so viele der Befragten in München bleiben als in ihre Heimat zurückkehren wollen. Es überrascht, dass 17 % der Jugendlichen nach der Ausbildung weder
in München bleiben noch in ihre Heimat zurückkehren, sondern an einen anderen Ort gehen
wollen. Hier ist der Anteil der Hotelfachleute besonders hoch, von denen mit 36 % die meisten an einen anderen Ort möchten. Fasst man die drei HoGa-Berufe Restaurantfachleute,
Hotelfachleute und Köche zusammen, so zieht es sie mit gut 32 % mehr als dreimal so häu28
fig an andere Orte als die Auszubildenden der anderen Berufe, von denen nur 10 % nach der
Ausbildung an einen anderen Ort möchten. Als Ziel nennen die Jugendlichen überwiegend
Länder und Orte des europäischen Auslands, wobei Spanien bzw. Barcelona besonders
attraktive Ziele zu sein scheinen. Außerhalb Europas werden häufig die USA oder Kanada
genannt. Einige der Jugendliche verweisen darauf, dass sie im Anschluss an ihre Ausbildung
gerne auf einem Kreuzfahrtschiff arbeiten möchten. Gerade im Hotel- und Gaststättengewerbe geht Mobilität mit den gewählten Berufen einher und es eröffnen sich - zumal in jungen Jahren - für die Absolventen vielfältige Möglichkeiten, in der internationalen Tourismusbranche Erfahrungen zu sammeln. Der Austausch mit dem Ausland wird von der Städtischen
Berufsschule für das Hotel- und Gaststättengewerbe unterstützt. Sie nimmt am europäischen
Mobilitätsprogramm Leonardo teil und entsendet junge Hotelfachleute, Restaurantfachleute
und Köche nach abgeschlossener Ausbildung aus München ins europäische Ausland.
Außerdem gibt es bilaterale Austauschprogramme mit Frankreich und Israel. Darüber hinaus
besteht in einigen Klassen das Angebot, Spanisch zu lernen.
Interessant ist ein Vergleich der geäußerten Zukunftspläne nach Ausbildungsjahren:
Absicht, nach Ausbildung in München zu bleiben
nach Ausbildungsjahr
46%
44%
43%
1. Ausb.-Jahr
2. Ausb.-Jahr
3. Ausb.-Jahr
30%
27%
24%
22%
18%
16%
14%
8%
will in München bleiben
8%
will zurück an Heimatort
will an anderen Ort
weiß noch nicht
Zum Ende der Ausbildung sinkt der Anteil der Unentschlossenen. Im dritten Ausbildungsjahr
antworten nur noch 30 % mit “weiß noch nicht”, während 70 % eine Entscheidung getroffen
haben. Über die drei Ausbildungsjahre hinweg nimmt der Anteil derjenigen zu, die in München bleiben wollen, während es immer weniger Jugendliche zurück in ihre Heimat zieht.
Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass sich viele dieser Jugendlichen mit Fortdauer
der Ausbildung besser in München einleben und der Rückkehrwunsch daher im Lauf der Zeit
abnimmt. Darüber hinaus warten manche zunächst ab, wie es ihnen in München ergeht, um
sich dann im Laufe der Ausbildung zu entscheiden. So beschreibt ein Jugendlicher in einem
vor der Untersuchung durchgeführten Gespräch seine Planung:
„Ich habe hier ein neues Leben angefangen. Ich habe ja eigentlich auch vorgehabt zu bleiben, wenn es klappt. Daheim ist einfach nichts mehr für mich, da ist
tote Hose. Jetzt habe ich mich einmal hier eingelebt, weiß, was Spaß ist, wo du
hingehen kannst und bei uns gibt es nicht mal eine Disco oder nichts, nichts für
Jugendliche und was soll ich denn da?”
Die Ausbildungsbeauftragte eines großen Münchener Unternehmens verweist darauf, dass
es sich bei vielen Jugendlichen um eine Entwicklung handelt, in deren Verlauf sich zunehmend mehr dazu entschließen, auf Dauer in München zu bleiben:
29
„Die, die von außerhalb kommen, die knien sich unwahrscheinlich rein, weil sie
sagen, ich möchte etwas. Und dann findet auch noch einmal eine Phase statt, wo
sie sich selber überlegen, ob sie jetzt hierbleiben oder weggehen. Weil am Anfang ist es ja so, sie kommen, möchten die Ausbildung machen und dann doch
weggehen, also wieder nach Hause gehen, aber es ist so, die orientieren sich
schon um und sagen: >Nein, ich bleibe lieber hier. Also, jetzt war ich die letzten
drei Jahre hier, hab das gut auf die Reihe gebracht, also bleibe ich auch weiter.<“
Nachfolgend wird betrachtet, inwiefern sich die Befragten hinsichtlich ihrer Zukunftspläne
nach ihrer regionalen Herkunft unterscheiden:
Absicht, nach Ausbildung in München zu bleiben
nach regionaler Herkunft
Alte Länder (ohne Bayern)
43%
Restliches Bayern
Neue Länder (ohne Berlin)
44%
42%
36%
32%
24%
17%
19%
13%
13%
13%
4%
will in München bleiben
will zurück in Heimat
will an anderen Ort
weiss noch nicht
Bei den Jugendlichen aus den neuen Bundesländern fällt auf, dass von ihnen besonders viele in München bleiben wollen. Mit 4 % ist unter den Jugendlichen aus den alten Bundesländern der Anteil derjenigen, die zurück an ihren Heimatort möchten, am niedrigsten, wohingegen sie am häufigsten an einen anderen Ort möchten. Diese Tatsache ist insbesondere darauf zurück zu führen, dass unter ihnen besonders viele angehende Hotelfachleute mit der
bereits beschriebenen hohen Mobilität sind.
Der weitere Verbleib in München wird erheblich davon beeinflusst, wie die Jugendlichen mit
auftretenden Problemen fertig werden und wie erfolgreich sie sich in München integrieren
können. Daher wird nachfolgend die Zukunftsplanung der Jugendlichen in Abhängigkeit vom
Vergleich ihrer aktuellen Situation mit der als Neuankömmling betrachtet:
30
Absicht, nach der Ausbildung in München zu bleiben
nach Vergleich der aktuellen Situation mit der Situation als Neuankömmling
keine Probleme
Anfangsprobleme
dauerhafte Integrationsprobleme
39%
33%
45%
39%
38%
32%
23%
20%
15%
7%
7%
2%
will in München bleiben will zurück an Heimatort
will an anderen Ort
weiß noch nicht
Die Jugendlichen, die von Anfang an in München keine Probleme hatten, möchten mit 39 %
am häufigsten in München bleiben. Etwas geringer ist dieser Anteil unter denjenigen, für
welche die erste Zeit zwar schwierig war, die sich inzwischen aber gut zurecht finden. Ganz
andere Pläne haben diejenigen, für die sich in München dauerhafte Integrationsprobleme
ergeben. Nur 7 % von ihnen geben an, in München bleiben zu wollen. Besonders deutlich
unterscheiden sie sich in ihrem Rückkehrwunsch in die Heimat von den Jugendlichen ohne
Startprobleme: Mit 32 % möchten 16mal (!) so viele von ihnen zurück in die Heimat als von
denjenigen, die in München keinerlei Startprobleme hatten. Nur 2 % dieser Jugendlichen
äußern, nach der Ausbildung in ihre Heimat zurückkehren zu wollen.
Erstaunlicherweise wollen mit 23 % viele der Auszubildenden, deren Integration in München
nicht geklappt hat, ihr Glück an einem anderen Ort erneut versuchen. Unter denjenigen mit
Integrationsproblemen ist der Anteil der Unentschlossenen, die mit „weiß noch nicht“ antworten, darüber hinaus am geringsten. Offenbar hat der hohe Leidensdruck bei ihnen am
schnellsten zu einer Entscheidung beigetragen.
Auf die Planung der Zukunft kann eine Partnerschaft sehr starken Einfluss haben. Im Gegensatz zu Alleinstehenden müssen bei einer Partnerschaft die Wünsche und Pläne von
zwei Personen aufeinander abgestimmt werden. Daher werden nachfolgend die Zukunftspläne in Abhängigkeit vom Vorhandensein einer Partnerschaft betrachtet. Dabei wird unterschieden, ob der Partner in München oder in der Heimatregion lebt. Zur besseren Übersichtlichkeit bleiben die (insgesamt relativ wenigen) Fälle unberücksichtigt, in denen der Partner
in einer anderen Region lebt, also nicht in München oder am Heimatort des Befragten:
31
Absicht, nach Ausbildung in München zu bleiben
nach Partnerschaft
47%
kein Partner
42%
Parnter in München
38%
Partner an Heimatort
38%
28%
23%
20%
19%
15%
14%
11%
5%
will in München bleiben
will zurück an Heimatort
will an anderen Ort
weiß noch nicht
Der höhere Anteil der noch Untentschlossenen unter den partnerlosen Befragten kann als
Indikator dafür gewertet werden, dass mit dem Vorhandensein einer Partnerschaft auch eine
stärkere Verpflichtung zum Schmieden von Plänen der eigenen bzw. gemeinsamen Zukunft
einhergeht. Ungebundenheit vereinfacht auch berufliche Mobilität, so dass unter den Jugendlichen ohne Partner der Anteil derjenigen am höchsten ist, die nach ihrer Ausbildung an
einen anderen Ort möchten. Die Jugendlichen mit einem in München lebenden Partner
möchten ca. doppelt so oft in München bleiben als die anderen Befragten. Ebenso zieht es
Jugendliche mit einem Partner in der Heimat mit 28 % am häufigsten nach der Ausbildung
wieder zurück an ihren Herkunfsort, nämlich fast sechs mal häufiger, als dies bei den Jugendlichen mit einem Partner in München der Fall ist, von denen nur 5 % ihre Rückkehr beabsichtigen. Der Partnerschaft kommt also wie vermutet für die Planung der weiteren Zukunft
eine herausragende Bedeutung zu.
5.2 Abbruch der Berufsausbildung
Bei der Betrachtung der Abbruchbereitschaft der Jugendlichen ist zu berücksichtigen, dass
all diejenigen nicht befragt wurden, die zum Zeitpunkt der Erhebung ihre Ausbildung bereits
abgebrochen haben. Erfahrungsgemäß erfolgen die meisten der Abbrüche zu Beginn der
Ausbildung bzw. noch in der Probezeit. Das Gros der Abbrüche ist also bis zum Befragungszeitpunkt bereits erfolgt, so dass es nicht überrascht, dass von den befragten Jugendlichen
„nur“ etwas mehr als 8 % angeben, mit dem Gedanken zu spielen, ihre Ausbildung nicht zu
Ende zu führen, sondern vorzeitig abzubrechen.
Zwischen den Ausbildungsberufen ist die Bereitschaft zum vorzeitigen Abbruch bei den Fleischereifachverkäuferinnen mit 21 % am höchsten, während von den Automobilmechanikern,
Eisenbahnern im Betriebsdienst, IT-Berufen und Arzthelferinnen sich nur jeweils maximal gut
3 % mit dem Gedanken eines vorzeitigen Abbruchs beschäftigen.
Zwischen dem Grad der Integration in München und der geäußerten Abbruchbereitschaft
besteht eine starke Beziehung:
32
Anteil der Jugendlichen, die an einen Abbruch der Ausbildung denken nach
Vergleich Situation als Neuankömmling mit aktueller Situation
20,8%
5,4%
2,4%
keine Probleme
Anfangsprobleme
dauerhafte
Integrationsprobleme
Wie zu erwarten, verfügen die Jugendlichen, bei denen sich dauerhafte Integrationsprobleme
ergeben, über das höchste Abbruchrisiko, während dieses bei den Auszubildenden am niedrigsten ist, welche bei ihrem Start in München auf keinerlei Probleme gestoßen sind. So trägt
sich unter der ersten Gruppe jeder fünfte Befragte mit dem Gedanken, die Berufsausbildung
nicht zu beenden. Bei denjenigen ganz ohne Anfangsprobleme ist nur jeder Vierzigste von
Abbruchgedanken betroffen, bei denen mit Anfangsproblemen etwas mehr als jeder Zwanzigste. Hinsichtlich ihrer Abbruchneigung unterscheiden sich die Jugendlichen nach ihrer
regionalen Herkunft nicht voneinander.
Als Gründe für den möglichen Abbruch der Berufsausbildung kristallisieren sich aus den
offenen Antworten der Jugendlichen fünf Bereiche heraus: Zum einen lässt sich der Abbruch
auf eine falsche Wahl des Ausbildungsberufs zurückführen. Hier kommt zum Tragen, dass
Jugendliche mitunter aus der Not, überhaupt einen Ausbildungsplatz zu finden, sich vorschnell entschieden haben, ohne zu prüfen, ob der gewählte Beruf wirklich ihrer Eignung und
ihren Interessen entspricht. Weitere Gründe für einen möglichen Abbruch sind starkes Heimweh bzw. Probleme mit dem Ausbildungsbetrieb. Bei manchen Jugendlichen spitzt sich die
finanzielle Situation so dramatisch zu, dass sie an einen Abbruch denken. Darüber hinaus
gibt es Jugendliche, die mit ihrer Wohnsituation so unzufrieden sind, dass sie die Ausbildung
nicht beenden wollen, wenn sich beim Wohnen keine bessere Lösung finden lässt. Exemplarisch sind nachfolgend einige Antworten der Jugendlichen zu den Gründen für einen möglichen Abbruch der Berufsausbildung wiedergegeben:
„Mir macht die Arbeit keinen Spaß mehr. Ich möchte etwas lernen, was mir Spaß
macht. Ich hatte keine andere Lehrstelle gefunden.“
„Weil mir der Beruf nicht liegt und keinen Spaß macht. Es gefällt mir auch nicht in
München!“
„Da ich mit 16 Jahren nicht 400 km von meinen Freunden getrennt sein weil,
mich nicht mit Bayern verstehe und mich in Sachsen viel wohler fühle.“
„Ich will nach Hause, München ist nicht die richtige Stadt für mich. Heimweh!“
„Weil mein Chef ziemlich oft schlechte Laune hat und die Überstunden kann man
nicht absetzen und bezahlt werden sie auch nicht.“
„Arbeitsklima ist schlecht, man wird nur ausgenutzt, keine Freizeit, es hat mir
vom ersten Tag an keinen Spaß gemacht.“
„Komme mit dem Finanziellen nicht klar, vermisse meine Familie, Freunde, fühle
mich hier nicht zu Hause.“
33
„Ausbildungsvergütung ist zu gering, um in München leben bzw. überleben zu
können!“
„ Meine momentane Wohnsituation ist miserabel.“
„Wohnsituation sehr belastend, psychischer Stress!“
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich verständlicherweise mit 42 % ein hoher Anteil
der Jugendlichen noch nicht entschlossen hat, ob sie nach der Ausbildung in München bleiben wollen. Von denjenigen, die bereits eine Entscheidung getroffen haben, zieht es überraschend wenige zurück in die Heimat, aber vergleichsweise viele an einen anderen Ort bzw.
ins Ausland. Zwischen den Plänen der Jugendlichen und ihrer Integration in München besteht eine starke Korrelation. Unter den Jugendlichen ohne Anfangsprobleme in München
zieht es nur sehr wenige in die Heimat zurück, während dieser Anteil bei denjenigen mit dauerhaften Integrationsproblemen 16mal höher ist.
34
6 Wohnsituation
Für von auswärts nach München kommende Jugendliche bildet nach Unterzeichnung des
Ausbildungsvertrages die Suche nach einer Wohnung die nächste und oftmals sehr schwierig zu lösende Aufgabe. Daher wurde dem Thema Wohnen in der Befragung viel Raum gewidmet. Nachfolgend wird beschrieben, wie die Jugendlichen zu Beginn ihrer Ausbildung in
München wohnen. Wie schwierig ist es für sie, überhaupt eine Wohnung zu finden? Unterscheiden sich Jugendliche nach regionaler Herkunft in der Art der Unterkunft? Wohnen jüngere Auszubildende bevorzugt im Wohnheim? Wie häufig wechseln Jugendliche ihre Unterkunft? Wie zufrieden sind die Jugendlichen mit ihrer Wohnung, welche Verbesserungsvorschläge machen sie?
6.1 Wohnung zu Beginn der Ausbildung
Nach ihrem Umzug nach München wohnten die Jugendlichen zunächst wie folgt:
Art der Wohnung bei Ausbildungsbeginn
Sonstiges
6%
Wohngemeinschaft
Zimmer zur Untermiete
Unterkunft beim
Ausbildungsbetrieb
Wohnheim
Eigene Wohnung
9%
12%
22%
23%
28%
Zu Beginn ihrer Ausbildung bildet die eigene Wohnung mit 28 % die häufigste Art des Wohnens. Auf den Plätzen zwei und drei folgen die Unterbringung im Wohnheim und beim Ausbildungsbetrieb. Besonders häufig wohnen Fleischereifachverkäuferinnen (76 %), Köche
(44 %) und Restaurantfachleute (38 %) beim Ausbildungsbetrieb. In diesen Berufen hat die
Unterbringung beim Arbeitgeber eine oftmals lange Tradition und in den Betrieben werden
für Gäste entsprechende Übernachtungskapazitäten vorgehalten, in denen bei Bedarf auch
Personal untergebracht werden kann. Es überrascht, dass bei den Hotelfachleuten der Anteil
der beim Arbeitgeber wohnenden Jugendlichen (24 %) nur gering über dem Durchschnitt
liegt. Hier kommt zum Tragen, dass ein relativ hoher Anteil der Hotelfachleute aus den alten
Bundesländern stammt und diese - wie unten beschrieben wird - eine hohe Präferenz für
eine eigene Wohnung besitzen. Unter der Kategorie „Sonstiges“, die 6 % der Wohnformen
betrifft, sind Jugendliche zusammengefasst, die z. B. gemeinsam mit ihren Eltern nach München gezogen sind und mit diesen in der elterlichen Wohnung leben, die bei Verwandten
wohnen oder eine Übergangsmöglichkeit (z. B. Arbeitskollege des Vaters, Pension) gefunden haben.
6.2 Schwierigkeit der Wohnungssuche
Die Jugendlichen wurden gebeten, auf einer zehnstufigen Skala (1 = „sehr einfach“ bis
10 = „sehr schwierig“) anzugeben, wie einfach oder schwierig es für sie war, in München
eine Wohnung zu finden:
35
Schwierigkeit, in München eine Wohnung zu finden
(Durchschnitt = 5,77)
29%
23%
7%
7%
8%
7%
6%
4%
1 = "sehr
einfach"
2
3
4
6%
3%
5
6
7
8
9
10 = "sehr
schwierig"
Der Durchschnittswert auf der Skala beträgt 5,77, wobei die Streuung der Antworten hoch
ist. Die beiden Pole der Skala sind besonders stark besetzt. 23 % der Jugendlichen vergeben den Skalenwert 1 für „sehr einfach“, mit 29 % ist der Skalenwert 10 für „sehr schwierig“
der häufigste Wert. Am einfachsten war die Wohnungssuche für die Jugendlichen, die beim
Ausbildungsbetrieb wohnen. Ihr Durchschnittswert beträgt 3,42, während es für die Jugendlichen, die in Untermiete oder in einer Wohngemeinschaft leben mit 7,46 bzw. 6,94 am
schwierigsten war, eine Wohnung zu finden. Die hohen Werte lassen jedoch nicht beantworten, ob es am schwierigsten ist, ein Zimmer zur Untermiete zu finden oder ob die vorangegangene Wohnungssuche so erfolglos war, dass ein Zimmer zur Untermiete die letzte
Notlösung bildete.
6.3 Unterschiede in der Wohnungsart nach regionaler Herkunft und nach Alter
Die Art der ersten Unterkunft unterscheidet sich sehr stark nach der regionalen Herkunft der
Jugendlichen:
Unterkunft nach regionaler Herkunft (neue/alte Länder - ohne Berlin)
42%
Alte Bundesländer
Neue Bundesländer
29%
26%
22%
11%
Eigene Wohnung
36
Wohnheim
13%
Unterkunft beim
Ausbildungsbetrieb
15%
11%
Zimmer zur Untermiete
12%
8%
Wohngemeinschaft
7%
4%
Sonstiges
Zwischen den Jugendlichen ergeben sich je nach regionaler Herkunft deutliche Unterschiede
in der Art des Wohnens. Am häufigsten wohnen die Jugendlichen aus den alten Bundesländern mit 42 % in einer eigenen Wohnung, während mit 22 % die Jugendlichen aus den neuen Bundesländern nur knapp halb so oft in einer eigenen Wohnung leben. Noch deutlicher ist
der Unterschied jedoch beim Wohnheim ausgeprägt: Während 29 % der Jugendlichen aus
den neuen Bundesländern in einem Wohnheim leben, beträgt dieser Anteil bei den aus den
alten Bundesländern kommenden Jugendlichen mit 11 % nur gut ein Drittel dieses Werts.
Eine geschlechtsspezifische Auswertung zeigt kaum Unterschiede in der Art des Wohnens:
Während Mädchen etwas seltener im Wohnheim und beim Ausbildungsbetrieb wohnen, finden man sie in den anderen Wohnformen etwas häufiger an.
Zur besseren Veranschaulichung werden nachfolgend - unter Ausschluss der Mischkategorie
„Sonstiges“ - die Wohnformen nochmals zusammengefasst:
Zusammengefasste Unterkunftsarten nach regionaler Herkunft
(neue/alte Bundesländer - ohne Berlin)
76%
Alte Bundesländer
Neue Bundesländer
56%
44%
24%
Freier Wohnungsmarkt
Ausbildungsbetrieb oder Wohnheim
Die Wohnformen „eigene Wohnung“, „Zimmer zur Untermiete“ und „Zimmer in WG“ sind in
dem Diagramm unter „freier Wohnungsmarkt“ zusammengefasst und dem Wohnen in „Ausbildungsbetrieb oder Wohnheim“ gegenübergestellt. Es zeigt sich, dass bei den Jugendlichen aus den alten Bundesländern die Unterbringung am freien Wohnungsmarkt dominiert,
wohingegen Jugendliche aus den neuen Bundesländern am häufigsten im Wohnheim oder
beim Ausbildungsbetrieb wohnen.
Woran liegt es, dass sich die Jugendlichen - je nach regionaler Herkunft - so deutlich in der
Art der Unterbringung unterscheiden? Von großer Bedeutung ist, dass sich die Auszubildenden aus den neuen Bundesländern vor ihrem Umzug nach München am seltensten über
ihren künftigen Ausbildungsort informiert haben:
37
Zustimmung zu verschiedenen
Aussagen bzgl. Wahl Münchens als Ausbildungsort
München vor Umzug genau
angeschaut
Neue Bundesländer
Alte Bundesländer
13%
30%
56%
Vor Umzug niemanden in
München gekannt
Über München vor Umzug
sehr gut informiert
36%
28%
57%
Haben sich nur 28 % der Jugendlichen aus den neuen Bundesländern vor ihrem Umzug
über München sehr gut informiert, so ist dieser Anteil bei den Jugendlichen aus den alten
Bundesländern mit 57 % gut doppelt so hoch. Eine besonders intensive Form der Information bildet es, wenn man sich den künftigen Ausbildungsort vor Ausbildungsbeginn genau
anschaut. Auch von dieser Möglichkeit haben Auszubildende aus den alten Bundesländern
gut doppelt so oft Gebrauch gemacht als Auszubildende aus den neuen Bundesländern.
Dabei ist es einfacher, sich vorab zu informieren bzw. sich München genau anzuschauen,
wenn man bereits jemanden in München kennt. Hier tun sich die Jugendlichen aus den
neuen Bundesländern schwerer, von denen 56 % vor ihrem Umzug in München niemanden
kennen, wohingegen nur 36 % der aus den alten Bundesländern kommenden Jugendlichen
in München auf keine Kontakte zurückgreifen können.
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Jugendliche aus den neuen Bundesländern deutlich
schlechter auf den Münchener Wohnungsmarkt vorbereitet sind. Ihre tägliche Lebenserfahrung in der Heimatregion kann dazu beitragen, dass sie nicht darauf eingestellt sind, in München nur schwer eine Wohnung finden zu können. Während in München kaum preiswerter
Wohnraum am Markt verfügbar ist, kämpfen die neuen Bundesländer mit dem Problem, für
die vielen leer stehenden Wohnungen Mieter zu finden. Schließlich schlägt sich bei der nach
der regionalen Herkunft andere Art des Wohnens auch die unterschiedliche Bedürfnislage
der Jugendlichen nieder. Wie im Kapitel zur Motivation für eine Berufsausbildung in München
beschrieben, legen Jugendliche aus den alten Bundesländern häufig Wert darauf, ihr Leben
selbständig führen und gestalten zu können. Dieser Wunsch lässt sich natürlich in einer
eigenen Wohnung besser verwirklichen als im Wohnheim oder beim Ausbildungsbetrieb. Ein
weiterer Grund für die stärkere Nachfrage von Wohnheim und Ausbildungsbetrieb durch
Jugendliche aus den neuen Bundesländern dürfte in ihrem jüngeren Alter bei Ausbildungsbeginn liegen. Die Leitungen von Jugendwohnheimen verweisen darauf, dass die Eltern
noch nicht volljähriger Jugendlicher bei der Auswahl der Unterkunft ihrer Kinder sehr häufig
großen Wert darauf legen, für sie dort eine gute Betreuung zu erhalten. Daher überrascht es
nicht, dass sich die Jugendlichen in den unterschiedlichen Wohnformen in ihrem Durchschnittsalter voneinander unterscheiden:
38
Alter bei Ausbildungsbeginn (in Jahren) nach Wohnart
Sonstiges
18,38
Wohngemeinschaft
18,83
Zimmer zur Untermiete
18,67
Unterkunft beim Ausbildungsbetrieb
17,67
Wohnheim
17,59
Eigene Wohnung
18,88
Das Durchschnittsalter der Jugendlichen, die in Angeboten des freien Wohnungsmarkts
unterkommen, liegt jeweils bei über 18 Jahren, wohingegen die Jugendlichen, welche zu
Beginn der Ausbildung ins Wohnheim oder zum Ausbildungsbetrieb ziehen, im Durchschnitt
etwas älter als 17 1/2 Jahre sind.
6.4 Miete
Die Mietkosten variieren zwischen den Unterkunftsarten deutlich:
Monatliche Miete/Wohngeld nach Art der Unterkunft
(ohne Mischkategorie "Sonstiges")
Unterkunft beim
Ausbildungsbetrieb
240 DM
201 DM
266 DM
gesamt
S-Bahn-Bereich
München Stadt
Wohngemeinschaft
460 DM
419 DM
477 DM
Zimmer zur Untermiete
450 DM
414 DM
478 DM
624 DM
Eigene Wohnung
530 DM
670 DM
662 DM
Wohnheim
572 DM
671 DM
Am preiswertesten ist die Unterkunft im Ausbildungsbetrieb, für die monatlich im Durchschnitt 240 DM entrichtet werden muss. Wohnheim und eigene Wohnung kommen mit
durchschnittlich ca. 670 DM am teuersten. Mit 450 DM bzw. 460 DM liegen das Zimmer zur
Untermiete bzw. in einer Wohngemeinschaft im mittleren Bereich der Preisspanne. Bei diesen Angaben ist zu berücksichtigen, dass im Fragebogen nur die Höhe der monatlichen
Mietkosten erhoben wurde. Es wurde nicht danach differenziert, welche Kosten darin in wel39
cher Höhe enthalten sind. So kann der monatlich für das Leben im Wohnheim zu entrichtende Betrag ggf. auch Kosten für Verpflegung und sozialpädagogische Betreuung umfassen.
Die Darstellung versteht sich nicht als Vergleich der exakten Höhe der monatlichen Miete,
sondern soll vielmehr die Größenordnung der für Miete zu entrichtenden Kosten im Vergleich
der einzelnen Unterbringungsarten darstellen.
Bei allen Wohnformen ist das Mietniveau in München höher als im S-Bahn-Bereich. Sind für
eine eigene Wohnung in München pro Monat durchschnittlich 624 DM zu entrichten, so fallen
im S-Bahn-Bereich hierfür lediglich 530 DM an.
Viele Jugendliche thematisieren bei der Befragung, dass sie ohne finanzielle Hilfe nicht in
München leben könnten. So betragen in einigen Wohnheimen die Kosten pro Monat
ca. 1.500 DM und übersteigen damit die Höhe der Ausbildungsvergütung deutlich. Hier wird
eine Ausbildung nur durch Unterstützung der Eltern bzw. durch Berufsausbildungsbeihilfe
des Arbeitsamtes möglich.
6.5 Umzugsverhalten
Bislang wurde die Wohnung zu Ausbildungsbeginn beschrieben. Bis zum Zeitpunkt der Befragung sind 27 % der Jugendlichen aus ihrer ersten Wohnung wieder ausgezogen: 21 %
sind einmal umgezogen, 4 % zweimal und 2 % dreimal oder öfter. Die Wohnsituation der
Jugendlichen zum Zeitpunkt der Befragung ergibt eine andere Verteilung als zu Beginn der
Ausbildung:
Art der Wohnung bei Ausbildungsbeginn
und zum Zeitpunkt der Befragung
Sonstiges
Wohngemeinschaft
Zimmer zur Untermiete
Unterkunft beim
Ausbildungsbetrieb
Wohnheim
Eigene Wohnung
5%
Wohnung zum Zeitpunkt der Befragung
Wohnung bei Ausbildungsbeginn
6%
10%
9%
9%
12%
19%
22%
21%
23%
36%
28%
Durch die Umzüge gewinnt die eigene Wohnung noch mehr an Bedeutung, während der
Anteil der in Wohnheimen oder beim Ausbildungsbetrieb untergebrachten Jugendlichen abnimmt. Nachfolgend soll betrachtet werden, wie das Umzugsverhalten sich zwischen den
Wohnformen verhält: Zum einen wird analysiert, wie viele der Jugendlichen in Abhängigkeit
40
von der Art ihrer Erstunterkunft umgezogen sind, zum anderen wird untersucht, in welche
Wohnform sie gezogen sind.
Anteil der Umgezogenen nach Art der Wohnung bei Ausbildungsbeginn
48%
42%
40%
26%
Zimmer zur
Untermiete
Zimmer in WG
Sonstiges
eigene Wohnung
17%
16%
Wohnheim
Ausb.-Betrieb
Beinahe jeder zweite Jugendliche, der anfangs zur Untermiete wohnte, ist bis zum Zeitpunkt
der Befragung umgezogen. Am seltensten ziehen Jugendliche um, die zu Beginn der Ausbildung im Wohnheim oder beim Ausbildungsbetrieb wohnen. Ihre Umzugshäufigkeit beträgt
mit 17 % bzw. 16 % jeweils nur ca. ein Drittel der zunächst zur Untermiete wohnenden Jugendlichen. Im Umzugsverhalten unterscheiden sich die Jugendlichen aus den alten Bundesländern nicht signifikant von den Auszubildenden aus den neuen Bundesländern.
Wohin zieht es die Jugendlichen, wenn sie ihre Unterkunft wechseln. Ziehen die aus dem
Wohnheim stammenden Jugendlichen wieder in ein Wohnheim und die zur Untermiete Wohnenden zu einem anderen Untermieter? Hier zeigt sich, dass über alle Wohnformen hinweg
die Suche nach einer eigenen Wohnung dominant ist. So wohnen 74 % der Jugendlichen,
die anfangs im Wohnheim gewohnt haben und umgezogen sind, zum Zeitpunkt der Befragung in einer eigenen Wohnung. Bei denjenigen, die zuerst zur Untermiete oder in einer
Wohngemeinschaft gewohnt haben, beträgt dieser Anteil nach ihrem Umzug jeweils rund
45 %. 79 % aus einer eigenen Wohnung umgezogenen ziehen wieder in eine eigene Wohnung.
Demgegenüber ist es sehr selten der Fall, dass Jugendliche während der Ausbildung in ein
Wohnheim oder zum Ausbildungsbetrieb ziehen. Zwar ist - wie oben beschrieben - die Umzugsneigung der in Wohnheimen oder beim Ausbildungsbetrieb wohnenden Jugendlichen
am geringsten, gleichzeitig ziehen aber Jugendliche im Verlaufe ihrer Ausbildung nur in Ausnahmefällen aus eigener Wohnung, einer Wohngemeinschaft oder einem Zimmer zur Untermiete ins Wohnheim oder zum Arbeitgeber. Es scheint, dass die von Anfang an selbständig wohnenden Jugendlichen nur eine sehr geringe Affinität zu diesen Arten des Wohnens
besitzen.
Die Jugendlichen, die während ihrer Ausbildung die Wohnung gewechselt haben, wurden im
Fragebogen nach den Gründen für ihren Umzug gefragt. Viele Umzüge erfolgen, weil die
Auszubildenden mit ihrem Partner zusammenziehen bzw. sich wieder trennen und aus der
gemeinsamen Wohnung ausziehen, wobei das Zusammenziehen überwiegt. Die starke Bedeutung von Partnerschaften für den Umzug zeigt sich darin, dass zu Ausbildungsbeginn
9,7 % der Jugendlichen gemeinsam mit dem Partner wohnen, während zum Zeitpunkt der
Befragung 15,5 % der Jugendlichen - in der Regel in der eigenen Wohnung - mit dem Partner zusammenleben: Von den in eigener Wohnung lebenden Jugendlichen wohnen zum
Zeitpunkt der Befragung ein Drittel der Jugendlichen mit ihrem Partner zusammen. Ein Teil
der Umzüge ist darin begründet, dass es sich bei der ersten Wohnung nur um eine Übergangslösung gehandelt hat. Oftmals waren die Jugendlichen auch mit ihrer ersten Wohnung
bzw. ihren Mitbewohnern nicht zufrieden und wollten lieber in eine andere bzw. eine eigene
Wohnung ziehen.
41
6.6 Zufriedenheit mit Wohnsituation
Im Fragebogen wurde die Zufriedenheit mit der aktuellen Wohnsituation über eine zehnstufige Skala (1 = „sehr zufrieden“ bis 10 = „sehr unzufrieden“) erhoben. Der Durchschnittswert
beträgt 4,94, wobei sich zwischen den Wohnarten Unterschiede ergeben:
Zufriedenheit mit aktueller Wohnsituation
(1 = "sehr zufrieden" bis 10 = "sehr unzufrieden")
Eigene Wohnung
Sonstiges
Zimmer in Wohngem.
3,97
4,56
5,04
Ausbildungsbetrieb
Wohnheim
Zimmer zur Untermiete
5,56
5,70
5,78
Am zufriedensten mit ihrer aktuellen Wohnsituation äußern sich die Jugendlichen, die in
einer eigenen Wohnung wohnen, während die Unzufriedenheit bei den Jugendlichen, die zur
Untermiete wohnen, am größten ist. Die Jugendlichen hatten im Fragebogen ergänzend zur
Beurteilung ihrer Zufriedenheit die Möglichkeit, in einer offenen Frage anzugeben, was ihnen
an ihrer jetzigen Wohnsituation nicht gefällt bzw. was besser sein könnte. Die Antworten der
Jugendlichen lassen sich in zehn verschiedene inhaltliche Bereiche gliedern, von denen
nachfolgend jeweils exemplarisch einige Antworten wiedergegeben sind:
Mangel an Privatsphäre
Vor allem Jugendliche, die beim Ausbildungsbetrieb untergebracht sind bzw. ihr Zimmer mit
anderen teilen müssen, beklagen einen Mangel an Privatsphäre.
„Da mein eigenes Zimmer ein Durchgangszimmer ist, muss meine Mitbewohnerin
immer durch, wenn sie zur Tür, in die Küche oder ins Bad will. Dadurch habe ich
sehr wenig Ruhe und Privatsphäre.“
„Ich wohne mit zwei anderen Auszubildenden in einem Zimmer. Es geht mir
eigentlich ganz gut dort, man hat aber keine eigene Privatsphäre und das ist
nicht gut. Man kann sich nicht einfach zurückziehen, wenn man seine Ruhe haben möchte, es ist immer jemand im Zimmer.“
„Meine Vermieterin geht einfach in mein Zimmer, wenn ich nicht daheim bin. Sie
hat einen Zweitschlüssel.“
Mitbewohner
Viele Jugendliche wohnen gemeinsam mit anderen in einer Wohnung bzw. teilen sich ein
Zimmer. Bei den in Wohnheimen lebenden befragten Auszubildenden verfügen nur 41 %
über ein eigenes Zimmer, 54 % leben zu zweit und 5 % zu dritt auf dem Zimmer. Unter den
im Ausbildungsbetrieb untergebrachten Jugendlichen wohnen 59 % im eigenen Zimmer,
33 % zu zweit, 5 % zu dritt. Bei 3 % von ihnen leben sogar mehr als drei Personen in einem
Zimmer. Aus dem gemeinschaftlichen Wohnen ergeben sich nicht selten zwischenmenschliche Probleme oder Konflikte um die Organisation des Zusammenlebens:
42
„Ich möchte ein eigenes Zimmer haben, das Zimmer schaut aus wie nach einem
Bombeneinschlag, schlafen oder lernen kann man da auch nicht, wenn man will,
die nehmen einfach keine Rücksicht auf mich! Das Zimmer darf immer ich aufräumen. Das sind voll die Schlampen. Alles Essen steht oder liegt überall rum!“
„Ich komme mit meiner Mitbewohnerin nicht klar. Wir sind zwei völlig verschiedene Menschen. Ab und zu gibt es auch mal Streit. Deshalb würde ich lieber in
eine eigene Wohnung oder wenigstens in ein eigenes Zimmer ziehen.“
Abhängigkeit von Betrieb
Bei einigen Jugendlichen, die im Ausbildungsbetrieb wohnen, ergibt sich eine Abhängigkeit
zum Betrieb, die sich in doppelter Hinsicht bemerkbar macht. Zum einen ist ihre Unterbringung an das Aufrechterhalten des Ausbildungsvertrages gekoppelt, d. h. bei Wechsel des
Ausbildungsbetriebs verlieren sie in der Regel auch ihre Wohnung. Darüber hinaus nutzen
manche Arbeitgeber die Unterkunft im eigenen Betrieb dazu aus, bei Bedarf über die Gebühr
auf die Arbeitskraft ihrer Auszubildenden zurückzugreifen:
„Habe keinen Mietvertrag, da ich eine Unterkunft vom Betrieb habe. Habe keine
Rechte, bin über nichts informiert.“
„Wohne direkt beim Hotel à muss nach zehn Stunden Arbeit abends oftmals
noch arbeiten.“
„Zu leicht erreichbar für Einspringen bei Krankheitsfällen. Zu leicht kontrollierbar.“
Regeln, Hausordnung
Insbesondere in Wohnheimen lebende Jugendliche äußern am Sinn der für das Zusammenleben geltenden Regeln ihre Zweifel:
„Wohnheimregeln verbieten: Fernsehen auf den Zimmern, Ausgehen nach
24 Uhr ohne Pfand, jeder Besucher muss dem Gruppenleiter vorgestellt werden.“
„Ich bin 20 Jahre und muss um 22 Uhr da sein. Echt scheiße.“
Ausstattung
Viele Jugendliche sind mit Ausstattung oder Größe ihrer Unterkunft unzufrieden. Häufig wird
unzureichende Kapazität der sanitären Anlagen moniert:
„Dass man zu zweit nur ein Zimmer hat und dass es nur zwei Duschen für
24 Personen gibt.“
„Ich wohne in einem Keller. Dort gibt es nur ein kleines Kellerfenster und ich
habe dort nicht mal eine Gelegenheit, mir was eigenes zu kochen. Es ist dort
auch sehr kalt.“
„Zimmer zu klein, ca. 6m².“
Schlechter Zustand
Manche Jugendliche beklagen den schlechten Zustand, in dem sich ihre Wohnung befindet
sowie die unzureichenden hygienischen Bedingungen:
„Die Heizung sollte momentan funktionieren, die Wände schimmeln, Mäuse im
Haus (insgesamt 23 Mäuse gefangen seit September 2000), die Miete ist für den
Wohnkomfort zu teuer, die Vermieter kümmern sich nicht um das Haus.“
43
„Die ganze Wohnung ist eine Zumutung. Der Putz fällt von der Wand, im Fenster
regnet es rein, das Bad ist unhygienisch (trotz Putzen), kein Backofen, sondern
nur zwei Herdplatten. Betrieb kümmert sich nicht um Azubis. Mängel an Wohnungen werden nicht repariert.“
Höhe der Miete
Sehr häufig bezieht sich die Kritik der Jugendlichen auf das hohe Mietniveau Münchens. Sie
verweisen darauf, dass ohne Unterstützung der Eltern oder durch Berufsausbildungsbeihilfe
des Arbeitsamtes eine Ausbildung in München für sie nicht zu finanzieren wäre:
„Ich zahle mein Ausbildungsgehalt für meine Miete.“
„Es ist schon brutal teuer, in München zu wohnen, nicht nur die Wohnungsmiete
sondern auch Verpflegung, Heimfahren usw. Bei der derzeitigen Ausbildungsvergütung von ca. 800 DM netto wäre diese Ausbildung ohne finanzielle Hilfe
meines Vaters in dieser Form nicht möglich!!!“
„Ich musste so weit außerhalb einziehen, da es Richtung Innenstadt viel zu teure
Wohnungen gibt.“
„Zu teuer, ohne elterliche Unterstützung wäre kein Leben in München möglich.“
Wohnungsmarkt
Eng mit dem hohen Mietniveau verbunden ist die generelle Kritik der Jugendlichen am Münchener Wohnungsmarkt, der es sehr schwer macht, überhaupt eine Wohnung zu finden. Insbesondere Jugendliche, die eine Wohngemeinschaft gründen möchten, finden oft keine Vermieter, die ihnen dies ermöglichen:
„Die Mieten für München sind viel zu hoch. Es gibt auch kaum Chancen für einen
Azubi, eine Wohnung zu finden, da die Vermieter Angst haben, keine Miete zu
bekommen, weil sie denken, ein Azubi hat das Geld für die Miete nicht.“
„Ich habe keine eigene Wohnung, ziehe alle paar Wochen mit Reisetaschen von
einer Wohnung zur anderen.“
„Ich hätte beinahe nicht meine Ausbildung beginne können, weil ich kein Zimmer
hatte.“
„Es gefällt mir nicht, dass Auszubildende bei der Wohnungssuche kaum eine
Chance haben, da der Verdienst den meisten Vermietern keine Sicherheit bietet.
Es sollte von der Stadt geförderte Wohnungen geben, die nur an Auszubildende
zu vermieten sind.“
Wunsch nach eigener Wohnung
Wie oben bereits beschrieben, wünschen sich viele Jugendliche, in einer eigenen Wohnung
zu leben:
„Es gefällt mir zwar sehr gut bei meinem Onkel, dennoch würde ich gerne in meiner eigenen Wohnung wohnen.“
„Eine eigene Wohnung, in der ich tun und lassen kann, was ich will.“
„Ich kann meinen Freund nicht mit nach Hause nehmen, weil meine Vermieterin
das nicht will. Deshalb hätte ich gerne eine eigene Wohnung.“
Verkehrsanbindung, Lage
Einige Jugendliche wünschen sich eine bessere Verkehrsanbindung bzw. würden gerne zentraler wohnen:
„Verbindung zu öffentlichen Verkehrsmitteln eher mager (ab 19 Uhr keine Möglichkeit, ohne Auto woanders hinzukommen).“
44
Wie problematisch die Wohnungssuche im Einzelfall sein kann, illustriert das Beispiel von
Lena1, die sich bei der Vorbereitung der Befragung für ein ausführliches Interview zur Verfügung stellte. Eine Woche vor Ausbildungsbeginn hatte Lena sich bei ihrem Arbeitgeber vorgestellt. Dieser sicherte Lena zu, ihr eine Wohnung zu besorgen. Sie müsse sich um nichts
kümmern. Lena reist daraufhin mit ihrem Rucksack an. Die ersten vier Wochen ihrer Ausbildung muss sie jedoch im Büro des Ausbildungsbetriebes übernachten, in dem sich neben
der üblichen Büroausstattung ein Bett befindet. Ihr Arbeitgeber vermittelt ihr schließlich ein
Zimmer zur Untermiete, von dem sie nach einigen Wochen jedoch wieder in den Ausbildungsbetrieb zurückzieht:
„Und immer, wenn er was getrunken hat, ist er ausgeflippt und da habe ich halt
dann irgendwann Angst gekriegt und bin da wieder ausgezogen ... Der hat rumgeschrien, also furchtbar. Ich war zwar schon 20 zu dem Zeitpunkt, aber es hat
mir trotzdem Angst gemacht.“
Nach drei Monaten, die Lena wieder im Büro ihres Ausbildungsbetriebes wohnt, findet sie
erneut ein Zimmer zur Untermiete - wie sich bald herausstellt, bei einem Zuhälter, der ihr ein
einschlägiges Angebot unterbreitet:
„Er selber war Mitte 30, hat eine 18jährige Freundin gehabt, die hat bei ihm gewohnt und der hat z. B. seine Freundin zum Anschaffen geschickt ... Und die haben praktisch inseriert und dann sind die Typen da in die Wohnung gekommen.
Und dann hat er halt zu mir gesagt, ich soll das auch machen, er würde auf mich
aufpassen. Dann war halt schon wieder das Chaos perfekt ... Ich glaube, wenn
das ein 16jähriges Mädchen gemacht hätte, die wäre entweder darauf reingefallen, oder die wäre tot umgefallen vor Angst. Zum Glück war ich da schon etwas
gefestigter.“
Lena zieht daraufhin mit ihrem Freund in ein völlig überteuertes Appartement, ehe beide
schließlich eine Wohnung zu akzeptablen Konditionen finden. Sicher handelt es sich bei
Lena um ein extremes Beispiel, das nicht stellvertretend für die Wohnsituation der meisten
Jugendlichen gesehen werden darf. Das Jugendinformationszentrum München hat jedoch
berichtet, bereits von einigen ähnlichen Fällen erfahren zu haben. Das Beispiel Lenas verdeutlicht, wie schwierig sich die Wohnungssuche im Einzelfall gestalten kann und wie wichtig
es - vor allem für minderjährige Auszubildende - ist, ihnen eine Unterstützung bei der Wohnungssuche bzw. Betreuungsmöglichkeiten anzubieten.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass es in München für Auszubildende sehr schwierig
ist, eine bezahlbare Unterkunft zu finden. Die meistgewählte Wohnform bildet die eigene
Wohnung, gefolgt von der Unterkunft im Wohnheim und beim Ausbildungsbetrieb. Je nach
regionaler Herkunft unterscheiden sich die Jugendlichen sehr deutlich in der Art des Wohnens voneinander: Westdeutsche Jugendliche wohnen am häufigsten in einer eigenen Wohnung, ostdeutsche Jugendliche hingegen im Wohnheim und beim Ausbildungsbetrieb. Auch
jüngere Auszubildende bevorzugen - häufig auf Wunsch der Eltern - das Wohnheim oder
den Ausbildungsbetrieb. Die Wohnung beim Ausbildungsbetrieb ist von allen Formen die
preiswerteste Alternative. Jugendliche, die während der Ausbildung umziehen, suchen sich
zumeist eine eigene Wohnung. Aus dem Wohnheim bzw. dem Ausbildungsbetrieb ziehen
Jugendliche am seltensten um. Gleichzeitig wird während der Ausbildung auch am seltensten in eine dieser beiden Wohnformen gewechselt. Am zufriedensten bewerten die in
eigener Wohnung lebenden Jugendlichen ihre Wohnsituation.
1
Name geändert
45
7 Heimfahrten am Wochenende
Bei der Frage nach einer gelungenen Integration ist der Blick darauf, wo die Wochenenden
verbracht werden, besonders bedeutsam. Daher wird im nachfolgenden Abschnitt betrachtet,
wie häufig die Auszubildenden nach Hause fahren. Welche Jugendlichen fahren besonders
oft, welche nur hin und wieder nach Hause? Fahren Auszubildende mit einem Partner in
München seltener und solche mit einem Partner in ihrer Heimatregion häufiger nach Hause?
Welche Verkehrsmittel werden benutzt? Bilden die Jugendlichen Fahrgemeinschaften?
7.1 Häufigkeit der Heimfahrten
Zunächst wird betrachtet, wie oft die Jugendlichen am Wochenende nach Hause fahren:
Häufigkeiten der Heimfahrten zu Heimatort
33%
30%
18%
11%
5%
jedes Wochenende ca 2-3x pro Monat
1x pro Monat
3%
mehrmals pro Jahr 1x jährl./seltener
nie
59 % der Auszubildenden fährt mindestens einmal monatlich nach Hause, wobei nur 11 %
jedes Wochenende fahren. 38 % fahren seltener als monatlich und 3 % verzichten ganz auf
die Fahrten nach Hause.
Nachfolgend wird geprüft, wie sich die Entfernung zum Heimatort auf die Häufigkeit der
Heimfahrten auswirkt. Dabei wird zunächst die Entfernung der Jugendlichen vom Heimatort
dargestellt:
Entfernung zu Heimatort (Durchschnitt = 515 km)
53%
20%
17%
10%
bis 200 km
201 bis 400 km
401 bis 600 km
über 600 km
Die durchschnittliche Strecke zwischen Heimatort und München beträgt 515 km. Während
die Distanz bei 10 % der Jugendlichen bis 200 km beträgt, müssen 17 % mehr als 600 km
fahren, um ihre Familien zu besuchen. Bei der Mehrheit der Auszubildenden liegt die Entfernung zur Heimatregion zwischen 401 und 600 km. Hierbei handelt es sich überwiegend um
die Jugendlichen aus Sachsen, Thüringen und Baden-Württemberg. 77 % der aus Bayern
46
stammenden Jugendlichen finden sich in der Gruppe der nicht mehr als 200 km von zu
Hause entfernten Jugendlichen. Nachfolgend wird untersucht, welchen Einfluss die Entfernung zur Heimatregion auf die Häufigkeit der Heimfahrten besitzt:
Durchschnittliche Entfernung zum Heimatort (in km)
nach Häufigkeit der Heimfahrten
jedes Wochenende
mehrm./1x mtl.
mehrm. jährlich bis nie
392
457
632
Bei kürzerer Distanz ist die Heimfahrt preiswerter und die Fahrzeit kürzer, während bei
größerer Entfernung aufgrund des erhöhten Aufwandes eine Fahrt nur für ein normales Wochenende oftmals kaum lohnenswert erscheint. In der Folge sinkt die Häufigkeit der Heimfahrten mit zunehmender Entfernung zum Heimatort: Jugendliche, die jedes Wochenende
nach Hause fahren, müssen im Durchschnitt für die einfache Fahrt 392 km zurücklegen,
während diejenigen, die mehrmals pro Jahr oder gar nicht nach Hause fahren, eine Entfernung von durchschnittlich 632 km zurücklegen müssen. Nicht überraschend ist, dass bayerische Jugendliche aufgrund ihrer geringen Distanz zum Heimatort am häufigsten nach Hause
fahren. Jeder dritte bayerische Befragte fährt jedes Wochenende nach Hause.
Schließlich steht die Häufigkeit der Heimfahrten auch in Beziehung zum Ausbildungsberuf.
Unter den Restaurantfachleuten, Köchen, Hotelfachleuten, Friseurinnen, Konditoreifachverkäuferinnen und Fleischereifachverkäuferinnen fahren jeweils weniger als 5 % jedes Wochenende nach Hause. Hier müssen die Jugendlichen offensichtlich auch an Wochenenden
arbeiten, so dass ihnen allwöchentliche Heimfahrten nicht möglich sind. Dagegen ist der Anteil der jedes Wochenende Heimfahrenden unter den Eisenbahnern im Betriebsdienst mit
70 % deutlich am höchsten, obwohl sie mit 615 km eine überdurchschnittlich hohe Distanz
zum Heimatort zurücklegen müssen. 95 % der Eisenbahner im Betriebsdienst nutzen für ihre
Heimfahrten überwiegend die Bahn.
Besonders interessant ist die Frage, wie sich die Auszubildenden unterschiedlicher Ausbildungsjahre in ihrem Heimfahrverhalten unterscheiden. Nimmt mit zunehmender Ausbildungsdauer die Häufigkeit der Heimfahrten ab?
47
Häufigkeit der Heimfahrten nach Ausbildungsjahr
50%
45%
1. Ausb.-Jahr
2. Ausb.-Jahr
3. Ausb.-Jahr
11%
12%
45%
39%
44%
43%
11%
jedes Wo.-Ende
mehrm./1x mtl.
mehrm. jährlich bis nie
Der Anteil der Jugendlichen, die jedes Wochenende nach Hause fahren, liegt in allen drei
Ausbildungsjahren bei 11 % oder 12 %. Es kann nicht beobachtet werden, dass die Häufigkeiten der Heimfahrten mit fortdauernder Ausbildung signifikant abnimmt. Eigentlich wäre die
Vermutung naheliegend, dass während des ersten Ausbildungsjahres häufiger nach Hause
gefahren wird. Wohnheimvertreter bestätigen, dass die Jugendlichen in den ersten Monaten
der Ausbildung tatsächlich öfter nach Hause fahren. Bis zum Zeitpunkt der Befragung hat
sich jedoch das Heimfahrverhalten so reduziert und eingependelt, dass sich die Jugendlichen im ersten Ausbildungsjahr in der Häufigkeit ihrer Heimfahrten nicht mehr von denjenigen im zweiten und dritten Ausbildungsjahr unterscheiden.
Einen sehr starken Einfluss auf die Häufigkeit der wöchentlichen Heimfahrten hingegen hat
das Vorliegen einer Partnerschaft bzw. der Wohnort des Partners:
Häufigkeiten der Heimfahrten nach Wohnort des Partners
54%
47%
44%
54%
43%
31%
15%
9%
3%
kein Partner
Partner in München
jedes Wo.-Ende
mehrm./1x mtl.
Partner in Heimatort
mehrm. jährlich bis nie
Die Jugendlichen, deren Partner in München wohnt, fahren am seltensten nach Hause. Nur
3 % von ihnen treten die Heimreise jedes Wochenende an. Mit 31 % fahren die Jugendlichen
mit einem an ihrem Heimatort lebenden Partner zehnmal häufiger jedes Wochenende nach
Hause. Von diesen Jugendlichen fahren auch nur 15 % seltener als einmal monatlich zum
Heimatort. Verständlicherweise verbringen Auszubildende ihre Freizeit und insbesondere
das Wochenende bevorzugt mit ihrem Partner. Ihrer Integration in München dürfte es jedoch
nicht zuträglich sein, wenn sie an den Wochenenden so häufig nach Hause fahren. So haben auch 38 % der Jugendlichen, deren Partner an ihrem Heimatort wohnt, in München kei48
nen festen Freundeskreis, während dies bei Jugendlichen mit Partner in München nur 26 %
und bei Jugendlichen ohne Partner 31 % sind.
Schließlich steht das Heimfahrverhalten in enger Beziehung zum Grad der Integration in
München:
Häufigkeiten der Heimfahrten am Wochenende nach Vergleich
Situation Neuankömmling vs. aktuelle Situation
keine Probleme
48%
Anfangsprobleme
dauerhafte Integrationsprobleme
51%
48%
44%
42%
27%
22%
10%
8%
jedes Wochenende
mehrmals/1x mtl.
seltener oder nie
Am häufigsten fahren die Jugendlichen mit dauerhaften Integrationsproblemen nach Hause.
22 % von ihnen fahren jedes Wochenende heim: Damit fahren mehr als doppelt so viele von
ihnen wöchentlich nach Hause als von den anderen Auszubildenden. Gleichzeitig ist der Anteil derjenigen, die seltener als monatlich oder nie nach Hause fahren, mit 27 % unter den
Auszubildenden mit dauerhaften Integrationsproblemen deutlich am geringsten. Fast jeder
zweite der Jugendlichen ohne Anfangsprobleme und 44 % derjenigen mit Anfangsproblemen
fahren seltener als monatlich einmal nach Hause.
7.2 Überwiegend benutztes Verkehrsmittel
Für die Heimfahrten benutzen die Jugendlichen überwiegend folgende Verkehrsmittel:
Überwiegend benutztes Verkehrsmittel für Heimfahrten
43%
35%
17%
Bahn
Auto
Bahn + Auto
3%
2%
Flugzeug
Sonstiges
49
Die größte Bedeutung kommt als Transportmittel der Bahn zu, welche von 43 % der Jugendlichen als überwiegendes Verkehrsmittel genannt wird. 35% nutzen vornehmlich das Auto.
Im Fragebogen wurde das überwiegend benutzte Verkehrsmittel erhoben. 17 % der Auszubildenden nannten sowohl Bahn als auch Auto. Diesen beiden Verkehrsmitteln kommt für sie
offenbar eine gleich starke Bedeutung zu. Nur 3 % aller Auszubildenden nutzen für die Heimfahrten überwiegend das Flugzeug. Auf das Flugzeug wird allerdings erst bei der Überwindung größerer Distanzen zurückgegriffen. Von denjenigen, die mehr als 600 km nach Hause
zurückzulegen haben, fliegen 15 %. Unter der Kategorie „Sonstiges“ befinden sich Jugendliche, die für die Heimfahrten den Bus nutzen.
Interessant ist, ob die Jugendlichen alleine fahren oder Fahrgemeinschaften bilden. Hierbei
werden nur diejenigen betrachtet, die als überwiegendes Verkehrsmittel für ihre Heimfahrten
Auto bzw. Auto+Bahn angeben: 31 % antworten mit ja, 37 % bilden zumindest teilweise
Fahrgemeinschaften und nur 32 % der Jugendlichen fahren alleine. Die Vermutung, dass mit
größerer Entfernung und damit einhergehender steigender Fahrtkosten auch der Anteil an
Fahrgemeinschaften zunimmt, bestätigt sich nicht. Die Entfernung zum Heimatort ist bei den
Jugendlichen mit und ohne Fahrgemeinschaft gleich groß. Demgegenüber bilden Frauen
häufiger Fahrgemeinschaften als Männer: Während 38 % der Männer keine Fahrgemeinschaften bilden, beträgt dieser Anteil bei den Frauen nur 29 %. Eine große Bedeutung
kommt darüber hinaus - vermutlich auch aus Kostengründen - der Mitfahrzentrale zu: Viele
Jugendliche vermerken im Fragebogen, dass sie ihre Heimfahren über die Mitfahrzentrale
organisieren.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die wenigsten Jugendlichen jedes Wochenende
nach Hause fahren. Demgegenüber fahren 30 % einmal pro Monat und 41 % seltener oder
nie nach Hause. Bei der Konzeption von Freizeitangeboten kann also davon ausgegangen
werden, dass ein großer Anteil der Jugendlichen auch am Wochenende in München ist. Im
Vorfeld der Befragung wurde dies angezweifelt und vielfach vermutet, dass das Gros der
Jugendlichen jedes Wochenende nach Hause fährt. Die durchschnittliche Entfernung zum
Heimatort beträgt 515 km. Je länger die zu überwindende Strecke ist, desto seltener fahren
die Jugendlichen nach Hause. Bei Berufen, an denen die Jugendlichen auch am Wochenende arbeiten müssen, fahren sie auch seltener nach Hause. Besonders häufig fahren die
Jugendlichen nach Hause, die in München dauerhafte Integrationsprobleme haben. Ebenso
fahren Jugendliche mit einem Partner am Heimatort zehnmal häufiger jedes Wochenende
nach Hause als Jugendliche, deren Partner in München wohnt. Das am häufigsten genutzte
Verkehrsmittel für die Wochenendheimfahrten ist die Bahn.
50
8 Freizeit und Freundeskreis
Von herausragender Bedeutung für eine erfolgreiche Integration in München ist es, ob es
den Auszubildenden gelingt, nicht nur beruflich, sondern auch in ihrer Freizeit in München
Fuß zu fassen. Im folgenden Abschnitt wird betrachtet, wie die Jugendlichen ihre Freizeit
verbringen. Gelingt es ihnen, sich in München einen Freundeskreis aufzubauen? Wie setzt
sich dieser zusammen - nur aus auswärtigen oder auch aus einheimischen Jugendlichen?
Kennen bzw. besuchen die Auszubildenden Jugendzentren? Wie beurteilen sie das Münchener Freizeitangebot? Welche Angebote bzw. Informationen fehlen ihnen?
8.1 Freizeitaktivitäten der Jugendlichen
Die Jugendlichen konnten im Fragebogen angeben, wie häufig sie in ihrer Freizeit ausgewählte Aktivitäten ausüben. Im nachfolgenden Diagramm wird der Anteil der Auszubildenden
abgebildet, welcher der jeweiligen Freizeitaktivität täglich oder mehrmals pro Woche nachgeht:
Freizeitaktiväten, die täglich oder
mehrmals pro Woche ausgeübt werden
Museen/Ausstellungen besuchen
0,4%
Soziale/kirchliche Arbeit
0,4%
Ins Theater/Konzert gehen
0,6%
Moped/Auto reparieren
1,1%
Basteln, Heimwerken, Malen
2,2%
Mit Kindern, Geschwistern spielen
2,6%
Ins Kino gehen
2,6%
Sportveranstaltungen besuchen
4,3%
Ausflüge machen
4,6%
Selber Musik machen
Auf Parties gehen
Tanzen, in die Disco gehen
Im Internet surfen
Sport treiben, Fitnesstudio
Einkaufen, Bummeln
Am Computer sitzen
Ausgehen (Kneipe, Cafe)
Lesen
Mit Partner treffen
Faulenzen/Rumhängen
Freunde treffen
6,1%
7,7%
9,4%
17,6%
20,0%
22,2%
24,7%
27,0%
40,0%
45,2%
57,9%
60,5%
Fernsehen
87,8%
Telefonieren
88,1%
Musik hören
96,4%
51
Die häufigste Freizeitaktivität der Jugendlichen bildet das Hören von Musik. Mit 96,4 % hört
fast jeder Befragte mehrmals pro Woche oder täglich Musik. Deutlich geringer ist mit 6,1 %
der Anteil derjenigen, die selber Musik machen. Auf den Rängen zwei und drei der häufigsten Freizeitaktivitäten folgen mit jeweils rund 88 % Telefonieren und Fernsehen. Ein Fünftel
der Jugendlichen betreibt mehrmals wöchentlich Sport, wobei 31 % angeben, nie Sport zu
machen. Gehen nur 2,6 % der Jugendlichen mehrmals wöchentlich ins Kino, so gibt es unter
den Befragten nur 7 %, die das Kino nie besuchen. Mit 46 % zieht es die meisten ein- oder
mehrmals monatlich ins Kino.
Betrachtet man die Freizeitaktivitäten nach Geschlecht, so unterscheiden sich Jungen und
Mädchen bei der Nutzung von PC und Internet besonders deutlich: Jungen sitzen mit 45 %
dreimal häufiger am Computer als Mädchen (15 %). Auch der Anteil der Jungen, die wöchentlich mehrmals im Internet surfen, ist mit 33 % gut dreimal so hoch wie derjenige der
Mädchen, von denen nur jede zehnte mehrmals pro Woche online geht. Demgegenüber greifen 42 % der Mädchen mehrmals wöchentlich zur Lektüre, während dieser Anteil unter den
Jungen 36 % beträgt.
Zur Häufigkeit von Ausgehaktivitäten wurde auf Basis von sechs auf das Ausgehen bezogener Freizeitaktivitäten ein Index2 gebildet. Auf Basis dieses Indexes lassen sich die Jugendlichen hinsichtlich ihres Ausgehverhaltens drei Gruppen zuordnen: 22 % der Jugendlichen gehen häufig, 57 % durchschnittlich oft und 21 % selten aus. Kontrastiert man die Häufigkeit
der Ausgehaktivitäten mit der im Abschnitt zu der Situation als Neuankömmling vorgestellten
Integrationsvariablen, so kann ein starker Zusammenhang beobachtet werden:
Ausgehaktivitäten nach Vergleich
Situation Neuankömmling vs. aktuelle Situation
seltenes Ausgehen
durchschnittliches Ausgehen
häufiges Ausgehen
58%
55%
54%
38%
35%
20%
22%
10%
keine Startprobleme
8%
Anfangsprobleme
dauerhafte Integrationsprobleme
Die drei Gruppen der Jugendlichen unterscheiden sich in ihren Ausgehaktivitäten deutlich
voneinander. Am aktivsten sind die Auszubildenden, die in München von Anfang an keine
Probleme hatten. 35 % von ihnen gehen häufig und nur 10 % selten aus. Bei den Jugendlichen mit Startschwierigkeiten, die sich inzwischen gut in München zurecht finden, kann
ziemlich genau das durchschnittliche Ausgehverhalten aller Befragten beobachtet werden.
Am seltensten gehen hingegen die Jugendlichen mit dauerhaften Integrationsproblemen aus:
Mit 38 % ist unter ihnen der Anteil derjenigen, die selten ausgehen, knapp viermal höher als
bei den Jugendlichen, die in München keine Probleme haben.
2
In den Index zum Ausgehverhalten wurden sechs Freizeitaktivitäten aufgenommen, die sich alle mit Aktivitäten
befassen, die in der Regel gemeinsam mit anderen Jugendlichen erfolgen und/oder eine hohe Wahrscheinlichkeit besitzen, dass man andere trifft. Alle sechs Aktivitäten laden bei einer Faktorenanalyse auf einem Faktor.
Im einzelnen handelt es sich um folgende Bereiche: 1) Ausgehen (Kneipe, Cafe), 2) Tanzen / in die Disco
gehen, 3) Freunde treffen, 4) Ausflüge machen, 5) Auf Parties gehen 6) Ins Kino gehen
52
8.2 Aspekte der Freizeitgestaltung
Die Auszubildenden hatten im Fragebogen die Möglichkeit, verschiedenen Aussagen zu
ihrer Freizeitgestaltung zuzustimmen oder sie abzulehnen:
Zustimmung zu verschiedenen Aussagen
zur Freizeitgestaltung in München
"Ich weiß mit meiner Freizeit kaum etwas anzufangen."
18,8%
"München bildet in der Freizeit meinen Lebensmittelpunkt."
30,5%
"Ich verbringe sehr viel meiner Freizeit alleine."
31,2%
"In meiner Freizeit bin ich sehr viel mit anderen Auszubildenden aus
meinem Ausbildungsbetrieb zusammen."
"Ich bin in meiner Freizeit manchmal etwas eingeschränkt, weil ich in
meinem Ausbildungsbetrieb Überstunden machen muss."
"Ich würde gerne mehr unternehmen, kenne mich aber über das
Freizeitangebot Münchens zu wenig aus."
"Ich habe hier in München viele Freunde, mit denen ich etwas in der
Freizeit unternehmen kann."
"Ich finde, dass München jungen Menschen ein tolles Freizeitangebot
bietet."
"Freizeit spielt sich bei mir in erster Linie am Wochenende ab."
"Ich bin während der Woche durch die Arbeit so geschafft, dass ich
abends lieber nichts mehr unternehme."
"Das Freizeitangebot in München kann ich mir finanziell oft nicht
leisten."
38,4%
45,1%
49,1%
53,6%
62,0%
67,4%
70,0%
74,0%
Am häufigsten stimmen mit 74 % die Jugendlichen der Aussage zu, dass sie sich das Freizeitangebot Münchens finanziell oftmals nicht leisten können. Dies verwundert nicht, wenn
man berücksichtigt, dass sie von ihrer Ausbildungsvergütung auch Miete und Lebenshaltungskosten bestreiten müssen. Mit 45,1 % sind überraschend viele wegen anfallender Überstunden im Ausbildungsbetrieb in ihrer Freizeit eingeschränkt. Besonders häufig trifft dies auf
Auszubildende des Hotel- und Gaststättengewerbes zu: 71 % der Hotelfachleute, 60 % der
Restaurantfachleute und 55 % der Köche sind wegen Überstunden in ihrer Freizeit manchmal eingeschränkt. Hoch ist die Zustimmung mit 70 % auf die Aussage, durch die Arbeit
während der Woche so geschafft zu sein, dass abends lieber nichts mehr unternommen
wird. Besonders häufig sind hiervon Zahnarzthelferinnen mit 89 % und Maurer mit 85 % betroffen.
Zwar finden 62,0% der Jugendlichen, dass München jungen Menschen ein tolles Freizeitangebot bietet, gleichzeitig klagen 49,1 %, dass sie sich über dieses zu wenig auskennen.
Trotz der insgesamt positiven Bewertung des Angebots besteht für Hilfen zur besseren Orientierung offensichtlich Bedarf. Während gut die Hälfte zustimmt, in der Freizeit über aus53
reichend Freunde für gemeinsame Unternehmungen zu verfügen, verbringen ein knappes
Drittel sehr viel ihrer Freizeit alleine und fast ein Fünftel weiß mit der Freizeit kaum etwas anzufangen.
In fast allen Bereichen besteht eine starke Beziehung mit dem Grad der Integration. So beträgt der Anteil derjenigen, die mit ihrer Freizeit kaum etwas anfangen können, unter den Jugendlichen ohne Anfangsproblemen nur 6,7 %, während er bei denjenigen mit Anfangsproblemen mehr als doppelt (15,9 %) und bei den Auszubildenden mit dauerhaften Integrationsproblemen schließlich über fünfmal so hoch (36,4 %) ist.
8.3 Bekanntheitsgrad von Jugendzentren
Stellt man sich die Frage, über welche Einrichtungen man die neu nach München kommenden Jugendlichen erreichen kann, ist es interessant, wieviele der Jugendlichen ein Münchener Jugendzentrum in ihrer Nähe kennen. Dies ist nur bei einer Minderheit der Fall - lediglich
10 % der Auszubildenden geben an, ein in der Nähe liegendes Jugendzentrum zu kennen.
Neben dem bloßen Kennen ist natürlich von Bedeutung, ob das Jugendzentrum auch aufgesucht wird. Lediglich 13 % derjenigen, die überhaupt eine Einrichtung kennen, besuchen
sie zumindest einmal monatlich, 19 % seltener und 68 % nie. Es kann also festgehalten werden, dass Jugendzentren von nur ca. 1,5 % der neu nach München kommenden Jugendlichen regelmäßig mindestens einmal im Monat besucht werden. Die große Mehrheit kennt
keine entsprechenden Einrichtungen bzw. nutzt sie nicht. Will man versuchen, Neuankömmlinge über Jugendzentren zu erreichen, so wäre im Vorfeld eine umfassende Öffentlichkeitsarbeit nötig. Darüber hinaus benötigt man speziell auf diese Zielgruppe und ihren spezifischen Bedarf zugeschnittene Konzepte.
8.4 Freundeskreis in München
Für eine gelungene Integration in München ist der Aufbau neuer Kontakte und Freundschaften sehr entscheidend. Auf die Frage, ob sie in München einen festen Freundeskreis bilden,
der sich öfter oder regelmäßig trifft und dem sie sich zugehörig fühlen, antworten 66 % mit ja,
31 % mit nein und 3 % geben an, in München gar keine Freunde zu haben. Kontrastiert man
diese Antworten mit dem Vergleich Neuankömmling/aktuelle Situation so ergibt sich folgendes Bild: Jeweils 69 % derjenigen ohne bzw. mit anfänglichen Schwierigkeiten in München
verfügen über einen festen Freundeskreis, wohingegen dieser Anteil bei den Jugendlichen
mit dauerhaften Integrationsproblemen nur 58 % beträgt. Während kein einziger der Jugendlichen ohne Startprobleme in München keine Freunde hat, trifft dies auf 6 % der Jugendlichen mit dauerhaften Integrationsproblemen zu. Es verwundert nicht, dass ein Teil der Befragten ihre Situation in München als zunehmend schwieriger werdend beschreibt, wenn es
ihnen auch im Laufe ihrer Ausbildung in München nicht gelingt, Anschluss an andere zu finden bzw. sich einen Freundeskreis aufzubauen.
Bei den Jugendlichen, die über einen festen Freundeskreis verfügen, wurde dessen Zusammensetzung untersucht. Für eine erfolgreiche Integration ist es von Bedeutung, ob es gelingt, auch Anschluss an Münchener Jugendliche zu erlangen:
54
Zusammensetzung des Freundeskreises
nach regionaler Herkunft seiner Mitglieder
61,3%
32,5%
6,2%
nur von auswärts kommende
Jugendliche
nur einheimische Jugendliche
gemischt
In der Mehrzahl der Fälle befinden sich in den Freundeskreisen sowohl von auswärts kommende als auch Münchener Jugendliche, wobei jedoch nicht erhoben wurde, welchen Anteil
die einzelnen Gruppen einnehmen. 32,5 % der Freundeskreise setzen sich jedoch ausschließlich aus von auswärts kommenden Jugendlichen zusammen. Bei den in Wohnheimen
lebenden Jugendlichen ist dieser Anteil mit 43 % am höchsten. Hier ist die Gefahr groß, dass
keine Kontakte zu Münchener Jugendlichen hergestellt werden. So bestehen während der
Ausbildung zwar im Wohnheim ausreichend Beziehungen zu anderen, aber nach Abschluss
der Ausbildung und dem Auszug aus dem Wohnheim gilt es, sich wieder neu zu orientieren.
Mit Fortdauer der Ausbildung sinkt der Anteil der Jugendlichen, die sich in ausschließlich aus
auswärtigen Jugendlichen bestehenden Freundeskreisen befinden. Beträgt diese Quote bei
Befragten im ersten Ausbildungsjahr 36 %, so sinkt sie bei Jugendlichen des zweiten Ausbildungsjahres auf 32 % und bei den Jugendlichen im dritten Jahr auf 24 %.
Die durchschnittliche Größe eines Freundeskreises beträgt 10,54 Personen, wobei Freundeskreise von Mädchen mit 9,27 Personen kleiner sind als die von Jungen, die 13,11 Personen umfassen. Jeweils 17 % der Auszubildenden befinden sich in Freundeskreisen, die
sich ausschließlich aus dem eigenen Geschlecht rekrutieren, bei jeweils gut einem Drittel
herrscht ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis vor. Bei Mädchen ist es mit 18 % häufiger der Fall, dass sie in Gruppen mit mehr Jungen sind, während nur 9 % der Jungen sich in
Gruppen mit mehr Mädchen befinden.
Wie bei den Freizeitaktivitäten wurde auch bei den Aussagen zur Freizeitgestaltung in München ein summativer Index3 gebildet. Bei einer Einteilung in drei Gruppen verfügen 21 % in
ihrer Freizeitgestaltung über große und 24 % über geringe Probleme, die übrigen 55 % befinden sich hier im mittleren Bereich. Wie beim Index zu den Ausgehaktivitäten werden auch
die Probleme bei der Freizeitgestaltung mit der Variablen zur Integration verglichen:
3
Der Index umfasst die Antworten zu folgenden Aussagen, die bei einer Faktorenanalyse alle auf einem Faktor
laden: 1) „Ich habe hier in München viele Freunde, mit denen ich in der Freizeit etwas unternehmen kann.“
2) „Ich weiß mit meiner Freizeit kaum etwas anzufangen.“ 3) „Ich bin während der Woche durch die Arbeit so
geschafft, dass ich abends lieber nichts mehr unternehme.“ 4) „Ich verbringe sehr viel meiner Freizeit alleine.“
5) „Ich würde gerne mehr unternehmen, kenne mich aber über das Freizeitangebot Münchens zu wenig aus.“
6) „München bildet in der Freizeit meinen Lebensmittelpunkt.“
55
Probleme Freizeitgestaltung nach Vergleich
Situation Neuankömmling vs. aktuelle Situation
Freizeitgestaltung: große Probleme
Freizeitgestaltung: normal
Freizeitgestaltung: geringe Probleme
46%
58%
53%
50%
42%
24%
18%
5%
4%
keine Startprobleme
Anfangsprobleme
dauerhafte Integrationsprobleme
Es ergibt sich ein ähnliches Bild wie bei den Ausgehaktivitäten. Von den Jugendlichen, die
von Anfang an in München keine Probleme hatten, gehört auch jeder zweite bei der Freizeitgestaltung zu der Gruppe mit geringen Schwierigkeiten. Spiegelverkehrt hierzu stellt sich die
Situation bei den Auszubildenden mit dauerhaften Integrationsproblemen dar: Hier haben
42 % große, aber nur 5 % - also ein Zehntel des Anteils der erstgenannten Gruppe - geringe
Probleme im Freizeitbereich.
Es überrascht nicht, dass die Probleme bei der Freizeitgestaltung sehr stark mit den Ausgehaktivitäten korrelieren, da beide Bereiche eng miteinander verbunden sind:
Ausgehaktivitäten nach Problemen bei Freizeitgestaltung
geringe Ausgehaktivität
mittlere Ausgehaktivität
hohe Ausgehaktivität
67%
53%
51%
41%
19%
14%
6%
große Probleme bei Freizeitgestaltung
47%
2%
mittlere Probleme bei
Freizeitgestaltung
geringe Probleme bei
Freizeitgestaltung
Nur 6 % der Jugendlichen, die große Probleme in der Freizeitgestaltung haben, gehen häufig
aus. Der Anteil der häufig Ausgehenden ist mit 47 % bei den Auszubildenden, die keine Probleme bei der Freizeitgestaltung haben, fast achtmal so hoch. Inhaltlich kann dies so interpretiert werden: Auszubildende, die häufig Überstunden machen, kaum Freunde in München
haben und viel alleine sind, gehen in der Regel kaum aus, während diejenigen, die gut über
die Münchener Freizeitmöglichkeiten Bescheid wissen und viele Freunde haben, auch häufig
etwas unternehmen.
56
8.5 Beurteilung des Freizeitangebots
Wie oben dargestellt, stimmen 62 % der Befragten der Aussage zu, dass München für junge
Menschen ein tolles Freizeitangebot bietet. Sechs ausgewählte Freizeitbereiche konnten sie
darüber hinaus mit Schulnoten (von 1 = „sehr gut“ bis 6 = „ungenügend“) bewerten. Ergänzend war eine Antwortkategorie mit „weiß nicht“ vorgesehen. Für die einzelnen Bereiche
werden nachfolgend die Durchschnittswerte dargestellt, wobei Jugendliche, die mit „weiß
nicht“ geantwortet haben, von der Berechnung ausgeschlossen sind. Der Anteil derjenigen,
die mit „weiß nicht“ geantwortet haben, wird im nachfolgenden Diagramm zusätzlich zu den
Durchschnittswerten ausgewiesen:
Durchschnittsbewertung ausgewählter Freizeitbereiche:
"Wie gut kann man in München..."
... ausgehen (Kino, Disco, Kneipe)? (Ant. weiß nicht = 1%)
... in seiner Freizeit Sport machen? (Ant. weiß nicht = 10%)
... Theater/Konzerte besuchen? (Ant. weiß nicht = 21%)
... Sportveranstaltungen besuchen? (Ant. weiß nicht = 22%)
... sich einem Verein anschließen? (Ant. weiß nicht = 37%)
... Freunde kennenlernen? (Ant. weiß nicht = 3%)
1,92
2,49
2,55
2,72
3,09
3,13
Mit deutlichem Abstand werden von den Jugendlichen die Ausgehmöglichkeiten am besten
bewertet. Die schlechteste Beurteilung erhält die Möglichkeit, in München Freunde kennenzulernen. Für eine geglückte Integration sind aber gerade Kontakte im privaten Bereich besonders wichtig. So bewerten die Befragten, die in München gar keine Freunde haben, die
Möglichkeiten zum Kennenlernen von Freunden mit durchschnittlich 4,84. Nur geringfügig
besser als das Kennenlernen von Freunden wird die Möglichkeit des Anschlusses an einen
Verein bewertet. Hier ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass 37 % der Befragten diese
Frage mit „weiß nicht“ beantworten - sofern die Vereine an der Integration von auswärts
kommender Jugendlicher interessiert sind, besteht hier großer Bedarf an Informationsarbeit.
Vergleicht man die Bewertung der sechs untersuchten Bereiche des Freizeitangebots in Abhängigkeit vom Grad der Integration, so ergibt sich ein konsistentes Bild: Die beste Beurteilung wird immer von denjenigen Jugendlichen vergeben, die von Anfang an keine Probleme
in München hatten, gefolgt von denen, die sich nach Anfangsproblemen inzwischen gut zurecht finden. Die schlechteste Bewertung erteilen hingegen jeweils die Jugendlichen mit dauerhaften Integrationsproblemen. Besonders stark unterscheiden sich die Jugendlichen dabei
in ihrer Bewertung der Möglichkeit, Freunde kennenzulernen:
57
Bewertung der Möglichkeit, in München Freunde kennenzulernen
nach Entwicklung der Situation seit Ausbildungsbeginn
keine Startprobleme
Anfangsprobleme
2,59
3,05
dauerhafte
Integrationsprobleme
3,79
Auszubildende mit dauerhaften Integrationsproblemen bewerten die Möglichkeit, in München
Freunde kennenzulernen, mit 3,79 deutlich am schlechtesten, aber auch Jugendliche ohne
Anfangsprobleme vergeben im Schnitt nur eine Bewertung von 2,59. Aus Perspektive neu
nach München kommender Jugendlicher ist es also alles andere als leicht, sich in der Großstadt einen Freundeskreis aufzubauen.
8.6 Wünsche an das Münchener Freizeitangebot
Die Jugendlichen konnten im Fragebogen angeben, was sie für ihre Freizeitveranstaltung in
München vermissen. Am häufigsten beklagen die Auszubildenden, dass das Freizeitangebot
in München zu teuer ist:
„Die meisten Angebote sind für mich finanziell nicht tragbar.“
„An Sportarten und Möglichkeiten bietet München wirklich viel. Allerdings sind die
Preise dafür für mich oft nicht erschwinglich.“
„Würde gerne ins Fitnesstudio gehen à ist aber finanziell nicht tragbar für mich.“
„Oft ist die Freizeitgestaltung vom Geld abhängig, das finde ich sehr schade. Da
ich nicht gerade im Geld schwimme, beschränkt sich die Freizeitgestaltung auf
das Wohnheim, was aber auch viel Spaß macht und auch nicht so vom Geld
abhängig ist.“
„Es wird schon einiges geboten. Wie Kino, Disco, Cafes, Clubs usw. Leider ist
das alles mit Geld verbunden. In der Ausbildung verdiene ich nicht viel und davon muss ich Miete bezahlen und mein Leben finanzieren, da bleibt am Ende
nichts mehr übrig.“
Vor allem Jugendliche, die eine Ausbildung im Hotel- und Gaststättengewerbe absolvieren,
haben Probleme, regelmäßig stattfindende Angebote zu nutzen:
„Fest in einem Verein (z.B. Tennis oder Golf) spielen, ist aufgrund der Dienstzeiten in der Gastronomie nicht möglich.“
„Aufgrund von ungeregelten Arbeitszeiten kann ich keine geregelten, zeitlich harmonierenden Sportarten und Hobbys durchführen.“
Das oben festgestellte geringe Wissen über den Zugang zu Sportvereinen findet sich auch in
den Antworten der Jugendlichen wieder. Viele würden gerne Mannschaftssportarten (Volleyball, Fußball, Basketball, Handball) betreiben, wissen aber nicht, wo es entsprechende Möglichkeiten für sie gibt:
58
„Würde gerne schwimmen oder Basketball im Verein spielen! Weiß aber nicht,
wo und wie ich zu einem Verein komme!“
„Ich würde gerne wieder Basketball spielen, weiß aber nicht, wo ich eine Halle
oder ein Team finde.“
Der Mangel an Informationen beschränkt sich für einige Befragte nicht nur auf die Möglichkeit, sich einem Verein anzuschließen. Sie wünschen sich generell mehr Informationen über
Freizeitmöglichkeiten in München:
„Das Angebot wäre bestimmt da, aber man wird darüber kaum informiert.“
„Info-Unterlagen, wo es was gibt bzw. stattfindet.“
Die Auszubildenden wurden gefragt, für wie sinnvoll sie die Einführung von Veranstaltungen
halten, in denen das Stadtjugendamt Jugendliche mit dem Freizeitangebot der Stadt München bekannt macht. 41 % beurteilen solche Veranstaltungen als sehr und 44 % als eher
sinnvoll. 13 % der Befragten halten sie für eher nicht und lediglich 2 % für gar nicht sinnvoll.
Es bleibt festzuhalten, dass die Jugendlichen zwar das grundsätzliche Angebot an Freizeitaktivitäten in München als groß einschätzen, sie aber einen hohen Bedarf an Aufklärung zu
konkreten Angeboten haben und für ein entsprechendes Informationsprogramm eine große
Akzeptanz besitzen.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass in allen betrachteten Freizeitbereichen
eine sehr enge Beziehung zum Grad der Integration in München besteht. Am besten läuft es
in der Freizeit bei den Jugendlichen, denen von Anfang an in München ein guter Start geglückt ist. Sie gehen am öftesten aus, verfügen am häufigsten über einen festen Freundeskreis und haben dabei auch am meisten Kontakt zu Münchener Jugendlichen. Demgegenüber läuft bei den Jugendlichen mit dauerhaften Integrationsproblemen im Freizeitbereich
vieles schief. Sie haben am häufigsten in München überhaupt keine Freunde bzw. schaffen
es am seltensten, Kontakt zu Münchener Jugendlichen zu finden. In der Folge gehen sie am
seltensten aus und wissen oft mit ihrer Freizeit nichts anzufangen. Viele vertrösten sich auf
das Wochenende, an dem sie häufiger als andere Jugendliche nach Hause fahren. Die Integration auswärtiger Jugendlicher findet bislang nicht über Jugendzentren statt, die kaum
gekannt und weitgehend gar nicht besucht werden. Auch die Möglichkeit, sich einem Verein
anzuschließen, sind wenig bekannt bzw. werden schlecht bewertet. Insgesamt besteht über
die konkreten Freizeitmöglichkeiten ein hoher Informationsbedarf, wobei insbesondere Interesse an preiswerten Angeboten geäußert wird.
59
9 Finanzielle Situation
Bei der Befragung wurde auch die finanzielle Situation der Jugendlichen untersucht. Diese
Analyse kann natürlich keine detaillierte Erhebung ihrer Finanzlage leisten. Eine solche hätte
den Fragebogen überfrachtet. Darüber hinaus zählen Angaben zum Einkommen und zu den
finanziellen Ressourcen erfahrungsgemäß zu den sensiblen Informationen und es sollte vermieden werden, dass Jugendliche sich der Teilnahme an der Befragung verweigern, weil
ihnen die Fragen nach ihrer finanziellen Situation zu intim erscheinen. Daher beschränken
sich die an sie gestellten Fragen auf eine Einschätzung ihrer finanziellen Situation und die
Angaben von Quellen, aus denen sie Unterstützung erhalten, ohne im Detail die Höhe ihrer
Ausbildungsvergütung, ihrer Ersparnisse und der ihnen sonst zur Verfügung stehenden
Mittel zu erheben bzw. ihren Ausgaben und finanziellen Verpflichtungen gegenüber zu stellen. Folgende Fragen sollten geklärt werden: Erhalten die Jugendlichen Berufsausbildungsbeihilfe des Arbeitsamtes? Beziehen sie regelmäßige finanzielle Unterstützung durch ihre
Familie? Wie kommen sie mit ihrer finanziellen Situation zurecht?
9.1 Finanzielle Unterstützung
41 % der befragten Auszubildenden geben im Fragebogen an, dass sie Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) des Arbeitsamtes erhalten. Hier besteht in der Förderquote ein deutlicher
Unterschied zwischen Jugendlichen aus den alten und neuen Bundesländern. Während nur
12 % der Jugendlichen aus den alten Bundesländern BAB beziehen, ist dieser Anteil bei den
Jugendlichen aus den neuen Bundesländern mit 53 % rund 4,5mal so hoch. Hier macht sich
aufgrund der Berücksichtigung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Eltern die schlechtere
wirtschaftliche Situation in den neuen Bundesländern deutlich bemerkbar.
46 % der Bezieher von BAB erhalten monatlich unter 400 DM, 44 % zwischen 400 DM und
800 DM und 10 % mehr als 800 DM. Mit 48 % wird knapp die Hälfte der Auszubildenden regelmäßig von ihren Eltern oder von Verwandten finanziell unterstützt. Die Höhe dieser Zuwendungen wurde nicht erhoben. Betrachtet man die Kombination aus regelmäßiger finanzieller Förderung durch Arbeitsamt und Familie, so ergibt sich folgendes Bild:
Finanzierungsquellen
33%
26%
26%
15%
BAB + Familie
nur BAB
nur Familie
weder BAB noch Familie
Gut ein Siebtel der Befragten erhält sowohl BAB als auch regelmäßige finanzielle Unterstützung durch die Familie, gut ein Viertel bekommt nur BAB. Ein knappes Drittel der Auszubildenden wird nur durch die Familie gefördert und etwas mehr als ein Viertel erhält weder BAB
noch regelmäßige Unterstützung durch ihre Eltern.
60
9.2 Finanzielle Förderquellen und Art der Unterkunft
Nachfolgend wird untersucht, von welchen Quellen die Jugendlichen bezogen auf die Art
ihrer Unterkunft finanziell gefördert werden.
Finanzierungsquellen nach Art der Unterkunft
40%
38%
38%
39%
38%
32%
28%
26%
22%
21%
15%
24%
23%
17%
24%
20%
19%
14%
14%
8%
Eigene Wohnung
Wohnheim
keine BAB, keine Unterstützung Eltern
Unterkunft beim
Ausbildungsbetrieb
Zimmer zur Untermiete
nur Unterstützung Eltern
nur BAB
Wohngemeinschaft
BAB + Eltern
Insgesamt erhalten 28 % der beim Ausbildungsbetrieb wohnenden Jugendlichen BAB. Bei
ihnen ist mit 40 % über alle Wohnformen hinweg der Anteil derjenigen am höchsten, die
weder regelmäßig durch die Eltern noch durch das Arbeitsamt unterstützt werden. Diese
geringe Quote von BAB-Beziehern ist darauf zurückzuführen, dass sich die Förderung des
Arbeitsamts am Bedarf orientiert und die Unterbringung beim Ausbildungsbetrieb - wie im
Kapitel zur Wohnsituation dargestellt - am preiswertesten ist.
Mit 61 % ist bei den im Wohnheim wohnenden Auszubildenden der Anteil der Förderung
durch das Arbeitsamt am höchsten. Aufgrund der am Bedarf orientierten Förderung steigt mit
zunehmender Höhe der Wohnheimkosten der Anteil der Bezieher von BAB. 23 % der Auszubildenden, die monatlich bis 300 DM für das Wohnheim bezahlen, erhalten BAB. Bei Mieten über 300 DM bis 900 DM beträgt die BAB-Förderquote 60 % und 89 % der Jugendlichen,
die für ihren Wohnheimplatz monatlich über 900 DM bezahlen, erhalten BAB. Gleichzeitig
steigt die Höhe der BAB-Zahlung mit den für das Wohnheim zu entrichtenden Kosten. So
erhalten nur 18 % der BAB-Bezieher, die maximal 900 DM für ihr Wohnheim zahlen, mehr
als 600 DM BAB. Dagegen beziehen 84 % der BAB-geförderten Jugendlichen, deren Wohnheim mehr als 900 DM kostet, monatlich mehr als 600 DM BAB. Insgesamt kann festgehalten werden, dass für die Unterbringung im Wohnheim der Förderung durch BAB eine herausragende Bedeutung zukommt.
61
9.3 Beurteilung der finanziellen Situation
Die Jugendlichen wurden im Fragebogen gebeten, aus vier ihnen vorgelegten Aussagen
diejenige zu wählen, die ihre finanzielle Situation am besten beschreibt:
Selbsteinschätzung der finanziellen Situation
34%
32%
27%
7%
"Ich komme mit meinem
Geld insgesamt gut
zurecht."
"Ich komme finanziell
zurecht, muss mich aber
sehr einschränken."
"Ich komme immer gerade "Ohne Schulden zu machen
so über die Runden."
geht es bei mir nicht."
Nur gut ein Viertel der Jugendlichen kommt mit dem Geld insgesamt gut zurecht. Gut ein
Drittel muss sich sehr einschränken, knapp ein Drittel kommt gerade so über die Runden und
7 % verschulden sich. Dabei kann beobachtet werden, dass jüngere Auszubildende besser
mit dem Geld zurecht kommen. Wie eng manche Jugendliche kalkulieren müssen, zeigt sich
an der Äußerung eines Jugendlichen in einem die Befragung vorbereitenden Interview:
„Ich kann so gut wie nie fortgehen. Ich kann mir höchstens mal ein paar Bierchen
kaufen und mich in irgendeinen Park setzen oder so. Aber nur ganz selten - vielleicht ein Mal im Monat oder so - kann ich in die Disco gehen, wenn ich wirklich
Geld habe.“
Nachfolgend wird betrachtet, ob eine Beziehung zwischen der finanziellen Situation und der
Integration in München besteht:
Finanzielle Situation nach Integrationsgrad
42%
38%
37%
33%
31%
29%
27%
25%
18%
11%
5%
4%
keine Probleme
kommt mit Geld gut zurecht
Anfangsprobleme
muss sich sehr einschränken
dauerhafte Integrationsprobleme
kommt gerade so über die Runden
ohne Schulden geht es nicht
Es kann beobachtet werden, dass Jugendliche, die von Anfang an in München gut zurecht
kommen, auch mit ihrer finanziellen Situation am wenigsten Probleme haben. Unter ihnen ist
mit 42 % der Anteil derjenigen am höchsten, die angeben, dass sie mit ihrem Geld insgesamt gut zurecht kommen. Demgegenüber ist dieser Anteil bei den Jugendlichen mit dauerhaften Integrationsproblemen mit 18 % um mehr als die Hälfte geringer. Bei diesen Jugendli62
chen ist auch der Anteil der sich verschuldenden Auszubildenden gut doppelt so hoch als bei
den übrigen Auszubildenden und erreicht bedenkliche 11 %. Finanzielle Probleme stehen
somit in einer engen Beziehung zum Grad der Integration in München.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass finanzielle Nöte zu den häufigsten und schwerwiegendsten Problemen der von auswärts kommenden Jugendlichen zählen. Die für Wohnung
und Lebenshaltung selbst verantwortlichen Jugendlichen müssen auf Basis ihrer Ausbildungsvergütung oftmals sehr knapp kalkulieren. Erschwert wird dies in München durch die
hohen Mieten und Lebenshaltungskosten. Probleme, die aus der finanziell angespannten
Lage resultieren, ziehen sich wie ein roter Faden durch die Befragung. So haben bei den
Fragen zum Freizeitbereich knapp drei Viertel der Auszubildenden der Aussage zugestimmt,
sich das Freizeitangebot in München finanziell oft nicht leisten zu können. Bei ihrer Situation
als Neuankömmling und im Bereich Wohnen wurde von vielen Jugendlichen ihre finanzielle
Lage thematisiert. Geldprobleme zählen darüber hinaus zu den Gründen für einen ins Auge
gefassten Abbruch der Berufsausbildung. Viele Jugendlichen sprechen im Fragebogen an,
dass ohne finanzielle Unterstützung durch das Arbeitsamt oder die Familie eine Ausbildung
in München gar nicht möglich wäre. Oft reicht die Ausbildungsvergütung nicht einmal für die
Miet- bzw. Wohnheimkosten. 41 % der Jugendlichen erhalten vom Arbeitsamt BAB. Hier
bestehen nach der regionalen Herkunft deutliche Unterschiede. Erhält nur knapp ein Achtel
der Auszubildenden aus den alten Bundesländern BAB, so bezieht mehr als die Hälfte der
ostdeutschen Jugendlichen BAB. Am häufigsten werden im Wohnheim und am seltensten
beim Ausbildungsbetrieb lebende Jugendliche durch das Arbeitsamt gefördert. Insgesamt ist
mit 27 % der Anteil derjenigen, die mit ihrem Geld gut zurecht zu kommen, gering.
63
10 Einstellungen zu Ausländern
Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit bildeten keine inhaltlichen Schwerpunkte der
Befragung. Vielmehr stand die möglichst umfassende Erhebung der Lebenssituation der
auswärtigen Jugendlichen im Vordergrund. Lediglich eine Aussage des Fragebogens stellte
auf Toleranz hinsichtlich Ausländern ab. Darüber hinaus thematisierten jedoch sehr viele
Jugendliche in verschiedenen offenen Fragen, deren Formulierung sich in keiner Weise auf
Ausländer bezog, dieses Thema. Das ist ein deutlicher Indikator dafür, dass den Auszubildenden dieser Bereich wichtig ist. Daher wird zunächst die Antwort zu der auf Ausländer bezogenen Frage dargestellt, ehe anschließend die Statements der Jugendlichen aus den offenen Fragen beschrieben werden.
10.1
Aussage zu Ausländern
Der Aussage „Die meisten Probleme, die ich habe, hängen irgendwie mit Ausländern zusammen. Deshalb müssen wir sie mit allen Mitteln davon überzeugen, dass sie in ihre Heimat zurückkehren“ stimmten 8 % der Jugendlichen voll und 10 % eher zu. Angesichts der
drastischen Formulierung erscheint diese Zustimmung von insgesamt 18 % bedenklich hoch.
Dabei kann beobachtet werden, dass männliche Befragte häufiger zustimmen als weibliche
und Jugendliche aus den neuen Bundesländern häufiger als Jugendliche aus den alten Bundesländern:
Zustimmung zur Aussage bzgl. Ausländern
nach regionaler Herkunft und Geschlecht
26%
21%
12%
4%
männlich/neue Länder
weiblich/neue Länder
männlich/alte Länder
weiblich/alte Länder
Darüber hinaus besteht eine starke Beziehung zur Schulbildung der Befragten. 27 % der
Hauptschüler, 20 % derjenigen mit Mittlerer Reife und 8 % der Befragten mit Abitur oder
Fachabitur stimmen der Aussage zu. Der Unterschied nach regionaler Herkunft bleibt auch
nach Kontrolle der Bildung bestehen. Somit liegt er nicht darin begründet, dass die Befragten
aus den alten Ländern häufiger Abitur haben.
Mit dem Grad der Zustimmung sinkt der Anteil der Jugendlichen, in deren Freundeskreis sich
Ausländer befinden. 55 % derjenigen, welche die Aussage voll ablehnen, haben nur Deutsche im Freundeskreis, während bei denjenigen, welche der Aussage voll zustimmen, dieser
Anteil 94 % beträgt. Es ist möglich, dass Jugendliche der Aussage nur deshalb zustimmen,
weil sie auf zu wenig persönliche Erfahrung mit Ausländern zurückgreifen können. Bei Jugendlichen aus Berufen des Hotel- und Gaststättengewerbes, die beruflich in der Regel sehr
viel mit Ausländern zu tun haben, beträgt die Zustimmung nur 7 %, wohingegen von den
übrigen Befragten 23 % zustimmen.
Es sei betont, dass aus der Zustimmung zu der Aussage noch kein Rückschluss auf das
Verhalten der Befragten gezogen werden kann. Die Zustimmung ist allerdings ein Indikator
dafür, dass bei manchen Jugendlichen eine mögliche Anfälligkeit für rechtsextreme Einstellungen vorliegen kann. Die Antworten auf eine einzelne Aussage kann jedoch keinen zuverlässigen Situationsbericht ersetzen.
64
10.2
Auf Ausländer bezogene Antworten aus offenen Fragen
Im Fragebogen befanden sich viele offene Fragen zu den verschiedenen erhobenen Themenblöcken. Dabei wurde - auch wenn die jeweilige Frage auf ganz andere Inhalte abzielte immer wieder der Bereich Ausländer von den Jugendlichen thematisiert. Exemplarisch für
die Bandbreite sind nachfolgend einige Antworten auf die Frage „Welche Tipps und Anregungen würden Sie anderen Jugendlichen geben, die zur Berufsausbildung nach München kommen? Auf was sollten sie achten, welche Fehler sollten sie vermeiden?“ dargestellt:
„Sollten mit dem hohen Ausländeranteil keine Probleme haben.“
„Es gibt viele Ausländer, was einen nicht unbedingt stören sollte, weil es ist einfach so in München (Ich habe auch was gegen Ausländer, aber ich kann es ja
nicht ändern, leider)“.
„Wenn sie aus dem Osten kommen, müssen sie sich erst noch an die Ausländer
gewöhnen, aber man müsste ihnen beibringen, dass nicht alle Ausländer
schlecht sind.“
„Sollten sich von Ausländern nicht ausbeuten oder unterkriegen lassen.“
„Lasst Euch nicht auf Ausländer und kriminelle Elemente ein.“
„Nicht mit Ausländern reden!!!“
„Man sollte wissen, dass Ehrlichkeit bei dem Ausfüllen des BAB-Bogens sinnlos
ist, denn da bekommt man nichts. Man sollte es wie die Ausländer machen, sich
die Wohnung bezahlen lassen und nichts arbeiten, da geht es einem richtig gut in
München. Nur wenn man arbeitet ist man total der Depp.“
Während die erste Aussage sich noch weitgehend auf die Feststellung des hohen Ausländeranteils beschränkt, beinhalten die meisten anderen mitunter massive Vorurteile. So ist die
Gleichsetzung von Ausländern mit Kriminalität ebenso xenophob wie die Empfehlung, nicht
mit Ausländern zu sprechen. Es wird ersichtlich, dass einige der Jugendlichen gegenüber
ausländischen Mitbürgern erhebliche Toleranzdefizite besitzen. Diese lassen sich auch darauf zurückführen, dass die Jugendlichen in ihrer Heimat oftmals kaum Kontakt zu ausländischen Mitbürgern hatten und auf keine eigenen Erfahrungen aufbauen können. In einem die
Untersuchung vorbereitenden Gespräch beschreibt dies ein Jugendlicher aus Thüringen:
„Auf jeden Fall bin ich auch in der rechten Szene aufgewachsen, aber ich sag
mal, bei uns ging das ja, hier die Leute in München oder Bayern sind mit denen
groß geworden, leben mit denen schon seit Jahrzehnten und bei uns kam das ja
erst nach der Wende, dass so viele Ausländer bei uns reingekommen sind.“
Viele Jugendliche aus den neuen Bundesländern müssen sich in München erst neu orientieren und erleben es mitunter als Benachteiligung, dass ausländische Jugendliche sich in
München besser zurecht finden als sie. Ein Berufsschullehrer beschreibt diese Situation:
„Na, dann gibt es Situationen, dass eben der dunkelhäutige, türkische Jugendliche, der aus der östlichen Türkei kommt, aber hier geboren ist, zu den ostdeutschen Azubis sagt: >Ja was wollt denn ihr Ausländer hier, geht doch wieder rüber!<“
Auch ein Experte aus der Berufsberatung eines sächsischen Arbeitsamtes betont das Phänomen, dass sich Jugendliche aus den neuen Bundesländern gegenüber ausländischen
Auszubildenden, die in München aufgewachsen sind, benachteiligt fühlen:
65
„Ich denke, dass man auch Probleme hat mit dem hohen Ausländeranteil klar zu
kommen. Ohne dass ich den Leuten unterstelle, latent ausländerfeindlich zu sein,
aber es ist einfach eine ungewohnte Situation. Man hat in den Regionen, wo die
herkommen, so in Ostsachsen oder Sachsen allgemein, sehr wenige Ausländer.
Und die in München lebenden Ausländer, die sich natürlich als Münchener fühlen, völlig zurecht, das ist ja ganz klar, aber wo der Sachse dann sagt: >Ich fühle
mich ja eigentlich mehr als Ausländer als der Ausländer in München!< und damit
vielleicht Identitätsprobleme kriegt oder sonstiges. Wie gesagt, ich unterstelle
nicht, dass die ausländerfeindlich sind, das mit Sicherheit nicht, aber es ist einfach ein ganz ungewohnter Zustand.“
Angesichts dieses Mangels an Erfahrungen mit ausländischen Mitbürgern und der von vielen
Jugendlichen formulierten Vorurteile erscheinen präventive Angebote in diesem Bereich dringend angezeigt.
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11 Ausbildung und Leben in München
In der Studie „Ausbildung und Leben in München“ wurde versucht, die Lebenssituation der
Jugendlichen zu beschreiben, die von auswärts zur Berufsausbildung nach München kommen. Die Analyse erstreckte sich auf viele verschiedene Bereiche, u. a. auf die Wohnsituation, den Freizeitbereich und den Wunsch der Jugendlichen, in die Heimat zurückzukehren.
Nachfolgend werden einige zentrale Befunde der Untersuchung zusammengefasst. Aber
was kann besser sein, als die Jugendlichen selbst ihre Situation beschreiben zu lassen?
Daher werden zum Abschluss des Berichts die Empfehlungen zusammengefasst, welche die
Auszubildenden für andere Jugendliche formulieren, die ebenfalls vor der Entscheidung
stehen, ob sie zur Berufsausbildung ihre Heimat verlassen und nach München kommen
sollen.
11.1
Überblick über zentrale Befunde der Studie
Der Großteil der auswärtigen Jugendlichen in München kommt aus den neuen Bundesländern, vor allem aus Sachsen. Darüber hinaus stammen jedoch auch viele Auszubildende aus
den alten Bundesländern bzw. Bayern. Die Mehrheit der Jugendlichen kommt direkt im Anschluss an ihren Schulbesuch zur Berufsausbildung nach München. Die im Vorfeld der Befragung häufig geäußerte Hypothese, dass sie überwiegend erst nach Warteschleifen nach
München kommen, kann somit verworfen werden. 56 % der Jugendlichen sind bei Ausbildungsbeginn noch nicht volljährig. Dabei sind die Auszubildenden aus den neuen Ländern
deutlich jünger. Dies ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass die Jugendlichen aus den
alten Bundesländern sich bevorzugt auf Berufe konzentrieren, für die eine längere Schulausbildung vorausgesetzt wird.
Auch bei der Motivation, nach München zu kommen, unterscheiden sich die Jugendlichen
aus den alten und neuen Bundesländern deutlich voneinander. Bei den Auszubildenden aus
den neuen Bundesländern dominiert die schlechte Situation am heimischen Ausbildungsstellenmarkt die Entscheidung. Für sie bildet München oftmals die einzige Möglichkeit,
überhaupt eine Berufsausbildung zu absolvieren. Die Entscheidung für München fällt ihnen
schwerer als den westdeutschen Auszubildenden. Jugendliche aus den neuen Bundesländern bereiten ihren Umzug nach München schlechter vor als westdeutsche Jugendliche und
nur wenige sind bei ihrer Ankunft in München über die Stadt gut informiert. Darüber hinaus
verfügen sie seltener über persönliche Kontakte zu in München lebenden Personen, auf
deren Unterstützung sie zurückgreifen können. Demgegenüber kommen viele Jugendliche
aus den alten Bundesländern besser vorbereitet und gezielt nach München, weil ihnen die
Stadt gefällt, sie in einer Großstadt leben wollen bzw. weil es ihnen wichtig ist, selbständig zu
leben und eigene Erfahrungen zu sammeln.
Kontakte zu bereits in München lebenden Personen haben für die Jugendlichen vor allem zu
Beginn der Ausbildung eine große Bedeutung. Wenn schon Geschwister, Verwandte, Freunde oder Bekannte in München leben, können diese in der Anfangsphase oftmals wichtige Hilfestellung leisten. Darüber hinaus bewerten es Jugendliche vielfach als sehr hilfreich, im
Wohnheim oder der Wohngemeinschaft gleich Anschluss gefunden zu haben. Viele Jugendliche verweisen auf die hohe Integrationsleistung ihres Ausbildungsbetriebs: Arbeitgeber und
Ausbilder erleichtern häufig das Einleben und andere Auszubildende des Betriebs oder der
Berufsschule helfen beim Aufbau eines neuen Freundeskreises. Vielen Jugendlichen fehlen
in München zunächst Eltern und Geschwister sowie ihre Freunde. In der Folge haben sie
sehr große Probleme mit Heimweh und Einsamkeit. Neben Auszubildenden, denen es sehr
einfach fällt, in München Freunde zu finden, ist der Aufbau eines neuen Freundeskreises für
viele sehr schwierig.
Die meisten Jugendlichen klagen über die hohen Mieten und Lebenshaltungskosten Münchens. Nur gut ein Viertel der Auszubildenden gibt an, mit dem Geld gut zurecht zu kommen.
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Die meisten müssen sich sehr einschränken bzw. kommen gerade so über die Runden und
einige machen Schulden. Insbesondere ältere Auszubildende leiden unter finanziellen Problemen.
Für die wenigsten von auswärts kommenden Jugendlichen ist die Anfangszeit einfach. Lediglich einem knappen Fünftel gelingt der Start ohne Schwierigkeiten. Mit drei Fünftel kämpfen die meisten mit Anfangsproblemen, finden sich aber mit Fortbeginn ihrer Ausbildung
zunehmend besser in München zurecht. Ein Fünftel leidet jedoch dauerhaft unter Integrationsproblemen. Diese Jugendlichen stoßen in den meisten untersuchten Bereichen häufiger
auf Schwierigkeiten als andere. So ergeben sich für sie besonders oft Probleme im Freizeitbereich, sie gehen selten aus, knüpfen am wenigsten Kontakte und finden kaum Anschluss
an Münchener Jugendliche. In der Folge fahren sie am Wochenende am häufigsten nach
Hause und tragen das höchste Abbruchrisiko.
Eine wichtige Frage sowohl für die Münchener Betriebe als auch für die Wirtschaft in den
Heimatregionen der Jugendlichen ist, ob sie nach ihrer Ausbildung in München bleiben
wollen. Verständlicherweise haben diese Entscheidung zum Zeitpunkt der Befragung viele
noch nicht getroffen. Von denjenigen, die sich bereits entschieden haben, möchte die Hälfte
in München bleiben. 20 % wollen in ihre Heimat zurück und 30 % zieht es an einen anderen
Ort, wobei dieser Anteil im Hotel- und Gaststättengewerbe besonders hoch ist. Die Mehrheit
der Jugendlichen plant also, nach der Ausbildung nicht in ihre Heimat zurückzukehren. Dabei
kann beobachtet werden, dass der Anteil der Rückkehrwillligen mit Fortdauer der Ausbildung
sinkt. Besonders selten wollen die Jugendlichen mit dauerhaften Integrationsproblemen in
München bleiben.
Die Situation am Münchener Wohnungsmarkt ist bekanntlich sehr schwierig. Vor allem für
Auszubildende kommt es zu großen Engpässen. Immer wieder können Ausbildungsplätze
nicht besetzt werden, weil die Jugendlichen keine Wohnung finden. Zu Beginn ihrer Ausbildung leben die meisten Befragten in einer eigenen Wohnung, im Wohnheim oder beim Betrieb. In der Art der Unterkunft unterscheiden sich ost- und westdeutsche Jugendliche sehr
deutlich voneinander. Ostdeutsche Auszubildenden leben vor allem im Wohnheim und beim
Ausbildungsbetrieb, während westdeutsche Jugendliche am häufigsten in eine eigene Wohnung ziehen.
11.2
Empfehlungen der Jugendlichen
Waren vor Durchführung der Studie zahlreiche Aspekte der Situation der auswärtigen Jugendlichen nur sehr wenig bekannt, so ist es gelungen, detailliert über viele Bereiche hinweg
zu beschreiben, wie es ihnen in der neuen Stadt ergeht und wo sich für sie Schwierigkeiten
ergeben. Ergänzend zu den oben zusammengefassten Befunden sind anschließend die
Empfehlungen der Jugendlichen auf die Frage, was sie anderen Jugendlichen an Tipps und
Anregungen geben, die wie sie zur Berufsausbildung nach München kommen möchten, dargestellt. Die Auszubildenden konnten darauf verweisen, auf was nach ihrer Erfahrung zu
achten ist bzw. welche Fehler vermieden werden sollten. Aus den Antworten der Jugendlichen wird nochmals sehr gut ersichtlich, wie sich die Situation für Neuankömmlinge gestaltet.
Entscheidung gut überlegen
Viele Jugendliche verweisen in ihren Antworten darauf, dass es ein grundlegender Schritt ist,
von zu Hause weg nach München zu gehen. Sie betonen, dass Durchhaltevermögen sehr
wichtig ist, um Anfangsprobleme zu meistern:
„Sollten genau wissen, auf was sie sich einlassen, da die erste Zeit sehr schwierig wird.“
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„Ich würde allen raten, sich das genau zu überlegen. Es ist ein großer Schritt mit
vielen Problemen. Es macht aber auch Spaß. Jeder muss wissen, ob er sich das
zutraut und reif ist, so einen Schritt zu machen.“
„Ich würde anderen Jugendlichen raten, wenn sie nach München kommen möchten, sollen sie sich es gut überlegen. Ob sie den Mut und die Kraft dazu haben,
wenn sie ganz allein sind. Es ist nicht einfach.“
„Nicht nach München gehen, wenn man noch sehr an der Familie hängt.“
Umstellung
Mit dem Weg nach München geht eine komplette Neuorganisation des eigenen Lebens einher, die auch die eigenständige Haushaltsführung umfasst:
„Sich klar werden, dass es eine große Umstellung ist, plötzlich alleine zu wohnen
(Geld für Lebensmittel, Wäsche, Kochen etc.).“
„Man muss sich darüber im Klaren sein, was es bedeutet, ganz auf sich allein gestellt zu sein ... Wenn man vorher bei den Eltern gewohnt hat und auf einmal selber fürs Putzen, Spülen, Waschen etc. zuständig ist, also einen eigenen Haushalt hat, ist das eine sehr große Umstellung.“
Selbständigkeit erforderlich
Die Jugendlichen machen in ihren Antworten deutlich, dass das eigenständige Leben in
München einen gewissen Grad an Reife und Selbständigkeit voraussetzt:
„Es ist auf jeden Fall ein schwerer Schritt. Man braucht ein starkes Selbstbewusstsein und man sollte schon selbständig leben können.“
„Er sollte schon gelernt haben, mit Geld umzugehen und rechnen können! Er
müsste selbständiges Handeln beherrschen und sich darüber im Klaren sein,
dass er hier auf sich selbst gestellt ist.“
Nicht zu oft nach Hause fahren
Für eine gelungene Integration ist es wichtig, auch an den Wochenenden in München zu
bleiben. Sich in der Freizeit zu sehr auf die Heimat zu beziehen, birgt die Gefahr, in München
nicht richtig Fuß zu fassen:
„Nicht ganz so oft nach Hause fahren, das macht es nur schwerer, von zu Hause
loszukommen.“
„Fehler: Nicht ständig heimfahren, wenn man frei hat, denn dann schafft man
sich keinen richtigen Lebensraum zu Hause oder hier in München.“
Aktiv sein, Kontakte suchen
Die Jugendlichen betonen, dass es sehr wichtig ist, sich die neue Stadt eigenständig zu erarbeiten. Als zentral erachten sie es, sich aktiv neue Kontakte zu erschließen:
„Auf alle Fälle sollte man so schnell wie möglich Kontakte knüpfen, damit man
immer viel unterwegs ist und gar nicht erst auf blöde Gedanken kommt.“
„Unbedingt Leute kennenlernen, die hier in München leben. Mit ihnen lässt es
sich leichter München kennenlernen. Außerdem macht es mehr Spaß, als wenn
man alleine losgeht.“
„Sie sollten gleich >raus!< um München kennenzulernen, dabei trifft man auch
neue Leute / Freunde.“
„In Sportvereine oder Fitnessclubs gehen, um Leute kennenzulernen. Sich mit
anderen Auszubildenden treffen. Nicht immer nur zu Hause rumsitzen.“
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Existierende Kontakte in München, gemeinsam mit anderen nach München kommen
Wie schwer es jedoch für viele sein kann, neue Leute kennenzulernen, ist in den Antworten
von Jugendlichen erkennbar, die auf den hohen Stellenwert von bereits in München existierenden Kontakten verweisen:
„Sollten nicht nach München kommen, wenn sie hier keine Leute kennen, denn
es ist schwer, hier Leute kennenzulernen.“
„Wenn ihr nach München kommt, bringt Verwandte oder Freunde mit. Es ist verdammt schwer, wenn man keinen kennt.“
„Wenn es geht, nicht alleine nach München gehen, da es sehr schwer ist, neue
Freunde zu finden.“
Nicht entmutigen lassen, Geduld zeigen
Die Anfangszeit in München ist meist nicht einfach. Jugendliche sollen sich darauf einstellen,
dass es einige Zeit dauert, bis man sich in der neuen Stadt eingewöhnt und besser zurecht
findet:
„Tipp: durchhalten und nicht wegen Heimweh gleich nach Hause fahren, ohne
eine andere Ausbildungsstelle zu haben.“
„Nicht verzweifeln, wenn einem das Eingewöhnen nicht so leicht fällt, das braucht
alles seine Zeit.“
„Heimweh und Trennungsschmerz sind ganz normal à tut weh, aber wird schwächer oder geht vorbei! Nicht in schwierigen Situationen alles hinschmeißen, weil
es daheim viel schöner wäre!“
Auf Wohnungsmarkt vorbereiten, rechtzeitig Wohnsituation klären
Eines der größten Probleme für die Jugendlichen bildet der angespannte Wohnungsmarkt.
Es ist empfehlenswert, nach Möglichkeit mit ausreichend Vorlaufzeit mit der Wohnungssuche
zu beginnen:
„Früh genug mit der Wohnungssuche beginnen, da es in München für Berufsanfänger sehr schwierig ist, etwas zu bekommen. Durch die anfängliche Probezeit
sind viele Vermieter nicht bereit, die Wohnung an Azubis zu vermieten.“
„Möglichst zeitig mit Wohnungssuche beginnen (weit vor Beginn der Ausbildung).
Es ist für einen Azubi sehr, sehr schwer einen Wohnplatz zu finden. Ich bin seit
Beginn meiner Ausbildung auf der Suche nach einem Wohnplatz / einer Wohnung à bis jetzt ohne Erfolg.“
Am Anfang Wohnheim oder WG
Für die Anfangszeit halten es viele Jugendliche empfehlenswert, in ein Wohnheim oder eine
Wohngemeinschaft zu ziehen, da über diese Art des Wohnens die Kontaktsuche erleichtert
und Heimweh vorgebeugt wird:
„Wenn Jugendliche ihre Ausbildung in München antreten und alleine sind, d.h.
keine Freunde und Bekannte in dieser Stadt haben, empfehle ich die Unterkunft
in einem Wohnheim, da man da aus meiner Sicht besser Freunde kennenlernen
kann, als wenn man alleine in einer Wohnung wohnt.“
„Also Probleme, hier in München Kontakt mit jemandem aufzunehmen außer Arbeitskollegen hatte ich nicht, da ich ja in einem Wohnheim lebe. Und das finde
ich für den Anfang sehr gut. Da man gleich unter Menschen ist. Also wenn man
ganz allein nach München kommt, dann sollte man ein Wohnheim bevorzugen,
dadurch fällt einem vieles leichter.“
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„Sollten sich nicht gleich eine eigene Wohnung suchen, lieber erst mal in einem
Wohnheim, so lernen sie Freunde kennen und Freunde sind sehr wichtig, damit
das Leben in München leichter wird.“
Finanzielle Situation
In Verbindung mit dem engen Wohnmarkt und den hohen Lebenshaltungskosten haben viele
Jugendliche Probleme, finanziell über die Runden zu kommen:
„Man muss sich vorher im Klaren sein, dass man in München ohne finanzielle
Unterstützung keine Chance zum richtigen Leben hat.“
„Vor allem würde ich nie jemanden, der nicht mit Geld umgehen kann, hierher
schicken.“
„Man sollte nicht gleich denken, wenn ich jetzt Geld habe, kann ich auf großem
Fuß leben. Das Geld ist schneller weg, als man denkt.“
München im Vorfeld erkunden
Die Jugendlichen betonen, wie wichtig es ist, sich im Vorfeld über München zu informieren,
um auch vorab abklären zu können, ob es ihnen in dieser Stadt gefällt:
„Sie sollten sich genau über die Stadt informieren. Die Stadt mal besuchen, um
sie kennenzulernen und zu erkunden.“
„Sollten sich München erst genau anschauen, bevor sie sich für einen Umzug
entscheiden.“
„In München mal Urlaub machen, bevor sie sich entscheiden, hierher zu ziehen.“
Überlegte Berufswahl treffen, Praktikum machen
Angesichts der Schwierigkeiten auf dem Ausbildungsstellenmarkt in vielen Gegenden ist die
Gefahr groß, dass die Jugendlichen sich zu vorschnell für einen Ausbildungsberuf entscheiden, ohne darauf zu achten, ob dieser wirklich für sie geeignet ist. Daher sollte man die Entscheidung gut überlegen und nach Möglichkeit auch den künftigen Ausbildungsbetrieb zuvor
anschauen:
„Genaue Wahl des Berufes, da sehr viele Azubis in meinem Betrieb zu spät festgestellt haben, dass sie den Beruf verfehlt haben.“
„Das Wichtigste ist, dass man vor Entscheidung eines Berufes ein Praktikum
macht, aber nicht nur eine Woche, sonder mindestens zwei Wochen.“
„Den vielleicht zukünftigen Ausbildungsbetrieb anschauen und sich ein Bild davon machen.“
„Man sollte probearbeiten, damit man einen Eindruck vom Chef und dem Arbeitsklima bekommt.“
Hilfen in Anspruch nehmen
Von zentraler Bedeutung für viele Jugendliche sind finanzielle Hilfen, insbesondere BAB. Die
Anträge sollten rechtzeitig gestellt werden, damit man nicht zu Beginn der Ausbildung vor
finanziellen Engpässen steht:
„Finanziell sollte man versuchen, so viele Hilfen wie möglich beantragen (Starthilfe, Berufsbeihilfe).“
„So zeitig bzw. schnell wie möglich finanzielle Unterstützung, beispielsweise BAB
und Wohngeld, beantragen.“
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Gewinn: Erwerb von Selbständigkeit
Die vielen Herausforderungen, die im Rahmen einer Berufsausbildung fern der Heimat zu
bewältigen sind, bringen aber gleichzeitig einen hohen Gewinn an Selbständigkeit und Lebenserfahrung, der von den Jugendlichen als gewinnbringend erlebt wird:
„Es ist auf jeden Fall eine Erfahrung wert, alleine in eine andere Stadt zu ziehen,
man lernt so viele Dinge dazu (z. B. Selbständigkeit). Man kann sein eigenes Leben aufbauen, ohne Hilfe von Familienangehörigen zu bekommen.“
„Ich glaube, ich würde mich wieder entscheiden, in eine andere Region zu ziehen, muss nicht München sein. Weil ich denke, ich möchte die Zeit in München
auf keinen Fall missen. Ich habe viel gelernt, vor allem mit Menschen umzugehen. Ich bin selbstbewusster und selbständiger geworden. Ich denke eher, wenn
ich zu Hause darauf gewartet hätte, dass ich irgendwann eine Ausbildung hätte
machen können, wäre ich nicht das, was ich jetzt bin. Ich kann allen nur raten,
ehe sie darauf warten, sollten sie ihren Mut zusammen nehmen und in eine andere Stadt ziehen. Irgendwann werden sie sehen, dass es nur von Vorteil war.
Klar ist es anfangs schwer, aber man kann nur dazulernen, ist für das weitere
Leben wichtig.“
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