Einkaufszentren – Konkurrenz für die Innenstädte

Transcription

Einkaufszentren – Konkurrenz für die Innenstädte
Einkaufszentren – Konkurrenz für die Innenstädte
Ulrike Gerhard und Ulrich Jürgens
Ähnlich wie die Entwicklung neuer Betriebsformen im Einzelhandel war auch
deren planmäßige Vergesellschaftung
eine Innovation aus den USA. Einkaufszentren wurden zu Symbolen einer
neuen randstädtischen Konsumwelt.
Die zunehmende Wohnsuburbanisierung und die Ausbreitung des motorisierten Individualverkehrs dezentralisierten das ursprünglich auf die Innenstädte bezogene Versorgungssystem. Öffentliches Leben spiegelt sich seitdem
„unter den Kuppeln der Freude“ wider
(CRAWFORD 1995, S. 44f.), ein Zitat, das
den Versuch von Einkaufszentren, Urbanität nachzuahmen, charakterisiert.
Länder Westeuropas
Fläche in Einkaufszentren
pro 1000 Einwohner 2000
m²
350
Entwicklungsphasen
Zu Beginn der 1960er Jahre wurde in
der Bundesrepublik Deutschland
erstmals ein 쑺 Shopping-Center amerikanischer Dimension in nicht integrierter Lage gebaut. Seitdem hat die
strukturelle und funktionale Entwicklung sowie die räumliche Verbreitung
von Einkaufszentren verschiedene Phasen durchlaufen (MAYR 1980; DHI
1991) :
1964 bis Anfang der 1970er Jahre
Zu den Einkaufszentren der ersten Phase
zählten sog. Regionalzentren auf der grünen Wiese, d.h. auf unbebauten und für
den Dienstleistungsbereich ursprünglich
funktionslosen Flächen, sowie Zentren
an der Stadtperipherie, bei denen es sich
um besonders große Objekte mit einem
weiten Kundeneinzugsbereich handelte.
Es dominierte der Trend zur offenen eingeschossigen Bauweise. Kauf- und Warenhäuser dienten als Magnetbetriebe.
Räumlich konzentrierten sich die Einkaufszentren vornehmlich in den großen
300
Branchenmix – Zusammensetzung verschiedener Warengruppen in einem Geschäft bzw. in einem Einkaufszentrum
250
Einkaufszentrum – Gruppe von Geschäften, die als Einheit geplant und gemanagt wird
200
150
Entertainment-Center – vielfältige Einrichtungen für den Freizeit- und Unterhaltungssektor unter einem Dach
100
50
0
S
NL
L
F GB IRL A
E DK N FIN P CH
D
Food Court – verschiedenartige Einrichtungen des Gastronomie- und Fast-FoodSektors unter einem Dach
© Institut für Länderkunde, Leipzig 2002
Factory-Outlet-Center – Zusammenschluss mehrerer Läden, in denen ein Direktverkauf vom Fabrikanten an den
Konsumenten stattfindet
integrierte Lage – Standort innerhalb
des geschlossenen Siedlungsgefüges
Ausgewählte Metropolen Europas
Gesamtfläche und Pro-Kopf-Fläche von
Einkaufszentren 2000
Shopping-Center – Einkaufszentrum
Shopping-Mall – überdachter Einkaufsboulevard, der – über die reine Notwendigkeit einer Ladenstraße hinaus – ästhetisch reizvoll gestaltet ist und Annehmlichkeiten für den Passanten anbietet
Paris
London
Madrid
Ballungsgebieten Rhein-Ruhr, RheinMain, Stuttgart, Nürnberg, Hamburg
und West-Berlin.
Berlin
Amsterdam
Gesamtfläche
in Mio. m²
Pro-Kopf-Fläche
in m²
Warschau
Budapest
Mailand
0
0,5
1
1,5
2
2,5
Mio. m² bzw. m²/Einw.
© Institut für Länderkunde, Leipzig 2002
144
Erste Hälfte der 1970er Jahre
Zu Beginn der 1970er Jahre entstanden
in sehr viel kürzerer Zeit mehr Einkaufszentren als in den gesamten 1960er
Jahren zusammen. Sie breiteten sich
auch außerhalb großer Verdichtungsräume aus. Innerstädtische und somit
쑺 integrierte Standorte, die vor allem
als Sanierungsmaßnahmen für die Citys
forciert wurden, überflügelten die randstädtischen um ein Mehrfaches.
Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Dörfer und Städte
Lifestyle-Kaufhaus
Sevens in Düsseldorf
Mitte der 1970er
bis Mitte der
1980er Jahre
Anfang der 1980er
Jahre kam die Expansion kurzzeitig
zum Stillstand. Ein
schwaches Verkaufswachstum im Einzelhandel und restriktivere Vorgaben
der Baunutzungsverordnung ab Ende
der 1970er Jahre,
die die Planung
großflächiger Einzelhandelsbetriebe
erschwerten, erklären das abnehmende Investitionsinteresse.
Zweite Hälfte der 1980er Jahre
Sowohl Neueröffnungen als auch ältere
Einkaufszentren, die revitalisiert wurden, reflektierten in ihrer Innen- und
Außenarchitektur den postmodernen
Zeitgeist. Das Einkaufszentrum wurde
zum Konsumtempel, in dem neben dem
rationalen Einkauf das Promenieren
und Bummeln sowie Freizeiteinrichtungen an Bedeutung gewannen.
Seit Anfang der 1990er Jahre
Innerstädtische und stadtteilbezogene
Einkaufszentren haben in Westdeutschland zahlenmäßig stark zugenommen
und werden von den Kommunen planerisch favorisiert, um die eigene Zentralörtlichkeit gegenüber Standorten auf
der grünen Wiese zu stärken. Alle
Shopping-Center-Standorte zielen darauf, neben Verkaufseinrichtungen großflächige Freizeitanlagen zu integrieren.
Die Umwandlung von Bahnhöfen und
Flughäfen zu Einkaufszentren und die
Entstehung von 쑺 Factory-Outlet-Centern zeigen an, dass immer noch neue
Formen von Einkaufszentren entstehen.
Im Zeitraffer durchlaufen die neuen
Länder in einem Jahrzehnt alle aus dem
Westen bekannten Bauphasen. Der
Ausbau der Zentren auf der grünen
Wiese profitierte besonders in den ersten Nachwendejahren vom zunächst
unzureichenden Planungsrecht und von
der mangelnden Konkurrenz maroder
Innenstädte .
R
Ausgewählte Städte, alte und
neue Länder
Verkaufsfläche in großen*
Einkaufszentren je 1000
Einwohner 1998/99
m²/1 000 Einw.
300
250
200
150
100
282
RO
HH
M
B
F
K
D
Rostock
Hamburg
München
Berlin
Frankfurt
Köln
Düsseldorf
aL alte Länder
Dtl. Deutschland
nL neue Länder
189
154
104 98
94
50
0
88
77
65
33
RO HH M
B
F
K
D
© Institut für Länderkunde, Leipzig 2002
aL Dtl. nL
* > 5 000 m²
Einkaufszentren 1999
Flensburg
Kiel
Langendorf
Raisdorf
Stralsund
Bentwisch
Greifswald
Rostock
Itzehoe
Gägelow
Stavenhagen
Norderstedt
Aurich
Hamburg
Wilhelmshaven
Leer
Neubrandenburg
Parchim
Oldenburg
Elb
e
Bremen
Papenburg
Schwedt
Soltau
1 Essen
6 Burghausen
7 Wiederitzsch
Neuruppin
Wittenberge
Gelsenkirchen
Herne
Castrop-Rauxel
Dormagen
Oranienburg
Eberswalde
er
Od
2
3
4
5
Schwerin
Schenefeld
Bremerhaven
Bernau
Stendal
Langenhagen
Garbsen
Bad
Oeynhausen
Hannover
Wust
dam
Groß
Machnow
Schönebeck
E lb
Oberhausen
1 2
1
Duisburg
3 4
Paderborn
5
Dü.
Gummersbach
Ful
Weimar
a
Sankt
Augustin
Erftstadt
6
Jena
Leißling
Eisenach
S aa
Großpösna
Crimmitschau
Erfurt
Fulda
Wetzlar
Andernach
Suhl
Werra
Grimma
Hoyerswerda
Riesa Meißen
Weißig
Röhrsdorf
Dresden
Chemnitz
Gera
le
Steinpleis
Wirges
Torgau
Leipzig
Günthersdorf
Siegen
Hürth
Delitzsch
7
Merseburg
Kassel
L
Groß
Gaglow
Brehna
Halle/
Saale
Nordhausen
d
Solingen
Leverkusen
Köln
Lüdenscheid
Remscheid
Wolfen
Peißen
Vellmar
Cottbus
e
Dessau
Bernburg
Göttingen
Dortmund
Wuppertal
Neuss
Wernigerode
Northeim
Weser
Bochum
Ratingen Mülheim
Krefeld
Grevenbroich
Recklinghausen
Eisenhüttenstadt
Neiße
er
si t z
au
Rh
e in
Hamm
Frankfurt/
Oder
Wildau
Wittenberg
Halberstadt
Marl
Werder Pots-
Magdeburg
Hameln
Berlin
Gosen
Laatzen
Braunschweig
Bielefeld
Dallgow
Tangermünde
Wolmirstedt
Wolfsburg
Eiche
Rathenow
Annaberg-Buchholz
Mietfläche
in m²
Plauen
125 180
50 000
20 000
8 756
Koblenz
l
Frankfurt a.M.
ein
Rh
Mo se
Sulzbach
Raunheim
Mainz
Alzey
Dresden
Offenbach a.M.
NeuAschaffenburg
Isenburg
Ma
in
Bamberg
Rüsselsheim Darmstadt
Saarbrücken
Bayreuth
Delitzsch
Nürnberg
Fürth
Ansbach
Heidelberg
Jahr der Eröffnung
Schwabach
Heilbronn
Regensburg
Ludwigsburg
Kelheim
Waiblingen
Staatsgrenze
Leonberg
Ländergrenze
Ingolstadt
Esslingen a.N.
D
Böblingen
Sindelfingen
au
on
Abensberg
Straubing
Deggendorf
Neuburg
Autobahn
Ulm
Autobahn in Bau
Neu-Ulm
Augsburg
Rhe
in
Autobahn in Planung
> 50 000 m²
_
20 000 - 50 000 m²
< 20 000 m²
Erlangen
Ludwigshafen
Hockenheim
Riesa
Die Beschriftung richtet sich nach
dem größten EKZ der Gemeinde.
Viernheim
Neunkirchen
1mm² = 2 000 m²
Kulmbach
Hanau
1964
-
1969
1970
-
1974
1975
-
1979
1980
-
1984
1985
-
1989
1990
-
1994
1995
-
1999
Inn
München
Lage des Einkaufszentrum
City
Weil a.R.
Autoren: U. Gerhard, U. Jürgens
Kempten
Bo d
en
se
e
Stadtteil
Grüne Wiese
0
© Institut für Länderkunde, Leipzig 2002
25
50
75
Maßstab 1 : 2 750 000
Einkaufszentren – Konkurrenz für die Innenstädte
145
100 km
Rostock und Umgebung – Einkaufszentren 2000
Mecklenburger Bucht
Kippe
Marinehafen
WARNEMÜNDE
Stadtteilzentrum
Lichtenhagen
Überseehafen
a kk
r Bac
Typisierung
ROSTOCK
SCHMARL
8
A
19
Bentwisch
Toitenwinkel
GEHLSDORF
10
5
Hanse Center
Hans-MeyerPlatz
B
Kolumbuspassage
DIERKOW
a
r
n
REUTERSHAGEN
Reuterpassage
o
w
C ar
Rostocker
Hof
k
3
Hopfenmarkt
bä
B 10
Doberaner
Hof
B110
SÜDSTADT
48
Hbf
Roggentin
Südstadtcenter
Kessin
Warnow
Kritzmow
58
geplant
Papendorf
B
10
3
Eine Typologie der Einkaufszentren
macht deutlich, dass Shopping-Center
als Standortgemeinschaften (HEINEBERG/
MAYR 1988, S. 28) unterschiedlicher
Betriebstypen und Angebotsformen keine homogene Erscheinungsform und
auch keine einheitliche räumliche Wirkung zeigen:
1. Größe und Einzugsgebiet
Mega-Einkaufszentren von bis zu
100.000 m² Verkaufsfläche und
überregionaler oder gar internationaler Bedeutung (z.B. das CentrO
Oberhausen, 쑺 Foto, S. 110) stehen
Zentren regionalen oder nur lokalen
Interesses gegenüber.
2. Wohnräumliche Integration
Einkaufszentren haben sich nicht
nur auf der grünen Wiese als zwischengemeindliche oder stadtperiphere Shopping-Center entwickelt,
sondern auch in der City und in
Wohnvierteln. Im Wettbewerb einer Stadt mit den Stadtrandgemeinden ist der öffentliche Eindruck entstanden, dass Zentren in integrierter
Lage gut und erwünscht sind, während in nicht integrierter Lage ausschließlich planerisch schädliche
Entwicklungen stattfinden.
3. Bauliche Gestalt
Die individuelle architektonische
Ausgestaltung von Einkaufszentren
ist für deren Kundenattraktivität
von entscheidender Bedeutung.
Konsequenzen der Standortkonkurrenz
Der Gegensatz zwischen der gewachsenen Kernstadt und den geplanten Einkaufszentren auf der grünen Wiese führt
zu weitreichenden Konsequenzen:
• Zentralität und soziale Verantwortung
der Stadt nehmen ab, weil kommunale Steuereinnahmen aufgrund von
Umsatzrückgängen des Einzelhandels
sinken
• Entwicklungen im Umland führen zu
neuen Kosten für die Städte bei der
Instandsetzung und dem Ausbau verkehrlich überbelasteter Infrastruktur
• Städte ahmen bauliche, ästhetische
und organisatorische Elemente von
Einkaufszentren nach
• analog zur grünen Wiese wird auch
die Innenstadt immer mehr von privat kontrollierten Räumen dominiert
• Ziel beider Standorte ist eine ultimative Multifunktionalität von Einkaufen, Freizeit und Unterhaltung (JÜRGENS 1998)
Im europäischen Vergleich der Ausstattung mit Einkaufszentrenflächen belegt
Deutschland einen der hinteren Plätze
FOC
Beselin
Stäbelow
topographischer
Karteninhalt:
gleichenden Einkaufens eröffnen. Um
die Funktionalität zu steigern, werden
Post-, Bank- und Ärzteeinrichtungen
integriert.
h
Warnow Park
Ostseepark Sievershagen
Lambrechtshagen
Ölhafen
Peez
e
r w
t e
U n
B 105
Mönchhagen
Klenow Tor
B103
EVERSHAGEN
Becken C
Becken A
Becken B
a n al
Kippe
GROSS
KLEIN
LÜTTEN
KLEIN
Schmarler Ba ch
Breitling
Stadtteilzentr.
„An der Stadtautobahn”
La
ElmenhorstLichtenhagen
LICHTENHAGEN
Radelbach
Raum Rostock und Raum Düsseldorf
Legende
4
Einkaufszentren
nach Lage und Typ
Verkaufsfläche
38000
Stadtteilzentrum
18400
10000
5000
2000
grüne Wiese/Fachmarktzentrum
Beim Vergleich mit der Karte
„Düsseldorf und Umgebung –
Einkaufszentren 2000” sind
die unterschiedlichen Kartenmaßstäbe zu beachten.
in m²
City
grüne Wiese/Factory Outlet Center (geplant)
Branchenstruktur der Einkaufszentren 2000
nach der Zahl der Läden
Hanse-Center, Rostock
Warnow Park, Rostock
Ostsee-Park, Rostock
1mm² =^ 200 m² Verkaufsfläche
Die Signaturen kennzeichnen die
Standorte der Einkaufszentren.
Name des Einkaufszentrums
Rostocker Hof
CentrO, Oberhausen
Huma-Center, Neuss
0
© Institut für Länderkunde, Leipzig 2002
Autoren: U.Gerhard, U.Jürgens
1
2
3 km
Maßstab 1:100000
Novo-EKZ, Ratingen
Stilwerk, Düsseldorf
Schadow, Düsseldorf
Der Erfolg des Einkaufszentrums basiert
darauf, dass es einem zentralen Management obliegt, einen für die Gesamtheit
der integrierten Läden und für den Eigentümer des Shopping-Centers optimalen 쑺 Branchenmix zu entwickeln. Es
werden Einzelhandelsangebote eingebunden, die sowohl die Möglichkeiten
des Vielzweckeinkaufs als auch des ver-
Straßenszene in Rostock (1998)
146
Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Dörfer und Städte
Kö-Galerie, Düsseldorf
20
0
40
60
80
allgemeiner Bedarf
persönlicher Bedarf
Freizeit
Lebensmittel
Körperpflege
Gastronomie
Bekleidung/Schuhe
Wohnen
Dienstleistungen
© Institut für Länderkunde, Leipzig 2002
100
Prozent
Düsseldorf und Umgebung – Einkaufszentren 2000
A
B 288
AB-Kr.
D-Nord
A4
Schw
arz
4
B
A3
A 57
WILLICH
RATINGEN
2
22
B7
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METTMANN
B8
B1
A 52
AB-Kr.
Kaarst
KAARST
DÜSSELDORF
siehe ver- ssel
größerten
Kartenausschnitt
Dü
Nordkanal
Huma Center
B1
NEUSS
AB-Kr.
D-Süd
B230
ERKRATH
AB-Kr.
Hilden
A 46
HILDEN
46
A
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57
A3
A
9
B
B9
8
B4
77
FOC
Grevenbroich
LANGENFD.
AB-Kr.
Langenfd.
29
B2
Mietfläche
< 8000m² Marktarkaden
Montanushof
topographischer
Karteninhalt:
BismarckPassagen
A5
GREVENBROICH
28
in
B2
AB-Kr.
Neuss-Süd
Legende
0
4
4
8 km
Maßstab 1: 300000
Einkaufszentren
nach Lage und Typ
Vergrößerter Ausschnitt
City
Rhe
in
Stadtteil
grüne Wiese
Schadow
Arkaden
Kö Galerie
klassisches Einkaufszentrum
Einkaufspassage
Hbf
Sevens
topographischer
Karteninhalt:
0
500
Stilwerk
Legende
3
1000 m
Maßstab 1: 50000
Beim Vergleich mit der Karte „Rostock und Umgebung –
Einkaufszentren 2000” sind die unterschiedlichen
Kartenmaßstäbe zu beachten.
© Institut für Länderkunde, Leipzig 2002
, doch ist dabei der Flächenanteil
zwischen alten und neuen Ländern stark
ungleichgewichtig: Auf weniger als 20%
der Bevölkerung (neue Länder einschl.
West-Berlin) entfallen 47% der Shopping-Center-Flächen.
Das Beispiel Rostock
Wie viele andere Städte der neuen Länder leidet auch Rostock seit den ersten
Jahren nach der Wiedervereinigung an
einer Überausstattung mit großflächigem Einzelhandel besonders am Stadtrand . Damit hat sich binnen weniger Jahre das altbekannte räumliche
Muster der Städte in der DDR umgedreht, wo sich – mit Ausnahme von dezentralen Kaufhallen – die wenigen
Kauf- und Warenhäuser sowie die Geschäfte mit speziellen Angeboten auf
die Innenstadt konzentrierten. Die Pri-
Themencenter
Fachmarktzentrum
Factory Outlet Center (geplant)
Die Signaturen kennzeichnen die
Standorte der Einkaufszentren.
Huma Center Name des Einkaufszentrums
Mietfläche
in m²
36 832
20 000
10 000
4 000
1mm² =^ 200 m² Mietfläche
Autoren: U. Gerhard, U. Jürgens
vatisierung des Einzelhandels seit 1990,
eine zunächst unzureichende Regionalplanung und die rasant ansteigende
Pkw-Motorisierung der Kunden haben
die Entwicklung peripherer Angebotsstandorte gefördert (JÜRGENS 1994).
Als bahnbrechendes Konzept entstand mit dem Portcenter (쑺 Foto) im
November 1991 auf einem ständig verankerten Schiff in Citynähe das erste
Center der neuen Länder, das 11.000 m²
handelsrelevanter Fläche auswies. Als
schwimmendes Büro- und Kaufhaus entwickelte es sich zu einer Stadtattraktion. Der Anfangserfolg ist um so eher zu
verstehen, als die Innenstadt Ende
1990/Anfang 1991 fast vollständig im
Umbau begriffen war. Restitutionsforderungen und Gebäudeverfall verhinderten, dass die City ihre frühere Magnetwirkung schnell zurückerobern konnte.
Das Beispiel Düsseldorf
Das Einzelhandelssystem Düsseldorfs
wird von einer Zentrenhierarchie geprägt, die nur geringfügig von Einrichtungen auf der grünen Wiese beeinträchtigt wird. Dies steht im deutlichen
Gegensatz zu Rostock. Neben der City,
in der rund 36% des gesamtstädtischen
Umsatzes erzielt werden (GWH 2000a,
S. 66), verteilt sich das Angebot auf 22
Nebenzentren, in denen vornehmlich
Waren des periodischen Bedarfs angeboten werden. Fünf weitere Standortbereiche sind als Fachmarktagglomerationen gekennzeichnet. Insgesamt gibt es
in Düsseldorf vier Einkaufszentren, die
ausschließlich in der Innenstadt liegen.
Die Einrichtungen sind jüngeren Entstehungsdatums und eher kleinflächig.
Nennenswert sind außerdem zwei Fachmarktzentren in Umlandgemeinden sowie zwei kleinere Innenstadtpassagen in
Hilden und Langenfeld, die bereits außerhalb des Kreises liegen .
Grund für diese auf zentrale Standorte ausgerichtete Einzelhandelsstruktur
ist eine zum Teil stringent durchgeführte Ansiedlungspolitik der Landeshauptstadt Düsseldorf. Aktuell hat sich jedoch ein Versorgungsengpass im Be-
Portcenter in Rostock (1998)
reich neuerer Betriebsformen ausgebildet, der sich in einer geringen Ausstattung an Verkaufsfläche innerhalb von
Shopping-Centern und einer lediglich
durchschnittlichen Verkaufsflächenausstattung der Stadt von ca. 1275 m²/1000
Einw. bei überdurchschnittlicher Zentralität (123%) und Kaufkraft (116,9%)
widerspiegelt (GWH 2000a, S. 73f.).
Rückläufige Besucherzahlen in der
Düsseldorfer Innenstadt (BAG 1996)
sowie überregionale Shopping-CenterEntwicklungen in der Region erforderten weitere Attraktivitätssteigerungen.
Dabei wurde auf 쑺 Shopping-Mall-Konzepte zurückgegriffen. Beispiele sind das
im Jahr 2000 eröffnete EinrichtungsThemenzentrum Stilwerk und das Lifestyle-Kaufhaus Sevens (쑺 Foto) sowie
die 1994 eröffneten Schadow Arkaden
, die eine typische Innenstadt-Entwicklung darstellen, in der Einkaufspassagen einen Schwerpunkt im Bekleidungs- und Erlebnissegment setzen, um
sich im Konkurrenzkampf mit dem
Stadtrand zu behaupten.웇
Düsseldorf
Grundrissplan der Schadow Arkaden
0
25
Hauptgeschoss
50 m
Maßstab ca. 1 : 2 500
Hof-
Opern-garten
haus
allee
Bau
MEERBUSCH
Im Frühjahr 1994 eröffnete der Ostseepark mit seinen 34.000 m² Verkaufsraumfläche direkt vor der Stadtgrenze.
Die Besonderheit dieser Entwicklung
war, dass die Stadt Rostock selbst im
Rahmen einer Stadt-Umland-Beratung
der Ansiedlung dieses Einkaufszentrums
zugestimmt hatte, nachdem eine Planung für ein Zentrum an der Rostocker
Stadtperipherie vom September 1990
nicht realisiert wurde. Im August 1995
eröffnete ein weiteres Einkaufszentrum
am östlichen Standrand in der Gemeinde Bentwisch. Die Stadt reagierte mit
der Baugenehmigung eigener Einkaufszentren, die als Stadtteilzentren in den
großen Plattenbausiedlungen konzipiert
waren.
In der City entstanden seit Mitte der
1990er Jahre mehrere kleine Einkaufszentren. Bis zur Eröffnung des Rostocker
Hofes im Herbst 1995 gab es keine exklusiveren Ladengeschäfte oder sog.
쑺 Food Courts in der City, die zum längerfristigen Verweilen hätten einladen
können. Inzwischen versuchen auch die
Einzelhändler der restlichen Innenstadt
außerhalb der Einkaufszentren, sich in
einem Interessenverband zu organisieren. Verlierer dieser Umstrukturierung
ist das Portcenter, das im Frühjahr 2000
schließen musste. Der Umbau zu einem
쑺 Entertainment-Center oder zu einem
Factory-Outlet-Center wurde von der
Stadt verhindert, weil sie die zwischenzeitliche Aufwertung der City gefährdet
sah.
Heine- Allee
im
A44
rbach
nge
AB-Kr.
RatingenOst
Novo Einkaufszentrum
Königs-
B9
AB-Kr.
Strümp
Heinrich-
A5
2
7
Einkaufszentrum
Schwanenmarkt
57
HEILIGENHAUS
22
4
A 52
B
AB-Kr. Breitscheid
AB-Dreieck
Breitscheid
B
in
Hansazentrum
A524
AB-Kr.
DU-Süd
Rhe
A
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9
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B
59
09
B5
Schauspielhs.
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SchadowArkaden
Geschäfte
Andere Einrichtungen
Lebens- und Genussmittel
Freizeiteinrichtung
Bekleidung
Gastronomie
Schuhe
Dienstleistung
persönlicher Bedarf
sonstige Nutzung
Körperpflege
Aufzug
Möbel
Freizeitbedarf
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