Detlef Altenburg, Jörg Jarnut und Hans
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Detlef Altenburg, Jörg Jarnut und Hans
Feste und Feiern im Mittelalter Paderborner Symposion des Mediävistenverbandes Herausgegebenvon Detlef Altenburg, Jörg Jarnut und Hans-Hugo Steinhoff a T)b Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1991 36$ Fest und Integration VON I PETER JOHANEK Das Fest ist zu Ende; nun fehlt noch der Kehraus'. Ihn zu bewerkstelligen, ist dem Schlußvortrag zugedacht,in dem dieser Fest-Kongreß sich gleichsamselbst bespiegelnsoll. Das ist schwierig, denn was bliebe zu sagenübrig, wenn mehrereTage über dasmittelalterlidiskutiert Fest Feiern che worden ist, auch über das Thema, und seine geredet,referiert und das hier zur Debatte steht: Fest und Integration, über die integrierendeKraft, die vom Fest Funkund seinemfeierndenVollzug auszugehenscheint,von seinergemeinschaftsstiftenden die Zusammenfassung Eine tion. zu versuchen, auch einer systematischenIntegration aller auf dem Kongreß vorgetragenenGedankenin ein Abschlußstatementgleichkäme,scheintunmöglich. Daher soll esbei Reminiszenzenbleibenan manches,was in den verzweigtenDiskussionen der PaderbornerKongreßtagevielfach angeklungensein mag. Es scheint außer Frage zu stehen, daß das Fest als fundamentalesElement sozialer Kohäsion zu geltenhat, alsbewußt eingesetztesInstrument oder unbewußt gesuchtesMedium der Gemeinschaftsstiftungsozialer Gruppen2.Dabei ist es ganz gleichgültig, ob es um kleine Gruppen geht, die nach innerem Zusammenhaltsuchen- Familien, Vereine, Gefolgschaften, Gewerbe oder dergleichen-, oder ob es sich um den Zusammenschlußeiner Vielzahl von Gruppen handelt, deren Interessendurchauswidersprüchlich sein können oder doch zumindest nicht in allen Punkten parallel laufen. Sie suchenaber doch nach einem gemeinsamen Nenner, um bestimmte,ihnen allen gemeinsameInteressendurchsetzenoder verwirklichen zu können. In solchen Zusammenhängenmag es nicht ausbleiben,daß gelegentlich,ja häufig, vielleicht in der Regel, die Interesseneiner oder verschiedenerGruppen und Individuen zugunsten andererüberspielt werden. Das Fest in seinemVollzug vermag Spannungenund Gegensätzezwar nicht grundsätzlichzu beseitigenund auszuräumen,esüberdecktsie jedoch oder gestattetihre Austragungin ritualisierter Form und bewirkt dadurch ihre Zähmung.Das 1 Mein Paderborner Vortrag gelangt hier leicht gekürzt zum Abdruck, die Vortragsform wurde beibehalten. Der Vortrag war von den Veranstaltern als )Öffentlicher Festvortrag( angekündigt. Er beabsichtigt daher keine systematische Analyse des Themas, sondern sucht es durch ausgewählte Beispiele zu illustrieren und möchte eher zu der Textsorte entertainments gerechnet werden. In den Anmerkungen werden in der Regel nur direkte Zitate oder Anspielungen belegt; Literaturüberblicke sind nicht beabsichtigt und angesichts der in diesem Bande versammelten Beiträge nicht notwendig. Hingewiesen sei lediglich auf einen der jüngsten Sammelbände, auf den im folgenden gelegentlich zurückgegriffen wird: UWE SCHULTZ(Hg. ), Das Fest. Eine Kulturgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart (München 1988). 2 Vgl. dazu JAcQuEs HEERS,Fetes,jeux et joutes Jans les socidtdsd'occident ä la fin du moyen age (Paris 1971), S. 79. 526 PETER JOHANEK Fest- so vielleicht eine Kurzformel, mit der sich beginnenläßt - ist vor allem, besondersin älterer Zeit, ein Medium der rituellen Integration3. Das alles weiß man nicht erst seit,heute, ist nicht erst durch die in den letzten Jahren die ins Gedächtnis diesem in Festforschung Paderborner gerufen worden, aufblühende Kongreß einenneuenHöhepunkt erlebt hat. Friedrich Schilleretwa hat den Vorgang,um den beschrieben der Jahrhundert in jener Szeneder Maria Wende 19. es geht, an zum präzise Stuart, in der Mortimer seineBekehrungzum Katholizismus schildert4.Mortimer beschreibt der Puritaner dumpfe Predigtstuben,in denen er in ftnsterm Haß desPapsttumsaufgesäugt der die den Begierde, ihn Kontinent trieb, über Frankreich worden war, und spricht von auf nach Italien, nach Rom. Dort geschahes: Es war die Zeit des großen Kirchenfests, Von Pilgerscharen wimmelten die Wege, Bekränzt war jedes Gottesbild, es war, Als ob die Menschheitauf der Wandrungwäre, Wallfahrendnach dem Himmelreich Mich selbst Ergriff der Strom der glaubenvollenMenge, Und riß mich in dasWeichbildRoms Wie ward mir, Königin! Als mir der SäulenPracht und Siegesbogen desKolosseums Entgegenstieg, Herrlichkeit Den Staunendenumfing, ein hoher Bildnergeist In seineheitre Wunderweltmich schloß! Ich hatte nie der KünsteMacht gefühlt, Es haßt die Kirche, die mich auferzog, Der SinneReiz, kein Abbild duldet sie, Allein daskörperloseWort verehrend. Wie wurde mir, als ich ins Innre nun Der Kirchen trat, und die Musik der Himmel Herunterstieg, und der Gestalten Fülle Verschwenderisch aus Wand und Decke quoll, Das Herrlichste und Höchste, gegenwärtig, Vor den entzückten Sinnen sich bewegte, ... Als ich den Papst drauf sah in , seiner Pracht Das Hochamt halten und die Völker segnen. 0 was ist Goldes, was Juwelen Schein, Womit der Erde Königesichschmücken! Nur Er ist mit dem Göttlichenumgeben. Ein wahrhaft Reichder Himmel ist seinHaus, Denn nicht von dieserWelt sind dieseFormen. (418-450) Mortimer ist überwältigt, er fühlt sich befreit, und: Haß schwurich nun dem engendumpfenBuch, Mit frischemKranz die Schläfemir zu schmücken, Mich fröhlich an die Fröhlichenzu schließen. (457-459) 3 Ich folge hier Gedankengängenvon ACHATz VONMÜLLER, »Die Festa S. Giovanni in Florenz. Zwischen Volkskultur und Herrschaftsinszenierung«, in: SCHULTZ,Fest (wie Anm. 1), S. 153-163, hier S. 154. FRIEDRICH SCHILLER, 4 Maria Stuart, 1/6; G. GÖPFERT (München21960),S.564f. SämtlicheWerke, hg. v. GERHARD FRICKE und HERBERT FEST UND 527 INTEGRATION Er sucht die Gemeinschaftund findet sie in einer Scharkatholischer Schottenund Franzosen. Der Kardinal von Guisebelehrt ihn über den Glauben,und in seineHände schwört Mortimer seinem Irrtum ab, unter der nachdrücklichenVersicherung,daß nicht die grübelnde Vernunft ihn zu seinemEntschluß geleitethabe,sondern die sinnliche Erfahrung. Bei dieserWiedergabeder Worte Schillersbelasseich es für den Augenblick und wende mich kurz einem anderen Zeugnis des 19.Jahrhunderts über die integrierende Kraft des demonstrieren Festgeschehens Es ähnlich wie SchillersVerse. eindringlich zu zu. vermagsie Es geht um die Worte, die der junge Karl Hediger, der Anführer des Fähnleins der Sieben Aufrechten, in Gottfried Kellers Novelle an den Empfangsrednerdes großen eidgenössischen Schützenfestesvon 1849richtet, das die wehrfähigen Männer der Schweizin Aarau vereint. Keller hat dieser Rede in der Komposition seiner Novelle einen herausragendenPlatz für Karl Hediger, und das angewiesen.In ihr schürzt sich der Knoten desNovellengeschehens gibt auch dem Inhalt der Rede besonderesGewicht. Keller setzt in ihr den Sinn der Feiern auseinander.Darauf kommt esihm an dieserStellean, und er läßt den eidgenössischen jungen Hediger sagen': Diese Alten hier haben ihre Jahre in Arbeit und Mühe hingebracht; sie fangen an, die Hinfälligkeit desFleischeszu empfinden,den einen zwickt eshier, den andern dort. Aber sie reisen, wenn der Sommer gekommen ist, nicht ins Bad, sie reisen zum Feste. Der Festweinist der Gesundbrunnen,der ihr Herz erfrischt; das sommerliche eidgenössische Bundeslebenist die Luft, die ihre alten Nerven stärkt, der Wellenschlageinesfrohen Volkes ist dasSeebad,welchesihre steifenGlieder wieder lebendig macht. Ihr werdet ihre weißen Köpfe alsobalduntertauchensehenin diesesBad! So gebt uns nun, liebe Eidgenossen,den Ehrentrunk! Es lebe die Freundschaftim Vaterlande! Es lebe die Freundschaft in der Freiheit! Schon die Bilder, die der junge Hediger hier gebraucht, machen die Funktion des Festes deutlich, und die Antwort des Festredners verstärkt das noch. Mögen unsere Feste - so entgegnet er - nie etwas schlechtereswerden als eine Sittenschule für die Jungen, der Lohn eines reinen öffentlichen Gewissensund erfüllter Bürgertreue und ein Verjüngungsbad für die Alten! Mögen sie eine Feier bleiben unverbrüchlicher und lebendiger Freundschaft im Lande von Gau zu Gau und von Mann zu Mann! Auch er kennzeichnet das Fest als ein Ereignis, bei dem die bloße ungegliederte Masse seiner Besucher zur Gemeinschaft verschmilzt, ja durch das Festgeschehen zur Gemeinschaft gestaltet wird, zu einer Gemeinschaft, die zum Träger der Ideen werden soll, die das Fest vermittelt. Neben dem Vergnügen und der Festesfreude, die die allen sichtbare Oberfläche des Festes darstellen, hebt diese Antwort auf Hediger die innere formende Kraft hervor, die im Fest vermutet wird und die hier bedingt durch vielleicht didaktischen Zug erhält. Nüchternheit therapeutischen und eidgenössische geradezu einen - Beide- Schillerwie Keller - hatten bei ihren FestschilderungendasMittelalter vor Augen. Das ist um so bemerkenswerter,als sie nicht zu den Romantikern gehören, denen wir gemeinhin die Wiederentdeckungdes Mittelalters und seine Instrumentalisierung für die Bedürfnissedes 19.Jahrhundertszuschreiben.Es ist die Tradition der mittelalterlichen Kirche 5 GOTTFRIED KELLER, SämtlidheWerke und ausgewählte Briefe, (München 1958),5.857. hg. von CLEMENS HEBELHAUS, Bd.2 528 PETER JOHANEK Schilderung Bekehrung das in Schiller Mortimers liturgisches Zeremoniell, ihr seiner auf und der ist. in Renaissance das Es ist Geschehen angesiedelt ausgehenden zurückgreift, selbst wenn ja eben dieses Zeremoniell gewesen, von dem auch die Romantiker überwältigt wurden. Man denke nur an Heinrich Wackenroders Bericht über seine Reise nach Bamberg und das Erlebnis des Hochamts im dortigen Dom vom Sommer 1793, das fast Zug um Zug dem MortimerMonolog entspricht6. Bei Keller sind die mittelalterlichen Bezüge verdeckt, aber doch beschreibt das das Bundesfest Das Fest, eidgenössische er unbestreitbar vorhanden. die des Zeitgenossen Volk NationalfeIdee ihm vom selbstgestalteten seinen und verkörpert fürstlichen den Kirche Höfen Arndt Gegengewicht Ernst-Moritz zu von und als stes, wie es des Ancien Regime veranstalteten Festaufzügen und Prozessionen gefordert hatte'. Hinter dieser Idee des Festes als Medium bürgerlicher Selbstfindung und Identitätsstiftung standen für Arndt ebenso wie etwa für Jacob Grimm und Joseph Görres als Folie die Feste des Mittelalters, die Feiern der städtischen Genossenschaften und Korporationen. Ihre suggestivhat diese des Vorstellung bürgerlichen Festes des Mittelalbis Gestaltung heute wirksame ste, ters sicherlich in der Festwiese des dritten Aktes von Richard Wagners Meistersingern gefunden. Es ist gleichgültig, ob die Vorstellungen, die Arndt und Keller oder der sicherlich besser des Grimm Fest Jacob Mittelalters hatten, dessen einstige Realität zu vom unterrichtete daß Zweifel Außer sie vermochten oder eher mehr erfassen oder weniger verzeichneten. steht, bereits Dichter und Gelehrte des 19.Jahrhunderts im Fest und seiner integrativen Kraft ein wesentliches Element des Funktionierens mittelalterlicher Gesellschaften sahen. Das gilt für das Fest der Kirche wie für das Fest des Volkes, ohne bei letzterem danach zu fragen, von wem es inszeniert wird. Es ist keineswegs so, daß nur die Dichter dieses Faktum intuitiv erfaßten formulierten; und auch die Gelehrten - Literaturwissenschaftler wie Historiker - sind solchen Zusammenhängen nachgegangen, für das Mittelalter wie für die Geschichte der frühen für Neuzeit. Es genügt, an wenige Namen zu erinnern, um wenigstens Kontinuitätslinie eine unser 20. Jahrhundert zu ziehen: Otto Cartellieri, Johan Huizinga, Norbert Elias und Richard Alewyns. Festforschung ist also nicht etwas wirklich Neues in der Mediävistik. Wenn wir uns heute mit der Erforschung von mittelalterlichen Festen befassen, langen in einer stehen wir Traditionslinie, auch wenn diese Forschung vielleicht noch nie so intensiv betrieben und selten methodisch so reflektiert nach der Funktion des Festes in der Gesellschaft des Mittelalters gefragt wurde wie in unseren Tagen. In dieser zeitgenössischen Forschung kommen nun auch andere Aspekte des Festes zur Sprache, jene etwa, die beispielsweise Jacques Heers schon vor über einem Jahrzehnt den integrierenden Kräften des Festes gegenübergestellt hat: la caricature, l'agression, le defouleWerkeund Briefe (Heidelberg 1967),S.533-537. 6 WILHELMHEINRICHWACKENRODER, 7 Vgl. dazu zusammenfassend BERNWARDDENEKE,»Zur Rezeption historisierender Elemente in volkstümlichen Festlichkeiten der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts«, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg 1973, S. 111-114; dort Nachweis der einzelnen Zitate. 8 OTTO CARTELLIERI,Am Hofe der Herzöge von Burgund (Basel 1926); JOHAN HUIZINGA, Herfstij der ALEWYN/KARL (Leiden RICHARD 1919); SÄLZLE,Das große Welttheater. Die Epoche der middeleeuwen höfischen Feste in Dokument und Deutung (= rowohlts deutsche enzyklopädie 92, Hamburg 1959); NORBERT ELIAS, Die höfische Gesellschaft. Untersuchungen zur Soziologie des Königtums und der höfischen Aristokratie (Darmstadt u. Neuwied 1969; hier benützt in der Ausgabe Frankfurt/M. 1983 [= suhrkamp taschenbuch wissenschaft 423]). FEST UND INTEGRATION 529 die das integriert, im das Gegenteil KohäsionsDabei Fest, sondern nicht ment9. geht es um kraft bestehender Ordnungen zu sprengen oder gar zu zerstören sucht und dabei nicht selten zum Ziel gelangt. Es mag fast scheinen, als gelte diesen Sprengkräften des Festgeschehens das besondere Interesse der jüngeren und jüngsten Forschung; zu nennen wäre die deutsche Fastnachtsforschung oder Charivari-Arbeiten im Umkreis der »Annales«, auch Le Roy Laduries Buch über den Karneval von Romans 1° gehört hierher. Dabei wird auch nicht außer durch im das doch daß der Fest Festgeschehen Aggression Vollzug und solcher acht gelassen, der die Kohäsionskräfte attackierenden Gruppen selbst stärkt und unter gleichzeitig wieder Umständen neue Traditionen zu setzen vermag. Doch nicht davon soll die Rede sein, sondern des den kohäsionsstärkenden Wirkungen Festes, Fest und Integraeben von von affirmativen, tion. Die Texte Friedrich Schillers und Gottfried Kellers, mit denen ich hier begann, demonstrieren Integration dieser Art. Sie tun es von verschiedenen Blickpunkten aus. Mortimers Monolog zeigt die Integration eines einzelnen in eine Großgruppe, er zeigt zudem den initialen Akt der Integration, die Auslösung der conversio des zu Integrierenden. Kellers Schilderung der Wirkung des eidgenössischen Festes stellt den Zusammenhalt von Gruppen innerhalb einer Großgruppe, der Schweizer Eidgenossenschaft, dar. Das Fest bewirkt nicht deren Entstehung, sondern demonstriert ihre immer wieder sich vollziehende Erneuerung. Eben dies hebt Keller hervor. Was er zu verdeutlichen sucht, ist gerade das iterative Moment, das für ihn und für die Beteiligten die Integrationskraft des Festes ausmacht. Die Integration die durch Appell Emotionen. Mortimer spricht es aus, beiden in Fällen an erreicht wird finden. des fond Die ist Geschichte Festes bei ist Vergleichbares Keller zu also au und auch Bestandteil einer Geschichte der Emotionen, die wir in der Mediävistik ebenso nötig haben der Mentalitäten. Geschichte wie eine Der Appell an die Emotionen wird getragen durch Liturgie, Ritus und Zeremoniell. Nicht die Verkündigung des Wortes oder die Lektüre eines Buches (das er als eng verwirft) überzeugen Mortimer, sondern der Bann des beeindruckenden, an die Sinne appellierenden Ablaufs der Liturgie im weitesten Sinne. Gerade die Forschung zu den Festen der Zeitgehat diese des der Jahrhunderts, Wirkung den Mixtur 20. Massenveranstaltungen schichte, zu kann hervorgehoben. Sie Aussage Albert Symbolik Ritus zufällig sich nicht auf eine von und Speers berufen, in der dieser selbst die Absichten zu erläutern suchte, die hinter den Inszenierungen des Nürnberger Reichsparteitages standen. Um jene Integrationskraft zu die dokumentiert die Geschehen Nürnberger ausging und ganz zweifelsfrei vom realisieren, ist, setzte man weniger auf die Person des 'Führers< als auf einen Ablauf der Veranstaltung, 9 HEERS,Fetes(wie Anm. 2), S.12; diesemAspekt ist Kapitel IV desBuchs,5.119-142 gewidmet. 10 Vgl. nur HERMANN BAUSINGERu. a. (Hg. ), Narrenfreiheit. Beiträge zur Fasnachtsforschung (TübinCharivari in: Le THOMPSON, Rough Music<: Annales E. S. C. 27 (1972), E. P. 1980); anglais«, gen *, S. 285-312; CLAUDE GAUVARDund ALTAN GOKALP, *Les conduites de bruit et leur signification ä la fin du Moyen Age: le Charivari«, in: Annales E. S. C. 29 (1974), S. 693-704; ROLANDEBONNAIN-MOERDYCK bourgeois du Charivari: Discours DONALD MOERDYCK, et coutumes populaires«, in: und »A propos Annales E. S. C. 32 (1977), S. 381-398; JACQuES LE Gorr und JEAN-CLAUDE SCHMITr (Hgg. ), Le Charivari (Paris 1981); EMMANUEL LE Roy LADURIE, Le carneval de Romans. De la Chandeleur au mercredi des cendres 1579-1580 (Paris 1979). 530 PETER JOHANEK im ". Rom in beeindruckend Vergleichbares Mörtimers, geschieht auch war« sich selbst »der Texten Davon läßt ablesen. wird noch zu reden mittelalterlichen es sich aus vielen und ebenso sein. Es sind also die Liturgie, das Zeremoniell, der Ritus, die die Teilnehmer des Festes in dessen Bann schlagen, doch Gottfried Kellers Beschreibung des eidgenössischen Festes fügt Vergnügen, Begeisterung, jede hinzu. Er FestbeElement von von und spricht weiteres ein hebt die hervor, die Akte Begeisterung Zusammenhang im gemeinschaftsstiftender schreibung die Teilnehmer ergreift. Gemeint ist etwas Atmosphärisches: die Festesfreude, die durchaus der des französischen der der fröide Lyrik Epik, joie Romans und mittelhochdeutschen mit des Mittelalters gleichzusetzen ist. Es ist ein zumindest partiell rauschhafter Zustand, der die Teilnehmer ergreift. Er wird ganz sicher durch Ritus und Zeremoniell angebahnt und doch häufig Gottfried Keller genug realiter gesteigert. spricht expressis verbis aber vorbereitet, diesem Festwein, Kongreß kein Geheimnis, und verrät man auf eidgenössischen wahrlich vom die des Funktion Mahles und des Gelages hinweist. gemeinschaftsstiftende wenn man auf Beides, Ritus und Zeremoniell wie Gelage und Mahl, kann der Ausgangspunkt dafür sein, die bewußte Inszenierung des gemeinschaftsstiftenden Festes zu betrachten, sie als einen grundleBaustein mittelalterlicher Herrschaftsausübung und Herrschaftsgestaltung zu ergenden kennen. Ich wähle dazu zunächstBeispieleausden archaischenPeriodendes Mittelalters, also aus den besser Frühzeit überschaubarenund einfacherkonstruierten Gesellschaftsvermit seiner hältnissen. Ich entnehme ein erstes dem angelsächsischen Beowulf-Epos, das in seinem Eingangsteilden Charakterköniglicher Herrschaft schildert. Sie gründet sich auf die Gefolgdie schaft, wirkungsvoll an die PersondesKönigs gebundenwerden muß. Die Redeist dabei vom DänenkönigHrodgar, dessenSitz Beowulf aufsuchtund bei dem er seineAbenteuermit Grendel besteht.Das Epos schildert Hrodgars Anstengungen so: Heil im Heerkampf ward Hrodgar verliehen, stolzer Streitruhm, daß die Stammverwandten neidlos ihm folgten, bis der Nachwuchs erstand kräftige Jungmannschaft ... SchondieseZeilen lassenkeinenZweifel, daß esfür Hrodgar um Integration geht,um die Domestizierung des Adels und um die Notwendigkeit, ihn so an sich zu binden, daß er folgte. heißt ihm Weiter neidlos es: ihm kam in den Sinn, ... die Helden zu heißen eine Halle erbauen. Einen mächtigenMetsaal die Männer errichten wie ihn nie gesehen die Söhneder Menschen und dort innen alles auszuteilen der Alt Ewige ihm gab. Jung an und was 11 Dazu HANS-ULRICH THAMER, »Faszination und Manipulation. Die Nürnberger Reichsparteitage der NSDAP«, in: SCHULTZ,Fest (wie Anm. 1), 5.352 368, hier 356. FEST UND INTEGRATION 531 Zu rechter Frist " das ihm Erden vollendet ward gelang auf der höchsteHallenbau Heorot nannte ihn dem desWortes Gewalt weithin zu eigen. Er hielt die Verheißung hin gab er Kleinode Ringe beim Gastmahl es ragte der Saal hoch und weitgieblig12. Das ist das äußereGehäuse.Heorot, der Hallen herrlichste, beherbergt das Fest, jenes Fest, das die materiellenAnreize und die realeEntlohnung, die der König seinerGefolgschaft damit der des das bieten hat Ringe Edelmetalls Weggeben überhöht und zu und - ergänzt, beschreibt dieser Der in Beowulf-Dichter Halle geschieht: auch, was wirksamer macht. Die Hochgesinnten setztensich hin, die Kraftstolzen ein Krieger betreute sie, Alkanne, blinkene die brachte herbei er der das Sang Dann Bier erscholl schenkte hell in Heorot der Helden Menge der da Dänen. in Wettern Wonne (493-498) und weilte Die Zeilen machenklar, was in dieserHalle geschieht,und auch die Benennungen,die der Beowulf-Dichter für sie gebraucht, kennzeichnenihre Zweckbestimmung: Methalle, Bierhalle, Trinksaal. Das bedarf keines Kommentars, und daß das Trinkgelage Hochstimmung die Zweifel. Gefolgschaftzum Kampf an, selbstwenn Sie spornt erzeugt,steht ebenfallsaußer dies im deutlich, Auch Beowulf-Epos wird wenn er wenig aussichtsreicherscheinenmag. König Hrodgar die Bedrohungenschildert, die von dem Ungeheuer Grendel ausgehenidas ihn seinerBankgenossenund damit seiner Gefolgschaftberaubt: Gar oft vermaßensich von Met trunken über dem Alkrug, edle Krieger, daß sie im Biersaal bleiben wollten zum Grendelkampf mit grimmer Klinge. Dann troff der Trinksaal wenn der Tag aufging, die Methalle zur Morgenzeit blutbesudelt die Bänke alle der Saal so schwandenmir die Helden. (480-487) Schwerttau von In diesen Passagendes Epos wird deutlich, was die Atmosphäre des Gelagesfür die Gefolgschaftbedeutet.Siefördert ihren Zusammenhalt,erzeugtein Wir-Gefühl, integriert die Mannen zur Gefolgschaft.Die im Gelageder Halle erzeugteHochstimmung ist es, die die Gefolgschaft Macht desKönigs in der Gesellschaftausmacht,die hier zusammengeschmiedete 12 GERHARD NICKEL (Hg. ), Beowulf und die kleineren Denkmäler der altenglischen Heldensage Waldere und Finnsburg, 1. Teil (Heidelberg 1976), V. 64-82 (S. 4-7); ich folge hier der Übertragung von FELIX GENzMK, Beowulf und das Finnsburg-Bruchstück (= Reclams Universal-Bibliothek 430, Stuttgart 1953), S. 16£; zur Kontrolle ist stets die Prosaübersetzung bei NICKEL heranzuziehen. 532 PETER JOHANEK den im des Sie den Nachdrucks, dem Grad es regnum ausübt. garantiert verbum regis verleiht seineHerrschaft. Von der integrierenden Kraft der Halle, des Gelages,gehen keineswegsnivellierende Wirkungen aus. Die Rangunterschiedeinnerhalb der Gefolgschaftwerden - wenigstensim Prinzip - keineswegsaufgehoben.Von fast allen, die sich mit dem Zusammenhangvon Fest darauf hingewiesen haben, beschäftigt ist letzten den Jahren in Herrschaft worden, auch und daß im FestvollzugHierachien nicht aufgehoben,sondernbestätigtwerden, ja ihre Betonung dann, insbesondere Das durch dasFestgeschehen geschieht wenn eine große gefördert wird. Festversammlungzusammentritt, die aus heterogenenTeilnehmergruppenbesteht,wie dies der des ist. der Mittelalters Fall Peter Moraw Deutschen Könige bei Hoftag etwa etwa einem hat dieses Risiko des Festes am Beispiel des Mainzer Hoftages von 1184 - eines der berühmtestenFeste des deutschenMittelalters - herauszuarbeitengesucht,indem er nachdrücklich auf die Streitigkeiten unter den Fürsten hinwies, die die erstePhasediesesFestes kennzeichnen,darin liegt das Risiko des Festes13.Wo viele zusammenkommen,bleibt die Lage während des Festeslabil, doch haben die mittelalterlichen Herrscher Situationen wie dieseimmer wieder geschaffen.Offenbar schätzteman den Nutzen der Integrativkraft höher hielt das des für kalkulierbar. den der Schaden, Risiko in Halle Auch möglichen ein als Beowulf-Epos gibt esRangunterschiede, so überschaubarin ihr die Verhältnisseauchgewesen bestätigt daß dürften. in die belegt, Das Blick der Gesetze, ein angelsächsischen sein zugleich dasnach dem Epos gezeichneteBild der Integration im Metsaalnicht lediglich ein Konstrukt fiktionalen bleiben das keine Textes der in Realität Entsprechung eines muß, aufgrund gefundenhätte. In den GesetzenKönig Hlothheres ausdem Ende des7.Jahrhundertsheißt es: Wenn jemand einem anderen den Becher fortsetzt, wo Leute trinken, ohne dessen Verschulden,so gelteer nach altemRecht einenSchilling demjenigen,der dasHaus besitzt und sechsSchilling dem, welchem er den Becher wegsetzte und dem Könige zwölf Schilling". Das heißt: Wer einemanderenseinenPlatz in der Zechgenossenschaft ihn oder wegnimmt in dem Rang, den er dort einnimmt, mindert, ohne daß ein rechtlich begründeterAnlaß dazu bestünde,macht sich einesVergehensschuldig.Darin wird deutlich, welcher Stellenwertdem Gelagedes Herrschers,wie es dasBeowulf-Epos als konstituierend für die Königsherrschaft und Königsgefolgschaftschildert,auchin der Realitätzukommt. Wer am Fest teilnimmt, stellt unter Beweis,daß er dieseHierarchie akzeptiert, und bindet sich an ihre Geltung. Noch einsist zu bedenken.Die Integrationskraft desFestesund desGelageshat Grenzen. Siegreift sicherlichnicht in allen Fällen, und sie kann verlorengehen,wenn die gesellschaftlichenVoraussetzungensich ändern.Das können längereAusschnitteauseinemText verdeutlidie der den die isländischen Sagas Grönlandfahrer um zugehört und gleichzeitig auch chen, dieser der Zug integrationsstiftenden Wirkung In zu verdeutlichenvermögen. einenweiteren Sagaist die Rede von Thorbjörn, der späterin Grönland in den VerwandtschaftskreisEiriks (wie 13 PETERMoxAw, »Die Hoffeste Kaiser Friedrich Barbarossasvon 1184und 1188«,in: SCHULTZ Anm. 1), S.70-83, hier S.74f. 14 Die Gesetze der Angelsachsen, hg. von FELnc LIEBERMANN,Bd. 1 (Halle 1903), S. 11. FEST UND INTEGRATION 533 des Roten eintrat. Die SagaerzähltdenVorgang, um den esgeht, in ihrer gleichzeitiglapidaren und umständlichenArt 15: Thorgeir Vifilssohn heirateteund nahmsich zur Frau Arnora, die Tochter Einar Sigmundssohnsvon Warmquellhang.... Eine andereTochter EinarshießHallweig. SieheirateteThorbjörn Vifilssohn. Sie bekamendas Gebiet von Warmquellhangauf der Höhlenebene.Dort siedeltesich Thorbjörn an und Mann. Er hatte die Godenwürde und führte einen prächtigen Haushalt. ward ein sehr angesehener Thorbjörns Tochter hieß Gudrid. Siewar die schönsteder Frauen und ein Kernweib in ihrem ganzen Auftreten. Ein Mann hießOrm. Der wohnte auf Adlersfels.SeinWeib hieß Halldis. Orm war ein tüchtiger Bauer und ein guter FreundThorbjörns. Gudrid war langebei ihm als Ziehtochter. Ein Mann hießThorgeir. Der wohnte in Thorgeirsberg.Er war sehrreich, doch erst freigelassen.SeinSohn hieß Einar. Er war ein hübscherKerl, wohlgebildet,und wußte sich gut zu kleiden. Einar segeltevon Land zu Land, und er fuhr gut dabei.Er verbrachteimmer abwechselndeinenSommerin Island und dann in Norwegen. Nun ist davon zu berichten, daß Einar einst im Herbst auf Island war und mit seiner Ware nach Schneebergsspitz fuhr, um sie dort loszuschlagen.Da kam er auch nach Adlersfels. Orm lud ihn zu sich ein, und Einar folgte der Einladung,denn beidewaren befreundet.Man trug Einars Waren in ein Vorratshaus.Einar packtedie Warenaus,ließ siedurch Orm und dessenLeute besichtigenund bat sie sich auszuwählen,was ihnen behage.Otm nahm dasAnerbieten an. Er sagte,Einar sei ein tüchtiger Handelsmann,und dasGlück sei ihm hold. Die Sagastellt Angehörige dreier gesellschaftlicherGruppen auf Island vor; sie sind das Personal der Saga.Thorbjörn führt einen prächtigen Haushalt und übt Einfluß aus. Die Bindungen, die zu Orm bestehen,drücken sich darin aus, daß Thorbjörns Tochter in Orms Haus erzogen wird. Einar, der aufstrebendeHandelsmann, der Sohn eines Freigelassenen, des deutlich Textes diese hinein das im in Verlauf Gemeinschaft strebt wird weiteren -, und Orm ist ganz offenbar bereit, ihm den Zugangbis zu einem gewissenPunkt zu ebnen.Er geht mit ihm eine temporäreHausgemeinschaftein. Doch Einar zielt höher: Während sie aber noch sich um die Waren zu tun machten, ging eine Frau vorbei an der Tür des Vorratshauses.Einar frug Orm, wer dasschöneWeib wäre, dasebenan der Tür vorbeigegangensei, »ich sahsie nimmer vorher«. Orm sprach:»Dasist meineZiehtochter Gudrid, desBauernThorbjörn von WarmquellhangTochter.« Einar fragte: »Siemag einegute Heirat sein. Haben etwa schonandere um sie gefreit?« Orm sagte:»Gewiß warb man schon um sie, Freund, doch so leicht geht das nicht, denn ihr Vater und sie sind offenbar ziemlich schwierig bei der Wahl einesMannes.« »Gleichwohl,« sagteEinar, »ist sie doch die Frau, um die ich werben möchte, und ich bitte dich, nimm die Sachefür mich in die Hand bei ihrem Vater Thorbjörn und tu alles,was du kannst,um siezu fördern. Ich werde esdir mit größterFreundschaftlohnen.BauerThorbjörn wird schonsehen,die Verschwägerungwird Mann und besitzt einen stattlichen Hof, uns beidenzustattenkommen, denn er ist ein angesehener doch allzuviel Geld hat er nicht, wie man mir sagt.Mir aberund meinemVater fehlt esnicht an Land noch an Geld, und kommt die Heirat zustande,wird Thorbjörn nur den größten Vorteil davon haben«.Orm erwiderte: »Gewiß glaubteich, daß du mir freundschaftlichgesinntbist, aber doch bin ich meinerseitsnicht dafür, die Sachein die Hand zu nehmen,denn Thorbjörn ist gar stolz und ein hochmütiger Mann.« Einar aber sagtedoch, er wünsche,daß man seineWerbung vorbringe. Orm Einar ging da wieder in denSüden,bis er auf seinen sagte,essolledennnachseinemWillen geschehen. Hof kam. 15 EINAR OL. SVEINSSON und MArrHIAs THORDARSON(Hgg. ), Eyrbyggia saga. Groenlendinga S9gur (= Islenzk Fornrit 4, Reykjavik 1925), S. 202205. Ich zitiere nach: Grönländer und Färinger Geschichten, übertragen v. FELIX NiEnrrER (= Thule 13, Düsseldorf-Köln 1965), S.25-27. 534 PETER JOHANEK Diese Passagezeigt den Ansatzpunkt Einars. Er erkennt, 'daß der' gesellschaftliche, Rang des Goden Thorbjörn unsicher geworden ist. Dessen Helfer Orm zögert zwar, ein für Thorbjörn nur schwer zu akzeptierendes Angebot weiterzugeben, entscheidet sich dann aber doch'dafür. Er wählt dafür eine besondere Gelegenheit: Etwas später lud Thorbjörn zum Herbstgelage ein, wie er es gewöhnlich tat, denn er wollte gern als Thorbjörns Orm kam Freunden Dorthin Mann auch von vielen anderen unter gelten. großer Adlersfels. Orm zog Thorbjörn ins Gespräch, und er sagte, Einar von Thorgeirsberg sei jüngst bei ihm brachte dann höchst hoffnungsvoller Mann Er Einars jetzt Der geworden. ein gewesen. wäre Werbung bei ihm vor und fragte, es sei vielleicht aus gewissen Gründen gut, wenn etwas daraus diese dir, Thorbjörn, Stütze Heirat Geld große wohl eine meinte er, »könnte anlangt, « würde. »Was daß dir, ich ich Vorschlags Thorbjörn mich eines solchen von erwiderte: »Nicht versah werden. « haben, daß Du Weibe Knechtssohne Tochter mein geben sollte. gemerkt zum muß einem meine Vermögen abnahm, wenn du mir einen derartigen Rat gibst. Nun aber soll Gudrid nicht länger bei dir bleiben, da sie dich einer so niedrigen Heirat wert dünkt. « Nun ging Orm heim und desgleichen alle den in dessen bei ihrem blieb Vater Gudrid Winter ihre über Höfe. Gäste zurück und aber auf anderen Hause. Die SagabeschreibtdasAuseinanderbrechen einer Gemeinschaft,die von Thorbjörn zwar dominiert doch der beherrscht, Eines Bindemittel dieser Gemeinschaftist aber wurde. nicht das Herbstgelage,ein periodischesEreignis, bei dem es auch Geschenkegab und das aus bekannt ist. Thorbjörn setzteauf die gemeinschaftsstiftende Sagas Wirkung ebenfalls anderen diesesGelages:»Er wollte gern als großer Mann gelten.« Gerd Althoff hat darauf hingewiesen, daß das Gelage eine Atmosphäre friedlichen Umgangs zu schaffenvermochte und daher das Fest als Plattform von Bündnisverträgen . geeignetmachte16.Das Fest einesVerbandes,wie er hier in den Blick kommt, war demnach die Gelegenheit,bei der Verhandlungenangebahntwerden konnten, ganz besondersdie auch Besprechungheikler Materien, die geeignet sein konnten, die Harmonie innerhalb des Verbandeszu stören, jedoch in der entspannten,friedlichen Atmosphäre des Festestraktabel erscheinenmochten. Aus diesem Grunde spart Orm die Besprechungmit Thorbjörn über Einars Heiratsantragbis zu diesemGelageauf. Doch das,was Orm vorschlägt,überschreitet die Grenzen der Konventionen, auf denen das Zusammenlebendieser Gemeinschaftruht, oder präziser: jene Grenzen,die Thorbjörn gezogensieht. Die Atmosphäredes Festesreicht nicht aus, um die Zumutung zu mildern, die Orm Thorbjörn stellt. Daß Orm eine solche Zumutung zu stellenwagt, machtfür Thorbjörn deutlich, daßdie BasisseinerAutorität, die er über ýdie übrigen in der Gemeinschaftausübt, geschwundenist. Daß Orm die Zumutung läßt Thorbjörn daß die Integrationskraft desFestes,das er jährlich gibt erkennen, ausspricht, das die Thorbjörns der Gemeinschaft in Bedingungen zu und von ihm vorgebenenHierarchie festigt, nicht mehr besteht. Thorbjörn zieht die Konsequenzen.Beim nächstenGelageim Frühjahr informiert er die Teilnehmer von seinerAbsicht, mit seinerFamilie nach Grönland kündigt die Gemeinschaft Damit er auf. auszuwandern. Das zeigt: Die Wirkung des Festes,seine Integrationskraft ist nicht absolut. Sie'wird bestimmt durch die allgemeinenVerhältnisse,seine Inszenierungmuß auf sie hin bezogen die Inszenierung Stimmung Umständen Grenzsituationen In vermag solche zu unter werden. der das letztere Thorbjörns ist Fall. Falle Im scheitert. sie wenden oder Beitrag in diesem-Band,S.29-38. 16 GERDALTHoFFS FEST UND INTEGRATION 535 Zurück zu Heorot, zur Halle des Beowulf-Epos. Hier geht es - das dürfte deutlich geworden das das den in die Kriegertum Mittelpunkt Aktivierung Wert-Normensystems, sein - um eines die die Rang- und Standesschranken, die Beabsichtigt ist Gemeinschaftsbildung, stellt. eine innerhalb dieser kriegerischen Gefolgschaft bestehen und auch in der Realisierung der Hallengemeinschaft fortbestehen, transzendieren soll. Erstrebt wird eine Gruppensolidarität, die die Grenzen der Rangunterschiede überwölbt und sich in der Realität des Alltags als haltbar erweist. Heorot, die Methalle, ist ein recht einfachesModell des gemeinschaftsstiftenden Festes; das hohe wie das spätere Mittelalter haben weitaus raffiniertere ausgebildet. Jedoch, es geht auch bei jenen späteren Gelegenheiten stets um die Konstituierung einer Kriegergemeinschaft, ob es sich nun um die Artus-Inszenierungen der englischen Könige oder um das Fasanenfestam burgundischen Hof Herzog Philipps des Guten zur Begründung des Ordens vom Goldenen Vlies handelt, um nur die herausragendsten Beispiele aus einer Unzahl solcher Feste zu nennen 17.Propagiert wird die Idee des Rittertums, und das Ziel ist die Entfachung von Kampfesbegeisterung, sei es für den Krieg Englands gegenSchottland um die Wende vom 13. zum 14.Jahrhundert oder für einen Kreuzzug zur Rückgewinnung Konstantinopels im 15.Jahrhundert. König Hrodgar sprachin Heorot vom Todesmut der Kämpfer gegenGrendel, der sich aus dem Geist der Methalle herleitete,aus dem dort erzeugtenGemeinschaftsgefühl. Das ist nicht lediglich eine Hyperbel der fiktionalen Literatur. Einer der berühmtestenund entschiedensten für Enthusiastendes Rittertums, seinerFesteund seinerGemeinschaftsbildungen, vollzog sich der der in Selbstmordes. In Anfangsphaseder Inszenierung subtilen etwasvergleichbares eines Schlachtvon Crecy spricht der völlig erblindeteBöhmenkönig Johann von Luxemburg seine Umgebung folgendermaßenan: Signeur,vowsestesmi homme et mi ami et mi compagnonä le journee dui. Johann von Böhmen wendet sich demnach an die durch das ritterliche Fest gestiftete Gemeinschaftund bittet sie, nach dem Bericht Froissarts, ihm zu helfen, in dieser Schlacht kann. führen, bindet die Pferdemit Man Schwertstreich selbst sehen zu obwohl er nichts einen den Zügeln aneinanderund stürzt sich in die Übermacht des englischenHeeres.Am anderen Tag fanden die siegreichenEngländerdie compagnieniedergemetzelt,susle place autour dou roy leer signeur, et leurs chevaustowsalloyes ensamble18.Dieser Tod wurde als beispielhaft der der bekanntlich Eduard Schwarze Prinz, Sohn König EduardsIII. von soll empfunden; England, aus diesem Grunde König Johanns Abzeichen, die Straußenfedernund das ihm zugeschriebeneMotto »Ich dien, selbstaufgenommenund zum badgedesPrinzen von Wales gemachthaben". Der Schlachtentodin der Gemeinschaftwird hier zur KonsequenzdesFestes,auch dies ein Motiv, das die Literatur niemalslosgelassenhat. Noch Rilkes Cornet - er am deutlichsten die fort Und das in Fest:... der Nacht Fest sechzehnrunden Säbel,die auf einem anderen setzt ihn zuspringen,Strahl um Strahl, sind ein Fest.Eine lachendeWasserkunstzo 17 Vgl. etwa PErERJoHANEK,. König Arthur und die Plantagenets.Über den Zusammenhangvon Historiographie und höfischerEpik in mittelalterlicher Propaganda«,in: FrühmittelalterlicheStudien 21 Burgund (wie Anm. 7), S. 143-160. (1987),5.346-389, hier S.364f. mit Lit.; CARTELLIERI, 18 KERVYN DE LETIENHOVE (Hg. ), Oeuvres de Froissart. Chroniques, t. 5 (Bruxelles 1868), S. 54f. 19 Vgl. Dictionary of National Biography VI (London 1917), S. 510 s. v. Edward, Prince of Wales. 20 RAINER Mwtw RnLaa, Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke. Textfassungen und Dokumente, bearb. v. Walter Simon (Suhrkamp Taschenbuch 190, Frankfurt/Main 1974), S. 68 u. S.57. In- 536 PETER JOHANEK Ich verfolge diesen düsteren Zug des Themas nicht weiter, obwohl gerade er, und auch in neuer und neuester Zeit, im Kontext von Reminiszenzen an Vorzeit und Mittelalter mentalitätsbildend und virulent geworden ist. Ich verfolge ihn nicht weiter, doch ging es nicht an, ihn zu verschweigen. Das ritterliche, das höfische Fest des Mittelalters stiftet Integration für eine Kriegergemeinschaft. Doch seine Integrationskraft ist weitergespannt, vermag über diese engere Zielsetzung hinauszugreifen. Auch die Artus-Feste und Artus-Inszenierungen des englischen Königtums - das Beispiel ist willkürlich gewählt, doch muß es hier damit sein Bewenden haben - dienten nicht lediglich der Aktivierung der Kampfbereitschaft des englider Zusammenhalt. Ritterheeres Als Eduard I. Eroberung von Wales in seinem schen und nach Nevin einen Artus-Hoftag abhielt, da bot dieses Fest auch der unterworfenen Bevölkerung von Wales die Möglichkeit zur Integration in den Herrschaftsverband des englischen Königtums. Die Inszenierung dieses Festes gestattete es den Unterlegenen, bei der Unterwerfung das Gesicht zu wahren. In ähnlicher Weise ist offensichtlich bereits König Heinrich II. von England 1167 bei der Eroberung der Bretagne verfahren, als er dieses Land vom König Arthur der Sage zu Lehen nahm21. Wiederum stößt man hier auf die bündnisstiftende Funktion des Festes, obwohl ein formelles Bündnis der Kontrahenten nicht abgeschlossen wird. Doch jedes Fest - und ich versuche den Tatbestand auf eine kurze, vielleicht allzu bringen ist ein Bündnis, das der Herrscher Formel den Teilnehmern zu pointierte mit am Fest schließt, ist die Realisierung eines Herrschaftsvertrags. DieseRealisierungwird möglich, weil in vielen solchenFällen der Appell an die Emotiodie die Integration bewirken, auf einenfestenBezugspunkt nen, gelenktwird, in der Regelauf eine als gemeinsamgedachteVergangenheit.Bereits im Beowulf, in der Halle Heorot spielt dergleicheneine Rolle. In Felix GenzmersÜbersetzungheißt da: der Sang es erscholl »Dann laut in Heorots Halle«22.Nicht die Festgenossen singenhier, sondernder Scop,jener Sänger, der über die HeldentatendesHerrschersberichtete,vor allem aberüber die Taten der Helden der Vergangenheit. Feste dieser Art vergegenwärtigen eine gemeinsame Vergangenheit, emotionalisieren sie und machen sie der Integration nutzbar. In den Festen von Nevin und der Bretagne, von denen soeben die Rede war, ist dies die Britannien in allen seinen Teilen überspannende Herrschaft König Arthurs, die als historisch real und gut begründet gedacht wird. Beim Fasanenfest Philipps des Guten von Burgund geht es um Jason und die Fahrt der Argonauten, um die ferne, aber nicht minder reale und glänzende Welt der Antike. Die Entrees der französischen Könige, die regelmäßig die betroffene Stadt zur aktiven Festgemeinschaft haben die Geschichte des französischen Königtums, vor verwandelten, allem in literarischen Konnotationen der matiere de France, in Karl und Roland, aber auch in Chlodwig und Ludwig dem Heiligen, immer wieder in Bild und Aktion realisiert und zum Mittelpunkt des Festes gemacht23. So werden die Emotionen auf die gemeinsame Vergangenheit gelenkt, die eine Gemeinschaft zu stiften vermag, die wiederum Rang- und Standesschranken überschreitet Interpretation von HARRY struktiv auch die während des erstenWeltkrieges(1916)niedergeschriebene MAYNC,ebd., S.198. 21 JOHANEK,»Arthur« (wie Anm. 17), S. 364f.; S. 384-387. 22 NICKEL, Beowulf (wie Anm. 12), V. 496 (S. 32): Scop hwilum sang. 23 BERNARD GUENEE und FRANCOISE LEHOUX, Les entrees royales francaises d'histoire medievale 5, Paris 1968), S. 65; S. 187; S. 256 u. ö. de 1328 ä 1515 (= Sources FEST UND INTEGRATION 537 und die königliche Herrschaft zu festigen in der Lage ist. Ähnlich diesen mittelalterlichen Festen der französischenEntrees kommemoriert auch Gottfried Kellers eidgenössisches Schützenfestdie konstituierendegeschichtlicheTat der Eidgenossenschaft:den SchützenTell aus dem Mittelalter. Damit mag es genug sein. Nur eines noch muß erwähnt werden, um gegen den Vorwurf gewappnet zu sein, hier würden lediglich die Feste einer Elitekultur und ihrer Herrschaftsinteressen abgehandelt. Es ist selbstverständlich wahr, daß die Feste der höfischen Gesellschaft dichter in den Quellen belegt sind, doch auch der gemeine Mann hat Feste eben dieser Art gefeiert. Nur ein Beispiel, das den kriegerischen Zug solcher Feste noch einmal hervorhebt und zugleich die Beteiligung des gemeinen Mannes an den kriegerischen Vergnügungen der Eliten belegen kann, mag hier mitgeteilt werden. Eikhan Artzt, ein elsässischer Chronist des 15. Jahrhunderts, erzählt, wie die Bürger von Weißenburg im Zuge einer Fehde Kurfürst Friedrichs des Siegreichen von der Pfalz ein pfälzisches Dorf überfielen. Dort raubten sie Vieh, Wein und Hausrat, brannten die Mühle nieder, zogen wieder ab, und der Rat von Weißenburg tat, was er für richtig hielt. Die Ratsherren richteten ein Fest aus. Sie teilten das viehe und wein under die zurrfft und gaben brot und wein dazu, das alles volk gar frolich wart. Und im Zusammenhang solcher elsässischer Siegesfeste des gemeinen Mannes heißt es dann hielten da konig Artus Hoffe und meniglich gelegentlich auch: praß und redlichen was ... ... costfrei24. Bei diesem fernen Abglanz des Hofes des großen Königs soll es hier sein Bewenden haben. Ein letztes bleibt zu erörtern übrig. Die Texte Friedrich Schillers und Gottfried Kellers, mit denen hier begonnen wurde, betrafen, trotz ihrer verschiedenartigen Wirkungsweise, periodisch wiederkehrendes Zeremoniell und Fest. In der Tat ist diese iterative Wirkung von Fest und Gelage in den Quellenzeugnissen verifizierbar, im Beowulf so gut wie im alten Island, wie auch in der höfischen Welt. Hier reiht sich Fest an Fest, vergleichbar dem liturgischen Jahreszyklus der Kirche. Wie aber steht es um jene Feste, die ihrer eigenen Zeit etwas Herausragendes bedeuten, die nicht einer Periodizität unterliegen und eine solche zumeist aus ihrer Eigenart heraus auch nicht begründen können. Gemeint sind etwa jene Feste wie das Artus-Fest zu Nevin, der Mainzer Hoftag von 1184, eine Herrscherkrönung oder eine Fürstenhochzeit. Sie alle haben im Moment ihres Vollzugs Gemeinschaft damit und unter Umständen Zustimmung zur Herrschaft begründet. Die Frage stellt sich, wie solchem, im Fest erzeugten Gemeinschaftsgefühl Dauer zu verleihen ist. Norbert Elias hat bekanntlich in Anknüpfung an andere Gedankengänge, aber doch bezogen auf die höfische Welt und ihre Rituale, zwischen charismatischer und routinisierter Herrschaft unterschieden 25.Die Gemeinschaftsstiftung durch das Fest wird man zweifellos dem charismatischen Bereich zuordnen können. Wie aber entgeht dieses charismatisch begründete Gemeinschaftsgefühl, das zur Basis von Herrschaftsausübung werden kann, der Aushöhlung durch die Routine des Alltags? 24 CONRADHoFauwN (Hg. ), Quellen zur Geschichte Friedrich's des Siegreichen, 2. Bd.: Michel Beheim und Eikhan Artzt (= Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte 3, München 1863, Ndr. Aalen 1969), S. 273; GÜNTHER FRANZ_(Hg. ), Peter Harers wahrhafte und gründliche Beschreibung des Bauernkriegs (= Schriften der Pfälzischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 25, Kaiserslautern 1936), S. 44. 25 ELIAs,Höftsdie Gesellschaft(wie Anm. 8), S.184ff. u. S.404. 538 PETER JOHANEK Mir scheint, daß der Eingang des Nibelungenliedes eine Antwort darauf geben kann: Uns ist in alten murren wunders viel geseit lobeberen, helden von grözer arebeit, von klagen, hochgezIten, fröuden, ' von weinen und von von von küener recken striten muget ir nu wunder hceren sagen26. Das Epos erzählt - das ist der Sinn der Strophe - von Helden, von Exempelfiguren und ihren Mühen; es erzählt vom Kampf der Recken, denn das ist ihre ureigenste' Betätigung. Beides aber umschließt noch eine dritte Aussage. Das Epos erzählt auch von Festen, von Festen im weitesten Sinn, denn auch Weinen und Klagen gehören dazu, als Totenfeier und Totengedenken. Das Fest selbst ist also der Überlieferung, des Erinnerns, der memoria wert. Dieses Erinnern an das Fest erneuert seine Integrationskraft in jenen, die an ihm teilgenomder durch die die haben. läßt diese Die Erinnerung Erinnernden, an sie anderen mitteilen, men Integration teilhaben. Wiederum pointiert ausgedrückt: Die Kraft, die die Erinnerung an das Fest verleiht, überspielt die Routine. In der Tat ist die Wirkungskraft der Erinnerung an die großen Feste nachhaltig gewesen,offenbar der unmittelbaren Wirkung oder Festesgegenwart vergleichbar. Der Mainzer Hoftag Friedrich"Barbarossasjedenfalls ist in dieser Weise kommedes der in Geschichtsschreibung, im Medium moriert worden, nicht nur sondern auch höfischen Romans, etwa in der Eneit Heinrichs von Veldeke27. Es wäre reizvoll, solchen Spuren in aller Breite nachzugehen. Hier aber soll ein vergleichsweise schlichtes Beispiel genügen, das gleichwohl etwas von der Faszination vermitteln kann, die für die Teilnehmer von den großen Festen ihrer Zeit ausging, wenn sie ihre eigenePerson und ihren Lebens- und Herrschaftszusammenhangbetraf. Die Rede soll sein von den Erinnerungen eines kleinen Adeligen, niederösterreichischen Andreas von Lappitz, den man wegen seiner-Herkunft den »Krabathen« der Adriaküste von nannte. Er schrieb diese leider nur fragmentarisch erhaltenen Erinnerungen auf28: Zu einem Unterricht mein Khindern, nahmblich mein Söhnen, das sie doch wissen, was wunders und Kaiser Handl ist bey Krönungszug Zeiten. Andreas unglaublicher geschehen meinen nahm am in Friedrichs III. nach Rom Besuch dessen bei den und an anschließenden Festlichkeiten Neapel 1452 teil. Was ihm am Herzen liegt, ist dies: Kunde davon zu geben, welch große daran Ehren dem Kaiser dort wiederfuhren und wie er selbst, ihm in den Festen verbunden, teilhatte. Und er hatte teil. Anläßlich der Krönung schlug der Kaiser junge Leute zu Rittern, und Andreas erzählt: der Kaiser rüth für die Engl-Purckh auff die Tyber-Pruckhen: Da muest Er Ritter schlagen nach alter Gewohnheit, den vierthalbhundert den Tag mehr schlueg ain darunter. Ritter, da waren viel Pueben Auch er war auch, zu Ritter geschlagen. Ich auch mit. Kraft Beide die Elemente, hier r", zu Beginn zu beobachten waren, das Zeremoniell und seine wie die Faszination der Festesfreude, schlagen auch Andreas von Lappitz in ihren Bann. Hans-Ulrich Thamer hat in seiner Analyse der Nürnberger Reichsparteitage, deren Faszina26 Das' Nibelungenlied, nach der Ausgabe von KARL BARTSCHhg. von HELMUT DE BOOR (Wiesbaden "1956), S.3. 27 Vgl. MoRAw (wie Anm. 13), S. 73f.; dazu HEINRICH VON VELDEKE, Eneide, hg. von OTTO BEHAGHEL (Heilbronn 1882), V. 13221-13251. 28 WURMBRAND, Collectaneagenealogico- historica ex archivo inclytorum Austriae inferioris statuum ... excerpta (Wien 1705), S.64f. FEST UND INTEGRATION 539 tion und Manipulation, auch die andereSeite entgegengestellt29: Die Stagnation im Ritual, die Pannen, zermürbendes Warten, bemerkenswert, daß in dem ist Bericht des 'auch es und Andreas ähnliches berichten, da langsam zu, weiß er zu weret den gantzen zutage tritt: giengs Tag biß in die finster Nacht. Andreas der durch Zug Rom wälzt, bis hin quer schreibt, wie sich nach S. Giovanni in Laterano. Da wir dahin khumen, da was gar finster Nacht. Man het uns das Mall kocht, da der Eysenhuet, in in Speiß ander ain Pruststeckh, ainer nahmen wir unser der dritt auff ain holten Ziegl wie ein jeder urecht, und da der Khayser gessenhat und machets nit lang, da belaitteten wir In bey der Nacht mit Wind-Liechter und grossenHauffen biß wiederumb ins Pabst-Hoff, das heißt bis nach St. Peter. Andreas ist müde, hungrig, zermürbt vom Warten. Doch die Erinnerung überspielt alles: Der Khayser schluegdie Ritter mit dem Schwerdt das Khayser Carl vorn Himmel khumen ist Ich auch mit. Das allein zählte. ... Es zählt ebenso wie die Ehren, die zu Neapel auf den Kaiser und sein Gefolge gehäuft werden und die nun erst recht die Atmosphäre des Festesentstehenlassen,jenen rauschhaften Zustand kreieren, hat der junge Ihm Andreas die Lappitz, dem hier Rede sich von war. von hingegeben, der voll bey XVI Jaren der Zügen in er, eben noch vom alt war, offenbar vollen Himmelsschwert Karls des Großen berührt worden war. Da waren lang Tafel khestlich auffgericht auff paiden Seytenam Platzen und khöstlich Prun mit Wein, weissenund rotten. Bey den Taffeln stuenden.Fiierschneider, das Gepratens und Gesottenswas jedermann frey, Die Frawen in Frawen-Haug, die waren alle bestelt, derffet wer mit dem Khayser zog ... fandt khaine khain Pfening Hof. Da Mörin von ainer und sonst alles zaltets nicht nemen ... schöneFrawen, was ain lustet ... 0 was grosserEhren uns geschach.Und er, Andreas von Lappitz, genannt der Krabath, war dabei und weiß noch nahezu vierzig Jahre später davon zu erzählen. Es ist die Erinnerung, die mitgeteilte und niedergeschriebeneErinnerung, die die im Fest der die die der Liturgie Gemeinschaft Memoria Integration gestiftete wie weiterträgt, so Lebenden und Toten erneuert. Was hier, im Bericht des Andreas von Lappitz sich vollzieht, ist eine weltliche Memoria. Siekann ihrerseits in ein Fest umschlagen,ähnlich wie Shakespeare dem der Felde Azincourt Schlacht in der England V. Rede König Heinrichs von vor auf es von das Fest verschmilzt mit der Schlachtund stiftet beschreibt30.Es ist Crispian; St. Festtagein der Teilnehmern Schlacht: den des Königs fraternitas mit eine societasund Wefew, we happyfew, we band of brothers. Das Fest St. Crispians wird die Memoria an diese in der Schlacht gestiftete Bruderschaft wachhalten. Zwar: Old men forget, doch diesesGeschehenwird keiner von jenen vergessen,die dabei waren: He that outlives this day, and seesold age, his friends. feast will yearly on the vigil 29 THAMER(wie Anm. 11), S.367f. King Henry the Fifth, IV, 3; The Oxford Shakespeare,Henry V. ed. by GARY 30 WILLIAM SHAKESPEARE, TAYLOR(Oxford 1982), S.228-230. 540 PETER JOHANEK Dann wird er seine Narben zeigen, seine Taten berichten und schließlich die Namen der Glieder der so gestifteten Bruderschaft nennen: Then shall our names, Familiar in their mouths as household words, Harry the king, Bedford and Exeter, Warwick and Talbot, Salisbury and Gloster, be in their flowing cupsfreshly remembered. Flowing cups.Da ist es noch einmal, das Gelage, das das Fest trägt, Gemeinschaft, societasund fraternitas stiftet, die in der Memoria erneuert werden. Damit mag es genug sein, doch vielleicht noch eine Schlußbemerkung. Dieser Kongreß in Paderborn war dem Fest des Mittelalters gewidmet, und er hat viele verschiedeneDisziplinen Tat der fremd in die das Disziplinen, ist Fest Nun ein sich oft genug gegenüberstehen. vereint, Gegenstand unserer Wissenschaft, der nur im gemeinsamenBemühen aller Disziplinen der Mediävistik zu analysieren und zu beschreiben ist. Vielleicht hat diesesgemeinsameBemühen die das integrative Fest Wirkung wie das echte Fest und vermag zusammen mit gleiche um der Erinnerung an diese Tage und unter Umständen auch an deren flowing cups aus den Mediävisten des Mediävistenverbandes eine echte Gemeinschaft zu machen.