Mensch Wer sich auf eine Kreuzfahrt freut, sollte bedenken, dass er

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Mensch Wer sich auf eine Kreuzfahrt freut, sollte bedenken, dass er
Mensch
Tatort
traum
schiff
Wer sich auf eine Kreuzfahrt freut, sollte bedenken,
dass er sich während seines Urlaubs in eine Kleinstadt
ohne Polizeirevier wagt. Traumschiffe eignen sich
perfekt für das perfekte Verbrechen
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„Fascination“
Das Schiff der Carnival Cruise
Lines bietet auf 12 Passagierdecks
Ferienvergnügen für 2052 Gäste
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z
Schauplätze
Die roten Schiffssymbole auf der Weltkarte
bezeichnen in etwa die Stellen, wo auf Kreuzfahrtschiffen ungeklärte tödliche Unfälle
oder Verbrechen geschehen sind
A
uf dem Wasser kräuseln sich sanfte Schaumkronen, am
Horizont versinkt die Sonne glutrot im Meer, eine leichte
Brise sorgt für Abkühlung. Der abendliche Cocktail an
Deck des Luxus-Liners ist die Krönung eines Urlaubstraums.
16 Millionen Menschen erfüllen ihn sich jährlich auf einem
der 310 Schiffe, die durch die schönsten Meere kreuzen. Und
wenn dann, wie in der deutschen Traumschiff-Fernsehserie,
Kapitän Paulsen zum Captain’s Dinner lädt, ist der Traum perfekt. Schöne, heile Traumschiff-Welt. Doch sie hat auch eine
dunkle Seite. Für manche Passagiere wird die Traumreise zur
Reise ohne Wiederkehr. Mindestens 14 Menschen verschwinden
jährlich von den Traumschiffen auf Nimmerwiedersehen. Als
Folge eines Unfalls? Wenn die Reedereien darüber überhaupt
etwas verlauten lassen, dann ist ihnen die Unfallversion am
liebsten. Denn in manchen Fällen besteht auch Verdacht auf ein
Verbrechen. Kriminalexperten sind der Meinung, dass kein Ort
geeigneter für den perfekten Mord ist als der Tatort Traumschiff.
des TÜV Rheinland sagt: „Meist ist schon der Sturz vom Schiff
tödlich. Bei einer Fallhöhe von 50 Metern wirkt der Aufprall auf
dem Meer wie auf einem Betonboden. Außerdem geraten viele
Schiffbrüchige in den tödlichen Sog der Schiffsschraube.“
Am 2. Januar 2007 kehrt die „Queen Elizabeth II“ in den
südenglischen Heimathafen Southampton zurück. Von Bord
geht ein Witwer in der Gewissheit: Es war Unfall oder Verbrechen, Selbstmord hat seine Frau auf keinen Fall begangen.
Das Verschwinden der Deutschen auf hoher See ist kein
Einzelfall. Zwischen Januar 2003 und März 2006 registriert
der amerikanische Kongress 24 vermisste Schiffstouristen.
„Jährlich gehen auf Kreuzfahrtschiffen weltweit mindestens
14 Menschen über Bord“, weiß Professor Ross Klein von der
kanadischen Universität Neufundland. Er listet seit Jahren
die Schicksale von Schiffsopfern auf.
So auch den aktuellsten Fall:
Unfall, Selbstmord – oder Mord?
Einer der mysteriösesten Fälle ist das Verschwinden der Hamburgerin Sabine L. Die 62-Jährige aus dem Stadtteil Wellingsbüttel
hat sich 2006 mit ihrem Mann Ludwig, 74, eine WeihnachtsSilvester-Kreuzfahrt auf dem Luxus-Liner „Queen Elizabeth II“
vor den Küsten Westeuropas und Nordafrikas geleistet. Ganz
früh am Silvestermorgen schleicht sie im Bademantel aus der
Kabine Nummer 5167 auf Deck 5 des Kreuzfahrtschiffes. Ihr
Mann schläft noch. Als sie nicht zurückkommt, geht ihr inzwischen erwachter Mann sie suchen. Sie ist weder am Pool noch
sonst irgendwo zu finden. Der verzweifelte Ehemann ruft die
Crew zu Hilfe. Vielleicht hat sich seine Frau auf dem 294 Meter
langen und 32 Meter breiten Koloss verlaufen? Doch die Suche
bleibt ergebnislos. Niemand von den 1700 Passagieren und den
1000 Crew-Mitgliedern will die Frau bemerkt haben. Auch auf
den Aufzeichnungen der Überwachungskameras ist sie nicht
zu sehen. Bleibt nur eine Möglichkeit: Sabine L. ist über Bord
gegangen. Die „Queen Elizabeth II“ dreht um, kehrt zu der
Stelle vor der Küste Madeiras zurück, wo sich das Schiff zum
Zeitpunkt des Verschwindens vermutlich aufgehalten hat. Aber
auch auf hoher See keine Spur von der Hamburgerin. Ein Experte
James Scavone
Schiff Destiny
Verschwunden 05.07.1999
Alter 22 Jahre
1999
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kendall Carver
Einst selbst ein begeisterter TraumschiffPassagier, kämpft der Amerikaner nun um
Hinweise über das Schicksal seiner
Tochter Merrian, die vor sechs
Jahren von der „Mercury“
verschwand
Merrian Carver
Schiff Mercury
Verschwunden 28.08.2004
Alter 40 Jahre
Auf Karibikkreuzfahrt von Aruba nach Kolumbien verschwindet am 26. November 2009 der italienische Familienvater
Angelo Faliva. Die Reederei gibt als Ursache Selbstmord an. Die
Familie bestreitet, dass der Mann selbstmordgefährdet war. Die
Lösung solcher Fälle ist äußerst schwierig. Meist gibt es keine
Leiche, keine Spuren, keine Zeugen. Der Ort des Verschwindens
liegt tausende Seemeilen entfernt. Ob Unfall, Selbstmord oder
Mord – die Fälle werden fast nie aufgeklärt.
So wie das Verschwinden des 36-jährigen Amerikaners
Christopher Caldwell. Er befindet sich 2004 mit seiner Verlobten
Crystal Tinder, 31, auf einer Kreuzfahrt in der Karibik. Seine Verlobte geht früher schlafen, Christopher will mit Freunden noch
ins Bordkasino. Früh um 2.17 Uhr zeigen die Kasino-Kameras
ihn beim Spielen. Um 2.30 Uhr wird er von einem Barkeeper
zum letzten Mal gesehen – in angetrunkenem Zustand. Danach
ist er spurlos verschwunden.
Dianne Brimble
Schiff Pacific Sky
Sterbend aufgefunden 23.09.2002
Alter 42 Jahre
2002
Auch das Schicksal des 22-jährigen Amerikaners James
Scavone ist bis heute ungeklärt. Er feiert mit Freunden am
5. Juli 1999 in der Discothek an Bord des Traumschiffes
„Destiny“. Kurz nach Mitternacht will er nur mal eben auf die
Toilette gehen. Er kehrt nicht zurück.
Noch undurchsichtiger ist der Fall des 26-Jährigen George
Allen Smith. Im Juli 2005 kreuzt der Amerikaner zwischen
Griechenland und der Türkei auf dem Luxusschiff „Brilliance
of the Seas“. Der vermögende Mann befindet sich mit seiner
hübschen Frau Jennifer, 29, in den Flitterwochen. Das Paar
feiert am Abend des 4. Juli wild in der Bar. Jennifer Smith
flirtet heftig mit anderen Männern. Nach Mitternacht geht sie
schlafen, landet aber in ihrem alkoholisierten Zustand auf einem
falschen Korridor, wo sie sich schlafen legt. Gegen 4 Uhr morgens begleiten drei russischstämmige Männer ihren Mann zu
seiner Kabine.
Christopher Caldwell
Schiff Fascination
Verschwunden 23.06.2004
Alter 36 Jahre
2004
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Luxus pur
„MS The World“, für 300 Millionen Euro in Schweden gebaut, ist
das erste Kreuzfahrtschiff, auf dem man sich Eigentumswohnungen
kaufen kann. Die Reederei Residensea stellte es im März 2002 in Dienst
sushibar
Jogging-Strecke
Immer um den Schornstein
rum. Auf etwa 300 Meter
Laufstrecke können die
Bewohner hier ihren Kreislauf in Schwung bringen
bar
pool
Sportdeck
tennisplatz
Die „MS The World“ ist das
erste Schiff der Welt mit turniertauglichem Tennisplatz an Bord
pooldeck
tea room
BRÜCKE
Arbeitsplatz des Kapitäns. Sein Bett steht
ganz in der Nähe: Das Kapitäns-Apartment
ist das erste hinter der Brücke
internetcafÉ
bibliothek
day lounge
Kunstgalerie
deck 7–10
Gourmet-restaurant
gäste-suiten
juwelier
cigars Club
Hubschrauberlandeplatz
Vorteil der Superreichen: Wer
zu spät zum Hafen kommt und
das Schiff verpasst, der kann
den Hubschrauber nehmen und
unterwegs zusteigen
rezeption
boutiquen
eingangs-lobby
andachtsraum
deck 6
nightclub
hobbyraum
Hair&Beauty
deck 5
Theater/kino
konferenzräume
Kasino
sauna
aerobic
Solarium
wellness-bereich
andachtsraum
Multireligiöser Gebetsraum für die
Frommen an Bord. Für Moslems ist in
dem gut 30 Quadratmeter großen Raum
ein Kompass installiert, der die Orientierung
nach Mekka ermöglicht
kraftraum
deck 1–4
In den untersten
vier Decks sind
die Kabinen des
Personals sowie die
Maschinenräume
Theater/kino
Ein Saal für gut 150 Gäste.
Kann auch als Konferenzraum
genutzt werden
Eingang,
Sicherheits-Check
Wer nach einem Landgang aufs Schiff zurück
will, muss eine ChipKarte präsentieren und
seinen Fingerabdruck
überprüfen lassen.
An Bord passen fünf
Sicherheitsleute, unter
ihnen zwei ehemalige
Gurkha-Soldaten, auf
die Bewohner auf
kartenspielzimmer
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schornstein
Kann eingeklappt werden, so daß die
„MS The World“ auch durch Wasserwege
wie den Nord-Ostsee-Kanal passt
Golfanlage
Der Rasen wuchs in Portugal und wurde auf der
Jungfernfahrt in Lissabon abgeholt. Auf der Anlage
wird mit speziellen Golfbällen gespielt, die sich im
Salzwasser umweltfreundlich auflösen
restaurant
lounge & bar
Die Apartments
Auf Deck 7–9 liegen die meisten
der Luxus-Apartments. Sie sind bis
zu 286 Quadratmeter groß, jede
Wohnung hat einen Balkon und ist
voll möbliert – inklusive Einbauküche
mit Spülmaschine
Gäste-suiten
Wer nicht gleich ein Apartment
kaufen will, kann in einem der
88 Gästezimmer unterkommen.
Fünf Tage kosten ab 2900 Euro
gäste-suiten
marinarestaurant
Die Daten des Kreuzfahrtschiffes „MS The World“
supermarkt
wein
delikatessen
Länge
Breite
Geschwindigkeit
besatzung
apartments
Gäste-suiten
Bauzeit
kosten
Marina
Die Heckklappe des
Schiffs wird im geöffneten
Zustand zum Anlegesteg für
kleinere Motorboote. Von
hier können die Bewohner
zum Wasserski starten oder
Tauchgänge unternehmen
juwelier
cafÉ
quen
„the street“
Ein großer, S-förmiger Gang, der sich längs über
das Deck 5 zieht. An der Street liegen unter
anderem der Supermarkt, ein Juweliergeschäft
und die Wellness-Abteilung
Küche
196,35 Meter
29,80 Meter
19 knoten
320
110
88
2000–2002
300.000.000 Euro
Begehbarer Schrank
Schlafzimmer 3
Bad 3
Balkon 2
Toilette
Eingang
Die preise der apartments
Typ A 103 m
Typ B 129 m2
Typ C 163 m2
Typ D 182 m2
Typ E 173–286 m2
2
ab 2,5 Millionen Euro
ab 3,1 Mio. Euro
ab 4,2 Mio. Euro
ab 5 Mio. Euro
5 bis 8,7 Mio. Euro
Schlafzimmer 2
Ankleidezimmer
Pool und Dusche
Bad 2
Wohn- und Esszimmer
Bad 1
Begehbarer Schrank
Stauraum
Schlafzimmer 1
Balkon 1
Typ E, Penthouse mit 257 m2
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annette mizener
Schiff The Pride
Verschwunden 04.12.2004
Alter 37 Jahre
2004
Dass solche Verbrechen auf Kreuzfahrten öfter vorkommen,
erklärt der Schiffsopfer-Experte Professor Ross Klein so: „Auf
solchen Schiffen dominieren Uniform tragende Männer. Das
begünstigt sexuelle Übergriffe. Außerdem ist auf einem Ozeanriesen das Risiko, gefasst zu werden, geringer als an anderen
Orten. Die Sicherheitsbehörden können erst aktiv werden, wenn
das Schiff vor Anker liegt – oft Tage später.“
Die Spitze des Eisbergs
Hinzu kommt: Der Passagier auf dem Luxus-Liner ist sorglos.
Er glaubt sich weit weg von der Gewalt der Großstädte, realisiert allerdings nicht, dass er sich mit 3000 Menschen in einer
schwimmenden Kleinstadt befindet, die kein Polizeirevier hat.
Der US-Abgeordnete Christopher Shays, der für den Kongress
den Bericht über die Vermissten vorlegte, sagt: „Eine Kreuzfahrt
ist der perfekte Weg, um das perfekte Verbrechen zu verüben.
Auf einem Kreuzfahrtschiff ist das Risiko, Opfer eines Verbrechens zu werden, so hoch wie in einer Großstadt.“
Der auf „Tatort Traumschiff“ spezialisierte Anwalt James
Walker aus Miami erhebt gegen die Reedereien schwere Vorwürfe: „Sie nehmen die Sicherheit an Bord nicht ernst genug.“
Der Anwalt schildert einen typischen Fall: „Eltern sind mit
ihren Kindern an Bord. Beim Essen wird es den Kleinen meist
langweilig, und sie gehen auf Entdeckungstour. Dann kommt
es zur sexuellen Belästigung durch ein Crew-Mitglied. Werden
derartige Fälle bekannt, sind die Veranstalter schnell dabei, die
Angelegenheit mit Schweigegeld zu vertuschen.“
Die Kreuzfahrtindustrie spielt das Problem herunter. „Auf
unseren Schiffen mit 16 Millionen Passagieren pro Jahr gibt
es viel weniger Kriminalfälle als anderswo.“ Dabei gestand die
Branche 178 Fälle von sexuellen Übergriffen auf Schiffen innerhalb von nur zwei Jahren ein. Anwalt Walker: „Das ist nur die
Spitze des Eisbergs, die Dunkelziffer liegt weitaus höher.“
George Allen smith
Schiff Brilliance of the Seas
Verschwunden 05.07.2005
Alter 26 Jahre
2005
Fotos: Andy Newman/Carnival Cruise Lines (2), privat (17), Ralf Schultheiss/Bilderberg, Tim Flach/Getty Images, action press/
ZUMA PRESS, INC. (2), picture-alliance/dpa, Engel & Gielen/LOOK-foto, Michael Bradley/Getty Images, Photoshot,
Kurze Zeit später werden die Bewohner der Nachbarkabine
von lauten Stimmen und Gerumpel wach. Der Lärm kommt
vom kleinen Balkon, der zu Smiths Kabine gehört. Als Ehefrau
Jennifer morgens in die Kabine zurückkehrt, ist das Bett ihres
Mannes leer. George Allen Smith bleibt verschwunden. Am
Vormittag wird eine Blutlache auf dem Balkon der Eheleute
entdeckt. Die Crew säubert die Stelle mit dem Wasserschlauch.
Vermutlich werden hier die wichtigsten Spuren für ein Verbrechen über Bord gespült. Die junge Witwe scheint nicht zu
leiden: Sie verbringt den nächsten Tag fröhlich im Spa-Bereich.
Später kassiert sie eine Million Dollar Entschädigung von der
Reederei Royal Caribbean Cruises.
Ein Verbrechen liegt auch bei der 37-jährigen Annette
Mizener vor. Die Amerikanerin verschwindet spurlos in der
Nacht des 4. Dezember 2004 vom Luxus-Liner „The Pride“
bei einer Kreuzfahrt entlang der mexikanischen Riviera. Die
Crew behauptet, die junge Mutter sei betrunken gewesen und
so vermutlich über Bord gegangen. Ihre Tochter, die sie auf der
Reise begleitet, bestreitet das. Man findet die Geldbörse der
Vermissten, stellt aber fest, dass die Perlenverzierungen fehlen
und die Fingerabdrücke abgewischt sind. Außerdem: Über die
zuständige Überwachungskamera ist ein Pappkarton gestülpt
worden. Wollte der Täter das Geschehen unsichtbar machen?
Ein entsetzliches Verbrechen geschieht am 23. September
2002 in der Südsee. Die Australierin Dianne Brimble, 42, hat
lange gespart, um sich mit ihrer jüngsten Tochter Tahlia den
Traum einer Kreuzfahrt zu erfüllen. Sie bringt das Mädchen
abends zu Bett. Danach will sie in der Disco tanzen. Am Morgen
findet man die dreifache Mutter nackt und vergewaltigt auf dem
Boden ihrer Kabine. Sie hat eine Überdosis der Vergewaltigungsdroge Liquid Ecstasy im Körper und überlebt nicht.
Acht Passagiere geraten unter Verdacht,
keiner wird verurteilt.
Sabine l.
Schiff Queen Mary II
Verschwunden 31.12.2006
Alter 62 Jahre
2006
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Avenue Images/INDEX Stock (2), action press/GRAZIA NERI SRL, picture-alliance/scanpix, PR, Bodo Marks, imago/imagebroker,
AP Photo/Carnival Cruise Lines
Schwimmende Paläste
Fahrstuhl in der Lobby des Schiffes „Brilliance of the Seas“ (links)
Live-Musik in der Bar der „Destiny“ (Mitte)
Pool der „Queen Mary II“, des größten Luxusschiffs der Welt (rechts)
Druck auf die Kreuzfahrer kommt jetzt von einem Vater, der
unter mysteriösen Umständen seine Tochter auf einem Traumschiff verloren hat. Kendall Carver aus Phoenix, Arizona, hatte
seine Leidenschaft für Kreuzfahrten an seine Tochter Merrian
vererbt. Die 40-jährige geschiedene Frau reist im Sommer 2004
mit dem Schiff „Mercury“ nach Alaska. Nachdem ihr Kabinenbett fünf Tage lang unberührt geblieben ist, schlägt der Steward
Alarm. Sein Vorgesetzter weist ihn an, seine Arbeit zu tun und
sich nicht um anderes zu kümmern. Am Ende der Fahrt fehlt
immer noch jede Spur von Merrian Carver. Die Crew packt
ihre Sachen zusammen, sperrt sie weg und informiert weder
Familie noch Polizei. Vater Kendall Carver, entsetzt über
das Verhalten der Schiffsbesatzung und der Reederei, sagt:
„Von denen habe ich bloß immer wieder gehört, dass man nicht dazu verpflichtet
sei, ein mögliches Verbrechen
aufzuklären.“ Er schließt sich mit Angehörigen anderer vermisster Passagiere zusammen und gründet den Verband „International Cruise Victims“. Dessen Hauptforderung: „Traumschiffe
brauchen ihre eigene Polizei. Eine Art Sky Marshalls zur See.
Diese Sicherheitskräfte, die unabhängig von den Kreuzfahrtlinien arbeiten, müssen wasserdichte Background-Checks für
sämtliche Crew-Mitglieder sowie Wachpersonal durchführen.“
Auf ihrer Webseite schildern Familienmitglieder die Fälle aus
ihrer Sicht. Sie suchen nach neuen Zeugen, um der Ungewissheit über das Verschwinden eines lieben Angehörigen ein Ende
bereiten zu können.
Auch die Familie der vermissten Hamburgerin Sabine L. hat
eine solche Internetseite eingerichtet. Neben dem Foto von
Sabine L. bitten die Angehörigen: „Helfen Sie uns, herauszufinden, was mit unserer lieben Mama geschah!“ Die meisten
Besucher der Webseite drücken ihre Anteilnahme aus. Nur ein
Eintrag gibt einen neuen Ermittlungsansatz für die Polizei in
Southampton. Ein ehemaliger Bademeister auf einem Traumschiff
schreibt: „Liebe Familie L., als ehemaliger Schwimmmeister
schließe ich die Möglichkeit nicht aus, dass Ihre liebe Mutter
im Swimmingpool verunglückt ist. Nicht abgedeckte Ansaugleitungen der Umwälzanlage können schnell zur tödlichen
Falle werden.“
Ob bei der gebremsten Aufklärungsbereitschaft der Reedereien diese Spur Klarheit in den Vermisstenfall bringen kann,
ist stark zu bezweifeln.
Philipp Saller
Mehr Informationen
angelo faliva
Schiff Coral Princess
Verschwunden 26.11.2009
Alter 31 Jahre
2009
www.internationalcruisevictims.org
Von Kendall Carver gegründete Website für Hinterbliebene
www.cruiserape.com
Die Seite befasst sich ausschließlich mit sexuellen
Übergriffen an Bord
www.cruisebruise.com
Hier geht es zusätzlich um verdorbene Nahrung und
Krankheitserreger an Bord von Schiffen
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