Anleitung (DE)

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Anleitung (DE)
Strukturelle DNA
Nanotechnologie
Fortgeschrittenenpraktikum für Physiker
23. September 2016
Versuchsbetreuung:
Letizia Meregalli ([email protected])
Anna-Katharina Pumm ([email protected])
Fabian Kohler ([email protected])
Praktikumsanleitung Strukturelle Nanotechnologie
2
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis ............................................................................................................ 2
1. Einleitung und Zielsetzung ............................................................................................. 3
2. Theorie ....................................................................................................................... 3
2.1. Grundlegende Eigenschaften von Desoxyribonukleinsäure (DNA) ................................... 3
2.1.1. Aufbau und Struktur .......................................................................................... 3
2.1.2. Stabilisierende Wechselwirkungen ........................................................................ 4
2.1.3. Holliday-Junction ............................................................................................... 5
2.1.4. Verwendung von DNA in der strukturellen Nanotechnologie ..................................... 6
2.2. Strukturelle Nanotechnologie und das DNA Honey-Comb Framework .............................. 6
2.2.1. Bisherige Methoden ........................................................................................... 6
2.2.2. DNA-Origami .................................................................................................... 6
2.2.3. Honey-Comb Framework .................................................................................... 7
2.2.4. Herstellung von DNA Nanostrukturen ................................................................... 9
2.3. Verdrehen und Biegen von DNA Helix-Bündeln .......................................................... 14
2.3.1. Erweiterung des Honey-Comb Framework ........................................................... 14
2.3.2. Toy Modell ...................................................................................................... 15
2.4. Persistenzlänge von DNA Helix-Bündeln ................................................................... 17
2.4.1. Balkenmechanik und das Konzept der Persistenzlänge .......................................... 17
2.4.2. Bestimmung der Persistenzlänge aus der „Winkelfluktuation“ von gebogenen Balken 18
3. Versuchsanleitung ...................................................................................................... 20
3.1. Herstellung von DNA Origami Objekten .................................................................... 20
3.1.1. Faltung von 6-Helixbündeln............................................................................... 20
3.1.2. Polymere von geraden und gebogenen 18-Helixbündeln ........................................ 20
3.2. Elektronenmikroskopie ........................................................................................... 21
3.2.1. Negativkontrastierung ...................................................................................... 21
3.2.2. Elektronenmikroskopie ..................................................................................... 22
3.3. Experimentelle Bestimmung der Persistenzlänge von 18-Helixbündeln .......................... 22
4. Auswertung und Protokoll ............................................................................................ 24
4.1. 6-Helixbündel ....................................................................................................... 24
4.2. Polymere von geraden und gekrümmten 18-Helixbündel ............................................ 24
4.3. Persistenzlänge aus der Winkelfluktuation von gekrümmten DNA Helixbündeln .............. 24
5. Literaturverzeichnis .................................................................................................... 25
Praktikumsanleitung Strukturelle Nanotechnologie
3
1. Einleitung und Zielsetzung
Desoxyribonukleinsäure (DNA) besitzt ideale Voraussetzungen, um Strukturen im Nanometerbereich herzustellen. Mit der Klammernukleotid assistierten Faltung eines langen Rückgratstrangs
(kurz: DNA-Origami) [1] gelang auf dem Gebiet der strukturellen DNA-Nanotechnologie ein
entscheidender Durchbruch. Mit der Erweiterung der Methode in drei Dimensionen [2] wurde es
möglich, hoch komplexe Strukturen mit Molekulargewichten im Megadalton-Bereich1 herzustellen.
Dabei werden tausende Atome mit einer bis dato unerreichten Präzision im Nanometerbereich
relativ zueinander angeordnet. Die Herstellung von DNA-Nanostrukturen beruht auf dem Prinzip
der Selbstorganisation und ist deshalb vergleichsweise einfach und effizient. Die DNA-Origami
basierte
Nanotechnologie
besitzt
ein
immenses
Potential
[19]
in
der
Herstellung
von
grundlegenden Anwendungen in diversen Wissenschafts- und Technologiebereichen.
Ziel dieses Praktikumsversuches ist es, den Praktikumsteilnehmern einen grundlegenden Einblick
in eine faszinierende Nanotechnologie zu vermitteln. Daneben illustriert dieser Versuch, wie durch
interdisziplinäre wissenschaftliche Zusammenarbeit neue Anwendungen entstehen.
2. Theorie
2.1. Grundlegende Eigenschaften von Desoxyribonukleinsäure (DNA)
2.1.1. Aufbau und Struktur
DNA ist ein Biopolymer, das sich in seiner Normalform aus zwei antiparallelen, komplementären
Strängen zusammensetzt. Diese wiederum bestehen aus einem Phosphatrückrat, der die
verschiedenen
Untereinheiten
trägt.
Eine
Untereinheit
besteht
aus
einem
Zuckerring
(Desoxyribose) und einer von insgesamt vier daran angehängten Purin- (Adenin und Guanin)
oder Pyrimidinbasen (Thymin und Cytosin). Pyrimidinbasen sind heterozyklische, aromatische,
sechsgliedrige Ringe. Die ebenfalls aromatischen Purine bestehen aus einem Pyrimidinring, der
mit einem fünfgliedrigen Imidazolring kondensiert ist. Die Untereinheiten sind über die
Phosphodiesterbindungen verbunden, welche das 3’-Kohlenstoffatom mit dem 5’-Kohlenstoffatom
der Desoxyribose des folgenden Monomers verknüpfen. Durch diese asymmetrische Verknüpfung
der
Untereinheiten
definiert
Röntgenbeugungsanalysen
sich
abgeleitete
die
Polarität
Struktur
[3],
eines
[4]
zeigt,
Polymerstrangs.
dass
zwei
Die
Polymere
aus
eine
Doppelhelix bilden, wobei die Stränge durch nichtkovalente Interaktionen zusammengehalten
werden. Der konstante Durchmesser der Doppelhelix kommt zustande, weil die Basenpaarung
immer aus einer aus zwei Ringen bestehenden Purinbase des einen mit einer aus einem Ring
bestehenden Pyrimidinbase des anderen Strangs besteht. Die Basenpaare sind immer eine
Adenin- mit einer Thyminbase unter der Ausbildung von zwei, respektive eine Guanin- mit einer
Cytosinbase unter der Ausbildung von drei Wasserstoffbrücken (Abb. 2). Diese Komplementarität
der einzelnen Stränge der Doppelhelix führt dazu, dass jeder Strang für sich die gleiche
Information in Form einer spezifischen Basensequenz enthält. Für die Verwaltung und Weitergabe
1
1 Da entspricht dabei der atomaren Masseneinheit 1 u
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4
von genetischen Informationen, der zentralen biologischen Funktion der DNA, ist diese
grundlegende Eigenschaft essentiell.
Abb. 1: Dreidimensionale Struktur einer DNADoppelhelix in B-Konformation (PDB: 1D28,
[3]). Die planeren Basen liegen zwischen den
beiden außen liegenden Rückgratsträngen
(orange). Die waagrechte Anordnung der Basen
erlaubt, dass die delokalisierten π-Elektronen
zwischen übereinander liegenden Basen geteilt
werden können. Die daraus resultierende basestacking Interaktion trägt einen großen Teil zur
Stabilität der Doppelhelix bei.
Abb. 2: Ausschnitt einer DNA-Doppelhelix. Die beiden
Rückgratstränge laufen gegenläufig. In der Mitte sind
die Basenpaare gezeichnet, welche durch zwei
(Adenin – Thymin) oder drei (Guanin – Cytosin)
Wasserstoffbrücken verbunden sind. Die Anzahl der
Wasserstoffbrücken zwischen den verschiedenen
Basenpaaren führt zu der spezifischen Hybridisierung
zwischen zwei komplementären Einzelsträngen.
2.1.2. Stabilisierende Wechselwirkungen
Der größte Beitrag zur Wechselwirkung, welche die beiden Stränge zusammenhält, stammt von
der base-stacking Interaktion der Basen [5]. Die planaren, aromatischen Ebenen der Ringsysteme
zweier benachbarten Basenpaare mit ihren delokalisierten Elektronen ordnen sich parallel an:
Durch diese Aufstapelung (‚stacking’) der Ringe werden die delokalisierten
π-Elektronen zwischen
den Ringen benachbarter Basen geteilt was zu einer energetisch bevorzugten Konfiguration führt.
Der Abstand zwischen zwei Basenpaaren beträgt 3.4 Å, was aufgrund der Geometrie des Zuckerphosphatrückgrats nur mit einer helikalen Form des Doppelstrangs erreichbar ist. Dadurch
ergeben sich auch die geometrischen Parameter der B-DNA: Pro Umdrehung besitzt sie 10.5
Basenpaare, pro Basenpaar dreht sich die Helix um 34°.
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5
Durch den doppelhelikalen Aufbau liegen die unpolaren Basen dicht zusammengepackt in der
Mitte des DNA-Moleküls, die polaren Zuckerreste und die negativ geladenen Phosphodiesterbindungen (eine negative Ladung pro Untereinheit) sind außerhalb, mehr lösungsmittelexponiert
angeordnet (Abb. 1). Diese Abschirmung der unpolaren Reste vom polaren Lösungsmittel führt zu
einer geringeren Oberflächenspannung, was die Helix zusätzlich stabilisiert. Zudem sind die
negativen Ladungen des Rückgrats einerseits möglichst weit voneinander entfernt, was die
Repulsion zwischen den beiden nicht-kovalent verbundenen Strängen verringert. Andererseits
interagieren die negativen Ladungen durch ihre exponierte Anordnung mit den polaren
Wassermolekülen des Lösungsmittels sowie mit gelösten Kationen und werden so teilweise
abgeschirmt und neutralisiert.
2.1.3. Holliday-Junction
DNA hat im topologischen Sinn eine lineare Achse. Ein prominentes Beispiel, bei dem diese
Linearität unterbrochen wird und zwei Doppelstränge verbunden sind, ist die Holliday-Junction [6]
(Abb. 3). Hierbei wird zwischen zwei Doppelhelices mit homologer Sequenz jeweils ein Stück
eines Stranges ausgetauscht. Dieses Strukturelement entsteht natürlicherweise während der
Keimzellbildung (Meiose) oder bei der Reparatur von Mutationen und führt zu homologer
Rekombination („crossing over“). In der DNA-Nanotechnologie wird diese Art der Verzweigung
genutzt um benachbarter Helices miteinander zu verbinden. Durch die Wahl geeigneter
Sequenzen lassen sich beliebige cross-over generieren und exakt positionieren[7].
Abb. 3: Die Kristallstruktur
(PDB: 3CRX, [8]) einer
Holliday-Junction zeigt, wie
durch die kreuzförmige
Anordnung zwei DNADoppelhelices verbunden
werden. In der HollidayStruktur wird nur die
Geometrie des Zuckerphosphatrückgrats verändert:
Jede Base bildet Wasserstoffbrücken zu einer komplementären Base auf einem anderen
Strang.
Praktikumsanleitung Strukturelle Nanotechnologie
6
2.2. Strukturelle Nanotechnologie und das DNA Honey-Comb Framework
2.2.1. Verwendung von DNA in der strukturellen Nanotechnologie
Die B-DNA besitzt wichtige Voraussetzungen, um daraus Strukturen in der Größenordnung von
Nanometern zu konstruieren. Die zentralen Eigenschaften sind die oben bereits beschriebene
Geometrie der B-DNA (~2nm Durchmesser, 3.4Å Ganghöhe pro Basenpaar), die Möglichkeit, zwei
Doppelstränge durch Holliday-Junctions zu verbinden und eine relativ hohe Steifigkeit (50nm
Persistenzlänge [9]). Hinzu kommt, dass es heute relativ leicht möglich ist, durch chemische
Synthese oder mit Hilfe von Enzymen DNA-Moleküle beliebiger Sequenz herzustellen. Es können
auch chemische Modifikationen eingeführt werden, welche beispielsweise als Indikatoren für
erfolgreiche Faltungsprozesse oder als weitere Strukturelemente dienen können.
2.2.2. Bisherige Methoden
Um aus DNA gezielt bestimmte Formen und Strukturen herzustellen, beruhten frühere Ansätze
auf einem ‚bottom-up’ Ansatz: Kleinere Motive, welche aus mehreren verzweigten Doppelhelices
bestehen, werden miteinander zu großen Strukturen verbunden. Auf diese Art können z.B. zweiund dreidimensionale Gitter hergestellt werden [7]. Eine andere Methode, um dreidimensionale
Objekte herzustellen, besteht darin, dass zirkulare, einzelsträngige DNA-Moleküle ebene Flächen
von dreidimensionalen Objekten aufspannen. Wo sich zwei Flächen treffen und eine Kante bilden,
sind die Sequenzen komplementär, so dass die Kanten des Objekts schließlich eine Doppelhelix
bilden [10]. Da Objekte dieser Art in einem konvergenten Reaktionsschema mit vielen
sequenziellen Schritten entstehen, ist die Effizienz resp. die Ausbeute sehr gering [11]. Die
erreichbare Strukturkomplexität ist beschränkt, weil sich die Reaktionsverluste durch die größere
Anzahl an Reaktionen akkumulieren.
2.2.3. DNA-Origami
Ein alternativer Ansatz bestand darin, eine Sequenz einer großen, einzelsträngigen DNA zu
designen, die sich durch Interaktionen mit sich selbst in eine gewünschte Form faltet [12]. Die
verwendete Sequenz war 1.7kb lang und sollte ein Oktaeder bilden, dessen Konturen aus
Doppelhelices bestehen: Hybridisierende Sequenzabschnitte werden entlang der ganzen Sequenz
wiederholt. Die daraus gebildeten Doppelhelices bilden die gefaltete Struktur. Die Schwierigkeit
bestand darin, dass sich die einzelnen doppelhelikalen Abschnitte alle gleichzeitig ausbilden.
Deshalb mussten die Sequenzen so entworfen werden, dass bei der Hybridisierung keine
topologischen Verdrehungen des gesamten DNA-Moleküls entstehen konnten, welche die
Ausbildung von verbleibenden Doppelhelices verhindert hätten (paranemische Sequenz). Mit der
Hilfe
von
fünf
zusätzlichen
Klammernukleotiden
(‚staple’-Nukleotiden),
welche
gewisse
ungepaarte Sequenzabschnitte der Struktur verbinden, wurde die richtige Faltung des Oktaeders
Praktikumsanleitung Strukturelle Nanotechnologie
7
möglich. Da es sich bei dieser Selbstorganisation eines einzelnen Moleküls in die gewünschte
Form um eine Einzelschritt-Reaktion handelt, konnten die schlechten Ausbeuten umgangen
werden, welche durch Aufreinigungen nach Zwischenschritten und der Notwendigkeit genauer
Stöchiometrie verursacht werden.
Später wurde gezeigt, dass die paranemische Sequenz nicht nötig ist: Die gewünschte Struktur
wird aufgebaut, indem eine Vielzahl an Klammernukleotiden den großen, zusammenhängenden
Rückgratstrang in die gewünschte Form bringt [1]. Die Struktur besteht komplett aus
Doppelhelices. Bei jeder Doppelhelix besteht ein Strang aus dem Rückgratstrang und der andere
aus Klammernukleotiden (Abb. 4). Mit dieser Methode kann prinzipiell jedes beliebige zweidimensionale Muster bzw. jede Form aus DNA aufgebaut werden [1]: Die gewünschte Struktur wird
linienweise mit Doppelhelices aufgefüllt. Um die Helices zusammenzuhalten, wird anschließend
ein periodisches Muster von Holliday-Junctions über die Struktur gelegt. An diesen Positionen
wechselt ein Klammernukleotid die Helix und läuft in einer benachbarten Helix weiter. Damit die
Struktur planar bleibt, liegen diese Holliday-Junctions immer im Abstand von drei Umdrehungen
und auf der gegenüberliegenden Seite der Helix um 1.5 Umdrehungen versetzt. Anschließend
wird ein langes, einzelsträngiges DNA-Molekül (‚scaffold’, Gerüst) so durch die Struktur gelegt,
dass dieser Teil jeder Doppelhelix ist. Dabei kreuzt sich der Rückgratstrang nie mit sich selbst und
bildet ebenfalls Crossovers, z.B. wenn er an den Rändern von einer Helix auf eine benachbarte
wechselt. Der Lauf sowie die Sequenzen der Klammernukleotide ergeben sich aus dem Muster der
zuvor festgelegten Positionen der Holliday-Junctions. Die Klammernukleotide können dabei mehr
als zwei benachbarte Helices verbinden.
Abb. 4: Grundprinzip der Klammernukleotid
assistierten Faltung eines Rückgratstrangs.
Der Rückgratstrang (schwarz) wird ununterbrochen und sich selbst nicht überkreuzend
durch die gewünschte Kontur gelegt.
Klammernukleotide (farbig) halten den
Rückgratstrang in der gewünschten Form.
Sie bilden Holliday-Junctions um
benachbarte und deshalb gegenläufig
verlaufende Rückstrangabschnitte zu
verbinden. Diese Abbildung wurde verändert
von [1] übernommen.
2.2.4. Honey-Comb Framework
Das Honey-Comb framework [2], [13], [14] (Bienenwaben-System) ist die Erweiterung der oben
beschriebenen Methode von Rothemund [1], so dass prinzipiell jede beliebige dreidimensionale
Struktur mit der Klammernukleotid assistierten Faltung eines langen, einzelsträngigen Rückgratstrangs konstruiert werden kann. Die Grundform ist ein dreidimensionaler Quader, welcher aus
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8
aufeinandergelegten, gewellten Schichten aus antiparallelen Helices besteht. Betrachtet man die
Projektion entlang der Helixachsen einer gewellten Schicht und bildet man Geraden, indem immer
die Mittelpunkte zweier benachbarter Helices verbunden werden, beträgt der Winkel zwischen
zwei Geraden immer ± 120° (Abb. 5). Dieser Winkel hängt vom Abstand resp. der Anzahl
Basenpaare zwischen den gewählten Holliday-Junctions ab. Nimmt man eine B-DNA mit 10.5
Basenpaaren pro Drehung an und betrachtet die Rotation der Helix relativ zur Längsachse der
Doppelhelix, rotiert die Helix eines einzelnen Strangs bei einer Periodizität von sieben
Basenpaaren jeweils um 240° (=0·360+240°). Nach 14 Basenpaaren beträgt der Rotationswinkel
480° (=1·360°+120°), nach 21 Basenpaaren 720° (=2·360°+0°). Besitzt die Helix alle sieben
Basenpaare eine Holliday-Junction, kann sie mit bis zu drei benachbarten, parallel angeordneten
Helices verbunden werden. So entsteht im zweidimensionalen Fall das oben beschriebene
gewellte Blatt von antiparallelen Helices (Abb. 5 a und b). Um einen dreidimensionalen Quader
aufzubauen, werden mehrere dieser Blätter aufeinander gelegt (Abb. 5 c). Im Querschnitt hat
eine Helix bis zu drei nächste Nachbarn, wobei zwei benachbarte Helices maximal alle 21
Basenpaare über Holliday-Junctions verbunden werden können. Durch die drei nächsten
Nachbarn ist in der Seitenansicht (Abb. 5 d) das dem System den Namen verleihenden,
sechseckige Bienenwabenmuster erkennbar.
Abb. 5: Illustration des Honey-Comb Framework anhand eines 18-Helixbündels. a:
Aufsicht auf eine gewellte Schicht von parallel
angeordneten Doppelhelices. Die Helices sind
als Rechtecke dargestellt. Die Laufrichtung des
Rückgratstrangs (schwarz) ist zwischen zwei
benachbarten Helices gegenläufig. Der
Rückgratstrang läuft durchgehend durch die
ganze Struktur. b: Seitenansicht des gewellten
Blatts bei dem die Helices als Kreise
dargestellt sind. Die ausfüllenden Farben entsprechen den gegenläufigen Laufrichtungen
des Rückgratstrangs (grau und weiß). c: Durch
das Zusammenfalten des gewellten Blatts
entsteht ein dreidimensionaler Quader. d: Jede
Doppelhelix ist mit maximal drei nächsten
Nachbarn durch Holliday-Junctions verbunden.
Die Laufrichtung des Rückgratstrangs ist zu
derjenigen der drei Nachbarn gegenläufig. Die
Holliday-Junctions werden durch Klammernukleotide gebildet. Im Querschnitt des dreidimensionalen Quaders ist das durch die
Helices gebildete Bienenwabenmuster
erkennbar.
Ein
Strang
von
jeder
Doppelhelix
besteht
aus
dem
ununterbrochenen
einzelsträngigen
Rückgratstrang. Sind die Helices als gewellte Ebenen angeordnet, läuft der Rückgratstrang einmal
durch alle Helices, indem der Strang am Helixende um 180° gewendet wird und dann durch die
unmittelbar folgende Helix läuft. Dadurch unterscheiden sich zwei benachbarte Helices immer in
der Laufrichtung des Rückgratstrangs. Sie sind in diesem Sinn antiparallel (Abb. 5 a). Wird das
planare Helixblatt zu einem Quader gefaltet, sind die maximal drei Nachbarn einer bestimmten
Helix immer antiparallel ausgerichtet (Abb. 5 c und d).
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Um eine bestimmte Nanostruktur aus DNA herzustellen, wird die gewünschte Struktur aus einem
Block von in der oben beschrieben Art verbundenen Doppelhelices ausgeschnitten. Anschließend
werden
an
erlaubten
Positionen
Holliday-Junctions
festgelegt
und
der
einzelsträngige
Rückgratstrang durch die verbleibenden Helices gelegt. Im nächsten Schritt werden die
Klammernukleotide hinzugefügt. Sie werden so in die Struktur eingebaut, dass (a) alle möglichen
Holliday-Junctions gebildet werden und (b) ihre Länge zwischen minimal 18 und maximal 49
Basen liegt, mit einer Durchschnittslänge von 30 - 42 Basen. Alle sieben Basenpaare besitzen die
parallel angeordneten Helices eine Holliday-Junction welche durch Klammernukleotide gebildet
wird. Diese Crossovers spannen eine zur Längsachse der ausgerichteten Helices senkrechte Ebene
auf. Diese Ebenen unterteilen den durch parallel angeordnete Doppelhelices gebildeten dreidimensionalen Körper in Intervalle mit der Breite von sieben Basenpaaren. Schließlich wird dem Weg
des Rückgratstrangs eine Sequenz hinzugefügt und durch die komplementären Watson-Crick
Basenpaare die Sequenzen der Klammernukleotide bestimmt. Es ergeben sich genaue Regeln für
die relativen Positionen der Holliday-Junctions, welche die verschiedenen Helices verbinden. Die
eigens für das Design von DNA-Nanostrukturen dieser Art entwickelte caDNAno-Software [15]
erleichtert die Planung beträchtlich, da das Programm die erlaubten Positionen der HollidayJunction in der zweidimensionalen Projektion regelkonform darstellt und das Einfügen von
Crossovern
an
falschen
Positionen
verhindert
wird.
Zudem
können
die
Sequenzen
der
Klammernukleotide bequem und fehlerfrei bestimmt werden.
2.2.5. Herstellung von DNA Nanostrukturen
Design:
Der erste Schritt zur Herstellung einer DNA-Struktur ist das Design des Objekts. Als Beispiel ist in
folgender Abbildung der Designprozess eines 18-Helixbündels illustriert (Abb. 6). Der Querschnitt
des Bündels entspricht Abb. 5 d. Als erstes wird der lange Rückgratstrang so durch die Struktur
gelegt, dass jeweils ein Strang jeder Doppelhelix aus dem ununterbrochenen Rückgratstrang
besteht (Abb. 6 oben). Anschließend werden die Klammernukleotide gemäß den in Kap. 2.2.4
beschriebenen Regeln gezeichnet und zum Schluss deren (zum Rückgratstrang komplementären)
Sequenzen bestimmt (Abb. 6 unten).
Praktikumsanleitung Strukturelle Nanotechnologie
10
Abb. 6: Zweidimensionale Projektion des ununterbrochenen Rückgratstrangs (oben) durch ein 18-Helixbündel. Unten: Der Rückgratstrang mit den Klammernukleotiden. Inset: An den Enden der Doppelhelices
wechselt der Rückgratstrang unter Ausbildung von einzelsträngigen DNA-Schleifen von einer in die
nächste Helix. Die Abbildung wurde mit caDNAno [15] erstellt.
Faltung:
Die Klammernukleotid assistierte Faltung eines langen Rückgratstrangs geschieht in einem
einzigen Arbeitsschritt: Alle Komponenten werden in geeigneten Konzentrationen (Überschuss an
Klammernukleotiden) zusammengemischt. Die Struktur wird durch Anlegen eines Temperaturgradienten (Erhitzen und danach langsames Abkühlen auf Raumtemperatur) gefaltet. Die
Sequenzen
der
Klammernukleotide
sind
nicht
optimiert
um
gegenseitige
Interaktionen
(Hybridisierung) zu vermeiden oder minimieren. So kann sich z.B. eine kurze Doppelhelix über
jeweils eine Teilsequenz zweier Klammernukleotide ausbilden. Durch den langsamen Temperaturgradienten
bleibt
aber
genügend
Zeit,
dass
sich
solche
Interaktionen
lösen
und
die
Klammernukleotide über ihre volle Länge mit dem Rückgratstrang eine Doppelhelix ausbilden.
Andererseits ist es weniger wahrscheinlich, dass eine korrekte Doppelhelix zwischen Rückgratstrang und Klammernukleotid aufbricht, weil dazu mehr Energie nötig wäre, als zum Aufbrechen einer kürzeren, unerwünschten Hybridisierung. Die Reinheit der Klammernukleotide ist
deshalb auch nur ein bedingt kritischer Faktor: Ein zu kurzes Nukleotid wird durch ein vollständiges Klammernukleotid ersetzt, weil dadurch die Doppelhelix länger und mehr Energie frei
wird. Bei einem größeren Anteil an Verunreinigungen muss der Überschuss an Klammernukleotiden entsprechend erhöht werden.
Ähnliches gilt auch für mögliche Sekundärstrukturen des langen, einzelsträngigen Rückgratstrangs, welche durch schrittweise Anlagerung der Klammernukleotide im Faltungsprozess in
einer kooperativen Art und Weise nach und nach verdrängt werden. Hinzu kommt, dass die
Klammernukleotide als molekulare Brücken wirken und dadurch z.B. zwei in der Sequenz
Praktikumsanleitung Strukturelle Nanotechnologie
11
entfernte Positionen verbinden können. Einerseits werden durch diese schrittweise Orientierung
des langen Einzelstrangmoleküls mögliche Sekundärstrukturen ebenfalls destabilisiert, andererseits wird die Anlagerung weiterer benachbarten Nukleotide erleichtert.
Das Verwenden eines langen Einzelstrangmoleküls als Rückgrat der Struktur, der Überschuss an
Klammernukleotiden und kooperative Effekte [1] sind die wichtigsten Parameter, die den Erfolg
dieser Methode zur Herstellung von DNA-Nanostrukturen erklären.
Aufreinigung und Qualitätskontrolle:
Die Qualität der gefalteten Strukturen wird mit Transmissionselektronenmikroskopie und
Agarose-Gelelektrophorese untersucht. In Agarose-Gelen (Abb. 7: Faltung eines 18-Helixbündels
bei verschiedenen Magnesiumchloridkonzentrationen) lässt sich der Faltungsansatz in folgende
typische Bestandteile auftrennen: Große Aggregate bleiben in der Ladetasche hängen. Die
Population der korrekt gefalteten Strukturen bildet in Agarose-Gelen meist eine sehr scharf
abgegrenzte Leitbande. Banden mit kleineren Wanderungsdistanzen sind Populationen von teiloder missgefalteten Strukturen. Die überschüssigen Klammernukleotide sind als sehr helle und
diffuse Banden mit der schnellsten Migrationsdistanz zu erkennen. Die verwendeten Massenstandards (DNA-Leitern) können nur zu relativen Vergleichen herangezogen werden, weil sich
einzelsträngige, bzw. gefaltete Strukturen anderes verhalten als die in der Länge definierten,
linearen und ungefalteten Doppelhelixfragmente der verwendeten DNA-Leitern. Die Partikel
können beispielsweise aufgereinigt werden, indem die entsprechenden Banden aus dem Gel
ausgeschnitten und daraus mit konventionellen Methoden die DNA Nanopartikel aufgereinigt
werden.
Abb. 7: Ethidiumbromid gefärbte Agarose-Gele zeigen ein DNA-Origami Objekt, selbstassembliert bei
unterschiedlichen Faltungskonditionen. Die korrekt gefalteten Strukturen (F) bilden eine scharfe
Leitbande. Überschüssige Klammernukleotide (S) finden sich am unteren Rand des Gelbildes. Als Referenz
ist in der ersten und letzten Tasche eine DNA-Leiter und in der zweiten Tasche die verwendete RückgratDNA aufgetragen. A: Die DNA-Origami Objekte wurde bei unterschiedlichen MgCl2 Konzentrationen (6-24
mM) assembliert. B: Die DNA-Origami Objekte wurden bei 20 mM MgCl2 und unterschiedlichen
Temperaturrampen assembliert. Dabei werden die Lösungen erst aufgeheizt und dann 1 °C/h abgekühlt
(1:58-56 °C; 2: 56-54 °C; 3: 54-53°C; 4: 52-50°C; 5: 50-48 °C; 6: 48-46 °C).
Praktikumsanleitung Strukturelle Nanotechnologie
12
Als nächstes werden die Partikel mit einem Transmissionselektronenmikroskop (TEM) abgebildet.
Bei der Probenpräparation für das TEM werden die Proben negativ gefärbt (‚negative stain’) indem
sie mit einer Lösung aus Uransalzen behandelt werden. Die Uranionen besitzen eine hohe
Massendichte und füllen die Hohlräume der zu untersuchenden Probe aus. Der Elektronenstrahl
wird durch die schweren Färbeatome stärker gestreut als durch die leichteren Atome welche die
zu untersuchende Struktur aufbauen. Die detektierte Intensität an einer bestimmten Position
hängt davon ab, wie stark der Elektronenstrahl auf dem Weg durch die Probe gestreut wird. Dies
hängt wiederum vom Verhältnis zwischen schweren und leichten Atomen auf dem Transmissionsweg an der bestimmten Position ab. Das grundlegende Bauelement der 18-Helixbündel ist die
DNA-Doppelhelix. Wenn die Stäbe longitudinal mit einer der zur Längsachse parallelen Flächen
auf dem TEM-Grid liegen, wird aufgrund der exakten Geometrie der Anordnung (sechseckiges
Muster im Querschnitt) der Helices ein genaues Intensitätsprofil erwartet (Abb. 8 Inset). Es
errechnet sich aus dem Anteil an DNA im Verhältnis zum Hohlraum über den gesamten
Transmissionsweg des Elektronenstrahls. Über den schmalen Seiten des Stabes zeigt das
Intensitätsprofil (Abb. 8 Inset) drei Maxima deren Abstand 3.5nm beträgt. Das Profil von auf der
breiten Seite liegenden Stäben zeigt sechs breite und fünf schmale, alternierend angeordnete
Maxima. Der Abstand zwischen zwei benachbarten Minima beträgt 1nm. Da die Maxima dicht
aufeinander
folgen
und
deren
Breiten
unter
der
Auflösungsgrenze
des
verwendeten
Elektronenmikroskops liegen, wird für die auf der breiten Seite liegenden Stäben kein klares Profil
erwartet. Abb. 8 zeigt Elektronenmikroskopbilder von gefalteten 18-Helixbündeln bei zwei
verschiedenen Vergrößerungen. Die drei Streifen von auf der schmalen Seite liegenden Bündeln
sind gut zu erkennen.
Praktikumsanleitung Strukturelle Nanotechnologie
13
Abb. 8: Transmissionselektronenmikroskop-Aufnahmen von gefalteten Helixbündeln. Die gut
erkennbaren Streifenmuster entstehen durch die Überlagerung von präzise angeordneten DNADoppelhelices (Inset).
Grundsätzlich gleicht der Aufbau eines Elektronenmikroskops (Abb. 9) dem Aufbau eines Hellfeldresp. Durchlichtmikroskops. Der wichtigste Unterschied ist, dass als Informationsträger nicht Licht
sondern ein gebündelter Strahl von Elektronen verwendet wird. Die Elektronen werden durch ein
Hochspannungsfeld beschleunigt woraus sich ihre Wellenlänge und somit das maximale Auflösungsvermögen
errechnet
(de
Broglie-Beziehung;
0.0037nm
bei
100keV
Energie).
Die
Elektronen lösen sich durch das anliegende elektrische Feld aus einem dünnen, erhitzten Filament. Als Linsen dienen Elektromagneten, welche den Elektronenstrahl bündeln und steuern. Wie
bei einem Lichtmikroskop durchdringt der Elektronenstrahl die Probe und wird durch Interaktion
mit den Atomen der Probe resp. mit den Atomen der Negativkontrastierung. Die Elektronen
werden entweder elastisch (ohne Energieverlust) oder unelastisch (Energieverlust) gestreut. Das
Bild entsteht, indem die gestreuten Elektronen auf einen Fluoreszenzschirm fallen und somit
sichtbar werden.
Praktikumsanleitung Strukturelle Nanotechnologie
14
Abb. 9: Schematischer Aufbau eines Transmissionselektronenmikroskops. Die elektromagnetischen Linsen steuern den als Informationsträger verwendeten Elektronenstrahl.
Durch unterschiedliche Streuungen an der
üblicherweise negativ kontrastierten Probe
entsteht ein Bild, welches auf einem
Fluoreszenzschirm sichtbar gemacht wird.
2.3. Verdrehen und Biegen von DNA Helix-Bündeln
2.3.1. Erweiterung des Honey-Comb Framework
DNA-Origami
Helix-Bündel
der
oben
be-
schriebenen Art (Honey-Comb) können als Array
von Zellen mit einer Länge von 7 Basenpaaren
angesehen werden (Abb. 10 B). An ihren Grenzen
sind die Zellen mit jeweils einem von drei
benachbarten
Helices
verbunden,
wodurch
gerade Helixbündel entstehen und alle Doppelhelices 10.5 Basenpaare pro Umdrehung besitzen. Enthält eine Zelle weniger als 7 Basenpaare, führt dies zu einer lokalen Überdrehung
und einer Zugspannung (Abb. 10 C). Es entsteht
ein linkshändiges Drehmoment wodurch die Zelle
an ihren physisch verknüpften Nachbarn zieht.
Die Überdrehung kann durch eine globale, linkshändige Verdrehung des ganzen Bündels kompensiert werden. Die Zugspannung entlang der
Abb. 10 B: Zelle mit 7 Basenpaaren beinflusst die
Nachbarzellen nicht. C: Durch Deletionen und
Insertionen entstehen Drehmomente, welche
benachbarte Zellen ziehen resp. wegdrücken. Die
Abbildung wurde von [14] übernommen.
Parallelachse der Doppelhelices führt zu einer Biegung des gesamten Bündels in die Richtung
dieser Zelle. In Zellen mit mehr als 7 Basenpaaren entsteht eine lokale Unterdrehung und ein
Praktikumsanleitung Strukturelle Nanotechnologie
15
Kompressionsdehnung, welche durch eine rechtshändige Verdrehung des ganzen Bündels resp.
eine Biegung von der Zelle weg kompensiert werden (Abb. 10 C unten).
Durch entsprechende Positionierung von Zellen mit mehr oder weniger als 7 Basenpaaren können
verdrehte und gebogene Helix-Bündel hergestellt werden. Für ein verdrehtes Bündel werden die
Zellen so angepasst, dass die global, auf das gesamte Bündel resultierende Verdrehung verstärkt
und die globale Verbiegung destruktiv aufgehoben wird. Gebogene Bündel entstehen durch einen
Gradienten von Insertionen und Deletionen entlang der Achse des Krümmungsradius so dass
gleichzeitig die globale Verdrehung aufgehoben wird (Abb. 11).
Abb. 11: Durch enstprechende Verteilungen von Deletionen (orange) und Insertionen (blau) von
Basenpaaren enstehen verdrehte (Abb. 11 D) resp. gebogene (Abb. 11 E) Helixbündel. Die Abbildung
wurde von [14] übernommen.
2.3.2. Toy Modell
Mit Hilfe des „toy models“ [14], wird die im Bündel gespeicherte Biege- und Ausdehnungsenergie
pro Basenpaar modelliert. Damit können die Insertionen und Deletionen von Basepaaren
bestimmt werden, welche für eine spezifische Krümmung implementiert werden müssen.
Das Modell setzt folgende Eigenschaften an das gekrümmte Segment voraus:
1. Das Segment beginnt und endet an Crossover-Ebenen.
2. Das Segment besitzt eine konstante Geometrie resp. Querschnittsfläche entlang der zu
den Helices parallelen Achse.
3. Insertionen und Deletionen von Basenpaaren sind möglichst gleichmäßig entlang der Bündelparallelachse verteilt.
4. Insertionen und Deletionen gleichen sich in ihrer Anzahl aus, sodass jede Doppelhelix des
Bündels 10.5 Basenpaare pro Umdrehung besitzt.
Ein Beispiel eines um 90° gekrümmten Segments eines 18-Helixbündels ist in Abb. 12 gezeichnet.
Das gekrümmte Segment umfasst 15 Crossover Ebenen (Bedingung 1, siehe oben), was in einem
geraden Bündel 14 ∙ 7 = 98 Basenpaaren pro Helix entspricht. Im ausgestreckten Fall hat das
Segment eine Länge von 98 Basenpaaren ∙ 0.33 nm/Basenpaar ≈ 32nm.
Senkrecht zum Krümmungsradius besitzt das 18-Helix Bündel 6 Schichten mit jeweils 3 Helices
(Bedingung 2). Die drei Helices in einer Schicht liegen übereinander und besitzen den gleichen
Krümmungsradius r0. Der Krümmunsradiuszuwachs δi zwischen zwei Schichten ergibt sich aus der
Praktikumsanleitung Strukturelle Nanotechnologie
16
Honey-Comb Architektur (Sechseck) und beträgt, alternierend von Innen nach Außen, 2∙cos(60º)
nm = 1 nm resp. 2 nm (mit Doppelhelixradius = 1 nm). Im Querschnitt (Abb. 12) sind Anzahl
Basenpaare jeder Helix innerhalb des gekrümmten Segments verzeichnet. Gemäß Bedingung 3
sind die Insertionen und Deletionen homogen verteilt. Im Durchschnitt besitzt jede Helix im
gekrümmten Segment 98.3 Basenpaare (Bedingung 4).
Abb. 12: Schema eines gekrümmten Helixbündels. Im Querschnitt (Abb. G)
sind die Anzahl Basenpaare in jeder der 3 Doppelhelices der 6 Schichten im
gekrümmten Segment angeschrieben. Die Abbildung wurde von [14]
übernommen.
Das Bündel wird sich unter einem spezifischen Krümmungsradius biegen, bei dem die im Bündel
gespeicherte Energie minimal ist. Um ein Bündel mit einer spezifischen Krümmung herzustellen,
werden die Anzahl Basenpaare pro Schicht moduliert und die Energie als Funktion des
Krümmungsradius errechnet. Anzahl Insertionen und Deletionen pro Schicht werden solange
variiert, bis das Energieminimum den gewünschten Krümmungsradius r0 resp. Krümmungswinkel
Θ = Segmentlänge∙r0-1 erreicht. Es folgt hier eine Zusammenfassung der in [14] detailliert
beschriebenen Energieberechnung.
Die im Bündel gespeicherte Energie ist die Summe von Ausdehnungs- und Biegeenergie:
(1)
wobei gilt:
(2)
Dabei ist r0 ist der Krümmungsradius einer (frei wählbaren) Referenzhelix, A die Fläche des Querschnitts des Bündels, E der Young’s Modulus und I das Flächenträgheitsmoment des Bündelquerschnitts. Der Index i läuft über alle Helices. Der Wert δi ist die Differenz des Krümmungsradius
Praktikumsanleitung Strukturelle Nanotechnologie
17
einer Helix i relativ zum Krümmungsradius der Referenzhelix. Mit dem Ausdruck r0+δi wird die
Querschnittsgeometrie des Bündels in das Modell integriert.
Die Zahlen ni beschreiben die Anzahl Basenpaare der Helix i innerhalb des gekrümmten
Segments. Die Variable d ist ein Längenzuwachs pro Basenpaar wobei deq der Längenzuwachs in
einer geraden B-Form DNA, di der durchschnittliche Längenzuwachs in der Helix i und d0 der
Längenzuwachs in der Referenzhelix ist. Der Längenzuwachs di wird mit Gleichung 2 relativ zum
Längenzuwachs d0 beschrieben.
Die Energiefunktion besitzt den Krümmungsradius und den Längenzuwachs pro Basenpaar der
Referenz als freie Parameter. Das Bündel wird sich unter dem Krümmungsradius resp. Winkel
krümmen, bei dem die Energie minimal ist. Um ein Bündel mit gegebener Krümmung
herzustellen,
wird
die
Architektur
so
angepasst,
dass
das
Energieminimum
bei
dem
entsprechenden Krümmungsradius liegt.
2.4. Persistenzlänge von DNA Helix-Bündeln
2.4.1. Balkenmechanik und das Konzept der Persistenzlänge
In diesem Versuch geht es im Wesentlichen um die Verbiegung von Balken: Erstens wird ein
gerades Helixbündel durch einen Gradienten der Basenpaardichte gebogen. Zweites soll die
Persistenzlänge eines Helixbündels bestimmt werden, indem das thermisch verursachte Verbiegen
des Bündels (Abb. 14) beobachtet wird. Aus diesem Grund werden das Konzept der Persistenzlänge und die wichtigsten Formeln aus der Balkentheorie ohne Herleitung2 vorgestellt.
Die in einem gebogenen Balken gespeicherte Energie hängt von der Balkenlänge L, dem
Krümmungsradius R, dem Elastizitätsmodul E und dem Flächenträgheitsmoment I ab:
(3)
Durch
permanente
Zusammenstösse
mit
den
Molekülen
des
Lösungsmittels
und
damit
verbundener Impulsübertragung liegen Polymere in einer ‚random coil’-Konformation vor. Dies
bedingt, dass das Polymer verbogen werden kann. Die Steifigkeit des Polymers bestimmt, wie
stark es durch die thermische Energie gebogen werden kann. Somit ist die Persistenzlänge P ein
Maß für das Gleichgewicht zwischen dem Entropieanteil der zur Verfügung stehenden freien
Energie (kBT) und den Energiekosten der Verbiegung des Polymers.
Definiert wird die Persistenzlänge als der Abstand P zwischen zwei Punkten auf einem Polymer,
bei der die Tangenten an diese Punkte nicht mehr längenabhängig korreliert sind. Damit wird sie
mathematisch als Korrelationsfunktion angepackt. Die Funktion berechnet, in welchen Maß der
Tangentialvektor am Anfang des Polymers (L=0) mit demjenigen an der Position L=s korreliert ist
[16]. Berechnet man die Korrelationsfunktion für Grenzfälle, findet man für L<<P [17]:
2
siehe auch Vorlesung Festkörperphysik, Vorlesung Biophysik der Zelle und entsprechende Lehrbücher
Praktikumsanleitung Strukturelle Nanotechnologie
18
(4)
Gleichung 4 zeigt, dass die Persistenzlänge von einer Materialkonstante in Form des Elastizitätsmoduls E, der Querschnittsgeometrie in
Form
des Flächenträgheitsmoments I und
der
thermischen Energie abhängt. Durch Einsetzen von Gleichung 3 in Gleichung 4 findet man, dass
die Persistenzlänge P diejenige Länge eines Balkenstücks ist, das durch eine Einheit thermische
Energie kBT um den Winkel Θ=√2 gebogen wird [18].
2.4.2. Bestimmung der Persistenzlänge aus der „Winkelfluktuation“ von gebogenen
Balken
Die Verteilung der Winkelfluktuation (Abb. 13) beschreibt die Wahrscheinlichkeit einer bestimmten Auslenkung θ aus der Ruhelage θ0 durch die thermische Energie kBT (Abb. 14).
Abb. 13: Schematische Verteilung der Winkel
eines gebogenen Helixbündels. Die rote Kurve ist
eine Gaußfunktion, welche die Verteilung in Abhängigkeit von Mittelwert und Standardabweichung beschreibt.
Abb. 14: Schematische Darstellung eines gebogenen
Helixbündels, dessen Krümmungswinkel aufgrund
der thermischen Energie um die Ruhelage θ0 fluktuiert.
Sie ist normalverteilt und kann mit einer Gaußfunktion
(5)
beschrieben werden. Die Verteilung beschreibt die Wahrscheinlichkeit, einen gebogenen Balken
mit einer bestimmten Auslenkung θ anzutreffen. Thermodynamisch kann die Verteilung mit
Boltzmann beschrieben werden:
(6)
Bei gegebener Verteilung ist damit die Energie eines Partikels mit einer bestimmten Auslenkung
bestimmt. Mit beiden Funktionen kann die Verteilung beschrieben werden und sind folglich
zueinander proportional:
Praktikumsanleitung Strukturelle Nanotechnologie
19
(7)
(8)
Unter der Annahme einer elastischen Balkenbiegung kann der Energieaufwand einer Auslenkung
aus der Ruhelage θ0 um θ mit
(9)
beschrieben werden.
Durch Gleichsetzen von Gleichung 8 und Gleichung 9 folgt
(10)
resp.
(11)
Mit der Persistenzlänge aus Gleichung 4 folgt aus Gleichung 11:
(12)
Gleichung 12 zeigt, dass sich die Persistenzlänge direkt aus der Standardabweichung ergibt. Es
wurde gezeigt, wie aus der statistischen Beschreibung der Winkelflukuationsverteilung direkt eine
zentrale Materialkonstante bestimmt werden kann. Da die Verteilung zu Beginn mit einer
Gaußfunktion beschrieben wurde, ist σ in Gleichung 12 die Standardabweichung der Normalverteilung und nicht die Standardabweichung der Mittelwerte weil der Erwartungswert einer
Normalverteilung bei einer endlichen Anzahl Datenpunkte nicht mit dem Mittelwert übereinstimmt.
Praktikumsanleitung Strukturelle Nanotechnologie
20
3. Versuchsanleitung
3.1. Herstellung von DNA Origami Objekten
3.1.1. Faltung von 6-Helixbündeln
Die einfachste Struktur welche mit dem Honey-Comb Framework gefaltet werden kann, ist das 6Helixbündel. Um das 6-Helixbündel zu falten, werden die 176 Oligonukleotide (Klammernukleotide) mit dem 7560 Basen langen Rückgratstrang sowie einiger Salze gemischt und
anschließend für 2 Stunden unter einem Temperaturgradienten gefaltet: Das Reaktionsgemisch
wird für 5 Minuten bei 80°C konstant gewärmt. Dann läuft die Rampe zuerst von 80°C bis 65°C
mit -1°C/min, anschließend von 65°C auf 25°C mit -0.38°/min.
Die Klammernukleotide liegen als Gemisch mit einer Konzentration von 500nM pro Oligonukleotid
vor. Als Rückgratstrang wird die p7560-DNA verwendet, welche in einer Konzentration von 100nM
vorliegt. Es handelt sich dabei um die genomische DNA der M13mp18-Phage (einzelsträngig,
7249 Basen lang), welche mit molekularbiologischen Methoden um 311 Basen auf eine
Gesamtlänge von 7560 Basen erweitert wurde. Weiter stehen doppelt destilliertes Wasser, eine
Magnesiumchloridlösung mit einer Konzentration von 100mM sowie Faltungspuffer (50mM NaCl,
50mM Tris-Base, 10mM EDTA) zur Verfügung.
1. In einem Reaktionsvolumen von 100µl soll die Konzentration der Rückgrat-DNA 10nM
betragen. Die Klammernukleotide (“working stock“, WS) sollen in einem zehnfachen
Überschuss vorliegen. Weiter soll der Faltungsansatz 16 mM MgCl2, 5 mM NaCl, 5mM TrisBase und 1 mM EDTA enthalten. Berechne die benötigen Volumina der zur Verfügung
stehenden Stocklösungen (siehe oben).
2. Mische die berechneten Volumina in einem PCR-Reaktionsgefäß. Kurzes Zentrifugieren am
Schluss stellt sicher, dass im Reaktionsvolumen alle Edukte und Salze in der benötigen
Konzentration vorliegen.
3. Das Reaktionsgefäß wird in den Thermocycler gestellt und die entsprechende Temperaturrampe (Programm FR_2H unter Praktikum) gestartet.
4. Nach beendeter Temperaturrampe wird der Faltungsansatz für Abbildungen im Elektronenmikroskop präpariert. Das entsprechende Protokoll ist unter Kap. 3.2.1 zusammengefasst.
Anschließend werden die 6-Helixbündel zusammen mit den anderen Proben mit dem
Elektronenmikroskop abgebildet.
3.1.2. Polymere von gebogenen 18-Helixbündeln
Die Polymerisierung von einzelnen Helixbündeln wird realisiert, indem die Monomere durch
zusätzliche Klammernukleotide verbunden werden. Die Polymerisierungsnukleotide hybridisieren
jeweils an beiden Enden des Helixbündles mit den einzelsträngigen Schleifen (Abb. 6, Inset) des
Rückgratstrangs.
Die Monomere liegen aufgereinigt mit einer Konzentration von ~2nM in einer Lösung mit 11mM
Magnesiumchlorid vor. Die Stammlösung der Polymerisierungsnukleotide ist ein Gemisch von 18
Oligonukleotiden mit einer Konzentration von 50nM.
Praktikumsanleitung Strukturelle Nanotechnologie
1.
21
Für die Polymerisierungsreaktion werden 6µl der Monomerlösung verwendet. Die
Polymerisierungsreaktion soll 25mM MgCl2 enthalten, die Polymerisierungsnukleotide
sollen in einem zehnfachen Überschuss vorliegen. Berechne die benötigten Volumina an
Magnesiumchlorid und Polymerisierungsnukleotiden.
2.
Mische die berechneten Volumina in einem PCR-Reaktionsgefäß. Kurzes Zentrifugieren am
Schluss stellt sicher, dass im Reaktionsvolumen alle Edukte und Salze in der benötigen
Konzentration vorliegen.
3.
Die Polymerisierung läuft bei einer konstanten Temperatur von 30°C für 2 Stunden. Stelle
das Reaktionsgefäß in den Thermocycler und starte das entsprechende Programm
(30C_2H unter Praktikum).
4.
Nach beendeter Temperaturrampe werden die beiden Polymerisierungsansätze für
Abbildungen im Elektronenmikroskop präpariert. Das entsprechende Protokoll ist unter
Kap. 3.2.1 zusammengefasst. Anschließend werden die Polymere zusammen mit den
anderen Proben mit dem Elektronenmikroskop abgebildet.
3.2. Elektronenmikroskopie
3.2.1. Negativkontrastierung
Proben für die Elektronenmikroskopie werden mit radioaktivem Uranylformiat (UO2(CHO2)2∙H2O)
negativ gefärbt. Folgendes Protokoll wird für die Probenvorbereitung aller oben beschriebenen
Ansätze (6-Helixbündel, polymerisierte 18-Helixbündel) verwendet. Dazu werden die Proben auf
ein Elektronenmikroskopie-Grid aufgetragen und gefärbt.
BEI DER HERSTELLUNG VON TEM-PROBEN IST AUF GRÖßTE SAUBERKEIT ZU ACHTEN. DIE
PROBENPRÄPARATION WIRD NUR AM ENTSPRECHEND AUSGERÜSTETEN UND MARKIERTEN ABZUG DURCHGEFÜHRT. RADIOAKTIVE ABFÄLLE SIND AUSSCHLIESSLICH IN DIE GEKENNZEICHNETEN BEHÄLTER ZU ENTSORGEN.
1. Zu der bereitstehenden Uranylformiatlösung (200µl) wird 1µl einer 5M NaOH-Lösung hinzupipettiert. Danach wird die Färbelösung 2 Minuten gemischt (Vortex) und anschließend
bei 13200 rpm für 3 Minuten zentrifugiert.
2. Die benötigte Anzahl Grids wird im Plasmacleaner gereinigt. Durch die Plasmabehandlung
wird die Kohleoberfläche der Grids hydrophil. Dadurch haften die zu untersuchenden
Objekte auf dem Grid.
3. Ein 10x10cm großes Stück Parafilm wird mit ein paar Wassertropfen auf der Laborbank
befestigt. Darauf werden die Proben gefärbt.
4. Ein Grid wird mit der Pinzette gefasst und 3.5µl Probe auf das Grid pipettiert. Die Probe
wird für 2 (6-Helixbündel) resp. 4 Minuten (polymerisierte 18 Helixbündel) inkubiert.
5. In der Zwischenzeit werden zwei Tropfen der Uransalzlösung auf die Parafilm-Arbeitsfläche
pipettiert: 25µl werden in einen kleineren (~5µl) und in einen größeren Tropfen (restliches
Volumen) Tropfen aufgeteilt.
6. Mit einem Filterpapier wird der Überschuss an Probenlösung abgesaugt. Dazu wird das
Grid senkrecht auf das Filterpapier gedrückt. Will man DNA-Objekte und nicht Filterpapierfasern untersuchen, sollte die Gridoberfläche das Filterpapier nicht direkt berühren.
Praktikumsanleitung Strukturelle Nanotechnologie
22
7. Für das eigentlich Färben wird der kleine Tropfen Färbelösung mit dem Grid aufgenommen
und gleich wieder mit dem Filterpapier abgesaugt (siehe Punkt 6). Sofort wird der zweite,
größere Färbelösungstropfen auf das Grid gebracht und für 40 Sekunden inkubiert.
8. Die überschüssige Färbelösung wird erneut mit einem Filterpapier aufgenommen und das
nun präparierte Grid für mindestens 20 Minuten getrocknet.
3.2.2. Elektronenmikroskopie
Die Bedienung des Elektronenmikroskops wird durch den Betreuer dieses Praktikumversuchs am
Praktikumstag praktisch vorgeführt und erläutert. Transmissionselektronenmikroskope sind in
einer Säule unter Hochvakuum installiert: Um einen gebündelten, parallelen Elektronenstrahl zu
erzeugen, müssen Kollisionen mit gasförmigen Molekülen (z.B. Luft, Lösungsmittel, Wasser)
verhindert werden. Um eine Probe zu betrachten, wird auf einen Probenhalter gespannt, welcher
anschließend über eine Schleuse in die Hochvakuumsäule gebracht wird. Bei diesem Arbeitsschritt
sind folgende Punkte strikt zu beachten:
•
Der Probenhalter darf NICHT bewegt (resp. in die Säule gebracht oder von der Säule entfernt) werden wenn das Filament beheizt ist.
•
Der Probenhalter darf erst komplett in die Säule gebracht werden, wenn das Vakuum in
der Schleuse genügend groß ist. Dies ist der Fall wenn die rote LED ERLOSCHEN ist.
•
Es dürfen keine anderen Dreh- und Druckknöpfe bedient oder betätigt werden, welche
nicht dem Aufnehmen der Bilder dienen. Dies gilt im Speziellen für Knöpfe, welche mit
einer entsprechenden „Don’t Touch“ Markierung versehen sind.
3.3. Experimentelle Bestimmung der Persistenzlänge von 18-Helixbündeln
Bildprozessierung und Winkelmessung:
Für die Bestimmung der Persistenzlänge von 18-Helixbündeln aus deren Winkelfluktuationen wird
eine Bibliothek mit TEM-Bildern von individuellen Partikeln zur Verfügung gestellt. Folgendes
Protokoll erlaubt eine optimierte Winkelmessung vieler Einzelpartikel:
1. Die Winkel der gebogenen 18-Helixbündel werden mit dem Programm ImageJ
ausgemessen:
à ImageJ öffnen
à Erstes Bild öffnen
à Winkel messen mit dem „angle tool“. Mit der Maus werden drei Punkte gesetzt, welche
den Winkel definieren. Die Punkte können mit der Maus verschoben und angepasst
werden.
à Analyze à Measure. Dies eröffnet eine Tabelle mit den gemessenen Winkeln. Jeder
neue Wert wird fortlaufend an die Tabelle angefügt. Trotzdem wird empfohlen, die Tabelle
ab und an zu speichern.
à File à Open Next. Öffnet das Bild vom nächsten Partikel. Die drei Punkte, welche den
Messwinkel definieren, können mit der Maus verschoben werden. Anschließend wird der
Winkel vom neuen Partikel gemessen (Tastenkombination verwenden).
2. Nachdem die Partikel ausgemessen sind, wird die Tabelle mit den gemessenen Winkeln
gespeichert.
Praktikumsanleitung Strukturelle Nanotechnologie
23
Es sind nicht alle Partikel für die Winkelmessung geeignet: Einige weisen Faltungsdefekte auf,
andere liegen nicht flach auf dem Grid, wodurch der Winkel kleiner erscheint als er wirklich ist. Es
ist erlaubt, gewisse Partikel von der Messung auszuschließen, wenn dies aufgrund klar definierter
Auswahlkriterien geschieht. Überlegt euch, was geeignete Auswahlregeln sind und wendet sie bei
der Winkelmessung an. (Tipp: Was ist die Ursache der parallelen Streifenmuster auf den gebogenen Stäben?).
Bestimmung der Persistenzlänge:
Aus den gemessenen Winkeln wird zuerst eine Häufigkeitsverteilung erstellt, welche dann mit
einer Normalverteilung beschrieben wird. Ein Algorithmus optimiert die laufenden Parameter
(Mittelwert θ0 und Varianz σ) einer Gaussfunktion (Gleichung 5), sodass die Differenz zwischen
Funktionswert und gemessenem Wert für alle Datenpunkte minimiert wird. Mit Gleichung 12 wird
die Persistenzlänge direkt aus der Varianz berechnet.
Praktikumsanleitung Strukturelle Nanotechnologie
24
4. Auswertung und Protokoll
Grundsätzlich folgt das Protokoll der klassischen Dokumentation wissenschaftlicher Experimente.
Zu den einzelnen Experimenten sind folgend einige Punkte notiert, welche im Protokoll behandelt
werden könnten resp. sollten.
4.1. 6-Helixbündel
Das Protokoll soll darlegen, wie das Reaktionsgemisch zusammengesetzt war: Was und in
welchen Mengen resp. Konzentrationen enthielt der Faltungsansatz? Wie sieht das Pipettierschema aus? Als Resultate genügen zwei typische Elektronenmikroskopbilder von 6-Helixbündeln.
Wie lang sind die Helixbündel (z.B. Tabelle, ausmessen mit ImageJ)? Wie gut stehen die gemessenen Längen mit dem theoretisch erwarteten Wert für die Bündellänge im Einklang? Was
könnten mögliche Erklärungen für Abweichungen sein?
4.2. Polymere von gekrümmten 18-Helixbündel
Auch hier sollte kurz beschrieben werden, was und in welchen Quantitäten der Reaktionsansatz
enthielt (Pipettierschema). Die Resultate werden mit je zwei, drei Elektronenmikroskopiebildern
von Polymeren (gerade und gekrümmte Variante) eingeleitet. Gibt es verschiedene Klassen von
Polymeren? Weiter gehört zu den Resultaten eine (kleine) quantitative Auswertung: Wie lange
sind resp. aus wie vielen Monomere bestehen die Polymere? Könnt ihr Aussagen zur Ausbeute der
Polymerisierungsreaktion machen? In der Diskussion kann z.B. erläutert werden, welche Art von
Polymeren ihr bei den gekrümmten 18-Helixbündel erwartet und deren Vorkommen mit den
beobachteten Polymeren vergleichen (Enthalpiegewinn durch Wasserstoffbrückenbildung und
Entropieverlust durch Inkorporation von Monomeren in Polymere). Eventuell beantwortet ein Ausblick, was mögliche Anwendungen von DNA-Origami basierten polymeren Helixbündeln sind?
4.3. Persistenzlänge aus der Winkelfluktuation von gekrümmten DNA Helixbündeln
Möglicherweise habt ihr nicht alle gebogenen Helixbündel ausgemessen: Die angewendeten
Auswahlkriterien sowie eine plausible Begründung für die getroffenen Regeln sollten dargelegt
werden. Weiter enthält das Protokoll eine Abbildung der Verteilung der gemessenen Winkel. Die
gleiche Grafik beinhaltet die optimierte Gaußfunktion, welche die Daten beschreibt (vgl. Abb. 13).
Als zentrales Ergebnis wird der berechnete Wert der Persistenzlänge aufgeführt. In der Diskussion
soll
der
experimentell
bestimmte
Wert
mit
dem
theoretisch
erwarteten
Wert
für
die
Persistenzlänge verglichen werden. Dazu soll der erwartete Wert berechnet werden (Gleichung 4
und folgender Tipp: Bei der Berechnung des Flächenträgheitsmoments des 18-Helixbündels hilft
der Satz von Steiner). Was sind mögliche Ursachen für Abweichungen? Tipp: Gründe könnten sich
in
experimentellen
Unzulänglichkeiten
(wie
werden
die
Partikel
aufgereinigt?)
unvollständigen Annahmen bei der Berechnung des theoretisch erwarteten Werts finden.
oder
in
Praktikumsanleitung Strukturelle Nanotechnologie
25
5. Literaturverzeichnis
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