Persönliches Budget - Von den Nachbarn lernen

Transcription

Persönliches Budget - Von den Nachbarn lernen
Die Sozialministerin informiert:
Ministerium für
Gesundheit, Soziales,
Frauen und Familie
des Landes
Nordrhein-Westfalen
F A C H T A GUNG
Persönliches Budget –
Von den Nachbarn lernen
DOKUMENTATION
Persönliches Budget –
Von den Nachbarn lernen
16. Oktober 2003
Düsseldorf
Dokumentation
Ministerium für
Gesundheit, Soziales,
Frauen und Familie
des Landes
Nordrhein-Westfalen
Vorwort
Vorwort
Das Europäische Jahr der Menschen mit Behinderungen war ein erfolgreiches Jahr. Wir in NRW haben in diesem Aktionsjahr eine große
Bandbreite an behindertenpolitischen Themen angestoßen.
Eines dieser Themen ist das Persönliche Budget.
Selbstbestimmung ermöglichen – das ist eine der zentralen Botschaften
des Europäischen Jahres der Menschen mit Behinderung.
Das Persönliche Budget bietet Menschen mit Behinderung die Möglichkeit, sich ihren individuellen Hilfebedarf eigenständig zu organisieren
und ermöglicht ihnen somit mehr Selbstbestimmung.
Die formalen Voraussetzungen für einen Wechsel von Sachleistung zu
einem Persönlichen Budget sind mit dem Sozialgesetzbuch – Neuntes
Buch seit Langem geschaffen.
Aus zahlreichen Gesprächen, Diskussionen und Veröffentlichungen
weiß ich, dass das Bedürfnis nach einer Gewährung von Sozialleistungen in Form eines Persönlichen Budgets besteht. Allerdings existieren
weder bei den Reha-Trägern, noch bei den Menschen mit Behinderung
und ihren Verbänden selbst ausgereifte Konzepte, die erprobt werden
könnten.
Mit der Veranstaltung „Persönliches Budget – Von den Nachbarn lernen“ haben wir in Anknüpfung an die gemeinsam mit dem Landesbehindertenrat e.V. im Mai 2003 durchgeführte Auftaktveranstaltung zum
Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen „Gleichstellung,
Selbstbestimmung und Teilhabe – Herausforderungen für die Behindertenpolitik“ einen Blick über die Grenzen nach Dänemark und in die
Niederlande geworfen – dorthin, wo das Persönliche Budget bereits seit
vielen Jahren gängige Praxis ist.
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Vorwort
Wir haben erfahren, wie Menschen mit Behinderungen in diesen beiden
Nachbarländern tatsächlich unterstützt werden und welche Rahmenbedingungen dort zugrunde liegen.
Unsere neu gewonnenen Kenntnisse müssen nun diskutiert und analysiert werden, um Modellvorhaben zur Erprobung des Persönlichen Budgets zu erarbeiten.
Lassen Sie uns die Schubkraft des Europäischen Jahrs der Menschen
mit Behinderungen nutzen, um das Persönliche Budget voran zu bringen. Das Persönliche Budget bietet Menschen mit Behinderung die
Chance zu mehr Selbstbestimmung. Und das bedeutet ein Stück mehr
Lebensqualität.
Birgit Fischer
Ministerin für Gesundheit, Soziales,
Frauen und Familie des Landes Nordrhein-Westfalen
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Inhalt
I.
II.
III.
Seite
Begrüßung und Eröffnung
Beate Kowollik
Moderatorin der Tagung
7
Ullrich Kinstner
Abteilungsleiter im Sozialministerium des Landes Nordrhein-Westfalen
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Das Persönliche Budget – Rechtliche Grundlagen, Strukturen
und Praxis in den Niederlanden und Dänemark
Jessica Aarnink
Ministerie van Volksgezondheid, Welzijn en Sport, Niederlande
The personal budget in the Netherlands
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Alwine Hardus
Per Saldo, Niederlande
Chef im eigenen Haus und selbst am Zug
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Dan R. Brock
Muskelsvindfonden, Dänemark
Personal budget – a method to acquire equal opportunities
the Danish way
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Modellprojekt „Selbstbestimmt Leben mit Persönlicher Assistenz“
Alexandra Franz und Esther Schmidt
MOBILE – Selbstbestimmtes Leben Behinderter e.V., Deutschland
Wie behinderte Menschen zu Arbeitgebern werden
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I. Begrüßung und Eröffnung
I.
Begrüßung und Eröffnung
Beate Kowollik, Moderatorin der Tagung
Begrüßung
Erst einmal herzlich willkommen hier zur Fachtagung auf
der REHACare in der Messe Düsseldorf. Ich hoffe, Sie
sind alle gut hierhin gekommen und Sie sind fit für ein
umfangreiches Programm, denn Sie wissen, wir wollen
uns heute den ganzen Tag mit nur einem Thema beschäftigen, nämlich mit dem Persönlichen Budget.
Seit Jahren – oder man kann ja schon fast sagen, seit Jahrzehnten –
kämpfen Menschen mit Behinderungen dafür, dass sie selbstbestimmter
leben können, dass sie gleichgestellt, gleichberechtigt werden. In den
letzten Jahren ist vieles erreicht worden, aber wir haben natürlich noch
lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Das Persönliche Budget könnte ein Teil dazu sein, weiter voran zu kommen, mehr Gleichberechtigung, mehr Selbstbestimmung zu erhalten. Für viele ist es die
Ideallösung, das Persönliche Budget, für andere könnte es eine Teillösung sein, und es gibt sicherlich auch Leute unter Ihnen, die dem sehr
kritisch, sehr skeptisch gegenüber stehen.
All diese Punkte wollen wir heute im Laufe des Tages behandeln. Wir
wollen vor allen Dingen, wie Sie eben auch schon hier im Hintergrund
gesehen haben, in die Nachbarländer sehen. Sie wissen, in anderen Ländern wird das Persönliches Budget schon angewendet. Wir blicken in
die Niederlande, wir blicken nach Dänemark, denn beide Länder haben
Erfahrungen mit dem Persönlichen Budget gemacht, teilweise auch negative.
Das ist für uns vielleicht ganz gut, denn die brauchen wir nicht noch
einmal zu machen. Es reicht ja, wenn andere Länder diese gemacht haben. Hier in Nordrhein-Westfalen, in Deutschland könnten wir uns die7
Fachtagung „Persönliches Budget – Von den Nachbarn lernen“
se Fehler dann ersparen und sagen: „So, das haben die anderen Länder
schon erfahren, das machen wir nicht noch einmal.“
Aber wir können vielleicht die positiven Aspekte übernehmen, können
überlegen, was passt in unsere Struktur? Welche Grundlagen sind vielleicht hier in Deutschland, in Nordrhein-Westfalen schon geschaffen,
um das relativ schnell und zügig umsetzen zu können? Oder welche
Strukturen, welche Grundlagen müssen noch geschaffen werden? Darüber wollen wir heute reden.
Wir befinden uns im Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen mit dem Motto: „Nichts über uns - ohne uns!“ Und das wollen wir
hier natürlich auch so halten. Wir haben uns also vorgenommen, nicht
nur Experten zu Wort kommen zu lassen, nicht nur Vertreter des Staates,
der Kommunen, der Gemeinden, der Leistungsträger, sondern vor allen
Dingen die Betroffenen selbst. Wir werden heute morgen im Laufe des
Vormittags viele Referentinnen und Referenten hören, Sie werden viele
Vorträge erlauschen können und werden erfahren, was so in den einzelnen Ländern für Erfahrungen gemacht worden sind. Sie haben die Möglichkeit, nach den einzelnen Vorträgen kurze Verständigungsfragen an
die Referentinnen und Referenten zu richten. Aber dies soll sich wirklich nur auf Verständigungsfragen beziehen. Die Diskussion, die starten wir heute Nachmittag nach der Mittagspause, wenn Sie sich wieder
richtig gestärkt haben. Dann wollen wir loslegen, dann wollen wir alle
zusammen, also mit Vertreterinnen und Vertreter von Leistungsträgern,
Betroffenen und Vertreterinnen und Vertretern des Staates darüber diskutieren, wie denn jetzt vielleicht welche Richtungen in Gang gesetzt
werden könnten, damit auch irgendwann mal bei uns das Persönliche
Budget umgesetzt werden kann?
So viel also jetzt hier zur Begrüßung. Die Eröffnung der heutigen Fachtagung werde nicht ich vornehmen, sondern natürlich das Ministerium.
Und damit begrüße ich Ullrich Kinstner. Er hat schon Platz genommen
und wird jetzt die Eröffnung vornehmen. Er ist vom Ministerium für
Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie des Landes Nordrhein-Westfalen und Leiter der Abteilung Soziales. Bitteschön.
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I. Begrüßung und Eröffnung
Ullrich Kinstner
Abteilungsleiter im Sozialministerium des Landes Nordrhein-Westfalen
Eröffnung der Tagung
Vielen Dank, Frau Kowollik.
Frau Kowollik, meine Damen und Herren,
ich freue mich sehr, dass ich Sie heute Morgen hier auf dem Gelände der
Messe Düsseldorf begrüßen darf. Ich habe allerdings eine etwas traurige Botschaft. Die Ministerin wird heute Morgen selbst nicht anwesend
sein können, da es eine Aktuelle Stunde im Landtag gegeben hat, an der
sie teilnehmen muss, so dass ich heute persönlich die Freude habe, Sie
hier begrüßen zu dürfen und Ihnen viel Erfolg bei der heutigen Diskussion wünschen darf. Ich darf Sie natürlich herzlich grüßen von der Landesregierung insgesamt und natürlich auch insbesondere von unserer
Sozialministerin Birgit Fischer, die, wie gesagt, gerne diese Eröffnung
selbst vorgenommen hätte.
Meine Damen und Herren,
ich hatte gestern bereits Gelegenheit, die REHACare zu besuchen. Wie
auch in den vergangenen Jahren präsentiert sich unser Haus auf der
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Fachtagung „Persönliches Budget – Von den Nachbarn lernen“
diesjährigen REHACare unter dem Motto „NRW sozial“ mit einem
Messestand in Halle 4, um behinderten und pflegebedürftigen Menschen sowie deren Angehörigen eine Möglichkeit zu geben, sich auch
über uns und über die wichtigen Leistungsbereiche der Pflege- und Behindertenpolitik zu informieren und Gespräche mit unseren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu führen, nicht nur mit denen im Ministerium, sondern verschiedene Verbände und Fachbehörden sind bei uns am
Messestand präsent. Ich möchte Sie also auch darauf aufmerksam machen, wenn Sie noch Gelegenheit haben zu einem Messerundgang, unseren Messestand in Halle 4 zu besuchen.
Viele von Ihnen, meine Damen und Herren, erinnern sich sicherlich an
die gemeinsam vom Landesbehindertenrat und vom Sozialministerium durchgeführte Auftaktveranstaltung zum diesjährigen Europäischen
Jahr der Menschen mit Behinderungen: „Gleichstellung, Selbstbestimmung und Teilhabe – Herausforderungen für die Behindertenpolitik“,
die im Mai hier in Düsseldorf stattgefunden hat. Die Veranstaltung wurde von allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern sehr positiv aufgenommen und fand auch in der überregionalen Presse besondere Beachtung.
Eines der zentralen Themen dieser Veranstaltung war das Persönliche
Budget. Die lebhaften Diskussionen zu diesem komplexen Thema haben gezeigt, wie wichtig das Persönliche Budget für behinderte Menschen ist und dass es als eines der wichtigsten sozialpolitischen Themen
auf der Agenda der nächsten Jahre steht. Die Aktualität des Persönlichen Budgets wird vor allem aber auch durch die aktuelle Debatte über
die Sozialhilfereform deutlich. Der Entwurf eines Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch sieht u.a. die Gewährung eines trägerübergreifenden Persönlichen Budgets, das ist nämlich der § 52 des Entwurfs des SGB XII, vor. Der Bundesrat hat sich in
seiner Sitzung am 26.09.2003 mit der Gesetzesinitiative der Bundesregierung in einer kritischen Stellungnahme auseinandergesetzt. Einigkeit besteht allerdings darin, dass die sozialen Sicherungssysteme einer
grundlegenden Reform bedürfen. Als ersten Schritt müssen jedoch zuvor die Weichen im Hinblick auf die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe gestellt werden.
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I. Begrüßung und Eröffnung
Es bleibt abzuwarten, wie die derzeit laufenden schwierigen Verhandlungen in Berlin ausgehen werden und auf welche Weichenstellung sich
die Mehrheit dann einigen wird. Die Beratungen dazu im Vermittlungsausschuss werden in der ersten Novemberwoche anlaufen.
Meine Damen und Herren,
angesichts der Komplexität des Themas „Persönliches Budget“ sollen
und dürfen wir jedoch den Abschluss dieser möglicherweise noch langwierigen Verhandlungen im Vermittlungsausschuss nicht abwarten. Mit
der heutigen Veranstaltung möchte ich mit Ihnen gemeinsam an unsere im Mai angestoßene Diskussion anknüpfen und mit Ihnen in diesem
Jahr, im Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen, das Gespräch rund um das Persönliche Budget im europäischen Kontext weiter fortführen.
Mit Beschluss vom 3. Dezember 2001 hat der Rat der Europäischen
Union das Jahr 2003 zum Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen erklärt. Den in der Europäischen Union lebenden 37 Mio. behinderten Menschen soll mit diesem Aktionsjahr die Möglichkeit gegeben werden, europaweit auf sich und ihre Interessen aufmerksam zu
machen.
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Fachtagung „Persönliches Budget – Von den Nachbarn lernen“
Der Rat der Europäischen Union hat für dieses Aktionsjahr wichtige
Ziele formuliert. Sie kennen diese Ziele. Gleichwohl möchte ich doch
noch an einige dieser Ziele in besonderer Weise erinnern.
◆ Die Sensibilisierung für das Recht der Menschen mit Behinderungen auf Schutz vor Diskriminierung und auf umfassende und gleichwertige Ausübung ihrer Rechte,
◆ die Verbesserung der Kommunikation über die Behinderung und
Förderung einer positiven Darstellung der Menschen mit Behinderungen,
◆ die Sensibilisierung für die Heterogenität dieser Gruppe und die Unterschiedlichkeit der Behinderungen und
◆ die Stärkung der Zusammenarbeit aller Beteiligten, nämlich Kostenträger und Leistungserbringer, aber insbesondere auch der Experten
in eigener Sache, nämlich der behinderten Menschen selbst.
Meine Damen und Herren,
im Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen sollten wir die
Chance nutzen, Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit für
Menschen mit Behinderungen in ganz Europa anzuregen, zu reflektieren und zu diskutieren und den Erfahrungsaustausch über beispielhafte
Verfahren und wirksame Strategien, die auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene entwickelt wurden, fördern.
◆ Teilhabe verwirklichen,
◆ Gleichstellung durchsetzen und
◆ Selbstbestimmung ermöglichen,
das sind die zentralen Botschaften des Europäischen Jahres für Menschen mit Behinderungen.
Besonders am Herzen liegt mir persönlich die Selbstbestimmung.
Selbstbestimmung bedeutet für mich
◆ weg von ausgrenzender Fürsorge,
◆ weg von abwertendem Mitleid und
◆ weg von wohl meinender Bevormundung.
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I. Begrüßung und Eröffnung
Einen großen Schritt zu mehr Selbstbestimmung bietet das Persönliche
Budget, mit dem behinderte Menschen die Möglichkeit haben, sich ihren individuellen Hilfebedarf eigenständig zu organisieren.
Das vor über zwei Jahren in Kraft getretene Sozialgesetzbuch SGB IX
sieht in § 17 die Möglichkeit der Gewährung von Leistungen zur Teilhabe in Form eines Persönlichen Budgets bereits vor. Die formalen Voraussetzungen für einen Wechsel von Sachleistung zu einem Persönlichen
Budget sind also seit einiger Zeit geschaffen. Allerdings wissen wir alle,
dass Veränderungen nicht alleine durch eine Gesetzesvorschrift herbei
zu führen sind. Gesetze allein reichen zur Verbesserung der Lebenssituation behinderter Menschen nicht aus.
Aus den zahlreichen bilateralen Gesprächen, Diskussionen und Veröffentlichungen ist mir sehr deutlich geworden, dass zwar das Bedürfnis
nach einer Gewährung von Sozialleistungen in Form eines Persönlichen Budgets besteht, um die Selbstbestimmung behinderter Menschen
zu fördern. Das Thema ist in aller Munde. Allerdings scheinen weder
bei den Reha-Trägern noch bei den Betroffenen selbst und ihren Organisationen konkrete Konzepte vorzuliegen, die man jetzt sofort erproben könnte.
Selbst der Begriff des Persönlichen Budgets wird nicht einheitlich
verwendet. So hat für einige das Persönliche Budget seinen Ansatzpunkt im Bereich der vollstationären Versorgung mit dem Ziel, in geeigneten Fällen die stationäre Vollversorgung durch gezielte, individuelle Formen der Hilfe zu ersetzen, um behinderten Menschen den
Schritt in ein selbst bestimmtes Leben zu erleichtern sowie eine gewisse Planbarkeit und gesteuerte Kostenentwicklung im Bereich der
Eingliederungshilfe zu ermöglichen. Andere wiederum verstehen unter Persönlichem Budget, dass von einer amtlichen Stelle für Personen, die längere Zeit Pflege, Versorgung, Unterstützung, Betreuung oder Behandlung bedürfen, Stundenzahl, Art der Hilfe und Höhe
des Budgets festgelegt wird. In diesem fremdbestimmt vorgegebenen Rahmen kann die Budgetnehmerin oder der Budgetnehmer Entscheidungen zur Umsetzung der Hilfen treffen, wobei das benö13
Fachtagung „Persönliches Budget – Von den Nachbarn lernen“
tigte Geld von Dritten verwaltet wird, die dann im Auftrag für den
behinderten Menschen bezahlen. Andere diskutieren das Persönliche
Budget bezogen auf die persönliche Assistenz.
Es gilt insoweit vor allem zu klären:
◆
◆
◆
◆
◆
◆
◆
Wer soll Zielgruppe eines Persönlichen Budgets sein?
Wer kommt als Budgetnehmerin oder –nehmer in Betracht?
Welche Leistungen sind überhaupt budgetfähig?
Wie sollte ein Persönliches Budget ausgestaltet sein?
Was soll es abdecken? Wie soll der Hilfebedarf festgelegt werden?
An welchem Maßstab soll sich die Bedarfsfeststellung orientieren?
Wie soll es weitergehen, wenn im Einzelfall die Handhabung des
Persönlichen Budgets fehl schlägt?
◆ Wer trägt das Risiko?
◆ Die oder der Einzelne oder die Solidargemeinschaft?
Meine Damen und Herren,
Politik und Gesellschaft haben dafür Sorge zu tragen, dass die offenen
Fragen hinreichend erörtert und beantwortet werden, damit Menschen
mit Behinderungen auch tatsächlich ihre Rechte auf Teilhabe, Gleichstellung und Selbstbestimmung besser wahrnehmen können.
In einigen europäischen Ländern ist das Persönliche Budget seit Jahren
bereits gängige Praxis. – Es wird dort bereits richtig gelebt. Die Niederlande und Dänemark werden hierzu stets als die Referenzmodelle genannt.
Und genau an diesem Punkt möchte ich mit der heutigen Veranstaltung
„Persönliches Budget – von den Nachbarn lernen“ gerne ansetzen und
mit Ihnen gemeinsam einen Blick über die Grenzen werfen, um zu erfahren, wie behinderte Menschen in den Niederlanden und in Dänemark tatsächlich unterstützt werden und welche Rahmenbedingungen
dem dort zugrunde liegen.
Wir haben daher Referentinnen und Referenten aus Dänemark und den
Niederlanden eingeladen, die die gesetzlichen Grundlagen und Strukturen des Persönlichen Budgets in ihren Heimatländern vorstellen und
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I. Begrüßung und Eröffnung
von ihren eigenen – und das scheint mir ganz wichtig zu sein – Praxiserfahrungen als behinderte Menschen mit dem Persönlichen Budget berichten werden. Im Anschluss daran werden wir heute Nachmittag diskutieren, ob bzw. was wir von unseren Nachbarn lernen können, indem
wir das Persönliche Budget im Hinblick auf vergleichbare oder auch
unterschiedliche Sozialstrukturen diskutieren und analysieren. Hierbei
wird es nicht nur darauf ankommen, zu benennen, was wir übernehmen
oder besser lassen sollten, es sollte auch diskutiert werden, ob und welche Rechtsänderungen wir zur Umsetzung des Gewünschten benötigen.
Meine Damen und Herren,
ich lade Sie nicht nur ein, sondern ich fordere Sie geradezu auf, entsprechend dem Motto des Europäischen Jahres der Menschen mit Behinderungen „Nichts über uns – ohne uns!“ aktiv an diesem Diskussionsprozess zum Persönlichen Budget mitzuwirken. Es geht darum, dass
wir mit dem Persönlichen Budget die Lebenssituation der behinderten
Menschen nach vorne bringen. Und das ist der wichtigste Zielpunkt bei
dem Ganzen. Und das darf nicht aus dem Auge verloren werden, und
deswegen brauchen wir auch gerade Ihre engagierte Teilnahme an der
Diskussion.
Uns allen wünsche ich heute einen interessanten und vor allen Dingen
konstruktiven Gedankenaustausch und grüße Sie in diesem Sinne mit
unserem Ruhrgebietsgruß: Ein herzliches Glückauf!
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Fachtagung „Persönliches Budget – Von den Nachbarn lernen“
II.
Das Persönliche Budget – Rechtliche Grundlagen, Strukturen und Praxis
in den Niederlanden und Dänemark
Jessica Aarnink, Ministerie van Volksgezondheid,
Welzijn en Sport, Niederlande
The personal budget
in the Netherlands
Today I want to tell you something about the personal budget, a special
instrument within the AWBZ. First I shall explain something about the
AWBZ. After that, I shall go deeper in the subject of the personal budget. What is it? How many people use it? What is the difference between
the personal budget and care in kind? I’ll finish my presentation with
some facts.
The insurance system for long term care is called the AWBZ: the exceptional medical expenses act. Everybody with a private insurance or
a compulsory health insurance is automatically insured for long term
care, provided under the AWBZ. The payment of the system is linked to
care institutions. The AWBZ is carried out by health care offices; representatives of the insurance companies. They conclude contracts with
care institutions and organisations. The health care offices are obliged
to ensure the entitled care.
In 1996 the first experiments with the personal budget started. The main
idea was to change the focus form supply to demand; to give the client
the lead in organising his or her care.
What is a personal budget? A sum of money a person in need of longterm care is entitled to, in order to purchase care. This person is called
a budgetholder. A personal budget means a budgetholder has rights but
also duties. It’s not an ideal instrument for everybody. So it’s important
to stress there is always a choice for every client: do I want care in kind
or a personal budget?
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II. Rechtliche Grundlagen, Strukturen und Praxis in den Niederlanden und Dänemark
Still, the personal budget turned out to be a popular instrument. The
growth between 2000 and 2001 can be explained by the results of a lawsuit. The judge declared that any client, whose need is properly assessed,
has a right to receive care. More money has been put in the AWBZ system and for the personal budget that means there are no more waiting
lists. At the moment there are around 56.000 budgetholders.
With a personal budget a client has freedom of choice: who is going to
give the needed care? When? At eight o’clock in the morning or at two
in the afternoon? Where is the care given? At home or somewhere else?
Client and care worker can negotiate about the terms and the prices. The
client is the focus of the system. Second, like I said, there is always a
choice between care in kind or care in cash. Finally, the personal budget
should be a positive alternative for care in kind. If a client chooses the
personal budget because he is not satisfied with the home care organisation, it’s a negative choice. The management of a personal budget has
it’s own specific characteristics. It would be a pity if one ignores that
and makes the wrong choice.
In the AWBZ seven functions are distinguished. Not all of them are possible to attain with a personal budget. The seven functions are: home
care, personal care, nursing care, supporting and activating attendance,
treatment and accommodation. Home care reaches from doing the dishes to picking up children from school. The care you need to keep the
household running. Personal care is help with getting up, hygiene, get17
Fachtagung „Persönliches Budget – Von den Nachbarn lernen“
ting dressed et cetera. Nursing care speaks for itself. Supporting attendance means help with coping with one’s disability. For example: how do
I plan my day, how do I ride on the bus? Activating attendance goes a
bit further: it’s aimed at independence of a client. The reasons why treatment and accommodation are not included in the personal budget are
mostly technical. For example: it’s not possible to fix a price for treatment because of the divergent supply.
What steps does a client have to take to receive care with a personal
budget? In other words: what is the complete chain of care? First, there
is need assessment, the access ticket to care. The need assessment is put
in the functions I mentioned earlier. In this stage, it’s irrelevant if a client wants care in kind of a personal budget. He needs care, independent
of where he receives it or from whom. The next step in the process is
for a client to make the choice between care in kind or a personal budget. Therefore he has to be informed about all the ins and outs. If a client
chooses the personal budget, the health care office grants him a budget in accordance to the client’s need assessment. With his budget, the
client can look for employees. He’ll become an employer. Agreements
will be made to specify the working hours, conditions, prices, et cetera. After the work is done, the budgetholder pays the care worker. The
budgetholder is obliged to have bookkeeping in order to justify the expenditures. The money has to be spend on insured care under the AWBZ
in terms of the five functions. The health care office decides whether the
expenditure of the budget is OK or not OK. If not OK, the budgetholder
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II. Rechtliche Grundlagen, Strukturen und Praxis in den Niederlanden und Dänemark
refunds the budget or pays
for the care himself. In exceptional cases, the personal budget is pulled back.
In 2002 the total budget of
the personal budgets was almost 400 million Euro. The
biggest part was spent on
the so called home care, the personal budget for the elderly. The differences between the four parts can be explained by the volume of the target group, the level of the care required and history. For example: the
personal budget for the elderly was the first to start in 1996.
The table also shows that the granted budget is not always spent. There
are several reasons for this. Budgetholders are inclined to be economical with their budget. They know from experience this might turn out to
be very necessary. Second, a budgetholder is not always able to find a
care worker. Because there is nobody, or the care worker only wants to
work on the side or the budgetholder and care worker cannot come to
an agreement. Third, some budgetholders feel embarrassed to use their
budget.
Some facts about the personal budget and the mentally disabled. In total, there are some 110.000 mentally disabled persons in Holland. Over
11.000 of them have a personal budget. More men than women use the
personal budget for the mentally disabled. A vast majority of the mentally disabled budgetholders is younger than 30 years. Most of these
live at home and need some kind of care. When somebody lives in an
institution, he or she is not entitled to a personal budget.
The personal budget is an important instrument in the process from supply to demand focus. Care organisations have to listen to the budgetholders. With the personal budget we hope to reach more and more people who are willing and able to take control of their own care.
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Fachtagung „Persönliches Budget – Von den Nachbarn lernen“
Alwine Hardus
Per Saldo, Niederlande
Chef im eigenen Haus
und selbst am Zug
Mein Name ist Alwine Hardus und ich arbeite als Beraterin in der Abteilung Dienstleistung von Per Saldo, dem Niederländischen Verein von
Menschen, die mit einem Persönlichen Budget leben.
Hat man eine Behinderung, dann braucht man von früh bis spät Hilfe,
das ist selbstverständlich. Nicht selbstverständlich ist, dass diese Hilfe
geleistet wird in den Momenten, die man selbst bestimmt und von Menschen, die man kennt. Es kann jedoch auch anders sein, es kann besser
sein.
Mit dem Persönlichen Budget. Das Persönliche Budget gibt Menschen
mit einer Behinderung diese Möglichkeit.
Die Menschen selbst bestimmen wie ihr Leben aussieht, wie man
wohnt, wie man seine Zeit verwendet. Einfach wie man selbst ist: Mutter, Großmutter, Nachbarin, Freiwillige, Studentin, Babysitter oder bezahlte Arbeitskraft. Auch wenn man behindert ist oder chronisch krank
ist, psychische Probleme hat oder altersbedingte Einschränkungen.
Auch wenn man Hilfe und Betreuung braucht, um das alles zu realisieren. Dann möchte man selbst bestimmen, wer die Hilfe leistet, wo die
Hilfe erbracht wird, welche Hilfe geleistet wird, an welchen Tagen der
Woche und an welchen Stunden des Tages.
Das Alles scheint selbstverständlich zu sein. Aber das ist es noch gar
nicht für jedermann.
Bis heute gibt es viele Menschen, die ihr Leben an den Möglichkeiten
– und vor allem an den Unmöglichkeiten – der Hilfeleistenden anpassen. Eigentlich ist das die verkehrte Welt. Natürlich sage ich hier nichts
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II. Rechtliche Grundlagen, Strukturen und Praxis in den Niederlanden und Dänemark
zu Ungunsten der professionellen Hilfeanbieter, die ihre Arbeit mit Leib
und Seele machen, die aber gefesselt sind an ihren Arbeitsplan , den ihre
Organisation ihnen auferlegt hat.
Das führt zu frustrierenden Situationen: Fenster, die nur alle sechs Wochen geputzt werden dürfen, auch wenn es gestürmt hat und man vom
Bett aus nicht mehr richtig aus dem Fenster schauen kann; Möbel sauber machen, die über ein Meter siebzig hoch sind, ist nicht gestattet und
Keller und Dachboden aufräumen, daran darf man nicht mal denken.
Die Zimmer von Kindern über vierzehn werden nicht sauber gemacht
und dann ist es lästig, wenn Mutter nicht im Schlafzimmer ihres Sohnes
unterm Dachboden nach dem Rechten sehen kann, weil ein Treppenschrägaufzug nicht vorhanden ist.
Jedermann in den Niederlanden der Pflege, Hilfe oder Betreuung
braucht, und der selbstständig wohnt (also nicht in einer Anstalt) kann
wählen zwischen Sachhilfe/Naturalleistung, unter den Bedingungen der
dienstleistende Organisation, oder einem Persönlichen Budget. Das ist
festgelegt in der AWBZ, dem Allgemeinen Gesetz für Besondere Unkosten durch Krankheit.
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Fachtagung „Persönliches Budget – Von den Nachbarn lernen“
Ein Persönliches Budget (PGB) ist eine Summe, mit der man selbst Hilfe und Betreuung einkaufen kann. Man wählt selbst die Hilfeleistenden
und Betreuer aus oder man engagiert eine Organisation, die im Auftrag
des Budgetnehmers arbeitet. Mit diesen Personen vereinbart man, was
gemacht werden soll, die Tage und Stunden, an denen die Hilfe benötigt wird und die Vergütung, die dafür aus dem Persönlichen Budget gezahlt wird.
Auf diese Weise führt man die Regie bei Hilfe und Betreuung.
Welche Art von Hilfe kann man mit einem PGB kaufen?
◆ Hilfe im Haushalt (denken Sie an saubermachen, abwaschen, bügeln)
◆ Persönliche Versorgung (Hilfe bei alltägliche Verrichtungen sowie
aufstehen, duschen, ankleiden, essen und trinken, zur Toilette gehen)
◆ Verpflegung (sowie Hilfe der Einnahme von Medikamenten, bei
Wundpflege oder Beatmung)
◆ Unterstützende Betreuung (Unterstützung bei Aktivitäten zu Hause
und außerhalb der Wohnung, wie zum Beispiel Tagesbetreuung)
◆ Aktivierende Betreuung (Lernen mit einer Behinderung oder mit
Probleme um zu gehen, besseres persönliches Funktionieren und
Änderungen realisieren, zum Beispiel selbstständig wohnen oder arbeiten gehen)
◆ Kurzfristiger Aufenthalt außer Haus (am Wochenende, innerhalb der
Ferien)
Ein PGB hat viele Vorteile, aber man muss auch etwas dafür tun:
◆ mehr eigene Verantwortung
◆ selbst suchen nach Helfern oder nach einer Geschäftsstelle, die
Hilfe oder Betreuung bieten kann
◆ Vereinbarungen und Abkommen treffen mit Hilfeleistenden
◆ Die Bezahlung der Menschen, die Hilfe leisten
◆ Buchführung
◆ Rechenschaft ablegen bei Subventionierern und Steuerbehörden
Kurz und gut: ein Budgetnehmer wird Arbeitgeber oder Auftraggeber!
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II. Rechtliche Grundlagen, Strukturen und Praxis in den Niederlanden und Dänemark
Wie beantragt man ein Persönliches Budget? Jeder, der Hilfe oder Betreuung benötigt, kann Kontakt aufnehmen mit einem regionalen Indikationsinstitut. Ein Indikationsberater wird feststellen, welche Hilfe
man braucht und ob diese Hilfe unter das AWBZ-Gesetz fällt oder unter
eine andere Regelung oder überhaupt nicht.
Während dieser Indikation kann man selbst wählen zwischen ein PGB
oder Sachhilfe, das heißt Hilfe, die eine Organisation für Hauspflege
leistet, eine Organisation für geistig Behinderte oder eine Organisation
für psychische Krankheiten.
Die Indikation mündet in einem Indikationsbeschluss. Gegen diesen
Beschluss kann man Einspruch erheben. Das Sorgeamt, die Versicherungsgesellschaft, die das AWBZ-Gesetz ausführen soll, wird letztendlich das Budget bewilligen.
Mit einem PGB ist vieles möglich, aber nicht alles. Was möglich ist,
hängt ab von der Höhe des bewilligten Budgets und was innerhalb die
PGB-Regelung erlaubt ist. Behandlung und Therapie können zum Beispiel nicht eingekauft werden.
Weil die Höhe des Budgets abhängig ist von den Hilfestunden, die bei
der Indikation bewilligt werden, empfindet der Budgetnehmer diese Indikation als den Schlüssel zu einem besseren Leben und den Indika23
Fachtagung „Persönliches Budget – Von den Nachbarn lernen“
tionsberater als denjenigen, der diesen Schlüssel in den Händen hat,
aber auch die Tür öffnen oder schließen kann. Es ist oft sehr schwierig,
die Hilfefrage klar dar zu stellen. Meistens sind die Erwartungen sehr
hoch, vor allem, wenn der Behinderte zusammenwohnt mit Nichtbehinderten. Budgetnehmer hoffen, dass ihre familiären Pfleger keine zusätzlichen Aufgaben mehr dazu bekommen werden, wenn sie ein Budget
nehmen. Das ist aber nicht der Fall. Vom gesunden familiären Pfleger
darf man zwei Stunden Hilfe pro Tag erwarten. Die Indikation ist sehr
beharrlich und man kann sich der gegenseitigen Pflege nicht entziehen.
Derselbe Budgetnehmer muss öfters hören, dass die gegenseitige Pflege mit einem PGB ausgehöhlt wird, weil dafür bezahlt wird. Das stimmt
nicht, ein Budgetnehmer hat dafür kein Geld, auch wenn er es möchte.
Die Höhe des Budgets ist oft ein Problem. Man hat die Pflicht, Hilfe
einzukaufen von vertretbarer Qualität und natürlich möchte man das
auch, aber für gute Hilfe muss man zahlen. Vor allem der Tarif für Krankenpflege ist niedrig, und das ist ein Problem für Personen die spezialisierte Pflege benötigen, sowie Beatmung oder Dialyse zu Hause.
Das Finden eines guten Helfers entscheidet über Erfolg oder Scheitern
des Persönlichen Budgets. Budgetnehmer sind kreativ beim Suchen.
Oft findet man einen guten Hilfeleistenden im Familienkreis und in der
Praxis zeigt sich, dass es wunderbar ist für den Hilfefragenden auch Familienmitglieder ein normales Gehalt bezahlen zu können. Für den Helfer ist die Belastung kleiner, weil er zum Beispiel in seiner normalen Tätigkeit außer Haus ein paar Stunden weniger arbeiten kann.
Die Kontakte von Per Saldo mit Budgetnehmern zeigen, dass man, nach
einer manchmal schwierigen Anlaufzeit, in der alles in Gang gesetzt
wird, sehr zufrieden ist. Das Budget kann man benutzen für alle Arten von Versorgung oder Betreuung die mit einem Budget bezahlt werden dürfen, auch wenn dafür keine Indikation bewilligt ist. Das heißt
zum Beispiel, dass man häusliche Hilfe zahlen darf vom Budget, das
eigentlich nur für Betreuungszwecke indiziert ist. Die Summe bleibt
gleich, aber innerhalb die Reglung ist die Verwendung frei. Das gestattet dem Budgetnehmer viel Freiheit beim Regeln der Hilfe nach eigenem Wunsch und gewährt dem PGB Glanz.
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II. Rechtliche Grundlagen, Strukturen und Praxis in den Niederlanden und Dänemark
Damit sind wir bei Per Saldo. Dieser Verein ist von Budgetnehmern
selbst gegründet worden. Sie bestimmen auch den Kurs. Per Saldo ist
deshalb eine Organisation von Menschen mit einem Persönlichem Budget in den Niederlanden und hat mehr als 12.000 Mitglieder.
Per Saldo verschafft Informationen und Ratschläge über alles, was das
Persönliche Budget anbelangt und das ist viel. Das geschieht individuell, aber auch während regionaler Versammlungen. Weiter hält Per Saldo Kurse über das PGB für Budgetnehmer und Dienstleister. Wir haben
eine aktuelle Website www.pgb.nl, wir geben eine Zeitschrift heraus und
ist gibt mehrere Broschüren. Das Helpdesk gibt Ratschläge nach Maß.
Pro Jahr werden mehr als 30.000 Anrufe beantwortet. Man hat Fragen
oder möchte gemeinsam überlegen, bittet Probleme zu lösen, zu vermitteln oder die Interessen der Budgetnehmer zu vertreten.
Außerdem arbeitet Per Saldo für eine gute, einfache PGB-Reglung und
für eine breite Einführung einer personengebundenen Finanzierung für
alle Bereiche, zum Beispiel im Unterricht, bei der Beschaffung von
Hilfsmitteln und Einrichtungen, und bei der Integration auf dem Arbeitsmarkt. Das letztendliche Streben ist ein integrales Partizipationsbudget, das es den Menschen ermöglicht, die Regie zu führen über ihr
Leben insgesamt. Dann erst recht werden Behinderten Chef im eigenem
Haus sein und selbst zum Zuge kommen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
25
Fachtagung „Persönliches Budget – Von den Nachbarn lernen“
Dan R. Brock
Muskelsvindfonden, Dänemark
Personal budget – a method to acquire
equal opportunities the Danish way
I am very pleased to be here today. I find it very important to exchange
ideas and experiences, so we will be able lo learn from each other. In
that way, I am certain, that it will be possible to improve the way of life
for people with disabilities and for the society in all.
I will try to give you an idea of what a personal budget means to me and
how it works in my daily life. I will not go too much into details about
the kinds of subsidies that are available and how to obtain them, when
you are a person with a disability living in Denmark. Instead, I will tell
you about some of the advantages I have experienced.
First, I would like to say a few words about why I think it is important
to discuss this subject.
The reason for me is, that we must give people equal opportunities to
participate in the society, and that means all aspect of the society. That
means, education, decision making, social gathering, cultural activities
and much more. Having equal opportunities do also mean that people
should be able to decide how they will organize their way of living. In
other words, to be able to live an independent life.
Speaking about equal opportunities there are a few things I have to
make straight before we start the discussion:
For me, every single individual has its own unique value, and this individual value of every single individual is not measurable.
The term quality of life is basically an individual measurement and it is therefore not comparable to that of other individuals. That means, other people
cannot decide, the quality of your life, and cannot decide what is important
for you.
The term Independence is covering a very broad set of ideas, but also
very concrete possibilities for people with disabilities.
26
II. Rechtliche Grundlagen, Strukturen und Praxis in den Niederlanden und Dänemark
In Denmark, we try to make people with disabilities as independent as
possible, in terms of trying to compensate for the difficulties implied by
the disability.
That means to analyse the difficulties implied by the disability, and try
to find, invent or arrange devices and mechanisms to eliminate the implications of the disability.
It sounds quite simple, but in practice, it is often very difficult.
To be independent there are a few things which are of great importance.
Transportation. I am not able to walk or move around by my own physi-
cal means. Therefore, I need to have a wheelchair as you can see, to be
able to get around, to be able to meet other people so that I can make my
point of views known to others, and be a part of the community.
Accessibility. Accessibility to buses, trains, buildings etc. is of great im-
portance. But accessibility to education-institutions and working places
is crucial. Education and personal development is essential to be able to
live an independent life.
It doesn’t matter to me if the jails have steps, so I can’t get in, but if I am
prohibited to enter the schools or workplaces, I will certainly live a life
of lower quality, and for sure with much more unequal opportunities.
27
Fachtagung „Persönliches Budget – Von den Nachbarn lernen“
Economical opportunities. If I shall be able to choose my way of life, it
is necessary to have some kind of economical compensation. There are
many circumstances to take into consideration, when we talk about the
financial aspect. Some things are more expensive for me than others, for
example, I need more space to get around with my wheelchair, so my
apartment will often be more expensive. Transportation is often more
expensive, because I can’t use public transportation. I need some technical devices, etc.
Another aspect is that it is difficult, sometimes impossible to find a job
suitable for me. Many people with a disability are not able to work sixseven hours a day, some need extra assistance to fulfil the work, and
so on.
◆ How does it work for me?
The monthly grant.
I receive a monthly pension, which consists of different allowances,
based on how severe the disability is. Beside the pension, I receive different subsidies for expenses according to the disability. For instance, a
subsidy is given to compensate for a higher rent. The pension, with all
the subsidies is approximately the same as the minimum wage. Out of
this amount, I have to pay all my daily expenses like rent, food, clothes,
repair of the car, tax among others. The pension is more or less a fixed
amount of money, which I only have to apply for once, unless my situation changes. Beside the pension, I can apply for other subsidies to cover small expenses according to the disability, like higher transportation
costs, special clothing, some medication, higher cost of maintaining a
more expensive car etc. These subsidies will be examined every year,
unless my situation changes.
Technical devices.
When I need expensive technical devices, as wheelchair, special bed,
and personal lift and so on, I have to apply for these. If the application
is approved, I will receive the devices and borrow them for free.
28
II. Rechtliche Grundlagen, Strukturen und Praxis in den Niederlanden und Dänemark
Personal assistants.
The most important thing for me, when we speak about personal budget
and independent living in particularly is our personal assistant-scheme.
I will say that I am privileged to have a personal assistant or a personal
helper, if you want, with me all the time. One the cornerstones of equal
opportunities in Denmark are in many ways equivalent with the personal assistant-scheme.
In short, it works like this: A social worker and I discuss the amount of
help I need per day or per week. Then I apply to the local authorities to
have the personal assistant service. After approval, I am the one that is
responsible for making it work in practice.
I have to find the people that I find suitable as personal assistants. No
special education is needed to work as a personal assistant. I decide
what qualifications I consider as important. I have to organize work
plans for my assistants and make agreements about working times, flexibility and secrecy. Of cause, I have to follow the Danish law in different ways.
29
Fachtagung „Persönliches Budget – Von den Nachbarn lernen“
How do the personal assistants work and what do they do? For me personally, they normally work in 24 hours shift and I have both men and
women working for me. Actually, they are doing all kind of things: They
help me in the bathroom being washed, getting dressed etc. They do
all kinds of work related to an ordinary household - cleaning, washing
clothes, cooking. They accompany me to meetings, at travels, to family
etc. They are more or less my arms and my legs.
The scheme has many positive effects, first for me of cause, because I
am able to take an active part in the society, through the help from my
assistant. Many of the difficulties or problems implied by the disability
are, to a very great extend, solved by the introduction of a personal assistant scheme. Above giving people with disability a great opportunity
to live an independent life, it will also influence people’s attitudes towards disabled people. Because we will be more and more visible in the
streets, in shops, in the political scene, at cultural events and be able to
meet able-bodied people in a way where we are even.
More and more people will experience, that we can be active in the society, and therefore it will be much easier for other people to understand
our special needs, and it will become easier for us to be heard, when
new legislation is made, when architects and engineers construct houses, when producers are making products.
The personal assistant scheme is one of the basic conditions for me to be
able to live a life of high quality.
On a broader community-level, the scheme creates jobs for many people, and provides useful training in personal care for many people.
If the scheme shall work for my assistant and me, it is vital that the job
is regarded equal to other jobs, with salaries and rights equal to similar jobs.
30
II. Rechtliche Grundlagen, Strukturen und Praxis in den Niederlanden und Dänemark
◆ What does it mean to me?
All these things do, that I today can take active part in the society.
Today I live by my own, in an apartment. I have been working, on a voluntary basis in different organisations in different areas.
For some years ago, I studied Chinese language and culture in Denmark, and lived a year in China, Shanghai where I continued my studies at an university.
I have in recently years worked with theatre and drama, and am now rehearsing on a play, which will have its opening night later this month.
I have through Muskelsvindfonden, the Danish Muscular Dystrophy
Organisation been involved in development projects in Zimbabwe,
where we have co-operated with a disability association.
I have been very active in the Danish disability movement. In these
ways I can say, that I have been able to give contribution to the society.
The last two things I will say, which may be the most important I have said
today:
When you want to make changes, remember always to listen to the demands and wishes from the people with disabilities, because we are the
experts in this field. And believe that we are able to create our own way
of living, and that we can be responsible for our own lives, if the right
conditions are in place.
Thank you.
31
Fachtagung „Persönliches Budget – Von den Nachbarn lernen“
32
II. Rechtliche Grundlagen, Strukturen und Praxis in den Niederlanden und Dänemark
33
Fachtagung „Persönliches Budget – Von den Nachbarn lernen“
III.
Modellprojekt „Selbstbestimmt Leben mit Persönlicher Assistenz“
Alexandra Franz (Foto links), Esther Schmidt (Foto rechts)
MOBILE – Selbstbestimmtes Leben Behinderter e.V., Deutschland
Wie behinderte Menschen
zu Arbeitgebern werden
„Persönliches Budget – Von den Nachbarn lernen“ bedeutet, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung behinderter Menschen zu stärken.
Das Modell der Persönlichen Assistenz (auch: Arbeitgebermodell), die
Organisationsform von Hilfe, die Menschen mit Hilfe – und Pflegebedarf den höchsten Grad an Selbstbestimmung und Eigenverantwortung
sichert, wird im Diskussions- und Ausgestaltungsprozess des Persönlichen Budgets zukünftig weiterhin an Bedeutung gewinnen.
Im Rahmen unseres Beitrags möchten wir vor allem den Aspekt eines
grundsätzlichen Gewinns an Lebensqualität für behinderte Menschen
durch die Umsetzung des Arbeitgebermodells betonen. Daneben werden wir an Hand von Zahlenbeispielen verdeutlichen, dass das Modell
der Persönlichen Assistenz auch unter Kostengesichtspunkten vorteilhaft sein kann. Wenn wir uns hiermit auch auf die, wie wir finden, gefährliche Diskussion der Kostenvergleiche einlassen, so wollen wir
doch betonen, dass der Anspruch auf ein Höchstmaß an Lebensqualität
von Menschen mit Hilfe- und Pflegebedarf einen zentralen Aspekt der
Grundrechte auf Menschenwürde und freie Entfaltung der Persönlichkeit berührt. Diese Menschen- und Bürgerrechte sind keinesfalls unter
einen Kostenvorbehalt zu stellen!
„Persönliches Budget – Von den Nachbarn lernen“ meint auch, sich der
eigenen Ressourcen bewusst zu werden. Im Rahmen der Realisierung
Persönlicher Assistenz organisieren behinderte Menschen in der BRD
schon seit den 70er Jahren ihre Hilfen selbst und verfügen in diesem
Zusammenhang über eine Art „Persönliches Budget“. Vor allem inner34
III. Modellprojekt „Selbstbestimmt Leben mit Persönlicher Assistenz“
halb der durch die Selbstbestimmt Leben Bewegung bereitgestellten
Unterstützungs- und Beratungsangebote (wie beispielsweise durch den
Verein MOBILE oder die Zentren für selbstbestimmtes Leben) bündelt
sich ein hohes Erfahrungspotential um die Möglichkeiten bzw. Problematiken eines selbstverwalteten Budgets. Eben aus diesem Wissen heraus ist das Modellprojekt „Selbstbestimmt Leben mit Persönlicher Assistenz“ entstanden. Entwicklung und Erprobung dieses Modellprojekts
wurden vom damaligen Ministerium für Arbeit und Soziales, Qualifikation und Technologie gefördert. Projektträger waren für die Region
Westfalen-Lippe der Verein MOBILE - Selbstbestimmtes Leben Behinderter e.V. bzw. für das Rheinland das Zentrum für selbstbestimmtes
Leben Köln. Projektdauer war vom 01.01.2002 – 31.07. 2003.
Das Projekt basierte auf den drei Säulen:
1. Information, Beratung, Begleitung und Unterstützung von
Schulungsteilnehmern,
2. Durchführung je einer Reihe Gruppenschulungen,
3. Öffentlichkeitsarbeit.
Das Projekt richtete sich an zwei Zielgruppen: Zum einen waren Menschen mit Hilfe- und Pflegebedarf angesprochen, die bereits Persönli35
Fachtagung „Persönliches Budget – Von den Nachbarn lernen“
che Assistenz realisieren bzw. Menschen mit Hilfe- und Pflegebedarf,
die dies zukünftig beabsichtigen (= Assistenznehmer). Parallel hierzu
richtete sich das Angebot des Modellprojekts an Menschen, die als Persönliche Assistenten bei behinderten Menschen beschäftigt sind bzw.
daran interessiert sind, einer entsprechenden Tätigkeit nachzugehen
(= Persönliche Assistenten).
Das Projekt Selbstbestimmt Leben mit Persönlicher Assistenz ist evaluiert und dokumentiert, die Ergebnisse liegen in Form eines Abschlussberichtes vor. Für den Verein MOBILE – Selbstbestimmtes Leben Behinderter e.V. möchten wir Ihnen heute vor dem Hintergrund unserer
gesammelten Erfahrungen verdeutlichen, dass die Realisierung des
Arbeitgebermodells Menschen mit Hilfe- und Pflegebedarf eine selbstbestimmte Lebensführung ermöglicht und für diese einen Gewinn an
Lebensqualität darstellt. Wir werden das an Hand von zwei Beispielen tun, die der realen Lebenssituationen zweier unserer Teilnehmer
der Gruppe der Assistenznehmer entsprechen. Was Lebensqualität ausmacht, wie diese zu definieren ist, wird sicherlich jeder von uns für sich
ganz individuell festlegen. Die Lebensqualität von der wir hier sprechen
wollen, bezieht sich auf das Vorhandensein selbstbestimmter Möglichkeiten zur Abdeckung der notwendigen Hilfen.
Für all diejenigen unter Ihnen, die möglicherweise mit den Grundgedanken des Modells der Persönlichen Assistenz weniger vertraut sind,
möchten wir die zentralen Gedanken kurz zusammenfassen: In den
meisten Fällen können behinderte Menschen nicht selbst über den Umfang, den Ort und den zeitlichen Ablauf der benötigten Hilfeleistungen
bestimmen. Des Weiteren besteht für sie nur selten die Möglichkeit Einfluss darauf zu nehmen, wer hilft (beispielsweise Frauen oder Männer).
All diese Entscheidungen obliegen in der Regel dem Anbieter der Hilfeleistungen (also z.B. dem ambulanten Pflegedienst). Hier nimmt das
Modell der Persönlichen Assistenz einen radikalen Perspektivenwechsel vor: Behinderte Menschen organisieren die benötigten Hilfen selbst,
sie werden zu Arbeitgebern, die ihre Helfer direkt bei sich anstellen.
Persönliche Assistenz bedeutet für behinderte Menschen Abläufe des
Alltags, die sie selbst nicht oder nur schwer ausführen können, durch
36
III. Modellprojekt „Selbstbestimmt Leben mit Persönlicher Assistenz“
die „Arme und Beine“ anderer, selbst ausgesuchter Personen selbstbestimmt umsetzen zu lassen. Der Begriff „persönlich“ soll verdeutlichen,
dass sich die Hilfe an den individuellen Lebensvorstellungen der Betroffenen ausrichtet.
Im Mittelpunkt Persönlicher Assistenz steht der Kompetenzgedanke
(Kompetenz = Zuständigkeit). Dieser sieht die Zuständigkeit für die
eigenen Belange unmittelbar mit dem Menschen verbunden. Für behinderte Menschen heißt das, dass sie die Zuständigkeit darüber besitzen,
wer hilft (Personalkompetenz),
wann und wo diese Hilfe erfolgt (Organisationskompetenz),
wie die Hilfe erbracht wird (Anleitungskompetenz),
und die geleistete Hilfe zu bezahlen (Finanzkompetenz).
Konkret kann Persönliche Assistenz Hilfe in allen Lebensbereichen umfassen, d.h.: Hilfen im häuslichen Bereich, Hilfen bei der Ausbildung/
Berufstätigkeit, Hilfen zur gesellschaftlichen und politischen Partizipation sowie Hilfen in der Freizeit. Das Hilfespektrum umfasst dabei u.a.
Hilfen bei der Körperpflege, Hilfen im Haushalt, Mobilitätshilfen oder
auch Kommunikationshilfen. Unserer Erfahrung nach sind es in erster
Linie körperlich beeinträchtigte Menschen bzw. Menschen mit Sinnesbeeinträchtigungen, die ihre benötigten Hilfen als Arbeitgeber selbst organisieren. Aber auch Menschen, die in ihrer intellektuellen Entwicklung beeinträchtigt sind, können von dem Modell der Persönlichen
Assistenz profitieren, auch wenn sie dies seltener aus der Arbeitgeber37
Fachtagung „Persönliches Budget – Von den Nachbarn lernen“
rolle heraus tun bzw. hierzu einen höheren Unterstützungsbedarf haben.
Aus Zeitgründen wollen wir diesen Aspekt hier und heute jedoch nicht
vertiefen.
Für die heutige Diskussion dürften vor allem die folgenden Ergebnisse
des Modellprojekts „Selbstbestimmt Leben mit Persönlicher Assistenz“
relevant sein:
1. Die Angst vor einer institutionellen Unterbringung bzw. die Unzufriedenheit mit wenig flexiblen Angeboten ambulanter Pflegedienste sind als Hauptmotivationen anzuführen, warum sich behinderte
Menschen für die selbstorganisierte Hilfeform des Arbeitgebermodells entscheiden. Das entscheidende Stichwort lautet in diesem Zusammenhang also wieder „Lebensqualität“. Es geht darum, fremdbestimmende Aspekte durch Selbstbestimmungsaspekte zu ersetzen.
2. Persönliche Assistenz wäre für viele Betroffene noch weitaus attraktiver, wenn der Gesetzgeber den schon lange von der Behindertenbewegung geforderten Rechtsanspruch auf Persönliche Assistenz leistungsrechtlich für alle Lebensbereiche verankern würde. Wir gehen
davon aus, dass die Einrichtung eines „Persönlichen Budgets“ von
behinderten Menschen verstärkt dazu genutzt werden wird, Persönliche Assistenz zu realisieren.
Bevor wir jetzt an Hand von zwei Situationsbeschreibungen den Gewinn an Lebensqualität durch die Realisierung des Arbeitgebermodells
veranschaulichen lassen sie uns noch kurz einige Sätze zur Erklärung
der folgenden Folien sagen:
Wir werden Ihnen Frau Beispiel und Herrn Muster vorstellen, beide entsprechen real existierenden Personen. Sie stehen für ein breites Spektrum von Hilfebedarfen, der von wenigen Stunden täglich bis zu 24
Stunden/rund um die Uhr reichen kann. Die dargestellten Kosten decken ein ebenfalls breites Spektrum ab: auch hier haben wir reale Zahlen erfragt, die im unteren und oberen Preisspektrum liegen. Verglichen
werden Preise aus dem ambulanten Bereich.
38
III. Modellprojekt „Selbstbestimmt Leben mit Persönlicher Assistenz“
Auf einen Vergleich mit stationären Zahlen haben wir bewusst verzichtet, da sich stationäre und ambulante Kosten im Hinblick auf die Qualität des erbrachten Hilfespektrums nicht vergleichen lassen. Uns allen
ist bekannt, dass eine stationäre Unterbringung insbesondere bei Menschen mit einem hohen Hilfe- und Pflegebedarf die kostengünstigere
Variante darstellen kann. In diesem Zusammenhang muss festgestellt
werden, dass erstens diese Kostenersparnis eindeutig zu Lasten einer
selbstbestimmten Lebensführung geht, die die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beschneidet. Zweitens muss andersherum auch festgestellt werden, dass bei Menschen mit einem geringeren Hilfe- und
Pflegebedarf die ambulante Versorgung die kostengünstigere Variante
darstellen kann.
Wie sich das finanzielle Gesamtvolumen darstellen würde, wenn beide Personengruppen ihre Hilfen ambulant abdecken würden, können
wir nicht belegen. Wir wollen und können mit den folgenden Beispielen nicht den Beweis antreten, dass Persönliche Assistenz immer und
in jeden Fall die günstigste Form der Hilfeorganisation darstellt. Wir
möchten vielmehr den Aspekt eines selbstbestimmten Lebens in den
Vordergrund stellen, Sie zum Nachdenken anregen und darstellen, dass
Persönliche Assistenz eine preisgünstige und qualitativ hochwertige
Alternative zu traditionellen, ambulanten Formen der Hilfeorganisation
bietet.
39
Fachtagung „Persönliches Budget – Von den Nachbarn lernen“
Situationsbeschreibungen/FRAU BEISPIEL
Lebenssituation
Frau Beispiel ist zum jetzigen Zeitpunkt Mitte 30 Jahre alt, seit ihrer
Geburt körperlich beeinträchtigt und auf Hilfe und Pflege angewiesen.
Sie lebt alleine in der eigenen, rollstuhlgerechten Wohnung. Sie ist nicht
erwerbstätig, ledig und kinderlos und organisiert die benötigten Hilfen
selbst.
Pflegestufe
Sie ist in Pflegestufe 2 eingestuft.
Anerkannter Hilfebedarf in Stunden (= tatsächlicher Hilfebedarf)
Ihr anerkannter Hilfebedarf beträgt täglich (über den Tag verteilt) 4 Stunden. Ganz aktuell hat sie 1 Stunde Freizeitassistenz täglich bewilligt bekommen.
Beteiligte Kostenträger (Finanzierung des Hilfebedarfs)
Pflegekasse (Pflegegeld)/örtlicher Sozialhilfeträger (Hilfe zur Pflege und
Eingliederungshilfe).
Einkommenssituation
Erwerbsunfähigkeitsrente; keine Eigenmittel zur Finanzierung des Hilfebedarfs vorhanden.
Variante 1
Frau Beispiel realisiert Persönliche Assistenz
(selbstorganisiert und selbstverwaltet)
Frau Beispiel bestimmt in ihrer Rolle als Arbeitgeberin, wer hilft. Frau
Beispiel beschäftigt in diesem Zusammenhang ausschließlich Frauen
(zur Zeit 5), da sie insbesondere im Bereich der Intimpflege auf gleichgeschlechtliche Persönliche Assistentinnen Wert legt. Im Rahmen ihrer
Organisationskompetenz legt Frau Beispiel fest, wie sie ihren Tagesablauf gestalten möchte und teilt ihre Persönlichen Assistentinnen entsprechend ein: Morgens 1 Stunde, mittags 1,5 und abends 0,5 Stunde.
Frau Beispiel steht wochentags gern früh auf – an den Wochenenden
schläft sie gerne etwas länger. Entsprechend dieser Neigung teilt sie
die bei ihr angestellten Persönlichen Assistentinnen so ein, dass sichergestellt ist, dass ihr zu den bevorzugten Zeiten aus dem Bett geholfen
wird.
40
III. Modellprojekt „Selbstbestimmt Leben mit Persönlicher Assistenz“
Welche weiteren Aufgaben sie der gerade anwesenden Persönlichen
Assistentin in der von ihr bestimmten „Mittagsschicht“ zuweist, entscheidet sie meist situativ. Ihr Motto lautet: In meinem Haushalt bestimme ich! Je nach Bedarf wird gesaugt oder gespült, werden die Gardinen
gewaschen und die Fenster geputzt. Kleinere Tätigkeiten im Haushalt
wie z.B. Tisch abwischen oder Waschmaschine füllen erledigt Frau Beispiel selbst. Regelmäßig weist sie eine Persönliche Assistentin an, die
Blumen zu gießen und das Katzenklo zu säubern.
Ihre Einkäufe erledigt sie je nach Wetterlage gemeinsam mit einer Persönlichen Assistentin im Supermarkt in ihrer Nähe oder besucht den
Wochenmarkt. Für den Besuch des Wochenmarktes teilt sie ihre Assistentinnen im frühen Mittagsbereich ein. Insbesondere die Probiermöglichkeiten des türkischen Spezialitätenhändlers genießt sie sehr. Auch
wenn es sich hierbei um keinen wirklich bewilligten, d.h. refinanzierten
Hilfebedarf handelt, so nutzt Frau Beispiel doch gerne die Möglichkeit,
sich von der Persönlichen Assistentin vor dem Verlassen der Wohnung
Lippenstift auftragen zu lassen.
Aufgrund der erst vor kurzem bewilligten Freizeitassistenz hatte Frau
Beispiel bisher nur wenige Möglichkeiten, ihre Wohnung zu verlassen.
Umso mehr freute sie sich auf die Besuche ihrer Schwester und ihrer
kleinen Nichte. Steht ein Besuch an, backt Frau Beispiel mit einer Persönlichen Assistentin Kuchen.
Frau Beispiel ist es wichtig, sich in ihrer Wohnung wohl zu fühlen. In
den letzten Monaten des Jahres versucht Frau Beispiel stets ein wenig
von den täglich bewilligten Hilfen für die Weihnachtszeit aufzusparen,
um sich den Weihnachtsbaum aufstellen und schmücken zu lassen.
41
Fachtagung „Persönliches Budget – Von den Nachbarn lernen“
Kostenvergleich
Persönliche Assistenz/Ambulanter Pflegedienst
Frau Beispiel: anerkannter Hilfebedarf 5,0 Std./Tag x 30,4 Tage/
Monat = 152,10 Std. anerkannter Hilfebedarf/Monat
Variante 1
Persönliche Assistenz/Minijobs
AN-Netto = 152,10 Std. x 7,67 € =
1166,61 €
Arbeitgeberkosten gesamt mit Sozialabgaben
1447,58 €
Preis pro Stunde
9,52 €
Persönliche Assistenz/voll sozialversicherungspflichtig
AN-Netto = 152,10 Std. x 7,67 € =
1166,61 €
Arbeitgeberkosten gesamt mit Sozialabgaben
Preis pro Stunde
Variante 2
2214,55 €
14,56 €
Frau Beispiel ist Kundin eines ambulanten Pflegedienstes
Der Pflegedienst gestaltet die Dienstpläne und legt fest, wer die Hilfen für Frau Beispiel erbringt. Je nach aktueller Personalsituation und
in Abhängigkeit zu den bei Frau Beispiel anstehenden Arbeiten wechseln Zivis mit studentischen Hilfskräften und erfahrenen Pflegekräften
beider Geschlechter ab. Welche Personen genau wann kommen werden
weiß Frau Beispiel meist nicht im Voraus. Frau Beispiel hat schon Monate erlebt, in denen bis zu 10 verschiedene Personen die von ihr benötigten Hilfen geleistet haben.
Der Pflegedienst ist zwar grundsätzlich bemüht, dem Wunsch von Frau
Beispiel nach wochentags frühen bzw. am Wochenende späteren Aufstehzeiten gerecht zu werden. Da der Pflegedienst aber insgesamt eine
Vielzahl von Kunden hat, muss Frau Beispiel hier oft Kompromisse
eingehen. Hinzu kommt, dass der Pflegedienst mit dem Argument der
Wirtschaftlichkeit die Fahrtrouten festlegt. Mit dieser Begründung wird
der Haushalt gerne unmittelbar nach den pflegerischen Arbeiten erledigt um eine weitere Fahrt zu sparen.
42
III. Modellprojekt „Selbstbestimmt Leben mit Persönlicher Assistenz“
Der Pflegedienst erledigt einmal die Woche einen Großeinkauf für Frau
Beispiel, an dem sie nicht beteiligt ist. Ein gemeinsamer Einkauf würde sich für den Pflegedienst „nicht rechnen“, da er zu zeitaufwendig
wäre.
Da der Pflegedienst an die knapp bemessenen, abrechenbaren Module
der Pflegeversicherung gebunden ist, fehlt die Zeit, die Katze zu versorgen und Blumen zu gießen. Frau Beispiel hat sich daher mit Rücksicht
auf ihre Katze dazu entschieden, das Tier abzugeben. Ihre Topfblumensammlung hat sie bis auf die weniger pflegebedürftigen Kakteen eingeschränkt.
Da gerade die Module zur Körperpflege knapp bemessen sind, fehlt den
Mitarbeiterinnen des Dienstes die Zeit, Frau Beispiels Wunsch nach
Kosmetik zu erfüllen.
Kommt Besuch, so bringt dieser Kuchen mit, da Frau Beispiel zum Backen die benötigten Hilfen fehlen.
Für ein weihnachtliches Schmücken der Wohnung steht keine Zeit zur
Verfügung – dafür überreicht der Dienst allen Kunden einen Schokoladennikolaus, der dann die Wohnung von Frau Beispiel schmückt.
Kostenvergleich
Persönliche Assistenz/Ambulanter Pflegedienst
Frau Beispiel: anerkannter Hilfebedarf 5,0 Std./Tag x 30,4 Tage/
Monat = 152,10 Std. anerkannter Hilfebedarf/Monat
Ambulanter Pflegedienst
Untere Preiskategorie/Kosten monatlich
Preis pro Stunde
Ambulanter Pflegedienst
Obere Preiskategorie/Kosten monatlich
Preis pro Stunde
Variante 2
2205,45 €
14,50 €
3832,92 €
25,20 €
43
Fachtagung „Persönliches Budget – Von den Nachbarn lernen“
Situationsbeschreibung/HERR MUSTER
Lebenssituation
Herr Muster ist zum jetzigen Zeitpunkt Mitte 20 Jahre alt, seit seiner Geburt körperlich beeinträchtigt und ist auf Hilfe und Pflege angewiesen. Er
lebt alleine in der eigenen rollstuhlgerechten Wohnung. Er hat vor kurzem ein Studium abgeschlossen und ist zurzeit auf Stellensuche. Er ist ledig, kinderlos und organisiert die benötigten Hilfen selbst.
Pflegestufe
Er ist in Pflegestufe 3 eingestuft.
Anerkannter Hilfebedarf in Stunden (= tatsächlicher Hilfebedarf)
Sein Hilfebedarf ist in einem Umfang von täglich 19 Stunden anerkannt,
16 Stunden Tag, 3 Stunden Bereitschaft (nachts).
Beteiligte Kostenträger (Finanzierung des Hilfebedarfs)
Pflegekasse (Pflegegeld)/örtlicher Sozialhilfeträger (Hilfe zur Pflege und
Eingliederungshilfe).
Einkommenssituation
Er bezieht zurzeit Hilfe zum Lebensunterhalt (HzL); keine Eigenmittel zur
Finanzierung des Hilfebedarfs vorhanden.
Herr Muster realisiert Persönliche Assistenz
(selbstorganisiert und selbstverwaltet)
Herr Muster beschäftigt als Arbeitgeber ein Team Persönlicher Assistenz aus Männern und Frauen. Die Dienstpläne gestaltet er so, dass er
für den Bereich der Intimpflege Männer einteilt. Da er fast rund um die
Uhr Persönliche Assistenz organisiert, kann er seine Tagesplanung relativ spontan gestalten. Er ist besonders froh darüber, die benötigten
Ruhe- und Liegezeiten seinen Bedürfnissen entsprechend einteilen zu
können.
Herrn Muster machen seine Hobbys viel Spaß: Er surft gerne im Internet und bezeichnet sich selbst als ausgeprägten Nachtmenschen, der
gern erst nach 24.00 Uhr zu Bett geht. Herr Muster engagiert sich seit
vielen Jahren in der Behindertenselbsthilfe und ist politisch aktiv als
Behindertenbeirat seiner Heimatstadt. Er nimmt in diesem Zusammenhang an Fort- bzw. Weiterbildungen teil. Da es sich bei den ausgewählten Weiterbildungsmaßnahmen nicht um vom Arbeitsamt anerkann44
III. Modellprojekt „Selbstbestimmt Leben mit Persönlicher Assistenz“
te Maßnahmen handelt, wird hierfür keine Arbeitsassistenz finanziert.
Dieses Problem löst er, indem er seine Freizeitassistenz einsetzt.
Mit Persönlicher Assistenz ist es ihm möglich, seine Wohnung zu verlassen, Freunde zu besuchen und auch hin und wieder an Wochenendveranstaltungen mit Übernachtung teilzunehmen. Die Teilnahme an Tagesveranstaltungen ist ihm meist auch relativ spontan möglich.
Wir denken, dass es an dieser Stelle nicht notwendig sein wird, die Lebenssituation von Herrn Muster nochmals im Einzelnen zu schildern
wie sie sich gestalten würde, wäre Herr Muster Kunde eines ambulanten Dienstes: Dass er als Kunde eines ambulanten Pflegedienstes bzw.
als Bewohner einer stationären Einrichtung wahrscheinlich weder ein
Studium abgeschlossen hätte noch in dem geschilderten Umfang einem
Ehrenamt nachgehen könnte, dürfte auf der Hand liegen. Die Situation
von Herrn Muster ist in Bezug auf den hohen Umfang der benötigten
Hilfen allerdings noch einmal eingehender zu betrachten.
Wir wollen uns also direkt die Kosten der verschiedenen Hilfeformen
im Vergleich ansehen.
45
Fachtagung „Persönliches Budget – Von den Nachbarn lernen“
Gegenüberstellung der Kosten pro Stunde pro Monat
Frau Beispiel
(5 Std./tägl.)
Persönliche Assistenz
Minijob
voll Sozialversicherungspflichtig
Ambulanter Pflegedienst
Untere Preiskategorie
Obere Preiskategorie
Herr Muster
(19 Std./tägl.)
9,52 €/Std.
1.447,58 €/Monat
14,56 €/Std.
2.214,55 €/Monat
xxxx
14,56 €/Std.
8.406,81 €/Monat
14,50 €/Std
2.205,45 €/Monat
14,50 €/Std.
8.377,96 €/Monat
25,20 €/Std.
3.832,92 €/Monat
25,20 €/Std.
14.560,31 €/Monat
◆ Fazit
Wie wir in der Gegenüberstellung sehen konnten, ist die teuerste Variante, Persönliche Assistenz zu realisieren, d.h. voll sozialversicherungspflichtig, nur unwesentlich teurer als ein ambulanter Pflegedienst
der unteren Preiskategorie und in jedem Fall preiswerter als ein ambulanter Pflegedienst der oberen Preiskategorie. Die Situationsbeschreibungen von Frau Beispiel und Herrn Muster haben auch gezeigt, dass
Persönliche Assistenz im Vergleich mit Angeboten herkömmlicher ambulanter Pflegedienste den Betroffenen ein Höchstmaß an Lebensqualität sichert.
Wir haben gesehen: Im Rahmen des Modells der Persönlichen Assistenz
liegen alle Kompetenzen, alle Zuständigkeiten bei den Menschen mit
Hilfe- und Pflegebedarf in der Rolle der Arbeitgeber. Sie organisieren
ihren eigenen kleinen Betrieb. Fragen der Qualitätssicherung, Verwaltung und der Organisation bzw. Logistik liegen entsprechend in deren
eigener Regie. Die von uns in dem Rechenbeispiel aufgezeigte Preis46
III. Modellprojekt „Selbstbestimmt Leben mit Persönlicher Assistenz“
spanne zwischen den verschiedenen Formen, benötigte Hilfen sicherzustellen, drückt sich u.a. in diesem Sachverhalt aus. Als ein weiterer
Aspekt kann hierzu angeführt werden, dass im Rahmen Persönlicher
Assistenz in erster Linie ungelernte Personen beschäftigt werden, also
z.B. Studierende. Diese sind in der Regel sehr gut ausgewählt und werden von ihren Arbeitgebern, den Menschen mit Hilfe- und Pflegebedarf,
als individuell „passend“ empfunden.
Unsere Erfahrungen insbesondere aus dem Modellprojekt „Selbstbestimmt Leben mit Persönlicher Assistenz“ haben gezeigt, dass das Arbeitgebermodell behinderten Menschen in der Abdeckung benötigter
Hilfen eine selbstbestimmte Lebensführung sichert, die für diese ein
Höchstmaß an Lebensqualität bedeutet. Dabei wollen wir nicht leugnen,
dass auf beiden Seiten, sowohl bei Menschen mit Pflege- und Hilfebedarf als auch bei denjenigen, die als Persönliche Assistenten arbeiten
wollen, Informations-, Unterstützungs- und Schulungsbedarf besteht.
Wir vertreten hier jedoch die Position, dass es sich langfristig für alle
beteiligten Seiten, auch für die Kostenträger, positiv auszahlen würde, diesen in Form adäquater Unterstützungsangebote abzudecken und
hierfür entsprechende Finanzmittel zur Verfügung zu stellen.
In der Diskussion um das Modell der Persönlichen Assistenz werden
ebenso wie in der Diskussion um das Persönliche Budget immer wieder
Fragen nach Möglichkeiten eines zielgerichteten Einsatzes von Finanzmitteln geäußert. Die Ziele sind hierbei bereits klar definiert: Leistungsgesetze wie das SGB XI, das BSHG etc. benennen unter anderem die
Ziele der Sicherstellung der Pflege, der Integration ins Arbeitsleben,
Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, Erhaltung der Gesundheit und
viele andere mehr. Das SGB IX betont Selbstbestimmung und besonders umfassende Partizipation. Dafür wurden und werden erhebliche
Beträge ausgegeben.
Nach Ende des von uns erprobten Modellprojekts lässt sich aus den Veränderungen der Lebenssituationen der Teilnehmer ablesen, dass sie der
Verwirklichung der Ziele der vorgenannten Gesetze ein wesentliches
Stück näher gekommen sind und somit einen deutlich effektiven Ein47
Fachtagung „Persönliches Budget – Von den Nachbarn lernen“
satz von Geld- und Sachleistungen aus den gesetzlichen Ansprüchen
realisiert haben.
Wie wir heute sehen, konkretisieren sich die Diskussionen um ein Persönliches Budget. Das Modellprojekt „Selbstbestimmt Leben mit Persönlicher Assistenz“ hat wichtige Erfahrungen und Ergebnisse vorgelegt, die beim Aufbau einer neuen Hilfelandschaft wertvoll sind und die
dazu beitragen können, einen nutzerorientierten Qualitätsstandard festzuschreiben. Es wäre ein großer Rückschritt, wenn der jetzt erreichte
Entwicklungs- und Ergebnisstand nicht gesichert würde. Trotzdem wir
um die allgemein schwierige Finanzlage wissen, möchten wir abschließend einen Appell an das Land, die Kommunen und alle hier anwesenden Vertreter von Kostenträgern richten, die Ergebnisse und die vorhandenen Ressourcen aus dem Modellprojekt „Selbstbestimmt Leben mit
Persönlicher Assistenz“ aufzugreifen. Wir denken, dass dieses bei der
Konzeption, Durchführung und Evaluierung ein hohes fachliches Wissen und ein ausgeprägtes Qualitätsbewusstsein bewiesen hat. Wir würden uns sehr freuen, in naher Zukunft mit Ihnen an einem runden Tisch
in die Diskussion zu kommen!
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III. Modellprojekt „Selbstbestimmt Leben mit Persönlicher Assistenz“
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Fachtagung „Persönliches Budget – Von den Nachbarn lernen“
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Diskussion: „Können wir von den Nachbarn lernen?“
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Düsseldorf, Januar 2004