Themenheft Textil und Mode - Baden
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Themenheft Textil und Mode - Baden
Textil und Mode Schongang für die Umwelt 2 Mode Mode 3 Der Stoff aus dem oft Träume sind Über Kult und Kluft Was ist Mode, was ist Kleidung Mode umfasst alle Lebensbereiche - Beruf und Hobbys, Wohnung, Auto und Essen, die Sprache und das Outfit. Mal ist fernöstliche Küche in, mal lebt man vegetarisch. War früher KFZ-Mechaniker der Traumberuf, so ist jetzt die Medienbranche gefragt. Discoroller, die einst die guten alten Rollschuhe ablösten, kennt inzwischen keiner mehr, Skateboard und Inliner müssen es nun sein. What is next? Mode ist alles, was neu ist, sich vom Bisherigen abhebt, ein Lebensgefühl widerspiegelt, das man Lifestyle nennt. Die Kleidung unterliegt dabei besonders schnellen Änderungszyklen. Stoffe berühren jeden – täglich und hautnah. Doch nicht nur Jeans und Shirts sind Textilien. Auch Gardinen, Teppichböden, Bettwäsche, selbst viele medizinische Produkte sind aus Fasern und Fäden gemacht. Mode ist ein ausgesprochen attraktives Thema - gerade auch für junge Leute. Dieses Themenheft will Denkanstöße geben, ökologische Zusammenhänge aufzeigen und Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung beleuchten. So wird beispielsweise die textile Kette vorgestellt und ein kleiner Ausblick auf Textilien und Materialien von morgen gegeben. Tanja Gönner Umweltministerin des Landes Baden-Württemberg Nackte Tatsachen Die Deutschen sind mit 28 Kilo pro Kopf und Jahr Weltmeister im Textilverbrauch. Etwa zwei Drittel davon ist Bekleidung. Allerdings: 1970 gab ein Bundesbürger mit mittlerem Einkommen noch etwa zehn Prozent seiner Einkünfte für Textilien aus. Heute ist es mit 5,1 Prozent gerade mal die Hälfte. Riesiges Netz Ein schickes Sweat-Shirt für drei Euro, eine coole Hose für einen schlappen Zwanziger. Wie kommt´s, dass ein Kleidungsstück, das am anderen Ende unserer Erde hergestellt wird und Tausende Kilometer bis zu uns unterwegs ist, kaum mehr kostet als die Pizzatasche vom Bäcker um die Ecke? Inhalt 2 Mode 4 Textile Kette & Textilwirtschaft 6 Textilherstellung 8 Veredelung & Forschung 10 Heute werden die Fäden in der Textil- und Bekleidungsindustrie weltweit gesponnen – mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen und Bedingungen. Während in manchen Ländern Zehnjährige den ganzen Tag für ein paar Cent Teppiche knüpfen oder Frauen in asiatischen Sweat Shops (to sweat: schwitzen) zwölf Stunden am Tag Jeans zusammennähen, gibt es andernorts strenge Auflagen. Der Konkurrenzdruck ist groß. Heimische Betriebe haben dies in den letzten Jahrzehnten zu spüren bekommen. Gebrauchs- und Humanökologie 11 Entsorgung 12 Adressen, Impressum Doch es tut sich was. Rechtliche Bestimmungen bekommen internationales Gewicht und stellen sicher, dass zum Beispiel Verbraucher durch Textilien keinen Gesundheitsgefährdungen ausgesetzt sind. Und immer mehr Kaufhäuser und Modegeschäfte achten mittlerweile darauf, woher die Ware kommt und wie sie hergestellt wird. Bestimmte Labels wie das Rugmark Teppichsiegel oder der Öko-Tex Standard 100 weisen auf menschengerechte Arbeitsbedingungen und umweltschonende Herstellung hin. Zwischen Uniform und Individualität Psychologen und Soziologen leiten das Verlangen, sich ständig anders kleiden zu wollen, aus dem Urtrieb des Menschen nach stetiger Veränderung ab. Einerseits will man seine Individualität unterstreichen, andererseits seine Gruppenzugehörigkeit demonstrieren. Mit der Kleidung kann man Rebellion oder Konformität ausdrücken - der Punk, der mit zerrissener Hose und Sicherheitsnadel im Ohr die spießigen Eltern schocken will oder der Skater mit Baggie-Pants und Baseball-Cap, der dieses Outfit braucht, um in der Szene anzukommen. Auch Polizisten und Soldaten, Stewardessen, Richter oder Kaminfeger heben sich durch ihre Kleidung von der übrigen Bevölkerung ab. Ihre Uniform signalisiert die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe. Darüber hinaus hat sie die Funktion, ihnen Status und Respekt zu verleihen. In der Clique ist es ähnlich. Oft ist es wichtig, die "richtigen" Klamotten zu tragen. Wer mit Billig-Tretern daherkommt, wird ausgelacht. Deshalb werden immer wieder Stimmen nach Schuluniformen laut – damit die Kinder nicht diskriminiert werden, deren Eltern nicht das Geld haben, ihren Sprösslingen die angesagten Marken zu kaufen. An einigen Schulen gibt es bereits einheitliche T-Shirts und Pullis mit dem Schullogo darauf – auf freiwilliger Basis. Und ein Großteil der Schüler findet das okay und trägt das Einheitsstück auch. Spürnasen im Szenelook Hersteller von Jugendmode und Accessoires setzen oft Trendscouts ein, Beobachter, die abchecken, welche Art von Outfit morgen der große Renner sein könnte. Trendscouts sind überall unterwegs, in den Clubs und Undergroundszenen der Metropolen, in den Bazaren und Shopping Malls fremder Kulturen, in den Bahnhöfen und Hinterhöfen dieser Welt. Sie halten die Nase immer in den Wind und nehmen jede Neuigkeit auf – und sei sie noch so verrückt – und geben sie an die Industrie weiter. Diese entscheidet, ob der Trend großflächig vermarktet wird. Mehr als einmal in der Saison ein neues Outfit – das ist Mode – Fast Fashion ist angesagt. Kleidung wird also nicht mehr ausrangiert, weil sie zerrissen oder abgenutzt, sondern weil sie nach kurzer Zeit schon wieder out ist. weiter. Diese entscheidet, ob der Trend großflächig vermarktet wird. Jede Saison ein neues Outfit - das ist Mode. Kleidung wird nicht ausrangiert, weil sie zerrissen oder abgenutzt, sondern weil sie nach einem Sommer schon wieder out ist. Ex und hopp - und wo bleibt die Nachhaltigkeit? 4 Textile Kette & Textilwirtschaft Textile Kette & Textilwirtschaft 5 Die textile Kette Privater Haushalt, Handel Fasererzeugung Textilindustrie Bekleidungsindustrie Verwertung Entsorgung Agrarwirtschaft Chemische Industrie Pflege Textilerzeugung Privater Haushalt Textilindustrie Gebrauch Textilveredelung Unter der textilen Kette versteht man alle Produktions- und Handelsstufen, die ein Textil durchläuft – von der Herstellung und der verarbeitenden Industrie über den Handel bis zum Verbraucher und von dort zu den Verwertungs- und Entsorgungsbetrieben. Im Idealfall ist die textile Kette geschlossen, d. h. ausrangierte Textilien werden vollständig recycelt. Die gewonnenen Rohstoffe werden wieder zu Fasern verarbeitet, aus denen neue Textilien entstehen. Handel Bekleidungsindustrie Konfektion Verteilung Kleider auf Reisen Im Zeitalter der Globalisierung legen auch unsere Klamotten einen weiten Weg zurück, bevor wir sie im Laden finden. Beispiel Jeans: Egal ob blau, schwarz oder gelb, hauteng, stonewashed oder mit Cargotaschen - Jeans trägt man in Deutschland ebenso wie in Australien, Peru oder den USA. Jeans sind im doppelten Sinne international: Denn sie ziehen nicht nur überall die Menschen an, sondern werden, wie mittlerweile fast alle Textilien, international produziert. Bevor in Deutschland eine Hose über den Ladentisch geht, hat sie bzw. ihre einzelnen Bestandteile bereits einige tausend Kilometer zurückgelegt. So wird beispielsweise Baumwolle aus Kasachstan in der Türkei zu Garn verarbeitet und dieses nach Taiwan zum Färben geschickt. Zum Weben geht’s nach Polen, dann wird der Jeansstoff auf die Philippinen geflogen. Dort wird mit Knöpfen, Nieten und Futterstoff aus Italien und Frankreich die Hose zusammengenäht, die Stonewashed-Endbearbeitung mit Bimssteinen erfolgt in Griechenland. Egal ob im angesagten In-Laden oder auf dem Grabbeltisch des Discounters – das frisch erstandene Beinkleid hat bereits schlappe 56.000 Kilometer hinter sich. Die Textilindustrie in Baden-Württemberg Zählte Baden-Württemberg lange Zeit zu den bedeutendsten Textilstandorten – vor allem auf der Schwäbischen Alb zwischen Metzingen und Balingen wurde kräftig produziert – so sind heute viele heimische Betriebe von der Bildfläche verschwunden. Sie waren dem Konkurrenzdruck durch die Massenware aus den Billiglohnländern, die den Markt überschwemmen, nicht gewachsen. Andere haben ihre Produktion ins Ausland verlagert und exportieren heute von dort aus ihre Textilien "Made in Germany" in alle Welt. Unterschied zwischen Textil- und Bekleidungsindustrie Die Textilindustrie stellt Stoffe her (z. B. durch spinnen, weben, veredeln). Aus diesen Stoffen werden in der Bekleidungsindustrie die Kollektionen geschneidert (zuschneiden, nähen, bügeln). In der Bekleidungsindustrie werden auch Felle und Leder verarbeitet. Was gibt es für Textilien? Bekleidungstextilien machen nur ein Drittel der Textilproduktion aus. Auch Airbags, Förderbänder, Filter und Herzklappen sind aus textilem Material. Sie zählen zu den technischen Textilien. Die dritte Gruppe sind die Haus- und Heimtextilien. Hierzu zählen beispielsweise Gardinen, Teppiche, Textiltapeten und Bettbezüge. Umwelt Der weltweite Textiltourismus ist zudem extrem umweltbelastend: Für die Herstellung eines Textils inklusive der aufwändigen Textilveredlung wird weitaus weniger Energie verbraucht als für die Transportwege mit dem Flugzeug. 1960 Unternehmen: Beschäftigte: 1.184 168.721 1970 Unternehmen: Beschäftigte: 1.158 151.358 1980 Unternehmen: Beschäftigte: 957 99.924 1990 Unternehmen: Beschäftigte: 553 62.933 2000 Unternehmen: Beschäftigte: 312 34.569 2005 Unternehmen: Beschäftigte: 268 30.067 (Quelle: Südwesttextil) Verkauft in Europa Folgen der Globalisierung Arbeitsplätze Die Globalisierung der Textilproduktion hatte weitreichende Folgen. Das Gros der arbeitsintensiven Kleiderherstellung findet heute in Billiglohnländern statt. Viele Betriebe verlagerten ihre Produktionsstätten in Länder mit niedrigeren Lohnkosten, da man nach wie vor für jede Nähmaschine eine Arbeitskraft braucht. Heute werden 95 Prozent aller Klamotten im Ausland gefertigt. Manche Firmen haben Baumwolle nur noch ihre Verwaltung und die Kreativabteilung in aus den USA Deutschland. Im Zuge dieser Strukturveränderungen ist die Gesamtzahl der Beschäftigten in der deutschen Bekleidungsbranche stark zurückgegangen. Textilbetriebe und Beschäftigte in Baden-Württemberg Konfektioniert in China Lohnkosten in der Bekleidungsindustrie • Deutschland West 18,01 Euro/Stunde • Polen 2,09 Euro/Stunde • Bulgarien 0,83 Euro/Stunde • Bangladesch 0,08 Euro/Stunde (Quelle: Südwesttextil) Gesponnen, gewebt und gefärbt in Indonesien Textilherstellung 7 6 Textilherstellung Baumwolle liegt vorn Viskose – ein Naturprodukt? Bis vor einigen Jahrzehnten bestanden Textilien überwiegend aus natürlichen Fasern wie Baumwolle, Wolle, Seide oder Leinen. Die Erfindung der Chemiefasern ermöglichte erst das vielfältige und preisgünstige Textilangebot, das uns heute zur Verfügung steht. Viskose wird als "natürlich" beworben, weil der Ausgangsstoff Cellulose aus Baumwolle oder Holz gewonnen wird. Dazu werden diese cellulosehaltigen Ausgangsmaterialien zerkleinert und bei erhöhtem Druck mehrere Stunden in Aufschlusschemikalien gekocht. Dabei lösen sich alle anderen Bestandteile auf. Die zurückbleibende Cellulose wird gemahlen, gebleicht und zu Platten gepresst. Die Abwässer dieses Prozesses sind äußerst umweltbelastend. Um die farblose Celluloseplatte in einen glänzenden Endlos-Viskosefaden zu verwandeln, wird sie mit Natronlauge und Schwefelkohlenstoff aufgelöst. Die sirupartige Spinnmasse wird dann durch eine brausekopfähnliche Spinndüse in ein säurehaltiges Fällbad gepresst. In der so gewonnenen Faser liegt der Rohstoff chemisch unverändert vor. Allerdings muss recht viel Chemie eingesetzt werden, um diesen "natürlichen" Stoff zu erhalten. Inzwischen wurde jedoch ein umweltfreundliches, recycelbares Lösemittel gefunden. So hergestellte Viskosefasern tragen den Namen Lyocell. In Europa sind sie unter dem Markennamen Tencel bekannt. Baumwolle stellt derzeit 40 Prozent aller Fasern für die Bekleidungsproduktion und wird in mehr als 70 Ländern angebaut, vor allem in China, den USA, Indien, Pakistan, der Türkei und Usbekistan. Während die Größe der Anbaufläche nahezu unverändert geblieben ist, hat sich der Ernteertrag in den vergangenen 30 Jahren um 67 Prozent erhöht. Möglich wurde dies durch verbesserte Anbautechniken, die Züchtung schnell reifender und frostunempfindlicher Sorten und den Einsatz von Dünge- und Schädlingsbekämpfungsmitteln. Baumwollpflanzen brauchen viel Wärme, Sonne und Wasser. Die Bewässerung erfolgt vielfach künstlich. Zwischen Aussaat und Reife können pro Kilo Baumwollfaser bis zu 25 Kubikmeter Wasser erforderlich sein. Der Aralsee, das einst viertgrößte Binnenmeer der Erde, trocknet durch die Wasserentnahme für die Baumwollplantagen mehr und mehr aus. Seit 1960 ist der Wasserspiegel um 14 Meter gesunken. 40 Prozent der Seefläche und 70 Prozent des Wasservolumens gingen verloren. Kapselkäfer und Kumpane Für Schädlinge sind die gut gepflegten Baumwollmonokulturen ein wahres Schlaraffenland. Raupen, Drahtwürmer, Rüsselkäfer, Thripse, Wanzen und Milben - die Liste der Baumwollschädlinge ist lang. Traurige Berühmtheit erlangte der Mexikanische Kapselkäfer, der einst in den Südstaaten der USA Farmer, Kaufleute und Bankiers ruinierte. 1952 kam das erste Schädlingsbekämpfungsmittel auf den Markt, das mit dem Kapselkäfer fertig wurde. Es avancierte blitzschnell zum Insektizid Nummer eins. Fasern aus dem Reagenzglas Was gibt es für Fasern? Pflanzliche Naturfasern: Baumwolle, Leinen, Hanf, Kokos, Ramie, Sisal Tierische Naturfasern: Schafwolle, Kamelhaar, Ziegenhaar, Angora, Seide Celluloseregenerate: Viskose, Modal, Lyocell, Cupro, Azetat Synthetische Fasern: Polyester, Polyamid, Polyacrylnitril, Elastan, Aramid, Kevlar Ob Radler-Hose, Fleece-Jacke oder Funktionsunterwäsche – Chemiefasern sind auf dem Vormarsch, vor allem bei den technischen Textilien. Ihr Anteil in der Gesamt-Textilproduktion ist in den letzten zehn Jahren (1994-2004) von 70 auf 85 Prozent gestiegen. Tendenz steigend. Die Vorteile der synthetischen Fasern liegen auf der Hand: Schon geringe Änderungen der chemischen Struktur können die Eigenschaften stark verändern, so dass sich immer neue Fasern entwickeln lassen. Chemiefasern sind extrem haltbar und strapazierfähig, elastisch und knitterarm, isolieren gut und nehmen Feuchtigkeit nur sehr gering auf. Selbst in der Ökobilanz schneidet die Synthesefaser besser als Baumwolle ab. So sind beispielsweise bei der Erzeugung von einem Kilo Baumwollrohfaser 7.000 – 30.000 Liter Wasser notwendig, während bei der Chemiefaser gerade mal vier Liter Wasser eingesetzt werden müssen. Schlechter schneidet sie jedoch beim Energieeinsatz und der Entsorgung ab. 8 Veredelung & Forschung Edel sei der Stoff, pflegeleicht und schön Aus dem Rohstoff ist ein Roh-Stoff geworden. Viele Eigenschaften, die das Textil erst gebrauchsfähig machen, müssen ihm erst noch beigebracht werden. Dies geschieht durch verschiedene Veredlungsverfahren. Die Veredlung ist stets eine Kombination verschiedenster Arbeitsabläufe. Zehn bis 20 Arbeitsgänge muss ein Textil über sich ergehen lassen, bevor es die gewünschte Farbe, den erforderlichen Griff und eine verwendungsbezogene Spezialausrüstung besitzt. Kann denn Färben Sünde sein? Bunte Kleidung war früher nur etwas für Reiche und Würdenträger. Der gemeine Bürger ging farblich in Sack und Asche. Farbe war kostbar und musste aufwändig gewonnen werden. Für ein Kilo Gelb sammelten fleißige Hände eine Million Safranblüten, für ein Kilo roten Farbstoff mussten zwei Millionen Cochenille-Schildläuse ihr Leben lassen. Das Chemiezeitalter brachte die Wende - und viele neue Farbstoffe. Einige davon waren nicht unbedenklich. So weiß man heute, dass die Amine einiger Azo-Farbstoffe krebserregend sein können. In Europa sind diese kanzerogenen Farbstoffe inzwischen verboten. Moderne Farbstoffe sind selbst dann noch sichtbar, wenn sich auf zehn Millionen Teilen Wasser nur drei Teile Farbstoff befinden. Die Bakterien in konventionellen Kläranlagen sind nicht immer in der Lage, die Farbstoffe restlos zurückzuhalten. Andere Methoden wie die Behandlung mit Ausflockungschemikalien und Entfärbungssubstanzen entfernen zwar die Farbe, bringen dafür aber andere Belastungen für das Abwasser. Probleme bereiten manche Textilhilfsmittel und das zur Farbfixierung notwendige Salz. Doch auch hier wird eifrig nach Abhilfe gesucht. Gut ausgerüstet Unter Ausrüstung fasst man alle Verfahren zusammen, die die Trageeigenschaften optimieren, den Gebrauchswert erhöhen und das Erscheinungsbild verbessern. Knitterfrei, bügelfrei, filzfrei, krumpffrei ... nebenwirkungsfrei? Allergieauslösendes Formaldehyd, krebserregende Farbstoffe Schlagworte, die in der Vergangenheit im Zusammenhang mit der Ausrüstung immer wieder fielen. Formaldehyd, das bei Allergikern Hautirritationen und Ekzeme hervorrufen kann, wird heute kaum noch bei der Pflegeleicht-Ausrüstung eingesetzt. Ein Gehalt von mehr als 0,15 Prozent freiem Formaldehyd muss am Textil vermerkt sein. In den 70er Jahren wurden in den USA nach einer Serie von Zimmerbränden schwer entflammbare Kinderschlafanzüge vorgeschrieben. Sie wurden mit Flammschutzmitteln präpariert, die bei Hitzeeinwirkung unbrennbare, aber – wie sich herausstellte – giftige Gase abgaben. Auch die Entsorgung bereitete Probleme – bei der Verbrennung entstanden Salzsäure und Dioxine. Solche Mittel sind natürlich längst verboten. Veredelung & Forschung 9 Altbekanntes neu gelöst Bei der Textilveredlung wird eifrig nach neuen Wegen gesucht, um Wasser, Energie und Chemikalien einzusparen. So werden beispielsweise bei der Antifilzausrüstung von Wolle ionisierte Gase und Gasgemische (Plasma) verwendet, die den Einsatz von chlorhaltigen Antifilzmitteln überflüssig machen. Andere findige Forscher haben herausgefunden, dass man mit Kohlendioxid beim Färben und Reinigen Wasser und chlorhaltige Lösemittel sparen kann. CO2 wird unter hohem Druck flüssig und vermag so Farbstoffe und fettlöslichen Schmutz zu lösen. Beim Herabsetzen des Drucks verdampft das CO2, im Rückstand bleiben Schmutz und überschüssiger Farbstoff zurück. Zur sortenreinen Auftrennung von Mischgeweben wird bei der Biologie abgekupfert. Auf die Stoffe werden Enzyme losgelassen, die pflanzliche Fasern soweit anknabbern, dass diese durch nachfolgende mechanische Prozesse fast vollständig entfernt werden können. Wenn der Ellenbogen zweimal klingelt Kleidung mit integrierter Mikrochip-Technologie und leitenden Fasern könnte in Zukunft der große Renner sein, darin sind sich die Experten einig. Handys, Computer und Kameras werden Bestandteil unserer täglichen Kleidung werden. Menschen können mittels dieser Smart Clothes von jedem Ort der Welt aus miteinander kommunizieren und in Notfällen auch aus abgelegenen Gebieten Hilfe herbeiholen. Der Bildschirm im Ärmel geleitet einen sicher durch eine Ausstellung, das Unterhemd erfasst medizinische Parameter und leitet sie an den Arzt weiter oder warnt den Träger, wenn etwas nicht stimmt. Doch nicht nur integrierte Mikrochips, auch die Fasern selbst bekommen neue Aufgaben. Sonnencreme zum Anziehen Viele Sommerkleider sind UV-durchlässig – und man wundert sich, woher der Sonnenbrand kommt, obwohl man doch ein Hemd übergezogen hat. Der UV Standard 801 macht Schluss mit der gefährlichen Ungewissheit. Die Kennzeichnung auf geprüften Textilien gibt ähnlich wie eine Sonnenschutzcreme einen Schutzfaktor an. Protect 20 heißt demnach, dass sich der Träger im zertifizierten T-Shirt 20 mal länger in der Sonne aufhalten kann als im Adamskostüm. Parfüm im Pullunder, Arznei im Ausschnitt Forscher können heute schon Düfte aller Art oder Arzneimittel gegen Schuppenflechte oder Neurodermitis in bestimmte Chemiefasern einbetten. Die Wirkstoffe werden erst beim Tragen abgegeben. Das Sesam-öffne-dich ist die natürliche Hautfeuchte, die die Cyclodextrine veranlasst, ihren Wirkstoff langsam und kontinuierlich freizusetzen. Hier arbeitet die Forschung eng mit Fachärzten und Krankenhäusern zusammen. Entsorgung 11 10 Gebrauchs- und Humanökologie Modemuffel und Outfit-Elite Unmodern? Und tschüss... Das Preis/Leistungsverhältnis gibt nicht nur für den Verbraucher, sondern auch für viele Bekleidungshersteller und Händler den Ausschlag zum Kauf von Rohware. Die Frage nach der umweltgerechten Herstellung bleibt dabei oft auf der Strecke. Spezielle Öko-Kollektionen führen bisher eher ein Nischendasein. Früher war die Entsorgung von Textilien kein Problem. Kleidung wurde schonend behandelt, ausgebessert und an die jüngeren Geschwister weitervererbt. Selbst das fadenscheinigste Hemdchen fand noch als Lappen Verwendung. Was dann wirklich im Müll landete, bestand aus natürlichen, d. h. verrottbaren Materialien, die untergepflügt wurden. Heute sind Textilien zu einer erschwinglichen Massenware geworden. Jeder Deutsche erwirbt etwa 28 Kilo im Jahr. Knapp die Hälfte wandert nach Gebrauch in die Altkleidersammlung. Der Rest landet im Mülleimer und damit auf der Deponie oder in der Müllverbrennungsanlage. Die Macht der Preise Die meisten Käufer legen in erster Linie Wert auf Schnitt, Farbe und Passform. Doch die Bedeutung des Preises sollte nicht unterschätzt werden. Schon durch die Wahl des Geschäftes geben die Kunden den Preisrahmen vor. Über 70 Prozent lassen sich zumindest gelegentlich durch ein besonderes Schnäppchen verführen. Und jeder vierte Kunde gehört der Gruppe der sogenannten Preis-Fixierten an, deren erster Blick ausschließlich dem Preisschild gilt. Dann erst wird das ausgesuchte Stück einer genaueren Prüfung unterzogen. Die Macht der Marke Das Gegenteil der Preis-Fixierten sind die sogenannten MarkenFixierten, zu denen rund fünf bis sechs Prozent der Kunden gehören. Bei ihnen spielt der Preis so gut wie keine Rolle. Was zählt, ist die Marke. Und dafür sind sie auch bereit, deutlich mehr Geld auszugeben, im Schnitt fast 2000 Euro pro Jahr. Human- oder produktionsökologische Aspekte spielen beim Kleidungskauf kaum eine Rolle - und dies, obwohl sich rund 30 bis 50 Prozent aller Bundesbürger als umweltbewusst bezeichnen. Wem nicht nur die Kriterien Preis und Marke wichtig sind, sondern auch umweltrelevante Gesichtspunkte, dem helfen Etiketten wie z. B. der Öko-Tex Standard 100 weiter. Machen Kleider Leute ... krank? Es gibt Textilien für jede Lebenslage, jede Witterung, jede Gelegenheit. Ebenso groß ist die Vielfalt der Fasern und die anschließenden Verarbeitungsprozesse, die den Einsatz unterschiedlicher Textilhilfsmittel erfordern. In der Regel gehen sie bei sorgfältiger Anwendung mit dem Textil eine dauerhafte Verbindung ein, so dass die beim Tragen abgelöste Menge unbedenklich ist. Bei billiger Importware kann das anders aussehen. Untersuchungen haben ergeben, dass Allergien im letzten Jahrzehnt um 30 Prozent zugenommen haben. Ausgelöst werden sie durch den direkten Körperkontakt mit einem Allergen. Als Ursachen gelten die "keimfreie" Umgebung, in der Kleinkinder heute aufwachsen, und die wachsende Zahl chemischer Stoffe in der Umwelt. Um dem Verbraucher Sicherheit beim Textilkauf zu geben, wurde mit dem Öko-Tex Standard 100 ein Prüfsiegel geschaffen, das nur erfolgreich schadstoffgeprüfte Textilien erhalten. Dabei spielt es keine Rolle, in welchem Staat sie gefertigt wurden und aus welchem Land die Importware kommt – die Kriterien sind stets dieselben. Inzwischen wurden weltweit mehr als 51.500 Zertifikate an über 6.500 Unternehmen ausgegeben. Der Verbraucher, der ein zertifiziertes Textil im Laden ersteht, kann somit sicher sein, dass das gute Stück frei von gesundheitsschädigenden Stoffen ist. Altkleider als Arbeitsplatzkiller? Alle paar Wochen liegen die bunten Plastiksäcke für Altkleidersammlungsaktionen im Briefkasten. Eine bequeme Möglichkeit, die ausrangierten Kleidungsstücke loszuwerden. Und die meisten glauben, dass die Kleidung direkt an Mittellose oder Katastrophenopfer geht. Doch das ist ein Trugschluss. Nur ein kleiner Teil der gesammelten Altkleider geht direkt an Bedürftige. Ein großer Teil wird an kommerzielle Sortierbetriebe verkauft, die die Alttextilien sortieren und verschiedenen Abnehmern zuführen. Mit dem Erlös aus den Altkleidersammlungen finanzieren die Organisationen andere Arbeitsbereiche, z. B. den Kauf und Transport von Medikamenten und Lebensmitteln in Krisengebiete, denn Bedürftigen fehlt es an allem, nicht nur an Kleidung. Die Folgen der Altkleiderimporte, die seit Ende der 80er Jahre die Drittweltländer überschwemmten, waren verheerend. In Afrika brach vielerorts die einheimische Textilindustrie zusammen. Auf den Märkten und Basaren verdrängten die ausrangierten Klamotten der Industrienationen die traditionellen Gewänder. Damit einher ging ein Kulturverlust, denn viele Menschen dort definieren sich über Stammesschmuck und -kleidung. Eine dänische Studie aus dem Jahre 1993 kommt zu dem Ergebnis, dass 30 Prozent aller südlich der Sahara verkauften Kleidungsstücke aus Altkleidersammlungen stammten. Einige Länder, z. B. Südafrika, haben inzwischen einen Einfuhrstopp der Altkleider verfügt. Vom Recyceln und Downcyceln Recycling funktioniert nur bei sortenreinem Rohstoff. Bei Papier ist das einfach: Vom Telefonbuch zum Klopapier. Bei Kleidung läuft das weniger problemlos, da die meisten Textilien aus einem Materialmix bestehen. Hier greift das Downcycling: Aus der alten Hose wird ein Flickenteppich, T-Shirts werden zu Dämm- und Polsterstoffen. In einem durchschnittlichen Mittelklassewagen stecken 24 Kilo textiles Material. Ein Großteil stammt aus Altkleidern. Andersrum geht’s auch: In den USA werden schon seit 20 Jahren PET-Einwegflaschen aufgeschmolzen und daraus technische Textilien und Teppichgarne hergestellt. 1992 wurde eine Oberbekleidungskollektion mit dem Namen "Fortrel EcoSpun" vorgestellt, die zu 100 Prozent aus alten Wasserflaschen besteht. EcoSpun ist eine hochwertige Polyester-Faser. Sie wird gerne für wetterfeste Kleidung oder Vliesgewebe verwendet. Adressen Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) Markgrafenstr. 66 10969 Berlin Tel. 030 25800-0 Fax 030 25800-218 www.vzbv.de Deutsche Zertifizierungsstelle Öko-Tex Frankfurter Straße 10–14 65760 Eschborn Tel. 06196 966-230 Fax 06196 966-226 www.oeko-tex.com Forschungsinstitut Hohenstein Schloss Hohenstein 74357 Bönnigheim Tel. 07143 2710 Fax 07243 27151 www.hohenstein.de Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie e.V. Frankfurter Straße 10–14 65760 Eschborn Tel. 06196 966-0 Fax 06196 42170 www.textil-mode.de Institut für Textil- und Verfahrenstechnik Denkendorf Körschtalstraße 26 73770 Denkendorf Tel. 0711 93 40-0 Fax 0711 9340-297 www.itv-denkendorf.de Internationaler Verband der Naturtextilwirtschaft e.V. (IVN) Haußmannstraße 1 70188 Stuttgart Fax 0711 232755 www.naturtextil.com Umweltbundesamt (UBA) Wörlitzer Platz 1 06844 Dessau Tel. 0340 2103-0 Fax 0340 2104-2285 www.umweltbundesamt.de Verband der Südwestdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie (Südwesttextil e.V.) Kernerstraße 59 70182 Stuttgart Tel. 0711 21050-0 Fax 0711 233718 www.suedwesttextil.de Impressum Umweltministerium Baden-Württemberg Kernerplatz 9 70182 Stuttgart www.um.baden-wuerttemberg.de Redaktion: Sibylle Hepting-Hug Cornelia Herbst-Münz Realisierung: ÖkoMedia PR, Stuttgart Stand: 2. überarbeitete Auflage 10/2006