Schweizer Wissenschaftler in den USA
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Schweizer Wissenschaftler in den USA
« Swiss Brains in the United States » Schweizer Wissenschaftler in den USA Katja Schaer San Francisco/Basel 2002 Kurzversion Die Studie «Swiss Brains in the United States; Les Scientifiques Suisses aux Etats-Unis» wurde von der Gebert Rüf Stiftung in Auftrag gegeben und begleitet. Sie versteht sich als Beitrag zur Diskussion des sogenannten Brain Drain. Die Studie ist ein Teilprojekt des Programms reBRAIN der Gebert Rüf Stiftung. Weitere Exemplare der vorliegenden Kurzfassung sowie die vollständige Studie in französischer Sprache sind bei der Geschäftsstelle der Gebert Rüf Stiftung erhältlich: Gebert Rüf Stiftung Bäumleingasse 22/4 4051 Basel 061 270 88 22 [email protected] Aus dem Französischen übertragen von Frau Lucie Ernsthausen www.grstiftung.ch Projektförderung an Universitäten und Fachhochschulen für Innovation, Transfer und Wirksamkeit « Why should I come back to Switzerland ? I can share your pain. After four more or less frustrating years of Postdoc, a decent CV, some post-graduate education at Northwestern University and four independent fellowships on my behalf I decided to switch from an academic career to industrial life. I was undecided on whether to return home to CH or stay in the US so I started looking for positions in both parts of the universe. I sent applications to four major companies in CH (Novartis, Roche, Nestlé, Berna) as well as consulting companies in CH. I also applied to 8 positions here in the US. Guess what? From all the applications I sent to Switzerland I only got one response from a consulting company asking for copies of my grades dating back to my days at the Gymnasium (which I did not have with me so I explained that to them and that was the last thing I ever heard from them, too). None of the other companies did even confirm the receipt of my CV and my application. In contrast, all US companies sent me an e-mail or a postcard confirming the receipt of my application. From the 8 applications I got 4 interviews (all expense paid trips) and job offers. Now guess why I decided to stay in the US. Sorry, but when I hear CH officials complain about brain drain I can only laugh.» Jeune scientifique Suisse s’exprimant sur la question du «Brain Drain» en printemps 2002 1. Was will die Studie? Swiss Brains in the US – www.grstiftung.ch Diese Untersuchung ist Teil der Problematik des Umgangs mit intellektuellem Kapital. Die Vereinigten Staaten haben sich für eine Politik der Öffnung entschieden. Sie importieren intellektuelles Kapital - insbesondere durch eine grössere Anzahl der sog. H1B-Visa - und werden zur Anlaufstelle für Wissenschaftler aus der ganzen Welt. Andere Länder, z.B. Deutschland, Frankreich und England, müssen sich mit dem Phänomen des «Brain Drain» befassen, dessen Opfer sie potentiell sind. Und die Schweiz? Diese Untersuchung ist in der Hauptsache qualitativ und erhebt deshalb keinen Anspruch darauf, zu entscheiden, ob es tatsächlich eine «Flucht von Gehirnen» von der Schweiz in die USA gibt. Sie hat aber zum Ziel, die Perspektive der Schweizer Wissenschaftler in den USA widerzuspiegeln, und nimmt somit eine vermittelnde Stellung ein, indem sie die Meinungen der Wissenschaftler wiedergibt. Zwar ist das Ergebnis unserer Untersuchung nicht die einzige Erklärung für eine «Dauerflucht» von Schweizer Wissenschaftlern. Sie zeigt aber einige beunruhigende oder alarmierende Gegebenheiten auf, über die man sich in dem Zusammenhang Gedanken machen muss. Da unsere Untersuchung die Ansichten der Schweizer Wissenschaftler in den Vereinigten Staaten wiedergibt, sollen weitgehend betroffene Personen zu Wort kommen. Daher sind für unsere Untersuchung besonders die Aussagen der befragten Personen und die ausgefüllten Fragebogen wichtig. Wir danken an dieser Stelle allen Beteiligten herzlich für ihre Mitarbeit an unserem Projekt. Wir beabsichtigen nicht, Ratschläge zu geben. Aber einige unserer Befragten geben in ihren Kommentaren Anregungen. Dieser Teil der Untersuchung zeigt eine Einschätzung und Synthese der erhaltenen Informationen. Das Ziel unserer Arbeit besteht nicht zuletzt darin, den Meinungsaustausch mit den Schweizer Wissenschaftlern in den USA anzuregen. 1 2. Zielgruppe und Untersuchungskriterien Die Zielgruppe unserer Untersuchung sind vor allem die Schweizer Wissenschaftler, die zur Zeit als «Postdocs» in den USA weilen. Um einen langfristigen und breiteren Überblick zu erhalten, wurden auch andere in den USA arbeitende Schweizer Wissenschaftler miteinbezogen – dies über einen Zeitraum von 12 Jahren. Diese Arbeit fusst neben der bibliographischen Recherche auf folgenden Grundlagen: • Statistik der Einwanderung von Schweizern in die Vereinigten Staaten – Diese quantitativen Aussagen stützen sich hauptsächlich auf die Angaben der amerikanischen Einwanderungsbehörde, des amerikanischen Instituts für internationale Studien und des Schweizerischen Nationalfonds. • Umfragen in den USA und in der Schweiz – 21 Befragungen insgesamt, 13 in den USA, 7 in der Schweiz, und 1 in Frankreich. Diese Befragungen hatten zum Ziel, über die Probleme zu diskutieren, die sich den Schweizer Wissenschaftlern in der Schweiz und in den USA stellten. Des weiteren wurden die Themen und Fragen festgelegt, die in den elektronischen Fragebogen aufgenommen werden sollten. Der Inhalt dieses Austauschs wurde in einer synthetisierten Aufstellung von ähnlichen Meinungen einerseits (in allgemeinere Themen gegliedert) und in einzelne Meinungen andererseits eingeteilt. • Zielgruppenspezifischer elektronischer Fragebogen – Er enthielt geschlossene, halboffene und offene Fragen, deren Antworten synthetisiert wurden. Die geäusserten Meinungen im offenen Frageteil wurden ungekürzt wiedergegeben. Befragt wurden 228 Personen, zu 88% männlichen Geschlechts und zu 80 % zwischen 29 und 40 Jahre alt. Die befragte Gruppe war in 34 der 50 amerikanischen Staaten ansässig. 3. Interpretation und Ergebnisse Swiss Brains in the US – www.grstiftung.ch A. Reise manchmal ohne Rückkehr Aus den verschiedenen geäusserten Argumenten und Antworten kann man einige problematische Punkte und/oder Etappen in der Karriere schweizerischer Wissenschaftler/-innen hervorheben, die in den USA Karriere machen. Allerdings muss man jeweils die spezifische Situation berücksichtigen. Einer Person,die eine akademische Laufbahn anstrebt, stellen sich nicht die gleichen Probleme wie einem Firmengründer. Und auch die Schwierigkeiten, die jemand im «Postdoc»-Stadium antrifft, sind nicht dieselben, wie die desjenigen, der erst nach dem Postdoc in die USA geht. Zwar gibt es Gemeinsamkeiten, und eine Problematik kann Personen in ganz unterschiedlichen Lagen betreffen, doch betrifft unsere Untersuchung vor allem schweizerische Postdocs in den Vereinigten Staaten. Es versteht sich von selbst, dass die hier herausgearbeiteten Elemente nicht für alle Personen gelten, die wir getroffen oder befragt haben, und auch sicher nicht für alle Schweizer Wissenschaftler in den USA. Aufbruch in die USA Es wird allgemein angenommen, dass die wichtigen Dinge in Sachen Wissenschaft und Technologie in den USA vor sich gehen. Vielfach wird daher ein USA-Aufenthalt als unerlässlich für eine wissenschaftliche Laufbahn erklärt. Zu diesem Grund für den Umzug in die USA kommen noch andere Elemente hinzu, insbesondere der Mangel an beruflichen Möglichkeiten in der Schweiz, daneben auch kulturelle Interessen, der Wunsch nach einer Verbesserung der Sprachkenntnisse und schliesslich auch eine Stipendienmöglichkeit. Ein Postdoc-Aufenthalt in den USA wird als bereichernde Erfahrung und als Gelegenheit empfunden, neue Kenntnisse zu erwerben, und zwar oft in den besten amerikanischen Universitäten und 2 in einer wissenschaftlich optimalen Umgebung. Daher wird oft ein USA-Aufenthalt empfohlen. Insbesondere der Schweizerische Nationalfonds unterstützt diesen Laufbahnschritt mit einem Stipendienprogramm. Ein Postdoc-Aufenthalt in den USA wird für eine akademische Laufbahn als förderlich angesehen. Deshalb wird dazu auch von Professoren der Schweizer Universitäten geraten. In ihr US-Postdoc brechen zahlreiche Akademiker mit dem langfristigen Plan einer akademischen Karriere auf. Die Personen, die ein Postdoc in Angriff nehmen, sind im Allgemeinen an den Schweizer Universitäten angesehene Studenten gewesen. Sie sind von einem Stipendienfonds ausgewählt worden. Daher sind sie in den amerikanischen Universitäten und Laboratorien hochwillkommen. Diese erhalten damit nicht nur Wissenschaftler von gutem Niveau, sondern auch solche, die sich im allgemeinen selbst finanzieren. Zwar werden die Postdocs ermutigt, in die USA zu gehen, aber die Wiedereingliederung in der Schweiz wird ihnen danch nicht leicht gemacht. Oft fühlen sie sich in ihren Bemühungen - beispielsweise um eine Anstellung - nicht oder wenig unterstützt. Deconnection – Entfremdung Schweizer Wissenschaftler in den USA entfremden sich mehr und mehr von der Schweiz. Sie verlieren die alten beruflichen und persönlichen Kontakte und gliedern sich in der amerikanischen sozialen und beruflichen Umgebung ein. Mehrere Forscher haben erwähnt, wie schwierig es sei, über das, was in der Heimat geschieht, informiert zu bleiben. Entweder fliessen zu wenig Informationen, oder sie sind zu zahlreich, aber nicht zielgerichtet genug. Allein schon mit dem Sortieren der Informationsquellen ist ein erheblicher Zeitaufwand verbunden. Diese Abkoppelung macht die Stellensuche in der Schweiz schwierig. Bestimmte Variablen können aus der Ferne nicht erfahren oder beherrscht werden, so beispielsweise die interne Entwicklung an einem bestimmten Universitätsinstitut. Gerade bei der Stellensuche wird der Informationsmangel, was die in der Schweiz zur Verfügung stehenden Stellen betrifft, sehr bedauert. Eine Zentralisierung der allgemeinen Informationen über die Schweiz kann nicht unbedingt empfohlen werden. Es sollte nicht eine einzige Instanz beschliessen können, welche Informationen weitergegeben werden. Man würde sich aber zuweilen eine zentrale Verwaltung der Angaben über vakante Stellen sehr wünschen. Swiss Brains in the US – www.grstiftung.ch Die zur Verfügung stehenden Initiativen und Strukturen sind nicht bekannt. Bestimmte Informationsquellen - vor allem hinsichtlich der Stellenangebote - sind kaum bekannt und daher wenig genutzt. Schwierigkeiten einer akademischen Karriere in der Schweiz Ausser dem Problem der zunehmenden Entfremdung, die ein USA-Aufenthalt mit sich bringen kann, wird eine akademische Karriere in der Schweiz durch folgende Elemente erschwert: • Die Schweizer Universitäten haben relativ starre Strukturen. Es gibt zu wenig freie Stellen. Ausserdem sind die Auswahlkriterien bei der Stellenvergabe restriktiv (Alter, Anzahl der Dienstjahre, Anzahl der Veröffentlichungen, etc.) • Manche der befragten Personen gaben an, dass die Auswahlkriterien persönlichen Eigenheiten unterworfen sind. Oft werden die Kandidaturen interner Fachleute bevorzugt und die Professoren wählen ihre Assistenten.1 Oft werden ausländische Wissenschaftler privilegiert behandelt. An solchen Auswahlverfahren können die Postdocs im Ausland natürlich nicht teilnehmen. So hat die Bewerbung schweizerischer wissenschaftlicher Postdocs, die sich im Ausland befinden, wenig Aussicht auf Erfolg. • Bestimmte spezielle Fach- und Forschungsgebiete existieren nicht in der Schweiz. 1 Hier kann die Studiendauer von Nachteil sein. Ein Doktorat wird in der Schweiz relativ spät erworben. Auch ist die Zahl der Veröffentlichungen klein, vor allem im Vergleich zu den amerikanischen Studenten/Kandidaten 3 • Man hat den Eindruck, dass den Forschern in der Schweiz wenig Vertrauen entgegengebracht wird. Für einen jungen Wissenschaftler ist es schwierig, eine gewisse Unabhängigkeit zu erhalten und seine Projekte eigenverantwortlich zu verfolgen. Manchmal ist es sogar schwierig, in der wissenschaftlichen Karriere überhaupt einen Schritt vorwärtszukommen. • Ein Arbeitsplatz umfasst manchmal sehr verschiedene Aufgaben: Forschung, Lehrtätigkeit, Verwaltungsarbeiten etc.. Diese Belastungen führen dazu, dass ein guter Wissenschaftler nur einen kleinen Teil seiner Zeit wirklich der Forschung widmen kann.2 Im Falle der Schweiz ergeben sich auch Einschränkungen, die mit der Grösse des Landes einhergehen. Es gibt viel mehr amerikanische Universitäten als schweizerische, sodass es leichter ist, dort eine Anstellung zu bekommen. Allerdings ist es auch in Amerika nicht leicht, an einer der berühmtesten Hochschulen eine Anstellung zu finden. Amerikanische Universitäten haben eine grössere Zahl an Assistenzprofessuren, und die offenen Stellen sind auch für junge Wissenschaftler leichter zugänglich. Auswahlverfahren sind weniger starr, eine Promotion kann schneller erreicht werden. Es kommt öfter vor, dass Stellungen an amerikanischen Universitäten an schweizerische Postdocs vergeben werden. Schweizer nehmen diese Stellen trotz der Nachteile (mehr Druck und Konkurrenz, geringeres Gehalt und weniger Privilegien für Akademiker als in der Schweiz) gerne an. Mängel in der Karriereplanung Oft haben junge Wissenschaftler, die für ein Postdoc in die USA ziehen, eine akademische oder wissenschaftliche Karriere in der Schweiz geplant. Sie haben keine Alternativen vorgesehen, falls sich diese nicht verwirklichen lässt. Hinzu kommt, dass die jungen Wissenschaftler die Strategien nicht kennen, die bei Stellenbewerbungen 3 beachtet werden müssen, da sie nie damit konfrontiert wurden. Mehrere Postdocs haben erwähnt, dass sie nicht wissen, wie man einen Lebenslauf verfasst oder ein Bewerbungsgespräch vorbereitet und führt. Es ist paradox: diese brillanten Wissenschaftler verfügen über eine ausgezeichnete Ausbildung, können sich aber überhaupt nicht «verkaufen». Schwierigkeiten bei der Eingliederung in der Industrie Für die Forscher, die keine Stelle im akademischen Bereich "ergattern" oder die eine andere Karriere wählen, ist die Eingliederung in der Wirtschaft nicht einfach. Folgende Schwierigkeiten treten auf: Swiss Brains in the US – www.grstiftung.ch • Die Industriebetriebe und ihre Eigenheiten sind nicht gut bekannt, unter anderem wegen mangelnder Zusammenarbeit zwischen Universität und Industrie. • Oft wird ein Übergang zu einem Industriebetrieb als Verlust an wissenschaftlicher Freiheit empfunden. • Lange Postdoc-Zeiten sind kein Vorteil (mangelnde Glaubwürdigkeit oder Altersfaktor). • Der Umfang des Arbeitsmarktanteils ist oft umgekehrt proportional zum Grad der Spezialisierung. • Wie schon erwähnt, sind die Postdocs, die an eine akademische/wissenschaftliche Umgebung gewöhnt sind, nur wenig mit dem Prozedere vertraut, um sich auf dem Arbeitmarkt gut zu platzieren. 2 Dieses Handicap ist nicht spezifisch schweizerisch. Auch an amerikanischen Universitäten wird ein erheblicher Aufwand damit betrieben, Gelder zu finden 3 vor allem, was die spätere Wiedereingliederung in die Industrie betrifft 4 Zur Industrie hinüberzuwechseln, scheint in den Vereinigten Staaten leichter zu sein, schon allein deshalb, weil man die erforderlichen Schritte «vor Ort» vornehmen kann. Kontakte zu knüpfen oder wiederaufzunehmen ist aus der Ferne schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Ausserdem gibt es in den USA mehr Stellenangebote. Es kommt daher nicht selten vor, dass die schweizerischen Postdocs in den USA sich der amerikanischen Industrie zuwenden. Mit diesen Arbeitsmöglichkeiten in der Industrie und im akademischen Bereich werden die Betroffenen sowohl beruflich als auch privat mehr und mehr in den USA integriert und verlieren den Kontakt zur Schweiz. Probleme im Zusammenhang mit langen Postdoc-Zeiten Dieses Problem stellt sich tatsächlich für die Postdocs, die auf eine Anstellung in einer Schweizer Universität warten. Sie leben in einer Art verlängertem Übergangszustand, in dem sie weder zum amerikanischen noch zum schweizerischen Umfeld gehören. Sie neigen dazu, einen Postdoc-Posten nach dem anderen anzunehmen, während sie auf Angebote warten, die nicht kommen. Dies ist eine frustrierende und demotivierende Erfahrung. Wenn ihnen eine Neuorientierung ihrer Karriere an einer amerikanischen Universität nicht gelingt, ist es für sie nicht leicht, eine Stelle in der Industrie zu finden. Während der langen Suche haben die Schweizer Wissenschaftler oft das Gefühl, die Schweiz habe sie vergessen. Oft endet diese Zeit mit enttäuschten Karrierehoffnungen. Eine befragte Person 4 verdeutlicht diesen Sachverhalt mit folgender Metapher: «die Postdocs, die im Ausland auf eine Anstellung in der Schweiz warten, sind wie Flugzeuge, die über dem Flughafen kreisen, ohne eine Landeerlaubnis zu bekommen. Irgendwann geht ihnen unweigerlich das Benzin aus, und sie zerschellen am Boden». Vergabe von Stipendien Im Allgemeinen wird die Vergabe von Stipendien zwar für wünschenswert gehalten, weil sie eine Finanzierungsquelle darstellt. Sie kann aber keine Lösung an sich sein. Stipendienvergebende Stellen sind in der Schweiz nicht zahlreich, und noch dünner sind sie im akademischen Kreis gesät. Aus der Ferne sind sie sehr schwer zu finden. So können Stipendienfonds zwar willkommen sein, aber sie sind nur zeitlich begrenzte Lösungen und können das zentrale Problem des Mangels an beruflichen Möglichkeiten nicht lösen. Swiss Brains in the US – www.grstiftung.ch Die zeitlich begrenzten Stipendien geben nicht die Sicherheit einer festen Anstellung und stellen damit einen Unsicherheits- oder Instabilitätsfaktor dar. Die Stipendiaten gehen von einem Stipendium oder einer Zeitarbeit zur anderen über, wobei die Gelder mehrfach als ungenügend beschrieben wurden. Diese Situation ist für Personen, die eine Familie haben, besonders schwer zu ertragen. Personen, die nach dem Doktorat oder «Postdoc» nach Amerika kommen Nachwuchswissenschaftler, die nach einem Doktorat oder einer Postdoc-Phase in die USA kommen, tun dies oft wegen der beruflichen Möglichkeiten. Diese werden dort im allgemeinen für besser gehalten. Sie treten nicht eine Warteposition an, wie viele Postdocs. Nicht alle Personen, die sich in dieser Lage befinden, wollen in die Schweiz zurückkehren. Viele von ihnen sagen jedoch, dass sie gerne heimkehren würden, wenn sich eine interessante berufliche Chance böte. Aber auch hier muss gesagt werden, dass die Leute je länger desto mehr beruflich wie privat im amerikanischen Way of Life integriert sind. Eine Rückkehr in die Schweiz wird immer schwieriger, je mehr sie sich entfremden. Selbst in diesen Fällen ist ein Gefühl der Enttäuschung zubeobachten. Viele haben den Eindruck, die Schweiz habe sie vergessen, was sich auf folgende Art und Weise äussert: 4 Person, die zum Zeitpunkt der Befragung im Postdoc war 5 • Man hat den Eindruck, dass die Schweiz nicht viel unternimmt, um die betroffenen Schweizer Wissenschaftler zurückzuholen. • Es hält sich das Empfinden von nicht gehaltenen Versprechen und der Eindruck, dass berufliche Erfahrungen aus USA in der Schweiz trotz gegenteiliger Beteuerungen nicht richtig gewürdigt werden. Die Betroffenen sagen vor allem, dass in der Schweiz einiges geändert werden müsste, um interessante Möglichkeiten zu bieten, die einer Rückkehr förderlich wären, nämlich: • Unternehmensgründungen sollten vereinfacht und unterstützt werden, so zum Beispiel durch Zurverfügungstellung von Risikokapital. • Unternehmerqualitäten müssten gefördert und anerkannt werden. • Fehler müssten in der Schweiz als Lernschritt zum Erfolg toleriert werden. Dann gäbe es mehr Risikobereitschaft, mehr Innovationsgeist und mehr Kreativität. B. Die Faktoren «Push and Pull» Im folgenden werden schematisch aus der Sicht der USA und aus Schweizer Sicht die sog. Push-and-Pull-Faktoren beschrieben. Was spricht für ein Verbleiben in den USA? Was spricht gegen oder für eine Rückkehr in die Schweiz? Gründe für ein Verbleiben in den USA • Die Anstellungspolitik der amerikanischen Unternehmen: Amerikanische Firmen betreiben eine aggressive Auswahlpolitik. Sie wollen hochqualifizierte ausländische Arbeitskräfte durch Initiativen wie grössere Kontingente an «H1B»- Visa anziehen. Zudem bieten sie Aktienbeteiligungen (stock options) an. Swiss Brains in the US – www.grstiftung.ch • Unternehmergeist und das Recht, sich zu irren: Die Gründung von innovativen Firmen wird gefördert. Die USA gelten als dynamische Umgebung, in der Neuerungen gern gesehen sind. Auch der Unternehmergeist wird in den Staaten geschätzt. Man hat das Recht, etwas Neues zu versuchen und zu verändern. Man hat damit auch das Recht, Fehler zu machen, ohne seinen Ruf zu verlieren. • Karrieremöglichkeiten: Die Möglichkeiten, in der Privatwirtschaft Karriere zu machen, gelten allgemein in den USA als besser als in der Schweiz. Karrierestufen werden schneller erklommen und die Gehälter sind meist höher. An den amerikanischen Hochschulen sind allerdings die Gehälter im allgemeinen niedriger. Auch an den Universitäten sind die beruflichen Möglichkeiten und die Aufstiegsmöglichkeiten besser. Berufliche Möglichkeiten bieten sich an amerikanischen Universitäten auch zahlreicher und man steigt schneller auf. Die Kriterien sind offener, es wird z.B. mehr auf Kompetenz als auf Dienstjahre geachtet. Dies bestätigen fast alle, die den Fragebogen beantwortet haben. Sie sind der Meinung, dass ein Aufenthalt in den USA beruflich in jedem Falle positiv sei. Die Karriere geht hier schneller voran, man hat mehr Verantwortung und direkteren Zugang zu Stellen. • Amerikanische Universitäten und Schweizer Wissenschaftler: Im Allgemeinen gilt eine berufliche Erfahrung in den USA als Vorteil und an den Schweizer Universitäten wird oft dafür geworben. Amerikanische Universitäten ihrerseits nehmen gerne ausländische Wissenschaftler als Postdocs in ihre Teams und Laboratorien auf, denn so haben sie gut ausgebildete Forscher, die sie nichts kosten. • Arbeitsumgebung der Forscher: Die Schweizer Forscher, die eine Postdoc-Zeit in den USA verbringen, gehen oft an die bekanntesten Universitäten. Natürlich arbeiten sie dort unter optimalen Bedingungen, sowohl was das zur Verfügung stehende Material 6 betrifft als auch bezüglich Dialog mit erstrangigen Wissenschaftlern. Ganz allgemein werden sowohl in den Universitäten als auch in der Industrie die Strukturen als weniger starr und weniger hierarchisch empfunden. Und die Aufstiegsmöglichkeiten sind besser. Faktoren, die für/gegen eine Rückkehr in die Schweiz sprechen • Stellenmangel in der Industrie: Im Allgemeinen werden die Arbeitsmöglichkeiten in der Industrie als wenig zahlreich und ungenügend wahrgenommen, insbesondere im Vergleich mit den USA. Es herrscht die Furcht, in der Schweiz weder in der Wirtschaft noch in der Hochschule eine gleichwertige Stelle zu finden. • Schwierigkeiten bei der Gründung eines Unternehmens: In der Schweiz ist es schwierig, ein Unternehmen zu gründen. Es werden steuerliche und administrative Hindernisse sowie ein Mangel an Risikokapital moniert. • Schwierigkeiten einer akademischen Karriere: In der Schweiz ist es schwieriger, eine akademische Laufbahn einzuschlagen. Die Stellen sind weniger zahlreich. Die Auswahlverfahren hängen oft von internen oder persönlichen Verfahrensweisen ab, die der Kandidatur eines auslandschweizerischen Wissenschaftlers nicht gerecht werden. Auch ist es problematisch, dass es an Vertrauen in junge Wissenschaftler mangelt, die noch wenig Gelegenheit hatten, eigene Forschungsprojekte zu leiten.5 Darüber hinaus gibt es Spezialgebiete, die in der Schweiz nicht existieren. • Vorhandene Strukturen: Im Allgemeinen werden die Strukturen, sowohl an der Universität als auch in der Industrie, als starr und hierarchieorientiert empfunden, wobei Kriterien wie die Anzahl der Dienstjahre prägend sind. • Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung: Nach einem mehrjährigen Aufenthalt in den USA erfordert die Rückkehr in die Schweiz zusätzliche Bemühungen. Kontakte müssen neu geknüpft werden, man muss sich an andere Arbeitsbedingungen gewöhnen, etc. Swiss Brains in the US – www.grstiftung.ch • Administrative Schwierigkeiten: Es ist für die Schweizer Wissenschaftler in den USA zu teuer, sowohl bei der amerikanischen Rentenversicherung als auch bei der AHV Beiträge zu bezahlen. Deshalb sind zahlreiche Betroffene nicht mehr Mitglieder der AHV. Da keine entsprechenden Vereinbarungen zwischen den beiden Ländern abgeschlossen sind, werden die in den USA bezahlten Beiträge in der Schweiz nicht anerkannt. Der Austritt aus der AHV führt nicht nur zu verwaltungstechnischen Komplikationen bei der Rückkehr (hohe Beiträge oder Kosten bei der Wiederaufnahme des Vertrages), sondern auch zum Gefühl, nicht mehr ganz zur Schweizer Gesellschaft zu gehören. • «Geschlossene Gesellschaft» in der Schweiz: Manchmal haben nicht nur die Schweizer nach einem Auslandsaufenthalt Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung, sondern auch ihre Ehepartner. Es wurde schon erwähnt, dass es trotz beruflichen Qualifikationen schwierig sein kann, eine Arbeitserlaubnis zu erhalten. Auch ist es schwierig, für ausländische Mitarbeiter - beispielsweise im Rahmen einer Forschungsgruppe - eine Arbeitserlaubnis zu bekommen. • Rückkehr zum Überholten: Es wird oft gesagt, dass die wichtigen Dinge in Amerika passieren. Daher wird die Rückkehr in die Schweiz teilweise als Verrat an der wissenschaftlichen Karriere empfunden. • Mentalität: Die Schweiz wird oft als wenig flexibel beschrieben, als wenig dynamisch und Neuerungen gegenüber nicht aufgeschlossen («Das wird nie etwas!»). Fehler dürfen nicht passieren. 5 Der Mangel an Geldern, die für Forschung und Entwicklung zur Verfügung stehen, wurde von vielen Teilnehmern der Umfrage bedauert 7 Faktoren, die für eine Rückkehr in die Schweiz sprechen: Oft ist der Wille vorhanden, über kurz oder lang in die Schweiz zurückzukehren. Eine grosse Zahl der befragten Personen erklären, dass sie zurückgehen würden, wenn sich ihnen eine interessante berufliche Gelegenheit bieten würde. Letztere ist somit Bedingung – eine Bedingung, die oft nicht gegeben ist. Dieser Standpunkt wird durch unsere Untersuchung doppelt untermauert: erstens durch den Ruf nach besseren beruflichen Möglichkeiten und zweitens durch die Vorschläge, welche die Befragten bezüglich Initiativen zur Bereitstellung von Arbeitsplätzen machten. • Kulturelle und soziale Hintergründe: Es gibt spezifische soziale und kulturelle Gründe für eine Rückkehr in die Schweiz. Die Freunde, die Familie und der europäische Lebensstil fehlen den USA-Schweizern. Auch familiäre Gründe spielen eine wichtige Rolle, vor allem was die Schulbildung der Kinder betrifft: Die Kinder sollten in Europa aufwachsen, das schweizerische Schulsystem wird als besser beurteilt, die Schulkosten in den USA gelten als zu teuer. • Beruflicher Druck: Einige der Befragten beklagten sich über den Druck und den Stress, unter dem in Amerika gearbeitet wird. Der Arbeitsrhythmus erscheint in der Schweiz angenehmer. Zu diesem Druck trägt auch die zentrale Bedeutung des Geldes bei - sowohl bei der Erhebung von Geldern als auch als Massstab beruflichen Erfolges. Zum Druck tragen eine stark konkurrenzbetonte Mentalität bei sowie eine mangelnde Sicherheit des Arbeitsplatzes. C. Kommentar Aus unserer Untersuchung geht hervor, dass im Hinblick auf die Rückkehr in die Schweiz an erster Stelle die Schaffung von Arbeitsplätzen im wirtschaftlichen und akademischen Umfeld nötig ist, die potentiell auch noch andere (strukturelle) Veränderungen mit sich bringen kann. Swiss Brains in the US – www.grstiftung.ch Die Situation in der Schweiz kann punkto Berufschancen für Wissenschaftler mit derjenigen auf dem amerikanischen Markt nicht verglichen werden – da muss noch viel getan werden. Immerhin hat sich auch in der Schweiz einiges bewegt, so etwa im Biotech-Sektor. Tatsächlich werden mehr und mehr Möglichkeiten und Anreize für Neugründungen geschaffen und auch die Schweizer Hochschulen gestalten ihre Nachwuchsförderung attraktiver und bieten entsprechende Stellenmöglichkeiten an. Auch in dieser Hinsicht ist der Informationsfluss von zentraler Bedeutung. Die in den USA weilenden Wissenschaftler müssen über die Veränderungen informiert werden, die in der Schweiz vor sich gehen. Entwicklungen und Gelegenheiten sollten kommuniziert werden. Ein Informationsmangel kann die Sicht der Schweiz, die oft schon sehr kritisch ist, nur noch verschlechtern. Wie schon erwähnt, hat unsere Untersuchung nicht den Ehrgeiz, zu entscheiden, ob ein Brain Drain von der Schweiz nach Amerika vor sich geht. Sie will nur die Meinung der Schweizer Wissenschaftler wiedergeben, die in den USA weilen. Die Personen, die an dieser Studie teilgenommen haben, sind bisher mit der Schweiz in Kontakt geblieben. Die Leute aber, die den Kontakt mit der Schweiz nicht aufrechterhalten wollen, die also mit keinem Netzwerk, keiner Informationsquelle und keiner Gruppe mehr verbunden sind, sind hier nicht zu Worte gekommen. Sie haben beschlossen, den Kontakt ganz abzubrechen. 8 A Gründe der Abreise in die USA • die in den USA in Aussicht gestellten Erfahrungen, sowohl allgemein als auch im Hinblick auf eine Rückkehr in die Schweiz • mangelnde Gelegenheiten in der Schweiz • kulturelle Interessen • sprachliche Interessen • Stipendien • Ermunterung zur Abreise (z.B.durch Professoren in der CH) B Gründe für einen verlängerten Aufenthalt in den USA und für die Annahme einer Stelle in einer amerikanischen Universität • bessere Karrieremöglichkeiten • schnellerer Karriereaufstieg, mehr Verantwortung, Möglichkeiten von Kontakten und zur Verfügung stehende Netzwerke, etc. • wissenschaftliche Umgebung: hohes Niveau, Forschungsmöglichkeiten C Gründe für einen verlängerter Aufenthalt und Annahme einer Stelle in einem amerikanischen Unternehmen • bessere Karrieremöglichkeiten • schnellerer Karriereaufstieg • Umgebung: offene Mentalität, grössere Fehlertoleranz, Unternehmergeist, etc. • relativ aggressive Einstellungsstrategie der amerikanischen Unternehmen D Schwierige Rückkehr in ein Schweizer Unternehmen aus folgenden Gründen • Mangel an beruflichen Gelegenheiten (allgemein und auch im Vergleich zu dem in den USA Gebotenen) • manchmal negatives Image eines Übergangs von der Hochschule in die Wirtschaft • mangelndes oder fehlendes Netzwerk: man kann sich auf dem Markt nicht richtig einordnen • mangelnde oder fehlende Karriereplanung • Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in die Schweiz: verwaltungstechnische Schwierigkeiten, Sozialversicherung, Arbeitserlaubnis für den Partner, etc. • mangelnder Unternehmergeist in der Schweiz • starre Schweizer Mentalität, kein Recht auf Fehler E Schwierigkeiten bei der Rückkehr in eine akademische Laufbahn in der Schweiz aus folgenden Gründen • Mangel an beruflichen Möglichkeiten (im allgemeinen und an solchen, die den Möglichkeiten in den USA ebenbürtig sind) • schwieriger Aufstieg auf der Karriereleiter • starre akademische Strukturen in der Schweiz: Auswahlverfahren, ausgeprägtes Hierarchiedenken, etc. • Mangel an Connections (kein Netzwerk) und mangelnde Information • mangelnde oder fehlende Karriereplanung • Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in der Schweiz: verwaltungstechnische Schwierigkeiten, Sozialversicherung, Arbeitserlaubnis für den Partner, etc. • starre Schweizer Mentalität, kein Recht auf Fehler F Problematik einer verlängerten oder wiederholten Postdoc-Periode • mangelnde oder fehlende Karriereplanung • Mangel oder Fehlen von Beziehungen und von Informationen über die Schweiz • mangelndes oder fehlendes Netzwerk: man kann sich auf dem Markt nicht richtig einordnen • mangelnde Gelegenheiten in der Schweiz • Besonderheiten der akademischen Strukturen in der Schweiz:Geschlossenheit und besondere Praktiken im Auswahlprozess • keine passenden Gelegenheiten in den USA CH Industrie Universität A D E F Post-doc Swiss Brains in the US – www.grstiftung.ch C B Industrie Universität US Ausgaben für Wissenschaft sind Investitionen in die Zukunft Les coûts liés à la science sont un investissement pour l’avenir Investire nella scienzia significa investire nel futuro Spending money for science is investing in future