Auslandssemester am IEP Bordeaux

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Auslandssemester am IEP Bordeaux
Auslandssemester am IEP Bordeaux - Erfahrungsbericht
Ich verbrachte mein Auslandssemester im Rahmen des Studiengangs Politikwissenschaft am
Institut d’Études Politiques Bordeaux, dem politikwissenschaftlichen Institut, das auch „Sciences
Po“ genannt wird. Das Semester begann am 13. September 2007 und dauerte bis zum
14.01.2008.
Vorbereitung
Obwohl ein Auslandssemester für Politikwissenschaftler nicht verpflichtend ist, stand für mich
schon am Anfang des Studiums fest, dass ich ein Semester im Ausland studieren wollte. Da ich
mir schon immer gewünscht hatte, meine Französischkenntnisse zu perfektionieren, hatte ich vor,
dieses in Frankreich zu verbringen. Aus diesem Grund begann ich auch schon im ersten
Semester, mein Französisch in Kursen des Institut français zu verbessern.
Für Politikwissenschaftsstudenten besteht in Bremen die Möglichkeit, sich auch für die
Partneruniversitäten des Studiengangs „Integrierte Europastudien“ zu bewerben. Die Studenten
von IES gehen im Sommersemester ins Ausland, sodass im Wintersemester viele Plätze frei sind
und die Chance groß sind, für Erasmus akzeptiert zu werden. Ich konnte mich wegen dieser
Umstände für das Auslandssemester im Winter 2007 auch in Bordeaux bewerben. Ende des
Jahres 2006, also etwa ein Jahr vor meinem Auslandssemester, begann ich damit, die nötigen
Dokumente zu sammeln und das Motivationsschreiben zu verfassen. An der Uni werden
außerdem regelmäßig Informationsveranstaltungen angeboten, die besonders bei den
komplizierten Formalia und Fristen sehr hilfreich sind.
Grundsätzlich war für mich die Vorbereitung relativ stressfrei, da es immer Ansprechpartner gab,
die mir eventuelle Fragen beantworten konnten – sei es der Erasmuskoordinator des
Studiengangs, Lothar Probst, oder die Mitarbeiter des International Office. Anfangs mag man das
Gefühl haben, dass man überfordert würde von all der Bürokratie, aber letztlich sind tausend
andere Studenten den gleichen Weg gegangen und die Abläufe deshalb sehr gut organisiert.
Im Frühjahr bekam ich Bescheid, in Bordeaux angenommen worden zu sein und konnte bis zum
Sommer dann alle weiteren Formalia regeln sowie anfangen, mich über „Sciences Po“ zu
informieren.
Anreise
Flüge von Bremen nach Bordeaux sind relativ teuer, es bietet sich daher an, mit Billigfliegern von
Bremen oder Hamburg entweder nach Paris oder Toulouse zu fliegen und dann mit den BilligFrühbucherangeboten des TGV (www.tgv.fr, „Prem“ Paris-Bdx ab 20 Euro) nach Bordeaux zu
fahren. Mit dem Zug von Deutschland nach Bordeaux zu fahren ist allerdings vielleicht sogar noch
praktischer, denn wenn auch teurer, umgeht man so die Gewichtsbeschränkungen beim Fliegen,
die bei einem so langen Aufenthalt wirklich ein Problem darstellen.
Wohnungssuche
In Gesprächen mit Studenten, die vor mir in Bordeaux gewesen waren, erfuhr ich schon früh, dass
die Wohnungssuche in Bordeaux ziemlich schwierig sein sollte. Allerdings mochte ich mich
trotzdem nicht für ein Wohnheimzimmer bewerben, da ich von diesen noch Schlimmeres gehört
hatte. Im Sommer lernte ich jedoch über Freunde eine Französin kennen, die den September in
Bremen verbrachte und deren Wohnung in Bordeaux daher leer stand. Ich konnte deshalb für die
ersten Wochen zur Zwischenmiete in ihrer Wohnung wohnen, was mir etwas Spielraum bei der
Wohnungssuche gab.
Schon in Deutschland begann ich damit, im Internet nach Wohnungen und WGs zu suchen
(www.colocation.fr, www.kijiji.fr (kostenlos!), www.marche.fr und andere). Anders als in
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Deutschland kosten die meisten WG-Suchseiten allerdings eine monatliche Gebühr, wenn man
Kontakt mit den Leuten aufnehmen will. Ich habe außerdem die Erfahrung gemacht, dass die
Bordelais anscheinend selten auf Mails antworten – es ist daher wohl besser, immer direkt
anzurufen und ein Treffen auszumachen. Außerdem muss man sehr schnell sein.
Gleich nach meiner Ankunft in Bordeaux begab ich mich weiter auf Wohnungssuche. Es gibt in
Bordeaux zwei Gratis-Kleinanzeigen-Zeitungen (bekommt man in der Rue St Catherine und am
Cours du Chapeau Rouge), die allerdings schon am ersten Tag vergriffen sind – auch hier, ebenso
wie bei Online-Annoncen, sollte man noch am gleichen Tag anrufen. Nach drei Tagen und vielen
Anrufen war ich ziemlich pessimistisch, da ich noch nicht ein WG-Gespräch hatte. Allerdings
bekam ich dann eine Mail von einem Franzosen, der eine Untermieterin suchte, sodass ich dann
doch schon nach wenigen Tagen ein Zimmer gefunden hatte.
Später stellte sich heraus, dass es den anderen auch so ging – am Ende haben eigentlich alle
etwas Gutes gefunden, obwohl die Wohnungssuche in Bordeaux so kompliziert sein sollte. Es
scheint aber das Wichtigste zu sein, rechtzeitig, also vor der „Masse“ in Bordeaux anzukommen
und eine Wohnung zu suchen. Außerdem haben sich bei meinen Kommilitonen die Aushänge
beim CIJA (Centre information jeunnesse Aquitaine http://www.info-jeune.net/cija.php, am Cours
Pasteur) als sehr hilfreich – besser als die Internetseiten - erwiesen.
Eine interessante Alternative zu WGs und vor allem auch zu den heruntergekommen
Studentenwohnheimen sind übrigens die Mädchenwohnheime, die teilweise auch sehr zentral in
der Nähe des Cours Victor Hugo liegen. Hier zahlt man ca. 300 Euro Miete (CAF muss noch
abgezogen werden) und hat ein schöneres Zimmer als in den Wohnheimen, kann außerdem
Gemeinschaftszimmer nutzen und für einen Euro wöchentlich jeden Tag Lebensmittel mitbringen.
Der Nachteil: Es gibt keine Küche und man darf keinen „Herrenbesuch“ haben. Für mich war es
die richtige Entscheidung, in einer WG mit einem Franzosen zu leben, weil ich so mit ihm viel
französisch sprechen konnte und musste und mehr lernen konnte als viele, die (fast) nur mit
anderen Erasmus-Studenten zu tun hatten. Es bringt einfach mehr Spaß und ist effektiver, mit
einem Muttersprachler zu sprechen als mit anderen Erasmuslern, die die gleichen Sprachprobleme
oder Unsicherheiten haben wie man selbst.
Über die Wohnheime auf dem Campus habe ich selbst nur Schlechtes gehört: Hier gibt es keine
richtigen Küchen, keine Kühlschränke, außerdem sind sie unsicher, ebenso wie der Campus bei
Nacht, und es fehlt auch die nette Wohnheimatmosphäre, die man sich vielleicht vorstellt. Oft
haben die Flurnachbarn kaum Kontakt, was auch am Mangel an Gemeinschaftsräumen liegt.
Parties werden durch Nachtwächter erschwert. Außerdem verkehren die Trams nur bis ein Uhr
nachts, sodass man aus der Stadt nachts meist ein Taxi nehmen muss. Nichtsdestotrotz sind die
Preise (ca. 125€ minus CAF) ein Argument, sich doch dafür zu entscheiden.
Alle Studenten in Frankreich (auch ausländische) haben das Recht auf einen Mietzuschuss,
genannt «CAF». Der beträgt meist ca. ein Drittel der Miete, also bei mir (350€) 140€ und sollte
frühzeitig unter Vorlage eines Mietvertrags beantragt werden, ist aber auch für Untermieten - also
ohne Vertrag - möglich. „Hohe“ Mieten von 300-400€ im Stadtkern werden also ganz schnell
erträglich. Im ersten Monat wird meist noch nicht gezahlt, aber der schnelle Ablauf wird
beispielsweise im „Rentrée des étudiants“ – einer Art Willkommens-Infopunkt erleichtert. Hier, in
der Mensa am Marché des Capucins findet man Ansprechpartner zu Visumsfragen, zur
Wohnungssuche, zur CAF etc.
Wer in den ersten Tagen noch kein Internet hat, kann dort online gehen oder aber bei den WIFIHotspots in Cafés oder bei McDonalds.
Transport
In Bordeaux gibt es seit ein paar Jahren drei Tram-Linien, die die Buslinien ergänzen. Zur Uni fährt
die Linie B (Pessac), die von der Innenstadt bis zur Station Michel/Montaigne (dem Namen der
Unis Bdx 3 und Bdx4) ca. 20 min braucht. Da diese jedoch meist völlig überfüllt ist oder streikt, ist
ein Fahrrad eine echte Alternative, da man manchmal fast schneller ist (Alternative auch für auf
dem Campus Lebende, die sich das Taxi sparen wollen…). Billige, aber sehr alte Fahrräder
bekommt man auf dem Flohmarkt (Marché des puces) St Michel für 20-30€. Aber trotzdem gut
anschließen!
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Für die Tram gibt es verschiedene Tickets: Jahresabos, Monatstickets (ca. 25€) oder Zehnertickets
(6,10€). Infos gibt es im TBC-Laden am Place du Gambetta oder am Bahnhof.
Universität
Das „Institut d’Études Politiques“ bzw. „Sciences Po Bordeaux“ ist ein unabhängiges Institut, das
keiner der vier Universitäten angegliedert ist und auch anders finanziert wird als übrige
Universitäten. Es ist eine der „Grandes Écoles“ und so eine Art Vorschule zur „École nationale
d’administration (ENA)“. Hier wird darauf abgezielt, die zukünftige politische Elite Frankreichs
auszubilden. Im Hochschulranking der französischen politikwissenschaftlichen Institute belegt es
hinter Paris und Lille den dritten Platz. Das IEP ist grundsätzlich finanziell gut ausgestattet, und
bietet ein breites, interdisziplinäres Kursangebot auf hohem Niveau an.
Grundsätzlich unterscheidet sich das Kursangebot von dem in Deutschland, da am IEP auch
anthropologische, historische oder kulturwissenschaftliche Schwerpunkte gesetzt werden.
Daneben finden allerdings auch Vorlesungen mit juristischer, ökonomischer und selbstverständlich
auch politikwissen-schaftlicher Thematik statt. Als Erasmusstudent kann man zwischen allen
Kursen vom ersten bis zum vierten Jahr wählen. Besonders gefallen hat mir das CEAN (Centre
d’Études de l’Afrique Noir) mit den Vorlesungen zur Entwicklungspolitik und zur Anthropologie und
Politik des subsaharischen Afrikas. Auch die Bibliothek des CEAN ist sehr gut ausgestattet.
Um seine eigenen Kurse auszuwählen, sollte man sich am Besten am Anfang alle in Frage
kommenden Kurse ansehen um zu prüfen, ob man sprachlich und akademisch den Anschluss
bekommt. Grundsätzlich unterscheidet sich die Didaktik sehr stark von der deutschen – in den
Vorlesungen dozieren die Professoren meist einen vorgeschriebenen Text, inklusive
Wiederholungen und Wortwitzen, den die Studenten im Fließtext mitschreiben. Zwar ist dies für
uns Erasmusstudenten sehr praktisch, da man sich oft die Mitschriften französischer Kommilitonen
ausleihen kann und diese einem über die eigenen Verständnisschwierigkeiten hinweghelfen,
allerdings leidet hierunter auch die Lebendigkeit der Vorlesung. Anders ist es wahrscheinlich in
den seminarähnlichen „Conférences de méthode“, die allerdings sehr viel Engagement,
Sprachkenntnis und Arbeitsaufwand erfordern.
Am Anfang des Semesters kann man sich freiwillig mit einem Sprachtest in Sprachkurs-Gruppen
einteilen lassen. Auf fünf verschiedenen Niveaus haben wir im Laufe des Semesters Referate
gehalten, diskutiert und Feinheiten der französischen Sprache gelernt, was ich sehr hilfreich fand.
Die Stimmung am IEP lässt schon durchschimmern, dass dies ein Eliteinstitut ist. Die
französischen Kommilitonen habe ich selbst zwar nie als unfreundlich oder arrogant erlebt,
allerdings merkt man schon, dass eine bestimmte Art von Studenten hier versammelt sind –
Studenten, die einen sehr schweres Aufnahmeverfahren durchlaufen haben und die außerdem
stets gut gekleidet und vielleicht eher konservativ eingestellt sind. Im Laufe der Streiks zur
Autonomie der Universitäten in Frankreich war beispielsweise das IEP das einzige Institut in
Bordeaux, das nicht gestreikt hat – auch wenn dies daran lag, dass das IEP ohnehin anders
finanziert wird. Solidarität kam hier aber wohl eher nicht zutage.
Auch in Bordeaux im täglichen Leben wurde deutlich, dass man als Student von „Sciences Po“ ein
sehr hohes Ansehen genoss – ganz anders, als man es in Deutschland als Politikwissenschaftler
gewohnt. Mir selbst hat es an anderen Universitäten wie zum Beispiel Bordeaux 3 („Lettres“)
besser gefallen, da hier mehr Leben, Individualität und Freiheit zu sein schien – allein räumlich, da
das IEP eher einer Schule gleicht, in der in den Pausen Platzmangel und Lärm herrscht.
Akademisch bezweifle ich, dass mir das Semester am IEP viel gebracht hat. Zwar haben mich
einige Vorlesungen thematisch sehr interessiert, doch verhindern die genannten Lehrmethoden ein
aktives und interaktives Lernen. Am Ende des Semesters musste in jedem Fach eine Prüfung
bestanden werden um die für Erasmus erforderlichen 30 ECTS mit nach Hause bringen zu
können. In Frankreich bekommt man für einen Kurs weniger ECTS als in Deutschland, sodass der
Arbeitsaufwand doch nicht gerade gering ist. Einige Klausuren bestanden aus Multiple-ChoiceFragen, aber am interessantesten war es für mich, eine Hausarbeit auf französisch zu schreiben.
Hier merkt man, dass man auch in vier Monaten einiges gelernt hat. Da die Franzosen erst nach
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den Weihnachtsferien ihre Prüfungen haben, werden vor Weihnachten gesonderte Prüfungen für
die Erasmus-Studenten anberaumt.
Am IEP ist Mme. Gabrielle Stockmann zuständig für die Betreuung der Erasmusstudenten und
organisierte beispielsweise auch die Einschreibung, die Anrechnung von Kursen oder die
Wohnangelegenheiten. Ihr sollte man auch frühzeitig Bescheid geben, dass man eine Wohnung
sucht, da sie schon einige Monate vorher Mails mit Wohnangeboten verschickt. Hier sollte man
vielleicht einfach den Fotos und Beschreibungen glauben, da dies einem Sucherei nach der
Ankunft ersparen könnte…
Außerdem hilfreich ist die Association „Erasmix“, die zum besseren Eingewöhnen Parties und
Aktivitäten veranstaltet. Auch als Erasmusstudent kann man sich hier aktiv beteiligen und
Unternehmungen planen.
Als Student hat man mit seinem Studentenausweis Zugang zum WIFI-Netzwerk (WLAN) sowie zu
den beiden Bibliotheken des Instituts sowie auch zu den anderen (z.B. in angrenzenden Bordeaux
3, Bdx 4 oder der Zentralbibliothek). (Problematisch hier: zur Eröffnung eines Bibliothekskontos
braucht man ein Scheckheft, das man erst bekommt, wenn man ein Bankkonto hat, das man
wiederum meist erst bekommt, wenn man einen Wohnsitz hat… - beste Konditionen (50 Euro
Begrüßungsgeld) bekommt man übrigens bei der BNP, während die Partnerbank des IEP, die CIC,
sogar Gebühren verlangt).
CROUS, das französische Studentenwerk, betreibt nicht nur die Wohnheime, sonders auch auf
dem Campus (und in der Stadt am Marché des Capucins) verschiedene Mensen, die zwischen
11.30 und 14.00 Uhr für 2,80€ warme Mahlzeiten anbieten. Auch Sandwiches und Döner bekommt
man an einigen Stellen auf dem Campus.
Bordeaux
Die Stadt Bordeaux ist sehr schön, da der gesamte Stadtkern aus alten Sandsteinhäusern besteht.
Besonders rund um den Jardin public und an den Quais sind diese sehr schön saniert und
verleihen Bordeaux einen eleganten und wunderschönen Charakter. Nicht umsonst nennt man es
auch das „kleine Paris“. Es besitzt außerdem in der Innenstadt neben den üblichen Ketten und
Fastfoodläden auch viele schöne Läden und Cafés. Rund um St Pierre befindet sich das Kneipenund Restaurantviertel und etwas weiter Richtung St Michel kann man meiner Meinung nach am
Schönsten und auch preiswert wohnen. St Michel sollte man vielleicht meiden, da dies als
„Quartier chaud“ bezeichnet wird und nachts etwas unheimlich sein kann – tagsüber ist es dafür
umso schöner und lebhafter, wenn die Maghrebins hier ihre Läden öffnen oder auf dem
Wochenmarkt (Samstag) oder dem Flohmarkt (Sonntag) ihre Waren verkaufen. Für mich war St
Michel das authentischste und individuellste Viertel der Stadt, da hier noch nicht alles so schier
und sauber war wie anderswo. Nichtsdestotrotz hat mich die Stadt sehr begeistert – man konnte
um St Pierre herum Café trinken oder im „Utopia“-Kino Programmfilme sehen, im Grand Théâtre
Opern und Konzerte genießen, in den Museen umherstöbern, an den Quais joggen und in der Rue
St Catherine einkaufen, abends an den Quais Rotwein trinken… Die angenehmen Temperaturen,
die noch bis Oktober geherrscht haben und die Sonne, die dort öfter scheint als in Bremen, lassen
einen die Stadt noch mehr genießen und Ausflüge machen.
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