Gefühlschaos im Big Apple

Transcription

Gefühlschaos im Big Apple
Kino
20
NUMMER 99
Unschuld
und
Mitgefühl
Kino kompakt
DIE ERFINDUNG DER LIEBE
Eine Komödie –
trotz allem Unglück
Eigentlich sollte „Die Erfindung der
Liebe“ ein völlig anderer Film
werden: Ein Liebespaar versucht,
an das Vermögen einer todkranken
Millionärin zu kommen. Doch während des Drehs im Juli 2011 starb
die Hauptdarstellerin Maria Kwiatkowski mit nur 26 Jahren. Regisseurin Lola Randl beschloss, trotzdem weiterzumachen: „Ich habe
dann den Tod ins neue Drehbuch
geschrieben, weil ich nicht wusste,
wie ich ihm sonst begegnen sollte“,
erklärt sie. Auch zuvor mit Kwiatkowski gedrehte Szenen fügte Randl
ein. Entstanden ist eine Tragikkomödie mit Sunnyi Melles und Mario
Adorf, in der die Hauptdarstellerin
nicht am Filmset auftaucht. Eine
Praktikantin soll sie ersetzen, sie
hat jedoch viel weniger Talent. Deshalb versinken die Dreharbeiten
bald im Chaos. (dpa)
***
Filmstart in Augsburg
Pompös: „Die Schöne
und das Biest“
VON HARALD WITZ
O
DIE MUPPETS 2 – MOST WANTED
Frosch Kermits
unheimlicher Schatten
Kermit ist fassungslos. Beim Gastspiel mit den „Muppets“ in Berlin
wird der Frosch festgenommen und
von Filmpolizist Til Schweiger in
ein russisches Straflager verbannt.
Die Puppentruppe auf großer Europatournee merkt von Kermits
Verschwinden zunächst gar nichts.
Denn ein Frosch-Doppelgänger,
der Welt meistgesuchter Verbrecher namens Constantine, hat sich
ins Ensemble eingeschlichen. Drei
Jahre nach seinem ersten MuppetsKinofilm legt der britische Regisseur James Bobin mit „Muppets
Most Wanted“ nach. Kermit, Miss
Piggy und all die anderen agieren
vor der Kamera so souverän, leidenschaftlich und mit vollem Körpereinsatz, dass man vergisst, dass
sie keine Menschen sind. (dpa) ***
Filmstart in vielen Kinos der Region
O
Frosch Kermit und Veranstalter Dominic
Fieslinger (Ricky Gervais). Foto: Disney
Weiter sehenswert
● Her *****
Erotik von Mensch zu Computer,
das Oscar-Werk von Spike Jonze
● Lauf Junge Lauf ****
Pepe Danquart lässt einen jüdischen
Bub vor den Nazis davonrennen
● Yves Saint Laurent ****
Das Leben des genialen Modeschöpfers als Film von Jalil Lespert
MITTWOCH, 30. APRIL 2014
Vier alte Freunde (von links): Isabelle (Cécile De France), Xavier (Romain Duris), Wendy (Kelly Reilly) und Martine (Audrey Tautou) sind durch eine facettenreiche Geschichte
einander eng verbunden. Jetzt sind sie alle in New York gelandet und geraten sich erneut in die Quere.
Foto: Studiocanal
Gefühlschaos im Big Apple
Beziehungsweise New York Die dritte Fortsetzung der Komödie „L’Auberge Espagnol“ führt
jenseits des großen Teichs zum freien Fluten wankelmütiger Gefühle der vier alten Freunde
VON MARTIN SCHWICKERT
Digitalkamera, kleines Budget, eine
geräumige Wohnung in Barcelona
und acht junge Schauspieler aus fünf
europäischen Ländern – aus diesen
bescheidenen Zutaten bastelte der
französische Regisseur Cédric Klapisch mit „L’Auberge Espagnol –
Barcelona für ein Jahr“ 2002 eine erfrischende Studentenkomödie, die
allein in Frankreich über drei Millionen Zuschauer ins Kino zog.
Die paneuropäische Chaos-WG
feierte die eigene Orientierungslosigkeit als Zustand produktiver Verwirrung. Lebenssinnsuche, Finanznöte, Karriereplanung und natürlich
das schwierige Paarungsverhalten
geschlechtsreifer Erasmus-Studenten verquirlte Klapisch zu einem äußerst unterhaltsamen Generationsporträt. In der Fortsetzung „Wiedersehen in St. Petersburg“ (2005)
fand das wilde Studentenleben zwar
ein Ende, aber an der Orientierungslosigkeit der Figuren hatte
sich wenig geändert.
Neun Jahre später folgt nun mit
„Beziehungsweise New York“ der
mittlerweile dritte Teil der fiktiven
Langzeitstudie. Die alten Freunde
gehen inzwischen auf die Vierzig zu,
haben beruflich Fuß gefasst, schaffen es aber auch im fortgeschritte-
nen Alter nicht, ein wenig Ruhe ins
Liebes- und Privatleben zu bekommen. Als Wendy (Kelly Reilly –
„Flight“) ihm eröffnet, dass sie mit
den gemeinsamen Kindern von Paris nach New York zu ihrem neuen
Geliebten ziehen wird, entschließt
sich Xavier (Romain Duris – „Der
Auftragslover“) ebenfalls zum Umzug nach Manhattan. Als Schriftsteller kann er auch auf der anderen Seite des großen Teiches arbeiten und
verliert so seine Kinder nicht aus
den Augen.
Im Big Apple ist ebenfalls Isabelle
(Cécile de France – „Die MöbiusAffäre“) gelandet, die dort mit ihrer
Freundin Ju (Sandrine Holt) zusammenlebt und ein Kind erwartet, für
das Xavier als Samenlieferant gedient hat. Das emotionale Chaos
komplettiert sich, als seine Ex-Geliebte Martine (Audrey Tautou –
„Die fabelhafte Welt der Amélie“)
ihren Besuch ankündigt, und es in
der engen Wohnung zu unverhofften Wiederannäherungen kommt.
„Beziehungweise New York“ ist
ein rundum erfreuliches Wiedersehen mit vertrauten Charakteren.
Der Regisseur
● Cédric Klapisch (*4. September
1961 in Neuilly-sur-Seine) studierte
ab 1984 Film an der New York University. Dorthin kehrte er 25 Jahre später zurück. Auch wenn das heutige NY
mit der Stadt damals nichts mehr zu
tun habe, sei sein neuer Film voller
„persönlicher Kurzschlüsse“, sagt er.
● In der Zwischenzeit beließ Klapisch
es meist bei Paris. Seinen Durchbruch erzielte Klapisch mit der Stadtteilstudie „… und jeder sucht sein
Kätzchen“ (1996). Der folgende Film
„Typisch Familie!“ erhielt 1998 drei
Césars, u. a. für das beste Drehbuch.
2008 stellte er den wehmütig-charmanten Episodenfilm „So ist Paris“ fertig. In Anlehnung an die sozialkritischen Komödien von Ken Loach schrieb
er 2010 die französische Variante
„Mein Stück vom Kuchen“.
● Sein erfolgreichster Film wurde
„L’Auberge Espagnol – Barcelona
für ein Jahr“ (2002). Dreimal knüpfte
Klapisch seither an die Komödie an,
die auch auf die Karriere der Schauspielerinnen Cécile de France, die
für ihre Darstellung der Isabelle gleich
zwei Césars gewann, und Audrey
Tautou großen Einfluss hatte. (loi)
Christophe Gans, Schöpfer des packenden Fantasy-Epos „Pakt der
Wölfe“, hat sich an eine gewagte
Neuverfilmung des französischen
Märchens „Die Schöne und das
Biest“ von 1740 gemacht – meilenweit entfernt von Hollywood. Gans
hat jedoch nichts gegen moderne
Technik und Bildeffekte, sodass seine Neufassung von visueller Opulenz geradezu überquillt. Dabei sind
die pompösen Bilder immerzu Teil
der imposanten Erzählung, die größer als das Leben ist.
Gans und seine Co-Autorin Sandra Vo-Anh verlegen die Handlung
ins Jahr 1810, in die napoleonische
Zeit und die Romantik. Ein reicher
Pariser Kaufmann (André Dussollier) verliert sein Vermögen bei einem riskanten Geschäft und muss
mit seinen sechs Kindern aufs Land
ziehen. Auf Geschäftsreise findet er
bei einem Unwetter Quartier in einem seltsamen Schloss. Für seine
jüngste Tochter Belle (Léa Seydoux) pflückt er verbotenerweise
eine Rose als Mitbringsel. Zur Strafe
soll er lebenslang Gefangener des
monströsen Schlossherrn sein. Erlaubt ist dem Kaufmann allerdings,
sich noch einmal von der Familie zu
verabschieden. Statt seiner kehrt
Belle zum Schloss zurück. Die Bestie nimmt den Tausch an …
Die junge Léa Seydoux, in Frankreich ein gefeierter Star, vereint mühelos Unschuld, Mitgefühl und
Emanzipation. Vincent Cassel hat es
unter seiner CGI-Maske sehr viel
schwerer. Seine inneren Kämpfe mit
Schuld und Reue und aufkeimende
Gefühle für Belle wirken praktisch
nur über seine Stimme.
***
Anders als etwa in Richard Linklaters
„Before …“-Langzeit-Serie
überwiegen hier weniger die beziehungsanalytischen Töne, sondern
das freie Fluten der Gefühle und das
daraus resultierende Chaos-Potenzial. Klapischs grundsympathische
Figuren sind auch nach zwölf Jahren
quicklebendig und fühlen sich gerade in ihrer Wankelmütigkeit immer
noch sehr glaubwürdig an. Dabei
besteht der Film auf einen sympathisierenden Blick, der einerseits die
komischen Seiten der unsteten Lebensentwürfe herausarbeitet, andererseits aber auch das Bemühen der
Figuren zeigt, die eigenen Gefühle
authentisch auszuleben und immer
wieder flexibel auf neue Situationen
zu reagieren.
Denn ganz nebenbei gelingt „Beziehungsweise New York“ auch das
Porträt einer kosmopolitischen Generation, für die die Globalisierung
und das Gleiten zwischen den Kulturen längst zur alltäglichen Selbstverständlichkeit geworden sind.
Klapisch hat angekündigt, dass dies
wohl die letzte Folge seiner „L’Auberge Espagnole“-Serie sein wird.
Das wäre schade, denn mit diesen
quirligen Charakteren würden wir
gern gemeinsam alt werden. ****
Filmstart in Aichach, Augsburg, Donauwörth, Füssen, Ingolstadt, Kaufbeuren, Kempten, Neu-Ulm, Penzing, Ulm
O Filmstart in Augsburg und Ulm
Unschuld, Mitgefühl und Emanzipation:
Léa Seydoux als Belle.
Foto: Concorde
O
Rache ist weiblich
Schlappe Sandale
Unsere Wertungen
Schadenfreundinnen Hollywoods toughe Frauen fahren die Krallen aus
The Legend of Hercules Erbärmliche Helden
* sehr schwach
** mäßig
*** ordentlich
**** sehenswert
***** ausgezeichnet
VON BRITTA SCHULTEJANS
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arbeiten die Regisseure?
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Was tun, wenn sich die neue Liebe
als Lügner entpuppt? Was, wenn
der Ehemann fremdgeht? Die drei
„Schadenfreundinnen“ haben darauf eine radikale Antwort: Wir tun
uns zusammen und machen ihn fertig! Hollywoods Komödien-Expertin Cameron Diaz, Leslie Mann und
Kate Upton treten in die Fußstapfen
von Bette Midler, Goldie Hawn,
Diane Keaton und Maggie Smith,
die im „Club der Teufelinnen“ publikumswirksam Rache an der Männerwelt übten.
Mark (Nikolaj Coster-Waldau,
„Game of Thrones“) ist der Klassiker eines notorischen Fremdgehers.
Seiner Freundin Carly (Diaz) spielt
der attraktive Lügner den frisch
Verliebten vor, seiner Ehefrau Kate
(Mann) den liebenden Ehemann
und seiner jungen Geliebten Amber
(Upton) den gehörnten Gatten, der
sich von seiner herzlosen Ehefrau
ablenken muss. Als sich die drei hinter seinem Rücken zusammentun,
wendet sich das Blatt. „Wir haben
Marks Charakter als den bösesten
aller bösen Männer kreiert. Das haben wir natürlich getan, weil es lustig ist“, sagte die 41-jährige Diaz in
einem Interview. „Wenn er nur ein
kleiner Lügner wäre, hätte es uns
und unsere Rache ziemlich gemein
aussehen lassen.“ Denn diese Rache
hat es in sich: weibliche Hormone
und Enthaarungscreme inklusive.
Regisseur Nick Cassavetes („Wie
ein einziger Tag“, „Im Körper des
Feindes“) drehte den Film für einen
perfekten Mädelsabend im Kino. Es
ist hoch unterhaltsam, wie die drei
Schönheiten in ihrer Rache aufgehen, und berührend, wie sie leiden
und ihrem Leben einen neuen Dreh
geben. Die Botschaft dieser Komödie lautet also: Frauen dieser Welt,
haltet zusammen und lasst euch
nicht von den Männern als Konkurrentinnen verheizen! (dpa)
***
O Filmstart in vielen Kinos der Region
Vereint in Rachegefühlen (von links): die Freundinnen Amber (Kate Upton), Carly (Cameron Diaz) und Kate (Leslie Mann).
Foto: 20th Century Fox
VON GÜNTER H. JEKUBZIK
Hercules war ursprünglich ein griechischer Film-Held, dessen klassisches Werk „Die zwölf Aufgaben
des Filmemachers“ jetzt von Renny
Harlin neu umgesetzt wurde:
1. Wenn Hercules draufsteht,
aber tatsächlich irgendeine Folge
von TV-Sandalen-Filmen nacherzählt wird, fühlt man sich betrogen.
2. Billige Effekte, wie die Begattung der Königin Alkmene durch
den unsichtbaren Zeus mit Blitz und
Donner zu begleiten, steht nur einem Schülertheater gut.
3. Dass Zeus’ Sohn als ungeliebter
Bastard (Kellan Lutz) wie ein blonder Bodybuilder mit zu wenig Geld
für Klamotten aussieht und der dunkelhaarige Halbbruder Iphikles
(Liam Garrigan) immer verschlagen
schief schaut, ist Personenzeichnung
mit dem Holzhammer.
4. Heldentaten wie der Ringkampf mit einem Löwen machen
keinen Eindruck, wenn das Tier erbärmlich schlecht animiert ist.
5. Wenn der Hercules-Held seine
schöne Hebe (Gaia Weiss), am idyl-
lischen Teich trifft, sollte das nicht
nach Softporno der 70er aussehen.
6. Wenn die Liebenden vor der
Verheiratung Hebes mit dem garstigen Halbbruder fliehen, dürfen die
Verfolger nicht ohne Grund plötzlich nahe an dem Paar dran sein.
7. Gib keine Millionen für eine
extrem simple Dramaturgie eines
schlechten Jugend-Abenteuers aus.
8. Mache die Musik zu der jeweiligen Situation nicht so überdeutlich, als wenn dir jemand mit dem
Akustik-Brett vor den Kopf schlägt.
9. Benutze niemals Kulissen-Reste von anderen Sandalen-Filmen.
10. Während glänzende Kampfreihen in den vielen Schlacht- und
Prügelszenen noch okay sind, weiß
glänzende Zahnreihen sind es im alten Griechenland nicht!
11. Versuche nie, Erfolge wie
„300“ mit weniger Geld und Ideen
zu kopieren. Das sieht albern aus.
12. Wenn einst große ActionGötter nichts mehr hinbekommen,
verspottet man sie nicht noch mit so
einem mistigen C-Film.
*
O Filmstart in vielen Kinos der Region