der hat uns noch gefehlt! - henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag
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der hat uns noch gefehlt! - henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag
Lope de Vega DER HAT UNS NOCH GEFEHLT! (Originaltitel: De cuándo acá nos vino) Aus dem Spanischen von Klaus Laabs Fassung des Deutschen Theaters Berlin von Katja Paryla und Hans Nadolny 1 © henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 1995 Als unverkäufliches Manuskript vervielfältigt. Alle Rechte am Text, auch einzelner Abschnitte, vorbehalten, insbesondere das der Aufführung durch Berufs- und Laienbühnen, des öffentlichen Vortrags, der Buchpublikation und Übersetzung, der Übertragung, Verfilmung oder Aufzeichnung durch Rundfunk, Fernsehen oder andere audiovisuelle Medien. Das Vervielfältigen, Ausschreiben der Rollen sowie die Weitergabe der Bücher ist untersagt. Eine Verletzung dieser Verpflichtungen verstößt gegen das Urheberrecht und zieht zivil- und strafrechtliche Folgen nach sich. Die Werknutzungsrechte können vertraglich erworben werden von: henschel SCHAUSPIEL Marienburger Straße 28 10405 Berlin Wird das Stück nicht zur Aufführung oder Sendung angenommen, so ist dieses Ansichtsexemplar unverzüglich an den Verlag zurückzusenden. 2 F1 PERSONEN Fähnrich Leonardo Beltran, sein Kamerad Hauptmann Fajardo Alfaro, Sergeant Doña Barbara Angela, ihre Tochter Don Kerze Alonso, dessen älterer Freund Don Las Vegas, ein reicher Amerikaner Toledo, dessen Diener Lope, Diener Barbaras Lucia, Dienerin Barbaras 3 1. Bild Casino der Garnison in der spanischen Provinz Flandern Hauptmann Meine guten Wünsche begleiten Euch. Fähnrich Ich bin von Herzen dankbar. Alfaro So wollt Ihr wirklich reisen? Uns in der Ödnis lassen? Hauptmann Heute geht es also los? Fähnrich Ja, ja! Beltran Heut gehts los! Fähnrich Heute brech ich auf nach Spanien, seine Hoheit, der Feldmarschall, gab mir Urlaub . . . Alfaro Der Feldmarschall! Fähnrich . . . und Briefe für Madrid das ganze Lager. Hauptmann Oh, Madrid, Madrid . . . Stadt der Ämter und Gnaden, Hofschranzen, Stellenjäger, Nichtstuer! Alfaro Pfaffen! Pfaffen, überall Pfaffen! Ratten! Wanzen fressen einen auf. Oh Hauptstadt! Beltran Huren! Filzläuse! Aber Leben! Hauptmann Ich weiß nicht, Fähnrich, wie schwer mir Ihre Abwesenheit wird. Fähnrich Und ich nicht, Herr Hauptmann, wie ich die Eure bedauern werde! Alfaro Wie ihr uns fehlen werdet! Hauptmann Wie einen Sohn habe ich Sie geliebt. Fähnrich Und ich Euch, Herr, wie einen Vater. Beltran Ich wie ein Onkel! 5 Fähnrich Und jetzt bitte ich Sie um Verzeihung für die Verfehlungen, die ich Ihnen antat. Hauptmann Macht mir die Brust nicht weich! Ihr habt so gut gedient seiner Majestät in Flandern . . . Beltran . . . in Indien, Amerika, Madagaskar! Hauptmann . . . daß Ihr Schriftstücke mitnehmt so leuchtend von diesen Wahrheiten, daß sie für Eure Bewerbungen um ein Amt am Hof leicht Eingang finden werden durch die Schwierigkeiten der dicksten Doppeltüren. Beltran Da warten schon die andern – abgewichste Soldaten, Adlige ohne Geld. Arme Schlucker. Alfaro Und Pfaffen! Pfaffen! Hauptmann Die Hauptstadt ist ein Krankenhaus! Sünden wuchern dort wie Eiterbeulen. Alfaro Madrid! Sodom und Gomorra! Hauptmann Ich selber kann, so gern ich möchte, Euch nicht die Wege ebnen, ich kenne keinen einflußreichen Mann. Einen Brief kann ich Euch geben. Fähnrich Für wen? Alfaro Madrid! Ein spanisches Babylon. Hauptmann Hört mir zu. Meine Geburt war in Madrid, dem spanischen Hof. Ich ging nach Flandern sehr jung, und es ist seltsam, nie wieder setzte ich seitdem auf spanischen Boden den Fuß. Ich habe eine Schwester in Madrid, die die Abwesenheit nicht aus meinem Gedächtnis fortwischen konnte; und die mir, gebt acht, vergilt solcherart diese Liebe, daß es nichts gibt, was ich ihr schreibe, was sie nicht tut und befolgt. 6 Sie ist reich, Leonardo, und kann, wenn sich Gelegenheit bietet, in Madrid meinen Teil für Euch tun. Fähnrich Tausend Jahre schütze Euch Gott und diese Herrin auch, die kennenzulernen mich beglücken wird. Auch wenn ich fürchte, die Geschäfte werden wenig Raum mir geben, ihr zu dienen. Beltran Es ist etwas Wunderbares! Sie seiner Obhut anvertraut zu wissen. Hauptmann Nun, in so offner Freundschaft gibt es keine Furcht, die mich zurückhielte: nehmt diese goldne Tabatière. Fähnrich So etwas sollt Ihr nicht tun . . . Beltran Morgenstund hat Gold im Mund – Alfaro Dem Gold ist jeder hold – Hauptmann Gold macht dem Lahmen Füße – Beltran Faulheit stärkt die Glieder – Alfaro Gold öffnet alle Türen – Beltran Ein Goldscheißer sitzt nirgends im Weg. Hauptmann Gesundheit geht vor Gold und Silber – Fähnrich Reich an Gold, reich an Sorgen – Hauptmann Dem Kranken hilft kein goldnes Bett – Alfaro Wenn Donnerstags die Sonne an bedecktem Himmel untergeht, regnets an drei Tagen – Fähnrich Aber nur dann, wenn es Gott gefällt. Hauptmann Seht, das und vieles anderes ist nötig in Madrid; die Dinge brauchen ihre Zeit, und man gibt dort viel aus! 7 Fähnrich Ich nehme schon Gelder mit für dringende Fälle. Wir werden uns zu helfen wissen. Hauptmann Wenn Ihr Euch bloß nicht täuscht. Erwidert nichts, und hört, was ein Mann sagt, der Madrids Herzlosigkeiten kennt bei beschwerlichen Bewerbungen. Es ist wie bei den Wirtshausschildern, da heißt es meist: Zimmer frei, und fragt man nach, ist alles voll besetzt! Auf den Schildern aller Staatskanzleien sollte stehn: „Bedenkt, Bewerber! Vor diesen Türen steht ihr auf Gräbern jener Narren, die täglich sich bewarben und daran starben.“ Fähnrich Aus inniger Liebe zu Eurer Hand wage ich nicht zu widersprechen. Alfaro Kein Amt zu klein, es trägt was ein. – Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand. – Beltran Ein Gott, ein Topf und ein Madrid! Alfaro Hier geben sich zärtlich die Arme Fähnrich und der Hauptmann. Fähnrich Sicher ist, daß ich jeden Soldaten tragen werde eingegraben in der Seele. Hauptmann und Alfaro Glück auf den Weg, und grüßt Madrid! Beltran Ein Gott, ein Topf und ein Madrid! Alfaro Frühstücken werden sie in Madrid und trinken vom Wasser des Vergessens. 8 2. Bild Madrid, im Park am Manzanares–Ufer Kirchenglocken verstummen Don Kerze Segne Gott mir diesen Auftritt, und ein Engel führ in Rosa fern der Bahn mich schnöder Prosa. Eine Schnecke bin ich nicht vielmehr der Poeten Licht. Alonso Nun werden sie gleich kommen. Sie läuten schon das Vaterunser ein Don Kerze Händ’ ihr, die mit vollen Händen, allerseits Geschenke spenden – warum müßt ihr mir vor allem nur als Seufzergrund gefallen, seid ihr gut, warum so grausam? Seid ihr schlimm, so hold anschausam? Alonso Welcher Scharfsinn, welche Anmut! Welche liebenswürdige Auslegung! Don Kerze Dies ist mein Denken, gesagt in summa, wenn man das Denken summieren kann. Alonso Wie lange ists her, daß Ihr aufwartet der schönen Doña Angela Fajardo? Don Kerze Seit ich aus Aragon gekommen bin, warte ich ihr auf; zwar nur mit lauem Eifer anfangs, doch nach und nach, als sich die Seele zu verpfänden begann beim Weiterverfolgen der Absicht, verwandte größere Aufmerksamkeit ich auf die Eroberung als sich erklären mit den Augen: Hände mit den scharfen Nägeln, Eurer List kann nichts entsegeln . . . Alonso Sehr gut! Don Kerze Doch die Furcht vor ihrer stattlichen Mutter; die, wie Ihr wißt, ledig und geschäftig ist, 9