Troilus und Cressida - henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin
Transcription
Troilus und Cressida - henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin
William Shakespeare Troilus und Cressida (Originaltitel: Troilus and Cressida) Deutsch von Hannes Fischer und Klaus Krampe © henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 1 © henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 2007 Als unverkäufliches Manuskript vervielfältigt. Alle Rechte am Text, auch einzelner Abschnitte, vorbehalten, insbesondere die der Aufführung durch Berufs- und Laienbühnen, des öffentlichen Vortrags, der Buchpublikation und Übersetzung, der Übertragung, Verfilmung oder Aufzeichnung durch Rundfunk, Fernsehen oder andere audiovisuelle Medien. Das Vervielfältigen, Ausschreiben der Rollen sowie die Weitergabe der Bücher ist untersagt. Eine Verletzung dieser Verpflichtungen verstößt gegen das Urheberrecht und zieht zivil- und strafrechtliche Folgen nach sich. Die Werknutzungsrechte können vertraglich erworben werden von: henschel SCHAUSPIEL Marienburger Straße 28 10405 Berlin Wird das Stück nicht zur Aufführung oder Sendung angenommen, so ist dieses Ansichtsexemplar unverzüglich an den Verlag zurückzusenden. F1 2 © henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH PERSONEN Priamus – König von Troja Hector ) Troilus ) Paris ) seine Söhne Deiphobus ) Helenus ) Margarelon – ein Bastardsohn des Priamus Aeneas ) Antenor ) trojanische Heerführer Calchas – ein trojanischer Priester, auf der Seite der Griechen Pandarus – Onkel der Cressida Agamemnon – der griechische Feldherr Menelaus – sein Bruder Achilles ) Ajax ) Ulysses ) Nestor ) Diomedes ) Patroclus ) griechische Heerführer Thersites – ein mißgestalteter, gemeiner Grieche Alexander – Diener der Cressida Diener des Troilus Diener des Paris Diener des Diomedes Helena – Gemahlin des Menelaus Andromache – Gemahlin des Hector Cassandra – Tochter des Priamus, eine Seherin Cressida – Tochter des Calchas Trojanische und griechische Krieger und Gefolge Szene – Troja und das griechische Lager vor der Stadt © henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 3 P R O LO G Troja ist hier die Szene. Von den Inseln Ganz Griechenlands entsandten stolze Fürsten, Erhitzten Bluts, zum Hafen von Athen Schiffe mit Fracht von Männern und Gerät Für blutgen Krieg. Und neunundsechzig Fürsten, Gekrönte Häupter, stechen von Athen In See nach Troja, einig in dem Schwur: Troja wird ausgeraubt, in dessen Mauern, Entführt dem Menelaus, Helena Beim geilen Paris schläft – darum der Streit. Am Dardanellenstrand Erbrechen ihre tiefgeladenen Schiffe Die kriegerische Fracht. Die Griechen schlagen, Noch unbedrängt und frisch, auf Trojas Feldern Die Zelte auf. Die Stadt des Priamus, Deren sechs Tore (Dardan, Thymbria, Helias, Chetas, Troja, Antenorides) Der Krampen Wucht mit schweren Riegeln füllen, Schließt Trojas Söhne ein. Leichtfertigkeit, gekitzelt durch Erwartung, Setzt auf der Griechen, auf der Troer Seite Alles aufs Spiel. Und ich trat auf vor euch, In Waffen, als Prolog, des Dichters Feder Allein nicht trauend noch der Spieler Wort, Zum Streit gerüstet, unserm Stück entsprechend, Um anzukündigen, daß unser Spiel Die erstgebornen Kämpfe überspringt Und in der Mitte anfängt, dort enteilt Und nur, wo es im Spiel Genuß bringt, weilt. Klatscht oder pfeift, das Stück zieh in den Krieg – Sei’s gut, sei’s schlecht – am Kriegsglück hängt der Sieg. © henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 5 I. AKT 1. Szene Troja. Vor dem Palast des Priamus. Troilus, gewaffnet, und Pandarus treten auf. Troilus Ruf meinen Knappen her – mich abzurüsten! Warum soll ich vor Trojas Mauern kämpfen? Nicht minder grausam tobt die Schlacht in mir. Zieh jeder, der sein Herz beherrschen kann, Hinaus ins Feld. Ach – Troilus kanns nicht. Pandarus Immer das alte Lied? Troilus Die Griechen haben Kraft, Kraft und Geschick, Geschick und Wildheit, zu der Wildheit Mut. Doch ich bin schwächer als ne Weiberträne Zahmer als Schlaf und alberner als Dummheit, Zaghafter als die Jungfrau in der Nacht Und ungeschickter als ein Wickelkind. Pandarus Gut, ich habs Euch oft genug gesagt. Ich für mein Teil, ich mische mich, ich meng mich nicht mehr ein. Wer aus Weizen einen Kuchen haben will, muß das Mahlen abwarten. Troilus Hab ich nicht gewartet? Pandarus Ja, aufs Mahlen, aber Ihr müßt das Sieben abwarten. Troilus Hab ich nicht gewartet? Pandarus Ja, aufs Sieben, aber Ihr müßt das Aufgehen abwarten. Troilus Auch darauf hab ich gewartet. Pandarus Ja, aufs Aufgehen, aber dann! Und in „aber dann“ steckt das Kneten, das Formen, das Anheizen und das Backen – noch mehr, Ihr müßt auch das Kaltwerden abwarten, sonst könnt Ihr Euch den Mund verbrennen. Troilus Selbst göttliche Geduld ertrüge nicht Derart geduldig diese Qual wie ich. Ich sitze an der königlichen Tafel, Und als mir in den Sinn Cressida kommt – Verräter! kommt? Wann war sie jemals fort? 6 © henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH Pandarus Allerdings, sie sah gestern abend reizender aus, als ich sie sonst aussehen sah, oder irgendein anderes Weibsbild. Troilus Hör mich doch an: Da wollt mein Herz zerreißen, Von einem Seufzer schier entzweigespalten. Daß nun mein Vater nichts erriet, noch Hector, Hab ich – wie Sonne einen Sturm beleuchtet – Den Seufzer überdeckt mit einem Lächeln. Doch Qual, verhüllt vom Schein der Heiterkeit, gleicht jenem Scherz, der schnell umschlägt in Leid. Pandarus Wär ihr Haar nicht etwas dunkler als Helenas – doch, doch! – gäbs überhaupt keinen Unterschied zwischen beiden. Natürlich, ich für mein Teil will nicht, wie man sagt, ihr Loblied singen; sie ist meine Nichte. Aber ich wollte, jemand hätte sie gestern so reden hören, wie ich. Ich unterschätze nicht den Verstand Eurer Schwester Cassandra, aber … Troilus O Pandarus, ich sag dir, Pandarus – Wenn ich dir sag, mein Hoffen ist ertrunken, Dann rechne mir nicht vor, wie tief es sank. Erzähle ich dir, ich bin toll vor Liebe Zu Cressida, sagst du mir „Sie ist schön!“ Und bohrst in meines Herzens offner Wunde. Cressidas Blick, Haar, Wange, Gang und Stimme Handelst du ab „O, ihre liebe Hand, – Daneben alles Weiß zu Tinte wird, Und sich sein Urteil schreibt; ihr sanfter Griff Macht rauh des Schwanes Flaum und feinstes Tasten Hart wie von Pflügers Faust“, das sagst du mir – Und sagst die Wahrheit – wenn ich schwör, ich lieb sie. Doch sprichst du so, drückst du in jede Wunde, Die mir die Liebe schlug, statt Öl und Balsam, Das Messer, das mich traf. Pandarus Ich sage nur, was wahr ist. Troilus Da sagst du viel zu wenig! Pandarus Also gut, ich meng mich nicht ein. Mag sie sein, wie sie will: wenn sie schön ist, umso besser für sie, wenn nicht, wird sie schon wissen, wie sie sich ausbessern kann. Troilus Lieber Pandarus! – Was hast du, Pandarus? Pandarus Ich hab meine Müh und Not gehabt, schief angeguckt von ihr, schief angeguckt von Euch, bin hin- und hergerannt und her und hin, und dann so wenig Dank für die ganze Plackerei. © henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 7 Troilus Was, bist du aufgebracht, Pandarus? – Gegen mich? – Pandarus Weil sie mit mir verwandt ist, darum ist sie nicht so schön wie Helena! Wenn sie nicht mit mir verwandt wäre, da wäre sie freitags so schön wie Helena am Sonntag. Aber was kümmerts mich? Und wenn sie schwarz wär wie eine Negerin, mir ist es gleich. Troilus Sag ich, sie ist nicht schön? Pandarus Was kümmerts mich, ob Ihrs sagt oder nicht. Sie war dumm, ihren Vater Calchas allein zu den Griechen gehen zu lassen; sie muß ihm nach, das werde ich ihr sagen, sobald ich sie sehe. Ich für mein Teil, ich mische mich, ich meng mich nicht mehr ein. Troilus Pandarus! Pandarus Ich nicht! Troilus Mein lieber Pandarus! Pandarus Bitte, sprecht mich nicht mehr an! Ich lasse den Karren laufen, und damit Schluß. (Pandarus ab. Es wird zum Kampf geblasen.) Troilus Schweigt doch, brüllende Hörner! Schweig doch, Geschrei! Narren auf beiden Seiten! Helena Muß schön sein, wenn mit eurem Blut ihr täglich Sie schminkt. Um solchen Preis kann ich nicht kämpfen; Zu dürftig ist der Anlaß für mein Schwert. Doch Pandarus – wie quält ihr mich, ihr Götter! – Zu Cressida gelang ich nur durch ihn, Doch er ist zu verstimmt, sie umzustimmen, Und sie verschließt sich spröde jedem Antrag. Bei Daphne, sprich, Apoll, was sind wir drei, Was Cressida, was Pandarus, was ich? Ihr Bett ist Indien, sie ruht dort als Perle; Was zwischen unserem Schloß und ihrem Thron, Nenn ich die wilde, flutbewegte See, Mich selbst den Kaufmann, Pandarus den Lotsen, Mein zweifelnd Hoffen, mein Geleit, mein Boot. (Trompeten. Aeneas tritt auf.) Aeneas 8 Noch hier, Prinz Troilus? Nicht im Feld? Warum nicht? © henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH Troilus Darum nicht! Diese Weiberantwort paßt, Denn weibisch ists auch, nicht im Feld zu sein. Aeneas, gibts was Neues heut von draußen? Aeneas Paris kam heim, er hat ne kleine Schramme. Troilus Von wem, Aeneas? Aeneas Troilus Troilus, von Menelaus. Da haben nur d i e Hörner ihn verletzt, Die er dem Menelaus aufgesetzt. (Kriegstrompeten.) Aeneas Horcht, draußen rufts zu neuem, lustgen Spiel. Troilus Lustger wärs hier, wär ich nur schon am Ziel. Was hilfts! Ihr wollt den Spaß Euch jetzt besehn? Aeneas Auf schnellstem Weg. Troilus Dann will ich mit Euch gehn. (Beide gehen ab.) I. AKT 2. Szene Troja. Eine Straße. Es treten auf Cressida und Alexander Cressida Wer ging denn da vorbei? Alexander Die Königin Hekuba und Helena. Cressida Und wohin gehn sie denn? Alexander Hinauf zum Ostturm, Der hoheitsvoll das ganze Tal beherrscht, Die Schlacht zu sehen. Hector, dessen Ruhe © henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 9