Thomas Valentin - Weilburg, Lahn

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Thomas Valentin - Weilburg, Lahn
Thomas Valentin
Der Schriftsteller, sein
Geburtsort Weilburg und
Romanerstling
Hölle für Kinder
Zum 90. Geburtstag
am 13. Januar 2012
von
Rudolf Müller
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R. Müller, 09.2012
Thomas Valentin
Der Schriftsteller, sein Geburtsort Weilburg und Romanerstling Hölle für Kinder
Zum 90. Geburtstag am 13. Januar 2012
von
Rudolf Müller
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2012
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Thomas Valentin
Der Schriftsteller, sein Geburtsort Weilburg und Romanerstling
Hölle für Kinder
Vor neunzig Jahren, am 13. Januar 1922, wurde Thomas Valentin unter dem Namen
Armin Gerold Valentin im Weilburger Augusta-Viktoria-Krankenhaus geboren.1
Am 22. Dezember 1980 hat sich Thomas Valentin in der ihm zur Heimat gewordenen
Stadt Lippstadt das Leben genommen.
Der Weg zum Schriftsteller
Thomas Valentin. Foto: Rolf Ertmer; ©Thomas-Valentin-Gesellschaft, Lippstadt mit freundlicher
Genehmigung
Der Vater Otto kam aus Gießen und war als Knappschaftssekretär tätig, die Mutter
Lina, geb. Gelbert, stammte aus Weilburgs Nachbargemeinde Löhnberg, wo die Familie bis zum Umzug nach Weilburg am 01. Mai 1925 wohnte. Hier bezog man eine
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Standesamt Weilburg 12.11.2010
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Mietwohnung in der Vorstadt 1, später in der Limburger Straße 46 und wohnte dann
in der (damaligen) Schillerstraße 2.2
Valentin besuchte in Weilburg die Volksschule und ging 1932 auf das Gymnasium
Philippinum in Weilburg, dessen Schüler er bis 1936 blieb.3 Er wechselte dann zum
Gymnasium in Dillenburg, wo er 1940 das Abitur ablegte.
Im Anschluss studierte Valentin Germanistik, Geschichte und Psychologie in Gießen
und München. Ab 1947 bis 1962 war er in Lippstadt als Lehrer tätig und leitete in dieser Zeit (1955-1958) ehrenamtlich auch die dortige Volkshochschule. Bereits während
seiner Lehrertätigkeit verfasste Valentin Kurzprosa und Lyrik, wovon jedoch nur etwa
ein halbes Dutzend veröffentlicht worden war.
Im Jahr 1961 veröffentlichte der Verlag Claasen, Hamburg, Valentins ersten Roman
Hölle für Kinder unter dessen Schriftstellernamen Thomas Valentin. An den von ihm
verehrten Hermann Hesse, mit dem Valentin seit 1941 in regem Briefwechsel stand,
sandte er den Roman nicht. In einem Brief an Hesse im November 1961 schrieb er:
„In diesem Herbst ist bei Claasen mein erster Roman erschienen. ‚Hölle für Kinder‘.
Ich werde Ihnen das Buch nicht schicken. Es lohnt nicht, für den Autor von ‚Klein und
Wagner‘. Überdies ist mir die Stimme zu hart, zu schrill geworden beim bitteren Protest gegen die Hölle für Kinder (auch wenn diese schon erwachsen sind).“ 4
Die Spanne der Kritikeräußerungen reichte von „Der literarisch aufregendste Debütant des Jahres“ 5 und der Wahl zum Buch des Monats (beim NDR) bis zum Verriss
und der Roman war auch Anlass für einen Gerichtsprozess. Valentin sagte dazu in
einem späteren Interview: “Damit das Bäumchen nicht in den Himmel wuchs, gab es
aber auch einen fürchterlichen Verriß von einem Literaturpapst – und einen Prozeß
wegen Jugendgefährdung: Mein erstes Buch sollte verboten werden. Ende eines
Autors nach dem Debüt? Hauptanklagepunkte: ‚Aufreizung gegen die Autorität in
Schule und Elternhaus und schmutzige Sexualität.‘
Den Verriß habe ich, nach bitteren Wochen, wenigstens halbwegs verstanden; den
Prozeß nie. Verlag und Autor gewannen ihn dank der Gutachten vor allem von Siegfried Lenz, Johannes Rau und Karl Ludwig Schneider.“ 6
Die überwiegend positiven Kritikeräußerungen führten den Roman zum Erfolg und
dieser erschien noch im gleichen Jahr in einer französischen Ausgabe und ein Jahr
später auch in der niederländischen Fassung. Der Autor konnte damit das sich selbst
gegebene Versprechen freier Schriftsteller zu werden „falls der Roman mehr als einen
2
3
4
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6
Einwohnermeldeamt der Stadt Weilburg
Schnell 1950, S. 298, lfd. Nr. 6209
Valentin et al. 2011, S. 79
Ferber 1961
N. N. 1980, S. 10
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Daumen breit über dem Durchschnitt Erfolg haben sollte“,7 einlösen, was er mit der
Aufgabe des Lehrerberufs 1962 auch tat.
Der Roman Hölle für Kinder
Den Anstoß zum Roman gab Valentin eine kurze Zeitungsmeldung über eine unverständliche Mordtat in Frankfurt, bei der ein bislang unbescholtener und erfolgreicher
Vertreter auf offener Straße einen Jungen getötet hatte. Als Erklärung und Tatmotiv
wurde schizophrener Schub angegeben.
Valentin verarbeitet dieses Geschehen im Roman Hölle für Kinder auf zwei Erzählebenen. Dabei steht scheinbar im Vordergrund des Romans der um 1960 angesiedelte Erzählstrang mit seinem Protagonisten Manfred (Fred) Klewitz.
Klewitz, zu dessen Geburtsjahrgang Valentin nicht ohne Absicht sein eigenes Geburtsjahr 1922 gewählt hat und dessen Berufsbezeichnung Vertreter in ihrem Doppelsinn ebenso beabsichtigt ist, trifft zufällig auf den Jungen Freddy. In dessen Lebensumständen findet er die eigene traumatische Kinderzeit widergespiegelt. Einzig
die Flucht mit dem Jungen scheint ihm möglich, um diesen vor weiterem Leid bewahren zu können. Als die Flucht scheitert, sieht Klewitz in einer Schreckenstat die einzige Möglichkeit den Jungen aus der Hölle einer lieblosen Kindheit zu erretten.
Von dem Geschehen um den Vertreter Klewitz wechselt die Erzählebene stetig zu
den Erinnerungen an die Heimsuchungen in dessen Kindheit und Jugend, angesiedelt in die Zeit der Inflation und von Adolf Hitler. Schlaglichtartig, mit abgeschlossenen kurzen Episoden macht Valentin die Schrecknisse und Ängste des Jungen sichtbar. Das in der eigenen Kindheitshölle erlebte wird Klewitz wieder gegenwärtig, seine
Angstzustände und traumatischen Erlebnisse der Kindheit. Es sind Schrecken und
Grausamkeiten, die auch Thomas Valentin in seiner Kindheit erfahren hat; erlebt
durch den tyrannischen Vater, aber auch durch Prügelexzesse in der Schule, durch
Angst und Gewalt in seiner Umwelt.
Angesichts der Schrecken in einer Hölle für Kinder verwendet Valentin eine Sprache,
die fern ist aller Rührseligkeit und allen Mitleids, ohne ausschweifende Beschreibungen oder Erklärungen. Doch gerade in der Knappheit und Präzision dieser Sprache
werden die Schrecken und Grausamkeiten der erlebten Kinder- und Jugendzeit, aber
auch die Einsamkeit und Flüchtigkeit von Beziehungen in der Erwachsenenwelt, dem
Leser eindringlich vor Augen geführt.
7
Caspary 1976, S. 409
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Valentins Weilburg in Hölle für Kinder
Weilburg wurde in Valentins Roman Hölle für Kinder zu Adolphsburg an der Holla,
und wenn auch der reale Stadtname Weilburg im Roman nicht genannt wird, tritt die
Stadt doch als Hintergrund des Geschehens um den Jungen Fredi in Erscheinung; in
einem Abschnitt auch die Nachbargemeinde Löhnberg. Aber für den in Adolphsburg
(= Weilburg) aufwachsenden Jungen hat das Stadtbild, haben die Straßen und Plätze und der von der Holla (=Lahn) umflossene Schlossfelsen keine Bedeutung. Doch
die Stadt ist erkennbar in den Aufenthalten des Jungen Fredi: dem verbotenen Spielplatz in der katholischen Kirche, der Schule, am Landtor, den Geschäften der Vorstadt und den angrenzenden Altstadtstraßen und –gassen. So ist die Stadt zwar realer Hintergrund, bildet vor allem aber die in ihren Mauern erfahrene Gewalt und die
Demütigungen ab, die Schläge, Gleichgültigkeit und den Hass. Es sind diese Erfahrungen, die des Jungen Kindheit bestimmten, daheim, in der Schule, in seinem Umfeld. Düster und voller Schrecknisse ist die Stadt, so schrecklich und düster wie die
Kindheit des Jungen.
Katholische Kirche am Landtor. In der Durchsicht des Landtorbogens das Haus Vorstadt 1, in dem die
Familie Valentin nach dem Wegzug aus Löhnberg in Weilburg wohnte (1925-1927). Das Haus wurde in
den 1950er Jahren abgerissen. Links die ehemalige Katholische Kirche.
Quelle: Ansichtskarte aus Privatbesitz
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„Adolphsburg ist protestantisch. Die Katholiken dazwischen sind zu übersehen. […]
Wir spielen im Schutz der Kirche. 'Nazareth' und 'Flucht nach Ägypten' und 'der Zorn des
Herodes'. Jeden Nachmittag.
Es liegt nur selten ein Beter vor dem Kruzifix und Julian Heumann vergißt über seinen
Riestern und Flicken, daß wir schon zwei Stunden brauchen, um die Wirsingpflanzen
in dem schrägen Kirchgarten anzugießen.
Elisabeth wickelt das Holzscheit in ihre muffige, abgeschabte Kaninchenfelljacke und
klagt: 'Ich bin so müde, Joseph!' 'Ich auch.' Meine Antwort kommt ehrlich, aber unpoetisch. 'Du bist zu dumm. Du mußt jetzt sagen: Ich werde eine Höhle suchen, wo wir ausruhen können.' Ich suche, finde aber keine Höhle. 'Nimm den Beichtstuhl', rät Maria.
'Um fünf kommt euer Vikar.' 'Jetzt ist es halb vier'.
Wir setzen uns in den Beichtstuhl und ziehen die Vorhänge zu. Es ist dunkel und gemütlich. Die ewige Lampe glimmt sternweit über dem Altar." 8
„Die Holla unterquert
den Gebirgsstock, auf
dem sich Adolphsburg
heimisch gemacht hat,
an seiner schmalsten Stelle, durch einen Tunnel.
Das runde Steinmaul
klafft dumm und gierig.
Blick in den schmatzenden Schlund . . .
Seit neunundsiebzig Jahren, prahlen die moosgrünen römischen Ziffern. Blick auf das schwarze, stickige Wasser . . .
Frostiger Sog, der in einem gurgelnden Katarakt zersplittert, wenn
die Schleuse jenseits
der dumpf stinkenden
Höhle sich blank aufschenkelt.
Schiffstunnel in Weilburg. Foto: R. Müller
8
Valentin 1980, S. 29–30
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Aufgeblasene Katzenkadaver wirbeln in gurgelnden Strudeln, Blechkanister, Lumpenpacken; eine Unterhose in Rosa, kolossalisch erfüllt, plumpst rülpsend über das schäumende Wehr. Das Steinmaul, sperrig und zahnlos, säuft den Regen, die Abwässer, die
Quellen aus grünschattenden Waldschneisen. Und schwappt die dunklen, nassen Lefzen aufeinander, wenn die Schleuse ihre Tore wieder zusammenschlägt.“ 9
„Die Volksschule ist novembergrau und baufällig, außen; innen voller Angst, Uringestank
und Trübsinn. Der Hof schmutzig, trostlos: Arena der Verdammten. In den Pausen steht
der Rektor auf der Haustreppe, hoch und massig, frackschwarz, ein Butterbrot in
Zeitungspapier rechts, ein spanisches Rohr links in der Hand.“ 10
Die von Valentin besuchte
Volksschule in der
Langgasse. Quelle:
"Weilburger Blätter (2002),
Bürgerinitiative "Alt-Weilburg"
e. V., Heft Nr. 137, S. 1105.
9
Valentin 1980, S. 60–61
10
Valentin 1980, S. 45
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Das von Valentin
besuchte Gymnasium
Phlippinum in der
Mauerstraße.
Foto: R. Müller
„Ich bekomme nie heraus, warum Dr. Marx mich haßt. Sein Haß liegt nicht offen und
blank, er kommt überraschend, heimtückisch, jäh.
Die Klasse steht vor einem Rätsel; selbst Sigurd sein Sohn. Der Studienrat wägt
nicht ab; wie ein Blitz aus heiterem Himmel, wenn es ihm gerade Spaß macht, trifft
mich sein Tiefschlag.“ 11
Für Valentin waren autobiografische Erfahrungen eine Grundvoraussetzung für seine
literarischen Arbeiten und er verarbeitete diese auch im Roman Hölle für Kinder. In
Selbstzeugnissen äußerte er u. a.: „Meine Arbeiten - Prosa, Theater, Filme - sind Verwandlungen von autobiographischem Lebensmaterial durch Phantasie. So wird, wenn
es gelingt, aus Privatem Zeitgenössisches. Ich habe keine abstrakte, sondern eine
konkrete Phantasie. Ich kann nicht ohne Erfahrungen schreibe. Ich schreibe nicht,
was ich nicht kenne.“ (Weser Kurier, 2. 10. 1974) 12
Im Hinblick auf seinen Roman Hölle für Kinder äußerte Valentin an anderer Stelle:
„Ich schätze exakte Phantasie. Sie arbeitet hart an den Fakten, ohne vor ihnen zu
kapitulieren. Sie benutzt die sekundäre Wirklichkeit der Tatsachen und durchschaut
sie auf der Suche nach dem Geist, der diese Tatsachen produziert hat. Exakte Phan11
12
Valentin 1980, S. 113–114
Schlüter 2004
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tasie findet die Fakten und erfindet aus ihnen ein neues Stück Wirklichkeit. Exakte
Phantasie ist Imagination vis-á-vis den nackten Tatsachen. Ich habe versucht, einige
Knotenpunkte in dem Gewebe, das anfangs der 30er Jahre die Gesellschaft, die
Stadt und mich verband, aufzufinden und retrospektiv zu durchschauen, in der Hoffnung, Privates und Zeitgenössisches in den Blick zu bekommen, in privaten Geschichten den Abdruck der Geschichte zu finden. Erfindung, im genannten Sinne,
bleibt das allemal. Kein Grund zu Seufzern! Die Erinnerung wir nicht ausschließlich
von der Vergangenheit bestimmt, sie wird auch von der Gegenwart gemacht. Das ist
autobiographisch – wenn man unter Autobiographie nicht Wiederkäuen, Kopie, Familienalbum verstehen will, sondern Phantasiespiel mit eigenem Lebensmaterial." 13
Weilburg entdeckt Valentin
Valentins Roman fand zwei Jahre nach der Erstveröffentlichung den Weg in die Bibliothek des Gymnasiums in Weilburg, doch das war eher ein Zufall. Auf den Roman
aufmerksam wurde der damalige Bibliotheksleiter Fritz Glöckner auf der Frankfurter
Buchmesse vor allem durch die Angabe "Thomas Valentin, 1922 in Weilburg a. d.
Lahn geboren" im Klappentext. Wegen der unterschiedlichen Vornamen des Schriftstellers Thomas und des ehemaligen Gymnasiasten Gerold in den Matrikeln des
Gymnasiums ging man schließlich davon aus, dass es sich doch wohl um zwei verschiedene Personen handeln müsse. Weitere Recherchen unterblieben vorerst. Möglicherweise bestand kein allzu großes Interesse an umfangreicheren Nachforschungen, weil im Roman das Fehlverhalten einzelner Vertreter der Lehrerschaft überdeutlich genannt wird. Und vielleichte spielte auch eine nicht unerhebliche Rolle, dass Weilburg, dem Adolphsburg des Romans, die Idylle und Liebenswürdigkeit fehlten, als
deren natürliches Zuhause die Stadt Weilburg von ihren Bewohnern angesehen wurde.
Zu weiteren Nachforschungen kam es erst 1973. Das Nachrichtenblatt Wilinaburgia
des gleichnamigen Vereins erhielt in diesem Jahr eine neue Schriftleitung mit Eugen
Caspary und Wolfgang Schoppet, die in das Nachrichtenblatt die neue Rubrik Aus
Publikationen ehemaliger Schüler des Gymnasium Philippinum aufnahmen. Auch
über Valentin sollte in dieser Rubrik berichtet werden, denn mittlerweile hatte Schoppet mit diesem brieflichen Kontakt aufgenommen und auch autobiografische Angaben erhalten. Diesen Aufsatz über Valentin veröffentlichte Caspary 1976 im Dezemberheft der Wilinaburgia.14
Noch vor Casparys Text in der Wilinaburgia konnte Schoppet, im Rahmen der Artikelserie Nassauer in aller Welt im Weilburger Tageblatt, unter der Überschrift „Als
Kind wollte er ‚bester Tormann‘ der Welt sein Heute ist Thomas Valentin ein bedeutender Schriftsteller Von dem ehemaligen Weilburger nimmt seine Heimatstadt keine
13
14
Schoppet 1996, S. 223
Caspary 1976, S. 408–413
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Notiz Das Fernsehen verfilmte schon sechs seiner Werke“, einen Artikel über den
Schriftsteller – mittlerweile auch Dramaturg und Drehbuchautor – Thomas Valentin
veröffentlichen und so auch dort bekannt machen, wo dieser Kindheit und einen Teil
seiner Jugend verbracht hatte.15 Auch in den Folgejahren machte Schoppet mit Artikeln im Weilburger Tageblatt und in der Wilinaburgia weiter auf die Arbeiten von Valentin aufmerksam.
War Thomas Valentin schon seit Jahren im kulturellen Leben in und außerhalb der
Bundesrepublik kein Unbekannter mehr, wurden sein Name und seine Werke nun
langsam auch in Weilburg bekannter. Dazu beigetragen hatte auch die Valentin-Trilogie Lieben, die 1977 im Fernsehen ausgestrahlt wurde, hervorragende Kritiken erhielt und deren Einschaltquote bei beachtlichen 50 Prozent lag. So erging sechzehn
Jahre nach der Veröffentlichung seines Romans Hölle für Kinder vom Weilburger
Lions Club die Einladung zu einem Leseabend an Thomas Valentin.
Valentin folgte Ende Februar 1978 dieser Einladung nach Weilburg. Am Vormittag
besuchte er das neue Gymnasium Philippinum, in dessen altem Gebäude in der
Mauerstraße er 1932 bis 1936 Schüler war. Vor einer Gruppe Abiturienten las Valentin seine Erzählung Der Fisch im roten Halstuch, woran eine Textdiskussion anknüpfte und eine Unterhaltung über Valentins Fernseharbeit. Am Abend fand seine Lesung
von Kurzgeschichten und Gedichten in der Gaststätte Lord in der Vorstadt statt,16 der
Straße, wo er 1925 bis 1927 mit seinen Eltern gewohnt hatte.
Dass man Valentin in Weilburg über viele Jahre hinweg ignoriert hatte, schien man
ungeschehen machen zu wollen, denn 1980 erging von Weilburg aus erneut eine
weitere Einladung für eine Lesung an Valentin. Eingeladen hatte dieses Mal die
Theatergemeinde Weilburg, die im Jahr zuvor eine Reihe mit Lesungen begonnen
hatte. Valentin war auch über diese Einladung erfreut und kam nochmals zur Autorenlesung nach Weilburg. In der Hofstube des Schlosses las er am 23. Oktober 1980
aus dem noch nicht erschienen Erzählband Schnee vom Ätna drei Erzählungen. Im
zweiten Teil trug er Textausschnitte aus seinem aktuellen Roman Grabbes letzter
Sommer vor und er beendete den Leseabend mit dem Vortrag von Gedichten aus
seinem Lyrikband Niemandslicht.17
Valentin haderte nicht mit Weilburg ob der langen Abstinenz, die man hier in Bezug
auf eine persönliche Kontaktaufnahme mit ihm an den Tag gelegt hatte. Das zeigt
schon seine bereits nach zwei Jahren erfolgende zweite Lesereise dorthin. Über
Weilburg, seine erste Heimat und den Ort seiner Kindheit hatte er einmal geäußert:
„Frühe Leiden, frühe Lieben. Kindliche Freuden, kindliche Feinde. Zwei herz- und
15
16
17
Schoppet 1976, S. 9
Schoppet 1978, S. 7
Schoppet 1980, S. 10
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kopfbewegende Lehrer, die ich nie vergessen werde: sie hießen Schönwetter und
Müller. Zwei andere Lehrer, die mir ein paar Jahre die Hölle heißgemacht haben: ihre
Namen seien totgeschwiegen. Bittersüße Erinnerungen an den Karlsberg, an die
Vorstadt und den Schloßgarten, wo ich aufgewachsen bin; und an Löhnberg, an den
Friedhof, wo meine Mutter sich ausruht.“ 18
Und vielleicht ein weiterer Beleg für den auch vorhandenen besseren Teil seiner
„bittersüßen Erinnerungen“ sind die Worte, die Valentin den Hauswirt seines langjährigen sizilianischen Domizils sagen lässt: „– Und Weilburg an der Lahn, Ihre Geburtsstadt, diese steinerne Blume am Hügel über dem Fluß . . .“ 19
Nachtrag
Es bleibt nachzutragen, dass Valentin 1981 eine posthume Ehrung mit der Verleihung des Adolf-Grimme-Preises für das Fernsehspiel Grabbes letzter Sommer zuteil
wurde. In einem Nachruf auf Thomas Valentin hatte die Westfalenpost noch schreiben müssen, "Daß dieser ausgezeichnete Schriftsteller nie ausgezeichnet worden ist,
bleibt das ewige Geheimnis derjenigen, die in diesem Land Preise zu verleihen haben".
Seit 1993 vergibt die Stadt Lippstadt alle vier Jahre den Thomas-Valentin-Literaturpreis
und seit 1998 trägt die Stadtbücherei Lippstadt den Namen von Thomas Valentin.
Im Jahr 1996 wurde die Thomas-Valentin-Gesellschaft in Lippstadt gegründet, die es
sich u. a. zur Aufgabe macht, den Nachlass von Thomas Valentin zu sichern, katalogisieren und für die wissenschaftliche Aufarbeitung auszuwerten. Ihr Ziel einer Veröffentlichung des Valentin-Gesamtwerks erreichte die Gesellschaft mit der Herausgabe
einer zwölfbändigen Werkausgabe (1997-2002) im Igel-Verlag Hamburg. Der Roman
Hölle für Kinder ist als Einzelband (ISBN 978-3-89621-072-2) in dieser Gesamtausgabe erschienen.
Eine Auswahl von Thomas Valentins literarischen Arbeiten präsentierten Norbert
Otto Eke und Dagmar Olasz-Eke 2008 mit dem Thomas-Valentin-Lesebuch (ISBN
978-3-89528-660-5). Und dieselben veröffentlichten 2011 den Briefwechsel zwischen Thomas Valentin und Hermann Hesse unter dem Titel Sprache, die so tröstlich zu mir kam (ISBN 978-3-89528-826-5. Beide Veröffentlichungen erfolgten im
Aisthesis Verlag, Bielefeld.
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Schoppet 1976, S. 9
Valentin 1986, S. 129
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Quellenverzeichnis
Caspary, Eugen (1976): Aus Publikationen ehemaliger Schüler des Gymnasium Philippinum.
Thomas Valentin. In: Wilinaburgia 51 (142), S. 408–413.
Einwohnermeldeamt der Stadt Weilburg: Meldekarte des Einwohnermeldeamts. Ablichtung der
Melderegisterkarte Otto Valentin und Lina Gelbert.
Ferber, Christian (1961): Debütanten des Jahres 1961. In: Welt am Sonntag, 17.12.1961.
N. N. (1980): Thomas Valentin Mein erstes Buch. In: LIT-Magazin für den Buchhandel (1), S. 8–10,
zuletzt geprüft am 20.01.2011.
Schlüter, Heinz (2004): Thomas Valentin. Einblicke in sein Werk. Kunst im Turm. Thomas-ValentinGesellschaft, Lippstadt. Lippstadt, 13.01.2004. Online verfügbar unter http://www.thomas-valentingesellschaft.de/Vortraege/vortragschlueterkunstimturm.htm, zuletzt geprüft am 19.01.2011.
Schnell, August (1950): Matrikel des Gymnasium Philippinum zu Weilburg 1540-1940. Unter
Mitarbeit von Hans-Georg Böhme, Fritz Glöckner und Franz Theek. Hg. v. Heinz F. Friederichs.
Wilinaburgia und Familienkundliche Gesellschaft für Nassau und Frankfurt. Frankfurt und Weilburg
(Forschungen zur hessischen Familien- und Heimatkunde, 2).
Schoppet, Wolfgang (1976): Als Kind wollte er "bester Tormann" der Welt sein Heute ist Thomas
Valentin ein bedeutender Schriftsteller. In: Weilburger Tageblatt 137, 17.09.1976 (Nr. 214), S. 9.
Schoppet, Wolfgang (1978): Thomas Valentin las im "Lord". Der Lions-Club hatte den aus Weilburg
stammenden Schriftsteller eingeladen. In: Weilburger Tageblatt 139, 02.03.1978 (Nr. 52), S. 7.
Schoppet, Wolfgang (1980): Thomas Valentin (1922) liest in Weilburg. In: Wilinaburgia 55 (153).
Schoppet, Wolfgang (1996): Weilburg in der Literatur. In: Verein für Nassauische Altertumskunde
und Geschichtsforschung (Hg.): Nassauische Annalen, Bd. 107. Wiesbaden: Verlag des Vereins für
Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung (107), S. 211–240.
Standesamt Weilburg (12.11.2010): Ablichtung aus dem Geburtenbuch der Stadt Weilburg.
Valentin, Thomas (1980): Hölle für Kinder. Roman. Neuauflage. Berlin, Frankfurt: Ullstein.
Valentin, Thomas (1986): Schnee vom Ätna. Sizilianische Geschichten. Ungekürzte Ausgabe.
Frankfurt am Main u.a: Ullstein (Ullstein-Buch, 20663).
Valentin, Thomas; Hesse, Hermann; Eke, Norbert Otto; Olasz-Eke, Dagmar (2011): "Sprache, die
so tröstlich zu mir kam". Thomas Valentin in Briefen von und an Hermann Hesse. Bielefeld:
Aisthesis (Reihe Texte, 19).
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