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03.08.2007
13:37 Uhr
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UNFALLAKTE
Misslungener Go around
Überrascht
vom Giereffekt
Für Multi Engine Ratings sind Anflüge mit nur einem Triebwerk vorgeschrieben.
Durchstartmanöver bergen Gefahren, vor allem, wenn nur ein Motor zur Verfügung steht
oppelt hält besser – mag sich mancher
Pilot denken, der die Zweimot-Berechtigung anstrebt. Die Gründe sind vielfältig. Tatsache ist: Das Twin Rating bringt eine
neue Dimension des Fliegens mit sich. Fällt ein
Triebwerk aus, muss der Pilot in der Lage sein,
den asymmetrischen Flugzustand zu kontrollieren und das Flugzeug sicher auf den Boden
zurück zu bringen. Aus diesem Grunde werden
in der Ausbildung Anflüge und Landungen mit
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nur einem laufenden Triebwerk trainiert. Doch
was, wenn die Bahn blockiert ist oder die Landung unsicher erscheint und abgebrochen
werden muss? Auch dieser Fall wird für das
Zweimotrating geprobt und nennt sich Single Engine Go around. Dieses Verfahren gehört zu den schwierigsten praktischen Übungen überhaupt.
Beim Durchstartmanöver muss jeder
Handgriff sitzen. Airline-Piloten üben das
Bergung der Piper Seneca aus einem
Baggersee neben der Piste in Straubing.
Die »weiche« Landung war für die
vierköpfige Crew Glück im Unglück
ausschließlich im Simulator. Aber auch in der
Praxis der Allgemeinen Luftfahrt ist das Manöver üblich, jedoch immer eine heikle Angelegenheit, die vom Piloten alle Konzentration fordert. Mit nur halber Triebwerkleis-
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tung, Klappen in Landestellung und ausgefahrenem Fahrwerk bewegt sich die Maschine
in einem ohnehin kritischen Flugzustand. Falsche oder verzögerte Reaktionen verschlimmern die Situation erbarmungslos. Hier zeigt
sich, ob jemand sein Flugzeug wirklich kennt
oder erst die Minimalerfahrung eines Zweimot-Prüflings hat. Ist der Entschluss zum
Single Engine Go around getroffen, entscheidet wesentlich das harmonische Zusammenspiel von Power und Seitenruder über das Gelingen des Manövers – oder einen Absturz. So
geschehen am 30. März dieses Jahres in
Straubing.
Eine Piper Seneca ist im Anflug auf die
»10«. An Bord: vier Piloten aus Österreich.
Der Tower meldet am späten Vormittag gute
Sicht und schwachen Wind aus Nordost. Im
Cockpit herrscht Prüfungshitze. Vorne links
sitzt ein 37-jähriger Flugschüler, der gerade
die Prüfung zum Multi Engine Rating absolviert. Er besitzt seinen PPL seit fast einem Jahr
mit einer Gesamtflugerfahrung von 73 Stunden. Bis zur heutigen Prüfung hat er 23 Stunden auf der Seneca gesammelt. Als Besitzer
der Twin möchte er gerne bald den MEP-Eintrag (Multi Engine Piston) im Schein haben.
Neben ihm sitzt – als verantwortlicher Flugzeugführer – sein Fluglehrer. Der 56-Jährige
hat neben einer Lehrberechtigung für einund zweimotorige Flugzeuge mit Kolbentriebwerk auch eine Erlaubnis für Verkehrsflugzeugführer. Von 7400 Flugstunden entfallen 100 auf die Piper PA-34. Auf den hinteren
Plätzen des Tiefdeckers sitzen der Prüfer – ein
Sachverständiger mit ATPL und 9600 Stunden Flugerfahrung – sowie ein weiterer Pilot,
der ein Flugzeug in Straubing abholen soll.
Die Crew ist um 10 Uhr vom Flugplatz
Vöslau-Kottingbrunn (LOAV) gestartet. Ein
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Übungsanflug am Flugplatz Schärding-Suben,
wenige Kilometer vor der deutschen Grenze,
verläuft routinemäßig.
Auch der Anflug in Straubing scheint zunächst unproblematisch. Der Sechssitzer ist
für Anflug und Landung mit einem Triebwerk
ausgetrimmt. Der Flugschüler steht kurz vor
dem Ende seiner Prüfung. Jetzt noch die Abschlusslandung – das wär’s dann. Zur vorweggenommenen Erleichterung mischt sich
jedoch ein mulmiges Gefühl: Dieser Approach
erfolgt (vermutlich auf Anweisung des Fluglehrers) mit abgestelltem rechten Triebwerk.
Im Klartext: Das Triebwerk ist auf die Schnelle
– etwa im Falle eines Durchstartmanövers –
nicht verfügbar. Der Tower Straubing meldet:
»Oscar Echo Alpha India, cleared to land 10,
Wind 040, 3 knots«.
Im kurzen Endteil legt die Seneca offenbar
an Speed zu. Der Flieger ist zu schnell. Erst
kurz vor Bahnmitte der 1350 Meter langen
Piste setzt die Piper zum ersten Mal auf –
springt, setzt auf, springt – das Bahnende
rückt näher. »Go around!« ruft der Fluglehrer.
Durchstarten – ein schwieriges Manöver, das
kaum zu händeln ist.
Aus dem Tower beobachtet der Straubinger Lotse die holprige Landung und das
Durchstartmanöver. Die Seneca gewinnt
kaum an Höhe und driftet deutlich nach
rechts ab. Nach rund 100 Metern stürzt das
Flugzeug mit starker Querneigung über die
rechte Tragfläche in einen Baggersee neben
der Bahn. Wasser statt Erde. Glück im Unglück. Alle vier Insassen können sich, wenn
auch teilweise schwer verletzt, ans nahe Ufer
retten.
Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen (BFU) stellt nach Bergung des
Wracks fest: Beide Magnete des rechten Trieb-
Fotos: Polizeidirektion Straubing
Kleine Seen umgeben die Runway des Straubinger Flughafens. Die Piper kam auf
der »10« mit einer verfügbaren Landestrecke von 1250 Meter nicht zum Stehen
werks standen in der OFF-Position. Landeklappen und Fahrwerk waren ausgefahren.
Das rechte Triebwerk war also definitiv abgestellt worden und der Flieger immer noch in
Landekonfiguration. Doch ist damit die Ursache für diesen Unfall schon geklärt?
Hauptgrund könnte nach Ansicht der BFU
der starke Giereffekt nach rechts gewesen sein
– ausgelöst durch abruptes Powersetzen auf
dem linken Triebwerk. Da die Maschine zu
langsam war, konnte auch ein voll durchgetretenes linkes Seitenruder die Situation nicht
mehr retten. Diese Erklärung lässt sich bislang aber nur mutmaßen, weil die Untersuchungen noch nicht vollständig abgeschlossen sind. Richtig ist, dass nicht ein Faktor
allein den Unfall verursacht hat, sondern
– wie so oft – die Verkettung der beschriebenen Vorfälle.
Wer die PA-34 kennt, weiß, dass die Twin
(und nicht nur diese) in asymmetrischen
Flugzuständen extrem empfindlich um die
Hochachse (rea-)giert. Manfred Daiberl, ehemaliger Chef der Flugschule Jesenwang und
selbst erfahrener Seneca-Pilot, kennt das Problem: »Nach meiner Erfahrung ist es sehr
schwierig, wenn nicht unmöglich, eine Piper
Seneca im Single Engine Go around wieder
in einen unkritischen Flugzustand zu bringen. Mit einem laufenden zweiten Triebwerk
sähe die Sache schon wesentlich einfacher
aus.« Daiberl hält es daher auch für unsinnig,
bei Übungsanflügen mit Zweimots ein Triebwerk komplett abzustellen. »Wir üben bei Einweisungsflügen auch das Abstellen und Wiederstarten (Airstart) eines Triebwerks, aber
nur im Reiseflug in ausreichender Höhe.«
Auch die BFU fragt sich im Nachhinein,
wieso sich die Crew mit einem abgestellten
Triebwerk »eines redundanten Systems beraubt hat«. Die Unfallexperten gehen davon
aus, dass der Absturz vermutlich nicht passiert wäre, hätte die Leistung des rechten
Triebwerks zur Verfügung gestanden. Dass
die Maschine noch in Landekonfiguration
war, dürfte nur zweitrangig gewesen sein.
Grundsätzlich stellt sich die Frage: Warum
werden Twin-Anflüge überhaupt mit abgestelltem Triebwerk geflogen?
Spricht man über dieses Thema in Pilotenkreisen, so ist die Antwort fast immer gleich:
Einmotorige Übungsanflüge mit Zweimots
sollten besser mit einem im Leerlauf arbeitenden Motor geübt werden. Abstellen ist
ziemlich verpönt. Eine Stellungnahme der zuständigen österreichischen Austro Control
oder des Luftfahrtbundesamts steht bislang
aus. Offenbar existieren keinerlei Rechtsvorschriften für solche Anflüge.
So ist es jedem Fluglehrer oder Prüfer freigestellt, das Triebwerk in Leerlaufstellung
aktiv zu halten oder die Variante der »Good
Guys«, der harten Jungs, zu wählen – Abstellen und aufs Beste hoffen.
Peter Berg
9/2007 www.fliegermagazin.de
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