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PRAXIS | UNFALLAKTE Rascher Absturz: Kurz nach dem Start stürzt das UL in ein Maisfeld. Dabei wird der Pilot aus dem Cockpit geschleudert und stirbt, der junge Passagier überlebt Im Grünen: Der UL-Platz Vettweiß-Soller in der Voreifel. Das hindernisfreie Gelände bietet Piloten ausreichende Möglichkeiten für eine Notlandung Rätselhafter Leistungsverlust ausgeschleudert und ist sofort tot. Das Kind auf dem rechten Sitz überlebt schwer verletzt. M I SS G L Ü C K T E R RU N D F L U G Professionelle Wartung ist auch beim UL-Fliegen Zeugen berichten später, das UL habe kurz vor dem Absturz mehrere Motoraussetzer und einen Triebwerksausfall gehabt. Bei der Unfallanalyse nehmen die Ermittler der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) daher den Rotax 912UL der Unglücksmaschine genauer unter die Lupe. Dabei überprüfen sie zunächst die »üblichen Verdächtigen«.Die sind jedoch schnell und ohne Anhaltspunkt für die Unfallursache abgehakt: In beiden Tanks der C42 werden insgesamt 25 Liter Sprit abgepumpt – genug für einen kurzen Rundflug in Platznähe. Außerdem steht der Zündschalter im Wrack noch auf der Position »Ein«. Auch der Brandhahn ist offen. Die Druckwerte der mechanischen Kraftstoffpumpe liegen im normalen Bereich, und auch in den Schwimmerkammern sind keine Verunreinigungen festzustellen, die einen Triebwerksausfall erklären könnten. Kraftstoffsiebfilter, Benzin-Zusatzpumpe, eine Lebensversicherung. Wer darauf verzichtet, geht ein hohes Risiko ein FOTOS: BUNDESSTELLE FÜR FLUGUNFALLUNTERSUCHUNG, MARTIN NASS, HERSTELLER TEXT 66 Beliebter UL-Hochdecker: Die C42 von Comco Ikarus gilt als gute Schulungsmaschine und zählt zu den weltweit meistverkauften UL-Mustern Samuel Pichlmaier S tart und Anfangssteigflug sind besonders kritische Flugphasen – egal ob Echo- oder Mike-Klasse, egal ob leichter Einsitzer oder schwere Zweimot: Auf seine Maschine muss man sich verlassen können. Regelmäßige Wartung und eine gründliche Vorflugkontrolle sind daher das Mindeste, was man für die Sicherheit beim Fliegen tun kann. Die Formel »leichtes Muster = kaum Wartungsbedarf« geht nicht auf. Gerade bei den Ultraleichten mit ihren weniger strengen Vorschriften ist die Verführung aber groß, es mit der Wartung nicht so eng zu nehmen oder selbst Hand anzulegen, auch www.fliegermagazin.de #9.2012 wenn die eigenen Kenntnisse kaum unter die Motorhaube reichen. Kommen dann im Flug noch andere Schwierigkeiten hinzu, kann schon aus einem kleinen Versäumnis ein großes Problem werden. Der Pilot einer Comco Ikarus C42 hat bei seinem Vorhaben am 28. Juni 2010 offenbar keine Bedenken, was den Zustand seiner Maschine betrifft. Er will mit einem neunjährigen Passagier einen Rundflug vom UL-Gelände Vettweiß-Soller südlich der nordrhein-westfälischen Kreisstadt Düren bei Köln unternehmen. Es ist ein lauer Frühsommerabend, der Windsack hängt bei sachten fünf Knoten schlapp über dem Boden. Ideale Bedingungen für einen schönen Ausklang des Tages im UL-Cockpit. Um 19.45 Uhr startet der Hochdecker in den ruhigen Abendhimmel. Doch aus der Fliegeridylle wird binnen Sekunden ein Alptraum. Nach einem kurzen Startlauf geht das UL in einen flachen Steigflug. Am Ende der Graspiste in kaum 50 Meter Höhe kippt die C42 dann völlig unvermittelt ab und stürzt nach einer 180-Grad-Drehung in ein Maisfeld. Der vordere Rumpfteil und die linke Tragfläche kollidieren zuerst mit dem Boden. Dabei werden zwei Propellerblätter abgerissen und das Cockpit völlig zertrümmert. Bauchgurt und oberer Schultergurt des Piloten halten den gewaltigen Kräften beim Aufprall nicht Stand und zerreißen. Der 76-Jährige wird aus dem Flugzeug her- Warum fiel der Motor aus? Brandhahn und sämtliche Kraftstoffleitungen sind in einwandfreiem Zustand und bestehen allesamt die Durchlässigkeitstests. Bei der Zündanlage finden die BFU-Experten allerdings eindeutige Hinweise auf Wartungsmängel: Einige Kabelverbindungen sind nicht sachgemäß repariert, die Isolierungen im Bereich der Zündbox teilweise durchgescheuert – gleichwohl funktioniert alles. Weitere Motortests zeigen beim ersten und zweiten Zylinder einen Druckverlust von 40 beziehungsweise 95 Prozent. Die Ursache sind Ölkohlepartikel, die sich auf den Ventilsitzen abgelagert haben. Letzte Zweifel bleiben Auch dies ist jedoch keine hinreichende Erklärung für die Zeugenberichte über einen Triebwerksausfall. Auf der Liste auffälliger Schäden finden sich einige Druckstellen an den Hauptlagerschalen der Kurbelwelle. Nach Angaben der BFU deuten sie auf eine Verdrehung der Kurbelwelle durch Bodenberührung des Propellers bei laufendem Triebwerk hin. Trotz intensiver Suche können die Ermittler keine eindeutige Ursache für einen Triebwerksstilltand ausmachen. Das Fazit im Untersuchungsbericht: »Ein Auslöser für einen Motorstillstand oder Leistungsverlust konnte bei der Zerlegeprüfung nicht festgestellt werden.« Dennoch schließt man dieses Szenario als Unfallursache »aufgrund der Zeugenaussagen und des Allgemeinzustandes des Triebwerks« nicht aus. In der Schlussfolgerung stellen die Ermittler mit einiger Zurückhaltung fest, das Abkippen der Maschine über die linke Tragfläche sei auf ein Unterschreiten der Mindestgeschwindigkeit in niedriger Höhe zurückzuführen. Ein beunruhigendes Gefühl hinterlässt der letzte Prüfbericht aus den Unterlagen der C42: Die unsachgemäß reparierten Kabel und die durchgescheuerten Isolierungen tauchen in den Aufzeichnungen vom 19. August 2009 nicht auf. Es gibt auch keine Bemerkung des Prüfers dazu, dass die Time between overhaul (TBO – Zeit bis zur Grundüberholung) des Rotax 912UL zum Zeitpunkt der letzten Nachprüfung mit 2939 Stunden weit überschritten war: Für das in der Unfallmaschine eingebaute Triebwerk empfiehlt der Hersteller die Grundüberholung nach 1200 Stunden. www.fliegermagazin.de #9.2012 67