Logistik inside - Unternehmensführung, Logistik und Produktion

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Logistik inside - Unternehmensführung, Logistik und Produktion
Logistik inside 06 (Juni 2004)
LOGISTIK-Hall of Fame
Logistik-Wegbereiter Hanspeter Stabenau
Container-Vater Malcour McLean
Automobil-Guru Horst Wildemann
Just-in-Time-Erfinder Taiichi Ohno
Vier Männer, vier außergewöhnliche Leistungen, vier Meilensteine in der Entwicklung der
Logistik.
Von Andre Kranke und Anita Würmser
Vier Männer - eine Passion. Sie lieben es, Dinge zu verbessern. Ineffektive Abläufe stören ihren Sinn
für eine perfekte Organisation. Vier Persönlichkeiten, ohne deren Arbeit die Logistik nicht das wäre,
was sie heute ist - nämlich das Herz einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft. Vier Logistiker, die sich an
denkbar unterschiedlichen Orten und Zeiten, aus ganz verschiedenen Motivationen heraus für die
Sache der Logistik engagiert haben.
Alle vier haben sich durch ihre außergewöhnlichen Leistungen einen Platz in der Logistik Hall of Faure
verdient. Ihr Lebenswerk ist Vorbild und Ansporn für jeden Logistiker in Deutschland.
Hanspeter Stabenau: Macht aus der Logistik eine anerkannte Branche
Er liebt den großen Auftritt, und er beherrscht ihn. Seine Präsenz ist überwältigend, und nur wenige
können seinem Charisma widerstehen. Eine Mischung, die den bekennenden Bahn-Fan mit dem
Erkennungszeichen Fliege zu einem der erfolgreichsten Logistiker aller Zeiten gemacht hat.
Hanspeter Stabenau.
Zeitzeugen lassen keinen Zweifel daran, dass es insbesondere ihm, seinem Wirken vor und hinter den
Kulissen und seinem charismatischen Auftreten zu verdanken ist, dass sich die Logistik als
betriebswirtschaftliche Funktion institutionalisiert und in Öffentlichkeit und Wirtschaft in nur wenigen
Jahrzehnten als bedeutende Unternehmensfunktion in Deutschland etabliert hat. Beispielhaft für diese
Entwicklung ist der rasante Aufstieg der Bundesvereinigung Logistik (BVL). Mehr als 20 Jahre lang hat
Stabenau als Gründer und langjähriger Vorsitzender die Geschicke der BVL bestimmt und sie zu
einem der erfolgreichsten Verbände und den Deutschen Logistik-Kongress in Berlin zu der größten
europäischen Logistikveranstaltung gemacht.
Als die Gründerväter der BVL vor 25 Jahren mit dem Klingelbeutel „arm wie die Kirchenmäuse" und
nur mit der Idee des System- und Netzwerkgedankens im Gepäck durchs Land zogen, um bei den
damals besser situierten Verbänden, allen voran dem damaligen BSL und heutigen Deutschen
Speditions- und Logistikverband (DSLV), ein paar Mark zu erbetteln, „hat keiner von uns mit dem
Erfolg gerechnet", sagt einer, der sichtbar stolz ist auf das Erreichte und auf seine Weggefährten und
guten Freunde verweist:
Allen voran den Chef eines der namhaftesten Logistiklehrstühle, Professor Helmut Baumgarten von
der technischen Universität Berlin, und den A.T.Kearney-Mann Manfred Türcks. Eine stabile Truppe,
wie Stabenau sie nennt und ein freundschaftliches Netzwerk von Menschen, denen es viel Freude
macht, in diesem Metier hart zu arbeiten.
Die, wie er selbst sagt, Sternstunde und gleichzeitig der Scheideweg seiner beruflichen Karriere traf
den studierten Volks- und Verkehrswissenschaftler und gelernten Schweißer im Alter von 27 wie ein
Schlag. Sollte er als Leiter der Deutschen Aussenhandels- und Verkehrsakademie (DAV) in Bremen
Führungskräfte im Speditionswesen ausbilden oder dem Angebot eines großen Stahlunternehmens
folgen, um dort Verkehrsdirektor zu werden?
Zwei Angebote, zwei Welten: Verkehrsdirektor in einem Stahlwerk kam Anfang der 70er Jahre der
Position eines ungekrönten Königs gleich - leben wie ein Fürst mit Villa und Dienstwagen. Die DAV fiel
unter die Kategorie „viel Arbeit, wenig Brot". Die Wahl, erzählt Stabenau uns ungewohnt still, fiel leicht,
und nie habe er seine Entscheidung für die DAV auch nur eine Sekunde bereut. Frei und
uneingeschränkt gestalten zu können, dieser Verlockung konnte er nicht widerstehen. Aber Stabenau
war immer einer, der weiß, was er will. Und er wollte nicht weniger, als die Logistik im Sinne einer
übergreifenden Steuerungsfunktion als Branche und Unternehmensfunktion etablieren. Als Stabenau
1971 im amerikanischen Stanford auf ein Seminar namens „Business logistics" stieß, gab es kein
Halten mehr. „Ich war begeistert", sagt er und aus den geplanten DAV-Versandleiter-Seminaren
wurden kurzerhand Logistikmanagement-Seminare - und eine Vision. Ein festes Forum für den
Gedankenaustausch Gleichgesinnter musste her. Ein Verein, in dem Handel, Industrie, Spedition und
Wissenschaft eine logistische Heimat finden. Ein solches Vorhaben grenzte damals fast an Spinnerei,
wenn nicht gar an Größenwahn. Es kam zupass, dass auch der mächtige Bundesverband der
Deutschen Industrie (BDI) gerade an die Gründung eines Arbeitskreises Logistik dachte. Stabenau
ergriff die Gunst der Stunde und gründete 1978 zusammen mit dem BDI die Bundesvereinigung
Logistik. Der BDI steuerte das für die damaligen Verhältnisse stattliche Startkapital von 5000 Mark bei.
Die Lebensfreude sprudelt förmlich aus ihm heraus, seine Begeisterung ist ansteckend und sein
Prinzip so simpel wie wirkungsvoll: „Man hat im Beruf immer nur dann Erfolg, wenn einem seine
Aufgabe Freude macht." Was andere sich mühsam in Motivationsseminaren aneignen müssen, ist ihm
gegeben. Der maximale Spaßfaktor und ein unerschütterliches Selbstbewusstsein. Nur eines mag er
nicht: Auto fahren. Ein Auto hat er nie besessen, wozu auch, lacht er schallend, er könnte es ja gar
nicht bedienen. Und lässt uns verschmitzt wissen, dass seine Gattin Audi A4 fährt.
Seine Neugier zeichnet ihn aus, an seiner Ungeduld will er arbeiten, und da er kräftig auf die 70
zugeht, will er die Dinge in Zukunft lockerer nehmen. Nicht jedoch, wenn es um die Sache geht, und
schon sprudelt: „Wir müssen zu einer anderen Managementauffassung von Logistik kommen. Ein
nutzerfinanziertes Gesamtsystem Verkehr, um die Mobilität der Zukunft zu sichern, die Abschaffung
der funktionalen Ausbildung des Nachwuchses als „einzig wirkungsvollen Ansatz, um Veränderungen
in der Wirtschaft herbeizuführen", und die Integration der Verkehrsträger in ein Gesamtsystem, das
würde ihm schon noch Spaß machen, lacht er laut.
Malcom McLean: Ideenreicher Trucker revolutioniert die Seeschifffahrt
Als am 15. Mai 1966 die MS „Fairland" die ersten Container aus den USA im Bremer Überseehafen
entlud, brach auch für Deutschland eine neue Zeit an. Die unscheinbare Stahlbox gilt heutzutage als
wichtigster Transportbehälter weltweit. Schätzungsweise 95 Prozent des Welthandels erfolgt via
Seecontainer.
Hinter dieser einzigartigen Entwicklung steht ein Mann: Malcom McLean. Ihm gehörte die MS
Fairland. Der Gründer der Reederei Sea-Land gilt weltweit als der Vater der Containerisierung.
Vor 70 Jahren in North Carolina: Eigentlich wollte der junge Malcom zur US-Army. Denn er hatte das
Schweinefüttern auf dem Hof seines Vaters satt. Aber seine Mutter überzeugte ihn, lieber eine
Tankstelle zu pachten. Es war Anfang der 30er Jahre, als der gerade Volljährige in die
Logistikbranche einsteigt. Ein Kunde seiner Tankstelle fragte, ob er einen Lastwagen samt Fahrer
mieten könnte. Der als Spielernatur bekannte Malcom riskierte sein Geld und besorgte einen Lkw.
Danach ging es ganz schnell. McLean Trucking stieg zur zweitgrößten Spedition in den USA auf.
1955 verkaufte McLean sein erfolgreiches Unternehmen. Er wollte eine Idee in die Tat umsetzen.
Schon in seiner Zeit als Trucker Mitte der 30er Jahre erkannte er, dass es eigentlich viel zu aufwändig
ist, die Ladung aus seinem Lastwagen mit vielen Männern Stück für Stück auszuladen, im
Hafenschuppen einzulagern, neu zu verpacken und dann einzeln wieder aufs Schiff zu hieven, um im
Zielhafen die ganze Prozedur wieder neu zu beginnen. Ihm kam die Idee, einfach den Lastwagen
samt Ladung aufs Schiff zu stellen.
Zwanzig Jahre später sah er die Zeit für seine Idee gekommen. Er kaufte für 40 Millionen Dollar die
Pan Atlantic Tanker Company mit einer Flotte von alten Öltankern und begann Lastwagen samt
Ladung auf Schiffe zu verladen. Am 25. April 1956 lässt McLean in Port Newark auf dem umgebauten
Öltanker Ideal X erstmals 58 Container verladen, die entlang der amerikanischen Ostküste nach
Houston transportiert werden. 1957 startet McLean mit reinen Containerschiffen einen regulären
Dienst zwischen New York, Florida und Texas. 1960 wird seine Reederei Pan Atlantic in Sea-Land
umbenannt. Und 1966 bringt die MS Fairland die ersten Container nach Europa.
Seine Idee war nicht mehr aufzuhalten, obwohl es Gewerkschaften, Reedereien und die
Eisenbahngesellschaften versuchten. Denn McLean zerstörte mit seinem Container das
traditionsreiche und für alle Beteiligten lukrative Stückgutgeschäft. Ihm war das egal, er hielt nichts
von maritimen Traditionen. Gerne gab der Spediteur zu, dass er von Schifffahrt eigentlich keine
Ahnung hatte. „Für mich ist das Schiff nichts weiter als eine Zugmaschine", soll der einstige Trucker
aus North Carolina gesagt haben.
Und doch hat er die Schifffahrt und Logistik wie kein anderer revolutioniert. Die Produktivität in der
Transportkette erhöhte sich enorm. Zum Be- oder Entladen von 10.000 Tonnen Stückgut benötigte ein
konventionelles Frachtschiff acht bis zehn Tage. Mit einem Containerschiff und einfachen
Umschlaganlagen schaffte man diese Menge in zwei Tagen. Dadurch reduzierte sich der
Personalbedarf für die Umladungen immens, und die Transportzeiten und Kosten verringerten sich
durch die kürzeren Schiffsliegezeiten.
„Er war jemand, der davon überzeugt war, dass für jedes noch so komplizierte Problem eine einfache
Lösung existiert", berichtet Thomas Greh, der als Autor, Produzent und Regisseur gerade eine
dreiteilige Dokumentation zum Container für den Fernsehsender Arte produziert und mit McLeans
Schwester, Tochter und engen Mitarbeitern gesprochen hat. „Make it simple" und Menschen können
nur außergewöhnliche Leistungen vollbringen, wenn ihnen die ganze Sache auch Spaß macht,
beschreibt Greh McLeans Credo. Der Vater des Containers, der Glück und Erfolg lange Jahre
gepachtet zu haben schien, musste aber auch Niederlagen einstecken. Nachdem er 1969 Sea-Land
verkauft hatte, stieg er in den 80er Jahren noch einmal bei der US-State-Lines ein. Doch er setzte für
damalige Zeit auf zu große Containerschiffe und führte das Unternehmen recht schnell in eine 420Millionen-Dollar-Pleite.
Sich nun etwa endgültig zurückzulehnen und auszuruhen war für den fast 80jährigen McLean aber
nichts. Zeit seines Lebens wollte er Ideen umsetzen und Dinge verbessern. Bis zu seinem Tod am 25.
Mai 2001 war er mit 87 Jahren noch Chef von Trailer Bridge, einer Reederei, die noch heute die in
seiner Amtszeit speziell entwickelten 53-Fuß-Container zwischen Puerto Rico und dem US-Festland
transportiert.
Horst Wildemann: Der Professor, dem die Vorstandsetagen offen stehen
„Ich habe japanisch gelernt, es aber nie zu mehr gebracht, als Essen zu bestellen." Das sagt einer,
der die japanischen Erfolgsrezepte, allen voran Just-in-Time und Kanban, vom Japanischen ins
Deutsche übersetzt hat. Professor Horst Wildemann, Manager, Lehrer, Praktiker aus Leidenschaft und
bekennender Wissenschaftler. „Kein blasser Jünger der Wissenschaft, kein hermeneutisches
Trüffelschwein und schon gar kein Altbausanierer im Reich des Geistes", wie er sich selbst
charakterisiert. Bereits Anfang der 80er Jahre trieb den eloquenten Professor, den es aus Spaß an der
Sache an die neu geschaffene Provinz-Uni Passau zog, die Frage um, wie japanische
Managementprinzipien auf europäische Verhältnisse zu übertragen sind. Warum sind die japanischen
Autobauer so erfolgreich? Als er die Antwort hatte, war es vorbei mit der Beschaulichkeit im
lauschigen Donaustädtchen. Tausende pilgerten nach Passau, um seine Lösungen zu hören. Und aus
dem Provinz-Professor war der Produktions- und Logistikguru der deutschen Automobilindustrie
geworden.
Nach einem Jahrzehnt war ihm das beschauliche Donaustädtchen Passau zu eng geworden und auch
ein wenig die Automobilindustrie. Doch die Entscheidung fiel nicht für St. Gallen, Los Angeles, die TU
Berlin oder die Uni Dortmund. Auch Industrieangebote gab es reichlich, erst kürzlich, wie er uns
erzählt - die Chefetage eines namhaften deutschen Autoherstellers. Er hat sie alle ausgeschlagen.
München sollte es sein, das Institut für BWL an der Technischen Universität. Dort ist er bis heute
Wissenschaftler und erfolgreicher Unternehmer in einem. In seinem Beratungshaus TCW TransferCentrum beschäftigt er über 80 Mitarbeiter und veranstaltet an der TU sein Management Kolloquium
mit jährlich 1000 Teilnehmern und der wahrscheinlich höchsten Top-Manager-Dichte auf dem Podium.
Wildemann liebt die Komplexität und noch mehr, sie zu reduzieren. Er hantiert mit mathematischen
Modellen, und es brennt ihm auf den Nägeln, seine Theorien in der Praxis zu verifizieren. Nicht ohne
sich um den Genuss zu bringen, die Vorstandschefs davon zu überzeugen. Aber bitte in weniger als
30 Minuten, denn Zeitmanagement ist das Steckenpferd des selbstbewussten Professors und „ich
brauche 30 Minuten ihrer Zeit" seine Eintrittskarte in die Vorstandsetagen der deutschen Wirtschaft.
„Man muss das Klavier schon beherrschen, damit das Ganze Spaß macht", schmunzelt er. Und „man
muss sich dem unbedingten Test eines realen Versuches stellen, denn die Leute haben mir ja nicht
wegen meiner blauen Augen geglaubt." Geglaubt wird ihm nicht nur in den Vorstandsetagen der
Automobilindustrie. Telekommunikation, Energie, Logistik - seine Kunden kommen mittlerweile aus
fast allen Branchen.
Sein Erfolgsrezept: Der klare Kostenfokus und die Kunst, die richtigen Themen auszuwählen. Fast
schon penetrant fragt er nach dem Mehrwert, der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung. Er klebt
nicht an Themen, eher schon an Methoden. Just-in-Time, E-Business, Elektronischer Einkauf, ChinaSourcing, Supply Chain Management - in eine Schublade stecken lässt er sich nicht so leicht.
Wildemann ist den meisten deutschen Forscherkollegen immer eine Nasenlänge voraus. Und an
Selbstbewusstsein fehlt es ihm auch nicht: „Warum soll ich mich mit einem Sachbearbeiter abgeben,
wenn ich nicht mit dem Vorstandsvorsitzenden reden kann", gibt er ebenso unbescheiden wie ehrlich
zu. Eine Devise, die dem Mathegenie und einstigen DDR-Eliteschüler nicht nur den Ruf des
Einzelkämpfers, sondern auch ausgezeichnete Industriekontakte eingebracht hat - und dazu jede
Menge Neider. Etablierte Professoren haben ihn und seine Publikationen schon früh verrissen. Heute
macht ihm das nichts mehr aus. Früher schon eher, gesteht er, und die Erklärung ergibt sich aus
seiner Biografie.
Nach der Flucht des Vaters aus der DDR, fand sich der 16-jährige, einst wohlbehüteter Eliteschüler,
plötzlich als Traktorfahrer in Mecklenburg wieder. Acht Monate hielt er es aus, dann floh auch er in
den Westen. Es folgten: Lehre als Werkzeugmacher, nebenbei Abendschule, Abitur, kurze Jahre
Maschinenbaustudium. Danach bei Eunuco am Zeichenbrett und nach drei Monaten war ihm klar: Er
würde nie zur Fraktion der Birkenstockträger gehören. Als Vorstandsassistent bei Ford hat er das
Managen gelernt. Geliehene Macht, wie Wildemann das nennt: „Freitag Mittag bis Sonntag Abend war
meine Hauptarbeitszeit" und während der Woche studierte er BWL - er war sich selbst nicht klug
genug.
Die Autoindustrie hat ihm einiges zu verdanken. Eine Partnerschaft, die auf Gegenseitigkeit beruht,
wie Wildemann sagt. „Hätten die mir nicht zugehört und einige Experimente gewagt, wäre ich auch
nicht weitergekommen." Als Dank fährt der Professor mit dem Hang zu schnellen Autos immer das
Modell seines größten Kunden - heute braust er mit einem Audi davon.
Taiichi Ohno: US-Supermarkt als Vorbild für moderne Produktion
Seine nunmehr über 50 Jahre alten Ideen und Schriften gelten als legendär. Sie revolutionierten die
Automobilproduktion in den 70er und 80er Jahre weltweit. Scharenweise pilgerten westliche Manager
zu ihm nach Japan. Taiichi Ohno ist der Begründer des „Toyota Production System", das noch heute
Vorbildcharakter für die Produktionslinien der Automobilhersteller in der Welt hat.
Als eine der zwei Grundsäulen dieses Systems gilt der „Just-in-Time-Gedanke": Die einzelnen
Materialien haben erst dann in der richtigen Anzahl, Qualität und Reihenfolge am jeweiligen
Fertigungspunkt innerhalb der Montagelinie zu sein, wenn diese benötigt werden. Mit dieser
Grundidee, die bis zum heutigen „Just-in-Sequence" immer weiter verfeinert wurde, konnten
Industrieunternehmen vieler Branchen Überproduktionen und kostspielige Zwischenlager innerhalb
der Fertigung deutlich reduzieren. Dadurch kam es zu einer erheblichen Effizienzsteigerung innerhalb
der Produktion.
Als Vorbild für seine Idee nannte Ohno immer amerikanische Supermärkte, wo Kunden die
gewünschten Produkte zur gewünschten Zeit und in der gewünschten Menge abfordern.
Um Just-in-Time-Lieferungen in der Fertigung umzusetzen, entwickelte und testete der damalige
Betriebsingenieur bei Toyota Motors 1953 das noch heute in vielen Fertigungslinien angewandte
„Kanban"-Prinzip. Kanban ist eigentlich nur ein in der Regel auf genormten Papierkarten basierendes
Kommunikationssystem. Die vorgelagerten Prozessschritte werden mittels der Kanban-Karte von dem
nachgelagerten Prozessabschnitt aufgefordert, die auf der Karte angegebenen Teile zu produzieren
und zu einem bestimmten Datum an einen vorbestimmten Ort zu liefern.
Ohne Kanban-Karte ist es nicht erlaubt, eine Fertigung zu starten. Mit diesem einfachen
Kommunikationsmittel werden innerhalb der Fertigung Überproduktionen und die Anhäufung von
Zwischenlägern vermieden. Das Kanban-System, das heutzutage oftmals mit Barcode- und ITSystemen unterstützt wird, ist in vielen deutschen Industrieunternehmen Standard.
Logistik-Hall-of-Fame-Mitglied Professor Horst Wildemann, der Ohno seit 1978 mehrere Male
besuchte und seine Methoden auf europäische Verhältnisse anpasste, beschreibt den 1912
geborenen und 1990 verstorbenen Ingenieur zum einen als einen Mann mit Visionen, aber auch als
einen effizienten, durchsetzungsstarken Manager. Ihm sei es zu verdanken, dass Toyota eine hohe
Lerngeschwindigkeit entwickelt habe, die es ermöglichte in Sachen Produktionseffizienz den
Wettbewerbern noch heute einen Schritt voraus zu sein.
Hanspeter Stabenau – Wegbereiter der Logistik
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Geboren am 1. November 1934 in Königsberg (Ostpreußen), verheiratet
-
Gründet 1978 maßgeblich die Bundesvereinigung Logistik, steht ihr als Vorstandsvorsitzender bis
1999 vor und ist heute ihr Ehrenvorsitzender. Mit der BVL hat er eine neutrale Plattform für alle
Branchen, Wissenschaftsdisziplinen und Unternehmensfunktionen geschaffen
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Gilt als Wegbereiter der modernen Logistik und Verfechter des Systemgedankens. Er hat die
Logistik als übergreifende Steuerungsfunktion bereits in den frühen 70er Jahren erkannt, diese
Denkweise durch seine Arbeit in den Köpfen der Fachwelt etabliert und als Lehrer an die heutigen
Führungskräfte der Logistikdienstleistung fast 40 Jahre lang weitergegeben
Malcom McLean - Der Vater des Containers
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Geboren 1913 als Sohn eines Farmers nahe der Stadt Maxton im US-amerikanischen North
Carolina. Verstorben 2001
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Beginnt 1955 in den USA als erster damit, komplette Lastwagen und später Container samt
Ladung auf Seeschiffe zu verladen. Gegen den Widerstand der damaligen großen Reedereien
und Eisenbahngesellschaften läutet er das Zeitalter der Containerisierung ein
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Gründet 1960 die Containerreederei Sea-Land, die heute als Teil der dänischen Reederei-Gruppe
A.P. Möller als Maersk-Sealand zu den Weltmarktführern gehört
Horst Wildemann – Guru der Automobilindustrie
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Geboren am 4. Januar 1942 in Litzmannstadt, verheiratet, zwei Töchter
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Lehrstuhlinhaber in Bayreuth, Passau, jetzt München. Gründet die Beratungsgesellschaft
Transfer-Centrum
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Passt die Just-in-Time- und Kanban-Philosophie an europäische Verhältnisse an, führt sie in den
deutschen Autokonzernen ein und entwickelt sie weiter. Gilt als der deutsche Just-in-Time-Vater
und einer der profundesten Kenner der Autoindustrie
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Bundesverdienstkreuz, zahlreiche Aufsichtsratsämter, veröffentlichte bisher 28 Bücher und mehr
als 500 Aufsätze
TCW
Taiichi Ohno – Erfinder von Just-in-Time
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Geboren im Februar 1912 im damals japanischen Dairen (Port Arthur). Verstorben am 28. Mai
1990 in Toyota City in Japan
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Kommt 1943 zur Toyota Motor Company, wo er 1953 als Betriebsingenieur das Kanban-System
entwickelt und einführt. Formuliert als erster den Just-in-Time-Gedanken
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Entwickelt die Produktionslogistik bei Toyota kontinuierlich weiter und scheidet 1978 als Vice
President aus
-
Veröffentlicht 1978 den weltweiten Bestseller „Toyota Production System"
Die Logistik Hall of Fame
Mit der Logistik Hall of Fame ehrt das Fach- und Wirtschaftsmagazin LOGISTIK inside
Persönlichkeiten, die sich um die Weiterentwicklung von Logistik und Supply Chain Management im
deutschsprachigen Wirtschaftsraum außergewöhnlich verdient gemacht haben.
Die Leistungen und das Engagement dieser Manager, Berater, Wissenschaftler, Politiker und
Persönlichkeiten der Geschichte sollen nicht in Vergessenheit geraten und mit dieser ewigen
Ruhmeshalle auch künftigen Generationen von Logistikern in Erinnerung gerufen werden. Weitere
Informationen über die einzelnen Mitglieder finden sich in der Logistik Hall of Fame, die im Internet
jederzeit kostenlos unter www.logistik-hall-of-fame.de besucht werden kann.
Jedes Jahr im Mai werden neue Mitglieder in die Logistik Hall of Fame berufen. Alljährlich bis zum 31.
Dezember kann sich jede natürliche Person selbst oder andere natürliche Personen für die Aufnahme
in die Logistik Hall of Fame vorschlagen. Eine unabhängige Jury wählt in geheimer Wahl die neuen
Mitglieder.
Das Bewerbungs- und Wahlverfahren sowie die Statuten der Hall of Fame finden Sie im Internet unter
www.logistik-hall-of-fame.de.
Die Jury der Logistik Hall of Fame
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Rudolf Behrens, Prokurist und Bereichsleiter ECR-Prozessmanagement der Centrale für
Coorganisation (CCG)
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Manfred Boes, Präsident des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes (DSLV)
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Professor Uwe Clausen, Inhaber des Lehrstuhls für Verkehrssysteme und -logistik der Universität
Dortmund und Leiter des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik (IML)
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Reinhard Klein, verantwortlicher Projektgruppenleiter „transport logistic" bei der Messe München
GmbH
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Horst Wiedmann, Vice President Corporate Purchasing & Logistics der ZF Friedrichshafen AG
und Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME)
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Anita Würmser, Chefredakteurin LOGISTIK inside und VerkehrsRundschau sowie Vorsitzende
der Logistik-Hall-of-Fame-Jury