die umsetzung des kontemporären popsounds in der vokalmusik

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die umsetzung des kontemporären popsounds in der vokalmusik
DIE UMSETZUNG DES KONTEMPORÄREN POPSOUNDS IN
DER VOKALMUSIK ANHAND DER GRUPPE PENTATONIX
Diplomarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades Magistra artium
an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz
vorgelegt von
KATRIN SCHINNERL
Diese Arbeit wurde im Rahmen der Studienrichtung Lehramt Musikerziehung
am Institut für Jazzforschung unter der Betreuung von
O. Univ. Prof. Dr. phil. Franz Kerschbaumer
verfasst.
Graz, Juni 2015
____________________
_______________
(Name in Blockbuchstaben)
(Matrikelnummer)
Erklärung
Hiermit bestätige ich, dass mir der Leitfaden für schriftliche Arbeiten an der
KUG bekannt ist und ich diese Richtlinien eingehalten habe.
Graz, den.........................................................
….....................................................................
Unterschrift der Verfasserin/ des Verfassers
Vorwort
Die Idee, mich im Rahmen einer Diplomarbeit näher mit der Gruppe
„Pentatonix“ auseinanderzusetzen, entstand rein zufällig: Auf Facebook war ich
schon längst ihr Fan und klickte mich öfters durch ihre Videos. Dabei wurde mir
klar, dass Pentatonix einen Imagewandel im A-cappella-Bereich repräsentiert.
Mit großer Euphorie begann ich, mich für die Gruppe selbst, sowie für die
Marketingschiene, die hinter diesem Erfolgskonzept steckt, zu interessieren und
somit war der erste Grundstein für diese Diplomarbeit gelegt. Mein Interesse
wuchs mit dem Besuch eines Live-Konzertes, bei dem ich bemerkte, dass
Pentatonix längst die Welt des Mainstreams erobert hatte. Umzingelt von
kreischenden Teenies und gestört von deren Lärm, blieb mir der vollwertige
Klang des Gesangs größtenteils verwehrt. Trotzdem verließ ich den Saal mit
einem anerkennenden Staunen, da mir der Wandel der A-cappella-Musik in
diesem Moment bewusst wurde.
Im Laufe dieser Arbeit konnte ich sogar Parallelen zwischen meinen eigenen
musikalischen Projekten und dem Diplomarbeitsthema herstellen, da ich selbst
mit den beiden A-cappella-Gruppen „Chilli da Mur“ und „Massive Beats Crew“
Teil einer Castingshow für Chöre war, ein Format in dem auch Pentatonix ihre
Fortentwicklung startete, und durch das Sammeln wertvoller Erfahrungen somit
den Werdegang von Pentatonix besser verstehen konnte. Ende Mai dieses
Jahres wurde uns mit Chilli da Mur auch die besondere Ehre zu Teil, im
Rahmen eines renommierten Chorfestivals in der National Concert Hall in
Budapest direkt vor der Profi-A-cappella-Gruppe „Rajaton“ aufzutreten. Dort
entstand auch das Interview mit dem Tenor der Gruppe.
An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei O.Univ.-Prof.Dr.phil. Franz
Kerschbaumer für die zahlreichen Tipps und Hilfestellungen, sowie für die
Unterstützung als Betreuer bedanken. Großer Dank gilt auch meinen
Interviewpartnern Hannu Lepola und Peter Martin Jacob, die sich für meine
Fragen Zeit genommen haben. Zuletzt möchte ich mich bei meinem Freund
Florian und meiner Familie für die großartige emotionale Unterstützung in einer
stressigen Zeit bedanken. DANKE!
Abstract
Die vorliegende Diplomarbeit beschäftigt sich mit der Umsetzung des
kontemporären Popsounds in der Vokalmusik anhand der Gruppe Pentatonix.
Dabei wird zuerst die frühe amerikanische Entstehungsgeschichte von Acappella, begonnen bei den Work Songs bis hin zum Doo-Wop, beschrieben.
Im Anschluss daran werden Vocal Percussion als Teil von A-cappella und der
kontemporäre Popsound genauer untersucht, bevor die Gruppe Pentatonix
vorgestellt wird. Im praktisch orientierten Teil dieser Diplomarbeit werden drei
Pentatonix-Arrangements auf die Umsetzung des kontemporären Popsounds
hin mit den jeweiligen originalen Liedern verglichen. Abschließend wird mithilfe
zweier Interviews, sowohl aus der Sicht des Künstlers als auch aus
Managersicht, ein Blick hinter die Kulissen gewagt und Komponenten wie
Marketing, Arrangierprozess und Produktion diskutiert und näher analysiert.
This diploma thesis deals with the application of the contemporary pop sound in
a cappella music, based on the vocal group Pentatonix. In the first part, the
focus lies on the early American history of a cappella music, ranging from
genres such as Work Songs to Doo-Wop. After that, vocal percussion and
contemporary pop sound are analyzed, followed by an introduction of the a
cappella group Pentatonix. Within the practically oriented part of this thesis,
three of their arrangements are analyzed according to elements of
contemporary pop music by comparing the vocal arrangement with the original
song. Lastly, two interviews carried out with an artist as well as a manager
inform the reader about aspects such as marketing, the arranging process, as
well as the production of a cappella music.
Inhaltsverzeichnis
1. EINLEITUNG.................................................................................................. 1
2. FORMEN DER MEHRSTIMMIGEN VOKALMUSIK IN AMERIKA FRÜHGESCHICHTE .......................................................................................... 3
2.1. Work Songs ........................................................................................... 4
2.2. Spirituals ................................................................................................. 5
2.3. Gospel Songs ......................................................................................... 8
2.4. Barbershop und ‚Close Harmony Singing’ ........................................ 10
2.5. Doo-Wop ............................................................................................... 13
3. A-CAPPELLA UND POP ............................................................................. 19
3.1. Vocal Percussion und Beatboxing als Elemente moderner Acappella Musik............................................................................................. 19
3.1.1. Geschichte des Beatboxing ............................................................. 20
3.1.2. Erlernen von Vocal Percussion und Beatboxing .............................. 25
3.2. Der kontemporäre Popsound .............................................................. 28
3.2.1. Klangmerkmale der kontemporären Popmusik ................................ 29
3.2.2. Soundkorrektur ................................................................................ 32
3.2.3. Soundgestaltung .............................................................................. 34
3.3. Die neue amerikanische A-cappella-Welle ......................................... 37
3.3.1. Collegiate A Cappella ...................................................................... 37
3.3.2. Contemporary A Cappella Society ................................................... 40
3.3.3. Deke Sharon .................................................................................... 41
3.4. Pentatonix ............................................................................................. 43
3.4.1. Mitglieder und Entstehung .............................................................. 44
3.4.2. Arrangements .................................................................................. 47
4. DIE VOKALE UMSETZUNG DES KONTEMPORÄREN POPSOUNDS
ANHAND VON DREI PENTATONIX-ARRANGEMENTS ................................ 49
4.1. We are young........................................................................................ 49
4.1.1. Formale Unterschiede...................................................................... 50
4.1.2. Vokale Umsetzung des Popsounds ................................................. 52
4.2. Can’t hold us ......................................................................................... 59
4.2.1. Formale Unterschiede...................................................................... 59
4.2.2. Vokale Umsetzung des Popsounds ................................................. 61
4.3. Daft Punk ............................................................................................... 67
4.3.1. Formale Umsetzung......................................................................... 68
4.3.2. Vokale Umsetzung des Popsounds ................................................. 69
4.4. Fazit ....................................................................................................... 73
5. A-CAPPELLA: HINTER DEN KULISSEN................................................. 74
5.1. Die Sicht eines Künstlers .................................................................... 74
5.1.1. Interview mit Hannu Lepola von Rajaton ......................................... 75
5.1.2. Zusammenfassung des Interviews ................................................... 78
5.2. Die Sicht eines Managers .................................................................... 78
5.2.1. Interview mit Peter Martin Jacob ...................................................... 79
5.2.2. Zusammenfassung des Interviews ................................................... 82
6. ZUSAMMENFASSUNG............................................................................. 83
7. LITERATURVERZEICHNIS ...................................................................... 85
8. ANHANG ................................................................................................... 91
i)
Diskographie........................................................................................... 91
ii)
Songtexte ............................................................................................... 92
1. Einleitung
„We are so honored and humbled that we have got that title. We love Acappella-music so much that we think it should be brought to mainstream.
So that’s actually one of our goals – to reach a wide variety of different types
of audiences.”1
Diese klaren Worte fanden der Bariton SCOTT HOYING, sowie der Tenor/Altus
MITCH GRASSI, die beide Mitglieder der A-cappella-Gruppe Pentatonix sind, in
einem Interview kurz nach ihrem großen Erfolg bei der Castingshow „The Sing
Off“. Das einleitende Statement unterstreicht den Fokus dieser Arbeit: Seit dem
Aufstreben von Pentatonix vor vier Jahren ist zu beobachten, dass das gesamte
Genre A-cappella für ein breiteres sowie jüngeres Zielpublikum von großem
Interesse ist, da sowohl ihre Songs als auch ihr Marketing-Konzept sehr stark
auf eine Verbindung zur kontemporären instrumentalen Popmusik hinweisen.
Darunter fällt einerseits der Sound der im Studio aufgenommenen Alben und
andererseits die Vermarktung der Musik auf YouTube, beziehungsweise auf
Social Media Plattformen wie Facebook und Twitter.
Die Geschichte der A-cappella-Musik geht bereits in die Renaissance zurück,
wo ab der Einführung der Polyphonie überhaupt erstmals der Terminus Acappella verwendet wurde. Die gesamte Entstehungsgeschichte von A-cappella
aufzuarbeiten, wäre aber zu umfangreich, deshalb beschäftigt sich diese
Diplomarbeit hauptsächlich mit der amerikanischen A-cappella-Musik, um so für
das Verständnis rund um den Erfolg von Pentatonix einen klaren Rahmen zu
schaffen.
Das zweite Kapitel fokussiert den Beginn der nordamerikanischen Vokalmusik
mit all ihren unterschiedlichen Stilrichtungen, wie beispielsweise Work Songs,
Spirituals und Gospels, Barbershop und Doo-Wop. Im darauffolgenden Kapitel
werden die Zusammenhänge zwischen der A-cappella-Kunst und der Popmusik
beleuchtet und erörtert, welche Möglichkeiten bestehen, reine Vokalmusik an
instrumentale Popmusik anzunähern. Dazu zählt einerseits die stetige
1
https://www.youtube.com/watch?v=iv6OLHWUos4 [06.06.2016]
1
Entwicklung von Vocal Percussion und Beatboxing und andererseits werden die
Merkmale des kontemporären Popsounds, darunter digitale Soundbearbeitung
beziehungsweise
Soundgestaltung,
in
die
Thematik
miteinbegriffen.
Anschließend liegt das Hauptaugenmerk auf der neuen amerikanischen Acappella-Welle, mit all ihren Produzenten und Verantwortlichen. Auch die Acappella-Gruppe Pentatonix wird hier vorgestellt. Kapitel 4 widmet sich einer
umfassenden
Analyse
dreier
Pentatonix-Songs,
bei
denen
die
Vokalarrangements mit den jeweiligen Originalen verglichen, sowie auf die
vokale Umsetzung des kontemporären Popsounds hin untersucht werden. Das
letzte Kapitel dieser Diplomarbeit befasst sich mit einem Blick hinter die
Kulissen
der
A-cappella-Szene,
indem
anhand
von
zwei
Interviews
unterschiedliche Sichtweisen im Bereich von Marketing, Arrangierprozess und
Produktion dargestellt werden.
Das Ziel dieser Diplomarbeit ist, herauszufinden, wie sich der kontemporäre
Popsound von dieser Sparte entspringenden Bands auf das Genre A-cappella
übertragen lässt, was anhand der Gruppe Pentatonix und deren vokalen
Arrangements von originalen Liedern exemplifiziert werden soll.
2
2. Formen der mehrstimmigen Vokalmusik in Amerika Frühgeschichte
Die mehrstimmige A-cappella-Musik in Nordamerika findet ihren Ursprung nicht
erst durch die vielfach durch Fernsehen und Radio bekannten BarbershopGruppen aus den 1940er- und 1950er-Jahren, sondern reicht viel weiter zurück
in eine Zeit, in der die Versklavung von Afro-Amerikanern an ihrem Höhepunkt
angekommen war. Am Beginn der amerikanischen A-cappella-Musik standen
die
sogenannten
Negro-Spirituals,
die
nach
heutiger
überarbeiteter
Ausdrucksweise vielfach als African-American-Spirituals2 bezeichnet werden.
Dieses erste Kapitel in der Entstehung der amerikanischen Vokalmusik ging
auch nicht spurlos an den Europäern vorüber, da sie bereits durch die damals
berühmten „Fisk Jubilee Singers“ auf die neue Gattung des African-AmericanSpirituals aufmerksam gemacht wurden. Der eben genannte Chor tourte im
Jahr 1873 durch die Konzertsäle Europas und konnte grandiose Erfolge
erzielen. Die Fisk Jubiliee Singers wurden seit jeher musikalisch gesehen als
erster eigenständiger amerikanischer Beitrag seit jeher gefeiert. Das Publikum
wurde belehrt, dass sich die Kompositionen nicht etwa langsam aus einer Kultur
entwickelten, sondern vielmehr als Teil von Gottesdiensten in ihrer finalen Form
entsprangen.3 Diesen scheinbaren Wahrheiten zum Trotz ist heute klar, dass
die amerikanische Vokalmusik nicht einfach passierte, sondern eine lange
Entstehungsgeschichte aufweist.
Um möglichst tiefgehende Einblicke in die heutige amerikanische A-cappellaMusik zu bekommen, ist es von Nöten, auch die musikgeschichtliche
Entwicklung zu beleuchten. Die folgenden Kapitel beschäftigen sich mit der
Frühgeschichte der unbegleiteten Vokalmusik in Amerika, angefangen von den
Work Songs, den bereits erwähnten African-American-Spirituals, über Gospels,
bis hin zu Barbershop und der einzigen Ausnahme Doo-Wop mit ihren
jeweiligen Entstehungsgeschichten und musikalischen Merkmalen, da diese für
die moderne amerikanische A-cappella-Welle prägend waren.
2
In der vorliegenden Arbeit wird in Folge lediglich der aktuelle und politisch korrekte Begriff
„African-American-Spiritual“ verwendet.
3
Vgl. Jahn (1962): 5
3
2.1. Work Songs
Die
Gattung
der
Work
Songs
zählt
bis
heute
zu
den
ältesten
Gesangsgattungen der afroamerikanischen, aus der Sklavenzeit stammenden
Folkore, die, wenn auch in stilisierter Form, zum Teil noch bis heute besteht.
Schon der Name beschreibt die Funktion von Work Songs, zu Deutsch
„Arbeitslieder“:
Die
Baumwollplantagen,
Gesänge
beim
dienten
Holzfällen,
dem
beim
Zweck,
die
Eisenbahnbau,
Arbeit
oder
auf
beim
Korndreschen zu erleichtern und von der Arbeit abzulenken. Abhängig von
unterschiedlicher Arbeit entstanden differenzierte Kategorien, in die diese Work
Song eingeteilt werden können, wie zum Beispiel „Railroad Songs“ oder
„Plantation Songs“.4 Typisch für Work Songs sind die ad hoc erfundenen
Textzeilen, sowie die der durchgehende Beat, der von Werkzeugen wie
Hämmern oder Äxten übernommen wurde.5
Generell basieren Work Songs auf dem „call-and-response-Prinzip“, das die
Wechselwirkung eines Vorsängers und eines antwortenden Chores beschreibt
und später für die Entwicklung des Blues von großer Bedeutung war. 6 Aus der
frühen amerikanischen Sklaverei entwickelten sich zwei verschiedene Arten von
Work Songs, basierend auf der verrichteten Arbeit: Metrische und NichtMetrische. Ein metrischer Work Song besteht entweder aus dem reinen „call“
ohne „response“ von anderen Arbeitern, oder auch aus dem klassischen
Prinzip, bei dem vom Chor auf das Solo geantwortet wird. Bei ersterer Variante
kann das Fehlen der gesungenen chorischen Antwort durch die Geräusche der
Werkzeuge oder auch durch das Stöhnen aufgrund der körperlichen
Anstrengung ersetzt werden. Beim klassischen Prinzip von „call-and-response“
wird vom Chor fernab des Vorsängers mit eigenen Texten geantwortet, oder
aber auch durch die Wiederholung der Ausrufe des Vorsängers.7
Die Erleichterung der Arbeit war aber nicht der einzige Grund für die
Etablierung von Work Songs unter den afroamerikanischen Sklaven im 19.
4
Vgl. Eggebrecht 1967: 1068
Vgl. Ruf 2012: 448
6
Vgl. Angerer 2009: 62
7
Vgl. Price 2011: 1005
5
4
Jahrhundert. Im Gegenteil, auch von weißen Landbesitzern wurde diese Art von
Gesang gerne und nicht ganz uneigennützig gehört: „[…] singing was
encouraged because it was one means of letting the overseer know where the
slaves were, and that they were movin‘ on with work.“8 Neben Plantagen,
Feldern und Eisenbahnbau kamen Work Songs ebenso in Gefängnissen zum
Einsatz. Sie fungierten für Häftlinge häufig als Ventil zur Aggressions- und
Frustrationsminderung, wie in CHARLES HIROSHI GARRETTS „Grove Dictionary of
American Music“ zum Ausdruck gebracht wird: „[…] white gang bosses
permitted, and sometimes encouraged, thinly veiled insults and taunts directed
at themselves in the hope that this would lessen the chance of violence and
rebellion.“9
Die Überlieferung von Work Songs fand in der Vergangenheit meist nur auf
mündliche Weise, über Textfragmente oder visuelle Beschreibungen statt.
Prinzipiell wurde die Musik eher selten notiert, obwohl es nachweislich bereits
aus dem Jahr 1867 einen notierten Song mit dem Titel Michael row the boat
ashore gibt. Die genaue Dokumentation beziehungsweise Transkription von
Work Songs begann ab dem zweiten Viertel des 20. Jahrhunderts, als das
musikalische Vermächtnis der afroamerikanischen Sklaven erstmals mit
portablen Aufnahmegeräten in Gefängnissen und auf Feldern aufgezeichnet
wurde.10
2.2. Spirituals
Während den Work Songs weltliche Inhalte zugrunde lagen, entstand die
Gattung der Spirituals als geistlicher Gegenpol dazu. Ebenfalls von und für die
afroamerikanischen Sklaven in Amerika geprägt, weisen Spirituals eine große
mündliche Tradition auf. Obwohl der genaue Zeitpunkt des Ursprungs nicht
bekannt ist, wurden Spirituals schon im frühen 19. Jahrhundert als Genre
definiert.11 In früheren Zeiten wurden Spirituals auch als „Negro Spirituals“
8
Hiroshi Garrett 2013, Band 8: 582
Ebda: 582
10
Vgl. Hiroshi Garrett 2013, Band 8: 582
11
Vgl Ebda: 640
9
5
bezeichnet; letzterer Begriff, der sich auf die afroamerikanischen Sklaven in den
Südstaaten der USA bezieht, ist heute nicht mehr aktuell. Nach der
Sklavenbefreiung im Jahr 1865 wurden Spirituals hauptsächlich durch Auftritte
von Studentenchören in Nordamerika und England bekannt. Das Spiritual war
ursprünglich ein außerliturgischer religiöser Gesang, der zum Beispiel in
Verbindung mit Bewegungsformen wie Reigentanz, Händeklatschen und
lebhaftem
Fußstampfen
hauptsächlich
nach
religiösen
Feiern
und
Gottesdiensten vorgetragen wurde.12 Nach afrikanischer Tradition wurden
Spirituals mit Trommeln begleitet. Diese Aufführungspraxis wurde von
amerikanischen Sklavenhaltern jedoch untersagt, da das Trommeln für sie eine
Möglichkeit zur Verbreitung von geheimen Botschaften darstellte. Spirituals
wurden also vorwiegend A-cappella vorgetragen. In Kombination mit der eben
erwähnten Erzeugung von Rhythmen durch Körperbewegungen entstand so
eine polyrhythmische Begleitung.13
Wie bereits kurz erwähnt, weisen Spirituals religiöse Inhalte auf, aber
beinhalten auch eine weitere Thematik, nämlich die Hoffnung der Sklaven auf
ein besseres Leben. Im Bezug auf die Harmonik stützen sich Spirituals neben
afrikanischen Formen auch auf die europäische Funktionstheorie, wobei dies
die
generelle
Vermischung
von
Einflüssen
als
Teil
des
gesamten
afroamerikanischen Kulturguts widerspiegelt. Die Gattung der Spirituals setzt
sich aus einer Kombination von afrikanischem rhythmischen Parallelismus und
europäischer Funktionsharmonik zusammen. Dies unterscheidet Spirituals von
Work Songs, da sich bei letzteren die Melodie über einen einstufigen Akkord
legt – bei Spirituals hingegen besteht ein harmonischer Wechselbezug
zwischen den Phrasen der Melodien.14 Diese Entwicklung wird von JANHEINZ
JAHN mit folgender Beschreibung thematisiert:
„Die Sklaven brachten diese Form afrikanischer Harmonik nach Amerika.
Im Laufe ihrer Auseinandersetzung mit der europäischen Musik nahmen
die Afroamerikaner dann europäische Harmoniestufen in ihre Musik auf,
und es bildet sich ein neuer Harmonietypus, der neben afrikanischem
12
Vgl. Eggebrecht 1967: 627
Vgl. Hiroshi Garrett 2013, Band 8: 641
14
Vgl. Jahn 1962: 10
13
6
Parallelismus auch einfache Stufenfunktionen aufweist. Auf dieser
Grundlage wird dann das harmonische Spiritual entwickelt.“15
Mit der Verbreitung der Spirituals im außeramerikanischen Raum ab Mitte des
19. Jahrhunderts ging die Gattung nicht nur als erster echter amerikanischer Stil
in die Musikgeschichte ein, sondern wurde ob des großen Erfolges der
praktizierenden Chöre und Sänger und Sängerinnen weiterentwickelt: Fortan
waren Spirituals nicht mehr nur den afroamerikanischen Bewohnern der USA
vorbehalten, sondern auch weiße Musiker zeigten reges Interesse an Spirituals,
indem sie diese neu interpretierten und weiter verfeinerten.16 Die Überlieferung
der Spirituals betreffend ist anzunehmen, dass anfänglich vermehrt die
Spirituals der weißen Bevölkerung Amerikas über die Landesgrenzen hinaus
gedruckt und verbreitet wurden. Die ursprünglichen afroamerikanischen
Spirituals wurden erst später von vorwiegend aus Nordstaaten Amerikas
stammenden Volksliedsammlern zusammengetragen und aufgezeichnet.17 Der
große Erfolg von Chören wie der Fisk Jubilee Singers führte dazu, dass die
sogenannten „Negro Spirituals“ oder „African-American-Spirituals“ im Endeffekt
international bekannt wurden, während den „White Spirituals“ keine Beachtung
geschenkt wurde.18 Die hohe Erfolgsquote hatte der Chor auch mit Sicherheit
wegen seiner Authentizität zu verbuchen, da es sich bei den Sängern um
Studenten der in der Nähe von Nashville gelegenen Fisk University, das eines
der berühmtesten African-American-Colleges Nordamerikas ist, handelte.
Obwohl sich der Studentenchor, bestehend aus Kindern ehemaliger Sklaven,
zunächst
hauptsächlich
auf
Standard-Chorwerke
der
westeuropäischen
Chortradition konzentrierte, gewannen sie eher aufgrund ihrer Arrangements
von Spirituals großen Zuspruch ihres Publikums. Der Chor tourte anschließend
jahrzehntelang durch Nordamerika und Europa, um die originalen Melodien
sowie die ursprünglichen Texte der Spirituals für die nachkommenden
Generationen aufrecht zu erhalten.19
15
Jahn 1962: 11
Vgl. Angerer 2009: 66
17
Vgl. Schneider 2009: 5
18
Vgl. Ebda: 6
19
Vgl. Hiroshi Garrett 2013, Band 3: 561
16
7
2.3. Gospel Songs
Der grenzüberschreitende Erfolg der „Negro Spirituals“ oder „African American
Spirituals“ und die damit einhergehende Kommerzialisierung des Genres selbst
löste in Teilen der afroamerikanischen Bevölkerung Nordamerikas das Problem
aus, sich nicht mehr mit der Musik identifizieren zu können. Dies veranlasste
afroamerikanische Sänger und Musiker, sich einer neuen Gattung zuzuwenden,
die zwar auf ähnlichen spirituellen Inhalten basiert und die im allgemeinen
Sprachgebrauch den Spirituals häufig fälschlicherweise gleichgesetzt wird, aber
zur damaligen Zeit in Wirklichkeit eine neue Strömung darstellte: Gospel
Songs.20
Die Gattung des Gospels ist wie die des Spirituals wieder der geistlichen Musik,
im Gegensatz zu den weltlichen Work Songs, zuzuschreiben. Sie inkludiert eine
Vielzahl an christlichen Liedern, in denen, den textlichen Aspekt betreffend,
Thematiken wie biblische Geschichten, Predigten, Gebete und persönliche
Erfahrungen der Interpreten behandelt werden. Während Gospels ursprünglich
Bestandteil von Zeremonien waren, bei denen Afroamerikaner zu Christen
konvertiert wurden, hatte sich bis zu den 1940er Jahren ein vielfältiger Weg
gebahnt, da Gospels sich bis zu diesem Zeitpunkt über Medien wie Radio oder
Aufnahmen rasch verbreiteten und - der anfänglichen Intention zum Trotz –
hohe Popularität erlangten.21 Frühe Gospels konzentrieren sich meist auf ein
bestimmtes Thema, das durch die Wiederholung von einzelnen Phrasen betont
wird. Nach jedem solchen Vers folgt anschließend ein Refrain. Der Charakter
von Gospel Songs variiert dabei stark: Die Bandbreite reicht von militant und
didaktisch, bis hin zu meditativ und hingebungsvoll. 22
Die leicht durchschaubare Vers-Refrain-Form von Gospels geht auch mit einer
einfachen Harmonik sowie Rhythmik einher:
„ […] their (Anm. Gospels) music is characterized by simple harmonic
vocabulary (primarily I, IV, and V chords, occasionally flavored, in later
20
21
22
Vgl. Angerer 2009: 66
Vgl. Price 2011: 357
Vgl. Hiroshi Garrett 2013, Band 3: 551
8
examples, with chromatic passing tones in the style of “barbershop”
harmony) and a slow rate of harmonic change. Typical rhythmical traits
include frequent repeated patterns, often with dotted 8 th- and 16th-note
figures”23
Gospel Songs wurden in ihrer Blütezeit, in der ersten Hälfte des 20.
Jahrhunderts, sowohl A-cappella als auch mit instrumentaler Begleitung, häufig
dem Klavier, aufgeführt und praktiziert. Zu den damals berühmtesten Gruppen
zählten „The Foster Singers“, „The Harmonizing Four“ und das „Golden Gate
Quartet“. Gospel stand generell ab den 1920er Jahren in enger Verbindung
zum Jazz, wenn sie nicht sogar teilweise miteinander verschmolzen. Am
Anfang der 1950er Jahre waren die Foster Singers dann maßgeblich an der
Entstehung einer neuen Bewegung beteiligt, nämlich dem sogenannten ‚black
gospel quartet movement‘.24
Nach dem Zweiten Weltkrieg war es für viele Menschen in Nordamerika üblich,
eher professioneller Musik zuzuhören als selbst zu musizieren. Dies änderte
natürlich die Bedingungen für Musiker: Fortan waren Aspekte wie Radio- und
Fernsehauftritte, Konzerte und Aufnahmen deutlich wichtiger. Die Tradition des
Südstaaten-Gospels wurde nun in der professionellen Unterhaltungsbranche
vermarket – sozusagen Gospel, adaptiert für den Mainstream. Die in diesen
Bereich einzuordnenden Gruppen haben sich vom altbekannten Gospel-Genre
durch neue musikalische Einflüsse, wie zum Beispiel ‚ ‚rhythm-and-blues‘, oder
auch schon der Popmusik entsprechenden Charakteristiken abgegrenzt.25
Diese Gospel-Quartette bestanden zumeist aus vier männlichen Sängern in der
üblichen Aufteilung von Tenor bis Bass. Die Solostimme war häufig dem
zweiten Tenor zugeordnet, dem mithilfe des Call-and-Response-Schemas von
den anderen Dreien geantwortet wurde. Außerdem ähnelten die Harmonien in
ihrer enggeführten Struktur schon dem Barbershop, einem jüngeren Stil, wie im
folgenden Kapitel beschrieben wird. Trotz der engen Stimmsetzung waren die
Stimmen dennoch als vier verschiedene wahrzunehmen, die sich im Hinblick
auf Dynamik von einem Pianissimo-Flüstern bis zu einem Fortissimo23
24
25
Ebda
Vgl. Angerer 2009: 67
Vgl. Hiroshi Garrett 2013, Band 3: 559-560
9
Höhepunkt erstrecken konnten. Die Tradition des Gospel-Quartetts beinhaltet
auch für die damalige Zeit besondere stimmliche stilistische Merkmale:
Techniken wie „scooping“, bei dem Töne am Beginn von unten angeschliffen
werden, das Hinauf-und Hinuntergleiten eines Tones – „sliding“ genannt, sowie
das Beenden eines Wortes mit einem schlichten Summen sind Neuerungen, die
das Naheverhältnis des Gospels zum Jazz sehr eindrücklich unter Beweis
stellen.26
Weltweite Bekanntheit erlangte die Gospel-Szene erst mit dem Aufstreben von
Solokünstlern wie MAHALIA JACKSON Ende der 1940er Jahre. Aufgrund ihrer
dunklen,
voluminösen
Stimme,
die
den
‚New
Orleans-Sound‘
mit
unübertroffener religiöser Leidenschaft kombinierte, zählte sie zu den
berühmtesten Gospelsängerinnen der USA.27 Generell wurden Solisten in
dieser Ära von einem großen Chor und/oder einem Klavier begleitet, was die
Stimmgewalt der Einzelpersonen noch einmal stärkte und durch den wuchtigen,
berührenden Klang zu einer sehr massentauglichen Kunstform wurde, sodass
Auftritte eines Gospelchores im Fernsehen längst keine Seltenheit mehr
waren.28
2.4. Barbershop und ‚Close Harmony Singing’
Barbershop ist eine Kunstform der Vokalmusik, die heute nur mehr sehr wenig
mit der ursprünglichen Bedeutung des Begriffes zu tun hat – obwohl sich dieser
gut auf die Musik umlegen lässt, da in dieser Stilrichtung mit Tönen „geföhnt“
wird. Ausgangspunkt in der Entstehungsgeschichte waren tatsächlich die
Frisiersalons im viktorianischen Amerika im 19. Jahrhundert. Zur damaligen Zeit
waren Frisiersalons nicht bloß auf einer zweckmäßigen Existenz aufgebaut, viel
mehr waren sie ein wichtiger Gesellschaftstreffpunkt, an dem sich Männer die
Wartezeiten durch improvisierte Gesänge verkürzten.29 Neben Frisiersalons
kam das ‚barbershop singing‘ wenig später in sogenannten ‚Vaudevilles‘,
26
27
28
29
Vgl. Angerer 2009: 67-68
Vgl. Hiroshi Garrett 2013, Band 3: 563
Vgl. Angerer 2009: 69
Vgl. http://www.barbershop.de/de/barbershop/musik/index.html [28.04.2015]
10
welche
mit dem Varietétheater gleichzusetzen sind, zum Einsatz. Derartige
Vaudevilles entstanden ab 1890 in allen größeren Städten der USA. 30
Barbershop ist eine Vokalkunst, die lange Zeit der weißen Bevölkerung
Amerikas zugeschrieben war. Dennoch ist es schwer, einzelne Gattungen strikt
voneinander abzugrenzen und so ist es wahrscheinlich, dass beispielsweise die
Gospelmusik der schwarzen Bevölkerung sehr wohl einen Einfluss auf
Barbershop hatte, so wie Barbershop wieder Einflüsse auf andere Stile hatte.31
Gesungen wurde der Stil von einem männlichen Barbershop Quartett, dessen
Stimmen in zwei Tenöre, sowie Bariton und Bass zu unterteilen sind. Lange Zeit
war diese Richtung nur den Männern vorbehalten und doch entstanden im 20.
Jahrhundert auch reine Frauenensembles. Über die Frage, ob eine Mischung
von Männern und Frauen innerhalb eines Ensembles erlaubt ist, wird häufig
diskutiert. Von Gegnern wird oft behauptet, dass nur im Hinblick auf das
Geschlecht reine Ensembles das erstrebte volle Stimm- und Klangvolumen, das
in der Fachsprache auch ‚expanded sound‘ genannt wird, erreichen können. 32
Ein stilistisches Merkmal im Barbershop ist die parallele Stimmführung der
einzelnen Stimmen. Zu einer Melodie verlaufen die restlichen Begleitstimmen
häufig in Quint-, Quart-, und Terzparallelen, wodurch häufig nicht funktionale
Zusammenklänge entstehen.33 Die Melodie wird meist vom zweiten Tenor
übernommen, auch „Lead“ genannt; harmonisch gesehen werden sehr oft
Septimen verwendet. Um die homophone Struktur der Arrangements zu
variieren und neuwertige Strukturen zu erschaffen, kamen Techniken wie
„snakes“ oder „swipes“, sprich eine oder mehrere Begleitstimmen verändern die
Tonhöhe um somit in einen neuen Akkord zu „rutschen“, zum Einsatz.34
Die Liedtexte der Gattung Barbershop sind häufig nostalgisch angehaucht, da
sie von den sozialen Normen und dem bildhaften viktorianischen Amerika
handeln. Auch die viktorianische Art, um eine Geliebte zu werben,
gleichgeschlechtliche Kameradschaft, Mode oder Erfindungen werden im
30
31
32
33
34
Vgl. Averill 2003: 55
Vgl. Angerer 2009: 70-71
Vgl. http://www.barbershop.de/de/barbershop/musik/index.html [28.04.2015]
Vgl. Ruf, Band 1: 156
Vgl. Hiroshi Garrett, 2013 Band 1: 347
11
Barbershop thematisiert. Diese Themen ergeben sich ganz klar durch den
Umstand, dass die erste Blütezeit des Barbershop die Zeitspanne von 1890 bis
1910 umfasste, in der auch viele professionelle Gruppen entstanden.35
Eine weitere Grundlage des Barbershops ist die ‚close harmony‘-Technik, die
sich auf die Stimmsetzung bezieht. Bei dieser Technik ist das Arrangement in
Akkordblöcken angeordnet, beziehungsweise verlaufen die einzelnen Stimmen
in geringem Abstand zueinander, was sich für eine gemischte Besetzung
ohnehin sehr schwierig gestalten würde. Bei der Entwicklung dieser Technik
haben
interessanterweise
Österreich
und
Deutschland
aufgrund
von
exportierten Volksliedern einen Beitrag geleistet. Desweiteren gab es auch
Gruppen wie zum Beispiel die österreichische Familie Rainer, die als „Tyrolese
Minstrels“ in den USA einen Namen machten und mit ihnen das österreichische
Volksliedgut.36
Es
gibt
aber
eine
weitere
Entstehungsgeschichte des ‚close harmony singing‘
Gruppe,
welche
die
scheinbar beeinflusst
haben soll, nämlich die schwarze Bevölkerung der Südstaaten, wie aus einem
veröffentlichten Artikel einer afroamerikanischen ‚Society‘ hervorgeht:
„There is no basis in fact that close harmony started in barbershops, or
was confined to barbershops. There is a greater indication that close
harmony originated in the south, with the negro slaves singing – their
worksongs on the plantations and levees, and their singing of spirituals,
and folksongs during their leisure time. This most certainly was not
arranged music. It was original, and spontaneous… It would be a safe
bet that a great majority of our members were singing close harmony
before they ever heard it called barbershop.”37
Wo letztlich die wahren Wurzeln des Barbershop liegen, kann heute wahrlich
niemand
mehr
beweisen.
Klarerweise
haben
neue
Musikstile
die
verschiedensten Einflüsse, und sobald ein neuer Stil erfolgreich wird, gibt es die
Streitfrage nach dem Ursprung, der vielfältig interpretiert werden kann. Fakt ist
jedoch, dass Barbershop wirklich als frei improvisierte Musik entstanden ist und
den Namen des Ortes trägt, an dem die Sänger diesem Stil hauptsächlich
nachgegangen sind. Noten sind im Barbershop verpönt: Wurde man in der
35
36
37
Vgl. Hiroshi Garrett 2013, Band 1: 347
Vgl. Angerer 2009: 71
Gage 2003: 10
12
Entstehungszeit als unbegabt angesehen, wenn man Noten verwendete, so
sollten heute Noten zumindest nur dem Zweck des Einstudierens dienen.38
Wie bereits kurz erwähnt, nahm die Blütezeit des Barbershops am Anfang des
20. Jahrhunderts ein jähes Ende, da ab 1920 durch das Aufstreben von Radio,
Aufnahmen, sowie populäreren Genres wie beispielsweise Jazz, konzertante
Aufführungen von Barbershop Quartetten in den Hintergrund gerückt wurden.
Letztere Gattung kehrte kurz darauf ab Anfang der 1930er-Jahre im Zuge eines
nostalgischen „Revivals“ wieder an die Oberfläche zurück. Dazu trug sicherlich
auch die Gründung der ‚Barbershop Harmony Society‘ im Jahr 1938 bei, die
fortan auch Wettbewerbe für Quartette und Chöre organisierte. Heute hat diese
Vereinigung ungefähr 30.000 Mitglieder mit untergeordneten Organisationen in
neun Ländern, unter anderem auch Deutschland.39
2.5. Doo-Wop
Doo-Wop, entstanden in den 1950er Jahren in den USA, ist eine Form des Acappella-Gesangs, der sich mit der Vertonung von Nonsens-Silben beschäftigt.
Beeinflusst von anderen Stilen wie Gospel oder R&B, wurde Doo-Wop anfangs
von der afro-amerikanischen Bevölkerung der USA praktiziert und wird
außerdem als Vorläufer von Soulmusik gehandelt. In seiner rein vokalen Form
handelt es sich bei Doo-Wop meist um einen Background-Chor zu LeadStimmen. Wichtig ist bei der Verwendung dieses Begriffs, dass sich dieser rein
auf den Doo-Wop-Stil und seine Merkmale bezieht – es kann also kein
exklusives „Doo-Wop-Lied“ beziehungsweise keine „Doo-Wop-Gruppe“ geben,
sondern beide können Elemente des genannten Stils aufweisen. Dies sei gleich
zu Beginn angemerkt, da der Terminus oft falsch eingesetzt wird. Anfänglich
wurden Lieder mit Doo-Wop-Elementen mit dem Stil „Vocal Group Harmony“
gleichgesetzt. Diese Bezeichnung ist dennoch zu unspezifisch, da auch
Gruppen wie die „Beatles“ sich der Vocal Group Harmony bedienen, jedoch
keine Spuren des Doo-Wops aufweisen. Folglich ist es naheliegend, Doo-Wop
38
39
Vgl. http://www.barbershop.de/de/barbershop/musik/index.html [28.04.2015]
Vgl. Hiroshi Garrett 2013, Band 1: 348
13
als eine Subkategorie der
Vocal Group Harmony, die sich durch spezielle
charakteristische Merkmale auszeichnet, zu bezeichnen.40
In ihrem Buch „Doo-Wop – the forgotten Third of Rock’n’Roll” beschreiben die
Autoren ANTHONY J. GRIBIN und MATTHEW M. SCHIFF die verschiedenen
Komponenten des Doo-Wop: Der Stil weist neben dem zentralen Bestandteil
der Nonsens-Silben viele weitere charakteristische Merkmale auf, wie zum
Beispiel Vocal Group Harmony, ein weitreichender Stimmumfang der Sänger,
ein einfacher Rhythmus sowie leichte Instrumentierung und zuletzt einfache
Liedtexte.41
Unter dem Begriff Vocal Group Harmony versteht man in ihrer Lage weit
auseinander reichende Stimmverteilung, die sich aus dem aus dem Barbershop
bekannten Modell TTBB zusammensetzt. Gewöhnlich reichen die Stimmen der
Vocal Group Harmony von einem Bass bis zu einem hohen Tenor oder sogar
Falsetto. Mit ihrer ‚group harmony‘ bilden sie entweder das Echo des
Leadsängers oder begleiten diesen. Die Stimmen von Bariton und zweitem
Tenor sollen dabei verschmelzen, sodass möglichst ein Klang entsteht,
während die Falsetto-Stimme sich über der des Leadsängers bewegt und der
Bass dem Ensemble die Grundfesten verleiht. Im Gegensatz zum Barbershop
ist die Vocal Group Harmony nicht Träger der Haupstimme. Diese Konstellation
kommt bei Doo-Wop ohne Ausnahme immer zum Einsatz. Solokünstler ohne
solches Ensemble werden aus der Doo-Wop Kategorie ausgeschlossen.42
Ein weiterer Bestandteil der Vocal Group Harmony im Doo-Wop sind sognannte
‚Blow Harmonies‘. Diese neue Background-Begleittechnik ersetzte das bis dato
gebräuchliche Summen. Die Bezeichnung dieser Harmonien ist auf die
Erzeugungsweise
zurückzuführen,
genauer
auf
die
aus
dem
Mund
ausströmende Luft, die in Klängen wie „ha-oo“ oder „ah-hoo“ resultiert. Ein
gelegentlich verwendetes harmonisches Stilmittel des Doo-Wop sind Stück für
40
41
42
Vgl. Gribin 1992: 16
Vgl. Gribin 1992: 17
Vgl. ebda.
14
Stück aufgebaute Akkorde, bei denen meist der Bass beginnt und die restlichen
Stimmen nacheinander einsetzen, bis sich eine vollwertige Harmonie ergibt.43
Die Hauptstimme im Doo-Wop wird hauptsächlich von einem Tenor
übernommen, dennoch ist dies aber abhängig vom Stil des Lieds. In
schnelleren Songs übernimmt der Bass meist die Hauptstimme, während in
Balladen der Lead auch gerne von der Falsettostimme übernommen wird.
Neben seiner Grundton-Funktion übernimmt der Basssänger auch weitere
Aufgaben, wie zum Beispiel eine Einleitung zum Lied, oder er wird zur „talking
bridge“, bei der der Liedtext in der Mitte eines Liedes in Form eines Rezitativs
zum Ausdruck gebracht wird. Überdies kann der Bass, wie es heutzutage in Acappella-Arrangements schon Usus ist, im Doo-Wop eine perkussive Funktion
haben. Die Autoren GRIBIN und SCHIFF beleuchten in ihrem Buch auch die
veränderten Bedingungen von weiblichen Doo-Wop-Ensembles: Aufgrund der
natürlichen Stimmphysiologie ist es nicht möglich, die Bass-Funktion zu
erfüllen, wie es in diesem Stil üblich ist. Aus diesem Grund wurden in den
1950er
Jahren
kontrastierende
tiefere
Stimmen
als
Substituten
in
Frauenensembles zugelassen.44
Die folgende Grafik soll einen Überblick über ein typisches Doo-WopArrangement von Beginn bis zum Ende des ersten Refrains geben. Wie schon
erwähnt, nimmt der Bass dabei die Sonderrolle ein, das Lied einzuleiten, sowie
das Ende des Refrains zu markieren. Abseits der solistischen Einwürfe bilden
Bass und Tenor, wenn nicht gerade als Falsetto im Einsatz, gemeinsam mit
den restlichen Stimmen das harmonische Gerüst:45
43
44
45
Vgl. Angerer 2009: 75
Vgl. Gribin 1992: 17-18
Vgl. Gribin 1992: 18
15
Abbildung 1: Doo Wop
Als weiteres Merkmal des Doo-Wop tritt wie schon anfangs erwähnt die
Verwendung von Nonsens-Silben, die im englischen Sprachgebrauch keinen
Sinn ergeben, in Erscheinung. Diese sind aber keinesfalls als exklusive
Erfindung des Doo-Wop zu betrachten, sondern vielmehr wurden Silben wie
‚doo-wop‘
oder
‚doo-wah‘
schon
in
traditionsreichen
westafrikanischen
Gesängen und in frühen Jazzstilen verwendet. Darüber hinaus sind NonsensSilben fixer Bestandteil des ‚Scat-singing‘ im Jazz. Im Doo-Wop wurden diese
spontan geäußerten Silben dann zu regelmäßigen repetitiven Patterns
zusammengefasst, die schlussendlich als Aushängeschild des Stils angesehen
wurden und überdies als Namensgeber des Stils fungierten. Zu den
bekanntesten Songs im Doo-Wop-Stil zählen zum Beispiel Rama Lama Ding
Dong von den „Edsels“ oder Sh-Boom von der Gruppe „The Chords“.46
An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass Doo-Wop nicht zur reinen Acappella-Musik zählt, aber aufgrund der Arrangiertechniken auf jeden Fall als
ein Wegbereiter des modernen A-cappella-Pops angesehen werden muss.
Ursprünglich wurden Doo-Wop Songs rein von menschlichen Stimmen vertont,
aber als diese neue Form in den 1950er Jahren große Beliebtheit erlangte,
wurde bei professionellen Studioproduktionen oft eine instrumentale Begleitung
hinzugefügt. Bei solchen Produktionen kamen hauptsächlich Instrumente wie
Klavier, Gitarre, Saxophon und Schlagzeug zum Einsatz. Dennoch blieb das
46
Vgl. Angerer 2009: 76
16
Vokalensemble als zentrale Komponente eines Doo-Wop-Arrangements im
Vordergrund.47
Doo-Wop-Songs sind auch bekannt für ihre einfachen Melodien, die über
simple Akkordfortschreitungen – meist sind es nur vier Akkorde – gelegt
werden. Oft wurde bei Coverversionen im Doo-Wop-Stil die Melodie
vereinfacht, damit sie mit dem harmonischen Grundgerüst in Einklang stehen
konnte. Im Bezug auf Liedtexte besannen sich Interpreten neben der NonsensSilben auf Einfachheit:48 „Lyrics written for doo-wop songs tend to be repetitive,
simple, dialectical, hackneyed [trivial] and occasionally ungrammatical, yet are
still able to transcend the banalities to convey genuine feelings of tenderness
and love.”49
Alle bisher genannten Kriterien müssen erfüllt werden, um überhaupt vom
Genre Doo-Wop sprechen zu können. Hierbei ist es einfacher, einzelne Lieder
dem Stil zuzuordnen als Interpreten und Gruppen, da es nur wenige Bands
bzw. Ensembles gab, die sich ausschließlich diesem einen widmeten. Einige
von ihnen waren zum Beispiel „The Paragons“, die „Bop Chords“ oder die
„Earls“. Viele andere Gruppen unternahmen nur kurze Ausflüge in Richtung
Doo-Wop und wandten sich nachher wieder anderen Stilen zu.50
Neben den musikalischen Merkmalen muss nun das Augenmerk auf die
eigentliche Entstehungsgeschichte des Doo-Wop gerichtet werden, da diese die
Wichtigkeit des rein vokalen Aspekts des Genres unterstreicht. Begonnen hat
die Entwicklung dieses neuen Stils in den urbanen Nachbarschaften der
afroamerikanischen Arbeiter- und Mittelschicht im Nordosten der USA.51 Ein
Grund für die wachsende Popularität dieses neuen Genres in Städten wie New
York City, Baltimore und Chicago war die Tatsache, dass die neue
Musikrichtung
vorwiegend
a-cappella
Musikinstrumente
beziehungsweise
afroamerikanischen
Bewohnern
solcher
vorgetragen
das
werden
Erlernen
städtischer
konnte,
dieser,
Siedlungen
da
den
schwer
47
Vgl. Gribin 1992: 21
Vgl. ebda
49
Gribin 1992: 21
50
Vgl. Angerer 2009: 77
51
Vgl. Price 2011, Vol 1: 297
48
17
zugänglich war. Doo-Wop Gruppen waren dafür bekannt, sich mit genug Hall
versehene Probenlokalitäten ausgesucht zu haben, an denen sie gut gehört
werden könnten. So kam es zum Beispiel vor, dass besagte Gruppen aufgrund
der guten Akustik auf Highschool-Gängen und WCs oder unter Brücken probten
und anschließend ihr Repertoire an Straßenecken aufführen konnten. 52 Die
meisten Ensembles fanden sich aber nicht auf der Straße, sondern waren
vielmehr schon im Vorhinein, entweder in Schulen oder in Kirchen, entstanden,
mit dem klaren Ziel, auf der Straße zu brillieren um Freunde und vor allem
Mädchen zu beeindrucken.53
Aufgrund der musikalischen Einfachheit war Doo-Wop unter Musikproduzenten
ein gern gesehenes Genre, das auch von kleinen Firmen mit niedrigem Budget
produziert werden konnte. Allerdings wurde dieser Aspekt den Musikern und
Produzenten wieder zum Verhängnis, da es für größere Labels einfach war, die
erfolgreichen Doo-Wop Hits auf kostspieligerem, höherem Niveau mit
vermehrter instrumentaler Begleitung und einer weißen A-cappella Gruppe neu
aufzunehmen. Auf diese Weise wurde der Doo-Wop auch unter die weiße
Bevölkerung, die das eigentliche „Pop“-Zielpublikum verkörperte, gebracht. Zu
spüren bekam das die bereits erwähnte Gruppe The Chords, deren Hit ShBoom von der weißen Gruppe „Crew-Cuts“ erfolgreich gecovert wurde.54 Damit
einherging
aber
mit
Sicherheit
die
Schnelllebigkeit
der
wechselnden
musikalischen Stile während der 1950er Jahre, die neben dem Doo-Wop auch
von Stilen wie ‚Rockabilly‘ und ‚R&B‘ geprägt waren:
„ The combination of new white groups perfoming in an older style with a
new market for certain older R&B groups is largely responsible for
contemporary notions of what constitutes doo-wop. In the ever-shifting
world of 1950s R&B, vocal harmony groups had adapted to many
different musical styles, in addition to creating some of their own.”55
52
53
54
55
Vgl. http://www.britannica.com/EBchecked/topic/169221/doo-wop [17.05.2015]
Vgl. Angerer 2009: 78
Vgl. http://www.britannica.com/EBchecked/topic/169221/doo-wop [17.05.2015]
Price 2011, Vol 1: 302
18
3. A-cappella und Pop
Nach einer überblicksmäßigen Zusammenfassung der Frühgeschichte der
amerikanischen Vokalmusik rückt das eigentliche Thema dieser Diplomarbeit,
wie der kontemporäre Popsound in den Arrangements der populären Acappella Gruppe Pentatonix umgesetzt wird und die Frage nach der Popstarähnlichen Vermarktung einer A-cappella-Gruppe, immer näher. Deshalb soll in
diesem Kapitel erläutert werden, was den kontemporären Popsound eigentlich
ausmacht und ob die Möglichkeit besteht, dass A-cappella überhaupt
auf
kommerziellen Radiosendern gespielt werden kann. Zu diesem Zweck soll auch
der
musikproduktionstechnische
Aspekt
beleuchtet
werden,
welche
computergestützten Mittel uns heutzutage zur Verfügung stehen, um eine
„reine“ Vokalmusik mit instrumentalem Mainstream-Pop konkurrenzfähig
machen zu können, wie es bei Pentatonix der Fall ist.
3.1. Vocal Percussion und Beatboxing als Elemente moderner
A-cappella Musik
Während im Doo-Wop noch reine Body Percussion, bestehend aus Schnippen
der Finger, Verwendung fand, orientiert sich moderne A-cappella Musik sich an
ausgereifteren rhythmischen Elementen. Viele moderne A-cappella Gruppen
haben diese rhythmische Komponente auch anhand ihrer Besetzung verankert,
da viele Gruppen über einen eigenen Beatboxer bzw. Vokalperkussionisten
verfügen, um Popsongs möglichst originalgetreu, aber trotzdem nur durch
Stimmen covern zu können. Zwischen den Termini ‚Vocal Percussion‘ und
‚Beatboxing‘ besteht dennoch ein Unterschied, obwohl die Grenzen zwischen
beiden Formen nicht auf Anhieb zu erkennen sind: Vocal Percussion bezieht
sich auf die Sounderzeugung mit dem Mund. Das oberste Ziel hierbei ist es, die
Klänge eines Drumsets möglichst realitätsgetreu zu imitieren. Ein Beatboxer
hingegen produziert und imitiert neben Drumset-Sounds auch Scratches oder
elektronische Klänge, wie beispielsweise Synthesizer. Folglich kann Beatboxing
als Form oder Weiterentwicklung von Vocal Percussion angesehen werden. Im
A-cappella-Bereich und insbesondere bei Covers von Popsongs kommen
19
aufgrund der realitätsnahen Umsetzung von perkussiven Klängen eher vokale
Perkussionisten zum Einsatz, wobei sich die Grenze zwischen beiden Formen
nicht immer genau einhalten und erkennen lässt.56 Im speziellen Fall der für
diese Arbeit wichtige Gruppe Pentatonix ist aber von einem Beatboxer die
Rede, da
dieser einerseits die Arrangements auch immer durch Beatbox-
spezifische Sounds bereichert und diese Bezeichnung auch offiziell durch die
Gruppe kommuniziert wird. Aus diesem Grund wird anschließend nicht mehr
zwischen beiden Formen differenziert, da Vocal Percussion ohnehin Teil von
Beatboxing ist.
3.1.1. Geschichte des Beatboxing
Die Anfänge des Beatboxing liegen weiter zurück, als man erahnen würde:
Bereits ab dem Ende des 15. Jahrhunderts bedienten sich südfranzösische
Troubadours vokalen Perkussionsformen, um ihren Barbershop-ähnlichen,
homophonen Gesängen einen ganzheitlichen Ausdruck zu verleihen. Doch viel
eindeutigere Vorformen von Beatboxing findet man außerhalb von Europa, wie
beispielsweise
in
Indien
oder
in
Afrika.
In
ersterem
Land
wurden
jahrhundertelang sogenannte ‚vocal bols‘ verwendet. Dabei handelt es sich um
die Klänge einer Handtrommel, auch ‚tabla‘ genannt, die vokalisiert und in
vierschlägige rhythmische Patterns aufgeteilt wurden, welche sich bis heute
gehalten haben.57
In Afrika, genauer in Namibia, Botswana und Angola, lässt sich eine Parallele
zwischen herkömmlichen Beatbox-Sounds und Lauten des gewöhnlichen
Sprachgebrauchs der südafrikanischen Khoisan-Sprachen herstellen. Diese
verfügen
über
80
Klicklaute,
die
hauptsächlich
durch
die
schnelle
Wegbewegung der Zunge vom Gaumen entstehen und dadurch mit dem
spezifischen, schwierig zu erlernendem Sound der Inward-Snare-Drum aus
dem Beatboxing gleichzusetzen ist.58 Darüber hinaus ist Body Percussion wie
Stampfen und Klatschen ohnehin Bestandteil afrikanischer Folkloremusik, bei
56
57
58
Vgl. http://www.humanbeatbox.com/article/history-of-beatboxing-part-2/ [17.05.2015]
Vgl. http://www.humanbeatbox.com/article/history-of-beatboxing-part-1/ [17.05.2015]
Vgl. Regelsberger 2014: 15
20
der auch lautes Ein-und Ausatmen als zweischlägiger Rhythmus verwendet
wurde. Diese Traditionen kamen mit der Sklaverei schließlich nach Amerika, wo
afroamerikanische A-cappella-Ensembles schon im 19. Jahrhundert von Vocal
Percussion Gebrauch machten, um beispielsweise Temposchwankungen
während des Singens vorzubeugen.59 Diese Tradition wurde im später im Jazz
fortgesetzt:
“When bebop arrived in the 30’s, as a reaction to large swing groups and
their lack of improvisation it was becoming the norm to hear jazz and
blues singers wail, moan or grunt noises unidentifiable to the human ear
as words. ‘Scatting’ was used as jazz singers improvised harmonic and
vocal scales over solos or instrumentals. This was the first mainstream
look at what would become vocal percussion, and later beatboxing.”60
Der
ursprüngliche
Ansporn
Melodieinstrumente
und
Drumset-Klänge
nachzuahmen hatte den Grund, dass man deren Fehlen kompensieren wollte
und somit wurde wenig Anspruch an eine künstlerisch wertvolle Tätigkeit
gestellt. Dies veränderte sich in den USA am Beginn der 1920er Jahre, als
Radio und Schallplatte der breiten Masse zugänglich wurden und somit einige
Stimmakrobaten in Erscheinung traten. Einer dieser Pioniere war der
Synchronsprecher MEL BLANC, der seine Stimme bekannten Comic-Figuren wie
beispielsweise „Bugs Bunny“ oder „Woody Woodpecker“ lieh und damit große
Berühmtheit erlangte. Später, in den 1960er Jahren experimentieren auch
Künstler aus dem Rock- und Popbereich mit Vocal Percussion: So sind vokale,
mit Hall aufgebesserte Snare-Sounds Teil des Beatles-Songs Come Together.61
Die Bezeichnung ‚beatboxing‘ ist eine ursprüngliche Weiterentwicklung des
Begriffs ‚beat box‘, was auf Deutsch mit ‚Rhythmusmaschine‘ übersetzt werden
kann. Die erste solche Rhythmusmaschine war der sogenannte „Wurlitzer
Sideman“, der tatsächlich aus einer großen Box bestand und daher
namensgebend für eine eine völlig neue vokale Aufführungspraxis war.62
Beatboxing, so wie es heute in seinem urbanen Erscheinungsbild und der
59
60
61
62
Vgl. http://www.humanbeatbox.com/article/history-of-beatboxing-part-1/ [17.05.2015]
http://www.humanbeatbox.com/article/history-of-beatboxing-part-1/ [17.05.2015]
Vgl. Regelsberger 2014: 16-17
Vgl. http://www.humanbeatbox.com/article/history-of-beatboxing-part-2/ [18.05.2015]
21
Verbindung zu speziellen musikalischen Genres bekannt ist, besteht aber erst
seit einer Ära, die mit der Bezeichnung ‚Oldschool Beatbox‘ versehen wurde.
Die Strömung des Oldschool Beatbox bezieht sich hauptsächlich auf die
Erzeugungsart der verschiedenen Sounds: In dieser Zeit werden perkussive
Klänge rein durch Lippenkraft erzeugt, wodurch auch mehrere Geräusche, wie
beispielsweise ‚humming‘ (Summen) und durchgehende Beats produziert
werden. Eine zentrale und prägende Figur dieser Ära ist der Beatboxer RAHZEL.
Eine konträre Bewegung, die sich Newschool Beatbox nennt, beschäftigt sich
mit einer anderen Art der Erzeugungsmöglichkeiten von Sounds, nämlich durch
Luft. Geräusche wie Kicks, Snares und Hi-Hats werden mit einem hohen Anteil
an Luft erzeugt und können deshalb nicht gleichzeitig produziert werden.
Dennoch gibt es hier Tricks um diese Barriere zu umgehen. Durch
elektronische Verstärkung mit einem Mikrophon ähnelt Newschool Beatbox
einem Schlagzeug am meisten.63
Oldschool Beatbox baute auf der aufstrebenden Hip-Hop-Welle auf. Schon in
den 1970er Jahren entstand in US-amerikanischen Städten wie Chicago, Los
Angeles und New York eine neue Form des Musizierens. Mit dem Aufstreben
von Rapmusik stieg auch das Verlangen nach elektronischen Drum Machines
beziehungsweise Synthesizern, zu denen man im Beat rappen konnte. Diese
waren aber für einen Großteil der afroamerikanischen Bevölkerung nicht
leistbar, weshalb man in ärmeren Gegenden wie beispielweise in dem New
Yorker Stadtteil Bronx begann, die elektronischen Sounds rein mit den
physiologischen Gegebenheiten des Menschen zu imitieren. Dies hatte auch
zum Vorteil, dass die menschliche Stimme flexibler ist als die zur damaligen
Zeit am Markt angepriesenen, technisch unausgereiften Drum Machines. So
konnten Musiker spontan aufeinander reagieren und hatten desweiteren auch
die Möglichkeit, die miteinander zu improvisieren und so neue musikalische
Formen zu kreieren.64
63
64
Vgl. Wiechenthaler, Rieder 2012: 8
Vgl. Regelsberger 2014: 17-18
22
In den 1980er Jahren schafften es schließlich die ersten Pioniere, die USAmerikaner DARREN ‚BUFFY‘ ROBINSON, DOUG E FRESH und BIZ MARKIE, sich mit
der Kunst des Beatboxens einen Namen zu machen. Robinson, der vor allem
für seine Imitation von Hip-Hop-Rhythmen und eine Vielzahl an verschiedenen
Soundeffekten bekannt war, nahm mit seiner Gruppe „The Fat Boys“ an einem
Talentwettbewerb teil, wo sie sich durch ihren Gewinn einen Plattenvertrag
sicherten. Ihr Kollege DOUG E FRESH, der seine Berühmtheit neben seinem
unverwechselbaren Stil auch durch die Teilnahme als Beatboxer in einem Film
erlangte, behauptet unterdessen, überhaupt der Erfinder des Beatboxens zu
sein. Dass Beatboxen immer sehr eng mit Rap in Verbindung stand,
unterstreicht der Musiker BIZ MARKIE, der aufgrund seiner speziellen Sounds der
‚Inward Handclaps‘ Bekanntheit erlangte.65
Nach dieser ersten Welle der Popularität einer neuen vokalen Perkussionsform
ließ die Krise nicht lange auf sich warten: Aufgrund von neuen aufstrebenden
Stilen in der Musikszene verblasste der Boom des Beatboxens, das bis dato
häufig mit der Hip-Hop-Szene in Verbindung gebracht wurde, wieder. Die bis
dahin bekannten Beats konnten mit den Trends der 1990er, zu denen Techno
und Drum und Base zählten, nicht mehr mithalten. Daher wurde es notwendig,
sich Beatbox-technisch an die Gegebenheiten anzupassen, weshalb der Stil
Newschool-Beatbox aufflammte: Hier wird eine andere Atemtechnik verwendet,
wodurch sich die Beats der neuen Musikstile druckvoller gestalten lassen.
Daraus resultierte, dass dem Beatboxen auch im neuen Jahrtausend wieder
volle Aufmerksamkeit geschenkt wurde.66
Einer der Wegbereiter für die enge Verbindung zwischen A-cappella-Gesang
und Vocal Percussion bzw. Beatboxing ist der Musiker BOBBY MCFERRIN. Er ist
derjenige, der diese Kunstform mit dem Singen, hauptsächlich im Bereich der
Popularmusik, eingeführt hat mit dem Ziel, den Sängern eine Stütze zu sein und
das Tempo während eines Liedes einfacher halten zu können.67
65
66
67
Vgl. http://www.humanbeatbox.com/article/history-of-beatboxing-part-2/ [18.05.2015]
Vgl. Regelsberger 2014: 20
Vgl. http://www.humanbeatbox.com/article/history-of-beatboxing-part-2/ [18.05.2015]
23
Im Newschool-Beatbox, der wie eingangs erwähnt, sich durch eine andere
Technik von seinen Vorformen abgrenzt, ist der Musiker und Beatboxer RAHZEL
Brown vorherrschend. Er machte Beatboxing mit seinem 1999 erschienenen
Album „Make the Music 2000“ massentauglich. Insbesondere ein zweiminütiger
Hidden Track am Ende des Albums, in dem der Musiker die Grenzen seiner
Kunstform auslotet, stieß auf allgemeine Begeisterung und Hochachtung.68
Überhaupt hatte Beatboxing ab der Jahrtausendwende einen anderen
gesellschaftlichen Stellenwert:
„Beatboxing has become more mainstream with artists such as Justin
Timberlake and Daniel Beddingfield taking up the artform as well as
artists such as Bjork using beatboxing as a basis for her music. […] The
past five years have also seen the Internet become a method for
networking beatboxers and defining the art form. Beatbox jamming and
battling has grown in popularity and beatbox battles and competitions are
happening with more regularity.”69
Unter Beatbox-Battle versteht man einen Wettkampf, der zwischen mindestens
zwei anwesenden Beatboxern öffentlich ausgetragen wird. Hierfür gibt es meist
eine Jury, welche die Musiker nach Kriterien wie Technik, Stil oder
musikalischer Kreativität beurteilt. Ein solcher Auftritt kann entweder aus einer
Soloperformance bestehen, oder aber gibt es die Möglichkeit, mit anderen
Beatboxern gemeinsam aufzutreten. Bei letzterer Variante können die Musiker
ihrem Publikum abwechselnd ihr Können demonstrieren. Jede Performance ist
aber durch ein von der Jury festgelegtes Zeitlimit begrenzt. Beatbox-Battles
haben neben dem konkurrierenden auch einen didaktischen Charakter des
Miteinander-Musizierens und Voneinander-Lernens.70
Interessanterweise
sind
derartige
„Kämpfe“
oft
Teil
von
A-cappella-
Wettbewerben, wie beispielsweise beim Grazer A-cappella-Wettbewerb Vokal
Total, der jährlich stattfindet. Die Beatbox-Competition „Emperor of Mic“ ist nun
schon ein Zusehermagnet und wartet mit den weltbesten Beatboxern auf, die in
einem Battle jeweils zweimal 90 Sekunden Zeit haben ihre Fähigkeiten unter
Beweis zu stellen, danach wird das Mikrophon leise geschalten und der nächste
68
69
70
Vgl. Regelsberger 2014: 20
http://www.humanbeatbox.com/article/history-of-beatboxing-part-3/ [18.05.2015]
Vgl. Wiechenthaler, Rieder 2012: 7
24
Kandidat oder Kandidatin ist an der Reihe. Bei diesem speziellen Wettbewerb
werden
die
Teilnehmer
nach
Technik,
musikalischer
Performance,
Bühnenperformance, Arrangement und innovativen Fertigkeiten beurteilt. Jeder
Gewinner des „Emperor of Mic“ qualifiziert sich damit für das kommende Jahr
als Jurymitglied.71
3.1.2. Erlernen von Vocal Percussion und Beatboxing
So wie das Beatboxen selbst durch die rasche Verbreitung im Internet einen
wahren Boom erlebt hat, wird auch didaktisches Material auf Online-Portalen
wie
www.humanbeatbox.com
oder
anhand
von
YouTube-Videos
der
Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Da Vocal Percussion als allgemeine
Kunstform heutzutage ein fixer Bestandteil von A-cappella-Gruppen ist, gibt es
zahlreiche Experten, die sich die Weitergabe ihrer Fähigkeiten zum Ziel gesetzt
haben. An dieser Stelle muss der britische Beatboxer TYTE genannt werden,
der mit seinen motivierenden, humorvollen Videos einer der didaktischen
Wegbereiter des Beatboxens war und immer noch ist. Auf zuletzt genannter
Website hat er unzählige Videos veröffentlicht, anhand derer eine weite
Bandbreite an Sounds und Beats erlernt werden kann, welche wiederum in
ganzen Unterrichtseinheiten zusammengefasst sind.
An dieser Stelle soll ein kurzes Beispiel einer solchen Unterrichtseinheit mit den
reinen Basics folgen, damit man als Leser oder Leserin einen Eindruck
bekommt, wie komplex die Materie des Beatboxens ist. In folgender ‚Lesson 1‘,
die sich aus zwanzigminütigem Videomaterial sowie Arbeitsblättern für
Gruppenunterricht zusammensetzt, gibt auch eine kurze Zusammenfassung
Auskunft über die Inhalte der Unterrichtsstunde:
„This first lesson is designed to get you beatboxing. It teaches the three
basic sounds (kick, hi-hat and snare) used to make a beatboxing beat and
combines these three sounds into a simple beat pattern. You are introduced
to SBN (Standard Beatbox Notation) – a simple way off writing beatboxing
for students unfamiliar with music theory. […] At the end of the lesson you
will be able to:
71
Vgl. http://www.empofmic.com/battle/index.php [19.05.2015]
25
1. Demonstrate the difference between plosives and fricatives.
2. Demonstrate the difference between an unforced and forced plosive.
3. Make a simple beat pattern with a kick { B ], Hi-hat { t } and Snare {
Psh } sounds.”72
Der oben angeführte Terminus ‚Standard Beatbox Notation‘ bezieht sich auf
eine eigens für das Beatboxen eingeführte, textbasierte Schreibweise, bei der
auf
klassische
Notenschrift
verzichtet
wird.
Ein
Standardbeat
wird
beispielsweise schlichtweg mit den Buchstaben „b - z- k - z“ notiert, was den
Nachteil mit sich bringt, dass diese Aufschlüsselung unpräzise ist und zu
Verwechslungen führen kann, wenn nicht zusätzliches Audiomaterial vorhanden
ist. Mit dem Buchstaben <k> könnten also sowohl eine Classic-Snare, eine
Inward Snare oder eine k-Snare gemeint sein. Da beim Beatboxen, dem ein
improvisatorischer Zugang zur Musik zugrunde liegt, anders als in der
klassischen Musik, dem Notieren von Beats keine große Aufmerksamkeit
geschenkt wird, erfolgt auch die Weitergabe von neuen Rhythmen nicht
lediglich in geschriebener Form.73
Ein weiteres Lehrwerk, sogar österreichischen Ursprungs, ist das 2012
veröffentlichte Buch „The Real Beatbox School – Beatboxing für Unterricht und
Selbststudium“ von WERNER DAVID W IECHENTHALER und THOMAS RIEDER, der
selbst als Beatboxer mit seiner Gruppe „Massive Beats Crew“ dreifacher
österreichischer Staatsmeister im Beatboxing wurde.74 „The Real Beatbox
School“
ist
eine
didaktische
Anleitung
für
Anfänger
und
wie
die
Unterrichtseinheiten der vorher genannten Online-Plattform in verschiedene
Levels unterteilt. Die Autoren legen Wert darauf, ihr Werk einem möglichst
breitgefächerten Publikum zugänglich zu machen, wie sich an der eigens dafür
kreierten Notationsform erkennen lässt:
72
73
74
http://www.humanbeatbox.com/lesson/lesson-1-the-basics/ [20.05.2015]
Vgl. Regelsberger 2014: 34
Vgl. Wiechenthaler, Rieder 2012: 60
26
Abbildung 2: Notation „The Real Beatbox School“
In der ersten Zeile, auch Atmungszeile genannt, wird den Lernenden mittels
Pfeilen gezeigt, wann ein- bzw. ausgeatmet werden soll. Die Buchstaben [f], [s]
und [he] signalisieren das Ausatmen, während die Laute [hi] und [ha]
Einatmung bedeuten. Unter dieser Zeile befindet sich die Wortzeile, in der die
Beats mit Hilfe von Silben als gesprochene Wörter ausgeschrieben werden,
was dem leichten Einprägen der Patterns dienen soll. In der folgenden Zeile
wird
anschließend
der
Beat
selbst
notiert,
angelehnt
an
eine
Schlagzeugnotation mit Liniensystem. Schlussendlich bietet das Lehrwerk
seinen Lernenden auch noch eine Noten- und Zählzeile an, in der die Beats für
alle Notenleser mit Notenwerten notiert sind.75
„The Real Beatbox School“ soll also alle möglichen Notationsmöglichkeiten
zusammenfassen; so kann dieses Werk zum Beispiel auch im Chor- und Acappella-Bereich – im Vergleich zu den Online-Videos – mannigfaltig eingesetzt
werden und schnell zum Ziel führen, da neben innovativen Darstellungsformen
auch auf die herkömmliche Notenschreibweise Wert gelegt wird. Natürlich sind
die beiden in diesem Kapitel aufgezeigten Beatbox-Schulen nur als Beispiele zu
betrachten. Das Beatboxen ist eine sehr weitläufige und noch wenig erforschte
Kunstform, die noch lange nicht am Zenit angelangt ist. Mit der Veränderung
75
Vgl. Wiechenthaler, Rieder 2012: 16
27
der instrumentalen Stile und Beats wird sich wohl diese spezielle Form der
Vocal Percussion in Zukunft weiterentwickeln.
3.2. Der kontemporäre Popsound
Der englische Begriff Sound, zu Deutsch ‚Klang‘, bezieht sich im heutigen
Kontext auf die Gesamtheit aller Faktoren, welche die sinnliche Qualität von
Musik bestimmen. Im Gegensatz dazu ist mit der ursprünglichen Verwendung
des Begriffs Sound im Bezug auf die Rockmusik das zentrale strukturelle und
ästhetische Kriterium des Musizierens gemeint. Diese Gesamtheit aller
Faktoren umschließt zahlreiche Aspekte, wie beispielweise die Technik oder
der Einsatz von Effektgeräten. Der technische Aspekt kann hierbei in mehrere
Teile
untergliedert
Instrumentenfabrikates,
werden,
über
angefangen
geeignete
bei
der
Mikrofonierung
Wahl
bis
hin
des
zu
verschiedenen Verstärker- und Lautsprechertypen. Zu weiteren Faktoren
zählen die Aufnahmevorgänge im Studio, aber auch rein künstlerische, wie
Interpretation,
Spieltechnik,
Spielweise
oder
Phrasierung,
sowie
das
Arrangement einer Komposition. Die Auswirkung dieser Parameter auf die
klangliche Qualität hat eine Ausweitung dieser auf eine Mehrzahl an Formen in
der zeitgenössischen populären Musik veranlasst. Deshalb können diese
kleinen Formen nicht mehr in Stilen, sondern in kleineren Einheiten, den
Sounds, zusammengefasst werden.76
Nach der eigentlichen Definition des Terminus Sound beschäftigt sich das
folgende Kapitel mit den Merkmalen des kontemporären Popsounds im Bereich
des Mainstreams. Hierbei wird nicht so sehr auf die einzelnen Stile im Pop
Rücksicht genommen, sondern eher auf verbindende klangliche Merkmale von
Musik, die zum Beispiel auf Mainstream-Radiosendern gespielt wird. Außerdem
wird erörtert, welche Formen der Soundbearbeitung einem Musiker heutzutage
zur Verfügung stehen, egal ob diese den Bereich der Soundkorrektur oder der
Soundgestaltung betreffen. Diese grundsätzliche Fragestellung bedarf einer
Antwort im instrumentalen Sektor, bevor sie auch auf den A-cappella-Bereich
76
Vgl. Wicke, Ziegenrücker 2007: 684-685
28
und insbesondere auf die Arrangements der Gruppe Pentatonix übertragen
werden kann.
3.2.1. Klangmerkmale der kontemporären Popmusik
Die kontemporäre Mainstream-Popmusik ist stark vom digitalen Zeitalter
geprägt, da Songs oft nicht mehr in Proberäumen von Bands, sondern eher auf
den Computern diverser Produzenten entstehen. Darüber hinaus ist zu
beobachten, dass digitale Klänge vorherrschen, da Songs zum einen
hauptsächlich
aus
synthetischen
Klängen
bestehen,
beziehungsweise
sogenannte ‚Sound Libraries‘ anstatt echter Instrumente beim Produzieren
eines neuen Songs herangezogen werden. Unter ‚Sound Library‘ versteht man
eine Sammlung von Klangeinstellungen, die von Nutzern selbst für ein
Instrument angelegt werden können: Hier kommen sowohl die vom Hersteller
installierten Werksounds, verbessert durch im Handel erhältliche Software, als
auch eigene, neu entwickelte Klänge zum Einsatz. Diese Technik findet bereits
seit den 1970er Jahren, als Klangeinstellungen von Synthesizern erstmals
elektronisch extern und intern gespeichert werden konnten, Verwendung. 77
In den letzten Jahren haben einige Studien, wie beispielsweise die des ‚Spanish
National Research Council‘ ergeben, dass kontemporäre Popmusik laut ist,
beziehungsweise oberflächlich betrachtet Popsongs sehr ähnlich klingen. Im
Zuge dieser Studie wurden Popsongs, die zwischen
1955 und 2010
veröffentlicht wurden, untersucht. Dabei wurde ein Pool von 464.411
Aufnahmen analysiert, was zu folgendem Ergebnis führte:78 „We prove
important changes or trends related to the restriction of pitch transitions, the
homogenisation of the timbral palette, and the growing loudness levels.”79
Ein weiteres Ergebnis dieser Studie war, dass sich die Bandbreite an
verwendeten Klangfarben aufgrund der schwindenden Vielfalt an eingesetzten
77
Vgl. Wicke, Ziegenrücker 2007: 686
Vgl. http://www.theguardian.com/music/2012/jul/27/pop-music-sounds-same-survey-reveals
[23.05.2015]
79
ebda
29
78
Instrumenten verringert hat und auch die Kombination an verschiedenen Noten
und Intervallen im Laufe der Jahre zurückgegangen ist, sodass heutzutage
Songs mit spärlicherem Material produziert werden. Der entscheidendste Punkt
ist aber die Lautstärke: Kontemporäre Popsongs werden von Vornherein schon
lauter aufgenommen, gemessen an vergleichbaren Verstärkungs-Einstellungen
anderer Songs. Weiters kamen die spanischen Wissenschafter zu dem Fazit,
dass, obwohl ältere Songs facettenreicher im Bezug auf die vorhin erwähnten
Faktoren sind, trotzdem moderner klingen, vorausgesetzt, sie werden lauter und
ausdrucksloser
aufgenommen.
Das
Phänomen
der
vergrößerten
Grundlautstärke während eines Aufnahmeprozesses wird in der Fachsprache
als „Loudness War“ bezeichnet.80 Diese veränderte Aufnahmetechnik wurde
durch neue aufstrebende Stile in der Popmusik forciert. Sie wird gern als
strukturierendes Element in einem Popsong eingesetzt, wie Emmanuel Deruty
in seinem Artikel „Dynamic Range & The Loudness War“ zusammenfasst:
„The beginning of the ‘90s, which correspond to the beginning of the
loudness war, witnessed the emergence of mass-audience rap artists,
and rap music typically has sparse [spärlich] production with very loud
kick and snare parts, which increase level variability at very small scales
[…]. Around the same time, metal music evolved into ‘nu-metal’, which
integrated elements of funk and rap, and with it more percussive
elements. […] Modern productions use contrasts in level, where older
pop songs might have employed key or chord changes to delineate
[abgrenzen] different song sections. It’s quite common to hear rap or
even R&B tracks where the verses are so minimalist it’s difficult to even
extract a choir sequence from them, while at the same time, the chorus is
buried under dense vocal harmonies and/or lavish [überschwänglich]
tonal keyboard parts, which increase the RMS level 81. […] Level variation
is being used to create a structure for the song.”82
Das Prinzip des Loudness Wars basiert auf den Unzulänglichkeiten des
menschlichen Gehörs, das die wirkliche Lautheit eines Schallsignals nicht wie
ein physikalisches Messgerät misst, sondern diese viel eher anhand von
Parametern wie Dauer, Frequenz und Intensität beurteilt. Der Mensch
empfindet tiefe, hohe und durchgehende Töne leiser im Gegensatz zu
80
Vgl. http://www.telegraph.co.uk/culture/music/9430338/Modern-music-really-does-sound-thesame.html [23.05.2015]
81
RMS (Root Mean Square) bezieht sich auf Musikleistung, eine in Watt angegebene Leistung
für Audioverstärker und Lautsprecher.
82
Vgl. http://www.soundonsound.com/sos/sep11/articles/loudness.htm [27.05.2015]
30
staccatoartigen Tönen in mittlerer Lage. Hierbei muss zwischen den Termini
Lautheit und Lautstärke unterschieden werden – letzterer bezieht sich lediglich
auf die subjektive Empfindung des Menschen. Die Musikindustrie hat sich dies
zum Nutzen gemacht, indem bei leisen Teilen eines Liedes die gefühlte
Lautstärke nach oben korrigiert wird und umgekehrt, beziehungsweise
anschließend der Gesamtlevel durch Kompressoren nach oben angehoben
wird. Für das menschliche Gehör ist ein Lied mit derartigen Bearbeitungen im
Gegensatz zu einem unbearbeiteten Lied deutlich prägnanter. Dies spiegelt
sich auch in der Audiosoftware wider: Ein Song, der stark durch Kompression
modifiziert und somit auf einen Maximalpegel angehoben ist, lässt sich als
gezacktes Muster mit wenig dynamischen Ausschlägen erkennen.83
Von derartigen Entwicklungen in der kontemporären instrumentalen Popmusik
profitiert mit Sicherheit auch die moderne A-cappella-Musik. Gerade der
Bereich Vokalmusik basiert auf Dynamik, durch die vielfältige Facetten
mehrerer Stimmen im Zusammenklang zu einem individuellen Ergebnis führen.
Dadurch war es über lange Zeit hinweg nicht möglich, die Stimme mit
Instrumenten zu vergleichen oder sogar konkurrieren zu lassen. Diese Barriere
scheint überwunden zu sein, denn A-cappella-Gruppen wie Pentatonix
beweisen, dass der momentane Trend im Hinblick auf technische Möglichkeiten
schon längst auf die Vokalmusik umgemünzt wurde. Aufgrund dieser
Weiterentwicklung in der Ton- und Aufnahmetechnik ist es ausführbar, dass
eine Stimme nun die gleiche Frequenz und Durchdringungskraft wie ein
Instrument besitzt und deshalb beispielsweise auch im Radio neben
instrumentaler Musik bestehen kann, sodass für einen ungeschulten Zuhörer
der Unterschied zwischen einem reinen A-cappella-Arrangement nicht auf
Anhieb von einem instrumentalen hörbar erscheint. Natürlich beschränkt sich
dies nicht nur auf die vorhin erwähnten Kompressoren, welche die subjektiv
empfundene Lautstärke bis zur Maximalgrenze ausloten. Welche zusätzlichen
Möglichkeiten zur Stimmbearbeitung es dazu sowohl im Hinblick auf
Soundkorrektur, als auch Soundgestaltung gibt, wird in den nächsten beiden
Kapiteln erläutert.
83
Vgl. http://www.zeit.de/zeit-wissen/2012/02/Loudness-War [27.05.2015]
31
3.2.2. Soundkorrektur
Auf dem Musikmarkt im Bereich der Popularmusik hat sich im letzten Jahrzehnt
ein Trend herauskristallisiert, der vorwiegend Wert auf die Qualität und
Intonation einer Stimme legt, während andere Parameter wie Emotion und
Ausdruck zunehmend vernachlässigt wurden. Aus physikalischer Hinsicht ist
perfekte Intonation bei einer Stimme selbst bei ausgezeichneten Sängern nicht
möglich, da jeder Vokaltrakt anders beschaffen ist. Da diese Tatsache
Musikproduzenten von glatt produzierten Popsongs störte, wurde dem Problem
mit Computersoftware Abhilfe geschafft, indem fortan Tonhöhen digital korrigiert
wurden.84
Schon Anfang der 1990er Jahre konnten beispielsweise falsch gesungene Töne
nachbearbeitet werden, allerdings hatte dies aufgrund der rudimentären
technischen Möglichkeiten zur Folge, dass derartige Verbesserungen deutlich
hörbar waren. Eine bahnbrechende Entwicklung, die der Aufdringlichkeit von
korrigierten Tönen entgegenwirkte, war die 1996 erfundene Software namens
‚Auto-Tune‘ der Firma Antares Audio Technologies. Ab diesem Zeitpunkt war es
möglich, Tonhöhen nach dem Aufnehmen zu verändern, ohne dabei die
originale Klangqualität zu verlieren.85
Anfänglich wurde Auto-Tune sogar als kreatives Stilmittel eingesetzt, wie zum
Beispiel von der Sängerin CHER, die mit ihrem durchgängig getunten Song
Believe 1998 einen großen Erfolg erzielte. Eine solche Verwendung dieser
Software etablierte sich nicht unter Künstlern, sondern verschwand in die
Werkzeugkiste von Toningenieuren, die Auto-Tune möglichst unauffällig
verwendeten. Ein Name, der in Verbindung mit der Kommerzialisierung von
Auto-Tune jedoch nicht fehlen darf, ist der bis 2003 wenig bekannte USamerikanische Rapper T-PAIN. Er begann, seine Stimme durch die Software
aufzubessern und erlangte damit große Berühmtheit.86 T-PAIN machte AutoTune zu seinem Markenzeichen, wodurch er selbst wieder auch umgekehrt zum
84
Vgl. http://michallech.com/data/pub/H001462.pdf [27.05.2015]
Vgl. ebda
86
Vgl. http://apumusictech.com/courses/mus496/files/2014/02/pop-music-autotune.pdf
[28.05.2015]
85
32
Markenzeichen für getunten Klang geworden ist. Mittlerweile existiert sogar eine
eigens für iPhones angefertigte Auto-Tune-App mit dem Namen „I am T-Pain“,
die es Benützern ermöglicht, ihre iPhones in kleine Aufnahmestudios
umzuwandeln, Songs zu komponieren, ihre Stimmen zu korrigieren und das
schlussendliche Ergebnis per E-Mail zu versenden.87
Im
aktuellen
Jahrzehnt
ist
die
Verwendung
von
Auto-Tune
in
der
Musikproduktion nahezu unvermeidbar, da ein Großteil der Musik im Programm
‚Pro Tools‘ komponiert wird, bei dem von echten Instrumenten eingespielte
Linien und Melodien beliebig geschnitten und zusammengefügt werden. Damit
ein nahtloser Übergang gewährleistet werden kann und die Frequenzen der
Töne übereinstimmen, kommt Auto-Tune zum Einsatz. Auch im vokalen
Bereich ist die Verwendung von Auto-Tune üblich, was aber dazu führt, dass
Stimmen von verschiedenen Künstlern durch den Verlust der Individualität
schwerer zu unterscheiden sind und im Endeffekt viele Lieder sehr ähnlich
klingen.88
Ein weiteres Programm der Soundbearbeitung ist ‚Melodyne‘, das vom
Hersteller Celemony entwickelt und 2001 veröffentlicht wurde. Im Gegensatz zu
Auto-Tune, das mit der starren Bearbeitung von Intonation in Verbindung
gebracht wird, kann Melodyne, das sich aus den Begriffen „Melodic“ und
„Dynamic“ zusammensetzt, Klangparameter wie Geschwindigkeit, Tonhöhe und
Klangcharakter in Echtzeit bearbeiten.89 Die Korrektur mit Auto-Tune erfolgt
direkter als mit Melodyne, da einige einzelne Schritte vorgenommen werden
müssen: „Melodyne functioned as a stand-alone application and the link to your
sequencer was provided by a separate plug-in called Melodyne Bridge. […]
audio had to be played through Melodyne Bridge into the main Melodyne
application.”90 Laut Hersteller Celemony ist Melodyne für den Nutzer einfach zu
bedienen:
87
Vgl. http://www.billboard.com/articles/news/267502/t-pain-talks-iphone-auto-tune-app
[28.05.2015]
88
Vgl. http://apumusictech.com/courses/mus496/files/2014/02/pop-music-autotune.pdf
[28.05.2015]
89
Vgl. http://audio.uni-lueneburg.de/texte/ma_beesten.pdf [28.05.2015]
90
http://www.soundonsound.com/sos/mar07/articles/at5vsmelodyne.htm [28.05.2015]
33
„Melodyne analysiert die aufgenommene Musik und kennt dann ihren
Inhalt im musikalischen Sinn. Begriffe wie Schneiden, Pitch shifting oder
Time stretching kommen bei Melodyne nicht vor, auch wenn dies […] im
Hintergrund
geschieht,
weil
das
in
Melodyne
verwendete
Klangerzeugungsverfahren all dies von selbst ausführt. Sie als Benutzer
arbeiten nur mit dem musikalischen Material.“91
Trotz all dieser technischen Möglichkeiten, die uns heutzutage erlauben von
perfekter klingender Musik umgeben zu sein, sind Programme wie Auto-Tune
oder Melodyne als Künstler mit Vorsicht zu genießen. Fakt ist, dass dadurch –
egal, wie technisch ausgefeilt die Software heute ist – immer ein Stück an
Individualität verloren geht. Dieser Grundsatz wird aber vor allem im Bereich
der Mainstream-Popmusik oft nicht gepflegt, da der kommerzielle Aspekt im
Vordergrund steht: Hierbei ist es in der Musikbranche im Bereich des
Mainstreams wichtig, dass ein Lied durch einen glatt produzierten, perfekten
Sound heraussticht, anstatt durch die individuelle Fähigkeiten von Sängern und
Sängerinnen aufzufallen.
3.2.3. Soundgestaltung
In der heute gebräuchlichen Ton- und Aufnahmetechnik gibt es eine Vielzahl an
Effekten, mit der eine Stimme nach der Aufnahme verändert werden kann. Zu
den drei häufigsten Effekten zählen der Hall, der im vorherigen Kapitel
erwähnte Kompressor und der Equalizer, mit dessen Hilfe eine Stimme
transparenter gemacht wird und Störgeräusche herausgefiltert werden. Diese
standardisierten Effekte kommen vor allem auch auf Aufnahmen von
Vokalmusik immer zum Einsatz, da dies für den Zusammenklang von mehreren
Stimmen unabdinglich ist.
A-cappella-Gesang kann im Gegensatz zu
elektronischen Instrumenten beispielsweise schon durch gute Raumakustik
zum Klingen gebracht werden, aber vor allem im Bereich des Mainstream-Acappella-Pop sind Bearbeitungen notwendig, dass eine reine Gesangsformation
mit instrumental begleiteter Popmusik mithalten kann.
91
http://audio.uni-lueneburg.de/texte/ma_beesten.pdf [28.05.2015]
34
Gerade in der Ära der Loudness Wars, in der ein dominanter Diskant sowie ein
durchdringender Bass von großer Bedeutung sind, kann letzterer mit Hilfe eines
Octavers oder auch Octaviders aufgebessert werden. Ein Basssänger kann mit
der Verwendung eines Effektgerätes die tiefen Töne optimieren, da neben dem
Eingangssignal der gleiche Ton, aber um eine Oktave tiefer erklingt. Dies hat
zur Folge, dass ein vollerer Klang erzeugt wird. Im A-cappella-Gesang wird
dieser Effekt häufig angewandt, da der menschlichen Stimme in der Tiefe oft
Grenzen gesetzt sind. Mit Hilfe eines Octavers können auch Töne im Abstand
von zwei Oktaven, beziehungsweise verschiedene Intervalle, sofern sie im
Bereich einer Oktave liegen, produziert werden. Die Lautstärke des elektronisch
hergestellten Tons kann beliebig festgelegt werden, sodass der Einsatz dieses
Effektgeräts unauffällig vonstattengehen kann.92
Ein weiterer Effekt, der bei Stimmbearbeitung angewendet wird, ist der
DeEsser. Hier ist schon der Name ein Hinweis auf die Funktion des Effekts –
durch einen DeEsser werden störende und zischende Laute, häufig verursacht
durch Konsonanten wie /s/ oder /sch/ abgeschwächt. Durch einen Filter wird
festgelegt, in welchem Frequenzbereich sich die Zischlaute befinden, einige
DeEsser erkennen dies aber auch von alleine und beseitigen die kleinen
Störfaktoren automatisch. Wichtig ist hierbei, dass der De-Esser-Effekt
unbedingt vor dem Kompressor angewendet werden muss, da beim
Kompressor die Dynamik eines Signals verringert wird und es dadurch
schwieriger wird, Zischlaute einzugrenzen.93
Der Chorus-Effekt ist im Vokalbereich insbesondere für kleinere Gruppen von
Vorteil, kann aber natürlich auch bei jedem Instrument eingesetzt werden.
Dieses Effektgerät wurde bereits Ende der 1960er-Jahre entwickelt und bewirkt
einen chorischen, volleren Klang. Ein solcher Effekt wird durch eine zeitliche
Verschiebung der Frequenzzusammensetzung von Tonsignalen erzielt. Die
dabei entstehende Zeitverzögerung kann individuell gesteuert werden, je
nachdem, wie präsent der Effekt gewünscht ist:94 „Es entstehen somit
regelmäßige Tonhöhenschwankungen, die sich bei der Mischung mit dem
92
93
94
Vgl. Wicke, Ziegenrücker 2007: 502
Vgl. https://www.hdm-stuttgart.de/~curdt/Stimme_Seybicke.pdf [28.05.2015]
Vgl. Wicke, Ziegenrücker 2007: 145
35
Originalsignal als periodisch auftretende geringfügige Verstimmung bemerkbar
machen. Sowohl der Grad der Verzögerung, als auch der Bereich und die
Geschwindigkeit ihrer Veränderung […] lassen sich in einem bestimmten
Bereich stufenlos regeln.“95 Bei der Stimmbearbeitung ist es von Vorteil, nicht
zu viel von diesem Effekt zum Ausgangssignal hinzuzufügen, da der Gesang
sonst schnell unnatürlich klingt, sowie zu wabern beginnt.96
Einer der bekanntesten Effekte im Bezug auf Stimmverfremdung ist der
Vocoder. Dieser wurde bereits im Zweiten Weltkrieg zum Zwecke der
Verschlüsselung
von
Sprache
für
abhörsichere
Telefonverbindungen
verwendet. In der Musik kann ein Vocoder eine Stimme hundertprozentig
verfremden, sodass Roboter-ähnliche Sounds, beziehungsweise andere
synthetisch klingende Sprachaufnahmen entstehen. Ermöglicht wird das durch
die komplexe Funktionsweise des Vocoders, dem zwei Eingänge zugrunde
liegen, wobei der erste Eingang immer für die Stimme benützt wird. Dennoch
werden
beide
Signale
verbunden:97
„Durch
diese
Verbindung
zweier
Audiosignale wird die Hüllkurve des Modulationssignals auf die Klangfarbe des
Trägersignals aufgetragen. Somit kann man z.B. ein ganz normales Instrument
wie z.B. einen Bass oder ein Klavier zum Sprechen bringen.“98
Die eben genannten Beispiele für Effektgeräte sind natürlich nur als kleine
subjektive Auswahl aus einem großen Pool zu betrachten, da allgemein
mittlerweile eine große Anzahl an anderen Effektgeräten existiert. Octaver,
DeEsser, Chorus-Effekt und Vocoder sind aber beispielhaft für die Vokalmusik,
weshalb kurze Erläuterungen der einzelnen Effekte in dieser Arbeit Platz finden.
95
Wicke, Ziegenrücker 2007: 145
Vgl. https://www.hdm-stuttgart.de/~curdt/Stimme_Seybicke.pdf [28.05.2015]
97
Vgl. ebda
98
ebda
96
36
3.3. Die neue amerikanische A-cappella-Welle
Die USA weisen, wie schon in Kapitel 2 genauer untersucht, eine
verhältnismäßig lange und intensive A-cappella-Tradition auf. Hauptsächlich in
staatlichen Bildungsinstitutionen wie High Schools oder Colleges hat A-cappella
einen hohen Stellenwert, was durch eigens für Hochschulen ins Leben gerufene
Wettbewerbe unter Beweis stellen. In den letzten Jahren hat A-cappellaGesang aber auch bei einem breiten Mainstream-Publikum Anklang gefunden:
Diese Kunstform, die einst nur eine kleine Nische einnahm und hauptsächlich in
Colleges praktiziert wurde, hat sich national in den USA, sowie auch
international ausgebreitet. Grund dafür sind zum einen Castingshows, wie zum
Beispiel die amerikanische Show „The Sing-Off“, in der A-cappella-Gruppen
verschiedenen Alters und Hintergründen auf sehr hohem Niveau auftreten. Zum
anderen wurde diese Begeisterung von den Fernsehern auch ins wirkliche
Leben hinausgetragen, da in den letzten Jahren das Touren von A-cappellaGruppen in den USA an Beliebtheit gewann.99
Um diese Entwicklung aber noch einmal detaillierter zu beleuchten, informieren
die nächsten Kapitel in chronologischer Reihenfolge über den wachsenden
Trend von College-A-cappella-Gruppen, in die auch das beispielhafte und
zentrale Ensemble dieser Arbeit, Pentatonix, einzuordnen ist. Obwohl Acappella in Verbindung mit Hochschulen und Universitäten zum Teil schon
Inhalt des Kapitels 2 war, ist diese Form die Basis aller kontemporären
Folgetrends, wie beispielsweise der Film Pitch Perfect.
3.3.1. Collegiate A Cappella
Wie schon der Name verrät, wird und wurde Collegiate A Cappella auf den
Campussen von US-amerikanischen Universitäten und Colleges praktiziert.
Derartige Ensembles bestehen aus meist acht bis sechzehn Sängern und
Sängerinnen in reinen Männer- und Frauengruppen, als auch in gemischten
Formationen. Die Studenten und Studentinnen arrangieren, performen oder
99
Vgl. Sharon, Bell 2012: xiii
37
nehmen dabei Covers von populären Liedern ohne instrumentale Begleitung
auf. Collegiate A Cappella basiert auf früheren Campus-Vokalensembles, wie
zum Beispiel die im 19. Jahrhundert weit verbreiteten ‚College Glee Clubs‘, und
wurde später von Barbershop-Quartetten sowie der vokalen Popmusik des 20.
Jahrhunderts beeinflusst.100 Das Prinzip der Nachahmung ist der zentralste
Bestandteil dieses Genres, bei der die menschliche Stimme die instrumentalen
Parts einer kommerziellen Aufnahme eines Liedes imitiert und im besten Fall
sogar optimiert. Mit dem Hinzufügen von neuen musikalischen Ideen zu einem
bereits bestehenden instrumentalen Arrangement wird ein weiterer wichtiger
Aspekt dieses Genres unterstrichen: Originalität des Liedes und seiner
Präsentation.101
Die Arrangements von Collegiate A Cappella-Ensembles sind meist in Leadund Begleitstimmen gegliedert, wobei Backgroundstimmen sehr stark variieren.
Diese können in ihrer Bandbreite von simplen homophonen Akkorden bis hin zu
komplex angelegten polyphonen Stimmverläufen reichen. Für die Imitation von
instrumentalen Klängen werden häufig spezielle Vokabel verwendet. So ist
etwa der /j/-Klang, wie zum Beispiel in den Wörtern „jun“ oder „jin“ enthalten, ein
sehr gern verwendetes Mittel zur Nachahmung von Gitarrensounds. Vocal
Percussion oder Beatboxing ist hierbei eine Möglichkeit, mit rein vokalen Mitteln
dem Klang eines Drumsets nahezukommen. Aufnahmen, die vor 1980
entstanden sind, bringen auffälligerweise deutlich weniger solistische Teile,
Vocal Percussion, sowie perkussives Vokabular mit sich und verfügen
hauptsächlich über homophone Texturen, angelehnt an den vorhergehenden
Trend des Barbershop-Singings.102
Der Aufführungsrahmen von Collegiate A Cappella-Gruppen reicht von purer
Unterhaltung bei universitären Festivitäten, über Semesterkonzerten bis hin zu
interuniversitären Zusammenkünften, bei denen auch Gruppen von außerhalb
eingeladen werden. Zentrale Bestandteile der Aufführungspraxis sind Aspekte
wie Choreographie, Gestik und ‚Staging‘. Oft werden einzelne Darbietungen
auch durch komische und kabarettistische Einlagen verknüpft, wodurch das Ziel
100
101
102
Vgl. Hiroshi Garrett 2013, Band 2: 344
Vgl. http://www.jstor.org/stable/40071679?seq=1#page_scan_tab_contents [29.05.2015]
Vgl. Hiroshi Garrett 2013, Band 2: 344
38
der Unterhaltung unterstrichen wird. Im Bereich des Collegiate A Cappella und
der Professionalität seiner Gruppen sind auch Tonaufnahmen ein wichtiger
Bestandteil. Die Qualität solcher Aufnahmen variiert jedoch, da – von Gruppe
zu Gruppe unterschiedlich – sowohl Konzertmitschnitte, als auch digital
nachbearbeitete Studioaufnahmen für kommerzielle Zwecke verwendet werden.
Insgesamt gibt es heute über 1200 eingetragene Gruppen, die sich im
Collegiate A Cappella-Verzeichnis finden lassen. In dieser Zahl, die sich in den
späten 1980er- und im Laufe der 1990er-Jahre drastisch vergrößerte, sind
sowohl Ensembles aus den Vereinigten Staaten, als auch aus Kanada und
Großbritannien zu finden.103
Ein weiteres Merkmal, das Collegiate A Cappella auszeichnet, ist die soziale
Komponente. Den Sängern einer Gruppe geht es hierbei darum, eng mit den
anderen Mitgliedern der Gruppe in Verbindung zu stehen; so gesehen sind
Collegiate A Cappella-Ensembles mit den auf amerikanischen Hochschulen
weit verbreiteten „fraternities“ und „sororities“104 zu vergleichen, da sie den
Studenten und Studentinnen während ihrer Studienzeit sozialen Rückhalt bieten
und ihr Ziel darin besteht, die Mitglieder behutsam ins Erwachsenenleben
einzuführen.
Derartige
A-cappella-Formationen
können
verschiedene
Hintergründe haben: Einerseits gibt es Gruppen, die sich durch religiöse,
ethnische oder linguistische Ziele verbunden fühlen, andererseits gründen sich
Ensembles auch auf verschiedenen Musikstilen im Bezug auf ihr Repertoire,
wie
beispielsweise
Broadway-Musicalsongs
oder
Musik
nicht-westlicher
Kulturen.105
Damit die Popularität von A-cappella Gruppen so schnell voranschreiten
konnte, war die Gründung einer weiteren US-amerikanischen Vereinigung in
der A-cappella-Musik von großem Nutzen, die diese Form von Musik allen
Interessierten zugänglich machte.
103
Vgl. Hiroshi Garrett 2013, Band 2: 344
Unter „fraternity“ und „sorority“ versteht man Studentenverbindungen, die in den USA ein
fixer Bestandteil des universitären Gesellschaftslebens sind. Der Vergleich zu österreichischen
Studentenverbindungen ist nur schwer anzustellen, da diese meist von politischen
Hintergründen gezeichnet sind.
105
Vgl. Hiroshi Garrett 2013, Band 2: 344
39
104
3.3.2. Contemporary A Cappella Society
“There are tens of thousands of contemporary a cappella groups around
the US and the world, ranging from high school and college ensembles to
professionals and recreational groups. And CASA is their organization,
providing help, guidance, advice, coaching, information, events,
recordings, grants, workshops, critique, awards, arrangements,
instructional videos, and just about everything else a group could
need.”106
Dieser Ausschnitt aus der Homepage der CASA oder Contemporary A Cappella
Society lässt erkennen, wie vielfältig das Angebot dieser Organisation ist. Ihr
Gründer ist der US-Amerikaner DEKE SHARON, der diese Plattform für Sänger
und Sängerinnen 1991 aus der Taufe erhob. Vier Jahre später veröffentlichten
SHARON und sein Kollege ADAM FARB ein erstes Best-of-Album aller auf die
Internetplattform hochgeladenen Aufnahmen von A-cappella-Ensembles mit
dem Titel „Best of College A Cappella“. Im Jahr 1995 zog die Non-ProfitOrganisation weitere Kreise, indem sie den prestigeträchtigen Wettbewerb
„International Championship of Collegiate A Cappella“, kurc ICCA, etablierten.
Begonnen als rein US-amerikanischer nationaler Wettbewerb, expandierte
dieser angesichts großer Beliebtheit und Nachfrage, sodass mittlerweile sogar
A-cappella-Gruppen
teilgenommen haben.
aus
Oxford,
England,
und
Pretoria,
Südafrika,
107
Die Teilnahme an der International Championship of Collegiate A Cappella
bringt ob des großen Erfolges und reger Nachfrage strikte, wenn nicht sogar
sportliche Regeln mit sich: So hat beispielsweise jede Gruppe zwölf Minuten
Zeit, eine herausragende Performance abzulegen – der Applaus muss hierbei
aber einberechnet werden. Damit der Auftritt regelkonform abläuft, sitzt ein
Zeitrichter im Publikum, der eine singende Gruppe mithilfe von Kärtchen warnt,
falls ein Zeitlimit überschritten werden sollte. Außerdem müssen alle Mitglieder
eines Ensembles nachweislich Vollzeitstudenten sein. Die Teilnahme von
Sängern und Sängerinnen außeruniversitärer oder außerschulischer Herkunft
ist nicht erlaubt. Würde diese Regel verletzt werden, könnte die Gruppe mit
sofortiger Wirkung von dem betreffenden und sogar von zukünftigen ICCA106
107
http://www.casa.org/about [29.05.2015]
Vgl. Hiroshi Garrett 2013: 344
40
Wettbewerben ausgeschlossen werden. Der Finalauftritt wird von einer
fünfköpfigen Jury observiert, welche die teilnehmenden Gruppen anhand von
Aspekten
wie
Vokalperformance,
visuelle
Performance
und
subjektive
Platzierung beurteilt. Darüber hinaus besteht für die Ensembles auch noch die
Möglichkeit,
Sonderpreise
in
den
Kategorien
„Outstanding
Soloist“,
„Outstanding Arrangement“, „Outstanding Vocal Percussion“ und „Outstanding
Choreography“ zu erhalten.108
Zu den mehrfachen Gewinnern, nämlich in den Jahren 2008, 2010, 2012 und
2015, der International Championship of Collegiate A Cappella war auch die
Formation „SoCal VoCals“ der University of Southern California.109 Dies ist
insofern von Bedeutung, als dass BEN BRAM, der Arrangeur und Produzent von
Pentatonix und SCOTT HOYING (siehe Kapitel 3.4.) Mitglieder der erstgenannten
Gruppe waren. Dies verdeutlicht, wie eng das Netz innerhalb der USamerikanischen A-cappella-Szene gespannt ist. Auch wenn Pentatonix
beispielsweise nie Teil der ICCA waren, gibt es dennoch verbindende Elemente
zum Genre Collegiate A Cappella.
3.3.3. Deke Sharon
Wie schon eingangs erwähnt, hinter dem Erfolg der neuen amerikanischen Acappella-Welle steckt ein Name: DEKE SHARON. Die Arbeit des Kaliforniers,
geboren 1967, ist prägend für den modernen, kontemporären A-cappellaSound. SHARON ist der Produzent der Fernsehshow “The Sing-Off”, die eine
Talenteschmiede für junge A-cappella-Gruppen ist und der auch Pentatonix ihre
plötzliche Bekanntheit und ihren großen Erfolg verdankt. Neben den USA
produziert Sharon die Show auch in anderen Ländern wie den Niederlanden,
China und Südafrika. Außerdem ist DEKE SHARON auch als Arranger, Music
Director und Vocal Producer für die Universal-Kinofilme „Pitch Perfect“ und
„Pitch Perfect 2“ tätig, in denen der Wettstreit zwischen Highschool-A-cappellaFormationen, umgeben von attraktiven Arrangements der erfolgreichsten
108
109
Vgl. http://varsityvocals.com/competitions/compete/ [30.05.2015]
Vgl. http://varsityvocals.com/results/icca-finals/?my_year=2015 [30.05.2015]
41
modernen Popsongs, zentraler Ausgangspunkt ist. Bisher hat DEKE SHARON
über 2000 Lieder arrangiert, die zum Teil weltweit verlegt wurden.110
SHARON ist auch Autor des Buches „A Cappella Arranging“, in dem er seine
Arbeitstechniken
leicht
verständlich
erklärt,
an
Laien
weitergibt.
Den
Arrangierprozess eines Liedes unterteilt er in zehn Schritte, die sich wie folgt
zusammensetzen: Als erstes empfiehlt er seinen Lesern und Leserinnen die
Auswahl eines spezifischen Liedes, das zweitens zum wiederholten Male
angehört werden soll. Drittens regt er auch dazu an, andere Arrangements zu
studieren, da es seiner Meinung nach äußerst empfehlenswert ist, anhand der
Techniken anderer Arrangeure zu lernen. Viertens soll über eine Form
entschieden werden, um fünftens die benötigten Materialien vorbereiten zu
können. Punkt sechs, sieben und acht umfassen das Ausnotieren von Melodieund Bassstimme sowie von Background-Stimmen. Die Punkte neun und zehn
umschließen die finale Arbeit eines Arrangierprozesses und das anschließende
Aufnehmen, beziehungsweise bietet er ausreichend Information, wie die
Probenarbeit möglichst konsequent angelegt werden kann.111
DEKE SHARON scheint mit seinem Konzept, den kontemporären Popsound auf
die Vokalmusik umzulegen, den Puls der Zeit getroffen zu haben, indem er eine
Nischenkunstform in eine eigenständige Branche verwandelt hat. Dies ist seiner
Meinung nach auch auf gesellschaftliche Veränderungen innerhalb der letzten
Jahre zurückzuführen, wie er in einem Interview preisgibt:
„American culture has changed in a major way […], the fact of the matter
is what used to be seen as dorky is now respected a lot more, in fact, the
whole idea of nerds […]. Someone who is seen as a nerd in high school
is someone who has a deep love of something and a great knowledge of
and for it.”112
Mit seiner Vorreiterrolle im A-cappella-Gesang als Teil einer neuen Popkultur
arbeitet Sharon von Beginn einer Produktion wie „Pitch Perfect“ bis zur
tatsächlichen Veröffentlichung mit, indem er die Künstler und Künstlerinnen
eigens unterstützt. Auf der Homepage der von ihm gegründeten Contemporary
110
111
112
Vgl. http://www.dekesharon.com/deke-sharon-bio.html [30.05.2015]
Vgl. Sharon und Bell 2012: v
https://www.youtube.com/watch?v=hAPSKkzNTvg [30.05.2015]
42
A Cappella Society gibt er einen Einblick, wie weitläufig sein Einsatzbereich ist,
denn seine Aufgaben sind sowohl musikalischer als auch menschlicher Natur:
„Help find groups, cast groups, structure days, oversee my team […],
choose songs, arrange songs, rehearse groups, keep groups pumped up
as they sit in their boxes during long tapings yet help them relax and
focus as I walk out on stage with them and give them their pitch, interface
with other departments, fight battles on behalf of the groups from time to
time, put out fires, deal with drama, […] make sure every group is
performing at 100% of their abilities but not overextended, reinforce
proper vocal technique and preserve voices as much as possible, work
closely with choreo to make sure each song’s impact is maximized
without compromising vocals […]”113
Anhand dieses Zitats wird deutlich, dass die moderne Form von A-cappella im
Vergleich zum Chorgesang, bei dem rein das Singen im Vordergrund steht, zu
einem eigenen Genre, wenn nicht sogar einer Marke geworden ist, indem das
Singen in Verbindung mit choreographischen Bestandteilen und ShowElementen zu einem Gesamtpaket verschmolzen wurde. Der kontemporäre Acappella-Begriff beschreibt also nicht mehr lediglich eine Form des Singens
ohne instrumentale Begleitung, sondern ist vielmehr Inbegriff eines eigenen
Stils innerhalb der zeitgenössischen Popkultur.
3.4. Pentatonix
Das folgende Kapitel konzentriert sich – weg vom allgemeinen USamerikanischen A-cappella-Boom mit all seinen zuvor erwähnten Komponenten
wie der TV-Show „The Sing Off“, dem Film „Pitch Perfect“ oder der
„International Championship of Collegiate A Cappella“ – auf eine der zurzeit
rund um den Globus erfolgreichsten A-cappella Gruppen: Pentatonix. Sie haben
es geschafft, mit ihren originalgetreuen Arrangements brandaktueller Chart-Hits
das Genre A-cappella auch im Bereich des Mainstreams bekannt werden zu
lassen. Folgendes Kapitel soll nähere Information über Bandmitglieder,
Entstehungsgeschichte,
sowie
den
Arrangierprozess
und
die
daran
mitwirkenden Personen geben.
113
http://www.casa.org/feistinterviewdeke [30.05.2015]
43
3.4.1. Mitglieder und Entstehung
Die aus fünf Mitgliedern bestehende Acappella-Gruppe Pentatonix existiert in ihrer
aktuellen Konstellation seit dem Jahr 2011.
Sie haben sich für die Castingshow „The
Sing
Off
Senders
3“
NBC
des
US-amerikanischen
formiert,
ironischerweise
lediglich einen Tag, bevor sie an der ersten
Audition
der
Mitglieder,
Show
geordnet
teilnahmen.
nach
Die
Stimmlagen,
sind:114
Abbildung 3: Avi Kaplan, Kirstie
Maldonado, Scott Hoying, Mitch Grassi,
Kevin Olusola (v.l.n.r.)
KIRSTIN MALDONADO
Die Mezzosopranistin, 1992 geboren, stammt aus dem US-Bundesstaat Texas
und genoss schon während ihrer Zeit an der High School eine klassische
Vokalausausbildung. Sie konnte ihr Talent im „Texas All State Choir“ sowie in
zahlreichen Bühnenproduktionen des „Theatre Arlington“ unter Beweis stellen.
Bevor sie sich Pentatonix widmete, war sie zwei Jahre lang Studentin an der
„University of Oklahoma“, wo sie sich für die Studienrichtung „Music Theatre“
inskribierte.
MITCH GRASSI
Der Countertenor, ebenso 1992 in Texas geboren, ist der jüngste Kopf der Acappella-Gruppe. Als sie gemeinsam ihren Triumph bei „The Sing Off“
besiegelten, war er noch in seinem letzten Schuljahr an der „Martin High
School“ in Arlington. Neben zahlreichen Erfahrungen im Bereich des
Musiktheaters und einer gewonnenen Teen-Castingshow hat er sich auch als
DJ engagiert.
SCOTT HOYING
Der ebenfalls gebürtige Texaner und Abgänger der „Martin High School“, ist die
Verbindungsperson zwischen den vorher genannten Mitgliedern und AVI
114
Vgl. http://ptxofficial.com/bio [10.04.2015]
44
KAPLAN. Der 1991 geborene Bariton studierte an der „University of South
California“, wo er Teil der lokal berühmten A-cappella-Gruppe „SoCal VoCals“
wurde.
Seit
einem
Alter
von
acht
Jahren
hatte
er
regelmäßige
Auftrittserfahrung, die er in der Zeit vor Pentatonix durch seine Teilnahme an
einer TV-Castingshow und als Sänger der Nationalhymne bei diversen
Sportveranstaltungen ausbauen konnte. HOYING ist auch als Pianist und
Songwriter tätig.
AVI KAPLAN
Der 1989 geborene Bass stammt ursprünglich aus Kalifornien. Bevor er zu
Pentatonix stieß, konnte er durch seine beeindruckende gesangliche Leistung
schon mit anderen Ensembles Preise gewinnen, darunter die Auszeichnung
„Best Rhythm Section“ bei der „International Championship of Collegiate A
Cappella“. KAPLAN, der auch Gitarre spielt und für Chöre arrangiert, ist nicht nur
für seine Kenntnisse im Obertongesang bekannt, sondern auch für seinen sehr
weit in die Tiefe reichenden Stimmumfang. Vor seinem Durchbruch mit
Pentatonix trat er in prestigeträchtigen Konzertsälen, wie zum Beispiel im New
Yorker Lincoln Center oder der Carnegie Hall, auf.
KEVIN OLUSOLA
OLUSOLA wurde 1988 in Kentucky geboren und ist der Beatboxer der Gruppe.
Die Gruppe wurde durch ein berühmtes YouTube-Video, in dem er gleichzeitig
beatboxt und Cello spielt, auf ihn aufmerksam. Sein „celloboxing“ führte ihn
2012 zum „Montreux Jazz Festival“, wo er neben Größen wie CHICK COREA und
BOBBY MCFERRIN auftreten durfte. Abseits seines musikalischen Engagements
ist er an der „Yale University“ für die Studienrichtungen „East Asian Studies“
und „Pre-Med“ inskribiert.
Die drei Ursprungsmitglieder KIRSTIN MALDONADO, MITCH GRASSI und SCOTT
HOYING traten bereits seit ihrer gemeinsamen Highschool-Zeit in dieser
Konstellation auf, in der sie sich über die Plattform YouTube durch ihre
Coverversionen von Hits wie LADY GAGAS
Telephone oder KATY PERRYS
45
Firework in der A-cappella-Gemeinde auch außerhalb der USA Bekanntheit
erlangten. Da eine Formation mit lediglich einer Sängerin und zwei Sängern
aber schnell an musikalische, dynamische und arrangiertechnische Grenzen
stößt, hielt HOYING nach weiteren Mitgliedern Ausschau. Die Wahl fiel dabei auf
AVI KAPLAN, dem im südkalifornischen Raum zu diesem Zeitpunkt bereits der
Ruf vorauseilte, einer der talentiertesten Basssänger zu sein, und auf KEVIN
OLUSOLA, der zuvor aufgrund seiner außergewöhnlichen Fähigkeit des
„Celloboxings“ im Internet aufgefallen war.115 Den Durchbruch – auch
außerhalb der A-cappella-Szene – schafften sie durch ihren Sieg bei „The Sing
Off“. Auch das Feedback seitens der Medien war ein Erfolg, wie in einem Artikel
der „Huffington Post“ zum Ausdruck gebracht wird:
„Together, the five of them are a formidable musical force, creating
full, interesting arrangements that sound as good (and, on
occasion, better) than the songs they’re covering. Combine that
with a sprinkle of choreography and a few original songs, and
Pentatonix has every chance of becoming the first a cappella
group to truly go mainstream.”116
Nach ihrem Triumph bei “The Sing Off” verlegten die fünf Mitglieder von
Pentatonix ihren Lebensmittelpunkt nach Los Angeles, wo sie im Jahr 2012
zwei EPs veröffentlichten, nämlich „PTX Vol 1“ und die mit Weihnachtsliedern
versehene EP „PTXmas“. Beide Veröffentlichungen stiegen in den BillboardCharts auf Anhieb unter die Top 200 ein.117 Im Jahr 2013 folgte unter dem
Label Madison Gate Records die nächste EP mit dem Titel „PTX Vol 2“, auf der
sie acht neue Songs, darunter vier eigene, zum Besten geben.118 Ein Jahr
später, 2014, erschien das Album „PTX Vol 3“, sowie das zweite
Weihnachtsalbum „That’s Christmas To Me“. Der offizielle YouTube-Kanal von
Pentatonix hat über 7,9 Millionen Abonnenten119; diese Zahl wird durch
Aufmerksamkeit erregende Videos wie The Evolution of Music und das Mashup Daft Punk ständig erhöht, die Videos verzeichnen mehr als 59 Millionen bzw.
129 Millionen Zugriffe.120
115
Vgl. http://asian-fusion.com/916/interview-with-pentatonix--kirstie-maldonado/ [10.04.2015]
http://www.huffingtonpost.com/marielle-wakim/pentatonix-a-cappella_b_1677454.html
[10.04.2015]
117
Vgl. http://www.billboard.com/artist/1490043/pentatonix/chart [10.04.2015]
118
Vgl. http://www.mtv.com/artists/pentatonix/biography/ [12.04.2015]
119
Youtube zahl und datum
120
Stand aller Angaben in diesem Absatz: 12.04.2015
116
46
Zusätzlich zum Erfolg des stetig steigenden Bekanntheitsgrades durch OnlinePlattformen und Konzerttourneen in den USA, Europa und Asien, konnte
Pentatonix im Jahr 2015 auch bei der 57. Verleihung der Grammy Awards
einen besonderen Preis entgegennehmen: Ihr Lied Daft Punk wurde für das
beste Arrangement, instrumental oder a-cappella, ausgezeichnet.121
3.4.2. Arrangements
Die
Arrangements
aller
Lieder,
egal
ob
Coverversionen
oder
Eigenkompositionen, sind prinzipiell für fünf Stimmen geschrieben, nämlich für
die Stimmlagen bzw. Funktionen Sopran/Mezzosopran, Tenor, Bariton, Bass
und Vocal Percussion/Beatbox. Das Repertoire von Pentatonix besteht
hauptsächlich aus Coverversionen aktueller Hits aus den Charts, wobei bei ab
der zweiten EP auch schon Eigenkompositionen veröffentlicht wurden.
Eine häufig gestellte Frage in Interviews ist, wie die Arrangements für eine
Mainstream-A-cappella-Gruppe überhaupt zustande kommen. Laut HOYING und
GRASSI läuft der Prozess des Arrangierens immer sehr ähnlich ab: Den Anfang
machen meist Bassist und Beatboxer, indem sie verschiedene Grundgrooves
und Basslinien ausprobieren. Die harmonische Abfolge wird durch den Bass
gleich auf dieser Entwicklungsebene definiert. Danach folgt die Melodie, und als
letzter Teil des Grundgefüges wird die Melodie harmonisch mit zwei weiteren
Stimmen versehen. In der Regel wird der Refrain eines Liedes immer mit
homophonen Dreiklängen versehen. Sobald das Gerüst eines Arrangements
besteht, wird an den Feinheiten, wie dynamischen Veränderungen oder „BreakDown’s“ gearbeitet. Prinzipiell bevorzugen die Sängerinnen und Sänger von
Pentatonix es gemeinsam zu arrangieren, anstatt ein fertig auf Papier
gebrachtes Arrangement einzustudieren.122 Neue Liedvorschläge werden von
den Mitgliedern selbst ausgewählt, da es den Fünf sehr wichtig ist, dass die
Inspiration für einen Song vorhanden ist. Trifft dies ein, kann ein Song innerhalb
121
Vgl. http://www.grammy.com/videos/pentatonix-win-best-arrangement-instrumental-or-acappella [12.04.2015]
122
Vgl. https://www.casa.org/content/exclusive-interview-pentatonixs-scott-hoying [13.04.2015]
47
von wenigen Tagen fertig arrangiert sein, sodass dazu rein theoretisch ein
Video aufgenommen werden könnte. Als Ziel für die Zukunft gibt die Gruppe an,
sich lieber auf eigene Kompositionen konzentrieren zu wollen, als sich immer
nur dem Covern von bereits bestehenden Songs zu widmen.123
Trotz all ihrer Eigeninitiative steckt dennoch ein professioneller Produzent hinter
der Maschinerie Pentatonix: BEN BRAM ist ein in Los Angeles lebender
Produzent, Music Director, Pädagoge und Arrangeur; für letztere Tätigkeit
gewann er bereits einen Grammy Award.124 Dieses Ereignis ist für Bram ein
wichtiger Schritt für das Genre A-cappella, um auch im Bereich des
Mainstreams Fuß zu fassen: „I want a-cappella to become more of a thing and
less of a novelty act.“125
BRAM begleitete Pentatonix bereits während ihrer Zeit bei NBC’s „The Sing Off“,
da er für diese Show als Arrangeur und Vocal Coach tätig war. Seitdem besteht
eine enge Zusammenarbeit zwischen BEN BRAM und Pentatonix: Neben seinem
Aufgabenbereich als Produzent der Gruppe ist er zusätzlich noch als
Aufnahmeleiter und Co-Arranger tätig. Außerdem begleitete er Pentatonix auf
ihrer Tour im Jahr 2012, bei der er gleich mehrere Funktionen innehatte,
nämlich arbeitete er auch als Tourmanager sowie als Live-Tontechniker.126
123
Vgl. https://www.youtube.com/watch?t=470&v=XFJzrxBIFjE [13.04.2015]
Anmerkung: Er erhielt bei der Grammy-Verleihung 2015 zusammen mit der Gruppe
Pentatonix einen Grammy für das beste Arrangement, a-cappella oder instrumental, für das
Arrangement für „Daft Punk“, wie in 2.4.1. beschrieben.
125
http://www.jewishjournal.com/culture/article/grammy_nominated_pentatonix_arranger_a_loud
_voice_of_support_for_a_capella [13.04.2015]
126
Vgl. http://www.thebenbram.com/about/ [13.04.2015]
48
124
4. Die vokale Umsetzung des kontemporären Popsounds
anhand von drei Pentatonix-Arrangements
In Kapitel 4 dieser vorliegenden Arbeit soll nun anhand von drei spezifischen
Arrangements, gesungen von der A-cappella-Gruppe Pentatonix, nach dem
arrangiertechnischen Aspekt der Umsetzung des kontemporären Popsounds
analysiert werden. Hierbei wird jeweils ein Vergleich zwischen dem Original und
dem Cover von Pentatonix aufgestellt. Die Analyse soll sich neben einer
formalen Gegenüberstellung auch auf die Umsetzung von Melodie, sowie
Bassstimme, Vocal Percussion und Background-Vocals beziehen. Das Ziel
dieses Kapitels ist, herauszufinden, wie der Pop-Sound instrumental begleiteter
Songs auf drei reine A-cappella-Arrangements übertragen wurde, sodass diese
repräsentativ für eine neue A-cappella-Popkultur sind.
4.1. We are young
We are young ist ein Song der US-amerikanischen Band „Fun“, die bei diesem
speziellen Lied mit der ebenfalls US-amerikanischen Soul-und Funksängerin
JANELLE MONÁE kooperiert. Das Lied erschien 2011 und hielt sich wochenlang
ganz oben in den Hitparaden. In Österreich war We are young beispielsweise
im Jahr 2012 für drei Wochen auf Platz eins der Charts.127 Aufgrund der
eingängigen Komposition, die dem Konzept für zeitgenössischen Radio-Pop
entspricht und aufgrund dessen große Beliebtheit bei den Hörern und
Hörerinnen erfuhr, gewann der Song 2013 auch einen Grammy in den
Kategorien „Bester Song“ und „Newcomer des Jahres“.128
Aufgrund des großen internationalen Erfolges von We are young ist es mit
Sicherheit nicht verwunderlich, dass die A-cappella-Gruppe Pentatonix mit einer
127
Vgl.
http://www.austriancharts.at/showitem.asp?interpret=Fun%2E+feat%2E+Janelle+Mon%E1e&tit
el=We+Are+Young&cat=s [31.05.2015]
128
Vgl. http://www.spiegel.de/kultur/musik/grammy-awards-fuer-mumford-suns-fun-und-gotyea-882534.html [31.05.2015]
49
rein vokalen Version, arrangiert für vier Stimmen und Vocal Percussion, auf
diesen Trend aufspringen wollte. Pentatonix veröffentlichten ihre Version im
Jahr 2014, und zwar auf dem Album „PTX Vols 1&2“.
4.1.1. Formale Unterschiede zwischen Original und Coverversion
Zuerst soll nun eine formale Gegenüberstellung von Originalsong und Acappella-Arrangement erfolgen, damit danach genauer auf die Umsetzung von
soundspezifischen Elementen einer Popnummer eingegangen werden kann. Zu
Beginn lässt sich gleich erkennen, dass die beiden Versionen von We are
young vor allem im Bezug auf ihre Länge unterschiedlich sind. Die Version von
Fun dauert exakt 04:12 Minuten, während das Arrangement von Pentatonix mit
03:05 Minuten deutlich kürzer ausfällt. Dieser Unterschied macht sich auch an
der Form bemerkbar, wie folgende Tabelle zeigt:
Fun
Pentatonix
Intro
Verse 1
Verse 1
Verse 2
Verse 2
Prechorus
Prechorus
Chorus
Chorus
Verse 3
Chorus
Chorus
Verse 3
Bridge
Chorus
Chorus
Chorus
Outro
Bridge
Chorus
Chorus
Outro
Kurzum, in der Originalversion von Fun wird der Chorus bei jedem Auftreten
wiederholt,
während
Pentatonix
darauf
verzichtet.
Ebenso
das
Intro
unterscheidet die beiden Versionen: Bei Fun besteht das Intro aus vier Takten,
50
in denen ungleichmäßig betonte Achtelnoten, gespielt auf einer extra Floor Tom
vom Gitarristen der Band – möglicherweise zu Showzwecken - den Beat
vorgeben. Daraus ergibt sich ein rhythmisches Muster, das trotz der
durchgehenden Vierteln rein gefühlsmäßig den ungeraden Rhythmus 3+3+2
ergibt, wie die folgende Grafik unter Beweis stellt:
Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Songs sind die Tonarten, sowie
das Tempo. We are young von Fun wird in F-Dur gespielt, während Pentatonix
das Arrangement einen Halbton tiefer in E-Dur singt. Dies liegt wahrscheinlich
an den männlichen Gesangsparts, die in sehr hoher Lage ausgesetzt sind. Im
Bezug auf das Tempo und das allgemeine Feeling des Liedes wirkt Pentatonix‘
Version beschwingter, was sich durch den geshuffelten Rhythmus erklären
lässt. Die Achtelnoten bei Fun werden – zwar mit Akzenten, die ohnehin den
Eindruck anderer, komplizierterer Betonungen erwecken – immer gerade
gespielt. Damit dies nicht eintönig wird und der Chorus mehr Gewicht bekommt,
wird ab dem ersten Chorus das Anfangstempo deutlich verlangsamt. Das Intro
beginnt mit 116 Schlägen pro Minuten, gefolgt von 92 Schlägen ab dem ersten
Refrain. Diese Entwicklung ist auch bei Pentatonix zu beobachten, obwohl sich
die Tempi nicht exakt decken und in einem Vokalarrangement tendenziell
mehrere Schwankungen vorhanden sind. So beginnt Pentatonix mit einer
Schwankungsbreite von 100-107 Schlägen pro Minute in den Strophen, gefolgt
von einem Rubato-Prechorus. Im Refrain selbst scheint man sich sehr an das
Original angenähert zu haben, da die Tempi hier mit 94 Schlägen im Vergleich
zum Original fast deckungsgleich sind. Insgesamt bezieht sich diese Analyse
aber lediglich auf zwei explizit aufgenommene Versionen der beiden Gruppen –
es ist also möglich, dass bei Live-Auftritten die Tempi wieder von den oben
genannten Angaben abweichen, sofern die Gruppen nicht mit Klick spielen
beziehungsweise singen.
51
4.1.2. Vokale Umsetzung des Popsounds
An dieser Stelle muss hinterfragt werden, warum Fun gerade mit diesem Song
so erfolgreich war. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass die Instrumentierung des
Liedes sehr aussagekräftig für den Sound von kontemporärer Popmusik, die in
den kommerziellen Charts auftritt, ist. Das heißt, dass neben der im Pop
standardisierten Rhythmusgruppe, bestehend aus Klavier, Gitarre, Bass und
Schlagzeug, auch noch Platz für verschiedene Synthesizer-Sounds ist und
diese Zusammensetzung somit den Puls der Zeit widerspiegelt.
Werden Originalversion und Vokalarrangement von We are young miteinander
verglichen, so gilt für beide, dass die erste Strophe nur sehr spärlich
instrumentiert beziehungsweise vokal ausgesetzt ist. In der Originalversion
setzen nach dem eingangs erwähnten viertaktigen Intro zusätzlich zur Floor
Tom der Gesang und das Klavier ein. Letzteres spielt lediglich Flächen in Form
von Akkorden in Oktavlage, damit das harmonische Grundgerüst des Liedes
ausreichend definiert wird. Im Vergleich dazu beginnt das PentatonixArrangement nur mit drei Stimmen, nämlich Bass, Bariton und Beatboxing.
Diese Parts werden von den Sängern AVI KAPLAN, SCOTT HOYING und KEVIN
OLUSOLA übernommen. Das Besondere an diesem Arrangement ist der
veränderte Grundrhythmus, der nicht aus geraden Achteln besteht, sondern aus
punktierten. Dieser Rhythmus zieht sich anschließend durch das gesamte Lied.
52
Verse 2 ist eine Wiederholung von Verse 1 mit leichten melodiösen
Veränderungen. Im Original spielt das Klavier nun die Akkorde mit einfachen
Dreiklangszerlegungen im Übergang zwischen ein- und zweigestrichener
Oktave. Darüber hinaus steigt neben dem Einsatz der Floor Tom auch die
Snare Drum ein. Soundtechnisch klingt dieses instrumentale Arrangement sehr
leer, da die Bässe fehlen. Dies ist aber ein reines Stilmittel, damit der Chorus
deutlich herausstechen kann. Diese klangliche Leere in der zweiten Strophe
setzen auch die Sänger beziehungsweise die Sängerin von Pentatonix um. An
dieser Stelle steigen zwar die restlichen Stimmen ein, indem sie die Harmonien
zwischen Bassstimme und Leadstimme ergänzen und sich dabei mit Rhythmus
und Phrasierung an die Bassstimme anpassen. Dennoch wirkt dies nicht voll,
da die eng gesetzten, auf „dum dum“ gesungenen Background-Vocals einen
großen Abstand zwischen der etwas höheren Lage und der Bassstimme lassen.
Dies gibt dem Vokalarrangement auch aufgrund der an die lateinamerikanische
Musik angelehnten, punktierten Rhythmen einen leicht tänzelnden Charakter,
der rein instrumental umgesetzt wahrscheinlich nicht dem heutigen Klangideal
der Disco-Popmusik entsprechen würde. Die originale Instrumentierung wurde
in diesem Teil aber nicht exakt gleich realisiert, da die Zerlegungen des Klaviers
in gesungener Form wahrscheinlich einem zu balladenhaften Charakter
entsprechen würden.
Was den Prechorus betrifft, geht das Pentatonix-Arrangement dynamisch
zurück, da die Background-Stimmen lange Töne auf dem Vokal „u“ aushalten.
Außerdem
findet
hier
wie
eingangs
besprochen
eine
hörbare
Temposchwankung statt. Es ist anzunehmen, dass dieser Teil bewusst als
Rubato-Teil geführt wird, um danach den Chorus glänzen zu lassen. An dieser
Stelle wird auch der breite Stimmumfang des Basses AVI KAPLAN sehr
eindrücklich unter Beweis gestellt, da er am Ende des Prechoruses von einem
Fis der großen Oktave bis zum Kontra-H singt. Ebenso wird der Prechorus der
Originalversion dynamisch gesehen ruhiger, da die gesamte Percussion
aussetzt und reine Klavier-Flächen übrig bleiben. Im Gegensatz zu Pentatonix
geht hier das Tempo aber strikt durch. An dieser Stelle wurde die
Originalversion sehr realitätsgetreu vokal imitiert, da gesungene „u-Chöre“ wohl
am besten von einem Klavier gespielte Flächen repräsentieren.
53
Der anschließende Chorus geht stark auf, da bei Funs We are young an dieser
Stelle die gesamte Band einsetzt. Neben einem sehr auffälligen tiefen
Synthesizer-Bass kommt auch noch eine stark verzerrte E-Gitarre hinzu. Dies
bewirkt einen vollen Sound, der typisch für moderne Pop-Bands ist: minimale
Instrumentierung, die durch elektronische Sounds erst so richtig zur Geltung
kommt. Auch die Leadstimme klingt hier mächtiger, was dem angewandten
Chorus-Effekt zu verdanken ist. Das Klavier spielt Akkorde mit durchgehenden
Achteln in der zwei- und dreigestrichenen
Oktave,
die neben dem
schwermütigen Bass für den vorwärtsdrängenden Puls verantwortlich sind.
Diese durchgehenden Achteln werden bei Pentatonix von Sopran, Bariton und
Bass übernommen, die diese wieder auf „dum“ singen. Die Leadstimme
übernimmt hier MITCH GRASSI, der Tenor/Altus. Verglichen mit dem Original fehlt
die schwermütige Dominanz der lang ausgehaltenen Töne des Basses.
Dennoch geht der Refrain im Vokalarrangement vorwärts, da hier gerade
Achteln gesungen werden, begleitet von einem herkömmlichen Rock-Beat des
Beatboxers. Im Original wird der Refrain anschließend noch einmal wiederholt,
die Instrumentierung bleibt aber gleich.
Dynamisch gesehen baut die Originalversion mit dem Eintreten von Verse 3
nicht ab, da die volle Band bis ans Ende des vollständigen zweiten Refrains
weiterspielt. Pentatonix wechselt jedoch wieder auf den geshuffelten Rhythmus
– diesmal sind die Background Vocals melodiöser angelegt. Der Chorus ist hier
aber durch einen kleinen Break, der vor allem deutlich durch die Vocal
Percussion definiert wird, von der darauffolgenden Strophe abgegrenzt. Die
Leadstimme wird weiterhin vom Tenor/Altus übernommen. Der zweite Refrain
54
geht im Vokalarrangement dynamisch richtig auf, da ab der Eingangszeile mit
dem Text „Tonight we are young“ der gesamte Refrain dreistimmig ausgesetzt
ist.
In der Bridge des Liedes kommt in der Version von Fun die Sängerin JANELLE
MONÁE zum Einsatz, die von unisono gesungenen Backgroundstimmen mit „na
na“ begleitet wird.
Bei Pentatonix ist die sechzehntaktige Bridge in zwei Teile gegliedert, nämlich
in einen Teil mit geraden Achteln und einen mit punktierten. In den ersten acht
Takten übernimmt die Sopranistin KIRSTIE MALDONADO die Hauptstimme,
während der Bass AVI KAPLAN durch seine in ihrem Klang dominante Stimme
das harmonische Gerüst manifestiert. In Takten 5-8 der ersten achttaktigen
Phrase übernimmt er rein harmonisch gesehen hier nur die Grundtöne, der
Unterschied liegt jedoch bei der Vokalisierung der Töne: Kaplan singt ebenfalls
durchgehende Achteln, jedoch auf den Silben „n-de“. In tiefer Lage gesungen,
verstärkt er damit die Betonungen des Disco-Beats des Beatboxers, indem sich
der Klang des „n“ einer Bass Drum und der des „de“ an einen präzisen SnareKick annähert. Dieses Prinzip sieht in notierter Form folgendermaßen aus:
In den zweiten acht Takten der Bridge kommt bei Penatonix die oben erwähnte
Backgroundstimme vor, allerdings ändert sich das Grundfeeling wieder, da
punktierte Achteln gesungen werden. Der Bass wechselt von geraden Achteln
auf den jeweiligen Grundtönen wieder auf eine Latin-Basslinie, die sich aus der
55
Kombination Grundton-Quint-Oktave zusammensetzt. Die Backgroundstimme
ist hier zweistimmig, gesungen von GRASSI und MALDONADO. Über diese von
Stimmen imitierte Latin-Band werden noch die Leadvocals hinzugefügt, indem
der Bariton SCOTT HOYING seine Ad-Libs darüberlegt.
In der Originalversion von Fun folgt der lauten und aufgrund der vielen
Backgroundvocals interessanten Bridge ein leiser Refrain, wie sich schon
anhand der Instrumentierung erkennen lässt. An dieser Stelle steigt das Klavier
mit den dominant durchgehenden Achteln in hoher Lage erstmals aus, wodurch
die gesamte Aufmerksamkeit auf der Stimme liegt. Begleitet wird diese vom
Schlagzeug-Groove und im Hintergrund ist ein sehr leiser Synthesizer-Klang zu
hören, der die Akkorde als Flächen legt. Diese heruntergeschraubte Lautstärke
des Synthesizers hat keine primäre harmonische Funktion, sondern ist vielmehr
dazu da, dass für den Zuhörer und für die Zuhörerin in ihren subjektiven
Wahrnehmungen kein Loch entsteht, sondern die Intensität des Liedes
fortgeführt wird. Im zweiten Refrain setzt die gesamte Band wieder wie gehabt
ein, was noch einmal zu einem letzten dynamischen Höhepunkt im Lied führt.
56
Ebenfalls im Arrangement von Pentatonix ist der letzte Chorus ein eindeutiger
Höhepunkt. Wie schon bei den vergangenen Malen laufen die Achtelnoten
wieder gerade durch, auch die von Sopran, Altus/Tenor und Bariton gesungene
dreistimmig ausgesetzte Leadstimme bleibt gleich wie beim zweiten Chorus.
Die Besonderheit stellen hier die Kombination aus Bassstimme und Beatboxing
dar. Im letzten Refrain bedient sich KEVIN OLUSOLA einer komplett neuen
Stilrichtung: Vor allem die ersten Takte sind geprägt von Dubstep-Elementen,
die beim Zuhörer und bei der Zuhörerin ein gewisses Halftime-Feeling
auslösen. Während der Gesang wie gewohnt durchläuft, verschärfen die Breaks
von Bass und Beatboxer in Takt 5 des letzten Refrains diesen noch einmal,
indem die vokal imitierte Bass-Drum sowie der vokal imitierte Synthesizer-Bass
nicht auf dem ersten Schlag präsent sind, sondern erst am zweiten einsetzen.
Diese Technik ist ein Indikator dafür, dass hier sehr erfolgreich versucht wird,
den modernen Popsound umzusetzen. Dubstep- und Disco-Beats sind rein vom
perkussionistischen Blickwinkel aus sehr gern verwendete Grooves.
Das Outro des Songs wurde im Vokalarrangement sehr ähnlich wie im Original
umgesetzt. Bei Pentatonix wird die Leadstimme in einem homophonen Satz
begleitet, der Beatboxer setzt für
diesen Teil aus, damit nach dem
rhythmischen Feuerwerk im letzten Chorus der Bruch zum getragenen, ruhigen
Outro noch deutlicher wird. Bei Fun wird der Sänger im Outro lediglich vom
Klavier begleitet, das ohne große Bewegungen der Hauptstimme simple
gehaltene Akkorde unterlegt. Einzig an der harmonischen Fortschreitung
unterscheiden sich die beiden Versionen, wie die Notenbeispiele zum Ausdruck
bringen:
57
Im Arrangement von Pentatonix nimmt der Bass zum Schluss eine andere
Wendung. Anstatt in Takt vier auf der ersten Stufe zu verharren, geht die
Bassstimme auf G#m, also auf die II. Stufe und danach anstatt auf die V. auf die
III. Stufe. Außerdem wird am Beginn des Outros die Melodie etwas verändert:
Bei Fun steigt der Sänger mit einer Quart ein, während bei Pentatonix nur eine
große Terz gesungen wird, da sich dies dem harmonischen Rahmen besser
fügt.
Abschließend ist es wichtig zu bemerken, dass in diesem Arrangement sehr
viele Aspekte, die den modernen Popsound prägen, vokal umgesetzt sind: So
sind beispielsweise auch die Leere zwischen Oberstimmengesang und
wuchtigem Synthesizer-Bass sowie gängige Beats der Popmusik zu finden.
Damit die Originalnummer nicht gänzlich gleich gecovert wird, wechselt
Pentatonix zeitweise die Stile und bietet somit ein abwechslungsreiches
Hörerlebnis.
58
4.2. Can’t hold us
Can’t hold us ist ein erfolgreicher Popsong des US-amerikanischen Hip-HopDuos „Macklemore & Ryan Lewis“. Mit diesem Hit, der 2012 veröffentlicht
wurde, erklommen sie im Jahr 2013 auch die österreichischen Charts, wo sie
den dritten Platz einnahmen, sich dort aber lediglich eine Woche aufhielten. In
Australien beispielweise war der Song noch viel beliebter – Can’t hold us
verharrte dort für 25 Wochen auf Platz eins.129 Pentatonix hat von diesem Lied
sehr bald ein Cover veröffentlicht, nämlich wurde der Song Teil ihres neuesten
Albums „PTX Vol. III“, das 2014 erschien.
4.2.1. Formale Unterschiede
Die Versionen von Can’t hold us sind beide in der gleichen Tonart, nämlich in EMoll. Im Bezug auf das Tempo gibt es kaum Unterschiede, denn bei Pentatonix
beläuft sich das Tempo auf 144 Schlägen pro Minute und bei Macklemore &
Ryan Lewis auf 146 Schlägen pro Minute. Beide Versionen erklingen für den
Großteil des Liedes im 4/4-Takt, bei Pentatonix beginnt der Song jedoch im 6/8Takt.
Im Bezug auf die Länge und den Aufbau des Stücks lassen sich die wohl
eindeutigsten Unterschiede feststellen: In der Originalversion, in der die
Strophen lediglich aus Rap bestehen, wird neben den Background Vocals nur
der Refrain gesungen. Macklemore & Ryan Lewis inkludieren in ihr
Arrangement des Liedes auch eine Brassband, die in der Bridge - wie später
näher beschrieben – eine wichtige Rolle einnimmt. Insgesamt ist das
Pentatonix-Arrangement mit 03:17 Minuten kürzer als die Orginalversion mit
04:18 Minuten. Der Grund dafür liegt darin, dass Pentatonix nicht alle Strophen
übernimmt, wie der tabellarische Vergleich anschließend beweist:
129
Vgl.
http://austriancharts.at/showitem.asp?interpret=Macklemore+%26+Ryan+Lewis+feat%2E+Ray+
Dalton&titel=Can%27t+Hold+Us&cat=s [01.06.2015]
59
Macklemore & Ryan Lewis
Pentatonix
Intro 1 (4+4 Takte)
Intro Chor
Intro 2 (8 Takte)
Verse 1
Verse 1 (jeweils 8 Takte)
Verse 2
Verse 2
Verse 3 (= Verse 4)
Verse 3
Chorus
Verse 4
Chorus
Verse 5
Verse 4 (= Verse 6)
Chorus
Verse 5 (= Verse 8)
Chorus
Chorus
Verse 6
Chorus
Verse 7
Bridge (16 Takte)
Verse 8
Chorus
Chorus
Chorus Halftime
Chorus
Interlude (16 Takte)
Bridge (16 Takte)
Chorus
Chorus
Die Strophen in der Originalversion bestehen hauptsächlich aus einem Rap,
deshalb sind sie nicht immer deutlich voneinander abzugrenzen. Da sich aber
an der Instrumentierung nach allen 8 Takten etwas ändert, wurden nun die
einzelnen Strophen mit einer Länge von 8 Takten festgelegt. Auch im
Vokalarrangement umfasst eine Strophe die gleiche Anzahl an Takten, wie sich
ebenfalls beispielsweise anhand von Stimmwechseln oder veränderten
Background-Chören erkennen lässt. Gleichzeitig ist die Version von Pentatonix
im Bezug auf seine Form viel einfacher gegliedert als das Original: Das Intro ist
insgesamt kürzer und auch deutlicher als solches zu erkennen, die Anzahl an
Strophen wurde verringert, sowie der Break-Down in Form eines Interludes,
gespielt von tiefen Blechblasinstrumenten wie Posaune und Tuba, fehlt.
Dennoch ergibt sich bei Pentatonix insgesamt ein rundes Arrangement, das
gerade bei diesem Lied den Popsound einer Dance-Nummer ausgezeichnet in
60
rein vokaler Form, mit etwaigen technischen soundgestalterischen Mitteln,
imitiert.
4.2.2. Vokale Umsetzung des Popsounds
Das Intro beginnt im Vokalarrangement von Pentatonix mit einem dreistimmigen
Chor mit Gospelsound, bei dem später auch die vierte Stimme des Basses
einsetzt. Dieses Chor-Intro steht als einziger Teil des Arrangements im 6/8Takt. Damit dieser Beginn aber nicht zu sehr der klassischen Chormusik
zuzuordnen ist und damit am Genre von A-cappella-Pop vorbeigeht, ist dieses
Intro deutlich mit einem großen Maß an Hall und dem Chorus-Effekt
nachbearbeitet. In der Transkription der Noten lässt sich dies freilich nicht
erkennen, doch diese zeigen etwas anderes – nämlich wie der Aufbau schon
von Beginn an kontinuierlich zunimmt, indem der Bass erst 4 Takte später
einsteigt und aufgrund dessen ein Effekt der Steigerung eintritt:
61
In der Originalversion von Can’t hold us wird lediglich in den ersten vier Takten
des Intros das Klavierpattern, das anschließend im gesamten Lied immer
wiederkehrt, solistisch vorgestellt. Dieses Intro folgt aber dem gleichen Tempo
und der gleichen Taktart wie der Rest des Liedes – der dynamische Aufbau
erfolgt also rein durch eine veränderte Instrumentierung.
Dieses Pattern wird ebenfalls von Pentatonix gleich in Verse 1 übernommen.
Während der Bariton SCOTT HOYING den Rap-Teil übernimmt, werden die
Background Vocals von Sopran, Altus/Tenor und Bass übernommen. Die Vocal
Percussion ist für den Uptempo-Beat verantwortlich. In Verse 2 des A-cappellaArrangements wird der Rap mehrheitlich gesungen, falls dies nicht der Fall ist,
übernimmt die Sopranistin KIRSTIE MALDONADO die Rap-Teile mit dem Text „My
posse’s been on Broadway, and we did it our way“ und „everything I record to it
and yet I’m on“. An diesen Stellen singen die Männer das Klavierpattern des
Originals. Da es in berühmten kontemporären Popsongs üblich ist, die Strophen
aufgrund des dynamischen Aufbaues anders zu instrumentieren, kommt in der
Originalversion von Can’t hold us in der zweiten Strophe eine SynthesizerMelodie dazu, die jedoch in Verse 3 wieder weggelassen wird. Pentatonix
erreicht diesen dynamischen Aufbau durch mehrstimmigen Gesang.
Auffällig ist hingegen die Gestaltung von Verse 3 im Vokalarrangement. Hierbei
wird ein Teil der Originalversion vorgezogen, der dort erst in Verse 4 hörbar
wird. Da in der Version von Pentatonix Verse 4 gestrichen wurde, ist es
nachvollziehbar, dass sie diese Linie schon in der dritten Strophe verwenden,
um dem Original möglichst treu zu bleiben. Diese Linie wird bei Pentatonix
lediglich als Background in den ersten vier Takten der dritten Strophe
verwendet, während der Bariton SCOTT HOYING wieder den Rap übernimmt:
62
Diese Linie wird in Begleitung des Beatboxers ausschließlich unisono
gesungen, wobei der Bass AVI KAPLAN wieder eindrücklich seine tiefe
Bassstimme präsentiert, da er erneut ein Kontra-H singt. Um einen
fortschreitenden dynamischen Aufbau zu gewährleisten, werden die übrigen
vier Takte des Vokalarrangements wieder auf der oben notierten Melodielinie
vierstimmig ausgesetzt. Dabei behält der Bassist seine Lage, wodurch eine
fulminante Steigerung entsteht, wie folgendes Beispiel beweisen soll:
Der Sound des Originals wird hier vor allem durch eine übermäßige
Verwendung
von
Hall
angenähert.
Es
ist
anzunehmen,
dass
die
Backgroundstimmen auch gedoppelt wurden, da ein solch mächtiger Klang –
wenn auch im Hintergrund – durch lediglich vier Stimmen in der Praxis nicht
zustande kommt.
Im darauffolgenden Chorus wird in der Originalversion von Macklemore & Ryan
Lewis unüblicherweise auf eine üppige Instrumentierung verzichtet. Hier stehen
hauptsächlich die Hauptstimme und das oben abgebildete wiederkehrende
Klavierriff im Vordergrund. Im ersten Teil des Refrains stehen Gesang und
Klavier für sich alleine. Erst in der Wiederholung des Chorus setzen eine
63
prägnante Synthesizer-Stimme, die als Kontrapunkt zu den Leadvocals
gehandelt werden kann, und der durchdringende Synthesizer-Bass ein. Da die
kontrapunktische Gegenlinie im Vokalarrangement in ihrer gesamten Form nie
Platz findet, ist sie deshalb auch in dieser Analyse nicht von Bedeutung. Auch
Pentatonix versuchen mit einem im Vergleich zu Verse 3 schlicht gehaltenen
Chorus, die Gegebenheiten der Originalversion umzusetzen. Dabei wird die
Hauptstimme vom Sänger SCOTT HOYING übernommen, während Bass und
Vocal Percussion durchgehend im Einsatz sind. KIRSTIE MALDONADO und MITCH
GRASSI übernehmen an dieser Stelle die Background-Vocals, in dem sie in den
ersten beiden Takten des Refrains nur den jeweils ersten Schlag eines Taktes
mit einer dreistimmigen Fassung der gesungenen Silbe unterstützen. Als
beispielhaft für den Popsound der Originalversion muss hier die Basslinie von
AVI KAPLAN genannt werden, die sich wie folgt aufbaut:
Im vorangegangenen Notenbeispiel sollen vor allem die Glissandi am Ende
einer viertaktigen Phrase auffallend sein: Diese stehen nämlich für ein Element,
das in der Originalversion von Can’t hold us sowie in zahlreichen anderen
modernen Popnummern gern gesehen ist. Der aufsteigende Ton bringt eine
animierende Funktion mit sich, indem – auch für ein Tanzpublikum - signalisiert
wird, dass ein ständiger Aufbau passiert. Wird besagtes Stilmittel Bestandteil
eines Vokalarrangements, weist dies auf eine direkte Verbindung zur Imitation
erfolgreicher Elemente des modernen Disco-Pops hin. So gesehen weist
Pentatonix eine dementsprechend nähere Verbindung zur instrumentalen
64
Popmusik auf, als es herkömmlichen A-cappella-Gruppen wohl dem Bereich
des Chorgesangs zuzuschreiben wäre.
Verse 4 des Vokalarrangements wurde der entsprechenden Strophe des
Originals sehr gut angenähert: In letzterem wird der Rap lediglich mit einer
tiefen Synthesizer-Stimme, die eine Bassfunktion aufweist, sowie mit einem
durchgehenden Viertel-Beat begleitet. Dies setzen auch Pentatonix um, indem
der Rap von MITCH GRASSI lediglich von Beatbox und Bass begleitet werden.
Die Bassmelodie ist hierbei aber nicht die des Originals, sondern beschränkt
sich lediglich auf die Grundtöne und hat eine Stütze der Vocal Percussion zum
Zweck.
Interessanterweise
kommt
im
Original
aber
immer
in
den
verschiedensten Teilen eine spezielle Synthesizer-Melodie vor, die im
Arrangement von Pentatonix nicht enthalten ist:
Diese Linie ist in der Originalversion in verschiedenen Lagen wiederkehrend,
beispielsweise in Verse 2, Verse 4, in der Wiederholung des ersten Refrains,
sowie
im
gesamten
zweiten
und
dritten
Refrain.
Im
gesamten
Vokalarrangement wird diese Linie jedoch nicht berücksichtigt. Ein Grund dafür
könnte der weite Tonumfang dieser Melodie sein, da in einem Vokalensemble
jedes Mitglied einen bestimmten Umfang abdeckt. Die oben angeführte Melodie
mit
dem
Umfang
von
einer
Sextdezime
würde
allzu
drastische
Stimmkreuzungen verursachen, sodass die stimmliche Ausgewogenheit
darunter leiden würde.
Ein typischer Hinweis auf die Umsetzung eines instrumentalen Merkmales des
Disco-Pops, dem Can’t hold us zuzuordnen ist, ist der Breakdown nach dem
zweiten Chorus. Hierbei setzt der Beatboxer mithilfe einer imitieren Bass-Drum
im Kombination mit dem Sound „ssh“ einen deutlichen Schluss, sodass dem
65
Zuhörer nicht klar ist, ob das Lied schon zu Ende ist. Die anschließende Bridge
besteht wie im Original aus 16 Takten und aus einer einfachen, auf „na-na“
gesungenen Melodie, wie das Notenbeispiel zeigt:
Die Bridge ist in vier jeweils viertaktige Phrasen gegliedert, wobei immer die
ersten beiden Takte aus der oben abgebildeten Melodie bestehen. Die
restlichen beiden Takte einer Phrase werden mit Ad-Libs aufgefüllt. Ab der
dritten Wiederholung der Phrase wird diese vierstimmig ausgesetzt, was eine
dynamische Aufwertung mit sich bringt. Diese mehrstimmige Fassung setzt sich
wie folgt zusammen:
In der Studioversion der Aufnahme von Pentatonix ist hier bemerkbar, dass die
Stimmen an dieser Stelle unterschiedlich laut sind. Der Bass, der ebenfalls die
Hauptstimme singt, doch nur um eine Okave tiefer als in einem normalen
Chorarrangement üblich, klingt deutlich lauter als die anderen Stimmen. Dies
scheint angesichts des Originalklangs in der instrumentalen Version absichtlich
so gesteuert worden zu sein, da die Bassstimme in der heutigen MainstreamPopmusik immer im Vordergrund steht. Die Tatsache, dass der Bass zusätzlich
in sehr tiefer Lage die Hauptstimme singt, unterstützt diesen Aspekt noch
66
einmal. Daneben geht die Vocal Percussion ab der dritten Phrase ebenfalls zu
ihrer
Höchstform
auf,
da
neben
durchgehenden
Viertelnoten
auch
anspruchsvolle Fills zu hören sind. Der durchgehende Viertel-Beat, der rein
vom Sound her an sogenannte „Claps“ erinnert, die vor allem in elektronischer
Popmusik weit verbreitet sind, wirkt sehr vorantreibend und animierend, obwohl
sich am objektiv gemessenen Tempo hier nichts ändert.
Der allerletzte Chorus ist im Vokalarrangement von Pentatonix rein stilistisch
wieder anders als im Original, da in der vokalen Version der Beat verändert
wird. Wie in der vorangegangenen Analyse von We are young kommt wieder
ein Halftime-Chorus als variierendes Element hinzu. Durch die Betonungen der
Bassstimme erinnert der letzte Chorus wieder sehr stark an Dubstep, der in
Mainstream-Popmusik gerade sehr weit verbreitet ist.
Allgemein ist an dieser Stelle zu sagen, dass das Vokalarrangement von Can’t
hold us viele einzelne Teile aus der Originalversion von Macklemore & Ryan
Lewis aufgreift, jedoch kommen diese Elemente – gemessen an der jeweiligen
Form des Liedes – nicht an der gleichen Stelle wie im Original zum Einsatz.
Aufgegriffen wurden in der Version von Pentatonix mit Sicherheit die Elemente,
die am leichtesten vokal umsetzbar sind, und anschließend flexibel miteinander
kombiniert, sodass das Cover noch möglichst originalgetreu klingt.
4.3. Daft Punk
Das dritte Arrangement, das im Analyseteil dieser Arbeit genauer betrachtet
wird, ist ein ganz besonderes: Wie schon in Kapitel 3.4.1. erwähnt, bekam
Pentatonix für ihren Song Daft Punk einen Grammy-Award für das beste
Arrangement verliehen, wobei der Songtitel vielmehr für einen Bandnamen, als
für ein Cover eines spezifischen Songs steht. Daft Punk ist eine französische
Elektro-Band, bestehend aus GUY DE HOMEM-CHRISTO und THOMAS BANGALTER.
67
Sie gehören zu den Wegbereitern des modernen Disco-Sounds und feierten
speziell in den 1990er- und frühen 2000er Jahren große Erfolge.130
Zum Entstehungsprozess verfasste der hohe Tenor/Altus der Gruppe, MITCH
GRASSI, einen kurzen Artikel auf dem Onlineportal der Grammy-Awards. Darin
beschreibt er, dass die Auswahl der Daft Punk-Lieder rein nach eigenem
Ermessen und Favorisieren entstand. Sobald die Auswahl an Songs feststand,
bastelten sie an einer geeigneten Zusammensetzung für ein Mash-up mit dem
Ziel, den Fluss zu erhalten. Diese lose Struktur begann erst langsam mit dem
genauen Arrangieren der einzelnen Stimmen zu wachsen:131
„Once we had the order of the songs, we chose keys for each soloist,
and then arranged to transition seamlessly from one song to the next.
We’ve found that tight three-part harmonies make the track seem a lot
fuller. Amping up the low end of the bass and capturing all the
discrepancies of the percussive elements really helped, too. Toward the
end of the process, we filled in holes and tweaked otherwise ineffective
musical moments and nuances. The only difficulty we had with arranging
the songs was making them less simplistic and more complex. Dance
music is notoriously hard, in my opinion, to cover with just voices.”132
Wie diese eng geführten Stimmen in der Praxis gesetzt wurden und welche
klangverändernden Maßnahmen, die den elektronischen Disco-Pop realistisch
imitieren, vorgenommen wurden, soll im Anschluss wieder anhand von
zahlreichen Beispielen geklärt werden.
4.3.1. Formale Umsetzung
Bei Daft Punk von Pentatonix handelt es sich um ein Mash-up, bei dem im
Gegensatz zu einem Medley auch Melodien und Songs miteinander kombiniert
werden, von berühmten Hits der tatsächlichen Band, nämlich Technologic, One
More Time, Get Lucky, Digital Love; Harder, better, faster, stronger, Television
Rules the Nation, und Around the World. Das Mash-up wird wie folgt
zusammengesetzt:
130
131
132
Vgl. http://www.rollingstone.com/music/artists/daft-punk/biography [06.06.2015]
Vgl. http://www.grammy.com/news/the-making-of-pentatonixs-daft-punk [06.06.2015]
ebda
68
Lied
Taktanzahl
Technologic (Intro)
16 Takte
One More Time
8 Takte
Get Lucky
27 Takte
Digital Love
20 Takte
One More Time
8 Takte
Harder, Better, Faster,
16 Takte
Stronger
Television
8 Takte
One More Time
8 Takte
Get Lucky und One more
24 Takte
Time überlappend
Insgesamt dauert das Arrangement von Pentatonix, das angesichts der Vielzahl
an verwendeten unterschiedlichen Melodien nicht mehr als Cover zu
bezeichnen ist, 4:55 Minuten. Dieses ist von allen in dieser Arbeit analysierten
Vokalarrangements eindeutig das längste.
4.3.2. Vokale Umsetzung des Popsounds
Im ersten Abschnitt von Daft Punk, der durch den Originaltitel Technologic
eingeleitet wird, ist eine äußert prägnante rhythmische Phrasierung bemerkbar.
Durch eine recht enge Stimmführung hat dies einen roboterähnlichen
Charakter, was wiederum das Konzept der Originalband sehr eindrucksvoll
widerspiegelt, wie aus der untenstehenden Abbildung der letzten vier Takte des
Intros deutlich hervorgeht. Gleich zu Beginn ist erkennbar, dass die jeweiligen
Stimmen mit Effekten versehen wurden. Dank der guten Produktion dieses
Liedes sind entweder Auto-Tune oder Melodyne zwar nicht hörbar, jedoch
wurden die Einzelstimmen mit Sicherheit verändert und stark mit Kompressor
nachbearbeitet, da jeder einzelne Akkord selbst in diesem schnellen Tempo
sofort einrastet. Durch die enge Stimmführung und die Nachbearbeitung der
69
Stimmen selbst entsteht ein sphärischer Klang, der den von Synthesizern
besetzten Sound der Originalband sehr gut imitiert.
Im Get Lucky-Teil des Mash-ups singt der Bass AVI KAPLAN eine für Disco-Pop
typische synkopische Basslinie, die das Arrangement nach einem überwiegend
homophon ausgesetzten Teil gefühlsmäßig deutlich vorantreibt. Würde diese
Basslinie unplugged gesungen werden, hätte dies bestimmt nicht den gleichen
Effekt wie mit Hilfe von technischen Hilfsmitteln. Wie MITCH GRASSI im
70
Statement zu Beginn zitiert wurde, unterliegen die Basslinien einer maximalen
Verstärkung, und folgende Passage ist ein deutliches Beispiel hierfür:
Die rhythmische Komplexität dieser Basslinie unterstreicht zudem den hohen
Professionalitätsgrad des Basses AVI KAPLAN. Generell muss hier auch
angemerkt werden, dass mit dem Eintreten von Get Lucky innerhalb des Mashups auch die Tonart verändert wird: Der Beginn von Daft Punk steht in D-Dur,
während an der erwähnten Stelle nach Fis-Moll gewechselt wird. Dies
geschieht, indem die Background-Stimmen zuvor auf einem F#m7-Akkord
stehen bleiben und dieser dann zu einem grundständigen Akkord wird, indem
die Hauptstimme, gesungen von SCOTT HOYING, auf diesen aufbaut.
Im Get-Lucky-Teil kommt auch noch ein anderes Element aus dem Disco-Pop
sehr eindrucksvoll zum Vorschein. Hier werden nämlich rein vokal Scratches
imitiert. Einerseits wird dies im Arrangement durch simple Wiederholungen von
Wörtern durchgeführt, andererseits sind aber wieder technische Feinheiten
ausschlaggebend für die präzise Ausführung sowie an die maximale vokale
Annäherung an echte Scratches. Die gesungenen Akkorde wirken hier wie
abgeschnitten, da die Töne in jeder Stimme exakt gleich lang ausgehalten
werden und ebenso abrupt enden. Nichts desto trotz soll das folgende
Notenbeispiel einen Eindruck vermitteln, wie solche Scratches notiert werden
können:
71
Um den Eindruck von echten Scratches zu vermitteln, werden auch die
Konsonanten zur Hilfe genommen, die dann auch noch in der Studioversion
hervorgehoben werden. Die Verbindung der Wörter „to get“ vermittelt schon rein
auf onomatopoetischer Ebene den Klang eines Scratchs. Durch eine
übertriebene Aussprache, beziehungsweise Betonung der Buchstaben „t“ und
„g“ wird dieser Klang noch intensiviert.
Ein weiterer interessanter Abschnitt von Daft Punk ist der Teil bestehend aus
dem Daft Punk-Original Harder, Better, Faster, Stronger. Hierbei wird die im
Original von einem Synthesizer gespielte Melodie auf alle vier Stimmen
solistisch aufgeteilt. Diese schnellen Wechsel passieren im Abstand von einem
oder zwei Schlägen.
72
Um den unterschiedlichen Klang von Bass, Bariton, Tenor/Altus und Sopran
ausgleichen zu können, wird hier als soundgestalterisches Mittel ein Vocoder
eingesetzt, der die Stimmen zu einem gewissen Maße verzerrt. So bekommt
zumindest jede Stimme, egal ob hoch oder tief, männlich oder weiblich, den
gleichen Effekt aufgedrückt, sodass diese schnellen Übergänge auch im
Vokalarrangement als durchgehende Melodie wahrgenommen werden können.
4.4. Fazit
Generell ist auffallend, dass bei Pentatonix alle Studioaufnahmen mit den
gleichen klangtechnischen Voreinstellungen, so wie einem großen Maß an Hall
und einem durchdringenden Bass, aufgenommen wurden. Sie folgen immer
dem Muster von einem außergewöhnlich ausgereiftem Beatboxing, einem
durch seinen großen Stimmumfang überzeugenden Basssänger und einem
perfekt zusammenklingenden Oberstimmenchor. Die Tatsache, dass der
Oberstimmenchor in dieser Formation aus einer Frau und zwei Männern einem Sopran/Mezzosopran, einem Altus/Tenor sowie einem Bariton - besteht,
anstatt
dem
aus
der
klassischen
Chormusik
allseits
bekannten
Oberstimmenchor in der Aufteilung Sopran-Mezzosopran-Alt, bestärkt das
Konzept von Pentatonix. Auch die ausgereifte stimmliche Performance der
Mitglieder trägt einen wesentlichen Teil dazu bei.
Bemerkenswert ist, dass dieser dreistimmige Oberstimmenchor vorwiegend an
dynamischen Höhepunkten, unabhängig ihrer Bandbreite an Arrangements und
Coverversionen eingesetzt wird, und somit gleichzeitig als aufgrund der
Stimmenkonstellation begrenzte Möglichkeit angesehen werden kann. Dies ist
aber auch positiv zur Kenntnis zu nehmen, da - umgemünzt auf die instrumental
begleitete Popmusik – jede Band versucht, ihren eigenen Stil durch eine
durchgehende Linie zu präsentieren. Daher ist Pentatonix ein sehr gutes
Beispiel für eine dem kontemporären Popsound zugeneigte A-cappella-Gruppe,
die dadurch beweist, mit Bands rein sound- und arrangementtechnisch
mithalten zu können.
73
5. A-cappella: Hinter den Kulissen
Im letzten Kapitel dieser Arbeit soll erörtert werden, welche Maschinerie hinter
erfolgreichen A-cappella-Gruppen steckt und wie sich derartige Formationen
heutzutage in der Öffentlichkeit präsentieren. Zu diesem Zweck sollen zwei
Interviews, einerseits aus Künstlersicht und andererseits aus der Sicht eines
Managers, Aufschluss darüber geben, wie in der europäischen A-cappellaSzene gearbeitet wird. Im ersten Interview spricht HANNU LEPOLA, der Tenor der
professionellen finnischen A-cappella-Gruppe „Rajaton“, sowohl über seinen
persönlichen Alltag im A-cappella-Business als auch über seine individuelle
Einschätzung von Pentatonix. Das zweite Interview wurde mit dem Deutschen
PETER MARTIN JACOB, dem Agenturchef der deutschen A-cappella-Agentur
„magenta“, geführt. Bei dieser Agentur sind beispielsweise erfolgreiche und
bekannte A-cappella-Formationen wie „Maybebop“ oder „ONAIR“ unter Vertrag.
5.1. Die Sicht eines Künstlers
HANNU LEPOLA ist bereits seit 1998 Mitglied
der 1997 gegründeten finnischen A-cappellaGruppe Rajaton. Er studierte Gesang am
„Jazz & Pop Conservatory“ in Helsinki.
Gemeinsam mit seiner Gruppe Rajaton hat er
bereits 13 Alben veröffentlicht und weltweit
bereits über 400.000 Alben verkauft. Weit
über ihre Heimat Finnland hinaus ist die
sechsköpfige A-cappella-Gruppe, bestehend
aus drei Frauen und drei Männern, für ihre
Wandlungsfähigkeit bekannt, indem sie mit
Abbildung 4: Hannu Lepola
ihrem weitreichenden Repertoire klassische
74
Vokalkunst und Mainstream-Pop verbinden. Rajaton kollaborierte schon mit
anderen hochkarätigen Gruppen aus der A-cappella-Szene, unter anderem den
„King’s Singers“ oder „The Real Group“.133
Im folgenden Teil spricht Hannu Lepola über die Arrangements von Rajaton, Acappella-Castingshows und Mainstream-Vokalmusik. Dabei wird entsprechend
dem Thema der Diplomarbeit immer wieder die Gruppe Pentatonix für
Vergleiche herangezogen.
5.1.1. Interview mit Hannu Lepola von Rajaton
Who is arranging for Rajaton and is there a relation between covers and
originals in your group?
Jussi (Anmerkung: Jussi Chydenius, Bass) has written the most, especially in
the beginning. I mean, this group was founded for his compositions. He had
songs and he needed somebody to sing them. So that’s what it started for. But
later on, also Soila (Anmerkung: Soila Sariola, Alt) has written lots of original
songs for us. Also, I myself wrote originals and cover arrangements. But usually
we sing like 20% covers and 80% originals. Of course, we have a Mia
Makaroff134 who has written lots of originals.
For example, Pentatonix has arrangers from elsewhere. What do you
personally think about that?
Well, for us it’s usually easier to write them ourselves because you know the
group so well and when we get arrangements from outside the group, like from
Mia Makaroff, we usually have to do lots of changes to make them fit for us.
Every now and then we have sung arrangements from elsewhere, but these
days this happens very rarely.
133
Vgl. http://www.rajaton.net/en/biography/group/ [08.06.2015]
Mia Makaroff ist eine finnische Komponistin und Arrangeurin, aus deren Feder
beispielsweise Rajatons berühmtes „Butterfly“ stammt.
134
75
Do you think it’s typical for mainstream A-cappella-groups that they get
their arrangers from somewhere else?
In my experience, the groups that I have met tend to write their arrangements
themselves, but they usually cover songs. Original songs in that genre are very
rare and there is “The Real Group” who sings their own stuff and that’s about it.
Do you arrange for a certain target audience?
No, we arrange for the group because you have to love what you do in order to
make it work. Also, we as a group have a very clear idea of what is Rajaton. All
of us, we have a very different personal musical taste, but when it comes to
Rajaton, we have a very clear idea what’s good for Rajaton, for example what
kinds of songs we need. In our group, of course, we write for the group, for
these six singers.
What is it like to have A-cappella as a job? What is the best way to get
there?
It’s a very unusual job, so you get used to it and I always have to remind myself
how lucky I am. Well, you just have to be very good and then you have to be
original and do your own stuff. Especially in our case, our strength is touching
people on an emotional level. So it’s not just a technical performance, but you
also need emotion.
Do you agree that also European A-cappella groups mainly base on the
classical choral scene other than soloists randomly singing together?
With our group this is definitely the case because we started as a choral group,
so to say, we were just singing acoustically in a semi-circle and didn’t have
much of a show. We’re just focusing on the music and we still love to do that.
Do you think that casting shows are a positive thing for the choral
community?
Yes, I would say so. I think that when an artist or a group wins such a show,
they have a lot of work to do in order to gain respect from the choral community.
I would really love to have such a show in Finland, but there is obviously a small
market and there might not be enough groups that are good enough, other than
76
in America. They have a lot of college a-cappella. But I think all publicity is good
publicity for the genre.
Do casting shows have an influence on an A-cappella group, concerning
their rising and fading fame?
I could be a kick-off for a group, like our kick-off was when we won a
competition. We won a vocal ensemble contest in Tampere, Finland, in 1999.
And that’s how we started getting gigs abroad. That was the starting point of our
international career. I mean, you need something to get known by people.
What do you think are the advantages or disadvantages of mainstream-acappella, meaning that you write for a certain target audience? Can that
be harmful for a group?
I don’t know if you’re familiar with the Japanese scene. It’s very industrial, like
all of Japan’s pop music is very industrialized. They have dozens of these boy
groups, girl groups or mixed a-cappella-groups, who all look the same and
sound the same. You know, this is something I don’t understand. Why would
you want that? But as long as it serves people’s needs to express themselves
it’s a good thing. But if it’s just a group consisting of five puppets on a string
singing what their record company tells them to sing, it’s not a good thing.
Does it ever happen at your concerts that the audience gets louder than
the six of you singing? Because this is what I experienced when I was at a
Pentatonix concert very recently.
Yes, this has happened to us a couple of times, at something like youth festivals
in Canada I think. You know, maybe they want to be fans. But that’s their thing
(i.e. Pentatonix) and from what I have heard, there are really good singers in the
group. They are really good at what they are doing, and so were for example
the Beatles, who had the same thing – you could not really hear what they were
playing because people were screaming so loud. But it’s not their fault. It does
not take anything away from their goodness.
77
5.1.2. Zusammenfassung des Interviews
HANNU LEPOLA bringt in seinem Interview deutlich zum Ausdruck, dass es für ein
A-cappella-Ensemble immer leichter ist, wenn die Mitglieder selbst arrangieren,
da gruppenintern die stimmlichen Stärken der anderen Mitglieder am besten
bekannt sind. Rajaton unterstreicht den zunehmenden Trend bei A-cappellaGruppen, ihre eigenen Lieder zu schreiben, anstatt bestehende zu covern.
Auch Pentatonix beginnt mit dem wachsenden Ruhm zunehmend, neben
gängigen Disco-Hits eigene Lieder unter ihre Fans zu bringen, was sich als
marketingtechnisches Konzept scheinbar bewährt. LEPOLA unterstreicht den
positiven Aspekt von A-cappella-Castingshows, da diese als Karrierestarter
fungieren können und auf diese Weise schnell eine Fangemeinde gegründet
werden kann. Natürlich gibt es hier seiner Meinung nach auch negative
Aspekte, beispielsweise, wenn sich Gruppen ihren Plattenfirmen ausliefern und
ihrer eigenen Kreativität nicht mehr freien Lauf lassen können. Bezieht man
dies auf Pentatonix, ist Letzteres noch nicht eingetreten, da die Mitglieder in
Interviews immer wieder betonen, dass sie gemeinsam arrangieren und dies
durch ihre Eigenkompositionen in Kollaboration mit dem Arranger BEN BRAM
bewiesen wird.
5.2. Die Sicht eines Managers
PETER MARTIN JACOB ist der Chef und einer der
Gründer
der
deutschen
A-cappella-Agentur
„magenta“. Die Agentur hat sich zum Ziel
gesetzt, A-cappella einem breiten Publikum
zugänglich zu machen, sowie außerdem jungen
A-cappella-Gruppen den Zugang zum Business
zu erleichtern und sie dementsprechend zu
beraten. JACOB war selbst 19 Jahre lang als
Bass aktives Mitglied der A-cappella-Gruppe
„Six
Pack“.
Neben
seiner
Funktion
als
Abbildung 5: Peter Martin Jacob
78
Agenturchef ist er auch als Radiojournalist, Nachrichtensprecher und Moderator
tätig. Insgesamt sind bei „magenta“ 200 Gruppen aus der ganzen Welt unter
Vertrag, was vom Renommee der Agentur zeugt.135
5.2.1. Interview mit Peter Martin Jacob
Kontemporärer Popsound in der Vokalmusik – was fällt Ihnen da spontan
ein? Welche Assoziationen weckt das bei Ihnen?
Moderne Vokalmusik ist mit dem A Cappella-Sound der 80er oder 90er nicht
mehr zu vergleichen. Es gibt heutzutage - teilweise schon länger - deutsche
und internationale Vocal Acts mit einem Bombast-Sound, der „richtigen“
Popgruppen in nichts mehr nachsteht. Natürlich ist das vor allem auch der
Verdienst
der
Tontechniker/innen,
oder
nennen
wir
sie
besser
Sounddesigner/innen. Bei einem „ONAIR“-Konzert sprach mich vor kurzem in
der Pause ein Freund an: „Hey wusste gar nicht, dass du jetzt auch normale
Popgruppen vertrittst“ - „Wieso“ - „Na, da sitzt doch n Schlagzeuger hinter dem
Vorhang.“ …
Was verbinden Sie mit der Gruppe Pentatonix?
Pentatonix ist eine A-cappella-Gruppe aus den USA, die dem weit verbreiteten
High School-A-cappella-Umfeld entsprungen sind und über die Fernsehshow
„Sing Off“, sowie mit viel finanziellem Einsatz einer Plattenfirma und mit einem
ausgeklügelten
Social
Media-Konzept
(z.B.
YouTube-Videos)
zu
internationalem Ruhm gelangt sind.
Pentatonix hat es im Bereich des Mainstream-A-cappella-Pops ganz nach
oben geschafft. Worin Sehen Sie ihr Erfolgsgeheimnis?
Zum einen verweise ich auf oben, zum anderen muss ich leider sagen, kann ich
nicht viel mehr zu Pentatonix sagen. Ich habe sie auch noch nicht live gesehen
oder mich intensiver mit ihnen befasst. Ein wesentlicher Aspekt ihres Erfolgs ist
natürlich auch der durch ihre Geschichte und ihr Marketing aufgebaute
Fankreis. Ein Szenekenner aus den USA erzählte mir, ganz wichtig sei auch
135
Vgl. http://www.magenta-concerts.de/agentur/ [10.06.2015]
79
eine Art Personenkult. Jeder einzelne Künstler habe für sich persönlich auch
eine Unmenge an Fans, die total auf ihn abfahren.
Inwiefern ist Pentatonix Ihrer Meinung nach repräsentativ für die Acapella-Szene?
Das sind sie natürlich nicht. „Die Szene“ ist ja ein weit gefasster Begriff. Da
gehört das sechsköpfige Männerensemble genauso dazu wie eine gemischte
Gruppe oder ein kleiner Chor. Und vor allem muss man zwischen Amateuren,
Halbamateuren und Profis unterscheiden. Die A Cappella-Szene ist ja sehr
vielfältig und bunt.
Welche A-cappella-Gruppen gibt es in Europa, die einem vergleichbaren
musikalischen und marketingtechnischen Konzept folgt?
Das kann ich so nicht beurteilen, da ich die einzelnen Konzepte der Gruppen ja
nicht bis ins Detail kenne. Aber sicher ist heutzutage eine kontinuierliche
Präsenz auf YouTube und Facebook unerlässlich für eine Gruppe, die nach
vorne will. Und natürlich ein Deal mit einer Plattenfirma, die die entsprechenden
Mittel in das Marketing steckt. Das gibt es aber in Europa meines Wissens nach
nicht so häufig. Die Musikindustrie bei uns ist da bisher offenbar nicht so
überzeugt von dem Erfolg eines Vocal Acts. Wer den Majordeal nicht hat, muss
meiner Meinung nach umso mehr in Social Media und Fanbetreuung
investieren. Und natürlich, in erster Linie sogar, in seine Kunst.
Wie muss A-cappella-Musik klingen, damit sie die Aufmerksamkeit des
Mainstreams auf sich zieht?
Im Grunde klingt sie ja schon so. Viele Gruppen haben diesen Sound schon.
Bloß in den Köpfen ist A-cappella immer noch ein Außenseiter. Sobald ein
„Musiknutzer“ hört, dass es eine A-cappella-Gruppe ist, kommt schnell der
Hinweis: „Ach so. Ja nee. Ich steh ja auf ‚richtige‘ Musik“. Der A-cappella-Markt
ist kein Mainstream, sondern eine Nische im Musikbusiness, allerdings, meiner
Erfahrung nach, eine sehr dynamische und sich stetig weiter entwickelnde
Nische. Innerhalb dieses Marktsegments allerdings ist die Szene gerade Social
Media-mäßig sehr gut vernetzt.
80
Sehen Sie ein Potenzial dieser Musikrichtung allgemein für die Zukunft, so
dass diese Form auch mit herkömmlichen Popbands vergleichbar wird?
Durchaus. Es gibt Gruppen, die klopfen an der allgemeinen Musikbusiness-,
respektive Mainstream-Tür an, machen Konzerte in reinen Musikclubs, zum Teil
auch Stehkonzerte. Allerdings müssen viele Musiknutzer, Radiomacher und hörer, sowie Plattenfirmen noch offener werden dafür. Es ist ein stetiger
Prozess. Ich schließe nicht aus, dass es der ein oder anderen Gruppe einmal
gelingt. Übrigens gibt es andere Gruppen, die streben das gar nicht an. Sie sind
im A-cappella- und Chorumfeld so dermaßen erfolgreich, dass sie der Vergleich
mit „herkömmlichen Popbands“ gar nicht juckt. So kann es auch gehen.
Vermarktung ist für alle Musikrichtungen besonders wichtig. A-cappellaMusik hat nun auch vorwiegend auf YouTube und auf Social MediaPlattformen Einzug gehalten. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Wie schon gesagt, ich sehe es als immens wichtig an, dass A-cappellaGruppen, die etwas erreichen möchten, im Bereich Social Media ein Konzept
haben und es auch kontinuierlich umsetzen.
Was raten Sie mit Ihrer Erfahrung A-cappella-Gruppen im Popbereich, um
auch in Zukunft musikalisch und kommerziell erfolgreich sein zu können?
Im Grunde sprechen Sie es selbst schon an. Es sind zwei Stränge. In erster
Linie gilt es der Kunst. Eine Gruppe muss künstlerisch und musikalisch hart an
sich arbeiten und dadurch besonders auffallen. Es müssen selbstverständlich
sehr gute Sänger/innen sein. Es sollten nicht nur Coversongs sondern auch
eigene Stücke geschrieben und genial arrangiert werden. Das Showkonzept
muss überzeugen. Es muss vom Unterhaltungs- und Entertainmentaspekt her
ein Publikum fesseln, es von einer Emotion in die andere werfen. Sound,
Blending, Choreographie, Bühnenpräsenz etc. spielen da ihr übriges.
Kommerziell sind die Aspekte zu berücksichtigen, die ich oben genannt habe:
An YouTube und Facebook kommt heutzutage keine Band mehr vorbei,
Fanbetreuung, CDs, Videos, gute Fotos, einen cool geschriebenen Text und
eine gute Agentur, die für sie bookt. Ach, und ein bisschen Glück gehört
natürlich auch immer dazu.
81
5.2.2. Zusammenfassung des Interviews
PETER MARTIN JACOB schildert im Interview sehr eindrücklich, dass es
heutzutage – egal ob als A-cappella-Gruppe oder als Band - notwendig ist, den
Bereich der Social Media zu beherrschen. Natürlich ist dies abhängig vom
primären Ziel der Gruppe, aber gerade im Mainstream-Bereich, der vor allem
auf ein jüngeres Publikum baut, können dadurch Erfolge erzielt werden. Auch
wenn JACOB mit der Gruppe Pentatonix primär nicht vertraut ist, kann er die
Maschinerie,
die
hinter dem
A-cappella-Boom
steckt,
sehr realistisch
einschätzen. Dies wird durch das Renommee seiner Agentur bestärkt. Rein
klangtechnisch gesehen sind A-cappella-Gruppen, die mit dem MainstreamPopsound liebäugeln, schon längst auf dieser Ebene angekommen. Ob ein
perfekt gesetztes A-cappella-Arrangement jedoch mit instrumentalen Popbands
mithalten kann, hängt sehr wohl vom Auge des Betrachters ab: Viele Menschen
sehen A-cappella noch immer als Abgänger der klassischen Chorszene an,
wodurch
eine
Gleichberechtigung
oft
gar
nicht
zugelassen
wird,
beziehungsweise der A-cappella-Szene viel weniger zugetraut wird, als
eigentlich möglich ist. Fakt ist jedoch, dass, auch wenn eine A-cappellaFormation von einem Plattenlabel unterstützt wird, eine ausgezeichnete
künstlerische Performance immer im Vordergrund stehen muss. Gerade in
einer oft viel unterschätzten Nischen-Kunstform ist dies eine unabdingliche
Voraussetzung für weiteres Aufstreben am Markt des Mainstreams.
82
6. Zusammenfassung
‚A-cappella goes Mainstream‘ – diese Behauptung trifft wohl am besten zu,
wenn man sich die Erfolge von Pentatonix in den letzten Jahren zu Gemüte
führt. Als Sieger einer Castingshow, bei der lediglich A-cappella-Gruppen zu
den Teilnehmern zählten, etablierten sich KIRSTIE MALDONADO, MITCH GRASSI,
SCOTT HOYING, AVI KAPLAN und KEVIN OLUSOLA innerhalb von kürzester Zeit in
der Musikwelt. Weitere positive Aspekte wie ein rasanter Einstieg in den USamerikanischen
Billboard-Charts,
einem
Plattenvertrag,
sowie
einer
Welttournee zeugen von ihrem großen Erfolg. Man könnte meinen, dass nicht
nur eine junge Gruppe, sondern eine ganze Nischen-Kunstform seinen
Durchbruch geschafft hat. Bei genauerer Betrachtung der Geschichte des
amerikanischen A-cappella war dies jedoch nicht immer so.
Schon in der Ära des Gospels waren sogenannte Gospel Quartets von großem
öffentlichen Interesse. Die Idee, dass eine Vokalgruppe dem Mainstream
verfällt, besteht also nicht erst seit dem 21. Jahrhundert, sondern vielmehr hat
sich diese immer wieder dem gängigen instrumentalen Stil angepasst und sich
gemeinsam mit diesem weiterentwickelt. Mit der Übernahme von gängigen
soundtechnischen und soundgestalterischen Mitteln aus der instrumentalen
Popmusik hat sich die moderne, dem Mainstream zugewandte A-cappellaMusik schon längst auf eine gleiche Ebene mit instrumentalen Bands gestellt.
Somit ist es heutzutage beispielsweise auch möglich, dass A-cappella im Radio
gespielt werden kann, wie es bei Pentatonix auch der Fall ist. Sogenannte
Loudness Wars, bei denen die Bässe gleich wie die Melodiestimme auf eine
maximale Lautstärke angehoben werden, ermöglichen dies. Im Analyseteil
dieser Diplomarbeit wurde dieses Phänomen anhand eines Vergleichs der
Vokalarrangements von Pentatonix mit den jeweiligen Originalversionen der
Lieder unter Beweis gestellt. Wie PETER MARTIN JACOB in seinem Interview
sagte,
liegt
eine
schlussendliche
Gleichstellung
von
A-cappella
und
kontemporärer Popmusik eher an den Köpfen der Menschen, da dem Genre Acappella oft ein gewisses Maß an Biederkeit unterstellt wird. Dass mit
ausgefeilten Beatbox-Techniken ein realer Schlagzeuger perfekt imitiert werden
83
kann, erscheint einem breiten Mainstream-Publikum oft noch unglaubwürdig.
Das Aufgebot von Fans und deren Begeisterung während Live-Konzerten von
Pentatonix unterstreichen die Annahme, dass A-cappella als Genre aufgrund
von anfänglicher Unterschätzung nun eine umso größere Wertschätzung
entgegen gebracht wird.
Im Endeffekt ist es aber gerade bei A-cappella-Gruppen, denen nicht das Glück
zuteilwurde, bei einer Plattenfirma unter Vertrag zu kommen, wichtig, dass die
Vermarktung eigenständig mit Hilfe von Social Media wie Facebook, Twitter und
Google+, sowie YouTube passiert. Eine Voraussetzung dafür, dass eine Acappella-Gruppe aber trotzdem erfolgreich werden kann, ist aber noch immer
eine ausgezeichnete künstlerische Performance. Eines ist daher am Acappella-Sektor gewiss: Pentatonix und vergleichbare berühmte Gruppen sind
großartige Künstler und Künstlerinnen, die hart für ihren Erfolg arbeiten und
damit auch dem Genre A-cappella einen neuen Weg aufzeigen.
84
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Abbildungen
Abbildung 1: “Doo Wop”. Gribin, Schiff 1992: 19
Abbildung 2: “Notation – The Real Beatbox School”. Wiechenthaler, Rieder
2012: 17
89
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Abbildung 5: “Peter Martin Jacob”. Magenta. [Online]. http://www.magentaconcerts.de/agentur/ [11.06.2015]
90
8. Anhang
i)
Diskographie136
Album
Label
Jahr
Pentatonix: Volume 1
Madison Gate Records
2012
PTXmas Deluxe Edition
Madison Gate Records
2013
PTX Vol. 2
Madison Gate Records
2013
That’s Christmas To Me
RCA
2014
PTX
RCA, Sony Music
2014
136
http://www.discogs.com/artist/3189736-Pentatonix [10.06.2015]
91
ii)
Songtexte
We are young – „Fun“
Give me a second I
I need to get my story straight
My friends are in the bathroom
getting higher than the empire state
Verse 1
my lover she is waiting for me
just across the bar
My seat's been taken by some sunglasses
asking 'bout a scar
and I know I gave it to you months ago
I know you're trying to forget
Verse 2
but between the drinks and subtle things
the holes in my apologies
you know I'm trying hard to take it back
so if by the time the bar closes
Prechorus
and you feel like falling down
I'll carry you home
Tonight
We are young
Chorus,
wiederholt
So let's set the world on fire
We can burn brighter
than the sun
Now I know that I'm not
all that you got
I guess that I
Verse 3
I just thought maybe we could find a ways to fall apart
But our friends are back
So let's raise a toast
Cause I found someone to carry me home
Tonight
Chorus,
wiederholt
We are young
So let's the set the world on fire
we can burn brighter
92
than the sun
Carry me home tonight
Just carry me home tonight
Carry me home tonight
Just carry me home tonight
The moon is on my side
I have no reason to run
Bridge
So will someone come and carry me home tonight
The angels never arrived
but I can hear the choir
so will someone come and carry me home
Tonight
Chorus,
wiederholt
We are young
So let's the set the world on fire
we can burn brighter
than the sun
So if by the time the bar closes
Outro
and you feel like falling down
I'll carry you home tonight
Can’t hold us – “Macklemore & Ryan Lewis”
Return of the Mack, get up!
What it is, what it does, what it is, what it isn't.
Looking for a better way to get up out of bed
Verse 1
Instead of getting on the Internet and checking a new hit me
Get up! Thrift shop, pimp strut walking, little bit of humble, little bit of
cautious
Somewhere between like Rocky and Cosby. Sweater gang, nope, nope
y'all can't copy
Yup. Bad, moon walking, this here, is our party, my posse's been on
Broadway,
Verse 2
And we did it, our way.
Grown music, I shed my skin and put my bones into everything I record to
it
And yet I'm on.
Verse 3
Let that stage light go and shine on down, got that Bob Barker suit game
and plinko in my style.
93
Money, stay on my craft and stick around for those pounds,
But I do that to pass the torch and put on for my town
Trust me.
On my I-N-D-E-P-E-N-D-E-N-T shit hustler,
Verse 4
Chasing dreams since I was 14 with the four track bussing halfway cross
that city with the backpack, fat cat, crushing
Labels out here,
Now they can't tell me nothing
We give that to the people,
Spread it across the country
Verse 5
Labels out here,
Now they can't tell me nothing
We give it to the people,
Spread it across the country
Can we go back, this is the moment
Chorus,
wiederholt
Tonight is the night, we'll fight 'til it's over
So we put our hands up
like the ceiling can't hold us
Like the ceiling can't hold us
Now, can I kick it? Thank you. Yeah I'm so damn grateful.
I grew up, really wanted gold fronts
Verse 6
But that's what you get when Wu tang raised you
Y'all can't stop me, go hard like I got an 808 in my heart beat
And I'm eating at the beat like you gave a little speed to a great white
shark on shark week
Raw. Tell me go up. Gone!
Deuces goodbye. I got a world to see, and my girl she wanna see Rome,
Verse 7
Caesar make you a believer. Now I never ever did it for a throne.
That validation comes from giving it back to the people.
Now sing a song and it goes like
Raise those hands, this is our party
We came here to live life like nobody was watching
Verse 8
I got my city right behind me
If I fall, they got me.
Learn from that failure gain humility and then we keep marching ourselves
Can we go back, this is the moment
Chorus,
wiederholt
Tonight is the night, we'll fight 'til it's over
So we put our hands up
like the ceiling can't hold us
Like the ceiling can't hold us
94
And so we put our hands up
And so we put our hands up
Let's go!
Na na na na na na na na
And all my people say
Bridge
Na na na na na na na na
And all my people say
Na na na na na na na na
And all my people say
Na na na na na na na na
Mack- le- ah ah ah ah more
Can we go back, this is the moment
Chorus,
wiederholt
Tonight is the night, we'll fight 'til it's over
So we put our hands up like the ceiling can't hold us
Like the ceiling can't hold us
Daft Punk – “Pentatonix”
Buy it, use it, break it, fix it,
Trash it, change it, mail, upgrade it.
Charge it, point it, zoom it, press it,
Snap it, work it, quick, erase it.
Write it, cut it, paste it, save it,
Load it, check it, quick, rewrite it.
Plug it, play it, burn it, rip it,
Technologic (Intro)
Drag and drop it, zip, unzip it.
Lock it, fill it, call it, find it,
View it, code it, jam, unlock it.
Surf it, scroll it, pause it, click it,
Cross it, crack it, switch, update it.
Name it, rate it, tune it, print it,
Scan it, send it, fax, rename it.
Touch it, bring it, pay it, watch it,
Technologic
One More Time
One more time!
One more time!
95
Like the legend of the Phoenix
All ends with beginnings
What keeps the planet spinning
The force from the beginning
We've come too far to give up who we are
So let's raise the bar and our cups to the stars
We're up all night to the sun
We're up all night to get some
We're up all night for good fun
Get Lucky
We're up all night to get lucky
We're up all night to the sun
We're up all night to get some
We're up all night for good fun
We're up all night to get lucky
We're up all night to get lucky
We're up all nightAll night to getUp all night to getGet- get lucky
Last night, I had this dream about you.
In this dream, I'm dancing right beside you.
There's nothing wrong with just a little bit of fun.
Digital Love
We were dancing all night long.
Oh I don't know what to do
About this dream and you
I hope this dream comes true
One more time!
Hey, we're gonna celebrate
One More Time
Aw yeah, Alright
Don't stop the dancing
One more time
We're gonna celebrate
Work it, harder, make it, better
Do it, faster, makes us, stronger
More than, ever hour, after
Harder, Better, Faster,
Stronger
Our, work is never over
Work it harder, make it better
Do it faster, makes us stronger
More than ever, hour after
Our work is never over
Work it harder, make it
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Do it faster, makes us
More than ever, hour after
Our work is never over
Work it, harder, make it, better
Do it, faster, makes us, stronger
More than ever, hour after
Our work is never over
Television
Rules the nation
Television
Oh yeah
Television
Rules the nation
Music's got me feeling so free
Celebrate and dance so free
One more time
Music's got me feeling so free
We're gonna celebrate
One More Time
Celebrate and dance so free
Tonight – hey - just feel it
Music's got me feeling so free (To give up who we are)
One more time
Music's got me feeling so free (Let's raise the bar)
We're gonna celebrate
Celebrate and dance (and our cups) to the stars!
We're up all night to the sun
We're up all night to get some
We're up all night for good fun
We're up all night to get lucky
We're up all night to the sun
We're up all night to get some
Get Lucky und One
more Time
überlappend
We're up all night for good fun
We're up for one more night!
We're up all night to the sun (Oh!)
Eh, around the world (Celebration!)
Feeling so free!
Woah, one more night!
We're up all night to the sun (Woah)
Hey, around the world (Celebration)
Feeling so- Our work is never over
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