die umsetzung des kontemporären popsounds in der vokalmusik
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die umsetzung des kontemporären popsounds in der vokalmusik
DIE UMSETZUNG DES KONTEMPORÄREN POPSOUNDS IN DER VOKALMUSIK ANHAND DER GRUPPE PENTATONIX Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magistra artium an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz vorgelegt von KATRIN SCHINNERL Diese Arbeit wurde im Rahmen der Studienrichtung Lehramt Musikerziehung am Institut für Jazzforschung unter der Betreuung von O. Univ. Prof. Dr. phil. Franz Kerschbaumer verfasst. Graz, Juni 2015 ____________________ _______________ (Name in Blockbuchstaben) (Matrikelnummer) Erklärung Hiermit bestätige ich, dass mir der Leitfaden für schriftliche Arbeiten an der KUG bekannt ist und ich diese Richtlinien eingehalten habe. Graz, den......................................................... …..................................................................... Unterschrift der Verfasserin/ des Verfassers Vorwort Die Idee, mich im Rahmen einer Diplomarbeit näher mit der Gruppe „Pentatonix“ auseinanderzusetzen, entstand rein zufällig: Auf Facebook war ich schon längst ihr Fan und klickte mich öfters durch ihre Videos. Dabei wurde mir klar, dass Pentatonix einen Imagewandel im A-cappella-Bereich repräsentiert. Mit großer Euphorie begann ich, mich für die Gruppe selbst, sowie für die Marketingschiene, die hinter diesem Erfolgskonzept steckt, zu interessieren und somit war der erste Grundstein für diese Diplomarbeit gelegt. Mein Interesse wuchs mit dem Besuch eines Live-Konzertes, bei dem ich bemerkte, dass Pentatonix längst die Welt des Mainstreams erobert hatte. Umzingelt von kreischenden Teenies und gestört von deren Lärm, blieb mir der vollwertige Klang des Gesangs größtenteils verwehrt. Trotzdem verließ ich den Saal mit einem anerkennenden Staunen, da mir der Wandel der A-cappella-Musik in diesem Moment bewusst wurde. Im Laufe dieser Arbeit konnte ich sogar Parallelen zwischen meinen eigenen musikalischen Projekten und dem Diplomarbeitsthema herstellen, da ich selbst mit den beiden A-cappella-Gruppen „Chilli da Mur“ und „Massive Beats Crew“ Teil einer Castingshow für Chöre war, ein Format in dem auch Pentatonix ihre Fortentwicklung startete, und durch das Sammeln wertvoller Erfahrungen somit den Werdegang von Pentatonix besser verstehen konnte. Ende Mai dieses Jahres wurde uns mit Chilli da Mur auch die besondere Ehre zu Teil, im Rahmen eines renommierten Chorfestivals in der National Concert Hall in Budapest direkt vor der Profi-A-cappella-Gruppe „Rajaton“ aufzutreten. Dort entstand auch das Interview mit dem Tenor der Gruppe. An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei O.Univ.-Prof.Dr.phil. Franz Kerschbaumer für die zahlreichen Tipps und Hilfestellungen, sowie für die Unterstützung als Betreuer bedanken. Großer Dank gilt auch meinen Interviewpartnern Hannu Lepola und Peter Martin Jacob, die sich für meine Fragen Zeit genommen haben. Zuletzt möchte ich mich bei meinem Freund Florian und meiner Familie für die großartige emotionale Unterstützung in einer stressigen Zeit bedanken. DANKE! Abstract Die vorliegende Diplomarbeit beschäftigt sich mit der Umsetzung des kontemporären Popsounds in der Vokalmusik anhand der Gruppe Pentatonix. Dabei wird zuerst die frühe amerikanische Entstehungsgeschichte von Acappella, begonnen bei den Work Songs bis hin zum Doo-Wop, beschrieben. Im Anschluss daran werden Vocal Percussion als Teil von A-cappella und der kontemporäre Popsound genauer untersucht, bevor die Gruppe Pentatonix vorgestellt wird. Im praktisch orientierten Teil dieser Diplomarbeit werden drei Pentatonix-Arrangements auf die Umsetzung des kontemporären Popsounds hin mit den jeweiligen originalen Liedern verglichen. Abschließend wird mithilfe zweier Interviews, sowohl aus der Sicht des Künstlers als auch aus Managersicht, ein Blick hinter die Kulissen gewagt und Komponenten wie Marketing, Arrangierprozess und Produktion diskutiert und näher analysiert. This diploma thesis deals with the application of the contemporary pop sound in a cappella music, based on the vocal group Pentatonix. In the first part, the focus lies on the early American history of a cappella music, ranging from genres such as Work Songs to Doo-Wop. After that, vocal percussion and contemporary pop sound are analyzed, followed by an introduction of the a cappella group Pentatonix. Within the practically oriented part of this thesis, three of their arrangements are analyzed according to elements of contemporary pop music by comparing the vocal arrangement with the original song. Lastly, two interviews carried out with an artist as well as a manager inform the reader about aspects such as marketing, the arranging process, as well as the production of a cappella music. Inhaltsverzeichnis 1. EINLEITUNG.................................................................................................. 1 2. FORMEN DER MEHRSTIMMIGEN VOKALMUSIK IN AMERIKA FRÜHGESCHICHTE .......................................................................................... 3 2.1. Work Songs ........................................................................................... 4 2.2. Spirituals ................................................................................................. 5 2.3. Gospel Songs ......................................................................................... 8 2.4. Barbershop und ‚Close Harmony Singing’ ........................................ 10 2.5. Doo-Wop ............................................................................................... 13 3. A-CAPPELLA UND POP ............................................................................. 19 3.1. Vocal Percussion und Beatboxing als Elemente moderner Acappella Musik............................................................................................. 19 3.1.1. Geschichte des Beatboxing ............................................................. 20 3.1.2. Erlernen von Vocal Percussion und Beatboxing .............................. 25 3.2. Der kontemporäre Popsound .............................................................. 28 3.2.1. Klangmerkmale der kontemporären Popmusik ................................ 29 3.2.2. Soundkorrektur ................................................................................ 32 3.2.3. Soundgestaltung .............................................................................. 34 3.3. Die neue amerikanische A-cappella-Welle ......................................... 37 3.3.1. Collegiate A Cappella ...................................................................... 37 3.3.2. Contemporary A Cappella Society ................................................... 40 3.3.3. Deke Sharon .................................................................................... 41 3.4. Pentatonix ............................................................................................. 43 3.4.1. Mitglieder und Entstehung .............................................................. 44 3.4.2. Arrangements .................................................................................. 47 4. DIE VOKALE UMSETZUNG DES KONTEMPORÄREN POPSOUNDS ANHAND VON DREI PENTATONIX-ARRANGEMENTS ................................ 49 4.1. We are young........................................................................................ 49 4.1.1. Formale Unterschiede...................................................................... 50 4.1.2. Vokale Umsetzung des Popsounds ................................................. 52 4.2. Can’t hold us ......................................................................................... 59 4.2.1. Formale Unterschiede...................................................................... 59 4.2.2. Vokale Umsetzung des Popsounds ................................................. 61 4.3. Daft Punk ............................................................................................... 67 4.3.1. Formale Umsetzung......................................................................... 68 4.3.2. Vokale Umsetzung des Popsounds ................................................. 69 4.4. Fazit ....................................................................................................... 73 5. A-CAPPELLA: HINTER DEN KULISSEN................................................. 74 5.1. Die Sicht eines Künstlers .................................................................... 74 5.1.1. Interview mit Hannu Lepola von Rajaton ......................................... 75 5.1.2. Zusammenfassung des Interviews ................................................... 78 5.2. Die Sicht eines Managers .................................................................... 78 5.2.1. Interview mit Peter Martin Jacob ...................................................... 79 5.2.2. Zusammenfassung des Interviews ................................................... 82 6. ZUSAMMENFASSUNG............................................................................. 83 7. LITERATURVERZEICHNIS ...................................................................... 85 8. ANHANG ................................................................................................... 91 i) Diskographie........................................................................................... 91 ii) Songtexte ............................................................................................... 92 1. Einleitung „We are so honored and humbled that we have got that title. We love Acappella-music so much that we think it should be brought to mainstream. So that’s actually one of our goals – to reach a wide variety of different types of audiences.”1 Diese klaren Worte fanden der Bariton SCOTT HOYING, sowie der Tenor/Altus MITCH GRASSI, die beide Mitglieder der A-cappella-Gruppe Pentatonix sind, in einem Interview kurz nach ihrem großen Erfolg bei der Castingshow „The Sing Off“. Das einleitende Statement unterstreicht den Fokus dieser Arbeit: Seit dem Aufstreben von Pentatonix vor vier Jahren ist zu beobachten, dass das gesamte Genre A-cappella für ein breiteres sowie jüngeres Zielpublikum von großem Interesse ist, da sowohl ihre Songs als auch ihr Marketing-Konzept sehr stark auf eine Verbindung zur kontemporären instrumentalen Popmusik hinweisen. Darunter fällt einerseits der Sound der im Studio aufgenommenen Alben und andererseits die Vermarktung der Musik auf YouTube, beziehungsweise auf Social Media Plattformen wie Facebook und Twitter. Die Geschichte der A-cappella-Musik geht bereits in die Renaissance zurück, wo ab der Einführung der Polyphonie überhaupt erstmals der Terminus Acappella verwendet wurde. Die gesamte Entstehungsgeschichte von A-cappella aufzuarbeiten, wäre aber zu umfangreich, deshalb beschäftigt sich diese Diplomarbeit hauptsächlich mit der amerikanischen A-cappella-Musik, um so für das Verständnis rund um den Erfolg von Pentatonix einen klaren Rahmen zu schaffen. Das zweite Kapitel fokussiert den Beginn der nordamerikanischen Vokalmusik mit all ihren unterschiedlichen Stilrichtungen, wie beispielsweise Work Songs, Spirituals und Gospels, Barbershop und Doo-Wop. Im darauffolgenden Kapitel werden die Zusammenhänge zwischen der A-cappella-Kunst und der Popmusik beleuchtet und erörtert, welche Möglichkeiten bestehen, reine Vokalmusik an instrumentale Popmusik anzunähern. Dazu zählt einerseits die stetige 1 https://www.youtube.com/watch?v=iv6OLHWUos4 [06.06.2016] 1 Entwicklung von Vocal Percussion und Beatboxing und andererseits werden die Merkmale des kontemporären Popsounds, darunter digitale Soundbearbeitung beziehungsweise Soundgestaltung, in die Thematik miteinbegriffen. Anschließend liegt das Hauptaugenmerk auf der neuen amerikanischen Acappella-Welle, mit all ihren Produzenten und Verantwortlichen. Auch die Acappella-Gruppe Pentatonix wird hier vorgestellt. Kapitel 4 widmet sich einer umfassenden Analyse dreier Pentatonix-Songs, bei denen die Vokalarrangements mit den jeweiligen Originalen verglichen, sowie auf die vokale Umsetzung des kontemporären Popsounds hin untersucht werden. Das letzte Kapitel dieser Diplomarbeit befasst sich mit einem Blick hinter die Kulissen der A-cappella-Szene, indem anhand von zwei Interviews unterschiedliche Sichtweisen im Bereich von Marketing, Arrangierprozess und Produktion dargestellt werden. Das Ziel dieser Diplomarbeit ist, herauszufinden, wie sich der kontemporäre Popsound von dieser Sparte entspringenden Bands auf das Genre A-cappella übertragen lässt, was anhand der Gruppe Pentatonix und deren vokalen Arrangements von originalen Liedern exemplifiziert werden soll. 2 2. Formen der mehrstimmigen Vokalmusik in Amerika Frühgeschichte Die mehrstimmige A-cappella-Musik in Nordamerika findet ihren Ursprung nicht erst durch die vielfach durch Fernsehen und Radio bekannten BarbershopGruppen aus den 1940er- und 1950er-Jahren, sondern reicht viel weiter zurück in eine Zeit, in der die Versklavung von Afro-Amerikanern an ihrem Höhepunkt angekommen war. Am Beginn der amerikanischen A-cappella-Musik standen die sogenannten Negro-Spirituals, die nach heutiger überarbeiteter Ausdrucksweise vielfach als African-American-Spirituals2 bezeichnet werden. Dieses erste Kapitel in der Entstehung der amerikanischen Vokalmusik ging auch nicht spurlos an den Europäern vorüber, da sie bereits durch die damals berühmten „Fisk Jubilee Singers“ auf die neue Gattung des African-AmericanSpirituals aufmerksam gemacht wurden. Der eben genannte Chor tourte im Jahr 1873 durch die Konzertsäle Europas und konnte grandiose Erfolge erzielen. Die Fisk Jubiliee Singers wurden seit jeher musikalisch gesehen als erster eigenständiger amerikanischer Beitrag seit jeher gefeiert. Das Publikum wurde belehrt, dass sich die Kompositionen nicht etwa langsam aus einer Kultur entwickelten, sondern vielmehr als Teil von Gottesdiensten in ihrer finalen Form entsprangen.3 Diesen scheinbaren Wahrheiten zum Trotz ist heute klar, dass die amerikanische Vokalmusik nicht einfach passierte, sondern eine lange Entstehungsgeschichte aufweist. Um möglichst tiefgehende Einblicke in die heutige amerikanische A-cappellaMusik zu bekommen, ist es von Nöten, auch die musikgeschichtliche Entwicklung zu beleuchten. Die folgenden Kapitel beschäftigen sich mit der Frühgeschichte der unbegleiteten Vokalmusik in Amerika, angefangen von den Work Songs, den bereits erwähnten African-American-Spirituals, über Gospels, bis hin zu Barbershop und der einzigen Ausnahme Doo-Wop mit ihren jeweiligen Entstehungsgeschichten und musikalischen Merkmalen, da diese für die moderne amerikanische A-cappella-Welle prägend waren. 2 In der vorliegenden Arbeit wird in Folge lediglich der aktuelle und politisch korrekte Begriff „African-American-Spiritual“ verwendet. 3 Vgl. Jahn (1962): 5 3 2.1. Work Songs Die Gattung der Work Songs zählt bis heute zu den ältesten Gesangsgattungen der afroamerikanischen, aus der Sklavenzeit stammenden Folkore, die, wenn auch in stilisierter Form, zum Teil noch bis heute besteht. Schon der Name beschreibt die Funktion von Work Songs, zu Deutsch „Arbeitslieder“: Die Baumwollplantagen, Gesänge beim dienten Holzfällen, dem beim Zweck, die Eisenbahnbau, Arbeit oder auf beim Korndreschen zu erleichtern und von der Arbeit abzulenken. Abhängig von unterschiedlicher Arbeit entstanden differenzierte Kategorien, in die diese Work Song eingeteilt werden können, wie zum Beispiel „Railroad Songs“ oder „Plantation Songs“.4 Typisch für Work Songs sind die ad hoc erfundenen Textzeilen, sowie die der durchgehende Beat, der von Werkzeugen wie Hämmern oder Äxten übernommen wurde.5 Generell basieren Work Songs auf dem „call-and-response-Prinzip“, das die Wechselwirkung eines Vorsängers und eines antwortenden Chores beschreibt und später für die Entwicklung des Blues von großer Bedeutung war. 6 Aus der frühen amerikanischen Sklaverei entwickelten sich zwei verschiedene Arten von Work Songs, basierend auf der verrichteten Arbeit: Metrische und NichtMetrische. Ein metrischer Work Song besteht entweder aus dem reinen „call“ ohne „response“ von anderen Arbeitern, oder auch aus dem klassischen Prinzip, bei dem vom Chor auf das Solo geantwortet wird. Bei ersterer Variante kann das Fehlen der gesungenen chorischen Antwort durch die Geräusche der Werkzeuge oder auch durch das Stöhnen aufgrund der körperlichen Anstrengung ersetzt werden. Beim klassischen Prinzip von „call-and-response“ wird vom Chor fernab des Vorsängers mit eigenen Texten geantwortet, oder aber auch durch die Wiederholung der Ausrufe des Vorsängers.7 Die Erleichterung der Arbeit war aber nicht der einzige Grund für die Etablierung von Work Songs unter den afroamerikanischen Sklaven im 19. 4 Vgl. Eggebrecht 1967: 1068 Vgl. Ruf 2012: 448 6 Vgl. Angerer 2009: 62 7 Vgl. Price 2011: 1005 5 4 Jahrhundert. Im Gegenteil, auch von weißen Landbesitzern wurde diese Art von Gesang gerne und nicht ganz uneigennützig gehört: „[…] singing was encouraged because it was one means of letting the overseer know where the slaves were, and that they were movin‘ on with work.“8 Neben Plantagen, Feldern und Eisenbahnbau kamen Work Songs ebenso in Gefängnissen zum Einsatz. Sie fungierten für Häftlinge häufig als Ventil zur Aggressions- und Frustrationsminderung, wie in CHARLES HIROSHI GARRETTS „Grove Dictionary of American Music“ zum Ausdruck gebracht wird: „[…] white gang bosses permitted, and sometimes encouraged, thinly veiled insults and taunts directed at themselves in the hope that this would lessen the chance of violence and rebellion.“9 Die Überlieferung von Work Songs fand in der Vergangenheit meist nur auf mündliche Weise, über Textfragmente oder visuelle Beschreibungen statt. Prinzipiell wurde die Musik eher selten notiert, obwohl es nachweislich bereits aus dem Jahr 1867 einen notierten Song mit dem Titel Michael row the boat ashore gibt. Die genaue Dokumentation beziehungsweise Transkription von Work Songs begann ab dem zweiten Viertel des 20. Jahrhunderts, als das musikalische Vermächtnis der afroamerikanischen Sklaven erstmals mit portablen Aufnahmegeräten in Gefängnissen und auf Feldern aufgezeichnet wurde.10 2.2. Spirituals Während den Work Songs weltliche Inhalte zugrunde lagen, entstand die Gattung der Spirituals als geistlicher Gegenpol dazu. Ebenfalls von und für die afroamerikanischen Sklaven in Amerika geprägt, weisen Spirituals eine große mündliche Tradition auf. Obwohl der genaue Zeitpunkt des Ursprungs nicht bekannt ist, wurden Spirituals schon im frühen 19. Jahrhundert als Genre definiert.11 In früheren Zeiten wurden Spirituals auch als „Negro Spirituals“ 8 Hiroshi Garrett 2013, Band 8: 582 Ebda: 582 10 Vgl. Hiroshi Garrett 2013, Band 8: 582 11 Vgl Ebda: 640 9 5 bezeichnet; letzterer Begriff, der sich auf die afroamerikanischen Sklaven in den Südstaaten der USA bezieht, ist heute nicht mehr aktuell. Nach der Sklavenbefreiung im Jahr 1865 wurden Spirituals hauptsächlich durch Auftritte von Studentenchören in Nordamerika und England bekannt. Das Spiritual war ursprünglich ein außerliturgischer religiöser Gesang, der zum Beispiel in Verbindung mit Bewegungsformen wie Reigentanz, Händeklatschen und lebhaftem Fußstampfen hauptsächlich nach religiösen Feiern und Gottesdiensten vorgetragen wurde.12 Nach afrikanischer Tradition wurden Spirituals mit Trommeln begleitet. Diese Aufführungspraxis wurde von amerikanischen Sklavenhaltern jedoch untersagt, da das Trommeln für sie eine Möglichkeit zur Verbreitung von geheimen Botschaften darstellte. Spirituals wurden also vorwiegend A-cappella vorgetragen. In Kombination mit der eben erwähnten Erzeugung von Rhythmen durch Körperbewegungen entstand so eine polyrhythmische Begleitung.13 Wie bereits kurz erwähnt, weisen Spirituals religiöse Inhalte auf, aber beinhalten auch eine weitere Thematik, nämlich die Hoffnung der Sklaven auf ein besseres Leben. Im Bezug auf die Harmonik stützen sich Spirituals neben afrikanischen Formen auch auf die europäische Funktionstheorie, wobei dies die generelle Vermischung von Einflüssen als Teil des gesamten afroamerikanischen Kulturguts widerspiegelt. Die Gattung der Spirituals setzt sich aus einer Kombination von afrikanischem rhythmischen Parallelismus und europäischer Funktionsharmonik zusammen. Dies unterscheidet Spirituals von Work Songs, da sich bei letzteren die Melodie über einen einstufigen Akkord legt – bei Spirituals hingegen besteht ein harmonischer Wechselbezug zwischen den Phrasen der Melodien.14 Diese Entwicklung wird von JANHEINZ JAHN mit folgender Beschreibung thematisiert: „Die Sklaven brachten diese Form afrikanischer Harmonik nach Amerika. Im Laufe ihrer Auseinandersetzung mit der europäischen Musik nahmen die Afroamerikaner dann europäische Harmoniestufen in ihre Musik auf, und es bildet sich ein neuer Harmonietypus, der neben afrikanischem 12 Vgl. Eggebrecht 1967: 627 Vgl. Hiroshi Garrett 2013, Band 8: 641 14 Vgl. Jahn 1962: 10 13 6 Parallelismus auch einfache Stufenfunktionen aufweist. Auf dieser Grundlage wird dann das harmonische Spiritual entwickelt.“15 Mit der Verbreitung der Spirituals im außeramerikanischen Raum ab Mitte des 19. Jahrhunderts ging die Gattung nicht nur als erster echter amerikanischer Stil in die Musikgeschichte ein, sondern wurde ob des großen Erfolges der praktizierenden Chöre und Sänger und Sängerinnen weiterentwickelt: Fortan waren Spirituals nicht mehr nur den afroamerikanischen Bewohnern der USA vorbehalten, sondern auch weiße Musiker zeigten reges Interesse an Spirituals, indem sie diese neu interpretierten und weiter verfeinerten.16 Die Überlieferung der Spirituals betreffend ist anzunehmen, dass anfänglich vermehrt die Spirituals der weißen Bevölkerung Amerikas über die Landesgrenzen hinaus gedruckt und verbreitet wurden. Die ursprünglichen afroamerikanischen Spirituals wurden erst später von vorwiegend aus Nordstaaten Amerikas stammenden Volksliedsammlern zusammengetragen und aufgezeichnet.17 Der große Erfolg von Chören wie der Fisk Jubilee Singers führte dazu, dass die sogenannten „Negro Spirituals“ oder „African-American-Spirituals“ im Endeffekt international bekannt wurden, während den „White Spirituals“ keine Beachtung geschenkt wurde.18 Die hohe Erfolgsquote hatte der Chor auch mit Sicherheit wegen seiner Authentizität zu verbuchen, da es sich bei den Sängern um Studenten der in der Nähe von Nashville gelegenen Fisk University, das eines der berühmtesten African-American-Colleges Nordamerikas ist, handelte. Obwohl sich der Studentenchor, bestehend aus Kindern ehemaliger Sklaven, zunächst hauptsächlich auf Standard-Chorwerke der westeuropäischen Chortradition konzentrierte, gewannen sie eher aufgrund ihrer Arrangements von Spirituals großen Zuspruch ihres Publikums. Der Chor tourte anschließend jahrzehntelang durch Nordamerika und Europa, um die originalen Melodien sowie die ursprünglichen Texte der Spirituals für die nachkommenden Generationen aufrecht zu erhalten.19 15 Jahn 1962: 11 Vgl. Angerer 2009: 66 17 Vgl. Schneider 2009: 5 18 Vgl. Ebda: 6 19 Vgl. Hiroshi Garrett 2013, Band 3: 561 16 7 2.3. Gospel Songs Der grenzüberschreitende Erfolg der „Negro Spirituals“ oder „African American Spirituals“ und die damit einhergehende Kommerzialisierung des Genres selbst löste in Teilen der afroamerikanischen Bevölkerung Nordamerikas das Problem aus, sich nicht mehr mit der Musik identifizieren zu können. Dies veranlasste afroamerikanische Sänger und Musiker, sich einer neuen Gattung zuzuwenden, die zwar auf ähnlichen spirituellen Inhalten basiert und die im allgemeinen Sprachgebrauch den Spirituals häufig fälschlicherweise gleichgesetzt wird, aber zur damaligen Zeit in Wirklichkeit eine neue Strömung darstellte: Gospel Songs.20 Die Gattung des Gospels ist wie die des Spirituals wieder der geistlichen Musik, im Gegensatz zu den weltlichen Work Songs, zuzuschreiben. Sie inkludiert eine Vielzahl an christlichen Liedern, in denen, den textlichen Aspekt betreffend, Thematiken wie biblische Geschichten, Predigten, Gebete und persönliche Erfahrungen der Interpreten behandelt werden. Während Gospels ursprünglich Bestandteil von Zeremonien waren, bei denen Afroamerikaner zu Christen konvertiert wurden, hatte sich bis zu den 1940er Jahren ein vielfältiger Weg gebahnt, da Gospels sich bis zu diesem Zeitpunkt über Medien wie Radio oder Aufnahmen rasch verbreiteten und - der anfänglichen Intention zum Trotz – hohe Popularität erlangten.21 Frühe Gospels konzentrieren sich meist auf ein bestimmtes Thema, das durch die Wiederholung von einzelnen Phrasen betont wird. Nach jedem solchen Vers folgt anschließend ein Refrain. Der Charakter von Gospel Songs variiert dabei stark: Die Bandbreite reicht von militant und didaktisch, bis hin zu meditativ und hingebungsvoll. 22 Die leicht durchschaubare Vers-Refrain-Form von Gospels geht auch mit einer einfachen Harmonik sowie Rhythmik einher: „ […] their (Anm. Gospels) music is characterized by simple harmonic vocabulary (primarily I, IV, and V chords, occasionally flavored, in later 20 21 22 Vgl. Angerer 2009: 66 Vgl. Price 2011: 357 Vgl. Hiroshi Garrett 2013, Band 3: 551 8 examples, with chromatic passing tones in the style of “barbershop” harmony) and a slow rate of harmonic change. Typical rhythmical traits include frequent repeated patterns, often with dotted 8 th- and 16th-note figures”23 Gospel Songs wurden in ihrer Blütezeit, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, sowohl A-cappella als auch mit instrumentaler Begleitung, häufig dem Klavier, aufgeführt und praktiziert. Zu den damals berühmtesten Gruppen zählten „The Foster Singers“, „The Harmonizing Four“ und das „Golden Gate Quartet“. Gospel stand generell ab den 1920er Jahren in enger Verbindung zum Jazz, wenn sie nicht sogar teilweise miteinander verschmolzen. Am Anfang der 1950er Jahre waren die Foster Singers dann maßgeblich an der Entstehung einer neuen Bewegung beteiligt, nämlich dem sogenannten ‚black gospel quartet movement‘.24 Nach dem Zweiten Weltkrieg war es für viele Menschen in Nordamerika üblich, eher professioneller Musik zuzuhören als selbst zu musizieren. Dies änderte natürlich die Bedingungen für Musiker: Fortan waren Aspekte wie Radio- und Fernsehauftritte, Konzerte und Aufnahmen deutlich wichtiger. Die Tradition des Südstaaten-Gospels wurde nun in der professionellen Unterhaltungsbranche vermarket – sozusagen Gospel, adaptiert für den Mainstream. Die in diesen Bereich einzuordnenden Gruppen haben sich vom altbekannten Gospel-Genre durch neue musikalische Einflüsse, wie zum Beispiel ‚ ‚rhythm-and-blues‘, oder auch schon der Popmusik entsprechenden Charakteristiken abgegrenzt.25 Diese Gospel-Quartette bestanden zumeist aus vier männlichen Sängern in der üblichen Aufteilung von Tenor bis Bass. Die Solostimme war häufig dem zweiten Tenor zugeordnet, dem mithilfe des Call-and-Response-Schemas von den anderen Dreien geantwortet wurde. Außerdem ähnelten die Harmonien in ihrer enggeführten Struktur schon dem Barbershop, einem jüngeren Stil, wie im folgenden Kapitel beschrieben wird. Trotz der engen Stimmsetzung waren die Stimmen dennoch als vier verschiedene wahrzunehmen, die sich im Hinblick auf Dynamik von einem Pianissimo-Flüstern bis zu einem Fortissimo23 24 25 Ebda Vgl. Angerer 2009: 67 Vgl. Hiroshi Garrett 2013, Band 3: 559-560 9 Höhepunkt erstrecken konnten. Die Tradition des Gospel-Quartetts beinhaltet auch für die damalige Zeit besondere stimmliche stilistische Merkmale: Techniken wie „scooping“, bei dem Töne am Beginn von unten angeschliffen werden, das Hinauf-und Hinuntergleiten eines Tones – „sliding“ genannt, sowie das Beenden eines Wortes mit einem schlichten Summen sind Neuerungen, die das Naheverhältnis des Gospels zum Jazz sehr eindrücklich unter Beweis stellen.26 Weltweite Bekanntheit erlangte die Gospel-Szene erst mit dem Aufstreben von Solokünstlern wie MAHALIA JACKSON Ende der 1940er Jahre. Aufgrund ihrer dunklen, voluminösen Stimme, die den ‚New Orleans-Sound‘ mit unübertroffener religiöser Leidenschaft kombinierte, zählte sie zu den berühmtesten Gospelsängerinnen der USA.27 Generell wurden Solisten in dieser Ära von einem großen Chor und/oder einem Klavier begleitet, was die Stimmgewalt der Einzelpersonen noch einmal stärkte und durch den wuchtigen, berührenden Klang zu einer sehr massentauglichen Kunstform wurde, sodass Auftritte eines Gospelchores im Fernsehen längst keine Seltenheit mehr waren.28 2.4. Barbershop und ‚Close Harmony Singing’ Barbershop ist eine Kunstform der Vokalmusik, die heute nur mehr sehr wenig mit der ursprünglichen Bedeutung des Begriffes zu tun hat – obwohl sich dieser gut auf die Musik umlegen lässt, da in dieser Stilrichtung mit Tönen „geföhnt“ wird. Ausgangspunkt in der Entstehungsgeschichte waren tatsächlich die Frisiersalons im viktorianischen Amerika im 19. Jahrhundert. Zur damaligen Zeit waren Frisiersalons nicht bloß auf einer zweckmäßigen Existenz aufgebaut, viel mehr waren sie ein wichtiger Gesellschaftstreffpunkt, an dem sich Männer die Wartezeiten durch improvisierte Gesänge verkürzten.29 Neben Frisiersalons kam das ‚barbershop singing‘ wenig später in sogenannten ‚Vaudevilles‘, 26 27 28 29 Vgl. Angerer 2009: 67-68 Vgl. Hiroshi Garrett 2013, Band 3: 563 Vgl. Angerer 2009: 69 Vgl. http://www.barbershop.de/de/barbershop/musik/index.html [28.04.2015] 10 welche mit dem Varietétheater gleichzusetzen sind, zum Einsatz. Derartige Vaudevilles entstanden ab 1890 in allen größeren Städten der USA. 30 Barbershop ist eine Vokalkunst, die lange Zeit der weißen Bevölkerung Amerikas zugeschrieben war. Dennoch ist es schwer, einzelne Gattungen strikt voneinander abzugrenzen und so ist es wahrscheinlich, dass beispielsweise die Gospelmusik der schwarzen Bevölkerung sehr wohl einen Einfluss auf Barbershop hatte, so wie Barbershop wieder Einflüsse auf andere Stile hatte.31 Gesungen wurde der Stil von einem männlichen Barbershop Quartett, dessen Stimmen in zwei Tenöre, sowie Bariton und Bass zu unterteilen sind. Lange Zeit war diese Richtung nur den Männern vorbehalten und doch entstanden im 20. Jahrhundert auch reine Frauenensembles. Über die Frage, ob eine Mischung von Männern und Frauen innerhalb eines Ensembles erlaubt ist, wird häufig diskutiert. Von Gegnern wird oft behauptet, dass nur im Hinblick auf das Geschlecht reine Ensembles das erstrebte volle Stimm- und Klangvolumen, das in der Fachsprache auch ‚expanded sound‘ genannt wird, erreichen können. 32 Ein stilistisches Merkmal im Barbershop ist die parallele Stimmführung der einzelnen Stimmen. Zu einer Melodie verlaufen die restlichen Begleitstimmen häufig in Quint-, Quart-, und Terzparallelen, wodurch häufig nicht funktionale Zusammenklänge entstehen.33 Die Melodie wird meist vom zweiten Tenor übernommen, auch „Lead“ genannt; harmonisch gesehen werden sehr oft Septimen verwendet. Um die homophone Struktur der Arrangements zu variieren und neuwertige Strukturen zu erschaffen, kamen Techniken wie „snakes“ oder „swipes“, sprich eine oder mehrere Begleitstimmen verändern die Tonhöhe um somit in einen neuen Akkord zu „rutschen“, zum Einsatz.34 Die Liedtexte der Gattung Barbershop sind häufig nostalgisch angehaucht, da sie von den sozialen Normen und dem bildhaften viktorianischen Amerika handeln. Auch die viktorianische Art, um eine Geliebte zu werben, gleichgeschlechtliche Kameradschaft, Mode oder Erfindungen werden im 30 31 32 33 34 Vgl. Averill 2003: 55 Vgl. Angerer 2009: 70-71 Vgl. http://www.barbershop.de/de/barbershop/musik/index.html [28.04.2015] Vgl. Ruf, Band 1: 156 Vgl. Hiroshi Garrett, 2013 Band 1: 347 11 Barbershop thematisiert. Diese Themen ergeben sich ganz klar durch den Umstand, dass die erste Blütezeit des Barbershop die Zeitspanne von 1890 bis 1910 umfasste, in der auch viele professionelle Gruppen entstanden.35 Eine weitere Grundlage des Barbershops ist die ‚close harmony‘-Technik, die sich auf die Stimmsetzung bezieht. Bei dieser Technik ist das Arrangement in Akkordblöcken angeordnet, beziehungsweise verlaufen die einzelnen Stimmen in geringem Abstand zueinander, was sich für eine gemischte Besetzung ohnehin sehr schwierig gestalten würde. Bei der Entwicklung dieser Technik haben interessanterweise Österreich und Deutschland aufgrund von exportierten Volksliedern einen Beitrag geleistet. Desweiteren gab es auch Gruppen wie zum Beispiel die österreichische Familie Rainer, die als „Tyrolese Minstrels“ in den USA einen Namen machten und mit ihnen das österreichische Volksliedgut.36 Es gibt aber eine weitere Entstehungsgeschichte des ‚close harmony singing‘ Gruppe, welche die scheinbar beeinflusst haben soll, nämlich die schwarze Bevölkerung der Südstaaten, wie aus einem veröffentlichten Artikel einer afroamerikanischen ‚Society‘ hervorgeht: „There is no basis in fact that close harmony started in barbershops, or was confined to barbershops. There is a greater indication that close harmony originated in the south, with the negro slaves singing – their worksongs on the plantations and levees, and their singing of spirituals, and folksongs during their leisure time. This most certainly was not arranged music. It was original, and spontaneous… It would be a safe bet that a great majority of our members were singing close harmony before they ever heard it called barbershop.”37 Wo letztlich die wahren Wurzeln des Barbershop liegen, kann heute wahrlich niemand mehr beweisen. Klarerweise haben neue Musikstile die verschiedensten Einflüsse, und sobald ein neuer Stil erfolgreich wird, gibt es die Streitfrage nach dem Ursprung, der vielfältig interpretiert werden kann. Fakt ist jedoch, dass Barbershop wirklich als frei improvisierte Musik entstanden ist und den Namen des Ortes trägt, an dem die Sänger diesem Stil hauptsächlich nachgegangen sind. Noten sind im Barbershop verpönt: Wurde man in der 35 36 37 Vgl. Hiroshi Garrett 2013, Band 1: 347 Vgl. Angerer 2009: 71 Gage 2003: 10 12 Entstehungszeit als unbegabt angesehen, wenn man Noten verwendete, so sollten heute Noten zumindest nur dem Zweck des Einstudierens dienen.38 Wie bereits kurz erwähnt, nahm die Blütezeit des Barbershops am Anfang des 20. Jahrhunderts ein jähes Ende, da ab 1920 durch das Aufstreben von Radio, Aufnahmen, sowie populäreren Genres wie beispielsweise Jazz, konzertante Aufführungen von Barbershop Quartetten in den Hintergrund gerückt wurden. Letztere Gattung kehrte kurz darauf ab Anfang der 1930er-Jahre im Zuge eines nostalgischen „Revivals“ wieder an die Oberfläche zurück. Dazu trug sicherlich auch die Gründung der ‚Barbershop Harmony Society‘ im Jahr 1938 bei, die fortan auch Wettbewerbe für Quartette und Chöre organisierte. Heute hat diese Vereinigung ungefähr 30.000 Mitglieder mit untergeordneten Organisationen in neun Ländern, unter anderem auch Deutschland.39 2.5. Doo-Wop Doo-Wop, entstanden in den 1950er Jahren in den USA, ist eine Form des Acappella-Gesangs, der sich mit der Vertonung von Nonsens-Silben beschäftigt. Beeinflusst von anderen Stilen wie Gospel oder R&B, wurde Doo-Wop anfangs von der afro-amerikanischen Bevölkerung der USA praktiziert und wird außerdem als Vorläufer von Soulmusik gehandelt. In seiner rein vokalen Form handelt es sich bei Doo-Wop meist um einen Background-Chor zu LeadStimmen. Wichtig ist bei der Verwendung dieses Begriffs, dass sich dieser rein auf den Doo-Wop-Stil und seine Merkmale bezieht – es kann also kein exklusives „Doo-Wop-Lied“ beziehungsweise keine „Doo-Wop-Gruppe“ geben, sondern beide können Elemente des genannten Stils aufweisen. Dies sei gleich zu Beginn angemerkt, da der Terminus oft falsch eingesetzt wird. Anfänglich wurden Lieder mit Doo-Wop-Elementen mit dem Stil „Vocal Group Harmony“ gleichgesetzt. Diese Bezeichnung ist dennoch zu unspezifisch, da auch Gruppen wie die „Beatles“ sich der Vocal Group Harmony bedienen, jedoch keine Spuren des Doo-Wops aufweisen. Folglich ist es naheliegend, Doo-Wop 38 39 Vgl. http://www.barbershop.de/de/barbershop/musik/index.html [28.04.2015] Vgl. Hiroshi Garrett 2013, Band 1: 348 13 als eine Subkategorie der Vocal Group Harmony, die sich durch spezielle charakteristische Merkmale auszeichnet, zu bezeichnen.40 In ihrem Buch „Doo-Wop – the forgotten Third of Rock’n’Roll” beschreiben die Autoren ANTHONY J. GRIBIN und MATTHEW M. SCHIFF die verschiedenen Komponenten des Doo-Wop: Der Stil weist neben dem zentralen Bestandteil der Nonsens-Silben viele weitere charakteristische Merkmale auf, wie zum Beispiel Vocal Group Harmony, ein weitreichender Stimmumfang der Sänger, ein einfacher Rhythmus sowie leichte Instrumentierung und zuletzt einfache Liedtexte.41 Unter dem Begriff Vocal Group Harmony versteht man in ihrer Lage weit auseinander reichende Stimmverteilung, die sich aus dem aus dem Barbershop bekannten Modell TTBB zusammensetzt. Gewöhnlich reichen die Stimmen der Vocal Group Harmony von einem Bass bis zu einem hohen Tenor oder sogar Falsetto. Mit ihrer ‚group harmony‘ bilden sie entweder das Echo des Leadsängers oder begleiten diesen. Die Stimmen von Bariton und zweitem Tenor sollen dabei verschmelzen, sodass möglichst ein Klang entsteht, während die Falsetto-Stimme sich über der des Leadsängers bewegt und der Bass dem Ensemble die Grundfesten verleiht. Im Gegensatz zum Barbershop ist die Vocal Group Harmony nicht Träger der Haupstimme. Diese Konstellation kommt bei Doo-Wop ohne Ausnahme immer zum Einsatz. Solokünstler ohne solches Ensemble werden aus der Doo-Wop Kategorie ausgeschlossen.42 Ein weiterer Bestandteil der Vocal Group Harmony im Doo-Wop sind sognannte ‚Blow Harmonies‘. Diese neue Background-Begleittechnik ersetzte das bis dato gebräuchliche Summen. Die Bezeichnung dieser Harmonien ist auf die Erzeugungsweise zurückzuführen, genauer auf die aus dem Mund ausströmende Luft, die in Klängen wie „ha-oo“ oder „ah-hoo“ resultiert. Ein gelegentlich verwendetes harmonisches Stilmittel des Doo-Wop sind Stück für 40 41 42 Vgl. Gribin 1992: 16 Vgl. Gribin 1992: 17 Vgl. ebda. 14 Stück aufgebaute Akkorde, bei denen meist der Bass beginnt und die restlichen Stimmen nacheinander einsetzen, bis sich eine vollwertige Harmonie ergibt.43 Die Hauptstimme im Doo-Wop wird hauptsächlich von einem Tenor übernommen, dennoch ist dies aber abhängig vom Stil des Lieds. In schnelleren Songs übernimmt der Bass meist die Hauptstimme, während in Balladen der Lead auch gerne von der Falsettostimme übernommen wird. Neben seiner Grundton-Funktion übernimmt der Basssänger auch weitere Aufgaben, wie zum Beispiel eine Einleitung zum Lied, oder er wird zur „talking bridge“, bei der der Liedtext in der Mitte eines Liedes in Form eines Rezitativs zum Ausdruck gebracht wird. Überdies kann der Bass, wie es heutzutage in Acappella-Arrangements schon Usus ist, im Doo-Wop eine perkussive Funktion haben. Die Autoren GRIBIN und SCHIFF beleuchten in ihrem Buch auch die veränderten Bedingungen von weiblichen Doo-Wop-Ensembles: Aufgrund der natürlichen Stimmphysiologie ist es nicht möglich, die Bass-Funktion zu erfüllen, wie es in diesem Stil üblich ist. Aus diesem Grund wurden in den 1950er Jahren kontrastierende tiefere Stimmen als Substituten in Frauenensembles zugelassen.44 Die folgende Grafik soll einen Überblick über ein typisches Doo-WopArrangement von Beginn bis zum Ende des ersten Refrains geben. Wie schon erwähnt, nimmt der Bass dabei die Sonderrolle ein, das Lied einzuleiten, sowie das Ende des Refrains zu markieren. Abseits der solistischen Einwürfe bilden Bass und Tenor, wenn nicht gerade als Falsetto im Einsatz, gemeinsam mit den restlichen Stimmen das harmonische Gerüst:45 43 44 45 Vgl. Angerer 2009: 75 Vgl. Gribin 1992: 17-18 Vgl. Gribin 1992: 18 15 Abbildung 1: Doo Wop Als weiteres Merkmal des Doo-Wop tritt wie schon anfangs erwähnt die Verwendung von Nonsens-Silben, die im englischen Sprachgebrauch keinen Sinn ergeben, in Erscheinung. Diese sind aber keinesfalls als exklusive Erfindung des Doo-Wop zu betrachten, sondern vielmehr wurden Silben wie ‚doo-wop‘ oder ‚doo-wah‘ schon in traditionsreichen westafrikanischen Gesängen und in frühen Jazzstilen verwendet. Darüber hinaus sind NonsensSilben fixer Bestandteil des ‚Scat-singing‘ im Jazz. Im Doo-Wop wurden diese spontan geäußerten Silben dann zu regelmäßigen repetitiven Patterns zusammengefasst, die schlussendlich als Aushängeschild des Stils angesehen wurden und überdies als Namensgeber des Stils fungierten. Zu den bekanntesten Songs im Doo-Wop-Stil zählen zum Beispiel Rama Lama Ding Dong von den „Edsels“ oder Sh-Boom von der Gruppe „The Chords“.46 An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass Doo-Wop nicht zur reinen Acappella-Musik zählt, aber aufgrund der Arrangiertechniken auf jeden Fall als ein Wegbereiter des modernen A-cappella-Pops angesehen werden muss. Ursprünglich wurden Doo-Wop Songs rein von menschlichen Stimmen vertont, aber als diese neue Form in den 1950er Jahren große Beliebtheit erlangte, wurde bei professionellen Studioproduktionen oft eine instrumentale Begleitung hinzugefügt. Bei solchen Produktionen kamen hauptsächlich Instrumente wie Klavier, Gitarre, Saxophon und Schlagzeug zum Einsatz. Dennoch blieb das 46 Vgl. Angerer 2009: 76 16 Vokalensemble als zentrale Komponente eines Doo-Wop-Arrangements im Vordergrund.47 Doo-Wop-Songs sind auch bekannt für ihre einfachen Melodien, die über simple Akkordfortschreitungen – meist sind es nur vier Akkorde – gelegt werden. Oft wurde bei Coverversionen im Doo-Wop-Stil die Melodie vereinfacht, damit sie mit dem harmonischen Grundgerüst in Einklang stehen konnte. Im Bezug auf Liedtexte besannen sich Interpreten neben der NonsensSilben auf Einfachheit:48 „Lyrics written for doo-wop songs tend to be repetitive, simple, dialectical, hackneyed [trivial] and occasionally ungrammatical, yet are still able to transcend the banalities to convey genuine feelings of tenderness and love.”49 Alle bisher genannten Kriterien müssen erfüllt werden, um überhaupt vom Genre Doo-Wop sprechen zu können. Hierbei ist es einfacher, einzelne Lieder dem Stil zuzuordnen als Interpreten und Gruppen, da es nur wenige Bands bzw. Ensembles gab, die sich ausschließlich diesem einen widmeten. Einige von ihnen waren zum Beispiel „The Paragons“, die „Bop Chords“ oder die „Earls“. Viele andere Gruppen unternahmen nur kurze Ausflüge in Richtung Doo-Wop und wandten sich nachher wieder anderen Stilen zu.50 Neben den musikalischen Merkmalen muss nun das Augenmerk auf die eigentliche Entstehungsgeschichte des Doo-Wop gerichtet werden, da diese die Wichtigkeit des rein vokalen Aspekts des Genres unterstreicht. Begonnen hat die Entwicklung dieses neuen Stils in den urbanen Nachbarschaften der afroamerikanischen Arbeiter- und Mittelschicht im Nordosten der USA.51 Ein Grund für die wachsende Popularität dieses neuen Genres in Städten wie New York City, Baltimore und Chicago war die Tatsache, dass die neue Musikrichtung vorwiegend a-cappella Musikinstrumente beziehungsweise afroamerikanischen Bewohnern solcher vorgetragen das werden Erlernen städtischer konnte, dieser, Siedlungen da den schwer 47 Vgl. Gribin 1992: 21 Vgl. ebda 49 Gribin 1992: 21 50 Vgl. Angerer 2009: 77 51 Vgl. Price 2011, Vol 1: 297 48 17 zugänglich war. Doo-Wop Gruppen waren dafür bekannt, sich mit genug Hall versehene Probenlokalitäten ausgesucht zu haben, an denen sie gut gehört werden könnten. So kam es zum Beispiel vor, dass besagte Gruppen aufgrund der guten Akustik auf Highschool-Gängen und WCs oder unter Brücken probten und anschließend ihr Repertoire an Straßenecken aufführen konnten. 52 Die meisten Ensembles fanden sich aber nicht auf der Straße, sondern waren vielmehr schon im Vorhinein, entweder in Schulen oder in Kirchen, entstanden, mit dem klaren Ziel, auf der Straße zu brillieren um Freunde und vor allem Mädchen zu beeindrucken.53 Aufgrund der musikalischen Einfachheit war Doo-Wop unter Musikproduzenten ein gern gesehenes Genre, das auch von kleinen Firmen mit niedrigem Budget produziert werden konnte. Allerdings wurde dieser Aspekt den Musikern und Produzenten wieder zum Verhängnis, da es für größere Labels einfach war, die erfolgreichen Doo-Wop Hits auf kostspieligerem, höherem Niveau mit vermehrter instrumentaler Begleitung und einer weißen A-cappella Gruppe neu aufzunehmen. Auf diese Weise wurde der Doo-Wop auch unter die weiße Bevölkerung, die das eigentliche „Pop“-Zielpublikum verkörperte, gebracht. Zu spüren bekam das die bereits erwähnte Gruppe The Chords, deren Hit ShBoom von der weißen Gruppe „Crew-Cuts“ erfolgreich gecovert wurde.54 Damit einherging aber mit Sicherheit die Schnelllebigkeit der wechselnden musikalischen Stile während der 1950er Jahre, die neben dem Doo-Wop auch von Stilen wie ‚Rockabilly‘ und ‚R&B‘ geprägt waren: „ The combination of new white groups perfoming in an older style with a new market for certain older R&B groups is largely responsible for contemporary notions of what constitutes doo-wop. In the ever-shifting world of 1950s R&B, vocal harmony groups had adapted to many different musical styles, in addition to creating some of their own.”55 52 53 54 55 Vgl. http://www.britannica.com/EBchecked/topic/169221/doo-wop [17.05.2015] Vgl. Angerer 2009: 78 Vgl. http://www.britannica.com/EBchecked/topic/169221/doo-wop [17.05.2015] Price 2011, Vol 1: 302 18 3. A-cappella und Pop Nach einer überblicksmäßigen Zusammenfassung der Frühgeschichte der amerikanischen Vokalmusik rückt das eigentliche Thema dieser Diplomarbeit, wie der kontemporäre Popsound in den Arrangements der populären Acappella Gruppe Pentatonix umgesetzt wird und die Frage nach der Popstarähnlichen Vermarktung einer A-cappella-Gruppe, immer näher. Deshalb soll in diesem Kapitel erläutert werden, was den kontemporären Popsound eigentlich ausmacht und ob die Möglichkeit besteht, dass A-cappella überhaupt auf kommerziellen Radiosendern gespielt werden kann. Zu diesem Zweck soll auch der musikproduktionstechnische Aspekt beleuchtet werden, welche computergestützten Mittel uns heutzutage zur Verfügung stehen, um eine „reine“ Vokalmusik mit instrumentalem Mainstream-Pop konkurrenzfähig machen zu können, wie es bei Pentatonix der Fall ist. 3.1. Vocal Percussion und Beatboxing als Elemente moderner A-cappella Musik Während im Doo-Wop noch reine Body Percussion, bestehend aus Schnippen der Finger, Verwendung fand, orientiert sich moderne A-cappella Musik sich an ausgereifteren rhythmischen Elementen. Viele moderne A-cappella Gruppen haben diese rhythmische Komponente auch anhand ihrer Besetzung verankert, da viele Gruppen über einen eigenen Beatboxer bzw. Vokalperkussionisten verfügen, um Popsongs möglichst originalgetreu, aber trotzdem nur durch Stimmen covern zu können. Zwischen den Termini ‚Vocal Percussion‘ und ‚Beatboxing‘ besteht dennoch ein Unterschied, obwohl die Grenzen zwischen beiden Formen nicht auf Anhieb zu erkennen sind: Vocal Percussion bezieht sich auf die Sounderzeugung mit dem Mund. Das oberste Ziel hierbei ist es, die Klänge eines Drumsets möglichst realitätsgetreu zu imitieren. Ein Beatboxer hingegen produziert und imitiert neben Drumset-Sounds auch Scratches oder elektronische Klänge, wie beispielsweise Synthesizer. Folglich kann Beatboxing als Form oder Weiterentwicklung von Vocal Percussion angesehen werden. Im A-cappella-Bereich und insbesondere bei Covers von Popsongs kommen 19 aufgrund der realitätsnahen Umsetzung von perkussiven Klängen eher vokale Perkussionisten zum Einsatz, wobei sich die Grenze zwischen beiden Formen nicht immer genau einhalten und erkennen lässt.56 Im speziellen Fall der für diese Arbeit wichtige Gruppe Pentatonix ist aber von einem Beatboxer die Rede, da dieser einerseits die Arrangements auch immer durch Beatbox- spezifische Sounds bereichert und diese Bezeichnung auch offiziell durch die Gruppe kommuniziert wird. Aus diesem Grund wird anschließend nicht mehr zwischen beiden Formen differenziert, da Vocal Percussion ohnehin Teil von Beatboxing ist. 3.1.1. Geschichte des Beatboxing Die Anfänge des Beatboxing liegen weiter zurück, als man erahnen würde: Bereits ab dem Ende des 15. Jahrhunderts bedienten sich südfranzösische Troubadours vokalen Perkussionsformen, um ihren Barbershop-ähnlichen, homophonen Gesängen einen ganzheitlichen Ausdruck zu verleihen. Doch viel eindeutigere Vorformen von Beatboxing findet man außerhalb von Europa, wie beispielsweise in Indien oder in Afrika. In ersterem Land wurden jahrhundertelang sogenannte ‚vocal bols‘ verwendet. Dabei handelt es sich um die Klänge einer Handtrommel, auch ‚tabla‘ genannt, die vokalisiert und in vierschlägige rhythmische Patterns aufgeteilt wurden, welche sich bis heute gehalten haben.57 In Afrika, genauer in Namibia, Botswana und Angola, lässt sich eine Parallele zwischen herkömmlichen Beatbox-Sounds und Lauten des gewöhnlichen Sprachgebrauchs der südafrikanischen Khoisan-Sprachen herstellen. Diese verfügen über 80 Klicklaute, die hauptsächlich durch die schnelle Wegbewegung der Zunge vom Gaumen entstehen und dadurch mit dem spezifischen, schwierig zu erlernendem Sound der Inward-Snare-Drum aus dem Beatboxing gleichzusetzen ist.58 Darüber hinaus ist Body Percussion wie Stampfen und Klatschen ohnehin Bestandteil afrikanischer Folkloremusik, bei 56 57 58 Vgl. http://www.humanbeatbox.com/article/history-of-beatboxing-part-2/ [17.05.2015] Vgl. http://www.humanbeatbox.com/article/history-of-beatboxing-part-1/ [17.05.2015] Vgl. Regelsberger 2014: 15 20 der auch lautes Ein-und Ausatmen als zweischlägiger Rhythmus verwendet wurde. Diese Traditionen kamen mit der Sklaverei schließlich nach Amerika, wo afroamerikanische A-cappella-Ensembles schon im 19. Jahrhundert von Vocal Percussion Gebrauch machten, um beispielsweise Temposchwankungen während des Singens vorzubeugen.59 Diese Tradition wurde im später im Jazz fortgesetzt: “When bebop arrived in the 30’s, as a reaction to large swing groups and their lack of improvisation it was becoming the norm to hear jazz and blues singers wail, moan or grunt noises unidentifiable to the human ear as words. ‘Scatting’ was used as jazz singers improvised harmonic and vocal scales over solos or instrumentals. This was the first mainstream look at what would become vocal percussion, and later beatboxing.”60 Der ursprüngliche Ansporn Melodieinstrumente und Drumset-Klänge nachzuahmen hatte den Grund, dass man deren Fehlen kompensieren wollte und somit wurde wenig Anspruch an eine künstlerisch wertvolle Tätigkeit gestellt. Dies veränderte sich in den USA am Beginn der 1920er Jahre, als Radio und Schallplatte der breiten Masse zugänglich wurden und somit einige Stimmakrobaten in Erscheinung traten. Einer dieser Pioniere war der Synchronsprecher MEL BLANC, der seine Stimme bekannten Comic-Figuren wie beispielsweise „Bugs Bunny“ oder „Woody Woodpecker“ lieh und damit große Berühmtheit erlangte. Später, in den 1960er Jahren experimentieren auch Künstler aus dem Rock- und Popbereich mit Vocal Percussion: So sind vokale, mit Hall aufgebesserte Snare-Sounds Teil des Beatles-Songs Come Together.61 Die Bezeichnung ‚beatboxing‘ ist eine ursprüngliche Weiterentwicklung des Begriffs ‚beat box‘, was auf Deutsch mit ‚Rhythmusmaschine‘ übersetzt werden kann. Die erste solche Rhythmusmaschine war der sogenannte „Wurlitzer Sideman“, der tatsächlich aus einer großen Box bestand und daher namensgebend für eine eine völlig neue vokale Aufführungspraxis war.62 Beatboxing, so wie es heute in seinem urbanen Erscheinungsbild und der 59 60 61 62 Vgl. http://www.humanbeatbox.com/article/history-of-beatboxing-part-1/ [17.05.2015] http://www.humanbeatbox.com/article/history-of-beatboxing-part-1/ [17.05.2015] Vgl. Regelsberger 2014: 16-17 Vgl. http://www.humanbeatbox.com/article/history-of-beatboxing-part-2/ [18.05.2015] 21 Verbindung zu speziellen musikalischen Genres bekannt ist, besteht aber erst seit einer Ära, die mit der Bezeichnung ‚Oldschool Beatbox‘ versehen wurde. Die Strömung des Oldschool Beatbox bezieht sich hauptsächlich auf die Erzeugungsart der verschiedenen Sounds: In dieser Zeit werden perkussive Klänge rein durch Lippenkraft erzeugt, wodurch auch mehrere Geräusche, wie beispielsweise ‚humming‘ (Summen) und durchgehende Beats produziert werden. Eine zentrale und prägende Figur dieser Ära ist der Beatboxer RAHZEL. Eine konträre Bewegung, die sich Newschool Beatbox nennt, beschäftigt sich mit einer anderen Art der Erzeugungsmöglichkeiten von Sounds, nämlich durch Luft. Geräusche wie Kicks, Snares und Hi-Hats werden mit einem hohen Anteil an Luft erzeugt und können deshalb nicht gleichzeitig produziert werden. Dennoch gibt es hier Tricks um diese Barriere zu umgehen. Durch elektronische Verstärkung mit einem Mikrophon ähnelt Newschool Beatbox einem Schlagzeug am meisten.63 Oldschool Beatbox baute auf der aufstrebenden Hip-Hop-Welle auf. Schon in den 1970er Jahren entstand in US-amerikanischen Städten wie Chicago, Los Angeles und New York eine neue Form des Musizierens. Mit dem Aufstreben von Rapmusik stieg auch das Verlangen nach elektronischen Drum Machines beziehungsweise Synthesizern, zu denen man im Beat rappen konnte. Diese waren aber für einen Großteil der afroamerikanischen Bevölkerung nicht leistbar, weshalb man in ärmeren Gegenden wie beispielweise in dem New Yorker Stadtteil Bronx begann, die elektronischen Sounds rein mit den physiologischen Gegebenheiten des Menschen zu imitieren. Dies hatte auch zum Vorteil, dass die menschliche Stimme flexibler ist als die zur damaligen Zeit am Markt angepriesenen, technisch unausgereiften Drum Machines. So konnten Musiker spontan aufeinander reagieren und hatten desweiteren auch die Möglichkeit, die miteinander zu improvisieren und so neue musikalische Formen zu kreieren.64 63 64 Vgl. Wiechenthaler, Rieder 2012: 8 Vgl. Regelsberger 2014: 17-18 22 In den 1980er Jahren schafften es schließlich die ersten Pioniere, die USAmerikaner DARREN ‚BUFFY‘ ROBINSON, DOUG E FRESH und BIZ MARKIE, sich mit der Kunst des Beatboxens einen Namen zu machen. Robinson, der vor allem für seine Imitation von Hip-Hop-Rhythmen und eine Vielzahl an verschiedenen Soundeffekten bekannt war, nahm mit seiner Gruppe „The Fat Boys“ an einem Talentwettbewerb teil, wo sie sich durch ihren Gewinn einen Plattenvertrag sicherten. Ihr Kollege DOUG E FRESH, der seine Berühmtheit neben seinem unverwechselbaren Stil auch durch die Teilnahme als Beatboxer in einem Film erlangte, behauptet unterdessen, überhaupt der Erfinder des Beatboxens zu sein. Dass Beatboxen immer sehr eng mit Rap in Verbindung stand, unterstreicht der Musiker BIZ MARKIE, der aufgrund seiner speziellen Sounds der ‚Inward Handclaps‘ Bekanntheit erlangte.65 Nach dieser ersten Welle der Popularität einer neuen vokalen Perkussionsform ließ die Krise nicht lange auf sich warten: Aufgrund von neuen aufstrebenden Stilen in der Musikszene verblasste der Boom des Beatboxens, das bis dato häufig mit der Hip-Hop-Szene in Verbindung gebracht wurde, wieder. Die bis dahin bekannten Beats konnten mit den Trends der 1990er, zu denen Techno und Drum und Base zählten, nicht mehr mithalten. Daher wurde es notwendig, sich Beatbox-technisch an die Gegebenheiten anzupassen, weshalb der Stil Newschool-Beatbox aufflammte: Hier wird eine andere Atemtechnik verwendet, wodurch sich die Beats der neuen Musikstile druckvoller gestalten lassen. Daraus resultierte, dass dem Beatboxen auch im neuen Jahrtausend wieder volle Aufmerksamkeit geschenkt wurde.66 Einer der Wegbereiter für die enge Verbindung zwischen A-cappella-Gesang und Vocal Percussion bzw. Beatboxing ist der Musiker BOBBY MCFERRIN. Er ist derjenige, der diese Kunstform mit dem Singen, hauptsächlich im Bereich der Popularmusik, eingeführt hat mit dem Ziel, den Sängern eine Stütze zu sein und das Tempo während eines Liedes einfacher halten zu können.67 65 66 67 Vgl. http://www.humanbeatbox.com/article/history-of-beatboxing-part-2/ [18.05.2015] Vgl. Regelsberger 2014: 20 Vgl. http://www.humanbeatbox.com/article/history-of-beatboxing-part-2/ [18.05.2015] 23 Im Newschool-Beatbox, der wie eingangs erwähnt, sich durch eine andere Technik von seinen Vorformen abgrenzt, ist der Musiker und Beatboxer RAHZEL Brown vorherrschend. Er machte Beatboxing mit seinem 1999 erschienenen Album „Make the Music 2000“ massentauglich. Insbesondere ein zweiminütiger Hidden Track am Ende des Albums, in dem der Musiker die Grenzen seiner Kunstform auslotet, stieß auf allgemeine Begeisterung und Hochachtung.68 Überhaupt hatte Beatboxing ab der Jahrtausendwende einen anderen gesellschaftlichen Stellenwert: „Beatboxing has become more mainstream with artists such as Justin Timberlake and Daniel Beddingfield taking up the artform as well as artists such as Bjork using beatboxing as a basis for her music. […] The past five years have also seen the Internet become a method for networking beatboxers and defining the art form. Beatbox jamming and battling has grown in popularity and beatbox battles and competitions are happening with more regularity.”69 Unter Beatbox-Battle versteht man einen Wettkampf, der zwischen mindestens zwei anwesenden Beatboxern öffentlich ausgetragen wird. Hierfür gibt es meist eine Jury, welche die Musiker nach Kriterien wie Technik, Stil oder musikalischer Kreativität beurteilt. Ein solcher Auftritt kann entweder aus einer Soloperformance bestehen, oder aber gibt es die Möglichkeit, mit anderen Beatboxern gemeinsam aufzutreten. Bei letzterer Variante können die Musiker ihrem Publikum abwechselnd ihr Können demonstrieren. Jede Performance ist aber durch ein von der Jury festgelegtes Zeitlimit begrenzt. Beatbox-Battles haben neben dem konkurrierenden auch einen didaktischen Charakter des Miteinander-Musizierens und Voneinander-Lernens.70 Interessanterweise sind derartige „Kämpfe“ oft Teil von A-cappella- Wettbewerben, wie beispielsweise beim Grazer A-cappella-Wettbewerb Vokal Total, der jährlich stattfindet. Die Beatbox-Competition „Emperor of Mic“ ist nun schon ein Zusehermagnet und wartet mit den weltbesten Beatboxern auf, die in einem Battle jeweils zweimal 90 Sekunden Zeit haben ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, danach wird das Mikrophon leise geschalten und der nächste 68 69 70 Vgl. Regelsberger 2014: 20 http://www.humanbeatbox.com/article/history-of-beatboxing-part-3/ [18.05.2015] Vgl. Wiechenthaler, Rieder 2012: 7 24 Kandidat oder Kandidatin ist an der Reihe. Bei diesem speziellen Wettbewerb werden die Teilnehmer nach Technik, musikalischer Performance, Bühnenperformance, Arrangement und innovativen Fertigkeiten beurteilt. Jeder Gewinner des „Emperor of Mic“ qualifiziert sich damit für das kommende Jahr als Jurymitglied.71 3.1.2. Erlernen von Vocal Percussion und Beatboxing So wie das Beatboxen selbst durch die rasche Verbreitung im Internet einen wahren Boom erlebt hat, wird auch didaktisches Material auf Online-Portalen wie www.humanbeatbox.com oder anhand von YouTube-Videos der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Da Vocal Percussion als allgemeine Kunstform heutzutage ein fixer Bestandteil von A-cappella-Gruppen ist, gibt es zahlreiche Experten, die sich die Weitergabe ihrer Fähigkeiten zum Ziel gesetzt haben. An dieser Stelle muss der britische Beatboxer TYTE genannt werden, der mit seinen motivierenden, humorvollen Videos einer der didaktischen Wegbereiter des Beatboxens war und immer noch ist. Auf zuletzt genannter Website hat er unzählige Videos veröffentlicht, anhand derer eine weite Bandbreite an Sounds und Beats erlernt werden kann, welche wiederum in ganzen Unterrichtseinheiten zusammengefasst sind. An dieser Stelle soll ein kurzes Beispiel einer solchen Unterrichtseinheit mit den reinen Basics folgen, damit man als Leser oder Leserin einen Eindruck bekommt, wie komplex die Materie des Beatboxens ist. In folgender ‚Lesson 1‘, die sich aus zwanzigminütigem Videomaterial sowie Arbeitsblättern für Gruppenunterricht zusammensetzt, gibt auch eine kurze Zusammenfassung Auskunft über die Inhalte der Unterrichtsstunde: „This first lesson is designed to get you beatboxing. It teaches the three basic sounds (kick, hi-hat and snare) used to make a beatboxing beat and combines these three sounds into a simple beat pattern. You are introduced to SBN (Standard Beatbox Notation) – a simple way off writing beatboxing for students unfamiliar with music theory. […] At the end of the lesson you will be able to: 71 Vgl. http://www.empofmic.com/battle/index.php [19.05.2015] 25 1. Demonstrate the difference between plosives and fricatives. 2. Demonstrate the difference between an unforced and forced plosive. 3. Make a simple beat pattern with a kick { B ], Hi-hat { t } and Snare { Psh } sounds.”72 Der oben angeführte Terminus ‚Standard Beatbox Notation‘ bezieht sich auf eine eigens für das Beatboxen eingeführte, textbasierte Schreibweise, bei der auf klassische Notenschrift verzichtet wird. Ein Standardbeat wird beispielsweise schlichtweg mit den Buchstaben „b - z- k - z“ notiert, was den Nachteil mit sich bringt, dass diese Aufschlüsselung unpräzise ist und zu Verwechslungen führen kann, wenn nicht zusätzliches Audiomaterial vorhanden ist. Mit dem Buchstaben <k> könnten also sowohl eine Classic-Snare, eine Inward Snare oder eine k-Snare gemeint sein. Da beim Beatboxen, dem ein improvisatorischer Zugang zur Musik zugrunde liegt, anders als in der klassischen Musik, dem Notieren von Beats keine große Aufmerksamkeit geschenkt wird, erfolgt auch die Weitergabe von neuen Rhythmen nicht lediglich in geschriebener Form.73 Ein weiteres Lehrwerk, sogar österreichischen Ursprungs, ist das 2012 veröffentlichte Buch „The Real Beatbox School – Beatboxing für Unterricht und Selbststudium“ von WERNER DAVID W IECHENTHALER und THOMAS RIEDER, der selbst als Beatboxer mit seiner Gruppe „Massive Beats Crew“ dreifacher österreichischer Staatsmeister im Beatboxing wurde.74 „The Real Beatbox School“ ist eine didaktische Anleitung für Anfänger und wie die Unterrichtseinheiten der vorher genannten Online-Plattform in verschiedene Levels unterteilt. Die Autoren legen Wert darauf, ihr Werk einem möglichst breitgefächerten Publikum zugänglich zu machen, wie sich an der eigens dafür kreierten Notationsform erkennen lässt: 72 73 74 http://www.humanbeatbox.com/lesson/lesson-1-the-basics/ [20.05.2015] Vgl. Regelsberger 2014: 34 Vgl. Wiechenthaler, Rieder 2012: 60 26 Abbildung 2: Notation „The Real Beatbox School“ In der ersten Zeile, auch Atmungszeile genannt, wird den Lernenden mittels Pfeilen gezeigt, wann ein- bzw. ausgeatmet werden soll. Die Buchstaben [f], [s] und [he] signalisieren das Ausatmen, während die Laute [hi] und [ha] Einatmung bedeuten. Unter dieser Zeile befindet sich die Wortzeile, in der die Beats mit Hilfe von Silben als gesprochene Wörter ausgeschrieben werden, was dem leichten Einprägen der Patterns dienen soll. In der folgenden Zeile wird anschließend der Beat selbst notiert, angelehnt an eine Schlagzeugnotation mit Liniensystem. Schlussendlich bietet das Lehrwerk seinen Lernenden auch noch eine Noten- und Zählzeile an, in der die Beats für alle Notenleser mit Notenwerten notiert sind.75 „The Real Beatbox School“ soll also alle möglichen Notationsmöglichkeiten zusammenfassen; so kann dieses Werk zum Beispiel auch im Chor- und Acappella-Bereich – im Vergleich zu den Online-Videos – mannigfaltig eingesetzt werden und schnell zum Ziel führen, da neben innovativen Darstellungsformen auch auf die herkömmliche Notenschreibweise Wert gelegt wird. Natürlich sind die beiden in diesem Kapitel aufgezeigten Beatbox-Schulen nur als Beispiele zu betrachten. Das Beatboxen ist eine sehr weitläufige und noch wenig erforschte Kunstform, die noch lange nicht am Zenit angelangt ist. Mit der Veränderung 75 Vgl. Wiechenthaler, Rieder 2012: 16 27 der instrumentalen Stile und Beats wird sich wohl diese spezielle Form der Vocal Percussion in Zukunft weiterentwickeln. 3.2. Der kontemporäre Popsound Der englische Begriff Sound, zu Deutsch ‚Klang‘, bezieht sich im heutigen Kontext auf die Gesamtheit aller Faktoren, welche die sinnliche Qualität von Musik bestimmen. Im Gegensatz dazu ist mit der ursprünglichen Verwendung des Begriffs Sound im Bezug auf die Rockmusik das zentrale strukturelle und ästhetische Kriterium des Musizierens gemeint. Diese Gesamtheit aller Faktoren umschließt zahlreiche Aspekte, wie beispielweise die Technik oder der Einsatz von Effektgeräten. Der technische Aspekt kann hierbei in mehrere Teile untergliedert Instrumentenfabrikates, werden, über angefangen geeignete bei der Mikrofonierung Wahl bis hin des zu verschiedenen Verstärker- und Lautsprechertypen. Zu weiteren Faktoren zählen die Aufnahmevorgänge im Studio, aber auch rein künstlerische, wie Interpretation, Spieltechnik, Spielweise oder Phrasierung, sowie das Arrangement einer Komposition. Die Auswirkung dieser Parameter auf die klangliche Qualität hat eine Ausweitung dieser auf eine Mehrzahl an Formen in der zeitgenössischen populären Musik veranlasst. Deshalb können diese kleinen Formen nicht mehr in Stilen, sondern in kleineren Einheiten, den Sounds, zusammengefasst werden.76 Nach der eigentlichen Definition des Terminus Sound beschäftigt sich das folgende Kapitel mit den Merkmalen des kontemporären Popsounds im Bereich des Mainstreams. Hierbei wird nicht so sehr auf die einzelnen Stile im Pop Rücksicht genommen, sondern eher auf verbindende klangliche Merkmale von Musik, die zum Beispiel auf Mainstream-Radiosendern gespielt wird. Außerdem wird erörtert, welche Formen der Soundbearbeitung einem Musiker heutzutage zur Verfügung stehen, egal ob diese den Bereich der Soundkorrektur oder der Soundgestaltung betreffen. Diese grundsätzliche Fragestellung bedarf einer Antwort im instrumentalen Sektor, bevor sie auch auf den A-cappella-Bereich 76 Vgl. Wicke, Ziegenrücker 2007: 684-685 28 und insbesondere auf die Arrangements der Gruppe Pentatonix übertragen werden kann. 3.2.1. Klangmerkmale der kontemporären Popmusik Die kontemporäre Mainstream-Popmusik ist stark vom digitalen Zeitalter geprägt, da Songs oft nicht mehr in Proberäumen von Bands, sondern eher auf den Computern diverser Produzenten entstehen. Darüber hinaus ist zu beobachten, dass digitale Klänge vorherrschen, da Songs zum einen hauptsächlich aus synthetischen Klängen bestehen, beziehungsweise sogenannte ‚Sound Libraries‘ anstatt echter Instrumente beim Produzieren eines neuen Songs herangezogen werden. Unter ‚Sound Library‘ versteht man eine Sammlung von Klangeinstellungen, die von Nutzern selbst für ein Instrument angelegt werden können: Hier kommen sowohl die vom Hersteller installierten Werksounds, verbessert durch im Handel erhältliche Software, als auch eigene, neu entwickelte Klänge zum Einsatz. Diese Technik findet bereits seit den 1970er Jahren, als Klangeinstellungen von Synthesizern erstmals elektronisch extern und intern gespeichert werden konnten, Verwendung. 77 In den letzten Jahren haben einige Studien, wie beispielsweise die des ‚Spanish National Research Council‘ ergeben, dass kontemporäre Popmusik laut ist, beziehungsweise oberflächlich betrachtet Popsongs sehr ähnlich klingen. Im Zuge dieser Studie wurden Popsongs, die zwischen 1955 und 2010 veröffentlicht wurden, untersucht. Dabei wurde ein Pool von 464.411 Aufnahmen analysiert, was zu folgendem Ergebnis führte:78 „We prove important changes or trends related to the restriction of pitch transitions, the homogenisation of the timbral palette, and the growing loudness levels.”79 Ein weiteres Ergebnis dieser Studie war, dass sich die Bandbreite an verwendeten Klangfarben aufgrund der schwindenden Vielfalt an eingesetzten 77 Vgl. Wicke, Ziegenrücker 2007: 686 Vgl. http://www.theguardian.com/music/2012/jul/27/pop-music-sounds-same-survey-reveals [23.05.2015] 79 ebda 29 78 Instrumenten verringert hat und auch die Kombination an verschiedenen Noten und Intervallen im Laufe der Jahre zurückgegangen ist, sodass heutzutage Songs mit spärlicherem Material produziert werden. Der entscheidendste Punkt ist aber die Lautstärke: Kontemporäre Popsongs werden von Vornherein schon lauter aufgenommen, gemessen an vergleichbaren Verstärkungs-Einstellungen anderer Songs. Weiters kamen die spanischen Wissenschafter zu dem Fazit, dass, obwohl ältere Songs facettenreicher im Bezug auf die vorhin erwähnten Faktoren sind, trotzdem moderner klingen, vorausgesetzt, sie werden lauter und ausdrucksloser aufgenommen. Das Phänomen der vergrößerten Grundlautstärke während eines Aufnahmeprozesses wird in der Fachsprache als „Loudness War“ bezeichnet.80 Diese veränderte Aufnahmetechnik wurde durch neue aufstrebende Stile in der Popmusik forciert. Sie wird gern als strukturierendes Element in einem Popsong eingesetzt, wie Emmanuel Deruty in seinem Artikel „Dynamic Range & The Loudness War“ zusammenfasst: „The beginning of the ‘90s, which correspond to the beginning of the loudness war, witnessed the emergence of mass-audience rap artists, and rap music typically has sparse [spärlich] production with very loud kick and snare parts, which increase level variability at very small scales […]. Around the same time, metal music evolved into ‘nu-metal’, which integrated elements of funk and rap, and with it more percussive elements. […] Modern productions use contrasts in level, where older pop songs might have employed key or chord changes to delineate [abgrenzen] different song sections. It’s quite common to hear rap or even R&B tracks where the verses are so minimalist it’s difficult to even extract a choir sequence from them, while at the same time, the chorus is buried under dense vocal harmonies and/or lavish [überschwänglich] tonal keyboard parts, which increase the RMS level 81. […] Level variation is being used to create a structure for the song.”82 Das Prinzip des Loudness Wars basiert auf den Unzulänglichkeiten des menschlichen Gehörs, das die wirkliche Lautheit eines Schallsignals nicht wie ein physikalisches Messgerät misst, sondern diese viel eher anhand von Parametern wie Dauer, Frequenz und Intensität beurteilt. Der Mensch empfindet tiefe, hohe und durchgehende Töne leiser im Gegensatz zu 80 Vgl. http://www.telegraph.co.uk/culture/music/9430338/Modern-music-really-does-sound-thesame.html [23.05.2015] 81 RMS (Root Mean Square) bezieht sich auf Musikleistung, eine in Watt angegebene Leistung für Audioverstärker und Lautsprecher. 82 Vgl. http://www.soundonsound.com/sos/sep11/articles/loudness.htm [27.05.2015] 30 staccatoartigen Tönen in mittlerer Lage. Hierbei muss zwischen den Termini Lautheit und Lautstärke unterschieden werden – letzterer bezieht sich lediglich auf die subjektive Empfindung des Menschen. Die Musikindustrie hat sich dies zum Nutzen gemacht, indem bei leisen Teilen eines Liedes die gefühlte Lautstärke nach oben korrigiert wird und umgekehrt, beziehungsweise anschließend der Gesamtlevel durch Kompressoren nach oben angehoben wird. Für das menschliche Gehör ist ein Lied mit derartigen Bearbeitungen im Gegensatz zu einem unbearbeiteten Lied deutlich prägnanter. Dies spiegelt sich auch in der Audiosoftware wider: Ein Song, der stark durch Kompression modifiziert und somit auf einen Maximalpegel angehoben ist, lässt sich als gezacktes Muster mit wenig dynamischen Ausschlägen erkennen.83 Von derartigen Entwicklungen in der kontemporären instrumentalen Popmusik profitiert mit Sicherheit auch die moderne A-cappella-Musik. Gerade der Bereich Vokalmusik basiert auf Dynamik, durch die vielfältige Facetten mehrerer Stimmen im Zusammenklang zu einem individuellen Ergebnis führen. Dadurch war es über lange Zeit hinweg nicht möglich, die Stimme mit Instrumenten zu vergleichen oder sogar konkurrieren zu lassen. Diese Barriere scheint überwunden zu sein, denn A-cappella-Gruppen wie Pentatonix beweisen, dass der momentane Trend im Hinblick auf technische Möglichkeiten schon längst auf die Vokalmusik umgemünzt wurde. Aufgrund dieser Weiterentwicklung in der Ton- und Aufnahmetechnik ist es ausführbar, dass eine Stimme nun die gleiche Frequenz und Durchdringungskraft wie ein Instrument besitzt und deshalb beispielsweise auch im Radio neben instrumentaler Musik bestehen kann, sodass für einen ungeschulten Zuhörer der Unterschied zwischen einem reinen A-cappella-Arrangement nicht auf Anhieb von einem instrumentalen hörbar erscheint. Natürlich beschränkt sich dies nicht nur auf die vorhin erwähnten Kompressoren, welche die subjektiv empfundene Lautstärke bis zur Maximalgrenze ausloten. Welche zusätzlichen Möglichkeiten zur Stimmbearbeitung es dazu sowohl im Hinblick auf Soundkorrektur, als auch Soundgestaltung gibt, wird in den nächsten beiden Kapiteln erläutert. 83 Vgl. http://www.zeit.de/zeit-wissen/2012/02/Loudness-War [27.05.2015] 31 3.2.2. Soundkorrektur Auf dem Musikmarkt im Bereich der Popularmusik hat sich im letzten Jahrzehnt ein Trend herauskristallisiert, der vorwiegend Wert auf die Qualität und Intonation einer Stimme legt, während andere Parameter wie Emotion und Ausdruck zunehmend vernachlässigt wurden. Aus physikalischer Hinsicht ist perfekte Intonation bei einer Stimme selbst bei ausgezeichneten Sängern nicht möglich, da jeder Vokaltrakt anders beschaffen ist. Da diese Tatsache Musikproduzenten von glatt produzierten Popsongs störte, wurde dem Problem mit Computersoftware Abhilfe geschafft, indem fortan Tonhöhen digital korrigiert wurden.84 Schon Anfang der 1990er Jahre konnten beispielsweise falsch gesungene Töne nachbearbeitet werden, allerdings hatte dies aufgrund der rudimentären technischen Möglichkeiten zur Folge, dass derartige Verbesserungen deutlich hörbar waren. Eine bahnbrechende Entwicklung, die der Aufdringlichkeit von korrigierten Tönen entgegenwirkte, war die 1996 erfundene Software namens ‚Auto-Tune‘ der Firma Antares Audio Technologies. Ab diesem Zeitpunkt war es möglich, Tonhöhen nach dem Aufnehmen zu verändern, ohne dabei die originale Klangqualität zu verlieren.85 Anfänglich wurde Auto-Tune sogar als kreatives Stilmittel eingesetzt, wie zum Beispiel von der Sängerin CHER, die mit ihrem durchgängig getunten Song Believe 1998 einen großen Erfolg erzielte. Eine solche Verwendung dieser Software etablierte sich nicht unter Künstlern, sondern verschwand in die Werkzeugkiste von Toningenieuren, die Auto-Tune möglichst unauffällig verwendeten. Ein Name, der in Verbindung mit der Kommerzialisierung von Auto-Tune jedoch nicht fehlen darf, ist der bis 2003 wenig bekannte USamerikanische Rapper T-PAIN. Er begann, seine Stimme durch die Software aufzubessern und erlangte damit große Berühmtheit.86 T-PAIN machte AutoTune zu seinem Markenzeichen, wodurch er selbst wieder auch umgekehrt zum 84 Vgl. http://michallech.com/data/pub/H001462.pdf [27.05.2015] Vgl. ebda 86 Vgl. http://apumusictech.com/courses/mus496/files/2014/02/pop-music-autotune.pdf [28.05.2015] 85 32 Markenzeichen für getunten Klang geworden ist. Mittlerweile existiert sogar eine eigens für iPhones angefertigte Auto-Tune-App mit dem Namen „I am T-Pain“, die es Benützern ermöglicht, ihre iPhones in kleine Aufnahmestudios umzuwandeln, Songs zu komponieren, ihre Stimmen zu korrigieren und das schlussendliche Ergebnis per E-Mail zu versenden.87 Im aktuellen Jahrzehnt ist die Verwendung von Auto-Tune in der Musikproduktion nahezu unvermeidbar, da ein Großteil der Musik im Programm ‚Pro Tools‘ komponiert wird, bei dem von echten Instrumenten eingespielte Linien und Melodien beliebig geschnitten und zusammengefügt werden. Damit ein nahtloser Übergang gewährleistet werden kann und die Frequenzen der Töne übereinstimmen, kommt Auto-Tune zum Einsatz. Auch im vokalen Bereich ist die Verwendung von Auto-Tune üblich, was aber dazu führt, dass Stimmen von verschiedenen Künstlern durch den Verlust der Individualität schwerer zu unterscheiden sind und im Endeffekt viele Lieder sehr ähnlich klingen.88 Ein weiteres Programm der Soundbearbeitung ist ‚Melodyne‘, das vom Hersteller Celemony entwickelt und 2001 veröffentlicht wurde. Im Gegensatz zu Auto-Tune, das mit der starren Bearbeitung von Intonation in Verbindung gebracht wird, kann Melodyne, das sich aus den Begriffen „Melodic“ und „Dynamic“ zusammensetzt, Klangparameter wie Geschwindigkeit, Tonhöhe und Klangcharakter in Echtzeit bearbeiten.89 Die Korrektur mit Auto-Tune erfolgt direkter als mit Melodyne, da einige einzelne Schritte vorgenommen werden müssen: „Melodyne functioned as a stand-alone application and the link to your sequencer was provided by a separate plug-in called Melodyne Bridge. […] audio had to be played through Melodyne Bridge into the main Melodyne application.”90 Laut Hersteller Celemony ist Melodyne für den Nutzer einfach zu bedienen: 87 Vgl. http://www.billboard.com/articles/news/267502/t-pain-talks-iphone-auto-tune-app [28.05.2015] 88 Vgl. http://apumusictech.com/courses/mus496/files/2014/02/pop-music-autotune.pdf [28.05.2015] 89 Vgl. http://audio.uni-lueneburg.de/texte/ma_beesten.pdf [28.05.2015] 90 http://www.soundonsound.com/sos/mar07/articles/at5vsmelodyne.htm [28.05.2015] 33 „Melodyne analysiert die aufgenommene Musik und kennt dann ihren Inhalt im musikalischen Sinn. Begriffe wie Schneiden, Pitch shifting oder Time stretching kommen bei Melodyne nicht vor, auch wenn dies […] im Hintergrund geschieht, weil das in Melodyne verwendete Klangerzeugungsverfahren all dies von selbst ausführt. Sie als Benutzer arbeiten nur mit dem musikalischen Material.“91 Trotz all dieser technischen Möglichkeiten, die uns heutzutage erlauben von perfekter klingender Musik umgeben zu sein, sind Programme wie Auto-Tune oder Melodyne als Künstler mit Vorsicht zu genießen. Fakt ist, dass dadurch – egal, wie technisch ausgefeilt die Software heute ist – immer ein Stück an Individualität verloren geht. Dieser Grundsatz wird aber vor allem im Bereich der Mainstream-Popmusik oft nicht gepflegt, da der kommerzielle Aspekt im Vordergrund steht: Hierbei ist es in der Musikbranche im Bereich des Mainstreams wichtig, dass ein Lied durch einen glatt produzierten, perfekten Sound heraussticht, anstatt durch die individuelle Fähigkeiten von Sängern und Sängerinnen aufzufallen. 3.2.3. Soundgestaltung In der heute gebräuchlichen Ton- und Aufnahmetechnik gibt es eine Vielzahl an Effekten, mit der eine Stimme nach der Aufnahme verändert werden kann. Zu den drei häufigsten Effekten zählen der Hall, der im vorherigen Kapitel erwähnte Kompressor und der Equalizer, mit dessen Hilfe eine Stimme transparenter gemacht wird und Störgeräusche herausgefiltert werden. Diese standardisierten Effekte kommen vor allem auch auf Aufnahmen von Vokalmusik immer zum Einsatz, da dies für den Zusammenklang von mehreren Stimmen unabdinglich ist. A-cappella-Gesang kann im Gegensatz zu elektronischen Instrumenten beispielsweise schon durch gute Raumakustik zum Klingen gebracht werden, aber vor allem im Bereich des Mainstream-Acappella-Pop sind Bearbeitungen notwendig, dass eine reine Gesangsformation mit instrumental begleiteter Popmusik mithalten kann. 91 http://audio.uni-lueneburg.de/texte/ma_beesten.pdf [28.05.2015] 34 Gerade in der Ära der Loudness Wars, in der ein dominanter Diskant sowie ein durchdringender Bass von großer Bedeutung sind, kann letzterer mit Hilfe eines Octavers oder auch Octaviders aufgebessert werden. Ein Basssänger kann mit der Verwendung eines Effektgerätes die tiefen Töne optimieren, da neben dem Eingangssignal der gleiche Ton, aber um eine Oktave tiefer erklingt. Dies hat zur Folge, dass ein vollerer Klang erzeugt wird. Im A-cappella-Gesang wird dieser Effekt häufig angewandt, da der menschlichen Stimme in der Tiefe oft Grenzen gesetzt sind. Mit Hilfe eines Octavers können auch Töne im Abstand von zwei Oktaven, beziehungsweise verschiedene Intervalle, sofern sie im Bereich einer Oktave liegen, produziert werden. Die Lautstärke des elektronisch hergestellten Tons kann beliebig festgelegt werden, sodass der Einsatz dieses Effektgeräts unauffällig vonstattengehen kann.92 Ein weiterer Effekt, der bei Stimmbearbeitung angewendet wird, ist der DeEsser. Hier ist schon der Name ein Hinweis auf die Funktion des Effekts – durch einen DeEsser werden störende und zischende Laute, häufig verursacht durch Konsonanten wie /s/ oder /sch/ abgeschwächt. Durch einen Filter wird festgelegt, in welchem Frequenzbereich sich die Zischlaute befinden, einige DeEsser erkennen dies aber auch von alleine und beseitigen die kleinen Störfaktoren automatisch. Wichtig ist hierbei, dass der De-Esser-Effekt unbedingt vor dem Kompressor angewendet werden muss, da beim Kompressor die Dynamik eines Signals verringert wird und es dadurch schwieriger wird, Zischlaute einzugrenzen.93 Der Chorus-Effekt ist im Vokalbereich insbesondere für kleinere Gruppen von Vorteil, kann aber natürlich auch bei jedem Instrument eingesetzt werden. Dieses Effektgerät wurde bereits Ende der 1960er-Jahre entwickelt und bewirkt einen chorischen, volleren Klang. Ein solcher Effekt wird durch eine zeitliche Verschiebung der Frequenzzusammensetzung von Tonsignalen erzielt. Die dabei entstehende Zeitverzögerung kann individuell gesteuert werden, je nachdem, wie präsent der Effekt gewünscht ist:94 „Es entstehen somit regelmäßige Tonhöhenschwankungen, die sich bei der Mischung mit dem 92 93 94 Vgl. Wicke, Ziegenrücker 2007: 502 Vgl. https://www.hdm-stuttgart.de/~curdt/Stimme_Seybicke.pdf [28.05.2015] Vgl. Wicke, Ziegenrücker 2007: 145 35 Originalsignal als periodisch auftretende geringfügige Verstimmung bemerkbar machen. Sowohl der Grad der Verzögerung, als auch der Bereich und die Geschwindigkeit ihrer Veränderung […] lassen sich in einem bestimmten Bereich stufenlos regeln.“95 Bei der Stimmbearbeitung ist es von Vorteil, nicht zu viel von diesem Effekt zum Ausgangssignal hinzuzufügen, da der Gesang sonst schnell unnatürlich klingt, sowie zu wabern beginnt.96 Einer der bekanntesten Effekte im Bezug auf Stimmverfremdung ist der Vocoder. Dieser wurde bereits im Zweiten Weltkrieg zum Zwecke der Verschlüsselung von Sprache für abhörsichere Telefonverbindungen verwendet. In der Musik kann ein Vocoder eine Stimme hundertprozentig verfremden, sodass Roboter-ähnliche Sounds, beziehungsweise andere synthetisch klingende Sprachaufnahmen entstehen. Ermöglicht wird das durch die komplexe Funktionsweise des Vocoders, dem zwei Eingänge zugrunde liegen, wobei der erste Eingang immer für die Stimme benützt wird. Dennoch werden beide Signale verbunden:97 „Durch diese Verbindung zweier Audiosignale wird die Hüllkurve des Modulationssignals auf die Klangfarbe des Trägersignals aufgetragen. Somit kann man z.B. ein ganz normales Instrument wie z.B. einen Bass oder ein Klavier zum Sprechen bringen.“98 Die eben genannten Beispiele für Effektgeräte sind natürlich nur als kleine subjektive Auswahl aus einem großen Pool zu betrachten, da allgemein mittlerweile eine große Anzahl an anderen Effektgeräten existiert. Octaver, DeEsser, Chorus-Effekt und Vocoder sind aber beispielhaft für die Vokalmusik, weshalb kurze Erläuterungen der einzelnen Effekte in dieser Arbeit Platz finden. 95 Wicke, Ziegenrücker 2007: 145 Vgl. https://www.hdm-stuttgart.de/~curdt/Stimme_Seybicke.pdf [28.05.2015] 97 Vgl. ebda 98 ebda 96 36 3.3. Die neue amerikanische A-cappella-Welle Die USA weisen, wie schon in Kapitel 2 genauer untersucht, eine verhältnismäßig lange und intensive A-cappella-Tradition auf. Hauptsächlich in staatlichen Bildungsinstitutionen wie High Schools oder Colleges hat A-cappella einen hohen Stellenwert, was durch eigens für Hochschulen ins Leben gerufene Wettbewerbe unter Beweis stellen. In den letzten Jahren hat A-cappellaGesang aber auch bei einem breiten Mainstream-Publikum Anklang gefunden: Diese Kunstform, die einst nur eine kleine Nische einnahm und hauptsächlich in Colleges praktiziert wurde, hat sich national in den USA, sowie auch international ausgebreitet. Grund dafür sind zum einen Castingshows, wie zum Beispiel die amerikanische Show „The Sing-Off“, in der A-cappella-Gruppen verschiedenen Alters und Hintergründen auf sehr hohem Niveau auftreten. Zum anderen wurde diese Begeisterung von den Fernsehern auch ins wirkliche Leben hinausgetragen, da in den letzten Jahren das Touren von A-cappellaGruppen in den USA an Beliebtheit gewann.99 Um diese Entwicklung aber noch einmal detaillierter zu beleuchten, informieren die nächsten Kapitel in chronologischer Reihenfolge über den wachsenden Trend von College-A-cappella-Gruppen, in die auch das beispielhafte und zentrale Ensemble dieser Arbeit, Pentatonix, einzuordnen ist. Obwohl Acappella in Verbindung mit Hochschulen und Universitäten zum Teil schon Inhalt des Kapitels 2 war, ist diese Form die Basis aller kontemporären Folgetrends, wie beispielsweise der Film Pitch Perfect. 3.3.1. Collegiate A Cappella Wie schon der Name verrät, wird und wurde Collegiate A Cappella auf den Campussen von US-amerikanischen Universitäten und Colleges praktiziert. Derartige Ensembles bestehen aus meist acht bis sechzehn Sängern und Sängerinnen in reinen Männer- und Frauengruppen, als auch in gemischten Formationen. Die Studenten und Studentinnen arrangieren, performen oder 99 Vgl. Sharon, Bell 2012: xiii 37 nehmen dabei Covers von populären Liedern ohne instrumentale Begleitung auf. Collegiate A Cappella basiert auf früheren Campus-Vokalensembles, wie zum Beispiel die im 19. Jahrhundert weit verbreiteten ‚College Glee Clubs‘, und wurde später von Barbershop-Quartetten sowie der vokalen Popmusik des 20. Jahrhunderts beeinflusst.100 Das Prinzip der Nachahmung ist der zentralste Bestandteil dieses Genres, bei der die menschliche Stimme die instrumentalen Parts einer kommerziellen Aufnahme eines Liedes imitiert und im besten Fall sogar optimiert. Mit dem Hinzufügen von neuen musikalischen Ideen zu einem bereits bestehenden instrumentalen Arrangement wird ein weiterer wichtiger Aspekt dieses Genres unterstrichen: Originalität des Liedes und seiner Präsentation.101 Die Arrangements von Collegiate A Cappella-Ensembles sind meist in Leadund Begleitstimmen gegliedert, wobei Backgroundstimmen sehr stark variieren. Diese können in ihrer Bandbreite von simplen homophonen Akkorden bis hin zu komplex angelegten polyphonen Stimmverläufen reichen. Für die Imitation von instrumentalen Klängen werden häufig spezielle Vokabel verwendet. So ist etwa der /j/-Klang, wie zum Beispiel in den Wörtern „jun“ oder „jin“ enthalten, ein sehr gern verwendetes Mittel zur Nachahmung von Gitarrensounds. Vocal Percussion oder Beatboxing ist hierbei eine Möglichkeit, mit rein vokalen Mitteln dem Klang eines Drumsets nahezukommen. Aufnahmen, die vor 1980 entstanden sind, bringen auffälligerweise deutlich weniger solistische Teile, Vocal Percussion, sowie perkussives Vokabular mit sich und verfügen hauptsächlich über homophone Texturen, angelehnt an den vorhergehenden Trend des Barbershop-Singings.102 Der Aufführungsrahmen von Collegiate A Cappella-Gruppen reicht von purer Unterhaltung bei universitären Festivitäten, über Semesterkonzerten bis hin zu interuniversitären Zusammenkünften, bei denen auch Gruppen von außerhalb eingeladen werden. Zentrale Bestandteile der Aufführungspraxis sind Aspekte wie Choreographie, Gestik und ‚Staging‘. Oft werden einzelne Darbietungen auch durch komische und kabarettistische Einlagen verknüpft, wodurch das Ziel 100 101 102 Vgl. Hiroshi Garrett 2013, Band 2: 344 Vgl. http://www.jstor.org/stable/40071679?seq=1#page_scan_tab_contents [29.05.2015] Vgl. Hiroshi Garrett 2013, Band 2: 344 38 der Unterhaltung unterstrichen wird. Im Bereich des Collegiate A Cappella und der Professionalität seiner Gruppen sind auch Tonaufnahmen ein wichtiger Bestandteil. Die Qualität solcher Aufnahmen variiert jedoch, da – von Gruppe zu Gruppe unterschiedlich – sowohl Konzertmitschnitte, als auch digital nachbearbeitete Studioaufnahmen für kommerzielle Zwecke verwendet werden. Insgesamt gibt es heute über 1200 eingetragene Gruppen, die sich im Collegiate A Cappella-Verzeichnis finden lassen. In dieser Zahl, die sich in den späten 1980er- und im Laufe der 1990er-Jahre drastisch vergrößerte, sind sowohl Ensembles aus den Vereinigten Staaten, als auch aus Kanada und Großbritannien zu finden.103 Ein weiteres Merkmal, das Collegiate A Cappella auszeichnet, ist die soziale Komponente. Den Sängern einer Gruppe geht es hierbei darum, eng mit den anderen Mitgliedern der Gruppe in Verbindung zu stehen; so gesehen sind Collegiate A Cappella-Ensembles mit den auf amerikanischen Hochschulen weit verbreiteten „fraternities“ und „sororities“104 zu vergleichen, da sie den Studenten und Studentinnen während ihrer Studienzeit sozialen Rückhalt bieten und ihr Ziel darin besteht, die Mitglieder behutsam ins Erwachsenenleben einzuführen. Derartige A-cappella-Formationen können verschiedene Hintergründe haben: Einerseits gibt es Gruppen, die sich durch religiöse, ethnische oder linguistische Ziele verbunden fühlen, andererseits gründen sich Ensembles auch auf verschiedenen Musikstilen im Bezug auf ihr Repertoire, wie beispielsweise Broadway-Musicalsongs oder Musik nicht-westlicher Kulturen.105 Damit die Popularität von A-cappella Gruppen so schnell voranschreiten konnte, war die Gründung einer weiteren US-amerikanischen Vereinigung in der A-cappella-Musik von großem Nutzen, die diese Form von Musik allen Interessierten zugänglich machte. 103 Vgl. Hiroshi Garrett 2013, Band 2: 344 Unter „fraternity“ und „sorority“ versteht man Studentenverbindungen, die in den USA ein fixer Bestandteil des universitären Gesellschaftslebens sind. Der Vergleich zu österreichischen Studentenverbindungen ist nur schwer anzustellen, da diese meist von politischen Hintergründen gezeichnet sind. 105 Vgl. Hiroshi Garrett 2013, Band 2: 344 39 104 3.3.2. Contemporary A Cappella Society “There are tens of thousands of contemporary a cappella groups around the US and the world, ranging from high school and college ensembles to professionals and recreational groups. And CASA is their organization, providing help, guidance, advice, coaching, information, events, recordings, grants, workshops, critique, awards, arrangements, instructional videos, and just about everything else a group could need.”106 Dieser Ausschnitt aus der Homepage der CASA oder Contemporary A Cappella Society lässt erkennen, wie vielfältig das Angebot dieser Organisation ist. Ihr Gründer ist der US-Amerikaner DEKE SHARON, der diese Plattform für Sänger und Sängerinnen 1991 aus der Taufe erhob. Vier Jahre später veröffentlichten SHARON und sein Kollege ADAM FARB ein erstes Best-of-Album aller auf die Internetplattform hochgeladenen Aufnahmen von A-cappella-Ensembles mit dem Titel „Best of College A Cappella“. Im Jahr 1995 zog die Non-ProfitOrganisation weitere Kreise, indem sie den prestigeträchtigen Wettbewerb „International Championship of Collegiate A Cappella“, kurc ICCA, etablierten. Begonnen als rein US-amerikanischer nationaler Wettbewerb, expandierte dieser angesichts großer Beliebtheit und Nachfrage, sodass mittlerweile sogar A-cappella-Gruppen teilgenommen haben. aus Oxford, England, und Pretoria, Südafrika, 107 Die Teilnahme an der International Championship of Collegiate A Cappella bringt ob des großen Erfolges und reger Nachfrage strikte, wenn nicht sogar sportliche Regeln mit sich: So hat beispielsweise jede Gruppe zwölf Minuten Zeit, eine herausragende Performance abzulegen – der Applaus muss hierbei aber einberechnet werden. Damit der Auftritt regelkonform abläuft, sitzt ein Zeitrichter im Publikum, der eine singende Gruppe mithilfe von Kärtchen warnt, falls ein Zeitlimit überschritten werden sollte. Außerdem müssen alle Mitglieder eines Ensembles nachweislich Vollzeitstudenten sein. Die Teilnahme von Sängern und Sängerinnen außeruniversitärer oder außerschulischer Herkunft ist nicht erlaubt. Würde diese Regel verletzt werden, könnte die Gruppe mit sofortiger Wirkung von dem betreffenden und sogar von zukünftigen ICCA106 107 http://www.casa.org/about [29.05.2015] Vgl. Hiroshi Garrett 2013: 344 40 Wettbewerben ausgeschlossen werden. Der Finalauftritt wird von einer fünfköpfigen Jury observiert, welche die teilnehmenden Gruppen anhand von Aspekten wie Vokalperformance, visuelle Performance und subjektive Platzierung beurteilt. Darüber hinaus besteht für die Ensembles auch noch die Möglichkeit, Sonderpreise in den Kategorien „Outstanding Soloist“, „Outstanding Arrangement“, „Outstanding Vocal Percussion“ und „Outstanding Choreography“ zu erhalten.108 Zu den mehrfachen Gewinnern, nämlich in den Jahren 2008, 2010, 2012 und 2015, der International Championship of Collegiate A Cappella war auch die Formation „SoCal VoCals“ der University of Southern California.109 Dies ist insofern von Bedeutung, als dass BEN BRAM, der Arrangeur und Produzent von Pentatonix und SCOTT HOYING (siehe Kapitel 3.4.) Mitglieder der erstgenannten Gruppe waren. Dies verdeutlicht, wie eng das Netz innerhalb der USamerikanischen A-cappella-Szene gespannt ist. Auch wenn Pentatonix beispielsweise nie Teil der ICCA waren, gibt es dennoch verbindende Elemente zum Genre Collegiate A Cappella. 3.3.3. Deke Sharon Wie schon eingangs erwähnt, hinter dem Erfolg der neuen amerikanischen Acappella-Welle steckt ein Name: DEKE SHARON. Die Arbeit des Kaliforniers, geboren 1967, ist prägend für den modernen, kontemporären A-cappellaSound. SHARON ist der Produzent der Fernsehshow “The Sing-Off”, die eine Talenteschmiede für junge A-cappella-Gruppen ist und der auch Pentatonix ihre plötzliche Bekanntheit und ihren großen Erfolg verdankt. Neben den USA produziert Sharon die Show auch in anderen Ländern wie den Niederlanden, China und Südafrika. Außerdem ist DEKE SHARON auch als Arranger, Music Director und Vocal Producer für die Universal-Kinofilme „Pitch Perfect“ und „Pitch Perfect 2“ tätig, in denen der Wettstreit zwischen Highschool-A-cappellaFormationen, umgeben von attraktiven Arrangements der erfolgreichsten 108 109 Vgl. http://varsityvocals.com/competitions/compete/ [30.05.2015] Vgl. http://varsityvocals.com/results/icca-finals/?my_year=2015 [30.05.2015] 41 modernen Popsongs, zentraler Ausgangspunkt ist. Bisher hat DEKE SHARON über 2000 Lieder arrangiert, die zum Teil weltweit verlegt wurden.110 SHARON ist auch Autor des Buches „A Cappella Arranging“, in dem er seine Arbeitstechniken leicht verständlich erklärt, an Laien weitergibt. Den Arrangierprozess eines Liedes unterteilt er in zehn Schritte, die sich wie folgt zusammensetzen: Als erstes empfiehlt er seinen Lesern und Leserinnen die Auswahl eines spezifischen Liedes, das zweitens zum wiederholten Male angehört werden soll. Drittens regt er auch dazu an, andere Arrangements zu studieren, da es seiner Meinung nach äußerst empfehlenswert ist, anhand der Techniken anderer Arrangeure zu lernen. Viertens soll über eine Form entschieden werden, um fünftens die benötigten Materialien vorbereiten zu können. Punkt sechs, sieben und acht umfassen das Ausnotieren von Melodieund Bassstimme sowie von Background-Stimmen. Die Punkte neun und zehn umschließen die finale Arbeit eines Arrangierprozesses und das anschließende Aufnehmen, beziehungsweise bietet er ausreichend Information, wie die Probenarbeit möglichst konsequent angelegt werden kann.111 DEKE SHARON scheint mit seinem Konzept, den kontemporären Popsound auf die Vokalmusik umzulegen, den Puls der Zeit getroffen zu haben, indem er eine Nischenkunstform in eine eigenständige Branche verwandelt hat. Dies ist seiner Meinung nach auch auf gesellschaftliche Veränderungen innerhalb der letzten Jahre zurückzuführen, wie er in einem Interview preisgibt: „American culture has changed in a major way […], the fact of the matter is what used to be seen as dorky is now respected a lot more, in fact, the whole idea of nerds […]. Someone who is seen as a nerd in high school is someone who has a deep love of something and a great knowledge of and for it.”112 Mit seiner Vorreiterrolle im A-cappella-Gesang als Teil einer neuen Popkultur arbeitet Sharon von Beginn einer Produktion wie „Pitch Perfect“ bis zur tatsächlichen Veröffentlichung mit, indem er die Künstler und Künstlerinnen eigens unterstützt. Auf der Homepage der von ihm gegründeten Contemporary 110 111 112 Vgl. http://www.dekesharon.com/deke-sharon-bio.html [30.05.2015] Vgl. Sharon und Bell 2012: v https://www.youtube.com/watch?v=hAPSKkzNTvg [30.05.2015] 42 A Cappella Society gibt er einen Einblick, wie weitläufig sein Einsatzbereich ist, denn seine Aufgaben sind sowohl musikalischer als auch menschlicher Natur: „Help find groups, cast groups, structure days, oversee my team […], choose songs, arrange songs, rehearse groups, keep groups pumped up as they sit in their boxes during long tapings yet help them relax and focus as I walk out on stage with them and give them their pitch, interface with other departments, fight battles on behalf of the groups from time to time, put out fires, deal with drama, […] make sure every group is performing at 100% of their abilities but not overextended, reinforce proper vocal technique and preserve voices as much as possible, work closely with choreo to make sure each song’s impact is maximized without compromising vocals […]”113 Anhand dieses Zitats wird deutlich, dass die moderne Form von A-cappella im Vergleich zum Chorgesang, bei dem rein das Singen im Vordergrund steht, zu einem eigenen Genre, wenn nicht sogar einer Marke geworden ist, indem das Singen in Verbindung mit choreographischen Bestandteilen und ShowElementen zu einem Gesamtpaket verschmolzen wurde. Der kontemporäre Acappella-Begriff beschreibt also nicht mehr lediglich eine Form des Singens ohne instrumentale Begleitung, sondern ist vielmehr Inbegriff eines eigenen Stils innerhalb der zeitgenössischen Popkultur. 3.4. Pentatonix Das folgende Kapitel konzentriert sich – weg vom allgemeinen USamerikanischen A-cappella-Boom mit all seinen zuvor erwähnten Komponenten wie der TV-Show „The Sing Off“, dem Film „Pitch Perfect“ oder der „International Championship of Collegiate A Cappella“ – auf eine der zurzeit rund um den Globus erfolgreichsten A-cappella Gruppen: Pentatonix. Sie haben es geschafft, mit ihren originalgetreuen Arrangements brandaktueller Chart-Hits das Genre A-cappella auch im Bereich des Mainstreams bekannt werden zu lassen. Folgendes Kapitel soll nähere Information über Bandmitglieder, Entstehungsgeschichte, sowie den Arrangierprozess und die daran mitwirkenden Personen geben. 113 http://www.casa.org/feistinterviewdeke [30.05.2015] 43 3.4.1. Mitglieder und Entstehung Die aus fünf Mitgliedern bestehende Acappella-Gruppe Pentatonix existiert in ihrer aktuellen Konstellation seit dem Jahr 2011. Sie haben sich für die Castingshow „The Sing Off Senders 3“ NBC des US-amerikanischen formiert, ironischerweise lediglich einen Tag, bevor sie an der ersten Audition der Mitglieder, Show geordnet teilnahmen. nach Die Stimmlagen, sind:114 Abbildung 3: Avi Kaplan, Kirstie Maldonado, Scott Hoying, Mitch Grassi, Kevin Olusola (v.l.n.r.) KIRSTIN MALDONADO Die Mezzosopranistin, 1992 geboren, stammt aus dem US-Bundesstaat Texas und genoss schon während ihrer Zeit an der High School eine klassische Vokalausausbildung. Sie konnte ihr Talent im „Texas All State Choir“ sowie in zahlreichen Bühnenproduktionen des „Theatre Arlington“ unter Beweis stellen. Bevor sie sich Pentatonix widmete, war sie zwei Jahre lang Studentin an der „University of Oklahoma“, wo sie sich für die Studienrichtung „Music Theatre“ inskribierte. MITCH GRASSI Der Countertenor, ebenso 1992 in Texas geboren, ist der jüngste Kopf der Acappella-Gruppe. Als sie gemeinsam ihren Triumph bei „The Sing Off“ besiegelten, war er noch in seinem letzten Schuljahr an der „Martin High School“ in Arlington. Neben zahlreichen Erfahrungen im Bereich des Musiktheaters und einer gewonnenen Teen-Castingshow hat er sich auch als DJ engagiert. SCOTT HOYING Der ebenfalls gebürtige Texaner und Abgänger der „Martin High School“, ist die Verbindungsperson zwischen den vorher genannten Mitgliedern und AVI 114 Vgl. http://ptxofficial.com/bio [10.04.2015] 44 KAPLAN. Der 1991 geborene Bariton studierte an der „University of South California“, wo er Teil der lokal berühmten A-cappella-Gruppe „SoCal VoCals“ wurde. Seit einem Alter von acht Jahren hatte er regelmäßige Auftrittserfahrung, die er in der Zeit vor Pentatonix durch seine Teilnahme an einer TV-Castingshow und als Sänger der Nationalhymne bei diversen Sportveranstaltungen ausbauen konnte. HOYING ist auch als Pianist und Songwriter tätig. AVI KAPLAN Der 1989 geborene Bass stammt ursprünglich aus Kalifornien. Bevor er zu Pentatonix stieß, konnte er durch seine beeindruckende gesangliche Leistung schon mit anderen Ensembles Preise gewinnen, darunter die Auszeichnung „Best Rhythm Section“ bei der „International Championship of Collegiate A Cappella“. KAPLAN, der auch Gitarre spielt und für Chöre arrangiert, ist nicht nur für seine Kenntnisse im Obertongesang bekannt, sondern auch für seinen sehr weit in die Tiefe reichenden Stimmumfang. Vor seinem Durchbruch mit Pentatonix trat er in prestigeträchtigen Konzertsälen, wie zum Beispiel im New Yorker Lincoln Center oder der Carnegie Hall, auf. KEVIN OLUSOLA OLUSOLA wurde 1988 in Kentucky geboren und ist der Beatboxer der Gruppe. Die Gruppe wurde durch ein berühmtes YouTube-Video, in dem er gleichzeitig beatboxt und Cello spielt, auf ihn aufmerksam. Sein „celloboxing“ führte ihn 2012 zum „Montreux Jazz Festival“, wo er neben Größen wie CHICK COREA und BOBBY MCFERRIN auftreten durfte. Abseits seines musikalischen Engagements ist er an der „Yale University“ für die Studienrichtungen „East Asian Studies“ und „Pre-Med“ inskribiert. Die drei Ursprungsmitglieder KIRSTIN MALDONADO, MITCH GRASSI und SCOTT HOYING traten bereits seit ihrer gemeinsamen Highschool-Zeit in dieser Konstellation auf, in der sie sich über die Plattform YouTube durch ihre Coverversionen von Hits wie LADY GAGAS Telephone oder KATY PERRYS 45 Firework in der A-cappella-Gemeinde auch außerhalb der USA Bekanntheit erlangten. Da eine Formation mit lediglich einer Sängerin und zwei Sängern aber schnell an musikalische, dynamische und arrangiertechnische Grenzen stößt, hielt HOYING nach weiteren Mitgliedern Ausschau. Die Wahl fiel dabei auf AVI KAPLAN, dem im südkalifornischen Raum zu diesem Zeitpunkt bereits der Ruf vorauseilte, einer der talentiertesten Basssänger zu sein, und auf KEVIN OLUSOLA, der zuvor aufgrund seiner außergewöhnlichen Fähigkeit des „Celloboxings“ im Internet aufgefallen war.115 Den Durchbruch – auch außerhalb der A-cappella-Szene – schafften sie durch ihren Sieg bei „The Sing Off“. Auch das Feedback seitens der Medien war ein Erfolg, wie in einem Artikel der „Huffington Post“ zum Ausdruck gebracht wird: „Together, the five of them are a formidable musical force, creating full, interesting arrangements that sound as good (and, on occasion, better) than the songs they’re covering. Combine that with a sprinkle of choreography and a few original songs, and Pentatonix has every chance of becoming the first a cappella group to truly go mainstream.”116 Nach ihrem Triumph bei “The Sing Off” verlegten die fünf Mitglieder von Pentatonix ihren Lebensmittelpunkt nach Los Angeles, wo sie im Jahr 2012 zwei EPs veröffentlichten, nämlich „PTX Vol 1“ und die mit Weihnachtsliedern versehene EP „PTXmas“. Beide Veröffentlichungen stiegen in den BillboardCharts auf Anhieb unter die Top 200 ein.117 Im Jahr 2013 folgte unter dem Label Madison Gate Records die nächste EP mit dem Titel „PTX Vol 2“, auf der sie acht neue Songs, darunter vier eigene, zum Besten geben.118 Ein Jahr später, 2014, erschien das Album „PTX Vol 3“, sowie das zweite Weihnachtsalbum „That’s Christmas To Me“. Der offizielle YouTube-Kanal von Pentatonix hat über 7,9 Millionen Abonnenten119; diese Zahl wird durch Aufmerksamkeit erregende Videos wie The Evolution of Music und das Mashup Daft Punk ständig erhöht, die Videos verzeichnen mehr als 59 Millionen bzw. 129 Millionen Zugriffe.120 115 Vgl. http://asian-fusion.com/916/interview-with-pentatonix--kirstie-maldonado/ [10.04.2015] http://www.huffingtonpost.com/marielle-wakim/pentatonix-a-cappella_b_1677454.html [10.04.2015] 117 Vgl. http://www.billboard.com/artist/1490043/pentatonix/chart [10.04.2015] 118 Vgl. http://www.mtv.com/artists/pentatonix/biography/ [12.04.2015] 119 Youtube zahl und datum 120 Stand aller Angaben in diesem Absatz: 12.04.2015 116 46 Zusätzlich zum Erfolg des stetig steigenden Bekanntheitsgrades durch OnlinePlattformen und Konzerttourneen in den USA, Europa und Asien, konnte Pentatonix im Jahr 2015 auch bei der 57. Verleihung der Grammy Awards einen besonderen Preis entgegennehmen: Ihr Lied Daft Punk wurde für das beste Arrangement, instrumental oder a-cappella, ausgezeichnet.121 3.4.2. Arrangements Die Arrangements aller Lieder, egal ob Coverversionen oder Eigenkompositionen, sind prinzipiell für fünf Stimmen geschrieben, nämlich für die Stimmlagen bzw. Funktionen Sopran/Mezzosopran, Tenor, Bariton, Bass und Vocal Percussion/Beatbox. Das Repertoire von Pentatonix besteht hauptsächlich aus Coverversionen aktueller Hits aus den Charts, wobei bei ab der zweiten EP auch schon Eigenkompositionen veröffentlicht wurden. Eine häufig gestellte Frage in Interviews ist, wie die Arrangements für eine Mainstream-A-cappella-Gruppe überhaupt zustande kommen. Laut HOYING und GRASSI läuft der Prozess des Arrangierens immer sehr ähnlich ab: Den Anfang machen meist Bassist und Beatboxer, indem sie verschiedene Grundgrooves und Basslinien ausprobieren. Die harmonische Abfolge wird durch den Bass gleich auf dieser Entwicklungsebene definiert. Danach folgt die Melodie, und als letzter Teil des Grundgefüges wird die Melodie harmonisch mit zwei weiteren Stimmen versehen. In der Regel wird der Refrain eines Liedes immer mit homophonen Dreiklängen versehen. Sobald das Gerüst eines Arrangements besteht, wird an den Feinheiten, wie dynamischen Veränderungen oder „BreakDown’s“ gearbeitet. Prinzipiell bevorzugen die Sängerinnen und Sänger von Pentatonix es gemeinsam zu arrangieren, anstatt ein fertig auf Papier gebrachtes Arrangement einzustudieren.122 Neue Liedvorschläge werden von den Mitgliedern selbst ausgewählt, da es den Fünf sehr wichtig ist, dass die Inspiration für einen Song vorhanden ist. Trifft dies ein, kann ein Song innerhalb 121 Vgl. http://www.grammy.com/videos/pentatonix-win-best-arrangement-instrumental-or-acappella [12.04.2015] 122 Vgl. https://www.casa.org/content/exclusive-interview-pentatonixs-scott-hoying [13.04.2015] 47 von wenigen Tagen fertig arrangiert sein, sodass dazu rein theoretisch ein Video aufgenommen werden könnte. Als Ziel für die Zukunft gibt die Gruppe an, sich lieber auf eigene Kompositionen konzentrieren zu wollen, als sich immer nur dem Covern von bereits bestehenden Songs zu widmen.123 Trotz all ihrer Eigeninitiative steckt dennoch ein professioneller Produzent hinter der Maschinerie Pentatonix: BEN BRAM ist ein in Los Angeles lebender Produzent, Music Director, Pädagoge und Arrangeur; für letztere Tätigkeit gewann er bereits einen Grammy Award.124 Dieses Ereignis ist für Bram ein wichtiger Schritt für das Genre A-cappella, um auch im Bereich des Mainstreams Fuß zu fassen: „I want a-cappella to become more of a thing and less of a novelty act.“125 BRAM begleitete Pentatonix bereits während ihrer Zeit bei NBC’s „The Sing Off“, da er für diese Show als Arrangeur und Vocal Coach tätig war. Seitdem besteht eine enge Zusammenarbeit zwischen BEN BRAM und Pentatonix: Neben seinem Aufgabenbereich als Produzent der Gruppe ist er zusätzlich noch als Aufnahmeleiter und Co-Arranger tätig. Außerdem begleitete er Pentatonix auf ihrer Tour im Jahr 2012, bei der er gleich mehrere Funktionen innehatte, nämlich arbeitete er auch als Tourmanager sowie als Live-Tontechniker.126 123 Vgl. https://www.youtube.com/watch?t=470&v=XFJzrxBIFjE [13.04.2015] Anmerkung: Er erhielt bei der Grammy-Verleihung 2015 zusammen mit der Gruppe Pentatonix einen Grammy für das beste Arrangement, a-cappella oder instrumental, für das Arrangement für „Daft Punk“, wie in 2.4.1. beschrieben. 125 http://www.jewishjournal.com/culture/article/grammy_nominated_pentatonix_arranger_a_loud _voice_of_support_for_a_capella [13.04.2015] 126 Vgl. http://www.thebenbram.com/about/ [13.04.2015] 48 124 4. Die vokale Umsetzung des kontemporären Popsounds anhand von drei Pentatonix-Arrangements In Kapitel 4 dieser vorliegenden Arbeit soll nun anhand von drei spezifischen Arrangements, gesungen von der A-cappella-Gruppe Pentatonix, nach dem arrangiertechnischen Aspekt der Umsetzung des kontemporären Popsounds analysiert werden. Hierbei wird jeweils ein Vergleich zwischen dem Original und dem Cover von Pentatonix aufgestellt. Die Analyse soll sich neben einer formalen Gegenüberstellung auch auf die Umsetzung von Melodie, sowie Bassstimme, Vocal Percussion und Background-Vocals beziehen. Das Ziel dieses Kapitels ist, herauszufinden, wie der Pop-Sound instrumental begleiteter Songs auf drei reine A-cappella-Arrangements übertragen wurde, sodass diese repräsentativ für eine neue A-cappella-Popkultur sind. 4.1. We are young We are young ist ein Song der US-amerikanischen Band „Fun“, die bei diesem speziellen Lied mit der ebenfalls US-amerikanischen Soul-und Funksängerin JANELLE MONÁE kooperiert. Das Lied erschien 2011 und hielt sich wochenlang ganz oben in den Hitparaden. In Österreich war We are young beispielsweise im Jahr 2012 für drei Wochen auf Platz eins der Charts.127 Aufgrund der eingängigen Komposition, die dem Konzept für zeitgenössischen Radio-Pop entspricht und aufgrund dessen große Beliebtheit bei den Hörern und Hörerinnen erfuhr, gewann der Song 2013 auch einen Grammy in den Kategorien „Bester Song“ und „Newcomer des Jahres“.128 Aufgrund des großen internationalen Erfolges von We are young ist es mit Sicherheit nicht verwunderlich, dass die A-cappella-Gruppe Pentatonix mit einer 127 Vgl. http://www.austriancharts.at/showitem.asp?interpret=Fun%2E+feat%2E+Janelle+Mon%E1e&tit el=We+Are+Young&cat=s [31.05.2015] 128 Vgl. http://www.spiegel.de/kultur/musik/grammy-awards-fuer-mumford-suns-fun-und-gotyea-882534.html [31.05.2015] 49 rein vokalen Version, arrangiert für vier Stimmen und Vocal Percussion, auf diesen Trend aufspringen wollte. Pentatonix veröffentlichten ihre Version im Jahr 2014, und zwar auf dem Album „PTX Vols 1&2“. 4.1.1. Formale Unterschiede zwischen Original und Coverversion Zuerst soll nun eine formale Gegenüberstellung von Originalsong und Acappella-Arrangement erfolgen, damit danach genauer auf die Umsetzung von soundspezifischen Elementen einer Popnummer eingegangen werden kann. Zu Beginn lässt sich gleich erkennen, dass die beiden Versionen von We are young vor allem im Bezug auf ihre Länge unterschiedlich sind. Die Version von Fun dauert exakt 04:12 Minuten, während das Arrangement von Pentatonix mit 03:05 Minuten deutlich kürzer ausfällt. Dieser Unterschied macht sich auch an der Form bemerkbar, wie folgende Tabelle zeigt: Fun Pentatonix Intro Verse 1 Verse 1 Verse 2 Verse 2 Prechorus Prechorus Chorus Chorus Verse 3 Chorus Chorus Verse 3 Bridge Chorus Chorus Chorus Outro Bridge Chorus Chorus Outro Kurzum, in der Originalversion von Fun wird der Chorus bei jedem Auftreten wiederholt, während Pentatonix darauf verzichtet. Ebenso das Intro unterscheidet die beiden Versionen: Bei Fun besteht das Intro aus vier Takten, 50 in denen ungleichmäßig betonte Achtelnoten, gespielt auf einer extra Floor Tom vom Gitarristen der Band – möglicherweise zu Showzwecken - den Beat vorgeben. Daraus ergibt sich ein rhythmisches Muster, das trotz der durchgehenden Vierteln rein gefühlsmäßig den ungeraden Rhythmus 3+3+2 ergibt, wie die folgende Grafik unter Beweis stellt: Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Songs sind die Tonarten, sowie das Tempo. We are young von Fun wird in F-Dur gespielt, während Pentatonix das Arrangement einen Halbton tiefer in E-Dur singt. Dies liegt wahrscheinlich an den männlichen Gesangsparts, die in sehr hoher Lage ausgesetzt sind. Im Bezug auf das Tempo und das allgemeine Feeling des Liedes wirkt Pentatonix‘ Version beschwingter, was sich durch den geshuffelten Rhythmus erklären lässt. Die Achtelnoten bei Fun werden – zwar mit Akzenten, die ohnehin den Eindruck anderer, komplizierterer Betonungen erwecken – immer gerade gespielt. Damit dies nicht eintönig wird und der Chorus mehr Gewicht bekommt, wird ab dem ersten Chorus das Anfangstempo deutlich verlangsamt. Das Intro beginnt mit 116 Schlägen pro Minuten, gefolgt von 92 Schlägen ab dem ersten Refrain. Diese Entwicklung ist auch bei Pentatonix zu beobachten, obwohl sich die Tempi nicht exakt decken und in einem Vokalarrangement tendenziell mehrere Schwankungen vorhanden sind. So beginnt Pentatonix mit einer Schwankungsbreite von 100-107 Schlägen pro Minute in den Strophen, gefolgt von einem Rubato-Prechorus. Im Refrain selbst scheint man sich sehr an das Original angenähert zu haben, da die Tempi hier mit 94 Schlägen im Vergleich zum Original fast deckungsgleich sind. Insgesamt bezieht sich diese Analyse aber lediglich auf zwei explizit aufgenommene Versionen der beiden Gruppen – es ist also möglich, dass bei Live-Auftritten die Tempi wieder von den oben genannten Angaben abweichen, sofern die Gruppen nicht mit Klick spielen beziehungsweise singen. 51 4.1.2. Vokale Umsetzung des Popsounds An dieser Stelle muss hinterfragt werden, warum Fun gerade mit diesem Song so erfolgreich war. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass die Instrumentierung des Liedes sehr aussagekräftig für den Sound von kontemporärer Popmusik, die in den kommerziellen Charts auftritt, ist. Das heißt, dass neben der im Pop standardisierten Rhythmusgruppe, bestehend aus Klavier, Gitarre, Bass und Schlagzeug, auch noch Platz für verschiedene Synthesizer-Sounds ist und diese Zusammensetzung somit den Puls der Zeit widerspiegelt. Werden Originalversion und Vokalarrangement von We are young miteinander verglichen, so gilt für beide, dass die erste Strophe nur sehr spärlich instrumentiert beziehungsweise vokal ausgesetzt ist. In der Originalversion setzen nach dem eingangs erwähnten viertaktigen Intro zusätzlich zur Floor Tom der Gesang und das Klavier ein. Letzteres spielt lediglich Flächen in Form von Akkorden in Oktavlage, damit das harmonische Grundgerüst des Liedes ausreichend definiert wird. Im Vergleich dazu beginnt das PentatonixArrangement nur mit drei Stimmen, nämlich Bass, Bariton und Beatboxing. Diese Parts werden von den Sängern AVI KAPLAN, SCOTT HOYING und KEVIN OLUSOLA übernommen. Das Besondere an diesem Arrangement ist der veränderte Grundrhythmus, der nicht aus geraden Achteln besteht, sondern aus punktierten. Dieser Rhythmus zieht sich anschließend durch das gesamte Lied. 52 Verse 2 ist eine Wiederholung von Verse 1 mit leichten melodiösen Veränderungen. Im Original spielt das Klavier nun die Akkorde mit einfachen Dreiklangszerlegungen im Übergang zwischen ein- und zweigestrichener Oktave. Darüber hinaus steigt neben dem Einsatz der Floor Tom auch die Snare Drum ein. Soundtechnisch klingt dieses instrumentale Arrangement sehr leer, da die Bässe fehlen. Dies ist aber ein reines Stilmittel, damit der Chorus deutlich herausstechen kann. Diese klangliche Leere in der zweiten Strophe setzen auch die Sänger beziehungsweise die Sängerin von Pentatonix um. An dieser Stelle steigen zwar die restlichen Stimmen ein, indem sie die Harmonien zwischen Bassstimme und Leadstimme ergänzen und sich dabei mit Rhythmus und Phrasierung an die Bassstimme anpassen. Dennoch wirkt dies nicht voll, da die eng gesetzten, auf „dum dum“ gesungenen Background-Vocals einen großen Abstand zwischen der etwas höheren Lage und der Bassstimme lassen. Dies gibt dem Vokalarrangement auch aufgrund der an die lateinamerikanische Musik angelehnten, punktierten Rhythmen einen leicht tänzelnden Charakter, der rein instrumental umgesetzt wahrscheinlich nicht dem heutigen Klangideal der Disco-Popmusik entsprechen würde. Die originale Instrumentierung wurde in diesem Teil aber nicht exakt gleich realisiert, da die Zerlegungen des Klaviers in gesungener Form wahrscheinlich einem zu balladenhaften Charakter entsprechen würden. Was den Prechorus betrifft, geht das Pentatonix-Arrangement dynamisch zurück, da die Background-Stimmen lange Töne auf dem Vokal „u“ aushalten. Außerdem findet hier wie eingangs besprochen eine hörbare Temposchwankung statt. Es ist anzunehmen, dass dieser Teil bewusst als Rubato-Teil geführt wird, um danach den Chorus glänzen zu lassen. An dieser Stelle wird auch der breite Stimmumfang des Basses AVI KAPLAN sehr eindrücklich unter Beweis gestellt, da er am Ende des Prechoruses von einem Fis der großen Oktave bis zum Kontra-H singt. Ebenso wird der Prechorus der Originalversion dynamisch gesehen ruhiger, da die gesamte Percussion aussetzt und reine Klavier-Flächen übrig bleiben. Im Gegensatz zu Pentatonix geht hier das Tempo aber strikt durch. An dieser Stelle wurde die Originalversion sehr realitätsgetreu vokal imitiert, da gesungene „u-Chöre“ wohl am besten von einem Klavier gespielte Flächen repräsentieren. 53 Der anschließende Chorus geht stark auf, da bei Funs We are young an dieser Stelle die gesamte Band einsetzt. Neben einem sehr auffälligen tiefen Synthesizer-Bass kommt auch noch eine stark verzerrte E-Gitarre hinzu. Dies bewirkt einen vollen Sound, der typisch für moderne Pop-Bands ist: minimale Instrumentierung, die durch elektronische Sounds erst so richtig zur Geltung kommt. Auch die Leadstimme klingt hier mächtiger, was dem angewandten Chorus-Effekt zu verdanken ist. Das Klavier spielt Akkorde mit durchgehenden Achteln in der zwei- und dreigestrichenen Oktave, die neben dem schwermütigen Bass für den vorwärtsdrängenden Puls verantwortlich sind. Diese durchgehenden Achteln werden bei Pentatonix von Sopran, Bariton und Bass übernommen, die diese wieder auf „dum“ singen. Die Leadstimme übernimmt hier MITCH GRASSI, der Tenor/Altus. Verglichen mit dem Original fehlt die schwermütige Dominanz der lang ausgehaltenen Töne des Basses. Dennoch geht der Refrain im Vokalarrangement vorwärts, da hier gerade Achteln gesungen werden, begleitet von einem herkömmlichen Rock-Beat des Beatboxers. Im Original wird der Refrain anschließend noch einmal wiederholt, die Instrumentierung bleibt aber gleich. Dynamisch gesehen baut die Originalversion mit dem Eintreten von Verse 3 nicht ab, da die volle Band bis ans Ende des vollständigen zweiten Refrains weiterspielt. Pentatonix wechselt jedoch wieder auf den geshuffelten Rhythmus – diesmal sind die Background Vocals melodiöser angelegt. Der Chorus ist hier aber durch einen kleinen Break, der vor allem deutlich durch die Vocal Percussion definiert wird, von der darauffolgenden Strophe abgegrenzt. Die Leadstimme wird weiterhin vom Tenor/Altus übernommen. Der zweite Refrain 54 geht im Vokalarrangement dynamisch richtig auf, da ab der Eingangszeile mit dem Text „Tonight we are young“ der gesamte Refrain dreistimmig ausgesetzt ist. In der Bridge des Liedes kommt in der Version von Fun die Sängerin JANELLE MONÁE zum Einsatz, die von unisono gesungenen Backgroundstimmen mit „na na“ begleitet wird. Bei Pentatonix ist die sechzehntaktige Bridge in zwei Teile gegliedert, nämlich in einen Teil mit geraden Achteln und einen mit punktierten. In den ersten acht Takten übernimmt die Sopranistin KIRSTIE MALDONADO die Hauptstimme, während der Bass AVI KAPLAN durch seine in ihrem Klang dominante Stimme das harmonische Gerüst manifestiert. In Takten 5-8 der ersten achttaktigen Phrase übernimmt er rein harmonisch gesehen hier nur die Grundtöne, der Unterschied liegt jedoch bei der Vokalisierung der Töne: Kaplan singt ebenfalls durchgehende Achteln, jedoch auf den Silben „n-de“. In tiefer Lage gesungen, verstärkt er damit die Betonungen des Disco-Beats des Beatboxers, indem sich der Klang des „n“ einer Bass Drum und der des „de“ an einen präzisen SnareKick annähert. Dieses Prinzip sieht in notierter Form folgendermaßen aus: In den zweiten acht Takten der Bridge kommt bei Penatonix die oben erwähnte Backgroundstimme vor, allerdings ändert sich das Grundfeeling wieder, da punktierte Achteln gesungen werden. Der Bass wechselt von geraden Achteln auf den jeweiligen Grundtönen wieder auf eine Latin-Basslinie, die sich aus der 55 Kombination Grundton-Quint-Oktave zusammensetzt. Die Backgroundstimme ist hier zweistimmig, gesungen von GRASSI und MALDONADO. Über diese von Stimmen imitierte Latin-Band werden noch die Leadvocals hinzugefügt, indem der Bariton SCOTT HOYING seine Ad-Libs darüberlegt. In der Originalversion von Fun folgt der lauten und aufgrund der vielen Backgroundvocals interessanten Bridge ein leiser Refrain, wie sich schon anhand der Instrumentierung erkennen lässt. An dieser Stelle steigt das Klavier mit den dominant durchgehenden Achteln in hoher Lage erstmals aus, wodurch die gesamte Aufmerksamkeit auf der Stimme liegt. Begleitet wird diese vom Schlagzeug-Groove und im Hintergrund ist ein sehr leiser Synthesizer-Klang zu hören, der die Akkorde als Flächen legt. Diese heruntergeschraubte Lautstärke des Synthesizers hat keine primäre harmonische Funktion, sondern ist vielmehr dazu da, dass für den Zuhörer und für die Zuhörerin in ihren subjektiven Wahrnehmungen kein Loch entsteht, sondern die Intensität des Liedes fortgeführt wird. Im zweiten Refrain setzt die gesamte Band wieder wie gehabt ein, was noch einmal zu einem letzten dynamischen Höhepunkt im Lied führt. 56 Ebenfalls im Arrangement von Pentatonix ist der letzte Chorus ein eindeutiger Höhepunkt. Wie schon bei den vergangenen Malen laufen die Achtelnoten wieder gerade durch, auch die von Sopran, Altus/Tenor und Bariton gesungene dreistimmig ausgesetzte Leadstimme bleibt gleich wie beim zweiten Chorus. Die Besonderheit stellen hier die Kombination aus Bassstimme und Beatboxing dar. Im letzten Refrain bedient sich KEVIN OLUSOLA einer komplett neuen Stilrichtung: Vor allem die ersten Takte sind geprägt von Dubstep-Elementen, die beim Zuhörer und bei der Zuhörerin ein gewisses Halftime-Feeling auslösen. Während der Gesang wie gewohnt durchläuft, verschärfen die Breaks von Bass und Beatboxer in Takt 5 des letzten Refrains diesen noch einmal, indem die vokal imitierte Bass-Drum sowie der vokal imitierte Synthesizer-Bass nicht auf dem ersten Schlag präsent sind, sondern erst am zweiten einsetzen. Diese Technik ist ein Indikator dafür, dass hier sehr erfolgreich versucht wird, den modernen Popsound umzusetzen. Dubstep- und Disco-Beats sind rein vom perkussionistischen Blickwinkel aus sehr gern verwendete Grooves. Das Outro des Songs wurde im Vokalarrangement sehr ähnlich wie im Original umgesetzt. Bei Pentatonix wird die Leadstimme in einem homophonen Satz begleitet, der Beatboxer setzt für diesen Teil aus, damit nach dem rhythmischen Feuerwerk im letzten Chorus der Bruch zum getragenen, ruhigen Outro noch deutlicher wird. Bei Fun wird der Sänger im Outro lediglich vom Klavier begleitet, das ohne große Bewegungen der Hauptstimme simple gehaltene Akkorde unterlegt. Einzig an der harmonischen Fortschreitung unterscheiden sich die beiden Versionen, wie die Notenbeispiele zum Ausdruck bringen: 57 Im Arrangement von Pentatonix nimmt der Bass zum Schluss eine andere Wendung. Anstatt in Takt vier auf der ersten Stufe zu verharren, geht die Bassstimme auf G#m, also auf die II. Stufe und danach anstatt auf die V. auf die III. Stufe. Außerdem wird am Beginn des Outros die Melodie etwas verändert: Bei Fun steigt der Sänger mit einer Quart ein, während bei Pentatonix nur eine große Terz gesungen wird, da sich dies dem harmonischen Rahmen besser fügt. Abschließend ist es wichtig zu bemerken, dass in diesem Arrangement sehr viele Aspekte, die den modernen Popsound prägen, vokal umgesetzt sind: So sind beispielsweise auch die Leere zwischen Oberstimmengesang und wuchtigem Synthesizer-Bass sowie gängige Beats der Popmusik zu finden. Damit die Originalnummer nicht gänzlich gleich gecovert wird, wechselt Pentatonix zeitweise die Stile und bietet somit ein abwechslungsreiches Hörerlebnis. 58 4.2. Can’t hold us Can’t hold us ist ein erfolgreicher Popsong des US-amerikanischen Hip-HopDuos „Macklemore & Ryan Lewis“. Mit diesem Hit, der 2012 veröffentlicht wurde, erklommen sie im Jahr 2013 auch die österreichischen Charts, wo sie den dritten Platz einnahmen, sich dort aber lediglich eine Woche aufhielten. In Australien beispielweise war der Song noch viel beliebter – Can’t hold us verharrte dort für 25 Wochen auf Platz eins.129 Pentatonix hat von diesem Lied sehr bald ein Cover veröffentlicht, nämlich wurde der Song Teil ihres neuesten Albums „PTX Vol. III“, das 2014 erschien. 4.2.1. Formale Unterschiede Die Versionen von Can’t hold us sind beide in der gleichen Tonart, nämlich in EMoll. Im Bezug auf das Tempo gibt es kaum Unterschiede, denn bei Pentatonix beläuft sich das Tempo auf 144 Schlägen pro Minute und bei Macklemore & Ryan Lewis auf 146 Schlägen pro Minute. Beide Versionen erklingen für den Großteil des Liedes im 4/4-Takt, bei Pentatonix beginnt der Song jedoch im 6/8Takt. Im Bezug auf die Länge und den Aufbau des Stücks lassen sich die wohl eindeutigsten Unterschiede feststellen: In der Originalversion, in der die Strophen lediglich aus Rap bestehen, wird neben den Background Vocals nur der Refrain gesungen. Macklemore & Ryan Lewis inkludieren in ihr Arrangement des Liedes auch eine Brassband, die in der Bridge - wie später näher beschrieben – eine wichtige Rolle einnimmt. Insgesamt ist das Pentatonix-Arrangement mit 03:17 Minuten kürzer als die Orginalversion mit 04:18 Minuten. Der Grund dafür liegt darin, dass Pentatonix nicht alle Strophen übernimmt, wie der tabellarische Vergleich anschließend beweist: 129 Vgl. http://austriancharts.at/showitem.asp?interpret=Macklemore+%26+Ryan+Lewis+feat%2E+Ray+ Dalton&titel=Can%27t+Hold+Us&cat=s [01.06.2015] 59 Macklemore & Ryan Lewis Pentatonix Intro 1 (4+4 Takte) Intro Chor Intro 2 (8 Takte) Verse 1 Verse 1 (jeweils 8 Takte) Verse 2 Verse 2 Verse 3 (= Verse 4) Verse 3 Chorus Verse 4 Chorus Verse 5 Verse 4 (= Verse 6) Chorus Verse 5 (= Verse 8) Chorus Chorus Verse 6 Chorus Verse 7 Bridge (16 Takte) Verse 8 Chorus Chorus Chorus Halftime Chorus Interlude (16 Takte) Bridge (16 Takte) Chorus Chorus Die Strophen in der Originalversion bestehen hauptsächlich aus einem Rap, deshalb sind sie nicht immer deutlich voneinander abzugrenzen. Da sich aber an der Instrumentierung nach allen 8 Takten etwas ändert, wurden nun die einzelnen Strophen mit einer Länge von 8 Takten festgelegt. Auch im Vokalarrangement umfasst eine Strophe die gleiche Anzahl an Takten, wie sich ebenfalls beispielsweise anhand von Stimmwechseln oder veränderten Background-Chören erkennen lässt. Gleichzeitig ist die Version von Pentatonix im Bezug auf seine Form viel einfacher gegliedert als das Original: Das Intro ist insgesamt kürzer und auch deutlicher als solches zu erkennen, die Anzahl an Strophen wurde verringert, sowie der Break-Down in Form eines Interludes, gespielt von tiefen Blechblasinstrumenten wie Posaune und Tuba, fehlt. Dennoch ergibt sich bei Pentatonix insgesamt ein rundes Arrangement, das gerade bei diesem Lied den Popsound einer Dance-Nummer ausgezeichnet in 60 rein vokaler Form, mit etwaigen technischen soundgestalterischen Mitteln, imitiert. 4.2.2. Vokale Umsetzung des Popsounds Das Intro beginnt im Vokalarrangement von Pentatonix mit einem dreistimmigen Chor mit Gospelsound, bei dem später auch die vierte Stimme des Basses einsetzt. Dieses Chor-Intro steht als einziger Teil des Arrangements im 6/8Takt. Damit dieser Beginn aber nicht zu sehr der klassischen Chormusik zuzuordnen ist und damit am Genre von A-cappella-Pop vorbeigeht, ist dieses Intro deutlich mit einem großen Maß an Hall und dem Chorus-Effekt nachbearbeitet. In der Transkription der Noten lässt sich dies freilich nicht erkennen, doch diese zeigen etwas anderes – nämlich wie der Aufbau schon von Beginn an kontinuierlich zunimmt, indem der Bass erst 4 Takte später einsteigt und aufgrund dessen ein Effekt der Steigerung eintritt: 61 In der Originalversion von Can’t hold us wird lediglich in den ersten vier Takten des Intros das Klavierpattern, das anschließend im gesamten Lied immer wiederkehrt, solistisch vorgestellt. Dieses Intro folgt aber dem gleichen Tempo und der gleichen Taktart wie der Rest des Liedes – der dynamische Aufbau erfolgt also rein durch eine veränderte Instrumentierung. Dieses Pattern wird ebenfalls von Pentatonix gleich in Verse 1 übernommen. Während der Bariton SCOTT HOYING den Rap-Teil übernimmt, werden die Background Vocals von Sopran, Altus/Tenor und Bass übernommen. Die Vocal Percussion ist für den Uptempo-Beat verantwortlich. In Verse 2 des A-cappellaArrangements wird der Rap mehrheitlich gesungen, falls dies nicht der Fall ist, übernimmt die Sopranistin KIRSTIE MALDONADO die Rap-Teile mit dem Text „My posse’s been on Broadway, and we did it our way“ und „everything I record to it and yet I’m on“. An diesen Stellen singen die Männer das Klavierpattern des Originals. Da es in berühmten kontemporären Popsongs üblich ist, die Strophen aufgrund des dynamischen Aufbaues anders zu instrumentieren, kommt in der Originalversion von Can’t hold us in der zweiten Strophe eine SynthesizerMelodie dazu, die jedoch in Verse 3 wieder weggelassen wird. Pentatonix erreicht diesen dynamischen Aufbau durch mehrstimmigen Gesang. Auffällig ist hingegen die Gestaltung von Verse 3 im Vokalarrangement. Hierbei wird ein Teil der Originalversion vorgezogen, der dort erst in Verse 4 hörbar wird. Da in der Version von Pentatonix Verse 4 gestrichen wurde, ist es nachvollziehbar, dass sie diese Linie schon in der dritten Strophe verwenden, um dem Original möglichst treu zu bleiben. Diese Linie wird bei Pentatonix lediglich als Background in den ersten vier Takten der dritten Strophe verwendet, während der Bariton SCOTT HOYING wieder den Rap übernimmt: 62 Diese Linie wird in Begleitung des Beatboxers ausschließlich unisono gesungen, wobei der Bass AVI KAPLAN wieder eindrücklich seine tiefe Bassstimme präsentiert, da er erneut ein Kontra-H singt. Um einen fortschreitenden dynamischen Aufbau zu gewährleisten, werden die übrigen vier Takte des Vokalarrangements wieder auf der oben notierten Melodielinie vierstimmig ausgesetzt. Dabei behält der Bassist seine Lage, wodurch eine fulminante Steigerung entsteht, wie folgendes Beispiel beweisen soll: Der Sound des Originals wird hier vor allem durch eine übermäßige Verwendung von Hall angenähert. Es ist anzunehmen, dass die Backgroundstimmen auch gedoppelt wurden, da ein solch mächtiger Klang – wenn auch im Hintergrund – durch lediglich vier Stimmen in der Praxis nicht zustande kommt. Im darauffolgenden Chorus wird in der Originalversion von Macklemore & Ryan Lewis unüblicherweise auf eine üppige Instrumentierung verzichtet. Hier stehen hauptsächlich die Hauptstimme und das oben abgebildete wiederkehrende Klavierriff im Vordergrund. Im ersten Teil des Refrains stehen Gesang und Klavier für sich alleine. Erst in der Wiederholung des Chorus setzen eine 63 prägnante Synthesizer-Stimme, die als Kontrapunkt zu den Leadvocals gehandelt werden kann, und der durchdringende Synthesizer-Bass ein. Da die kontrapunktische Gegenlinie im Vokalarrangement in ihrer gesamten Form nie Platz findet, ist sie deshalb auch in dieser Analyse nicht von Bedeutung. Auch Pentatonix versuchen mit einem im Vergleich zu Verse 3 schlicht gehaltenen Chorus, die Gegebenheiten der Originalversion umzusetzen. Dabei wird die Hauptstimme vom Sänger SCOTT HOYING übernommen, während Bass und Vocal Percussion durchgehend im Einsatz sind. KIRSTIE MALDONADO und MITCH GRASSI übernehmen an dieser Stelle die Background-Vocals, in dem sie in den ersten beiden Takten des Refrains nur den jeweils ersten Schlag eines Taktes mit einer dreistimmigen Fassung der gesungenen Silbe unterstützen. Als beispielhaft für den Popsound der Originalversion muss hier die Basslinie von AVI KAPLAN genannt werden, die sich wie folgt aufbaut: Im vorangegangenen Notenbeispiel sollen vor allem die Glissandi am Ende einer viertaktigen Phrase auffallend sein: Diese stehen nämlich für ein Element, das in der Originalversion von Can’t hold us sowie in zahlreichen anderen modernen Popnummern gern gesehen ist. Der aufsteigende Ton bringt eine animierende Funktion mit sich, indem – auch für ein Tanzpublikum - signalisiert wird, dass ein ständiger Aufbau passiert. Wird besagtes Stilmittel Bestandteil eines Vokalarrangements, weist dies auf eine direkte Verbindung zur Imitation erfolgreicher Elemente des modernen Disco-Pops hin. So gesehen weist Pentatonix eine dementsprechend nähere Verbindung zur instrumentalen 64 Popmusik auf, als es herkömmlichen A-cappella-Gruppen wohl dem Bereich des Chorgesangs zuzuschreiben wäre. Verse 4 des Vokalarrangements wurde der entsprechenden Strophe des Originals sehr gut angenähert: In letzterem wird der Rap lediglich mit einer tiefen Synthesizer-Stimme, die eine Bassfunktion aufweist, sowie mit einem durchgehenden Viertel-Beat begleitet. Dies setzen auch Pentatonix um, indem der Rap von MITCH GRASSI lediglich von Beatbox und Bass begleitet werden. Die Bassmelodie ist hierbei aber nicht die des Originals, sondern beschränkt sich lediglich auf die Grundtöne und hat eine Stütze der Vocal Percussion zum Zweck. Interessanterweise kommt im Original aber immer in den verschiedensten Teilen eine spezielle Synthesizer-Melodie vor, die im Arrangement von Pentatonix nicht enthalten ist: Diese Linie ist in der Originalversion in verschiedenen Lagen wiederkehrend, beispielsweise in Verse 2, Verse 4, in der Wiederholung des ersten Refrains, sowie im gesamten zweiten und dritten Refrain. Im gesamten Vokalarrangement wird diese Linie jedoch nicht berücksichtigt. Ein Grund dafür könnte der weite Tonumfang dieser Melodie sein, da in einem Vokalensemble jedes Mitglied einen bestimmten Umfang abdeckt. Die oben angeführte Melodie mit dem Umfang von einer Sextdezime würde allzu drastische Stimmkreuzungen verursachen, sodass die stimmliche Ausgewogenheit darunter leiden würde. Ein typischer Hinweis auf die Umsetzung eines instrumentalen Merkmales des Disco-Pops, dem Can’t hold us zuzuordnen ist, ist der Breakdown nach dem zweiten Chorus. Hierbei setzt der Beatboxer mithilfe einer imitieren Bass-Drum im Kombination mit dem Sound „ssh“ einen deutlichen Schluss, sodass dem 65 Zuhörer nicht klar ist, ob das Lied schon zu Ende ist. Die anschließende Bridge besteht wie im Original aus 16 Takten und aus einer einfachen, auf „na-na“ gesungenen Melodie, wie das Notenbeispiel zeigt: Die Bridge ist in vier jeweils viertaktige Phrasen gegliedert, wobei immer die ersten beiden Takte aus der oben abgebildeten Melodie bestehen. Die restlichen beiden Takte einer Phrase werden mit Ad-Libs aufgefüllt. Ab der dritten Wiederholung der Phrase wird diese vierstimmig ausgesetzt, was eine dynamische Aufwertung mit sich bringt. Diese mehrstimmige Fassung setzt sich wie folgt zusammen: In der Studioversion der Aufnahme von Pentatonix ist hier bemerkbar, dass die Stimmen an dieser Stelle unterschiedlich laut sind. Der Bass, der ebenfalls die Hauptstimme singt, doch nur um eine Okave tiefer als in einem normalen Chorarrangement üblich, klingt deutlich lauter als die anderen Stimmen. Dies scheint angesichts des Originalklangs in der instrumentalen Version absichtlich so gesteuert worden zu sein, da die Bassstimme in der heutigen MainstreamPopmusik immer im Vordergrund steht. Die Tatsache, dass der Bass zusätzlich in sehr tiefer Lage die Hauptstimme singt, unterstützt diesen Aspekt noch 66 einmal. Daneben geht die Vocal Percussion ab der dritten Phrase ebenfalls zu ihrer Höchstform auf, da neben durchgehenden Viertelnoten auch anspruchsvolle Fills zu hören sind. Der durchgehende Viertel-Beat, der rein vom Sound her an sogenannte „Claps“ erinnert, die vor allem in elektronischer Popmusik weit verbreitet sind, wirkt sehr vorantreibend und animierend, obwohl sich am objektiv gemessenen Tempo hier nichts ändert. Der allerletzte Chorus ist im Vokalarrangement von Pentatonix rein stilistisch wieder anders als im Original, da in der vokalen Version der Beat verändert wird. Wie in der vorangegangenen Analyse von We are young kommt wieder ein Halftime-Chorus als variierendes Element hinzu. Durch die Betonungen der Bassstimme erinnert der letzte Chorus wieder sehr stark an Dubstep, der in Mainstream-Popmusik gerade sehr weit verbreitet ist. Allgemein ist an dieser Stelle zu sagen, dass das Vokalarrangement von Can’t hold us viele einzelne Teile aus der Originalversion von Macklemore & Ryan Lewis aufgreift, jedoch kommen diese Elemente – gemessen an der jeweiligen Form des Liedes – nicht an der gleichen Stelle wie im Original zum Einsatz. Aufgegriffen wurden in der Version von Pentatonix mit Sicherheit die Elemente, die am leichtesten vokal umsetzbar sind, und anschließend flexibel miteinander kombiniert, sodass das Cover noch möglichst originalgetreu klingt. 4.3. Daft Punk Das dritte Arrangement, das im Analyseteil dieser Arbeit genauer betrachtet wird, ist ein ganz besonderes: Wie schon in Kapitel 3.4.1. erwähnt, bekam Pentatonix für ihren Song Daft Punk einen Grammy-Award für das beste Arrangement verliehen, wobei der Songtitel vielmehr für einen Bandnamen, als für ein Cover eines spezifischen Songs steht. Daft Punk ist eine französische Elektro-Band, bestehend aus GUY DE HOMEM-CHRISTO und THOMAS BANGALTER. 67 Sie gehören zu den Wegbereitern des modernen Disco-Sounds und feierten speziell in den 1990er- und frühen 2000er Jahren große Erfolge.130 Zum Entstehungsprozess verfasste der hohe Tenor/Altus der Gruppe, MITCH GRASSI, einen kurzen Artikel auf dem Onlineportal der Grammy-Awards. Darin beschreibt er, dass die Auswahl der Daft Punk-Lieder rein nach eigenem Ermessen und Favorisieren entstand. Sobald die Auswahl an Songs feststand, bastelten sie an einer geeigneten Zusammensetzung für ein Mash-up mit dem Ziel, den Fluss zu erhalten. Diese lose Struktur begann erst langsam mit dem genauen Arrangieren der einzelnen Stimmen zu wachsen:131 „Once we had the order of the songs, we chose keys for each soloist, and then arranged to transition seamlessly from one song to the next. We’ve found that tight three-part harmonies make the track seem a lot fuller. Amping up the low end of the bass and capturing all the discrepancies of the percussive elements really helped, too. Toward the end of the process, we filled in holes and tweaked otherwise ineffective musical moments and nuances. The only difficulty we had with arranging the songs was making them less simplistic and more complex. Dance music is notoriously hard, in my opinion, to cover with just voices.”132 Wie diese eng geführten Stimmen in der Praxis gesetzt wurden und welche klangverändernden Maßnahmen, die den elektronischen Disco-Pop realistisch imitieren, vorgenommen wurden, soll im Anschluss wieder anhand von zahlreichen Beispielen geklärt werden. 4.3.1. Formale Umsetzung Bei Daft Punk von Pentatonix handelt es sich um ein Mash-up, bei dem im Gegensatz zu einem Medley auch Melodien und Songs miteinander kombiniert werden, von berühmten Hits der tatsächlichen Band, nämlich Technologic, One More Time, Get Lucky, Digital Love; Harder, better, faster, stronger, Television Rules the Nation, und Around the World. Das Mash-up wird wie folgt zusammengesetzt: 130 131 132 Vgl. http://www.rollingstone.com/music/artists/daft-punk/biography [06.06.2015] Vgl. http://www.grammy.com/news/the-making-of-pentatonixs-daft-punk [06.06.2015] ebda 68 Lied Taktanzahl Technologic (Intro) 16 Takte One More Time 8 Takte Get Lucky 27 Takte Digital Love 20 Takte One More Time 8 Takte Harder, Better, Faster, 16 Takte Stronger Television 8 Takte One More Time 8 Takte Get Lucky und One more 24 Takte Time überlappend Insgesamt dauert das Arrangement von Pentatonix, das angesichts der Vielzahl an verwendeten unterschiedlichen Melodien nicht mehr als Cover zu bezeichnen ist, 4:55 Minuten. Dieses ist von allen in dieser Arbeit analysierten Vokalarrangements eindeutig das längste. 4.3.2. Vokale Umsetzung des Popsounds Im ersten Abschnitt von Daft Punk, der durch den Originaltitel Technologic eingeleitet wird, ist eine äußert prägnante rhythmische Phrasierung bemerkbar. Durch eine recht enge Stimmführung hat dies einen roboterähnlichen Charakter, was wiederum das Konzept der Originalband sehr eindrucksvoll widerspiegelt, wie aus der untenstehenden Abbildung der letzten vier Takte des Intros deutlich hervorgeht. Gleich zu Beginn ist erkennbar, dass die jeweiligen Stimmen mit Effekten versehen wurden. Dank der guten Produktion dieses Liedes sind entweder Auto-Tune oder Melodyne zwar nicht hörbar, jedoch wurden die Einzelstimmen mit Sicherheit verändert und stark mit Kompressor nachbearbeitet, da jeder einzelne Akkord selbst in diesem schnellen Tempo sofort einrastet. Durch die enge Stimmführung und die Nachbearbeitung der 69 Stimmen selbst entsteht ein sphärischer Klang, der den von Synthesizern besetzten Sound der Originalband sehr gut imitiert. Im Get Lucky-Teil des Mash-ups singt der Bass AVI KAPLAN eine für Disco-Pop typische synkopische Basslinie, die das Arrangement nach einem überwiegend homophon ausgesetzten Teil gefühlsmäßig deutlich vorantreibt. Würde diese Basslinie unplugged gesungen werden, hätte dies bestimmt nicht den gleichen Effekt wie mit Hilfe von technischen Hilfsmitteln. Wie MITCH GRASSI im 70 Statement zu Beginn zitiert wurde, unterliegen die Basslinien einer maximalen Verstärkung, und folgende Passage ist ein deutliches Beispiel hierfür: Die rhythmische Komplexität dieser Basslinie unterstreicht zudem den hohen Professionalitätsgrad des Basses AVI KAPLAN. Generell muss hier auch angemerkt werden, dass mit dem Eintreten von Get Lucky innerhalb des Mashups auch die Tonart verändert wird: Der Beginn von Daft Punk steht in D-Dur, während an der erwähnten Stelle nach Fis-Moll gewechselt wird. Dies geschieht, indem die Background-Stimmen zuvor auf einem F#m7-Akkord stehen bleiben und dieser dann zu einem grundständigen Akkord wird, indem die Hauptstimme, gesungen von SCOTT HOYING, auf diesen aufbaut. Im Get-Lucky-Teil kommt auch noch ein anderes Element aus dem Disco-Pop sehr eindrucksvoll zum Vorschein. Hier werden nämlich rein vokal Scratches imitiert. Einerseits wird dies im Arrangement durch simple Wiederholungen von Wörtern durchgeführt, andererseits sind aber wieder technische Feinheiten ausschlaggebend für die präzise Ausführung sowie an die maximale vokale Annäherung an echte Scratches. Die gesungenen Akkorde wirken hier wie abgeschnitten, da die Töne in jeder Stimme exakt gleich lang ausgehalten werden und ebenso abrupt enden. Nichts desto trotz soll das folgende Notenbeispiel einen Eindruck vermitteln, wie solche Scratches notiert werden können: 71 Um den Eindruck von echten Scratches zu vermitteln, werden auch die Konsonanten zur Hilfe genommen, die dann auch noch in der Studioversion hervorgehoben werden. Die Verbindung der Wörter „to get“ vermittelt schon rein auf onomatopoetischer Ebene den Klang eines Scratchs. Durch eine übertriebene Aussprache, beziehungsweise Betonung der Buchstaben „t“ und „g“ wird dieser Klang noch intensiviert. Ein weiterer interessanter Abschnitt von Daft Punk ist der Teil bestehend aus dem Daft Punk-Original Harder, Better, Faster, Stronger. Hierbei wird die im Original von einem Synthesizer gespielte Melodie auf alle vier Stimmen solistisch aufgeteilt. Diese schnellen Wechsel passieren im Abstand von einem oder zwei Schlägen. 72 Um den unterschiedlichen Klang von Bass, Bariton, Tenor/Altus und Sopran ausgleichen zu können, wird hier als soundgestalterisches Mittel ein Vocoder eingesetzt, der die Stimmen zu einem gewissen Maße verzerrt. So bekommt zumindest jede Stimme, egal ob hoch oder tief, männlich oder weiblich, den gleichen Effekt aufgedrückt, sodass diese schnellen Übergänge auch im Vokalarrangement als durchgehende Melodie wahrgenommen werden können. 4.4. Fazit Generell ist auffallend, dass bei Pentatonix alle Studioaufnahmen mit den gleichen klangtechnischen Voreinstellungen, so wie einem großen Maß an Hall und einem durchdringenden Bass, aufgenommen wurden. Sie folgen immer dem Muster von einem außergewöhnlich ausgereiftem Beatboxing, einem durch seinen großen Stimmumfang überzeugenden Basssänger und einem perfekt zusammenklingenden Oberstimmenchor. Die Tatsache, dass der Oberstimmenchor in dieser Formation aus einer Frau und zwei Männern einem Sopran/Mezzosopran, einem Altus/Tenor sowie einem Bariton - besteht, anstatt dem aus der klassischen Chormusik allseits bekannten Oberstimmenchor in der Aufteilung Sopran-Mezzosopran-Alt, bestärkt das Konzept von Pentatonix. Auch die ausgereifte stimmliche Performance der Mitglieder trägt einen wesentlichen Teil dazu bei. Bemerkenswert ist, dass dieser dreistimmige Oberstimmenchor vorwiegend an dynamischen Höhepunkten, unabhängig ihrer Bandbreite an Arrangements und Coverversionen eingesetzt wird, und somit gleichzeitig als aufgrund der Stimmenkonstellation begrenzte Möglichkeit angesehen werden kann. Dies ist aber auch positiv zur Kenntnis zu nehmen, da - umgemünzt auf die instrumental begleitete Popmusik – jede Band versucht, ihren eigenen Stil durch eine durchgehende Linie zu präsentieren. Daher ist Pentatonix ein sehr gutes Beispiel für eine dem kontemporären Popsound zugeneigte A-cappella-Gruppe, die dadurch beweist, mit Bands rein sound- und arrangementtechnisch mithalten zu können. 73 5. A-cappella: Hinter den Kulissen Im letzten Kapitel dieser Arbeit soll erörtert werden, welche Maschinerie hinter erfolgreichen A-cappella-Gruppen steckt und wie sich derartige Formationen heutzutage in der Öffentlichkeit präsentieren. Zu diesem Zweck sollen zwei Interviews, einerseits aus Künstlersicht und andererseits aus der Sicht eines Managers, Aufschluss darüber geben, wie in der europäischen A-cappellaSzene gearbeitet wird. Im ersten Interview spricht HANNU LEPOLA, der Tenor der professionellen finnischen A-cappella-Gruppe „Rajaton“, sowohl über seinen persönlichen Alltag im A-cappella-Business als auch über seine individuelle Einschätzung von Pentatonix. Das zweite Interview wurde mit dem Deutschen PETER MARTIN JACOB, dem Agenturchef der deutschen A-cappella-Agentur „magenta“, geführt. Bei dieser Agentur sind beispielsweise erfolgreiche und bekannte A-cappella-Formationen wie „Maybebop“ oder „ONAIR“ unter Vertrag. 5.1. Die Sicht eines Künstlers HANNU LEPOLA ist bereits seit 1998 Mitglied der 1997 gegründeten finnischen A-cappellaGruppe Rajaton. Er studierte Gesang am „Jazz & Pop Conservatory“ in Helsinki. Gemeinsam mit seiner Gruppe Rajaton hat er bereits 13 Alben veröffentlicht und weltweit bereits über 400.000 Alben verkauft. Weit über ihre Heimat Finnland hinaus ist die sechsköpfige A-cappella-Gruppe, bestehend aus drei Frauen und drei Männern, für ihre Wandlungsfähigkeit bekannt, indem sie mit Abbildung 4: Hannu Lepola ihrem weitreichenden Repertoire klassische 74 Vokalkunst und Mainstream-Pop verbinden. Rajaton kollaborierte schon mit anderen hochkarätigen Gruppen aus der A-cappella-Szene, unter anderem den „King’s Singers“ oder „The Real Group“.133 Im folgenden Teil spricht Hannu Lepola über die Arrangements von Rajaton, Acappella-Castingshows und Mainstream-Vokalmusik. Dabei wird entsprechend dem Thema der Diplomarbeit immer wieder die Gruppe Pentatonix für Vergleiche herangezogen. 5.1.1. Interview mit Hannu Lepola von Rajaton Who is arranging for Rajaton and is there a relation between covers and originals in your group? Jussi (Anmerkung: Jussi Chydenius, Bass) has written the most, especially in the beginning. I mean, this group was founded for his compositions. He had songs and he needed somebody to sing them. So that’s what it started for. But later on, also Soila (Anmerkung: Soila Sariola, Alt) has written lots of original songs for us. Also, I myself wrote originals and cover arrangements. But usually we sing like 20% covers and 80% originals. Of course, we have a Mia Makaroff134 who has written lots of originals. For example, Pentatonix has arrangers from elsewhere. What do you personally think about that? Well, for us it’s usually easier to write them ourselves because you know the group so well and when we get arrangements from outside the group, like from Mia Makaroff, we usually have to do lots of changes to make them fit for us. Every now and then we have sung arrangements from elsewhere, but these days this happens very rarely. 133 Vgl. http://www.rajaton.net/en/biography/group/ [08.06.2015] Mia Makaroff ist eine finnische Komponistin und Arrangeurin, aus deren Feder beispielsweise Rajatons berühmtes „Butterfly“ stammt. 134 75 Do you think it’s typical for mainstream A-cappella-groups that they get their arrangers from somewhere else? In my experience, the groups that I have met tend to write their arrangements themselves, but they usually cover songs. Original songs in that genre are very rare and there is “The Real Group” who sings their own stuff and that’s about it. Do you arrange for a certain target audience? No, we arrange for the group because you have to love what you do in order to make it work. Also, we as a group have a very clear idea of what is Rajaton. All of us, we have a very different personal musical taste, but when it comes to Rajaton, we have a very clear idea what’s good for Rajaton, for example what kinds of songs we need. In our group, of course, we write for the group, for these six singers. What is it like to have A-cappella as a job? What is the best way to get there? It’s a very unusual job, so you get used to it and I always have to remind myself how lucky I am. Well, you just have to be very good and then you have to be original and do your own stuff. Especially in our case, our strength is touching people on an emotional level. So it’s not just a technical performance, but you also need emotion. Do you agree that also European A-cappella groups mainly base on the classical choral scene other than soloists randomly singing together? With our group this is definitely the case because we started as a choral group, so to say, we were just singing acoustically in a semi-circle and didn’t have much of a show. We’re just focusing on the music and we still love to do that. Do you think that casting shows are a positive thing for the choral community? Yes, I would say so. I think that when an artist or a group wins such a show, they have a lot of work to do in order to gain respect from the choral community. I would really love to have such a show in Finland, but there is obviously a small market and there might not be enough groups that are good enough, other than 76 in America. They have a lot of college a-cappella. But I think all publicity is good publicity for the genre. Do casting shows have an influence on an A-cappella group, concerning their rising and fading fame? I could be a kick-off for a group, like our kick-off was when we won a competition. We won a vocal ensemble contest in Tampere, Finland, in 1999. And that’s how we started getting gigs abroad. That was the starting point of our international career. I mean, you need something to get known by people. What do you think are the advantages or disadvantages of mainstream-acappella, meaning that you write for a certain target audience? Can that be harmful for a group? I don’t know if you’re familiar with the Japanese scene. It’s very industrial, like all of Japan’s pop music is very industrialized. They have dozens of these boy groups, girl groups or mixed a-cappella-groups, who all look the same and sound the same. You know, this is something I don’t understand. Why would you want that? But as long as it serves people’s needs to express themselves it’s a good thing. But if it’s just a group consisting of five puppets on a string singing what their record company tells them to sing, it’s not a good thing. Does it ever happen at your concerts that the audience gets louder than the six of you singing? Because this is what I experienced when I was at a Pentatonix concert very recently. Yes, this has happened to us a couple of times, at something like youth festivals in Canada I think. You know, maybe they want to be fans. But that’s their thing (i.e. Pentatonix) and from what I have heard, there are really good singers in the group. They are really good at what they are doing, and so were for example the Beatles, who had the same thing – you could not really hear what they were playing because people were screaming so loud. But it’s not their fault. It does not take anything away from their goodness. 77 5.1.2. Zusammenfassung des Interviews HANNU LEPOLA bringt in seinem Interview deutlich zum Ausdruck, dass es für ein A-cappella-Ensemble immer leichter ist, wenn die Mitglieder selbst arrangieren, da gruppenintern die stimmlichen Stärken der anderen Mitglieder am besten bekannt sind. Rajaton unterstreicht den zunehmenden Trend bei A-cappellaGruppen, ihre eigenen Lieder zu schreiben, anstatt bestehende zu covern. Auch Pentatonix beginnt mit dem wachsenden Ruhm zunehmend, neben gängigen Disco-Hits eigene Lieder unter ihre Fans zu bringen, was sich als marketingtechnisches Konzept scheinbar bewährt. LEPOLA unterstreicht den positiven Aspekt von A-cappella-Castingshows, da diese als Karrierestarter fungieren können und auf diese Weise schnell eine Fangemeinde gegründet werden kann. Natürlich gibt es hier seiner Meinung nach auch negative Aspekte, beispielsweise, wenn sich Gruppen ihren Plattenfirmen ausliefern und ihrer eigenen Kreativität nicht mehr freien Lauf lassen können. Bezieht man dies auf Pentatonix, ist Letzteres noch nicht eingetreten, da die Mitglieder in Interviews immer wieder betonen, dass sie gemeinsam arrangieren und dies durch ihre Eigenkompositionen in Kollaboration mit dem Arranger BEN BRAM bewiesen wird. 5.2. Die Sicht eines Managers PETER MARTIN JACOB ist der Chef und einer der Gründer der deutschen A-cappella-Agentur „magenta“. Die Agentur hat sich zum Ziel gesetzt, A-cappella einem breiten Publikum zugänglich zu machen, sowie außerdem jungen A-cappella-Gruppen den Zugang zum Business zu erleichtern und sie dementsprechend zu beraten. JACOB war selbst 19 Jahre lang als Bass aktives Mitglied der A-cappella-Gruppe „Six Pack“. Neben seiner Funktion als Abbildung 5: Peter Martin Jacob 78 Agenturchef ist er auch als Radiojournalist, Nachrichtensprecher und Moderator tätig. Insgesamt sind bei „magenta“ 200 Gruppen aus der ganzen Welt unter Vertrag, was vom Renommee der Agentur zeugt.135 5.2.1. Interview mit Peter Martin Jacob Kontemporärer Popsound in der Vokalmusik – was fällt Ihnen da spontan ein? Welche Assoziationen weckt das bei Ihnen? Moderne Vokalmusik ist mit dem A Cappella-Sound der 80er oder 90er nicht mehr zu vergleichen. Es gibt heutzutage - teilweise schon länger - deutsche und internationale Vocal Acts mit einem Bombast-Sound, der „richtigen“ Popgruppen in nichts mehr nachsteht. Natürlich ist das vor allem auch der Verdienst der Tontechniker/innen, oder nennen wir sie besser Sounddesigner/innen. Bei einem „ONAIR“-Konzert sprach mich vor kurzem in der Pause ein Freund an: „Hey wusste gar nicht, dass du jetzt auch normale Popgruppen vertrittst“ - „Wieso“ - „Na, da sitzt doch n Schlagzeuger hinter dem Vorhang.“ … Was verbinden Sie mit der Gruppe Pentatonix? Pentatonix ist eine A-cappella-Gruppe aus den USA, die dem weit verbreiteten High School-A-cappella-Umfeld entsprungen sind und über die Fernsehshow „Sing Off“, sowie mit viel finanziellem Einsatz einer Plattenfirma und mit einem ausgeklügelten Social Media-Konzept (z.B. YouTube-Videos) zu internationalem Ruhm gelangt sind. Pentatonix hat es im Bereich des Mainstream-A-cappella-Pops ganz nach oben geschafft. Worin Sehen Sie ihr Erfolgsgeheimnis? Zum einen verweise ich auf oben, zum anderen muss ich leider sagen, kann ich nicht viel mehr zu Pentatonix sagen. Ich habe sie auch noch nicht live gesehen oder mich intensiver mit ihnen befasst. Ein wesentlicher Aspekt ihres Erfolgs ist natürlich auch der durch ihre Geschichte und ihr Marketing aufgebaute Fankreis. Ein Szenekenner aus den USA erzählte mir, ganz wichtig sei auch 135 Vgl. http://www.magenta-concerts.de/agentur/ [10.06.2015] 79 eine Art Personenkult. Jeder einzelne Künstler habe für sich persönlich auch eine Unmenge an Fans, die total auf ihn abfahren. Inwiefern ist Pentatonix Ihrer Meinung nach repräsentativ für die Acapella-Szene? Das sind sie natürlich nicht. „Die Szene“ ist ja ein weit gefasster Begriff. Da gehört das sechsköpfige Männerensemble genauso dazu wie eine gemischte Gruppe oder ein kleiner Chor. Und vor allem muss man zwischen Amateuren, Halbamateuren und Profis unterscheiden. Die A Cappella-Szene ist ja sehr vielfältig und bunt. Welche A-cappella-Gruppen gibt es in Europa, die einem vergleichbaren musikalischen und marketingtechnischen Konzept folgt? Das kann ich so nicht beurteilen, da ich die einzelnen Konzepte der Gruppen ja nicht bis ins Detail kenne. Aber sicher ist heutzutage eine kontinuierliche Präsenz auf YouTube und Facebook unerlässlich für eine Gruppe, die nach vorne will. Und natürlich ein Deal mit einer Plattenfirma, die die entsprechenden Mittel in das Marketing steckt. Das gibt es aber in Europa meines Wissens nach nicht so häufig. Die Musikindustrie bei uns ist da bisher offenbar nicht so überzeugt von dem Erfolg eines Vocal Acts. Wer den Majordeal nicht hat, muss meiner Meinung nach umso mehr in Social Media und Fanbetreuung investieren. Und natürlich, in erster Linie sogar, in seine Kunst. Wie muss A-cappella-Musik klingen, damit sie die Aufmerksamkeit des Mainstreams auf sich zieht? Im Grunde klingt sie ja schon so. Viele Gruppen haben diesen Sound schon. Bloß in den Köpfen ist A-cappella immer noch ein Außenseiter. Sobald ein „Musiknutzer“ hört, dass es eine A-cappella-Gruppe ist, kommt schnell der Hinweis: „Ach so. Ja nee. Ich steh ja auf ‚richtige‘ Musik“. Der A-cappella-Markt ist kein Mainstream, sondern eine Nische im Musikbusiness, allerdings, meiner Erfahrung nach, eine sehr dynamische und sich stetig weiter entwickelnde Nische. Innerhalb dieses Marktsegments allerdings ist die Szene gerade Social Media-mäßig sehr gut vernetzt. 80 Sehen Sie ein Potenzial dieser Musikrichtung allgemein für die Zukunft, so dass diese Form auch mit herkömmlichen Popbands vergleichbar wird? Durchaus. Es gibt Gruppen, die klopfen an der allgemeinen Musikbusiness-, respektive Mainstream-Tür an, machen Konzerte in reinen Musikclubs, zum Teil auch Stehkonzerte. Allerdings müssen viele Musiknutzer, Radiomacher und hörer, sowie Plattenfirmen noch offener werden dafür. Es ist ein stetiger Prozess. Ich schließe nicht aus, dass es der ein oder anderen Gruppe einmal gelingt. Übrigens gibt es andere Gruppen, die streben das gar nicht an. Sie sind im A-cappella- und Chorumfeld so dermaßen erfolgreich, dass sie der Vergleich mit „herkömmlichen Popbands“ gar nicht juckt. So kann es auch gehen. Vermarktung ist für alle Musikrichtungen besonders wichtig. A-cappellaMusik hat nun auch vorwiegend auf YouTube und auf Social MediaPlattformen Einzug gehalten. Wie sehen Sie diese Entwicklung? Wie schon gesagt, ich sehe es als immens wichtig an, dass A-cappellaGruppen, die etwas erreichen möchten, im Bereich Social Media ein Konzept haben und es auch kontinuierlich umsetzen. Was raten Sie mit Ihrer Erfahrung A-cappella-Gruppen im Popbereich, um auch in Zukunft musikalisch und kommerziell erfolgreich sein zu können? Im Grunde sprechen Sie es selbst schon an. Es sind zwei Stränge. In erster Linie gilt es der Kunst. Eine Gruppe muss künstlerisch und musikalisch hart an sich arbeiten und dadurch besonders auffallen. Es müssen selbstverständlich sehr gute Sänger/innen sein. Es sollten nicht nur Coversongs sondern auch eigene Stücke geschrieben und genial arrangiert werden. Das Showkonzept muss überzeugen. Es muss vom Unterhaltungs- und Entertainmentaspekt her ein Publikum fesseln, es von einer Emotion in die andere werfen. Sound, Blending, Choreographie, Bühnenpräsenz etc. spielen da ihr übriges. Kommerziell sind die Aspekte zu berücksichtigen, die ich oben genannt habe: An YouTube und Facebook kommt heutzutage keine Band mehr vorbei, Fanbetreuung, CDs, Videos, gute Fotos, einen cool geschriebenen Text und eine gute Agentur, die für sie bookt. Ach, und ein bisschen Glück gehört natürlich auch immer dazu. 81 5.2.2. Zusammenfassung des Interviews PETER MARTIN JACOB schildert im Interview sehr eindrücklich, dass es heutzutage – egal ob als A-cappella-Gruppe oder als Band - notwendig ist, den Bereich der Social Media zu beherrschen. Natürlich ist dies abhängig vom primären Ziel der Gruppe, aber gerade im Mainstream-Bereich, der vor allem auf ein jüngeres Publikum baut, können dadurch Erfolge erzielt werden. Auch wenn JACOB mit der Gruppe Pentatonix primär nicht vertraut ist, kann er die Maschinerie, die hinter dem A-cappella-Boom steckt, sehr realistisch einschätzen. Dies wird durch das Renommee seiner Agentur bestärkt. Rein klangtechnisch gesehen sind A-cappella-Gruppen, die mit dem MainstreamPopsound liebäugeln, schon längst auf dieser Ebene angekommen. Ob ein perfekt gesetztes A-cappella-Arrangement jedoch mit instrumentalen Popbands mithalten kann, hängt sehr wohl vom Auge des Betrachters ab: Viele Menschen sehen A-cappella noch immer als Abgänger der klassischen Chorszene an, wodurch eine Gleichberechtigung oft gar nicht zugelassen wird, beziehungsweise der A-cappella-Szene viel weniger zugetraut wird, als eigentlich möglich ist. Fakt ist jedoch, dass, auch wenn eine A-cappellaFormation von einem Plattenlabel unterstützt wird, eine ausgezeichnete künstlerische Performance immer im Vordergrund stehen muss. Gerade in einer oft viel unterschätzten Nischen-Kunstform ist dies eine unabdingliche Voraussetzung für weiteres Aufstreben am Markt des Mainstreams. 82 6. Zusammenfassung ‚A-cappella goes Mainstream‘ – diese Behauptung trifft wohl am besten zu, wenn man sich die Erfolge von Pentatonix in den letzten Jahren zu Gemüte führt. Als Sieger einer Castingshow, bei der lediglich A-cappella-Gruppen zu den Teilnehmern zählten, etablierten sich KIRSTIE MALDONADO, MITCH GRASSI, SCOTT HOYING, AVI KAPLAN und KEVIN OLUSOLA innerhalb von kürzester Zeit in der Musikwelt. Weitere positive Aspekte wie ein rasanter Einstieg in den USamerikanischen Billboard-Charts, einem Plattenvertrag, sowie einer Welttournee zeugen von ihrem großen Erfolg. Man könnte meinen, dass nicht nur eine junge Gruppe, sondern eine ganze Nischen-Kunstform seinen Durchbruch geschafft hat. Bei genauerer Betrachtung der Geschichte des amerikanischen A-cappella war dies jedoch nicht immer so. Schon in der Ära des Gospels waren sogenannte Gospel Quartets von großem öffentlichen Interesse. Die Idee, dass eine Vokalgruppe dem Mainstream verfällt, besteht also nicht erst seit dem 21. Jahrhundert, sondern vielmehr hat sich diese immer wieder dem gängigen instrumentalen Stil angepasst und sich gemeinsam mit diesem weiterentwickelt. Mit der Übernahme von gängigen soundtechnischen und soundgestalterischen Mitteln aus der instrumentalen Popmusik hat sich die moderne, dem Mainstream zugewandte A-cappellaMusik schon längst auf eine gleiche Ebene mit instrumentalen Bands gestellt. Somit ist es heutzutage beispielsweise auch möglich, dass A-cappella im Radio gespielt werden kann, wie es bei Pentatonix auch der Fall ist. Sogenannte Loudness Wars, bei denen die Bässe gleich wie die Melodiestimme auf eine maximale Lautstärke angehoben werden, ermöglichen dies. Im Analyseteil dieser Diplomarbeit wurde dieses Phänomen anhand eines Vergleichs der Vokalarrangements von Pentatonix mit den jeweiligen Originalversionen der Lieder unter Beweis gestellt. Wie PETER MARTIN JACOB in seinem Interview sagte, liegt eine schlussendliche Gleichstellung von A-cappella und kontemporärer Popmusik eher an den Köpfen der Menschen, da dem Genre Acappella oft ein gewisses Maß an Biederkeit unterstellt wird. Dass mit ausgefeilten Beatbox-Techniken ein realer Schlagzeuger perfekt imitiert werden 83 kann, erscheint einem breiten Mainstream-Publikum oft noch unglaubwürdig. Das Aufgebot von Fans und deren Begeisterung während Live-Konzerten von Pentatonix unterstreichen die Annahme, dass A-cappella als Genre aufgrund von anfänglicher Unterschätzung nun eine umso größere Wertschätzung entgegen gebracht wird. Im Endeffekt ist es aber gerade bei A-cappella-Gruppen, denen nicht das Glück zuteilwurde, bei einer Plattenfirma unter Vertrag zu kommen, wichtig, dass die Vermarktung eigenständig mit Hilfe von Social Media wie Facebook, Twitter und Google+, sowie YouTube passiert. Eine Voraussetzung dafür, dass eine Acappella-Gruppe aber trotzdem erfolgreich werden kann, ist aber noch immer eine ausgezeichnete künstlerische Performance. Eines ist daher am Acappella-Sektor gewiss: Pentatonix und vergleichbare berühmte Gruppen sind großartige Künstler und Künstlerinnen, die hart für ihren Erfolg arbeiten und damit auch dem Genre A-cappella einen neuen Weg aufzeigen. 84 7. Literaturverzeichnis Angerer, Reinhard (2009). A cappella: Vokalkunst zwischen Renaissance und Popmusik. Diplomarbeit Kunstuniversität Graz. Averill, Gage (2003). Four Parts, No Waiting. New York: Oxford University Press. Eggebrecht, Hans Heinrich, ed. (1967). Riemann Musik Lexikon Sachteil. Mainz: B. Schott’s Söhne. Gribin, Anthony J. und Matthew M. Schiff (1992). Doo-Wop: The forgotten third of Rock’n’Roll. Iola: Krause Publications. Hiroshi Garrett, Charles, ed. (2013). The Grove Dictionary of American Music. 2. Ed. Band 8. New York: Oxford University Press. Jahn, Janheinz (1962). 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Anhang i) Diskographie136 Album Label Jahr Pentatonix: Volume 1 Madison Gate Records 2012 PTXmas Deluxe Edition Madison Gate Records 2013 PTX Vol. 2 Madison Gate Records 2013 That’s Christmas To Me RCA 2014 PTX RCA, Sony Music 2014 136 http://www.discogs.com/artist/3189736-Pentatonix [10.06.2015] 91 ii) Songtexte We are young – „Fun“ Give me a second I I need to get my story straight My friends are in the bathroom getting higher than the empire state Verse 1 my lover she is waiting for me just across the bar My seat's been taken by some sunglasses asking 'bout a scar and I know I gave it to you months ago I know you're trying to forget Verse 2 but between the drinks and subtle things the holes in my apologies you know I'm trying hard to take it back so if by the time the bar closes Prechorus and you feel like falling down I'll carry you home Tonight We are young Chorus, wiederholt So let's set the world on fire We can burn brighter than the sun Now I know that I'm not all that you got I guess that I Verse 3 I just thought maybe we could find a ways to fall apart But our friends are back So let's raise a toast Cause I found someone to carry me home Tonight Chorus, wiederholt We are young So let's the set the world on fire we can burn brighter 92 than the sun Carry me home tonight Just carry me home tonight Carry me home tonight Just carry me home tonight The moon is on my side I have no reason to run Bridge So will someone come and carry me home tonight The angels never arrived but I can hear the choir so will someone come and carry me home Tonight Chorus, wiederholt We are young So let's the set the world on fire we can burn brighter than the sun So if by the time the bar closes Outro and you feel like falling down I'll carry you home tonight Can’t hold us – “Macklemore & Ryan Lewis” Return of the Mack, get up! What it is, what it does, what it is, what it isn't. Looking for a better way to get up out of bed Verse 1 Instead of getting on the Internet and checking a new hit me Get up! Thrift shop, pimp strut walking, little bit of humble, little bit of cautious Somewhere between like Rocky and Cosby. Sweater gang, nope, nope y'all can't copy Yup. Bad, moon walking, this here, is our party, my posse's been on Broadway, Verse 2 And we did it, our way. Grown music, I shed my skin and put my bones into everything I record to it And yet I'm on. Verse 3 Let that stage light go and shine on down, got that Bob Barker suit game and plinko in my style. 93 Money, stay on my craft and stick around for those pounds, But I do that to pass the torch and put on for my town Trust me. On my I-N-D-E-P-E-N-D-E-N-T shit hustler, Verse 4 Chasing dreams since I was 14 with the four track bussing halfway cross that city with the backpack, fat cat, crushing Labels out here, Now they can't tell me nothing We give that to the people, Spread it across the country Verse 5 Labels out here, Now they can't tell me nothing We give it to the people, Spread it across the country Can we go back, this is the moment Chorus, wiederholt Tonight is the night, we'll fight 'til it's over So we put our hands up like the ceiling can't hold us Like the ceiling can't hold us Now, can I kick it? Thank you. Yeah I'm so damn grateful. I grew up, really wanted gold fronts Verse 6 But that's what you get when Wu tang raised you Y'all can't stop me, go hard like I got an 808 in my heart beat And I'm eating at the beat like you gave a little speed to a great white shark on shark week Raw. Tell me go up. Gone! Deuces goodbye. I got a world to see, and my girl she wanna see Rome, Verse 7 Caesar make you a believer. Now I never ever did it for a throne. That validation comes from giving it back to the people. Now sing a song and it goes like Raise those hands, this is our party We came here to live life like nobody was watching Verse 8 I got my city right behind me If I fall, they got me. Learn from that failure gain humility and then we keep marching ourselves Can we go back, this is the moment Chorus, wiederholt Tonight is the night, we'll fight 'til it's over So we put our hands up like the ceiling can't hold us Like the ceiling can't hold us 94 And so we put our hands up And so we put our hands up Let's go! Na na na na na na na na And all my people say Bridge Na na na na na na na na And all my people say Na na na na na na na na And all my people say Na na na na na na na na Mack- le- ah ah ah ah more Can we go back, this is the moment Chorus, wiederholt Tonight is the night, we'll fight 'til it's over So we put our hands up like the ceiling can't hold us Like the ceiling can't hold us Daft Punk – “Pentatonix” Buy it, use it, break it, fix it, Trash it, change it, mail, upgrade it. Charge it, point it, zoom it, press it, Snap it, work it, quick, erase it. Write it, cut it, paste it, save it, Load it, check it, quick, rewrite it. Plug it, play it, burn it, rip it, Technologic (Intro) Drag and drop it, zip, unzip it. Lock it, fill it, call it, find it, View it, code it, jam, unlock it. Surf it, scroll it, pause it, click it, Cross it, crack it, switch, update it. Name it, rate it, tune it, print it, Scan it, send it, fax, rename it. Touch it, bring it, pay it, watch it, Technologic One More Time One more time! One more time! 95 Like the legend of the Phoenix All ends with beginnings What keeps the planet spinning The force from the beginning We've come too far to give up who we are So let's raise the bar and our cups to the stars We're up all night to the sun We're up all night to get some We're up all night for good fun Get Lucky We're up all night to get lucky We're up all night to the sun We're up all night to get some We're up all night for good fun We're up all night to get lucky We're up all night to get lucky We're up all nightAll night to getUp all night to getGet- get lucky Last night, I had this dream about you. In this dream, I'm dancing right beside you. There's nothing wrong with just a little bit of fun. Digital Love We were dancing all night long. Oh I don't know what to do About this dream and you I hope this dream comes true One more time! Hey, we're gonna celebrate One More Time Aw yeah, Alright Don't stop the dancing One more time We're gonna celebrate Work it, harder, make it, better Do it, faster, makes us, stronger More than, ever hour, after Harder, Better, Faster, Stronger Our, work is never over Work it harder, make it better Do it faster, makes us stronger More than ever, hour after Our work is never over Work it harder, make it 96 Do it faster, makes us More than ever, hour after Our work is never over Work it, harder, make it, better Do it, faster, makes us, stronger More than ever, hour after Our work is never over Television Rules the nation Television Oh yeah Television Rules the nation Music's got me feeling so free Celebrate and dance so free One more time Music's got me feeling so free We're gonna celebrate One More Time Celebrate and dance so free Tonight – hey - just feel it Music's got me feeling so free (To give up who we are) One more time Music's got me feeling so free (Let's raise the bar) We're gonna celebrate Celebrate and dance (and our cups) to the stars! We're up all night to the sun We're up all night to get some We're up all night for good fun We're up all night to get lucky We're up all night to the sun We're up all night to get some Get Lucky und One more Time überlappend We're up all night for good fun We're up for one more night! We're up all night to the sun (Oh!) Eh, around the world (Celebration!) Feeling so free! Woah, one more night! We're up all night to the sun (Woah) Hey, around the world (Celebration) Feeling so- Our work is never over 97